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Ich bete in der Frühe
Und jeden Abend wieder,
Damit ich fromm erglühe,
Hafisens süße Lieder.
Ich murmle sie beständig
Im Pharisäermunde;
Denn sie sind nicht lebendig
Auf meiner Seelen Grunde.
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Wie einst ich meinem Gotte
Tugend und Treu versprochen
Und täglich ihm zum Spotte
Dennoch mein Wort gebrochen,
So brech ich jetzo wieder
Mein Wort, das ich gegeben,
Und halle heuchelnd wider
Hafisens Jubelleben,
Indes ich kalt und nüchtern
Und gramvoll mich erbittre,
Indes ich stumm und schüchtern
In meinem Herzen zittre!
Ich fühl's, nach allen Seiten
Ist Heuchelei vom Bösen;
Drum gilt's, das eigne Streiten
Von Pfaffentum erlösen!
Hast Freude du empfangen,
So freu dich ohne Prahlen!
Und will dich Nacht umfangen,
Schäm nicht dich ihrer Qualen!

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TextGrid Repository (2012). Keller, Gottfried. Gedichte. Neuere Gedichte. Aus der Brieftasche. 11. [Ich bete in der Frühe]. 11. [Ich bete in der Frühe]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-9AA2-E