[29] Die Tscherkessen

Sieh', drei Reiter, glänzend, prächtig,
Wie sie nur im Traume!
Scharlachrot auf schwarzen Rossen,
Und mit gold'nem Zaume.
Schwarz und golden, herrlich flimmert's
Wie sie blitzschnell eilen.
Funken stäuben gleich Raketen,
Und es schwinden Meilen!
Purpurfedern auf Baretten,
Dolche an den Seiten,
Schienen sie die schnelle Runde
Um die Welt zu reiten.
Und die Rosse, wie arabisch
Ihre Blicke leuchten,
Wie die glänzend schwarzen Haare
Helle Tropfen feuchten!
Dreimal kam die Nacht gezogen,
Dreimal sah man's tagen,
Und noch immer Rosseshufe
Samt den Herzen schlagen.
[30]
Dreimal kam die Nacht gezogen,
Dreimal sah man's tagen,
Und es konnten Feuerkugeln
Sie noch nicht erjagen!
Nächtlich sieh' im Mondenscheine
Die drei Reiter knieen.
Brück' und Wasser hinter ihnen
Eine Linie ziehen.
In dem Grenzort auf dem Berge
Steht des Marktes Menge,
Und Bewunderung, Staunen, Rührung,
Wechseln im Gedränge:
Seht ihr, seht ihr die Tscherkessen,
Herr Gott! wie die reiten!
Feuer sprühen ihre Blicke
Hin nach allen Seiten!
Sie entfloh'n aus tiefen Reußen,
Heldenmut im Blute, –
So tönt's in des Volks Geflüster –
»Wie den' auch zu Mute?« –
[31]
Vor des Preuß'schen Rathaus Schwelle
Stehet die Behörde,
Und die Reiter, heiß und glänzend,
Ruhen auf der Erde.
Ihre Zeichen, ihre Mienen,
Blicke, freudetrunken,
Streicheln sie die prächt'gen Rosse,
Wie im Traum versunken.
Ihre Zeichen, ihre Mienen,
Ihre dunklen Worte,
Sie enträtselt halb ein Dolmetsch,
Tief gerührt am Orte.
»Wir Cirkassien's freie Söhne
In der Sklaven-Ferne
Hörten rühmend eure Freiheit,
Dienten Freien gerne!
Durch des höchsten Gottes Fügung
Nun auf freier Erde,
Flehen wir zum freien Preußen,
Daß uns Hilfe werde!
[32]
Dreimal vier und zwanzig Stunden
Ohne Rast geflohen,
Bieten wir uns, uns're Schwerter
Euch an voll Vertrauen!
Dreimal vier und zwanzig Stunden
Ohne Rast geritten,
Wir um edle, große, deutsche
Gastlichkeit nun bitten! –«
Also klangen ihre Worte,
Und mit starrem Munde
Still vernahm des Ortes Vorstand
Diese selt'ne Kunde.
Selbe Nacht noch, sieh', pechfinster,
Trotz des Vollmonds Lichte,
Lautlos durch die tiefe Stille
Lauschet die Geschichte.
Horch, zwei preußische Schwadronen,
Die Tscherkessen mitten,
Ziehen auf dem dunklen Boden
Hin mit festen Tritten.
[33]
Wieder sieht man durch die Gegend
Rosseshufe sprühen,
Brück' und Wasser diesmal ihnen
Vorn die Grenze ziehen.
Horch, da öffnet sich der Schlagbaum,
Und am Brückenkopfe
Nicken durch die hohle Öffnung
Russen mit dem Kopfe.
Dumpf Gemurmel vom Kartelle,
Freundschaft, – ungeschwächte, –
Und man liefert unsere Helden
An Kosakenknechte!
Düster graut der vierte Morgen,
Einzeln leuchten Sterne,
Russen bilden einen Halbkreis,
Wetter leuchten ferne:
Düster flimmern die Laternen,
Donner westwärts grollen,
Von der Helden Haupt, gebücktem,
Große Tränen rollen:
[34]
Niederknien alle Dreie,
Und vom Regimente
Dreimal tönt die russ'sche Salve,
Daß die Erde dröhnte!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kempner, Friederike. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1903). Die Tscherkessen. Die Tscherkessen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-A0A0-5