An den Herrn von M*p*n in Braunschweig

[Welcher sich öffentlich für den Ritter ihrer Muse erklärt hatte.]


1791.


Verhelen kann ich Dir's, o Ritter, nun nicht länger,
Du stammst in grader Linie
Von einem edlen Minnesänger.
Dem thats im tapfern Herzen weh,
Wenn irgend sich ein Ritter fand zum Tadel
Der Dame Seiner Huldigung –
Ich lobe Deinen Seelenadel
Und Deinen Geisteswaffenschwung,
Womit Du den hast überstritten,
Der mit dahergeschwatztem Ton
Den Angriff that auf Weiber-Witz und Sitten;
Es war ja nur ein Alltagshohn,
Ein hundertmal schon abgenutzt Gespötte,
Das Deinen starken Widerstand
Zur Hälfte kaum verdienet hätte.
Der Mann, den Du mit einer Hand
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Gar leicht zu Falle konntest bringen,
Ist ein armseelig Ritterlein.
Der andre, welchen Dir die Muse half bezwingen,
Von der ich rühme, sie sey mein,
Ist aller Ehren werth. Grüß Ihn von meinetwegen,
Und wenn Du nicht die ganze Welt
Nach Deinem Wunsch mir kannst zu Füßen legen,
So bleibt es Dir doch freigestellt,
Vom Sitz des Herzogs und des Helden
Zu reisen in die Königliche Stadt,
Und bei der Dame Dich zu melden,
Die Dich so ganz bezaubert hat
Mit einem Reiz, der nie veraltet.
Im übrigen hat die Natur
Sie zum Bezaubern nicht gestaltet,
Befrag die Freundinn Campe nur,
Sie wird Dir Red und Antwort geben.
Sie spricht: das Aug' ist dunkelblau und klar,
Ist ziemlich noch voll Geist und Leben.
Gefallen würd' es, wenn das Haar
Der Augenwimpern länger wär gezogen,
Auch selbst dem Augenbram ein feingewölbter Bogen.
Die Stirn ist groß, die Schläfe tief gedrückt,
Der Mund ist viel zu platt geschnitten,
Ob ihn gleich noch die Röthe schmückt,
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Die von den Jahren nichts gelitten,
Von acht und sechzig Jahren nichts –
Das ist besonders, wirst Du sagen;
Doch nach der Bildung des Gesichts
Scheinst Du, Herr Ritter, nicht zu fragen.
Du liebst die Seele, die nicht stirbt,
Wenn sich in der begrabnen Hülle
Ein Mottenschwarm um Unterhalt bewirbt,
Wenn eine kalte Schlummerstille
Den Kopf bedeckt, der ehedem
Gedanken ohne Zahl geboren,
Und nun den Geist, der sie gedacht, verloren.
Du liebst den Geist, das ist mir angenehm,
Mehr als ein schwülstig Lobgedichte,
Dieß glaube vest, und eile bald
Mit einem deutlichen Berichte,
Ob Du die drohende Gewalt
Des Ritter Zimmermans verhöhntest?
Und Deinen Helm, und Deinen Schild
Mit frischerworbnem Lorbeer kröntest.
Dafür verheiß ich Dir mein Bild
Als einen Dank, noch eh die Traube
Sich in der Kelter pressen läßt,
Und Jacobs Enkel eine Laube
Sich bauen zum Gedächtnißfest.
[158]

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TextGrid Repository (2012). Karsch, Anna Louisa. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1792). Episteln und Erzählungen. An den Herrn von M*p*n in Braunschweig. An den Herrn von M*p*n in Braunschweig. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-90CA-A