9. Der Magisterschmaus 1

Mit Tönen, die die Enkel hören,
Will ich das Freudenfest beehren,
Gesellschaft, Scherzen, Spiel und Wein
Soll durch mein Lied verewigt seyn.
[15]
Doch wenn es bey der lauten Menge
Von Meistern tändelnder Gesänge
Nicht in der Nachwelt Ohren dringt,
So wird es weit genug erschallen,
Kann nur sein Klang noch euch gefallen,
O Freunde, deren Lust es singt.
Du hast uns diese Lust gegeben,
Du Anfangstag vom neuen Leben,
Da man, seit uns der Titel ehrt,
Den Namen seltner nennen hört.
Geburtstag ungezählter Lieder,
Da viel nur einmal und nicht wieder
Den Glanz von deinem Lichte sehn,
Und ihres Helden Trefflichkeiten
Recht nach Verdiensten auszubreiten,
Zur Heringsfrau, zum Kramer gehn.
Der niedern Sonne schwächrer Schimmer
Versammelt auf des Wirthes Zimmer
Die Freunde, die er werth geschätzt,
Daß sie und ihn sein Fest ergötzt:
Nicht roher Brüder wilder Haufen,
Geübt, zu schwärmen und zu saufen,
Und ihre Thorheit auszuschreyn.
Nur wenig, aber ausgewählt,
So viel man Grazien gezählet:
Der Wirth kann statt der Venus seyn.
Getränk, dazu aus weiter Ferne
Vom Osten rother Beeren Kerne,
Vom Abend süßen Schilfes Saft
Europens Wollust sich verschafft,
Komm, dich in braungefärbten Flüssen
Aus dem Metalle zu ergießen,
Das Spiegeln gleich an Schimmer strahlt,
Ins Glas, durch dessen zärtlich Prangen
Mein Sachsen kann den Ruhm erlangen,
Mit dem das eitle China prahlt.
[16]
Du stockst? welch zaubrisches Bemühen
Will dein Vergnügen uns entziehen?
Hast du ein frostig Lied gehört,
Das dich in starrend Eis verkehrt?
Nein, stets bereit hervor zu schießen,
Läßt dich des Hahnes Trotz nicht fließen,
Der fest in enger Rundung steht;
Die Kraft von Leipzigs zarten Söhnen
Sehn wir ihn unbewegt verhöhnen,
Bis ihn des Fremden Stärke dreht.
Zwar, deiner Heldenthat zu lohnen,
Verlangst du keine Siegeskronen,
Du, der des Hahnes Widerstand
Geschickt und mächtig überwand:
Doch dankbar dein Verdienst zu schätzen,
Verstatten wir dir ein Ergötzen,
Das sonst des Zimmers Putz versagt, 2
Daß, trotz der großen Spiegel Glanze,
Virginiens verbrannte Pflanze
Sich an den Gips der Decke wagt:
Nun, daß wir vom Caffee zum Essen
Die Stunden nicht verdrüßlich messen,
Was thun wir, das vergnügungsvoll
Uns ihren Lauf verbergen soll?
Zwar pflegt die Zeit uns ohn' Empfinden
Zu bald nur öfters zu verschwinden,
Wenn Witz und Wahrheit uns erfreun;
Doch jetzt soll Witz und Wahrheit schweigen:
Wenn wir uns oft als Weise zeigen,
So laßt uns einmal Menschen seyn.
Papier voll zaubrischer Figuren,
In dir sind tiefer Weisheit Spuren,
Die Schöne, die kaum lesen kann,
Fängt gar bey dir zu denken an;
[17]
Hilf du uns jetzt die Zeit verschwenden
Mit vierzig Blättern in vier Händen,
Die in zwey Paar das Spiel zertheilt;
Da der, den wir zum Beystand zwingen,
Uns oftmals hilft den Sieg erringen,
Oft mit uns ins Verderben eilt. 3
Bey deinen scherzerfüllten Kriegen 4
Vergehn zwo Stunden mit Vergnügen;
Und eh' vier andre noch vergehn,
Wird unter uns die Sonne stehn.
Nicht weil uns Kampf und Sieg ermüden,
Begehren wir zuletzt den Frieden,
Den matte Furchtsamkeit erzwingt:
Nein, kühn und stark zu fernern Streiten
Sehn wir beym Frieden beßre Zeiten,
Nur weil man uns das Essen bringt.
Was soll mein Lied noch ferner preisen?
Die Menge, Wahl, Geschmack der Speisen,
Den Wein von ungeschwächter Kraft,
Wie er in Frankreich Dichter schafft;
Die Freyheit von gezwungnen Sitten,
Das Recht der Franzen und der Briten,
Das deutsche Höflichkeit sich raubt;
Die Wollust, die Gespräche schenken,
Bey den wir reden, wie wir denken,
Und Lachen, das Vernunft erlaubt.
Hier zeigt euch Freunde dieß Vergnügen
Sich noch einmal in todten Zügen,
Mein Vers erinnert euch daran,
Was er nicht lebhaft schildern kann.
[18]
Ihr wißt, so schwatzhaft er gewesen,
Daß ihr nicht Alles noch gelesen,
Womit uns dieser Tag erfreut;
Doch heischt von mir nicht mehr zu reimen,
Ich seh', wie für mein spielend Säumen
Mit schon die ernste Meßkunst dräut.

Fußnoten

1 An M. Christian Fried. Oechlitz. 1745.

2 Die Scene war in des Neodidascali seiner Mama ihrer Besuchstube.

3 Ich hoffe, die Pancirolle und Salmuthe der künftigen Zeiten werden ihre gelehrten Untersuchungen von der Quadrille mit dieser Stelle vortrefflich auszieren.

4 Da unter Anderm der Verfasser mit einer poetischmathematischen Zerstreuung die Spadille ausspielte, als sein Gehülfe mit der Manille gestochen hatte, so hatten sie beyde den Stich desto gewisser.

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TextGrid Repository (2012). Kästner, Abraham Gotthelf. Gedichte. Oden und Lieder. 9. Der Magisterschmaus. 9. Der Magisterschmaus. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-932B-9