Im Grase

Laßt mich im Gras und Blumen liegen
Und schaun dem blauen Himmel zu:
Wie goldne Wolken ihn durchfliegen,
In ihm ein Falke kreist in Ruh'.
Die blaue Stille stört dort oben
Kein Dampfer und kein Segelschiff,
Kein Menschentritt, kein Pferdetoben,
Nicht des Dampfwagens wilder Pfiff.
Laßt satt mich schauen in die Klarheit,
In diesen keuschen, sel'gen Raum,
Denn bald könnt' werden ja zur Wahrheit
Das Fliegen, der unsel'ge Traum.
Dann flieht der Vogel aus den Lüften
Wie aus dem Rhein der Salme schon,
Und wo einst singend Lerchen schifften,
Schifft grämlich stumm Britannias Sohn.
Blick' ich gen Himmel, zu gewahren,
Warum's so plötzlich dunkel sei,
Erschau' ich einen Zug von Waren,
Der an der Sonne schifft vorbei.
[28]
Fühl' Regen ich im Sonnenscheine,
Such' ich den Regenbogen keck,
Ist es kein Regen, wie ich meine,
Ward in der Luft ein Ölfaß leck.
Laßt schaun mich von dem Erdgetümmel
Zum Himmel, eh' es ist zu spät,
Eh' wie vom Erdball so vom Himmel
Die Poesie still trauernd geht.
Verzeiht dies Lied des Dichters Grolle,
Träumt er von solchem Himmelsgraus,
Er, den die Zeit, die dampfestolle,
Schließt von der Erde lieblos aus.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Kerner, Justinus. Im Grase. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-A48D-2