Modernster Faust
Ich bin ein ganzer Held! Den Mantel umgeschlagen
– Romantisch schwarzer Samt erglänzt an Kleid und Kragen –
Stürm ich dahin in eitlem Wahn!
Ob Samt? ob nur Kattun? es war ein langes Zanken
Mit meinem Mütterlein; doch fest und ohne Wanken
Erstritt ich Samt, und niemand sieht mir's an.
Leichtsinnig, hohen Muts mach ich die Morgenrunde;
Die Wintersonne scheint, Cigarro brennt im Munde,
Den ich dem Kaufmann schuldig bin;
Die Wintersonne scheint, kalt ist ihr Silberflimmer,
Und kalt ist mir das Herz, kalt meiner Augen Schimmer
Und trüb, befangen immerhin.
Da treff ich einen Freund auf meiner irren Bahn,
Wir halten mit Geklatsch ein halbes Stündchen an;
Wie wenn zwei alte Hexen schelten,
So bricht von Bosheit nun und Neid ein ganzer Chor
Von Zoten, schlechtem Witz und Haß aus uns hervor,
Daß mir verschämt die eignen Ohren gellten.
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Da kommt ein Handwerksbursch, bleich, mit zerrißnen Sohlen,
Mütz in der Hand, geduckt, ein Gäblein sich zu holen;
Mit einem Kreuzer wär ihm wohlgetan.
Doch weil ich diesen nicht in leerer Tasche trage
Und doch nicht freundlich ihm es zu gestehen wage,
Fahr ich ihn rauh abweisend an.
Ob mir das kühle Herz in rascher Scham erglüht,
Ob auch ein blut'ger Schnitt mir durch die Seele zieht:
Man sieht es nicht in meinen Blicken;
Ich habe ja gelernt, mit höhnisch leichtem Spiel
Den halberfrornen Lenz, das innere Gefühl,
Wenn es erblühen will, zu unterdrücken!
O ich war treu, wie Gold, begeistert, klar und offen;
Ein Blatt ums andre fiel von meinem grünen Hoffen,
Und taube Nüsse tauscht ich ein!
Schmach über dich, o Welt! du hast mich ganz beladen
Mit deinem Schlamm und Staub! O könnt ich rein mich baden
Im wilden Meer, sollt's auch ein Sterben sein!
Kokett ist dies Gedicht, Naivetät erlogen
Und nur das Schnöde wahr! Ich hab euch arg betrogen,
Denn zwei geworden sind mir Herz und Mund!
Ich bin ganz euer Bild: selbstsüchtig, falsch und eitel
Und unklar in mir selbst; vom Fuße bis zur Scheitel
Ein europäisch schlechter Hund!