17. Die Tochter 1

Mama, daß Sie mich liebreich hüten,
Das kann ich Ihnen nicht verbieten;
Und, ist gleich die Gefahr noch weit,
Dank' ich doch Ihrer Zärtlichkeit.
[24]
Doch nehm' ich mich nicht selbst in Acht,
So werd' ich nur umsonst bewacht.
Vielleicht, was ich sonst nie begehrte,
Reizt mich, nur weil man es mir wehrte;
Frey soll mich sanfte Tugend ziehn,
Doch Fesseln brech' ich, sie zu fliehn.
Drum, nehm' ich mich nicht selbst in Acht,
So werd' ich doch umsonst bewacht.
Nie wird den Müttern Klugheit sagen,
Was muntre Mädchen listig wagen;
Damit ich keine Thorheit thu',
So trauen Sie mir Weisheit zu.
Drum, nehm' ich mich nicht selbst in Acht,
So werd' ich ganz umsonst bewacht. 2

Fußnoten

1 Von Hrn. Benda gesetzt. Musenalman. 1771. 40. S.

2 Die Veranlassung zu diesem Liedchen hat mir ein spanisches gegeben, in des Miguel de Cervantes Saavedra Novelas Exemplares (Brüssel 1625.) in der 7. Novelle, Del Zeloso Estremeno, 233. S. Es fängt an:

Madre la mi madre,

Guardas me poneys;

Que si yo no me guardo,

No me guardareys.

Der Anfang ist aber auch das Beste daran, oder eigentlich nur der Refrain; denn das Uebrige war nicht so beschaffen, daß ich es hätte verdeutschen wollen: ich habe statt dessen meine eigenen Gedanken gesetzt.

In Harsdörfers Gesprächspielen, vierter Theil (Nürnb. 1644.), 1. S. wird eine freye Nachahmung, die auch da in Noten zu finden ist, von einer Schäferinn gesungen. Sie fängt an:

Mütterlein was wollt ihr sagen?

Mich trifft es am meisten an,

Weiß ich nicht was heißt ein Mann,

Dessen Herrschaft man muß tragen?

Umsonst ist eur' Hut und Wacht,

Nehm' ich mich nicht selbst in Acht.

Den Eifersüchtigen aus Estremadura hat man englisch übersetzt in: Select Collection of Novels and Histories; in Six Volumes. London 1729. 8. Vol. I.P. 243, wo sich auch 271. S. eine genauere englische Uebersetzung findet. In eben der Sammlung stehen noch mehr Erzählungen aus diesen Novellen übersetzt.

Eine englische Nachahmung des Liedes findet sich in London Magazine 1768. p. 604. Der Endreim oder Abgesang (wie es Harsdörfer nennt) heißt da:

- - if myself I do not keep,

Instead of vvatching you may sleep.

Diesem Sänger hat der Reim den Schlaf in sein Lied gebracht. Er hätte besser gethan, wenn er, anstatt so elend zu reimen, auch geschlafen hätte.

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TextGrid Repository (2012). Kästner, Abraham Gotthelf. Gedichte. Oden und Lieder. 17. Die Tochter. 17. Die Tochter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-955D-7