Ueber den Unbestand des Ruhms
An die Frau G.R.B.
1763.
Sollt' ich, vom Stolz verblendet, glauben,
Daß mich einst loben wird die spätgeborne Welt?
Sprich, Freundin! ob Dir noch das Muster an den Hauben
Der Aeltermütter wohlgefällt?
Im Putz und Hausrath herrscht die Mode,
Sie herrscht nicht minder in dem Reich der Wissenschaft;
Der Kenner lobte vormals Günthers Heldenode,
Und jezt nennt er sie pöbelhaft.
Berühmt war Neukirch, und bewundert
Ward Broks, der Laub und Gras, Insekt und Blumen sang:
Und Beider Ansehn fiel, eh noch ein ganz Jahrhundert
Vollführt den flügelschnellen Gang.
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Die Zieglerin, im Lorbeerkranze
Schön abgebildet, war berühmt, als kaum an mir
Das Auge ward gebaut; und jetzo spricht die ganze
Gelehrte Welt nicht mehr von ihr.
Nur Pindar und Horatz, und jener
Unnachahmbare Mann, der Trojens Untergang
Beschrieben, und auch der, den von dem Gottversöhner
Ein Engel lehrte den Gesang;
Kleist, Ramler, Hagedorn und Haller,
Gleim, Gellert, Weiße, Utz, Dusch, Bodmer, Pope, Young:
Die trotzen dem Geschmack der strengsten Kunst, und aller
Verfeinerten Veränderung.
Ich aber bin vielleicht vergessen,
Wenn unsrer Enkelinnen Kopfputz dem Gesicht,
Den Schläfen und der Stirn ist besser angemessen,
Und der Karkasse widerspricht.
Ob ich ein längres Lob erstrebet,
Das ist mein Kummer nicht; die Freundschaft sey mein Stolz,
Sie weinet, wenn ich gnug gesungen und gelebet,
Noch Ruhm auf meines Sarges Holz.