Das treue Roß

Graf Turneck kam nach hartem Strauß
Bei Nacht wohl vor ein Gotteshaus.
Das Haus, das lag im Walde tief,
In seiner Gruft ein König schlief.
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Hier auszuruhn gedenkt der Graf,
Er weiß nicht, daß ein Pfeil ihn traf.
Der Graf steigt ab vom weißen Roß:
»Gras', bis ich wiederkomm', im Moos!«
Auf fährt das Tor mit dumpfem Schall,
Dann schweigt es in der weiten Hall'.
Der Graf tappt hin an kalter Wand,
Bald einen alten Sarg er fand.
»Der müde Leib soll rasten hier;
Versteinert Holz, brichst nicht mit mir.«
Der Graf sich legt, so lang er war,
Wohl auf dieselbe Totenbahr'.
Die Sonn' kam über Berge rot,
Der Graf kam nicht, der Graf war tot.
Seitdem verstrich manch hundert Jahr',
Sein harrt das Roß noch immerdar.
Vom Gotteshaus steht noch ein Stein,
Dran grast das Roß im Mondenschein.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Kerner, Justinus. Das treue Roß. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-A52D-0