2. Drey Erzählungen

1. Aus der Hölle

Im Dunkel jener Zeit, von der mit kühnem Dichten
Kein feiler Hozier 1 uns wagt zu unterrichten
Verlor sich Arnulf's Stamm; den wilden Saladin
Sah, an des Jordans Strand, sein tapfrer Ahnherr fliehn,
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Und dieser Ahnherr ward beym großen Carl zum Grafen;
Es zitterten vor ihm die Sachsen und die Slaven.
Ein Heil'ger selbst war ihm vom Vater her verwandt,
Doch Arnulf kam nicht hin, wo er den Heil'gen fand;
Er half sein Vaterland bey zwanzig Jahr verderben,
War Liebling seines Herrn und starb - wie Reiche sterben.
Hochselig pries ihn zwar geweyhter Lippen Spruch,
Doch wahrer sprach von ihm gepreßter Laien Fluch;
Wo Bau'r und Excellenz der Thaten Lohn empfinden,
Mußt' er, zum schlechten Trost, noch seinen Kutscher finden;
Der fragt' erstaunensvoll nach Arnulf's Missethat.
Ein Sohn, war Arnulf's Wort, für den ich Alles that;
Ihn, und mein alt Geschlecht durch ihn, erhöht zu wissen,
War mit kein Unrecht groß, und dafür muß ich büßen.
Du aber, guter Hanns, weswegen bist du hier?
»Herr, sprach der Kutscher drauf, der Sohn, der war von mir.«
Die Fabel wird wohl nicht auf unsern Adel passen;
Denn der verdammt sich nicht, um Kinder reich zu lassen.

Fußnoten

1 Ein bekannter französischer Genealogist.

2. Aus unsrer Welt

Der gebannte Kobolt

Eine Geschichte, die sich zwischen 1759 und 1762 mehr als einmal zugetragen hat.


Zu Carpzov's frommer Zeit, die Hexen noch verbrannte,
Eh' sie Thomasius, der Atheist, verbannte,
Beherrscht' ein Höllengeist ein groß und prächtig Haus;
Vor seinem Wüthen floh der Eigner gern hinaus,
Zum Exorcisten hin, der soll mit Segensprechen,
Mit Sprengen - was weiß ich's, die Wuth des Feindes brechen.
Doch für das Ungethüm war seine Kunst zu schwach;
Es lacht noch ungestört vom Keller bis in's Dach.
Hier, sprach er, sollst du doch nicht länger bleiben können,
Wärst du Beelzebub! und ließ das Haus verbrennen.
Die Balken glimmten noch, so stand der Kobolt drauf;
Und über Asch' und Schutt eilt des Beschwörers Lauf;
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Und sollte das Gespenst aus den Ruinen weichen,
So mußte sich mit ihm der Hausherr noch vergleichen.
So ward in dir, mein armes Vaterland,
Zur Zeit der Lohmanninn der böse Feind gebannt.

3. Aus dem Himmel

Rufin, am Himmelsthore

Am Himmelsthor, sollt' auf Sanct Peter's Fragen
Rufin Bericht von seinem Glauben sagen;
»Bey Hofe nimmt man gern des Königs Meynung an,
Im Lande glaubt' ich so, wie jeder Unterthan.«
Freund deine Weisheit muß ich loben.
Doch zweyerley zu seyn, gilt nicht bey uns hier oben;
Dir wird als Unterthan der Himmel offen stehn,
In's Fegefeu'r mußt du als Hofmann gehn.
Indem sich nun Rufin bedacht,
Hat Peter schon die Thüre zugemacht;
Doch war er drum nicht ganz verloren,
Ihm öffnet Ariost das Paradies der Thoren.

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TextGrid Repository (2012). Kästner, Abraham Gotthelf. 2. Drey Erzählungen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-96A4-C