Skizze einer Epistel
an Herrn Sekretair K*ch 1
1788.
Geheimer Sekretär, beim hochgeliebten Bruder
Des Fürsten, der durch Huld sich als ein Fürst beweist:
Ich bin erfreut, daß Charons Ruder
Mich nur geschreckt, daß ich nicht aus der Welt gereist,
Eh Vogler nach Berlin gekommen,
Und für sein wundervolles Spiel
Das Lob der Männer eingenommen,
Und Weiberküsse viel, sehr viel!
Ich selber gab auf beyde Wangen
Ihm Einen Musenkuß dafür,
Daß Er im Tempel ist gegangen,
Wo der Soldat und Officier
Auf Kanzelrede merken müssen,
[177]Da hat Dein Vogler so gespielt,
Daß alle Seelen hingerissen
Der Orgel Majestät gefühlt –
Und droben unterm Himmels-Chore
Hat selbst Cäcilia sich halb herabgeneigt,
Und Ihn behorcht mit Einem Ohre,
Und ihren Schwestern angezeigt,
Daß Vogler doppelt Ruhm verdiente;
Zuerst von wegen seiner Kunst,
Die sich des höchsten Flugs erkühnte;
Dann wegen seiner frommen Busenbrunst,
Ein armes Völklein zu erquicken,
Das bei der Wassersnoth verarmt
Und sterben muß vom Hungerdrücken,
Wenn sich das Mitleid nicht erbarmt.
Im Tempel unsrer Garnison,
Da ward er laut gelobt von Vielen;
Doch seiner Mühe schönster Lohn
War's Opfer für die Mangelklager,
War aber nicht, wie er's gehofft,
War seinem Wunsche viel zu mager –
Das Gabenheischen kömmt zu oft.
[178]Selbst Fürstentöchter übertrafen
Die bürgerlichen Töchter nicht,
Die unter niederm Dache schlafen –
Zwar Voglers schöne Menschenpflicht
War ganz erfüllt, war sehr zu preisen,
Und eigenmündig wird er's Dir
Erzählen, wenn er seine Reisen
Beschreibt, und Du voll Neubegier
Ihm gegenüber, ihm zur Seite
Die Rede seines Mundes trinkst,
Und oft, nach Art verliebter Leute,
Mit Funkelaugen Beifall blinkst.
Dann laß Dir auch von mir noch sagen:
Daß ich, ein Weib mit deutschem Sinn,
Troz meinen altgewordnen Tagen,
Noch munter und gar freudig bin.
u.s.w.