Der Rosenstrauch

Bei Winters Frost in Kluft und Wald
Sich Kaiser Karl verloren,
Die Diener treu, die liegen bald
Rings um den Herrn erfroren.
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Er knieet hin auf kalten Stein,
Legt ab die güldnen Ketten,
Legt ab den Purpurmantel sein
Und tät demütig beten.
Ach, weh! ach, weh! der Rosenkranz
Der starren Hand entsinket,
Doch als er sinkt, wie Sonnenglanz
Er auf der Erde blinket.
Ein Rosenstock schnell aus ihm sproß,
Tät über Eichen steigen,
Ein süßes Duften sich ergoß
Aus seinen Blüten, Zweigen.
Auch rings, so weit sein Duft gereicht,
Die Bäume grünend prangen,
Die Vögel sich mit Singen leicht
Wohl durch die Lüfte schwangen.
Durch Wald und Kluft die Sonne hell
Mit mildem Glanz geschienen,
Die Knappen treu erstehen schnell,
Den Herren zu bedienen.
Und wo den Rosenstock man schaut
Auf der geweihten Stelle,
Zur Andacht ward gar wohl erbaut
Eine heilige Kapelle.
Ein Rosenkranz umfängt sie bald,
Untern Altar die Wurzeln dringen.
Da innen Chor und Orgel schallt,
Da draußen die Vögel singen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kerner, Justinus. Gedichte. Die lyrischen Gedichte. Der Rosenstrauch. Der Rosenstrauch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-A74F-5