An eine adliche Schuldnerin,

für welche sich die Dichterin verbürgt hatte.


1790.


Weg ist nun eine Woche schon,
Zwei Wochen werden auch verschwinden –
Nach Deiner Kummerbitte Ton
Verschwand die erste Woche schon,
Woher soll sich Bezahlung finden?
Du machest ein Geheimniß mir
Aus der vorgeblich großen Sache,
Ein Abgesandter kam von Dir,
Der sagte das Geheimniß laut,
Weil ich ihn frug, worauf die Hoffnung sey gebaut?
Da nannt' er ein Arcanum mir, und prahlte
Er sey selbst bei der Sache intressirt,
Er, dessen alt Gewand kein Mensch mit Dank bezahlte,
Der nicht den Stab des Mangels führt –
[168]
Wahrhaftig, wenn Dein magrer Bote
Ein Mann von den drei Männern ist,
Mit welchen Du geschäftig bist,
An dem Arcanum, das von ächtem Korn und Schroote
Dir blanke Thaler bringen soll:
Dann steht es mißlich um die Leute,
Die sich verließen hoffnungsvoll,
Daß Deine Miene Gold bedeute,
Wenn Du Dir solch ein Ansehn gabst,
Als ob Du große Renten sicher
Aus großen hohen Händen habst –
Sprich, was studierst Du doch für Bücher,
Von deutscher Wolle willst Du nun
Die feinste Spansche Wolle machen?
Du willst ein Wunderwerkchen thun?
Ich lache bei sehr wenig Sachen,
Doch bei dem Wunder muß ich lachen – –
Zwingt Dich die Drangsaal nicht zu schon gewohnter List;
So wird Dirs dennoch gehn wie manchem Alchimist,
Der Tag und Nacht darauf verwendet,
Und wenn er nun das lezte Werk vollendet,
Wenn nun das Wunder soll geschehn,
Veredeltes Metall im Tiegel
Mit rothem Goldesglanz zu sehn,
[169]
Ach, dann bekommt der König Flügel,
Flieht aus dem Laber'torium
In alle Lüfte ringsherum
Und nichts bleibt als ein Aschenhügel.
Der Laborant wird kummerstumm –
Daß Gott erbarm! so kann Dir's auch ergehen,
Dann giebst Du Deinem Schicksal Schuld,
Und alle Gläubiger verlieren die Geduld,
Und ich soll für die Summa stehen,
Die Du bei St*zen aufgeborgt.
Nie darf ich's wagen unbesorgt
Vor innerlicher Schaam dies Haus noch zu betreten,
Wo Du Dir Silber ausgebeten,
Weil Dich mein redlich Herz empfahl.
Gewöhne Dich zur Wahrheit doch einmahl
Jezt in den Jahren des Verstandes –
Was hilft Dir jeder blaue Dunst;
Du wolltest ja den Flachs des Landes
Verwandeln auch durch eine Kunst
In würklich reine weiße Seide.
Du wolltest ja durch Liebesfreude
Dein Glück auf Deiner Tochter Glück
Fest gründen wie auf einem Fels im Meere.
Du bliebst dabei noch bis zum lezten Augenblick,
Daß Dirs vollkommen kundig wäre,
[170]
Wie Gusta mit dem Oberhirt Montan
Sich insgeheim gar wohl verstände,
Nun hat die schöne Truglegende,
Hat die Vorspiegelung ein Ende;
Nicht nur der Schein ist wider Dich,
Es sind vorsätzliche Thatsachen,
Und jede frägt halbrichterlich:
»Wer hieß Dich Staat auf fremde Kosten machen?
Wer zwang Dich zum Bedientenlohn?
Zur Wagendingung, und dergleichen?
Ha, der vornehme, große Ton,
Geziemt sich nur allein den gold, und silberreichen,
Nicht denen, die von Tag zu Tag
Sich um die Nothdurft kümmern müssen;
Man wage nur, was man vermag,
Und schone sein Gewissen« –
So reden ohne Schmeichelei
Die wirkliche Thatsachen,
Sie schreien laut, und dies Geschrei
Wird Deinem Wappen Schande machen;
Und flistern muß ich Dir ins Ohr:
Die Redlichkeit geht allen Warpen vor,
Und allem Glanz von tausend Jahren.
Ich ließe mich oft gern bei meine Freunde fahren,
Denn sauer wird mir jeder Gang,
[171]
Mein Eingeweid ist schwach, ich fühls bei jedem Tritte,
Muß ruhen unterwegs oft Viertelstunden lang;
Und dennoch macht ich mirs zur Sitte
Kein Geld zu borgen, um dem Lohngedungnen Mann
Zu zahlen, der durch Vorgespann
Mich ganz bequem zu Freunden brächte.
Noch weniger borgt ich mir Geld,
Damit man mich bemerken möchte,
Wenn vorgefahren wird, und wenn der Kutscher hält –
Ich kenne schon, seit fünf und zwanzig Jahren,
Ein wirklich edles Weib 1, das zwei Paar Kinder hat,
Es ließ sich ehedem in väterlicher Stadt,
Und hier zu groß Berlin im eignen Wagen fahren;
Weils aber ganz wahrhaftig edel denkt,
Hat sichs in seinen Wittwen-Jahren
Gebührlich eingeschränkt –
Wenns Gichtschmerz in den Füßen leidet,
Alsdann bleibts gern daheim, und meidet
Gesellschaft von der besten Art;
Und wenn der Schmerz vertrieben ward,
Dann gehts zu Fuß, wie ich, dann scheint es zu vergessen,
[172]
Daß der Gemahl Major gewesen ist –
Dafür empfindet es auch nie das Drangsalpressen,
In welches Du gerathen bist.
Bey Gott! zu dieses Weibes Füßen
Da möchten Du und ich, und hundert andre sich
Noch setzen, und gutmüthiglich
Der Weisheit Unterricht gemeßen –
Denn ohne Prahlerei im Glück,
Und ohne Zittern, ohne Zagen,
Beim widerwärtigen Geschick,
Bei trüben Kummertagen
Bleibt dieses Edlen Weibes Geist
Gleich stark um alles zu ertragen;
Und wenns die Scheelsucht bitterlich verdreußt,
So darf, so will, so muß ichs dennoch sagen:
In dieses Weibes Herz verläugnete sich nie
Die thätigste Philosophie! –
[173]

Fußnoten

1 Eine verwittwete Majorin von K**, an welche verschiedene Gedichte in dieser Sammlung gerichtet sind.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Karsch, Anna Louisa. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1792). Episteln und Erzählungen. An eine adliche Schuldnerin. An eine adliche Schuldnerin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-8FD3-A