[200] Der leidende Christus

In einem Trauerspiele vorgestellet durch Johann Klaj/ Der H. Schrifft Beflissenen/ und gekrönten Poeten.

[201] Denen HochEdlen/ Ehrenbesten/ Fürsichtigen/ Hoch-und Wolweisen Herren/ H. Niclas Albrecht Riedern von Kornburg.

H. Johan Wilhelm Kressen von Kressenstein.

H. Burkhard Löffelholtzen von Kohlberg.

H. Christoff Dörrern von Oberbürgles.

H. Leonard Grundhern.

H. Paulus Harsdörffern.

H. Georg Christoff Böheim.

H. Andreas Georg Paumgärtnern von Holenstein auf Lohnerstatt.

Der freien Kaiserl: Reichstatt Nürnberg Hochansehligen Landpflegern und Waldherren/

Meinen insonders höchstgeehrten Schutzherren/ und vielmögenden Beförderern.

[202]

HochEdle/ Ehrenveste/ Fürsichtige/ Hoch- und Wolweise/ insonders großgünstige/ hochgeehrte Herren

In Sprüchwörtern Salomons haben Ihre HochAdel: Herrlichkeit zum öfftern gelesen/ daß der/ welcher einen Stein auf den Rabenstein werfe/ sich vergeblichen bearbeite. In Erläuterung dieser verblümten Rede haben die Ausleger jederzeit die Köpfe sehr zerbrochen/ und scheinet/ als hätten sie auch mehrerntheils einen Stein auf den Rabenstein geworfen.

In der Edlen Grundsprache heist der Stein ןבא, welches etzliche von einem Schleuderstein/ andere von einer Perle/ andere von einem Schirbel/ andere von einem Rechenpfennige/ andere von einem Gassensteine auslegen.

Der Ort oder das Ziel/ worinnen diese Verrichtungen ihre Endschafft erreichet/ heist המגרמ, welches Wort/ weil es nur einmal in der Bibel/ viel Meinungen erreget/ etzliche legen es aus von einer Schleuder/LXX σφενδόνη, andere von einem Haufen Perlen/ etzliche von einem Purpur/ andere/ wie Lutherus, von einem Rabenstein/ andere von einem gemeinen Bruch- oder Bausteine.

Den Ausschlag in so vielfältigen Erklärungen zu geben/ ist dieses Orts nicht.

Die beste scheinet diese zu seyn/ daß המגרמ heisse eine Wegseule. Es waren aber bey denen Alten dem Weggotte (Mercurius) [203] zu Ehren steinerne und hültzerne Seulen aufgerichtet/ aldieweil sie darvorhielten/ daß der jenige bey dem Mercur dem Gott der Strassen in höchste Vngnade käme/ der einen Irrenden nicht wieder auf den rechten Weg brächte. Mercur aber war der Gott/ wie Cluverius darthut/ den die Teutschen Teut genennt. Dahero Goropius Becanus in die Gedanken geräht/ als wenn Margemah der eigentliche Name des Mercurs were und so viel hiesse als Markungmann/ Markrichter oder Grentzfürst/ wie sie Wehnerus nennet. Wiewoln ihn deßwegen Seldenus in dem Buch von Syrischen Göttern zimlich hönisch hält.

Dieser Gottesdienst sol von dem Mercur selbsten entstanden seyn/ als er vor denen Göttern wegen des ümgebrachten Argus von der Juno zu Rede gesetzt worden/ habe er sich mit des Jupiters Befehlich entschuldiget/ und also loßgesprochen worden/ da hätten die Richter/ nach Brauch des himmlischen Gerichts/die Steine zu seinen Füssen geworfen/ welches die Menschen auf Erden nachgethan/ und was sie für Steine inmitten des Weges gefunden/ an seine Seule geworfen/ welche sie ἑρμαίους λόφους, Mercurs Steinhaufen genennet.

Diese Götzen hat Carl der Grosse/ als er die Sachsen bezwungen und zum Christlichen Glauben gebracht/ niedergerissen/ und an Statt derselben das Zeichen des heiligen Creutzes auf denen Wegscheiden und Landstrassen aufgerichtet/ damit die Ehre des Creutzes/ an welchem unser Heil gehangen/ befördert würde.

Eusebius, Chrysostomus und auch der Kaiser Justinian haben vor rahtsam gehalten/ die Creutze an die Wege und in die Wälder zu stellen.

Ob nun wol die Heydenbilder abgeworfen worden/so ist dennoch der Gebrauch verblieben/ daß man an solche Grentzseulen Steine geworfen/ nicht zwar zu Ehren des Creutzes/ sondern entweder die Wege zu saubern/ oder daß die Reisenden vergewissert würden/ sie weren auf der rechten Landstrasse und wie viel sie von dem Wege hintersich gebracht.

Dergleichen sind auch meiner Wenigkeit zu Gesichte kommen/ [204] als ich diese HochAdel: Neronsburg erblikket/ massen ich/ durch deroselben Pflege und Wälder reisend/ vielfältig betrachtet.

Wie ich mich bisanhero in Ihrer HochAdel: Herrlichkeit wolverwahrten Ringmauer aufgehalten und darinnen meines Studirens abgewartet/ mir durch die Poeterey verhoffentlich viel Schutzherren und Beförderer gemacht. Als meinet ich/ es würde Ihrer HochAdel: Herrlichk: nicht zuentgegen seyn/ wann ich ihnen allerseits/ als welchen das Land unnd die Wälder anvertrauet/ dieses Gedichte von dem Creutzbaum unsers Erlösers überreichete.

Hierzu hat mich angefrischet Ihrer HochAdel: Herrlichk: Beliebung/ so sie zum Creutze tragen/ in dem sie theils selber die heilige Länder durchreiset/ alle aber bey dem gecreutzigten Christus ihre Wolfahrt suchen.

Zwar soll ich die Warheit sagen/ so ist das Werk an ihm selbsten menschlich/ aber der Inhalt Göttlich. Die Geschicht unsers Heils heilet unsre Fehler. Das Creutz des Weges ist die rechte Wegseule/ die uns zum Himmel leitet und durch diß Jammerthal hindurchführet.

Der leidende Gott wolle das Land vor Leid/ den Wald vor Nam und Brand behüten/ derselbe wolle auch von Ihr HochAdel: Herrlichk: alles Creutz und Leiden bey diesem beharlichen Jammerkriege abwenden/ welches Ihr HochAdel: Herrlichk: wünschet/ nebenst Empfelung Göttliches Schutzes/


Gegeben am 16. Tag des Blumenmonats/ Im Jahre 1645.


Ihr HochAdel: Herrlichk: in Vnterthänigkeit dienstergebener Johann Klaj.

[205] I.F.P.Q.

Mortalis,

heus!

adsis,

& anxiè adspice

Orbis Redemptorem,

DEI

Celsissimi,

propter dolos nostros nefasque,

FILIVM

ligno maligno pendulum diræ Crucis

Considera, sis,

Passionem,

motibus ardentibus!

Præibit,

Ornatus Comas virente Lauru,


CLAJUS,


entheô carmine,

Cùm Præco cras quieverit,

Germanico.

Die 29. Mart I Anno 1645.


Iohannes Michaël

[206] I.R.I.F.

O Todergebner Mensch!

komm/

schau das Heil der Welt/

den Höchsten

GOTTES SOHN/

an deine Statt gestelt

an das verfluchte Holtz/ durch deine Missethat.

Bedenk

die Marterqwal/ die

ER gelitten hat;

ein Teutsches Andachtslied/ das Geist und Feuer hegt/

dardurch

dein Sinnentzündt

die Himmelsflamm erregt/

wird


KLAJ/


mit Lorberlaub bezieret/

singen vor/

Wann morgen ist geendt die Predigt und der

Chor.

Den 29. Tag des Lentzenmonats/ Im Jahre 1645.


Dilherr.

[207] Erklärung des Titelbildes

Die Seele/ aus hertzlichem Verlangen nach dem ewigen Leben/ gleichsam in einem Traum entzukket/redet:


Wol mir! Ich lasse nun das müde Meer der Welt/
Den wilden Wellenweg/ das schwanke Segelzelt/
Der Winde Stürmerstimm/ der Silberfluten Brausen/
Das Ekkel-ungemach/ der Eitelkeiten Grausen.
Wie lang? Ach Herr/ wie lang beklagt ich ohne Maß
Die pfellgeschwinde Wind/ als schläffrich/ träg und laß?
Die Threnen leschten nicht mein brünstiges Verlangen:
Mein Seufftzen war zuvor befesselt und gefangen;
So gar daß ich gewillt/ aus dollem Frevelmuht/
Nach langverlangtem Port zu schwimmen durch die Flut.
Wol mir/ ich bin am Strand! Sorg/ Jammer/ Angst und Leiden/
Hat mit mir abgesteurt. Hier ist das Reich der Freuden.
Hertzliebes Vaterland!
Sey tausendmal gegrüsst.
Du sichrer Vferstrand
Sey tausendmal geküsst.
Gegrüsset solst du seyn/
Mit diesem Liebeskuß:
Geküsst dein Kies und Stein
Mit meiner Lippengruß.
Wol mir! und aber wol/ hier find ich aufgestellt/
Des starken AnkersCreutz/ das mir den Rukken hält:
Da mich der Hoffnungstrost mit wahrer Ruh begattet/
Da mich der Lorberkrantz der Ewigkeit beschattet.
Dir düsterwilde Welt sag ich nun gute Nacht;
Mich hat der Todesschlaff an Heiligland gebracht.
Ach schlaff/ ach sanffter Schlaff; mein Wunsch und mein Verlangen!
Wo find ich Hertzenswort dich lieben zu ümfangen?
Mein stetes Wollustbett ist eißl- und eisenkalt/
In welchem mich erkennt die schöne Todsgestalt/
Was nie kein Aug geschaut/ was niemand kan verjähen/
Hat mein entzukkter Geist im Hoffnungstraum gesehen.

[208] Dem leidenden Christus zu Ehren

Eingang.


Im lieblichen Früling wird alles erneuet/
Erfreuet/
Gedeiet/
Vnd du/ und du Herr Christ!
Der du der Menschen Freude bist/ klagest
Der du der Welt Gedeien bist/ zagest.
Mustu meine Sündenplagen/
Geschlagen/ tragen?
Ach mir Armen! 1
Ist denn kein Erbarmen?
Ist kein Recht mehr in der Welt?
Vnrecht Recht/ Recht Vnrecht fält.
Wir holen Violen in blümichten Auen/
Narzissen entspriessen von perlenen Tauen/
Es grünet und grunet das fruchtige Land/
Es gläntzet im Lentzen der wässrige Strand.
JESV wie bistu gemutet?
Händ und Beine sind zerrissen/
Deine Schultern wundgeschmissen/
Vnd der gantze Leib sehr blutet.
Es lallen/ mit Schallen von Bergen herfallen/
Sie rieseln in Kieseln die Silbercrystallen/
Sie leuchten/ befeuchten das trächtige Feld/
Sie fliessen/ durchgiessen die schwangere Welt.
[209]
JESV deiner Seite Brunnen/
Deine Wunden/ deine Narben
Kommen mit blutroten Farben
Von dem Creutze hergerunnen!
Die Nachtigall zwittert und kittert in Klüfften/
Die Haubellerch 2 tiretiliret in Lüfften/
Die Stigelitz zitschert und zwitschert im Wald/
Der Fröschefeind klappert/ der Wiederhall schalt.
JESV was für Jammerklagen/
Was für gallenbittre Schmertzen
Pressen dir aus deinem Hertzen
Solches Zittern/ solches Zagen?
Die Buchen und Eichen verbinden sich feste/
Sie strekken/ bedekken die laubichten Aeste/
Sie schatten die Matten/ sie breiten sich aus/
Sie zieren/ volführen ein lebendes Haus.
JESV du bist ausgespannet/
Deine Glieder sind zerrekket/
Deine Hände weitgestrekket/
Ja dein Leben ist verbannet.

Erste Handlung

Und da sie den Lobgesang gesprochen hatten/gieng JESVS hinaus/ nach seiner Gewohnheit/ über den Bach Kidron an den Oelberg. Es folgten ihm aber seine Jünger nach. Da kam JESVS mit ihnen zu einem Hofe der hieß Gethsemane/ da war ein Garten/darein gieng JESVS und seine Jünger JESVS aber fiel nieder auf sein Angesichte/ auf die Erde/ betet und sprach:


[210] Jesvs.


Mein Vater/ hör! Ach hör! was ich dir klage:
Du hast mich ja gezeugt/ vor aller Tagen Tage/ 3
Mein Wollen steht bey dir/
Ich weis/ die Wunderschrifft/ dein Buch/ 4 besagt von mir:
Ich komm/ es ist dein Wille/
Mein Gott dir halt ich stille.
Was vor betrübter Stunden
Hab ich von Kindheit auf/
In meinem Lebenslauf/
Mit Kummer überwunden?
Ein Pilgersman war ich noch ungeboren/
Ein Viehstall mein Palast/ die Krippe meine Wiege/
In der ich Armer arm in Wind und Winter liege/
Der Wüttrich hatte mir den Tod geschworen.
Es kam der weise Pers von Osten hergeflogen/
Er kam mich zu begrüssen
Mit frembdem Gold/ fiel hin zu meinen Füssen/
In dem er meinen Stern der Mithren vorgezogen. 5
Ich habe meinen Pracht/
Mit hundert Wunderwerken/
Den Glauben zu besterken/
Der Erden kund gemacht.
Das/ was erschaffen war zu Schafen/ Schand zu sagen!
Mein eigen Volk ist aus der Art geschlagen/
Die Farren mich 6 aus Vbermut ümringen/
Die fetten Stier aus Basan auf mich dringen/
Der blinden Saduzeer/
Vnd stoltzen Phariseer/
Es ist kein Glaube nicht/ kein Gott/ kein Seelengut/
Es flohe die Natur auf meines Fingers Winken/
[211]
Sie sah aus mir den Glantz der Gottheit blinken/
Der Wasserkrug 7 gab edles Weinbeerblut.
Ich hab mit schlechter Kost gelabt
Viel tausend leere Magen/
Vnd selbst kein Bissen Brod gehabt
In viermal zehen Tagen.
Das aufgereitzte Saltz/ der Stürmerwinde Blasen/
Schalt ich mit einem Wort/ im Schnauben meiner Nasen/
Bald legte sich des Wirbelstrudels Toben/
Der stumme Mund brach aus in Gottes Loben/
Ich habe klug gemacht die fehlgesinten Tohren/
Geheilt die tauben Ohren/
Die Blinden/ Lahmen/ Kranken/
Die haben dieser Rechte hier die gute Cur zu danken.
Ich habe ja die Welt bekriegt/
Dem Meer und Sternen obgesiegt:
Dem Leib/ der vor vier Tagen abgereiset/
Die Würmer schon gespeiset/
Sein Sein herwiederbracht/ nur in die Grufft gerufft:
Komm heraus.
Er stieg aus dem Todenhaus
An die helle Tageslufft.
Nun ist die Stunde da von Ewigkeit bescheiden/
In der des Todes Tod den bittern Tod muß leiden/
Der Weltherr vor die Welt/ der Fürst des Lebens stirbt/
Vnd macht den Tod zu tod/ das Heil der Welt erwirbt.
Der arge Sündenmensch ligt in der Sorgenruh/
Die Zornglut schlägt mit vollen Flammen zu/
Mit dem/ der gerne geht/
Pflegt das Geschikke sonst gelinde zu verfahren/
Wer widerspänstig ist/ den schleppt es bey den Haaren;
Der ewigfeste Schluß besteht.
[212]
Nach so viel Vngemach/ Frost/ Blösse/ Hunger/ Hitzen/
Muß Gottes liebster Sohn geronnen Blut ausschwitzen/ 8
Das keusche Blut geliefert von mir fält/
Es letzt und netzt die undanksvolle Welt.
Man trägt mein Leben feil/ 9 die träge Geistlichkeit
Käufft meinen Tod üm Gold. Ich bin/ ich bin bereit:
Die herbe Todesart 10 ist herber als der Tod/
Ich kämpfe meinen Kampf. O felsenschwere Noht!
Mein Hertz zerschmeltzet in der Mitten/
Es zittert/ pochet/ zaget/
Darf ich wol meinen Vater bitten/
Der mir sonst nichts versaget.
Doch was vorlängst versehen/
Das sol und muß geschehen.
Ich will der alten Schlang 11 den Drachenkopf zertheilen/
Den Versenstich mit meinem Blute heilen.
Mein Tod erfreut/ was lebt/ und was wird Leben haben/
Vnd alle/ die da sind von Anfang her begraben.
Ich habe nur den Lebenden 12 gelebet/
Mein Tod geht alle an/
Die Sündenlast auf meinen Schultern schwebet
Vnd drükket/ was sie kan.
Kein Mensch der sol in Sündenfall verderben/
Darüm will ich für alle Sünde sterben.
Was je und je der Erdenkreis verbrochen/
Wird diese Nacht an Gottes Sohn gerochen.
Du schlimmer Haubtman kömst mit Spiessen und mit Stangen/
Die Nacht ist dein Behuf/ den wilstu heimlich fangen/
Der alles weis und siht. Vmsonst/ ich bin bereit/
Zu gehen in den Tod. Ihr/ die ihr standhafft seyd
Bey mir in meiner Angst verblieben/
Nach eingenomnem Abendessen
[213]
Des Lobgesanges nicht vergessen/ 13
Von unsern Vätern vorgeschrieben/
Geht mit mir an den Berg/ wo der bepalmte Wald
Sich von dem Winde hebt/ mit stillem Rauschen schalt.
Ein jeder unter euch der wache/ bitte/ bete/
Indes ich mit Gebet für meinen Vater trete.
Ich bin/ ich bin das Lösegeld/
Das Lam/ das trägt die Sünd der Welt.
Es hat die heilge Zeit der Widder wiederbracht/ 14
Drüm wird das Osterlam nach altem Brauch geschlacht.

Chor derer/ die das Osterlam essen.

1.
Die Nacht ist fast zergangen/
Doch schläfft die Schläferwelt/
Die Silberfakkeln hangen/
Am blaugewölbten Zelt/
Die Goldgestirnten Bogen/
Mit Lampen überzogen/
Die blinken in der Lufft/
Wir wachen sonder Sorgen/
Bis an den liechten Morgen/
Bey unsers Opfers Tufft.
2.
Die Zeit wird nicht vergessen/
Die von dem Ausgang kam/
Wir müssen jährlich essen
Ein völlig Osterlam/
Es kommen zu dem Feste
Von Fremden fremde Gäste 15/
Die Stadt die bleibet leer 16/
Die vormal eingefallen
[214]
Von den Trometenschallen/
Es reist ihr Bürger her.
3.
Jordan/ der Printz der Flüsse/
Der feistes Land betaut/
Crystalne Händ und Füsse
Im Spiegelhellem schaut/
Wird witwengleich verlassen/
Es hitzen alle Strassen
Vom dikken Wandersman/
Man bringet auß Idumen
Zum Tempel bunte Blumen/
Beschmükt ihn üm und an.
4.
Auch der kömt/ der siht schmauchen 17
Des toden MeeresLeim/
Da fort für fort muß rauchen
Der gifftgemengte Schleim/
Der Saat und Ernden sterbet/
Den Traubenherbst verderbet/
Der Schwefelflammen Stadt/
Die Sodom aufgefressen/
Da sich das Weib vergessen 18
Vnd ümgesehen hat.
5.
Der keine Schätze heget 19/
Ist Gott und Menschen hold/
Vnd niemal überleget
Den roten Klumpen Gold/
Der den gemeinen Frommen
Nicht läst zu Schaden kommen/
Ist mühsam ohne Müh/
[215]
Kan wachen sonder Wachen/
Wenn andre weinen/ lachen/
Geruhig spat und früh.
6.
Wir Pilger wollen braten
Ein gültig Osterlam 20/
Vnd singen Gottes Thaten/
Wir/ der gezwölfte Stam/
Wir wollen nichts vergessen
Mit bittren Salsen 21 essen/
Geschuet angethan 22/
Vmgürtet an den Lenden
Mit Stäben in den Händen/
Gleich einem Reiseman.

Andre Handlung

Vnd alsbald/ da Simon Petrus noch redet/ krehet der Han zum andern mal. Vnd der Herr wandte sich üm und sahe Petrum an. Da gedachte Petrus an das Wort JESV/ und sprach zu denen/ die da waren:


Petrvs.


Ihr abgesagtes Volk/ dürfft ihr euch unterstehen
Verpantzert und gehelmt auf diesen loß zu gehen/
Der nichts verwirket hat? hier Petrus ist der Man
Der gibt sich willig an/
Der mehr verschuldt/ der erstlich drein geschmissen 23
Vnd erstlich ausgerissen.
Was darf es viel der Fakkeln und Laternen?
Es leuchten Mond und Sternen.
[216]
Es ist ümsonst der Tempelknechte Lauffen
Mit baarem Gelde kauffen;
Es nützet nichts/ daß man belohnen müssen 24
Des falschen Mundes Küssen!
Hier Petrus ist der Man/
Der gibt sich selber an.
Der wird kein einig Wörtlein 25 sagen/
Das eure Schaar zu Boden könte schlagen.
Wie? seyd ihr nicht versehn mit Ketten und mit Strikken?
Schnürt mir die Hände auf den Rükken/
Ich will nicht üm ein Haar von dieser Stätte weichen:
Bezahlt diß Lügenmaul mit hundert Bakkenstreichen.
Ihr Richter höret an/
Wer Petrus ist/ und was er hat gethan.
Mein Vaterland verräht 26 die Mutterzunge/
Ich ließ das Garn/ die Nachen/
Den Fischerzeug/ den Haußraht/ alle Sachen/
Vnd mich üm Jesus drunge/
Den ihr gefangen führt/ und trachtet/ daß da sterbe/
Der waarer Gott von Gott 27/ des Vaters Bild und Erbe.
Ihr Narren am Gehör und Hertzen unbeschnitten/
Ihr habt die heilge Bahn des Geistes überschritten/
Das Väterhauß hat Seherblut vergossen/
Auch derer Blut/ hilff Gott! im Tempel ist geflossen/
Die Christus vor verkündet.
Nun sich Messias findet/
Wird er von euch/ ihr Hunde/ tod gebissen/
Die ärger sind als Hund/ wird hin und her gerissen
Gleich einem Vbelthäter/
Von euch/ von euch/ von euch ihr Mörder und Verrähter.
Der Berg sol Zeuge seyn/ ich habe diese Pletzen 28
Auf euch scharf lassen wetzen/
[217]
Der Kidron 29 solte sich ergiessen/
Von Malchus 30 Blute röter fliessen.
Ich habe frisch von Leder 31 ausgezogen/
Den kekken Muht im Grimme lassen schauen/
Den Pfaffenknecht gehauen/
Daß ihm sein rechtes Ohr 32 vom Kopfe weggeflogen.
Den Thäter ließ er gehn und nach dem Helfer eilet/
Der ihm das Blut gestilt/ den Schaden zugeheilet.
Ich habe ja mich in Gefahr begeben/
Gewaget Leib und Leben.
Ich bin/ so bald ich sah den gantzen hellen Hauffen/
Den Berg herab gelauffen.
Pfuy Judas ist der Gottverkäuffer/
Du Petrus bist ein Vberläuffer.
Wer seiner Stärke traut 33/ gläubt selbstbeliebtem Mich/
Verlässet sich auf sich/
Der komme her und schaue an/
Daß auch ein Felsenkind sehr schwerlich fallen kan.
Der wird bestrikt/ der andern Netze leget/
Denn Vntreu seinen Herren schläget.
Hilf Gott! ein solcher Mensch/ der sich so hoch vermessen/
Der hat das Hertz gehabt/ das Abendmal zu essen.
Hastu den Fuß ins Wasser dürffen heben/
Der Versengeld gegeben?
Kein Brunnen kan mich baden/
Verheilen meinen Schaden
Als meiner Augen Bach. Weint/ weint ihr Stirnenwächter 34/
Rinnt wangenab ihr nassen Kummertöchter/
Ihr Fäuste schlagt die Brust/
Den Lasterschwarm/ den Sündenwust.
Ach solte diese Nacht Zeit meines Lebens währen/
Viel tausend milde Zähren/
[218]
Inmitten Threnen fliessen/
Die würden mir den Vberrest verschliessen!
Ja/ ja ihr Augen ja/ ietzt weinet ihr mit Sehnen 35/
Da rechte Zeit zu Threnen/
Da laget ihr zu Bette
Vnd schnarchtet in die Wette.
Nun auf des Hünermans gedrittes Morgenkrehen
Der Herr mich angesehen/
So hab ich meinen Lauf verbracht.
Ich will mich strakks in eine Grufft verstekken 36/
Mit grünem Wasen dekken/
Ihr Brüder gute Nacht.

Pilatus/ Kaiphas.


Die Juden aber giengen nicht in das Richthaus/ auf daß sie nicht unrein würden/ sondern Ostern essen möchten. Da gieng Pilatus zu ihnen heraus/ und sprach:


Ich Pilatus 37 muß zwar hier/ weitentfernet von Verwandten/
Eltern/ Brüdern/ und Bekandten/
Ein verwehntes Volk bezähmen/ das der Heyden Götter lacht
Vnd im Grund veracht.
Es bekennet einen Gott/ der mit ihme sey gereiset
Vnd es gantzer viertzig Jahr reichlich abgespeiset.
Sein Gesetz ist kein Gesetze/ weil es vielmal obgelegen/
Ist es mutig und verwegen/
Daher ich Hebreerblut 38 wider Willen offt vergossen/
Daß es durch die Stadt geflossen.
Jetzund geh ich zu vernemen/ was des Hohenpriesters Sinn/
Daß ich hin gefordert bin/
Ist/ weil er Bedencken trägt/ dieses Richthaus 39 zu beschreiten
Wegen naher Osterzeiten 40.
[219]
Aber was ist das vor einer/ den ich mit Verwundern schon/
Dessen Wangen braun und blau 41?
Sein Gesicht ist hell und schön/ vnd/ wie es das Ansehn hat/
Ist er sonder Missethat.
Du/ der Hohenpriester Fürst/ bringe deine Klagen an
Wider diesen frommen Man.

Da zureiß der Hohepriester seine Kleider und sprach:


Du/ der Römer Friedeschild 42/ hätte dieser nichts begangen/
Hätten wir ihn nicht gefangen.
Er verhetzet 43 den gemeinen Man/
Richtet Aufruhr an.
Er wil unser Kirchenhauß 44 gantz zerbrechen/ niederhauen/
Vnd in dreyen Tagen bauen.
Er verwirfft den Ruhetag 45/ stürmet den gewölbten Thron/
Saget: Er sey Gottes Sohn 46.
Denen/ die da wollen
Sich verzinsen/ wegert er das Zollen.
Er durchwandert alle Länder auff und nieder/
Hin und wieder
Hat er Teufel ausgetrieben/
Davids Reich ihm zugeschrieben.
Er darf einen Esel reiten/
Lässet sich mit Palmenzweigen/ Jubelloben einbegleiten.
Was verursacht Aufruhr wol? Raub und Mordgetümmel/
Städte/ Dörfer steigen auf/ Rauch verhült den Himmel.
Niemand sich zur Saatzeit rüstet/
Pflug und Ege sind verwüstet.

Zweyter Chor der Jüdischen Weiber.

1.
Altes Salem/ Gottes Schloß/
Dem vor Alters brachte Schoß
[220]
Der besiegten Erdenkreiß/
Da die halbverbranten Mohren
Wider dich das Feld verlohren/
Aber wo ist nun dein Preiß?
2.
Da mit Segelvoller Flut
Lief geflügelt von dem Sud
Die schwartzbraune Königin/
Deine Weißheit anzuhören/
Deines weisen Königs Lehren/
Ach es ist die Zeit dahin!
3.
Da sich der Egypterhund 47
Hart bewarb üm deinen Bund;
Dir bot an sein Fürstengut/
Der sein Gold und Geld verderbet/
Wenn er Sammet/ Seide färbet/
In dem teuren Sarrenblut 48.
4.
Salem/ die du Gott behagt/
Gehst/ gleich einer Bettelmagd/
In verruchter Dienstbarkeit/
Ein Gelächter schlechter Leute/
Fremden Schauspiel/ Feinden Beute/
Wo ist nun die güldne Zeit?
5.
Du warst allen Völkern werth/
Gottes Feuer/ Gottes Herd/
Gottes liebstes Eigenthum!
Seyt wir fangen anzubauen
Vnd den neuen Tempel schauen/
Ruhet deines Namens Ruhm.
[221] 6.
Vnglükhafftes Vngelük/
Du hast uns mit Trug und Tük
Vber Achsel angelacht/
Sollen wir zun Füssen ligen
Denen/ die wir in den Kriegen
Vielmal in die Flucht gebracht.
7.
Trost Israels komme doch/
Komm/ zerjoche Mosis Joch/
Komm du Helffer in der Noht!
Deines heilgen Volkes Recher/
Sündenstürmer/ Höllenbrecher/
Komm Gesalbter/ Todestod.
8.
Vnser Hoffen teuscht uns nicht/
Des Messias Tagesliecht
Ist gewißlich nicht mehr weit/
Jetzt erschalt vor unsren Ohren/
Was den Vätern vorgeschworen
Von der angenemen Zeit.

Dritte Handlung

Da das sahe Judas/ der ihn verrahten hatte/ daß er verdambt ward zum Tode/ gereuet es ihn/ und brachte herwider die dreissig Silberlinge den Hohenpriestern und Eltisten/ und sprach:


[222] Judas.

Wer reines Hertzens ist 49 und reine Hände hat/
Der fliehe diese Stadt:
Mein Schatten schadet auch. Der/ dessen Hertz und Geist
Liebt/ was gut und erbar heist/
Der verfüge sich nicht her. Wunder/ daß der Erdkreiß heget
Solche Laster/ solchen Judas träget.
Wo find ich doch die Gotteswürger Pfaffen/
Die sich bemühn/ den JESVS wegzuraffen?
Da kömt die Teufelszucht. Was thut ihr Mörder hier?
Es ist kein ärger Volk als ihr 50
Von Anbegin in diesen Weltbau kommen/
Mich ausgenommen.
Da habet ihr das Geld/ üm das ich euch gegeben
Den/ der da mir und euch gegeben Leib und Leben.
O Hunde-Rabengeld! was hab ich doch gedacht/
Daß ich ein Werk der Nacht bey Nacht volbracht/
Verrahten Gottes Sohn/ der für mich sterben muß/
Des Creutzes Vorbott war des Judas Judaskuß 51/
Ich habe mißgethan.

Die Hohenpriester antworteten: was gehts uns an? Da sihe du zu. Judas aber gieng hin/ warf die Silberlinge in den Tempel/ und sprach:


Gott/ aber nicht mein Gott 52/ ist kein Keil mehr im Himmel/
Der mich erschlagen kan mit Donnermordgetümmel
Tief in die Höll hinein. Ach Sonne zeuch zurükke
Dein goldgefärbtes Haubt/ daß mich es nicht erblikke!
Daß nicht das grimme Meer ergrimt 53/
Vnd mich/ wie vor die gantze Welt/ hinnimt!
[223]
Daß nicht vom Himmel fält die Schwefelregenglut!
Ach daß sich nicht das Menschenhauß aufthut!
Ach Herr blitzt denn dein Zorn 54 nur auf geringe Sünden/
Auf Zentnerschwere Schuld will er sich nicht entzünden?
Wie komm ich von der Welt?
Wie der/ den vierdten Theil 55 der neuen Welt erschlagen/
Wie der/ der lieber will dem Feind das Blut versagen/
Vnd selber in den Degen fält 56?
Ich will mein Grab aufrichten in der Lufft/
Ich bin nicht werth der sanfften Erdengrufft.
Wie jener schöne Knab 57 blieb an der Eichen hangen/
Weil er ein Bubenstük/ wie Judas hier/ begangen.
Dort ist des Todes Weg. Ihr nimmergrünen Aeste
Halt den verfluchten Leib in euren Armen feste:
Du Baum solst niemal nicht dich andern gleich aufgipflen/
Der Westwind lisple nicht in deinen kahlen Wipflen/
Kein grüner Wasen/
Kein feistes Grasen/
Kein Blumwerk üm dich steh
Zur Frülingszeit/ nur lauter Frost und Schnee.
Es werde dir der Arm vom Donner weggeschmissen/
Es werde dir das Haar vom Hagel hingerissen.
Der Nordwind schwenke mich der Welt zu Spott und Hohn/
Wer nur fürübergeht/ wird sein schlimm Maul zerzerren
Vnd sagen: solche Müh die gibet solchen Lohn/
Da Judas/ wuchre mehr mit deinem Gott und Herren!
Der Stamm des Baums wird eisenfest verharten/
Es ist ümsonst auf Gottes Gnade warten!
Nun Zunge stehe still und mich nicht förter qwele/
Ich werffe mir den Strik an meine Kele.

[224] Pilatvs.

Da gieng Pilatus wieder heraus und sprach:

Mir ist traun angst und 58 bang/ ich weis nicht/ was ich sage/
Die Kläger klagen an/ die drausgefaste Frage
Spricht den Beklagten loß.
Ich sag es rund heraus: Ich wolt/ ich hätte funden
Nur eine Schuld an ihm/ den Vnschuld hat gebunden/
Den gibet Vnschuld loß 59.
Was man ihm vorgerükt/ beantwort er mit Schweigen/
So/ daß ich wundersvoll die Vnschuld muß bezeigen.
Der heilgen Priester Huld/
Der Phariseer Haubt/ der Ehr- und Geldbegeitzer
Nent ihn ein Kirchendieb/ Meutmacher/ Volkverreitzer:
Diß ist die gantze Schuld.
Bey zagem Weibervolk 60 muß Muht und Macht zerrinnen!
Was sol der Fischerfürst? heu/ daß die Römerzinnen
Ziehn einen Pantzer an.
Ich bin/ ja/ saget er/ ein König zu dir kommen/
Nicht als ein Herr der Welt. Ich schütze nur die Frommen/
Es sey waar oder nicht?
Die Warheit bleibet waar 61; wer hat den Stab gebrochen/
Der schlauen Vnwarheit das Leben abgesprochen?
Wer toll/ sich selbsten richt!
Herodes läst ihn loß 62 mit Vnschuld ausgekleidet/
Jemehr die Vnschuld tagt/ jemehr wird sie geneidet/
Schuld sucht bey Vnschuld Schuld.
Ich sinne hin und her/ ihn wieder loß zu geben/
Man schenket Barrabas/ 63 dem Mörder/ eh das Leben/
Eh Vnschuld Vnschuld bleibt.
[225]
Das aufgebrachte Volk wil gantz von Sinnen kommen 64/
Mein Weib hat mir den Muht 65 mit Traumen abgenommen
Vnd Jesus Vnschuld auch.
Sie bittet mich üm sich und aller Götter willen/
Ich soll des Volkes Schuld an Vnschuld nicht erfüllen/
Was fang ich Armer an 66?
Soll ich der JüdenZorn mir auf den Nakken laden/
Sol ein geringer Mensch mir bringen Schand und Schaden/
Verschwenden Gut und Blut?
Gantz Juda lebet hier/ mit Salemsmaur ümschlossen/
Das aus der gantzen Welt zum Feste her geflossen
Nach seines GottesBrauch.
Ja wol ein schönes Lob/ nur eine Seele retten/
Vnd den gemeinen Nutz und Fried zu Boden tretten/
Er ist ja sonder Schuld 67;
Das ist schon Schuld genug/ was Aufruhr kan erwekken/
Wie viel hat Krieg erwekt ein krieggefürchtes Schrekken?
Ich führe ihn heraus;
Ich hab ihm 68 an der Seul 69 gegeisselt seine Rieben/
Es ist von Dornenreiß 70 kein Blut im Haubte blieben/
Sein Zepter ist ein Schilf 71.
Es rinnet rotes Blut von speichelvollen Wangen 72/
Sein gantzzerpeitschter Leib 73 mit Purpur überhangen/ 74
Seht eures Königs Bild:

Da nun die Hohenpriester und die Diener den Herrn Jesum sahen/ schrien sie und sprachen: Creutzige/ creutzige ihn/ wir haben keinen König denn den Kaiser. Läsestu diesen loß so bist du des Kaisers Freund nicht: Denn wer sich zum Könige macht/ der ist wider den Kaiser. Pilatus aber sprach:


[226] Pilatus.

Das tolle Solyme laufft Sturm auf allen Seiten/
Der Aufruhr läst sich nicht mit sanfftem Muht bestreiten/
Es sumt und brummet alls 75:
Ihr Diener Wasser her! hier dieses Brunnennasse
Wird Zeuge seyn. Die Hand/ darmit ichs fasse 76/
Sagt meine Vnschuld an.
Daß Vnschuld schuldig wird/ bin ich nicht Schuld daran/
Nun Barrabas sey loß. Hier den gerechten Man 77
Den hefftet an das Holtz 78.

Da antwortet das gantze Volk und sprach: Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder.
Dritter Chor der Jüdischen Weiber.
1.
Dich/ ja dich/ wir hier bethrenen/
Seuftzen/ Sehnen
Hat genetzet unsre Wangen
und ümfangen/
Hastu gleich durch rauhe Wege 79/
Ohne Stege/
Jakobsschar gebracht in Ruh;
Oder haben dich getragen 80
Flammenwagen
Himmelan dem Schöpfer zu.

2.
Bistu/ dessen Hauß der Seelen 81
Von Kamelen
Häute sonder Zierat dekken/
Feldheuschreekken
[227]
Deine Trachten/ deine Speise
Auf der Reise?
Die verwichte Täntzerin 82
Hat dich aus vergaltem Hassen
Köpfen lassen:
Nun/ du schleppst dein Creutz dahin.

3.
Blinden gibstu/ Liecht vom Liechte/
Ihr Gesichte.
Himmelsbrod/ dir wenig Aehren
Tausend nähren/
Auch der Krankheit blasse Leichen
Müssen weichen/
Du tritst in das Schiff hinein/
Das Gestade wird zu enge
Vom Gedrenge
Vnd die Berge sind zu klein.

4.
Gestern haben dich besungen
Salemsjungen/
Palmen auf den Weg gestreuet/
Dich erfreuet.
Heute deine Wundenfluten
Reichlich bluten.
Du trägst deines Creutzesstam/
Der dich armen selbst wird tragen/
Schmertzlich plagen/
Dich/ du wares Osterlam.

Es folgten aber Jesus nach ein grosser Hauffen Volk/ und Weiber/ die klagten und beweineten ihn. Jesus aber wandte sich üm zu ihnen und sprach:


[228] Jesvs.

Beweinet mich ja nicht/ halt Zehren/ Schmertzenstöchter!
Beklaget euer Hauß und Abrahams Geschlechter.
Du schönes Solyme/ nach kurtzverwichner Frist
Wird aller Frage seyn/ wo du gestanden bist 83.
Glükselig ist der Leib/ glükselig sind die Brüste/
Nach deren Muttermilch den Sohne nie gelüste!
Ihr Berge werfet ab das aufgeschwolne Dach/
Ihr Hügel dekket uns.
Chor der Jüdischen Weiber.
5.
Wirstu/ bistu weggenommen/
Wiederkommen?
Vielen/ wenn sie sind gestorben
Vnd verdorben/
Hastu Seele/ Leib und Leben
Wiedergeben
Vnd geruffen an das Liecht.
Andre können andren 84 geben
Leib und Leben/
Keiner ihme selbsten nicht.

Vierdte Handlung

Der Haubtman aber/ der dabey stund gegenüber und Jesum bewahrete/ da er sahe/ was da geschach/erschrak er sehr und sprach:


[229] Haubtman.

Ich habe mich der That/ der Jammerthat entzogen/
Doch ist mir auf den Fuß das Hören nachgeflogen/
Mir schwebet im Gesichte
Das grausam Mordgerichte.
Dergleichen That hat man/ seyt daß die Welt gestanden/
Gesehen noch erfahrn/ in Gottvergessnen Landen/
Auch wo man/ statt der Fische/
Trägt Menschenfleisch zu Tische.
Es war Erbarmen da/ die Zornglut die glimte/
Jemehr Erbarmen schont/ jemehr der Grim ergrimte/
Das Creutz von vielen 85 Ellen
Wil ihn zu Boden fällen.
Jetzt schonet der Kriegesknecht. Es wird ihm zugegeben
Der Simon von Cyren 86/ hilfft ihm das Qwerholtz heben/
Sein Landgut muß er lassen/
Die Creutzlast auf sich fassen.
Der Städtelaster fleucht 87/ muß Städtegrim ertragen/
Er schmiegt sich an den Baum üm fremde Schuld geschlagen/
Der nichts nicht mißgehandelt/
Belastet ungern wandelt.
Da wo die Todensenß hat Nordenwerts gemeet/
Die Hügel hin und her 88 mit Schädeln zugeseet;
Da wo des Adams Knochen
Im warmen Sande kochen.
Das blutbedüngte Feld ligt öd und abgemattet/
Kein dikbelaubter Baum die Höhen überschattet/
Da wirfft man JESVS nieder 89/
Zerzerret ihm die Glieder.
Sein honigsüsser Mund den Myrrhenessig leidet 90/
Es wird/ den Mördern gleich/ der Marmorleib entkleidet 91/
[230]
Die durchgebohrten Hände
Stehn an des Balken Ende.
Es wird dem hohen Pfal 92 das Qwerholtz überleget/
Der hartgebundne Leib 93 in dünner Lufft sich reget/
Der arme schmertzlich sitzet 94/
Die Füsse sind durchritzet 95.
Diß alles/ was hier ist/ siht seinen Schöpfer hangen/
Das Hertz mit Hertzensangst gepresset und ümfangen/
Das Hertz heraus geschüttet/
Vor seine Feinde bittet 96.
Die Schaar theilt in vier Theil 97/ was Jesus angetragen/
Darf üm den Rok auf Glük die Würfelschantze schlagen/
Begehret vor dem Sterben
Den schnöden Raub zu erben.
Es wurden damal auch zween Mörder 98 an den Schragen
Nach wolverdientem Lohn mit Nägeln angeschlagen 99/
Bey denen war zu lesen 100
Ihr Thun/ wer sie gewesen.
Der Pöbel sahe nichts bey dem/ der in der Mitten 101/
Forscht emsig hin und her/ was dieser überschritten?
Auf was vor ein Verbrechen
Solch Vrthel auszusprechen/
War gleich das Creutz sehr hoch/ war doch die Tafel höher 102/
Die dann der Griech verstund 103/ der Römer und Hebreer/
Diß ist der Jüden König 104:
Sagt an/ ist es zu wenig 105?
Man sihet Wunderding 106/ dem gehn die Augen über/
Der schüttelt seinen Kopf und pfeiffet hönisch drüber/
Im Threnen mancher lachet/
Das Lachen Threnen machet.
Es weinen unter ihm viel fromgesinte Hertzen/
Die bey ihm blieben sind in Freuden und in Schmertzen/
[231]
Der Weiber treue Scharen/
Die ihm gefolget waren.
Die raufft ihr gelbes Haar/ die schläget ihre Brüste/
Die heulet überlaut/ macht ihr Gehirne wüste/
Das Bergkind hört die Lieder
Vnd bringt sie seuftzend wieder.
Die niemand gleiche Frau voll Hertzleid aller Enden 107/
Weis nicht/ wo hin sie sich in solcher Angst sol wenden/
Der Sohn/ der sich nun letzet/
Sie mit dem Blute netzet/
Hebt sie das Haubt empor/ so siht sie voller Plagen
Die Glieder/ die sie hat neun Monden lang getragen/
In dem sie beides meidet/
Sie alles beides leidet.
Sie küst das Lebensholtz 108/ des Sohnes Sterbebette/
Vnd sinkt in Ohnmacht hin. Es sterben in die Wette
Der Sohn auf hoher Bühnen/
Die Mutter in dem Grünen.
Der nichtmehrweite Tod vermehrt des Weibes Leiden 109/
Drüm ihr an Kindesstatt JOHANNES wird bescheiden/
Daß sie des Jüngers pflege
Wie Mutter allewege.
Die/ die vorübergehn/ die winken mit dem Kopfe/
Kein Mensch ist/ der ihn siht/ der in die Hand nicht klopfe/
Vnd speie mit Gelächter:
Diß ist der Gottverrächter!
Wie? Bistu noch so kühn/ kanstu vom Creutze klettern?
Wie schöne kanstu doch den Tempelbau zerschmettern!
Sein Cederwerk zerhauen/
In dreyen Tagen bauen.
Wer hat es je gehört? Der Linke von den Dieben 110/
Wird durch das Diebesmaul zum Lästern angetrieben.
[232]
Bistu Israels Rächer/
Hilf uns und diesem Schächer.
Den straffet unmuthsvoll sein andrer Todsgeselle/
Er sprach: Du fürchtest nicht die schwefelgelbe Hölle/
Vns wird gar recht gelohnet/
Er solte seyn verschonet.
Er wendet sich drauf üm und sagt: Herr mein gedenke 111
In deinem Gnadenreich/ mir meine Sünde schenke/
Was ich bißher verbrochen/
Das ist an mir gerochen.
Gott sprach: eh morgen früh 112 das Sonnenliecht aufstehet
Vnd wie ein Bräutigam aus seiner Kammer gehet/
Wird dich der selge Garten
Als lieben Gast erwarten.
Seht/ wie das Weltliecht eilt 113/ wie rennet es doch fort/
Kan doch der Meergott selbst für Sturme nicht zu Port.
Ach sehet/ sehet doch die düstre Wolkenschwärtze/
Man sihet keinen Glantz/ es stirbt das Himmelhertze.
Die Elemente selbst/ das schwanke Welthauß kracht/
Ach Gott/ es bricht herein mit Macht die Schrekkennacht.
Ich warte mit Verlangen/
Es kömt jemand gegangen/
Du bist auch/ wer du bist/
Sag an/ was mehr geschehen ist/
Benim uns unsrer Noht/
Wir fürchten uns zu tod.

Johannes der Evangelist.

Johannes/ der das gesehen hat/ der hat es bezeuget und [233] Sein zeugniß ist waar/ und derselbe weis/ daß er auch warsaget:


Vnd nun/ nun ist er hin. – – –
Die Sonne flohe fort/ der Himmel stund bestürtzet/
Der Tag der ward zu Nacht/ das helle Liecht verkürtzet/
Da doch der halbe Theil 114 noch nicht vergangen gar/
Wo anderst dieser Tag ein Tag zu nennen war.
Es riß sich Gott von Gott. So viel ich kunte fassen/
Rufft er: Mein Gott/ mein Gott 115/ wie hastu mich verlassen!
Er war gantz durchgebracht/ verblutet/ abgefleischt/
Darüm er einen Trunk vor grossem Durste heischt.
Man gab ihm einen Schwam mit Essig angefüllet 116
Auf einem Isopen 117/ der Durst ward bald gestillet/
Er schrie wieder laut: Es ist 118/ es ist volbracht/
Das Haubt sank erdenab und sagte gute Nacht:
Es ist/ es ist volbracht/ es ist mein letztes Ende/
Mein Vater meinen Geist geb ich dir in die Hände.
Ach alles seh jetz zu/ der Lebensfürst muß sterben/
Der uns durch seinen Tod das Leben kan erwerben/
Gott röchlet/ Gott erblast. Der Herr der Herrlichkeit
Der gibt auf seinen Geist. Gott schleusset seine Zeit/
Es läst das blaue Dach 119 sein Gold und Silber fallen/
Die Felsen springen auf 120 mit unerhörtem Knallen/
Die Gräber fallen ein 121/ die Toden stehen auf
Vnd nemen durch den Tod ins Leben ihren Lauf.
Man hat bey trüber Nacht die Geister sehen lauffen
In Häusern hin und her. Die Seelen auch bey Hauffen/
Nachdem der Erden Bauch 122 aus Furcht gefallen ein/
So wird der Himmelssaal ein Grab der Frommen seyn.
[234]
Der Fürhang in der Kirch 123 von künstlichen Geweben
Mit schönem Scharlachrot hat einen Krach gegeben/
Gerissen durch und durch. Die Dekke gieng entzwey/
Das heilge Heiligthum. Ein jeder sahe frey.
Weil nun der Rüstag war/ so hörte man zerpochen 124
Der Mörder ihr Gebein/ die Schenkel und die Knochen/
Sie sturben auch dahin. Doch nicht zugleich die Noht/
Der Landsknecht einer forscht/ ob Christus gäntzlich tod.
Eröffnet mit dem Speer 125 dem Lebensbrunn die Seiten/
Woraus sich mildiglich zwey schöne Bächlein leiten/
Blut/ das des Vaters Zorn und Eiferbrennen stilt/
Vnd Wasser/ das hinein in jenes Leben qwilt.
Die Cörper haben nun entblöst genug gehangen/
Der kühne Joseph 126 darf sich dieses unterfangen/
Den gantzerstarten Leib nimt er vom Creutz herab/
Bestattet ihn mit Pracht in sein selbsteigen Grab 127.
Der fromme Nikodem 128/ der vor zu Jesus kommen
Bey tunkelbrauner Nacht und Lehren eingenommen/
Bringt Myrrhen/ Aloes/ und teure Spetzerey/
Damit der zarte Leib vor Fäulung sicher sey.
Er balsamirt ihn stark/ verleibet ihn der Erden/
Darein wir/ wenn GOTT wil/ noch alle kommen werden.
Den Geist befehlen wir/ wir Herr in deine Hände/
Kom uns zu Hülf mit Trost an unserm letzten Ende.

Chor der Römischen Soldaten.

Phebus/ der du neblichte Lufft zertrennest/
Vnd erhitzt mit flüchtigem Zügel rennest/
Wo sind die stralwerfenden Brennerspeichen/
Golde zu gleichen?
[235]
Für dir der nachtschweifende Chor erschrikket/
So bald er den feuerroten Glantz erblikket/
Auge der Welt/ Lebensbrunn/ Printz in Tagen/
Wiltu wol sagen?
Was für düstrer Demmerung Kohlenschwärtze/
Hemt die rosenfarbene Himmelkertze?
Deine Hengste schnaubende noch nicht zischen 129/
Seewerts sich frischen.
Welche Regenwolke hat dich verstekket?
Hastu dich mit Trauerflor überdekket?
Deiner Schwester Silberbezäumte Pferde
Leuchten der Erde.
Ist diß Gantzen endliches Ziel verhanden/
Ligt das blanke Siebengestirn in Banden/
Wiltu diesen Mittelpunkt überschwemmen/
Alles verschlemmen?
Was wird wol das schäumende Meer auswaschen?
Was für Asche frisset die Loderaschen?
Entweder diß Runde von hinnen 130 scheidet
Oder Gott leidet.
Blut hat Gottes einiger Sohn vergossen/
Das vom Creutze strömende hergeflossen/
Darüm noch der Erdenkreis wankend zittert/
Schüttert und splittert.
Herr laß die stokfinstere Nacht verschwinden/
Vnd vergib uns unsere 131 schwere Sünden/
[236]
Laß die rosinrote Flut uns befreien/
Wolkenan schreien.
Es ist nicht von Kälbervieh oder Bökken/
Es kan allen sündlichen Makel dekken/
Wer hätt einen richtigern Sündenbürgen
Können erwürgen?
Schluß.

Bleibet der am Creutz verflucht/
Welchen meine Seele sucht?
Wo ist seines Leidensfrucht/
Welchen meine Seele sucht?
Welcher meine Lieb vergnüget/
Liget furchenweiß gepflüget/
Aus dem bittren Frülingsleiden
Sprost der Schwachen Sünderkrafft.
Der Granaten Purpursafft
Kan uns trösten/ laben/ weiden/
Trösten in dem Threnenzelt/
Laben/ lassen wir die Welt/
Weiden in dem Sternenfeld.

Weil folgendes Schreiben von der gantzen Verfassung diese Trauergedichts berichtet/ ist für nöthig erachtet worden/ solches hieher zu setzen.

[237] Liebwehrter Herr/ geehrter Freund

Ich hab aus des Herrn gestern an mich beliebten Schreiben erfreulich verstanden/ wie er gesinnet/ ein Trauergedicht von dem bittern Leiden und Sterben unsers Heilands aufzusetzen/ benebens der Frage/ in was für Reimarten solches am schikklichsten beschehen könte?

Ich wolte wünschen/ daß ich zu so löblicher Arbeit einen anständigen Raht ertheilen möchte: Halte aber darvor/ der Herr/ als in der Teutschen Poeterey ein langgeübter und wolerfahrner Meister/ werde hierinnen niemand besser als seinem verständigen Nachsinnen zu folgen haben. Doch will ich meine Meinung/auf des Herrn inständiges Begehren/ nicht verhalten/und mit mehrerm vermelden/ was ich neulich mündlich von der Italiäner Poeterey berühret. Dem Herrn stehet frey meinem Vorschlag nachzugehen/ oder nicht.

Der Inhalt der gantzen Erzehlung ist ursprünglich aus den H. Evangelisten abzusehen: Die Poetischen ümstande und geistreiche Gedanken darvon sind aus den Propheten und Psalmen/ aus den Kirchenlehreren/und Christlichen Poeten/ die hiervon handlen/ herzuholen. Absonderlich aber aus dem Trauerspiel/ dasGregorius Nazianzenus, oder wie andere wollen Apollinaris Laodicæus, nach ihm Hugo Grotius, und aus diesem George Sandys in die [238] Engländische Sprache übersetzet/ und mit schönen Anmerkungen erkläret. Diesen wird der Herr nachzuahmen/ und sich ihrer Ordnung und Kunstzierde zu bedienen wissen: gestalt wir/ noch der Zeit/ im Teutschen lieber der Immen als der Spinnen Arbeit folgen sollen; Ich will sagen/ lieber den Saft und Kraft aus andern Büchern ziehen/unsre Sprache zu versüssen/ als aus eigenem Vermögen viel undienliches zusammenweben. Solchergestalt sol mit der Zeit und der Teutschliebenden Samthülffe alles und jedes/ wormit andere Zungen prachten und Lob verdienen/ unserer Majestätischen/ wundermächtigen/ und vollkommenen Muttersprache einverleibet/und nichts leswürdiges gefunden werden/ das der Teutsche nicht ohne Latein solte erlernen können: Worzu durch die Sprach- und Reimkunst ein fester Grund von dem wolverdienten unnd weitberühmten Schottel geleget worden.

Die Reimarten belangend/ ist wol zu bedenken/welche dieses Orts statt finden: Dann solche bey dem Zuhörer gleichsam die Trompeten/ und dardurch der eingezwängte Laut so viel heller und klärer in der Lufft erschallet: Bey dem Leser aber sind sie das Gold/ in welches die Steine der edelsten Gedanken eingefasset/ die blanksten Stralen von sich werffen.

Dem Herrn ist wissend/ daß in der Teutschen Sprache die zweysylbigen Wörter alle und jede trochäisch oder jambisch/ langkurtz oder kurtzlang sind/ doppelkurtze und doppellange [239] Versglieder (Pyrrichios & Spondæos) haben wir nicht in der gantzen Sprache: Daher dann besagte beide Reimarten zu traurigen und frölichen Sachen gebrauchet werden. Jedoch mit so unterschiedlichen Bindungen/ daß sie von zweysylbigen Verslein bis auf 16 und 17 Sylben können füglich gemehret und gemindert werden/ wie hiervon ümständig in vorbelobter Reimkunst gehandelt wird.

Die kurtzlangen Reimarten sind zu den Erzehlungen/ die langkurtzen zu Bewegung der Gemühter/ wie die langgekürtzten oder Dactylischen/ (welche von den dreysylbigen Worten entstanden) zu freudigen Sachen beqwemlich. Hierbey ist zu beobachten/ daß die Gemühtsregung und Bewegung entstehet aus Liebe zum Guhten/ als da ist, Hoffnung/ Freude/ Verlangen/Mitleiden/ Gewogenheit udg: oder aus Haß gegen das Böse/ als; Furcht/ Zorn/ Traurigkeit/ Verzweifflung udg. Jede Naturgemässe Vorstellung muß/ benebens den nachdrukklichen Worten/ durch die Reimart oder Bindung angeführet werden: dergestalt daß die Hoffnung/ Verlangen/ Freude und alles/ was uns in dem Sinn ligt/ vielmals (sonderlich aber in den Satzreimen/ oder der Oden Abgesang) wiederholet werden sol/ als ob wir es nicht vergessen und aus dem Hertzen oder Mund lassen könten. Das Klagen/ Seufftzen/Jammern und Trauern muß durch kurtze Reimzeilen gefasset werden/ als ob die Rede gleichsam durch das ächtzen und die Seufftzer unterbrochen würde.

[240] Wie man nun in den Erzehlungen lange/ in den freudigen Händelen mittelmässige/ in den traurigen kurtze/ oder ja mit kurtzen untermengte Reimarten führen sol/ haben die Italianer in ihren jüngsten Gedichten meisterliche Proben gethan: und hat diese unterscheidung ihren richtigen/ naturmässigen und ungezweiffelten Grund in der Music/ aus welcher sie es/meines Erachtens/ abgesehen haben.


Diesem nach were mein unvergreifflicher Raht/ der Herr solte keine gewisse Bindung halten/ sondern bald wenig- bald vielsylbige Reimzeilen setzen/ dergestalt daß die Reimung gleichsam ohne Zwang/gleich/ oder geschrenket/ in die Rede gebracht/ und die Wort der H. Schrift/ so viel thunlich/ behalten würden. Doch muß man die Trochaischen Verse mit den Jambischen/ oder die Jambischen mit Trochaischen nicht mengen/ sondern in der angefangenen Reimart die Abwechslung suchen. Je mehr Reimungen einer oder der andern Bindung/ ausser dem Abschnitt (Cæsura) eingeflochten werden/ je süsser und lieblicher wird der Vers/ sonderlich in den Dactylischen/ welche in diesem Trauergedicht nicht wol werden dienen können.


Die Fügung des gantzen Werks betreffend/ wolte ich rahten/ daß der Herr die eigentlichen Wort der Evangelischen Geschichte behalten/ und alle Personen/ so er unterredend [241] einführen wird/ dardurch vorstellen solte; weil nemlich die Reimarten/ so sonsten zu den Erzehlungen gehörig/ in dem Haubtwerk zu gebrauchen.

Die Chor in diesem Trauerspiel könten in die Music gesetzet/ und/ wie bey den Griechen gebräuchlich/ wolvernehmlich gesungen werden: nicht zweifflend/ es solte dardurch in Christlichen Hertzen eine brünstige Andacht erwekket/ und die Betrachtung dieses so wichtigen Inhalts unausleschlichen eingedrukket verbleiben.

Der Herr hat auch hier mitkommend zu erhalten ein Sinnbild/ auf den Titel/ samt der Erklärung/ welche ich/ wie alles obgemeldtes/ zu seiner Verbesserung gestellet/ ihn des Höchsten Obschutz/ und mich zu seiner Freundschaft befohlen haben will/ als

Sein jederzeit williger Georg Philip Harsdörffer.

[242] [276]Lobgedichte

Beyschrifft an des berühmten Klaiens Göttlichen Leidens Gedichte

Hastu nicht/ mein werther Freund/
Dein und meinen Seelenretter/
Als des Davids letzten Vetter/
(Eh ich dich zu kennen meint)
Angesungen in der Wiegen
Vnd gelobet sein Vermügen?
Du warst mit ihm in dem Stall/
Da der Ochs und Mühlendiener
Standen bey dem Weltversühner;
Da der ekkte Feuerpall
Vnter Gottesburg erschiene/
Heyden auch zu machen kühne.
Da der Morgenländer Cron
Vnd die Weißheit ihrer Städte
Ihre grosse Reise thäte
Bis zu Gottes-Jungfer-Sohn;
Da die Heydenschafft mit Gaben
Auch Erlösung wolten haben.
Dir ist auch nicht unbekand
Vnsers Kindes sein Elende/
Als es auf der Flucht behende
Zog hin in der Heyden Land/
Ascalons des wilden Heyden
Sein Erwürgen zu vermeiden.
Hastu nicht den Teuffelsman/
Den ungleichen Welttyrannen
Vnd das herbe Weiberzannen
Greulich mit geführet an;
Seinen Hertzensschmertz und Qwelen
Weistu alles zu erzehlen.
[276]
Du läst ferner doch nicht seyn
Hin zu Gottes eignen Mauren
Eine Reise mit zu dauren
In dem zwölfften Jahresschein;
Du wirst von dem jungen Munde
Reden eine gute Stunde.
Salemsburg und Gotteshauß/
Ihre Lehrer und die Lehre
Vnd der Hohenpriester Ehre
Werden da mit brechen rauß.
Vnsers Mitlers Wanderschafften
Dir auch im Gedächtniß hafften.
Itzo fertigt deine Kiel
Vnsers Bruders rote Wunden;
Fessel/ wormit er gebunden/
Vnd des Leidens allzuviel:
Lauter blauvermengte Striemen
Von den Henkergeisselriemen.
Du besingest seinen Tod/
Seine Marter/ seine Schmertzen/
Seine Liebesbrunst von Hertzen/
Wie er üm die unsre Noht
Sich hat aller unterfangen/
Nur daß wir zu ihm gelangen.
Seinen rechten Freudentag
Wie den Tod er überwunden
Vnd die Seinen ihm entbunden/
Wie mans nur beschreiben mag:
Daran hastu schon vor diesen
Ein recht Meisterstük erwiesen.
Seinen Höllenraub und Macht
Hastu mit so kluger Zungen
Wunderbarer Weiß gesungen
Als in einer mächtgen Schlacht:
Vnd beschreibst die Himmelsreise
Fast nach rechter Engelweise.
Wie nicht minder das Geschenk
Seines Geistes ausgegossen
Auf die Jüngerschafftsgenossen/
Bistu gleichfals eingedenk.
Vnd besingst die Dreygeeinten/
Die uns sogar treulich meinten.
Werde/ liebster Freund/ nicht laß/
Fahre fort mit dem Gedichte
Auch zu reden vom Gerichte/
Das die Bösen wird in Haß
Vnd in Frieden Fromme setzen.
Also kan man uns ergetzen/

In Dreßden Zu Ehren eilends gefertigt Von Christian Brehmen.

[Wo wil hin Nürenberg dein Ruhm]

[277]
Wo wil hin Nürenberg dein Ruhm und so viel Ehre?
Es gehet überweit der weltbekante Preiß/
Den dir mit Vberfluß bringt deiner Kinder Fleiß
Durch Tugend/ Witz und Kunst/ im Werk und in der Lehre.
Vnd diß ist nicht genug; wie manche fremde Hand
Bewürdigt dich vielmehr als selbst ihr Vaterland/
Das fast vergessen bleibt/ in dem du wirst erhoben?
Was hat vom Kaiser selbst der erste Römsche Schwan/
Aus Teutschland dir gekrönt/ an deiner Stadt gethan/
Wann er die güldne Zeit gewendet auf dein Loben.
Jetzt/ daß ich andrer schweig/ in unsrer Muttersprach/
Herr Klai diesen folgt mit klugen Schrifften nach/
Thut viel/ was nie gethan. Er ehret durch sein Singen
Nicht sonder deinen Ruhm/ die Ehre des/ den du
Mit reinen Kräfften ehrst! So lauffen auf dich zu
Der Teutschen Mittelpunct/ die Teutschen Ehre bringen.
Wol euch/ Herr Klai/ denn/ daß euch gehöret hat
Aus dieser Neronsburg euch unsre Vaterstadt.
Seht/ wie sie sich erhebt und schauet/ was ihr treibet/
Aus halber Aschen an! drüm nemt hinfort in Acht
In Nürnberg Meissen auch und ziehet in Bedacht/
Daß jenes Amme zwar/ diß dannoch Mutter bleibet/
Ich will/ so viel ich kan/ mit euch auch stimmen ein
Vnd wann ich sonst nichts mag/ doch euer Echo seyn.

Vbersendet von Gebershagen zu dienstbefliessenem Gefallen/ sein treuergebenster Samuel Hund aus Meissen.

[278] Wiederkehr

Menschenunleidliches Leiden leidet der gemenschte Gott;
Gott/ der Mensch und Menschenheiland/ dultet undultliche Noht:
Er schwitzet Blut und Krafft; Ihn fassen Fessel-Ketten/
Vns von Blutverschuldter Schuld und des Falles Fall zu retten
Daß wir möchten seyn befreiet von der Höllen Jammerhafft/
Wird das Lämlein angeklaget; Es leidet Hon und Schmach/
Daß des Teufels Sündenschulden wird ein ausgesünte Sach,
Vns zu kauffen solche Zier/ die den Engeln jetzt behaget.
Sein Haubt von Dornen schwüllt/ der Leib von Geisselstriemen:
Vnsern Lohn nach langem Leid dort mit Kronen zu verblümen;
Daß sich Sündenwunden schlössen/ deren Thun diß Thun befüllt.
Er muß auf Vrtheil sterben/ schwebt zwischen Lufft und Erd:
Daß der Mensch auch loß gesprochen von des Fluches Ausspruch werd/
Vns den höchsterwünschten Fried/ mit dem Höchsten/ zu erwerben/
Er gibt das Leben hin/ und gehet auch zu Grabe;
Daß an uns des Todesstal fürter keine Macht nicht habe
Vnd wir nach dem Sterben erben dort des Lebens Lustgewinn.
Also stirbet an dem Holtz selbständiger Gott und Leben/
Weil das Leben Lebenloß/ wird es uns das Leben geben.
Hier Herr Klajens bunter Reim will uns dessen Ausdrukk geben/
Macht die Wundertraur geschicht in den klugen Schlüssen leben;
Jüngst vermeldt er unsren Ohren diesen teuren Heilgewinn/
Nun gibt diesen auch zu lesen Klajens ausgeübter Sinn:
Freilich hat er ihm geschöpft hier der Künstler Sinnen Habe
Von den Zeiten/ wie man grub unsers Sündentilgers Grabe/
Kan er also redsam singen/ daß ich fast beredet werd/
Vnser Klaj hab der Zeiten auch gelebet auf der Erd.
Was Nutz aber bringt es denn/ ihm der Musen Gunst erwerben?
Daß er unverlebet lebt und im Sterben nicht kan sterben/
Daß er mit des Ruhmes Boten Welt und Wolken überfüllt/
Vnd der Schrifftberuffte Nam hin bis zu den Sternen schwüllt.
Doch er lehret nicht allein; Anmut muß die Red verblümen/
Wie die Matten frischbegrünt zieren ihres Malwerks Striemen:
Von den blossen Sachen reden blößlich/ ist gemeine Sach;
Kunst und Stikkwerk unterstreuen/ diß erwekket Neider Schmach.
Pegnitz/ ehre deinen Schwan/ der vor seiner Elb behaget;
Daß er ihr von dir entwand/ ist/ worüm sie vielmals klaget:
Teutschland/ das jetzund mit Kriegen/ mit der Jammerhafft/ behafft/
Kriegt von deinen Teutschgesinnten in dem Wetter neue Krafft:
Auch dein Dilherr wird mit Lust Teutsches in der Neige retten;
Harsdorf spielet immer noch/ streifet Teutschem ab die Ketten;
Auch die Schäferspiele klingen. Gut/ es hat noch keine Noht/
Bald/ bald sol es besser werden/ als es vormals war/ mit Gott.

Siegmund Betulius.

[279] Jesus- der ein Nazarener/
Judenkönig/ Weltversohner.

Die Dornenstachel Krone
Wird Christus aufgesetzt
Zu bitterm Spott unn Hone/
Die ihm sein Haubt verletzt.
Es ist der Arme bandmordgrimmiglich zerzerret/
Dem Leben ist der Weg zum Lebenweg versperret/
Die marmelweisse Brust mit einẽ Speer durchstochen/
Dadurch man sehen kan sein Bruderhertze pochen.
Der Leichnam blutet/
Mit Blut beflutet/
Die Knie gebogen/
Sind ausgesogen/
Die Beine sinken/
Dem Tode winken/
Die vormals eilten/
Die Beine heilten/
Gestälte Spitzen
Die Füsse ritzen.
Herr Klaj fält nieder
Besingt die Glieder/
Die vor ihm tragen
Der Sünden Plagen.
In jenem Leben
Wird ihm zu Lohne
Der Heiland geben
Die Lebenskrone.
Er wird Gott loben
Nach dem Elende
Im Himmel oben
K.K. Ohn alles Geller.

Ende.

Fußnoten

1 Sothane Gedanken hat uns der Jesuit Tarquinius Gallutius Sabinus erwekket/ dessen Wort wir etwas weitläufftig auszuschreiben/ nicht ümgehen können/wenn er in der Grabschrifft des verstorbenen Christi singet:

Me miserum: quod cerno nefas, dum solibus annus

Purpurat incipiens, dum formosissimus alta

Sanguineo splendore micat Narcissus in herba,

Ecce tibi laceris manibus pedibusque cruentis

Vulnera, Dive, rubent clavo patefacta trabali.

Dum rauco illimes labuntur murmure rivi,

Et nova mobilibus stringunt violaria lymfis,

Pectore de scisso vivoque cadavere centum

Sanguinis exiliunt fontes, scatebræque cruoris

Mille sonant, etc.

Dum ver purpureum, volucris dum nubila mundo

Pulsa canit, teneroque exercet gutture cantus,

Tu gemis interea tua funera & astra lacessis.

Iam vaga florentes innectunt brachia sylvæ,

Tu tamen interea trabibus per mutua nexis

Impendes, etc.

2 der Poet Baptista Mantuan.

Prole nova exultans galeaque insignis alauda

Cantat, & ascendit ductoque in aëre gyro

Se levat in nubes, & carmine sidera mulcet.

Taubman.

Ecce suum tireli, tireli tiretirlire tractim

Candida per vernum ludit alauda polum.

Inmitten ist der Spruch Esa am 63. traurig musicirt worden.

3 daß der Sohn Gottes vom Vater von Ewigkeit geboren/ erzwingen klare Sprüche H. Schr. Psal. 2/7. Ps. 72/17. Sprüchw. 8/34. Mich. 5/2. Solche hat uns unser hochgeehrter Dilherr in der Erklärung des Büchleins des H. Augustins vom Glauben satsam ausgeleget. Im übrigen/ wie der Sohn eigentlich vom Vater von Ewigkeit gezeuget/ kan keine Engel: will geschweigen Menschenzunge ausreden. Die Gottsgelehrten gedenken etwas bey dem Wort λόγος, und erinnern viererley Vrsachen/ warüm Gottes Sohn λόγος und im Chaldeischen ארמימ genennet werde. Doch wird ein Elephant in dem Meere dieses Geheimniß schwimmen und ersauffen; Ein einfältiges und gläubiges Lämlein aber das fusset und kömmet hindurch. Dieses heilige Feuer muß man behutsam mit der Zangen und nicht mit der Hand angreiffen/ wie Chrysost. errinnert/ sonst wird man sich verbrennen.

4 Psalm. 40/7. תלגמב LXX. ἐν κεφαλίδι βιβλίου, V.V. In capite libri. Wohin etliche ziehen das תישארב andere das protevangelion, vid. Gesner. in hunc Psalm. Ist das ungezwungne und ungedrungne Leiden Christi.

5 So nennen die Perser die Sonne/ welche sie angebetet/ wie Strabo, Suidas, Macrobius, Justinus, Arnobius und andere darthun.

Etzliche ziehen dahin das 2. Buch der König. 23/11. das 16. Capitel des Proph. Jerem. und 27 Vers des 31. Capitels im Hiob. Andere legen es aus von dem Moloch.

Die Gestalt dieses Götzen beschreibet Cælius Rhodiginus also: Er war anzusehen gleich einem aufgesperreten Löwenrachen/ seine Haubtzier waren zwey Ochsenhörner/ die er mit beiden Händen fassete. Er ward geehret in einer unterirdischen Grufft/ da sie Menschen schlachteten und opferten/ ihr Priester war ein ewigkeusche Jungfrau. Er hatte unterschiedliche Namen. Statius lib. 1. Thebaidum:

Adsis, ô memor hospitii Junoniaque aura

Dexterames, seu te roseum Titana vocari

Gentis Achęmeniæ ritu, seu præstat Osirim

Frugiferum, seu Persei sub rupibus antri

Indignata sequi torquentem cornua Mithram.

Noch zu unserer Väter Zeiten/ eh Westindien zum Christlichen Glauben gebracht worden/ hat man in gantz Peru viel und grosse Tempel/ die der Sonnen gewiedmet/ funden/ in welchen offt 200 Jungfrauen gewesen. Lipsius Syntagm. de Vesta c. 15. refert: è quibus, si qua corpus polluisset, morte luebat, nisi tamen è Sole se concepisse (ride superstitiosam credulitatem) sanctè adjurasset.

6 so werden die Wort des 22 Psalms ausgeleget. Hieronym: Tauri dicuntur propter superbiam, pingues propter crassitudinem malitiæ.

7 Prudent. im Lobgesange aller Stunden:

Cantharis infusa lymfa fit Falernum nobile,

Nuntiat vinum minister esse promptum ex hydria,

Ipse rex sapore tinctis obstupescit poculis.

Tarquinius Gallut. Sabinus:

Fluminis en subito mutatus cernitur humor

Vinaque pro liquidis fundit gravis amphora lymfis.

In folgenden Versen erzehlet der Herr/ der wunderbar/seine Wunderwerke/ die waren gleichsam die Glokken/ damit er das Volk zu seinen Predigten ruffte.

8 θρόμβοι ἅιματις, geronnenes/ geliefertes und gleichsam gefrornes Blut. Carol Musart, ein Jesuit/sagt aus alten Welschen und Frantzösischen Handschrifften: Zeit seines währenden Leidens hat unser ubelgeplagter Heiland zwey und sechtzig tausend und zwey hundert heiliger Threnen/ und sieben und neuntzig tausend/ dreyhundert und fünf geronnene Blutstropfen vergossen. Diesen Blutschweiß und Threnen sol eine jedwede glaubige Seele mit dem Schwam des Hertzens auffassen/ mischen/ ihr ein heilsames Bad daraus zurichten/ und sich schneeweiß waschen/ erinnert Carol Scribanius/ auch ein Jesuit.

9 Barlæus:

Traditur infami mercabilis ære creator.

10 Grot

. Heu morte dura durius mortis genus.

Chrysost.

Metus ingentium malorum crudelis Tyrannus: estque non rarò mors ipsa levior.

11 wenn diesen Haubtspruch Bellarm. Gregor. de Valent. Cornelius à Lapid. Huntleus und andere auf die Gottesgebärerin ziehen/ geschicht es gantz ungereimt/ daß sie es auch theils selbsten gestehen müssen/ massen die Hebreischen/ Chaldeischen und Griechischen Bibeln lesen אוה und nicht איה/ zu welchen auch stimmet das Nennwort mänlicher Bedeutung ףושי. Obwoln in einer sehr alten Augspurgischen Bibel gelesen wird: Ich wird setzen Veintschafft zwischen dir und dem Weyb und deinem Saumen und ihrem Saumen/ Sy wird zerknischen sein Haubt/ und du wirst heimlich tragen Neide ihrem Fußtritt.

12 Der Lateinische Poet:

– – vidimus viventibus:

Moriamur in commune. – – –

13 Was das vor ein Lobgesang gewesen/ zeiget Paulus Burgensis, ein getauffter Jude/ daß es nemlich seynd die Dankpsalm von dem 112 bis auf den 119/welche/ nach eingenommenem Osterlamme/ der Herr mit seinen Jüngern gesungen und das grosse Alleluja genennet wird/ welches auch noch die heutigen Juden/ob sie gleich des Osterlammes mangeln/ dennoch in den Feste der ungesäuerten Brode beobachten.

14 Wenn die Sonne in Widder tritt/ so wird Tag und Nacht gleich/ üm welche Zeit die Jüden ihr Osterfest feiren müssen/ bey ihnen war er der Monat Nisan/welcher halb in unsern Martium oder Lentzen/ und halb in den April oder Ostermonat/ wie sie Carl der Grosse getäuffet/ fält/ Cornel. à Lapide.

Es sind die Chöre von dem Kunstberühmten H. Staden mit anmutigen und bewegenden Melodeyen beseelet worden/ die er künftig/ nebenst seinen andern trefflichen Werken/ an Tag geben wird/welche zwischen denen Handlungen musiciret worden.

Chor derer/ die das Osterlam essen.

Mit drey Altviolen und mit drey Altstimmen/ daß eine vor/ darnach zwey und dann drey gesungen werden.

15 ist/ was Göttliche Majestät befohlen im 2. Buch Mose am 23.

16 ist Jericho.

17 sind die Inwohner üm das tode Meer/ wo zuvor Sodoma und Gomorra gestanden/ welche nebenst zweyen andern Städten von Gott ümgekehret worden.

Balde von Sodom:

– – – rursus in ebrias

Vindicta mentes supplicium vomit,

Carbone lascivo fatiscunt,

In cinerem Sodomæa tempe.

Cerno rigentem sub statuam salis

Fumare vasto Pentapolim rogo.

Bitumen in cives Gomorrhæ

Cum piceo glomeratur imbri.

18 Von Knistern und Knastern des Schwefelregens und dem Geschrey derer ümkommenden hat sich Lots Weib ümgesehen/ und ist in eine Saltzseule verwandelt worden. Was sie gesündiget und wie es zugangen/ erörtert Cornelius à Lapide. Wunderlich ist es/was Tertullianus von dieser Saltzseule singet:

Ipsaque imago sibi formam sine corpore servans

Durat adhuc, nunquam pluviis, nec diruta ventis,

Quin etiam si quis mutilaverit advena formam,

Protinus ex sese suggestu vulnera complet,

Dicitur & vivens, alio jam corpore sexus

Munificos solito dispungere sanguine menses.

Diß Bild währt ohne Leib/ befreit von Wind und Regen/

Vnd wenn ein fremder Gast dem Weibe Schaden thut/

So macht sie von sich selbst den Schaden wieder gut/

Vnd ihrer Blumen Fluß bleibt niemal unterwegen.

Daher das Retzel entstanden:

Cadaver nec habet suum sepulchrum,

Sepulchrum nec habet suum cadaver,

Sepulchrum tamen & cadaver intus.

Mein rahte/ wo man findt den Sarg und Leich zugleich/

Die Leich ist sonder Sarg/ der Sarg ist sonder Leich.

Wir alle spiegeln uns an ihr/ nach dem Leibsprüchlein unsers Wolehrwürdigen und berühmten Predigers Herrn Cornelii Marci: Memineritis Uxoris Lot, Luc. 17, 32.

19 Der Lateiner:

– – omne lucrum

Æqua paupetas, nimis ô beatus,

Qui suum nunquam numeravitaurum

Publico tantum vigil.

20 םימת ohne Mangel/ ohne Gebrechen und Fehler/und zwar gebraten/ sich der Hitze zu erinnern/ darvon sie in den Ziegelhütten und Brennöfen wie geröstet und ausgedörret waren.

21 םירורמ לע LXX πικρίδες wilder Salat/ welcher bitter und eines unannemlichen Geschmaks ist/ zum Angedenken der gallenbittren Egyptischen Dienstbarkeit.

22 Die Sclaven musten barfuß gehen/ daher war der Schuch ein Zeichen der Freiheit. Zuvor waren die Israeliter der Egypter leibeigene Knechte/ nun aber werden sie auf freien Fuß gestellet. Alle diese Bräuche bemerkten ihre eilende/ langwirige und mühsame Reise.

23 ist/ was der Comedienschreiber saget: Prout res se nobis dant, ita fortes atq; humiles sumus. In Friede sind wir Löwen/ in Gefahr Hasen/ im Wolstande aufgeblasen/ im Vnglük furchtsam/ und so gieng es mit Petrus hier.

24 nemlich mit dreissig Silberlingen/ welches der Verrähter Lohn war.

25 Ich bins/ auf welches Wort Christi die Schaar der Kriegesknechte mit ihrem Anhange zu Boden fiele.

26 man hörets an dem Gesange/ aus was vor einem Neste der Vogel geflogen. Der Vnterscheid zwischen der Galileer und der Israeliter Mundare ist aus dem Buch der Richter am 12/ 6. abzunemen/ wann sie sagen: Sibboleth, vor Schibboleth. In unserer Teutschen Zungen ist es verständlicher/ wenn die Hochteutschen sagen/ Schlagen/ Wasser/ Fischer/ Mensch; sprechen andere: Slagen/ Water/ Fisser/ Mens. Wovon unterschiedliche Stellen im Thalmud zu finden/ die Buxtorfius bey der Wurtzel ללג in seinem Lexico Chaldæo-Rabbino-Thalmudico, Serarius in Judic. & Gerhardus in Harmonia Ev. erörtert.

27 Petrus thut hier ein schönes Bekäntniß/ denn obwol Christus ἀυτόθεος, (Selbstgott) so ist er doch nicht ἀυτόυιος, (Selbstsohn) wie die Griechischen Väter lehren.

28 Was die Jünger vor Gewehre geführet/ ist von denen Vätern noch nicht entschieden. Lyran. steht in denen Gedanken/ weil die Apostel Fischer/ so weren es solche Hakkmesser gewesen/ die sie zu ihrer Handarbeit benötiget/ welcher sie sich auch in Niessung des Osterlams gebrauchet. Vermuhtlich ist/ sie werden nicht gar scharf geführet haben/ weil es nur irgend Brodmesser oder sonsten alte rostige Pletzen gewesen.

29 Der Bach Kidron hat seinen Namen von dem schwartzen/ unsaubern/ schleimichten Wasser/ das er führet/ weil er in einem tiefen Thale floß und von den hohen Cedern überschattet ward. Zu dem gossen sich in denselben der Brunnen und Teich Siloa/ in welchem die Opferschafe gebadet worden/ wie auch das Tempelwasser/ welches durch unterirdische Gänge das Opferblut fortschwemmete/ ja allen Vnflat/ Kot/Schleim und Kehrig der Stadt führete der Regen mit sich in diesen Fluß. Daher er ןורדק von רדק benamet.

30 Malchus heist ein erkaufter leibeigner Knecht. Als die Tartern etzliche Städte des grössern Armenien unter ihre Botmessigkeit gebracht/ haben sie die Christenkinder verkauffet/ welche der Sultan in Egypten mit grossem Gelde gelöset/ in denen Türkischen Gottes- und Kriegsdiensten unterrichten lassen/ und hat sie ןיכולממ Mamluchos genennet/ das ist/ erkaufte Knechte/ dahero es kommen/ daß ins gemein alle/ die von der Christlichen Religion abgetreten/ den Türkischen oder einen andern Glauben angenommen/Mammeluken heissen.

31 Petrus/ der mehr versprochen als andere/ thut den ersten Angriff/ und weil Malchus vor andern/ üm den Herrn zu fangen/ geschäftig war/ blösset Petrus seinen Degen/ in Meinung/ dem Pfaffenknecht den Kopf zu spalten/ aber er fehlet.

32 Oder/ wie es sonsten lautet/ das Ohrläplein. Doch ist es/ nach Lucas Aussagung/ das gantze rechte Ohr gewesen.

33 Der Lateinische Poet:

– – robori quisquis suo

Spes credit altas, nec dolos animi timet,

Frustra placentis, perfidis sed viribus

Incumbit, huc respiciat, exemplum grave

Sortis caducæ, quamque sint fragili loco

Humana: primus usque sed punit suos

Error superbos. – –

34 Petrus machet sich aus des Hohenpriesters Hofe/bedekket sein Angesichte und fänget an zu weinen.

35 denn er threnete πικρῶς, bitterlich.

36 Gerson saget aus einer alten Satzung/ daß sich Petrus in eine Höle verkrochen/ damit er desto freier weinen möchte. Lyran. meldet/ daß er von dar an im Gebrauch gehabt/ von dem ersten Hanenschrey in seinem Gebet zu weinen bis an den Morgen.

37 Lyran. saget/ Pontius sey sein Vorname/ Pilatus sein Zuname/ weil er aus Burgund von Lyon bürtig/welcher Name daselbsten bräuchlich. Sabellicus bejahet/ er were von Forchheim aus Franken. Die Lyoner weisen noch einen See/ darein Pilatus Cörper geworffen worden sey/ in welchen so man ein Steinlein wirfft/ rührt er sich auf und erreget ein Blitzen/ Hageln und Donnern. Dergleichen sagen auch die Schweitzer von dem Lucernersee/ welcher Pilatussee dahero genennet wird.

38 Hiervon meldet Josephus im 18. Buch von alten Jüdischen Geschichten.

39 O eine gottlose und thörichte Blindheit! Mit einer fremden Wohnung beflekketen sie sich/ aber nicht mit ihrem eigenen Laster: Sie befürchteten/ sie möchten in einem fremden Richthause unrein werden/ nicht aber von ihrem unschuldigen vergossenen Bruderblute.Scribanius ex August: Tom. 11.

40 Ostern ist ein alt Teutsch Wort vom Vrstand: Notgerus Vrstenda: Freher. in der Auslegung des Alemannischen Glaubensbekäntniß.

41 Von Maulschellen/ κόλαφος, ein Schlag mit gebalter Faust/ ῥάπισμα mit flacher Hand. Der Jesuit Musart wil aus dem Matthæo erweisen/ daß sie sein heiliges Angesichte (hilf Gott!) mit Schuen und Pantoffeln geschlagen. Sedul. l.5.

Namque per hos colaphos caput est sanabile nostrum,

Sputa per hæc Dominum nostrum lavêre figuram,

His alapis nobis libertas maxima plausit.

Wie die Knechte mit einer Maulschelle befreiet oder wehrhafft gemachet werden.

42 Grot. Custos Latinæ pacis.

κακοποιὸς, κακοῦργος. Der Syrer: were dieser nicht ein Knecht der Vbertretungen: begehret also der Hohepriester/ daß Pilatus nicht Schiedman der Sachen/sondern Volzieher des Vrtheils seyn sol/ Leo.

43 βλαστρεφειν. Syr. wir befinden daß er unser Volk verwirret/ weil er sich einen König nennet/ und damit vermeineten sie/ er were ein Aufrührer und verbiete dem Kaiser den Zins zu geben.

44 Kirch wil Lips. herleiten vom Circus/ Cirkel/ weil die Alten ihre Kirchen in die Runde baueten. Walafrídus Strabo trifft den Handel besser/ wann er spricht:Ab ipsis autem Græcis Kyrch à κύριος & alia multa accepimus. Sicut ením domus Deí basilica i.e. Regia à Rege, sic etiam Kyriaca i.e. domínica à Domino nuncupatur: quia Domino Dominantium & Regi Regum in illa servitur. Atque ita à Domino nostrum Dom vel Thum/ nam & id Basilicæ nomen. Itinerario Hierosolymitano à P. Pithæo edito: Ibídem modò iussu Constantini Imperatoris Basilica facta est, id est, Dominicum miræ pulchritudinis. Et Domínæ díus est Patronus dominusque ædis sacræ.

45 Sabbat von תבש dies quietis, der Ruhetag/ die Alten haben ihn genennet pausam hebdomados, Restedæg/ Rasten ist quiescere, pausare, à labore respirare. Raste quies, otium, ραςώνη. Hinc Rastas Germani habuerunt, viarum interstitia, unde nisi ab interquiescendo dictas? vel Hieronymo auctore in Joëlem: Unaquæq; gens certa viarum spatia suis appellat nominibus. Nam & Latini mille passus vocant, & Galli Leucas, Persæ parasangas & Rastas universa Germania. Eandem tamen diem. Eadgarus Rex prisco more vocat Sæternesdæge i e. Saturni diem, ut hodie multis locis Satirstag. Notgerus & Otfridus propiùs ad Sabbatum, Sambatztag & Samstag/mei Misnici Sontag. Bey denen Türken ist es der Freitag/ dieweil der Mahomet aus Mecha hinweggeflogen und sich in die Stadt Jethrib begeben/ welche Flucht ein Anfang seiner erfolgten Herrschafft gewesen.

46 welches/ weil es die Jüden für eine Gotteslästerung hielten/ zerriß der Hohepriester seinen Priesterlichen Rok (χιτῶνας) unwissend weissagende/ daß das Jüdische Priesterthum werde zu Grunde gehen.

Ist mit dergleichen Violen und Stimmen/ doch Abwechslungsweise/ musicirt worden.

47 Juvenal vexirt die Egyptier wol.

O sanctas gentes, quibus hæc nascuntur in hortis

Numina!

Sie begiengen so grobe Fehler/ daß sie unvernünftige Thiere anbeteten/ wie hier Anubis, welcher einen Hundekopf hatte. Virg. l. 8. Latrator Anubis.

Luc. l.8.

Nos in templa tuam Romana accepimus Isin

Semicanesq; Deos, & sistra.

48 Sarra ist die gewaltige Handelstadt Tyrus derer Kaufleute wegen des treflichen Gewerbes Fürsten genennet werden/ von der Menge der Fische benamet/die sie Sar heissen und mit derselben Blute purpur färben.

Virgil. l.2. Georg. Sarrano dormiat Ostro.

Josephus/ der Jüdische Geschichtschreiber/ von des Königs Salomons Reuterey im 8. Buche: Die schönste und auserlelesensie junge Manschafft war mit Tyrischem Purpur (Sarrana purpura) ausgekleidet/ ihr länglichtkrauses Haar bestreuete sie täglich mit güldenem Haubtpulver/ daß die Lokken/ wenn sie in der Sonnen ritte/ einen schimmerenden Glantz von sich warfen.

49 Grotius:

Quicunque puras servatis scelere manus,

Me fugite longè, fugiat etc.

Barlæus:

Ite procul scelerum ignari, neque conscia fraudum

Pectora, nec sacram fallere docta fidem.

Forsitan & potuit dirum nocuisse cadaver,

Solaque te faciet corporis aura reum.

Der Poeterey Liebhaber können dieses garstigen Menschen schöne Verfluchung aufschlagen im 2. Buche der Wälder des Jesuiten Balde.

50 Grot. Impium cerno gregem, Ouo pejus æther me videt dempto nihil.

51 Barlæus:

Ipse dedi summis multum peramica labellis

Oscula, sed tacitis insidiosa dolis.

52 Christus patiens:

Cœli imperator, si nec ignavus vides

Humana, nec te fulmine armatum truci

Frustra timemus, terra quid metuit tua,

Quod tale monstrum portat, aut sol, quod videt?

53 er wünschet/ daß die Sündflut wiederkommen sol und alles überschwemmen/ davon der Ovidius:

Omnia pontus erant, & deerant littora ponto.

Im folgenden/ die Schwefelglut über Sodom und Gomorra/ im dritten/ daß sich die Erde aufthun und ihn lebendig verschlingen sol.

54 Barlæus:

Fulmina cur servat vitiis levioribus æther,

Nec furit in tantum numinis ira scelus?

55 Kain/ der seinen Bruder Abel/ der damals der vierdte Mensch auf Erden war/ mit einem Stein/ den er ihm an die Stirn geschlagen/ ümgebracht/ Tharg. Jonathæ Uzielidis. Kain aber sol von Lamech ohngefehr/ als er in den Wäldern herümgeirret/ Statt eines wilden Thiers erschossen worden seyn/ Cornelius à Lapide.

56 Saul/ der das kalte Eisen ihm selbst durch das Hertz gejaget.

57 Absolon/ der mit seinen Haaren an der Eichen hangen blieben. Diese und folgende Einfälle sind desBarlæi:

Sæviit in patrem sceleratis Absolon ausis,

At miserè quercu triste pependit onus.

His quoque jam Nemesis miserum suspendit Iüdam

Frondibus etc.

Mercedem sceleris solvit sibi proditor amens

– – – cœlum terramque perosus

Inter utrumque perit etc.

58 Pilatus verhöret Jesum im Richthause/ damit er sich frey und ohne Hinderniß verantworten kan. Lässet die andern Klagen vorübergehen/ besprachet sich mit ihm/ ob er ein König der Jüden sey/ weil er befahrete/ es were dem Römischen Kaiser/ dessen Stell er vertrat/ zu nahe geredet: Ein König der Jüden seyn.

59 Ich finde keine Schuld (ἄιτιον) an ihm. Der Syrer: Ich finde nicht eine einige Schuld an ihm.

60 Grotius:

– – Scilicet maris accolæ

Inops inersque vulgus & Galiläidum

Grex fœminarum, spiritus facient duci

Tantos? ad istas Roma trepidabit manus.

61 Christus patiens:

Seu vera sunt hæc, liceat impune eloqui,

Seu temerè jactat falsa, quis mendacium

Capite expiavit? seu furit? pœna est furor.

62 Herodes/ nach dem er den Herrn mit seinen Hofeschrantzen zur Gnüge verspottet/ wirfft er ein weisses altverlegnes schäbichtes Kleid über ihn/ nicht minder zur Verspottung des ihm zugeschriebenen Königlichen Namens/ welche weisse Kleider bey den Persern/ Egyptiern/ und Römern (wie Casaubonus über Suetonium darthut) trugen/ als auch seine Vnschuld an Tag zu geben/ es were dieser Judenkönig mehr zu verspotten als hinzurichten.

63 Barrabas war δέσμιος ἐπίσημος, ληστὴς, μετὰ τῶν συστασιαστῶν, ein Aufrührer ein verruchter Mörder/und zwar/ daß es jederman in der gantzen Stadt gründlich wuste/ wie es in der Syrischen Sprache lautet: Barrabas heist auf Teutsch ein Sohn des Vaters/bitten also die Jüden einen Sohn ihres Vaters/ des Teufels/ loß/ welcher ein Mörder von Anfang/ dessen Kinder sind alle Todschläger/ Joh. 8.

64 Es schwieg des Herrn Christi Vnschuld/ aber nicht der Hohenpriester Vnhuld. Was sie nicht mit festen Gründen können erlangen/ das dürffen sie sich mit Gewalt unterfangen/ fallen Pilatus mit ungestümmen Geschrey an/ als hätt er wider Wissen und Gewissen ein Loch durch ihre Gesetze gemacht.

65 Selbige wird vom Nicephoro Procles benamet. Sonder Zweifel wird ihr des Herrn Jesu Vnschuld/ der Juden Vngestümme und ihres Ehherrn Gewissen im Schlaf vorkommen seyn/ mit grosser Furcht unnd Schrekken/ wenn sie ihm sagen läst/ ich habe viel erlitten (ἔπαϑον κατ᾽ ὄναρ πολλὰ) und zwar gegen den Morgen (σήμερον) welche Träume wir vor andern bemerken/ ja wol in der Stunde/ da ihr Ehherr Pilatus allerhand Mittel suchete/ Jesum loß zu lassen. Origenes hielt darvor/ sie were zum Christlichen Glauben bekehret worden.

66 Pilatus überleget hier alles gnau/ das Vrtheil auszusprechen/ hält ihn ab Christi Vnschuld/ denselben loß zu geben/ die Menge des Volkes/ der folgende Aufruhr/ sein höchster Schade/ des Volkes und des Kaisers Vngnade.

67 Grotius:

Meliusne morti dabitur? at culpa vacat.

Quin ista magna est culpa, quod fieri potest

Materia belli, sæpè valuit in crimen timor.

68 Beda und Drusius wollen/ Pilatus habe Jesum selbsten gegeisselt. Gretserus aber sagt mit unserseits Gottsgelehrten/ daß es nicht vermuhtlich. Vor der Creutzigung gieng allezeit die Geislung vorher. Solennis erat mos, imò lex: sagt Lipsius l. 2. c. 2. de Cruc. & horrendum carmen disertè canebat: Verbera intra & extra Pomœrium. Es hat aber das Ansehen/ als wenn Pilatus nur zu dem Ende Christum gegeisselt/ die Jüden zu befriedigen/ wie August. Chrysost. und andere H. Väter aus den Worten: Ich will ihn züchtigen/ darthun.

69 Es wurden die armen Sünder an eine Seule gebunden/ daß sie dieselbe gleichsam ümfiengen/ das Angesichte gegen die Seule wendeten und den Rukken den Streichen darbotten/ wie von unserm Heilande Prudent.

– – atque columnæ

Annexus tergum dedit, ut servile flagellis.

Auf diese Seule ist hernachmals eine Kirche erbauet worden/ besage des vorigen Poeten:

Perstat adhuc templum que gerit veneranda columna.

Gegeisselt seine Rieben) Christus unser Heiland ist nicht mit Ruten/ sondern mit Riemen gleich einem Knechte geschlagen worden/ φλαγελλώσας, φλαγέλλιον. Nonnus:

Ριγεδανῇ χριστοιο δέμας φοινίξεν ἡμάϑλῃ.

Welches letztere Wort eine riemerne Peitsche bedeutet Lips. l.2. de cruc. Grets. l.1. de sancta cruc. c. 9.

70 Etzliche nennen diese Dornen Rhamnum, weissen Stechdorn. Von den Dornen der Crone Christi sagetGregorius Turonensis: Ferunt, ipsas coronæ sentes quasi virides apparere, quæ tamen si videantur aruisse foliis, quotidie tamen revirescere virtute divina. Sedulius:

Spinis circundedit amplum

Nexa corona caput, quoniam spineta benignus

Omnia nostrorum susceperat ille malorum.

Besihe unserer Auferstehung 469 Vers.

71 κάλαμος, הנק, typha palustris, Wasserkolben.

72 Durch das Anspeien gaben sie zu verstehen/ daß er den Tod verbühret hatte. Clemens: Omnes exspuentes in faciem ejus expulerunt eum de civitate, dicentes: Tu eris reus mortis æternæ.

73 der Jesuit C. Musart erzehlet aus Iohan. Aquilan. unser Heiland habe in der Geislung 6666. Streiche empfangen/ und aus Lanspergio, daß er 230000. Blutströpflein vergossen/ massen die Kriegsknechte die gantze Rotte (ὅλην τὴν σπεῖραν) zusammenruffeten/ welches ein 666. allerhand unbarmhertzige verwegene Soldaten waren.

74 dieses war ein alter zerlumpter purpurfarbener Soldatenmantel/ welchen sie dem Herrn/ als einem falschen Könige/ zum Schimpf ümgaben/ Baronius.

75 ϑόρυβος, Syr. בור ein Getümmel/ ein Gezänke/ ein Geschrey/ wie es pflegt in einem Auflauf und Tumult herzugehen.

76 Pilatus/ weil er vor dem Getöß nicht mehr kunte gehöret werden/ wolte mit dem Handwaschen sein Vnschuld zu erkennen geben. Ob er es als ein Jüde oder Römer gethan/ handelt Gretser. weitläufftig. Aber:

Ah nimium faciles, qui tristia crimina cædis

Exigua tolli posse putatis aqua!

Manus lavit, sed cor suum lavare non potuit, mansit scelere pollutus, quamvis manus suas aquæ infusione lavisset, Ambr.

77 Pilatus hält seines Ehweibs Traum nicht für ein altes Weibermährlein/ sondern borget aus demselben die Vrthelsverfassung/ sagende: Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten/ ihr möget sehen/ wie ihr es einmal gegen Gott und eurem Gewissen verantwortet.

78 an das Creutz. Lignum, stipes, arbor infamis, Gabalum & Gabulum, von dem Ebr. לבג stipes in agris, inde nostrum Gabel und Galgen. Scotis Rod und Ruid/ fortassis ex nostra Rad und Rädern. Latinis Crux, inde nostrum Krükken/ scipiones seu sustentacula ægrorum. Goropius Becanus in Hieroglyphicis lib. 16. fol. 249. Von was für einem Baum das Creutz Christi gewesen/ ist zweifelhafftig. Alphonsus Ciacconius und aus ihm Lipsius streirẽ mit vielen Schlüssen vor den Eichbaum/ andere vor andere:

Ligna crucis, palma & cedrus cupressus oliva.

Aber alles ohne Grund. Das fragt sich noch/ ob es ein grüner oder dürrer Baum gewesen? Rabbini: Judæi non in vivente & virente, sed in exciso & emortuo ligno crucifigunt. Victorinus nennet das Creutz de sterili succiso robore lignum. Pilatus abgefastes Vrthel ist vor ein 60. Jahren und drüber zu Aquila einer Stadt in Toscanien in einem Marmorsteinernen Kästlein mit Ebreischen Buchstaben beschrieben gefunden worden/ darinnen alle Vmstände herrlich entworfen werden. Gedrukt zu Magdeburg bey Johan Franken/ im Jahr 1584.

Dieser ist wieder mit drey Altviolen und drey Altstimmen in einem Wiederhall abgesungen worden.

79 das ist/ bistu gleich Moses. Von Moses Tode sind unterschiedliche Meinungen; die beste schelnet zu seyn/ daß er mit Christo aufferstanden/ bey der Verklärung aber auf dem Berge Thabor nur in einer angenommenen Menschlichen Gestalt wie die Engel erschienen. Lyran Abul. und andere.

80 Die Jüdischen Weiber verstehen hier Elias/ welcher mit feurigen Ross- und Wagen gen Himmel geholet worden Beda saget/ daß aus der Geschicht der Himmelfahrt Elias der Heyden Mährlein von der Sonnen vier Pferden entsprossen/ wegen Gleichheit der Wörter ἡλίας und ἥλιος. Sedulius:

Quam vel fulminei prælucens semita cœli

Convenit Heliæ, meritò qui & nomine fulgens

Hac ope dignus erat: nam si sermonis Achivi

Una per accentum mutatur litera, SOL est.

81 Ist Johannes der Täuffer. Von dessen Kleidung und Speise vielerley Meinungen fürlauffen. Die Camelshaar legen etzliche aus von einem Schamlot. Andere alte und neue Ausleger beobachten durch dieἀκρίδες ein sonderbares Speisekraut/ das Johannes sol gegessen haben. Paulinus:

Præbebant victum facilem sylvestria mella

Pomaque, & incultis enatæ cautibus herbæ.

Aber es ist kein Zweifel/ daß ein Art der Heuschrekken verstanden werde/ wie es auch die Ebreische/ Syrische und Arabische Dolmetschung über diesen Ort erläutert/ welche Thierlein die Alten/ zumal die/ so in dem Morgenlande gewohnet/ gerne gegessen/ wieStrabo bezeuget/ und Plinius, der uns auch die Art/wie sie zugerichtet worden/ hinterlassen. Hierzu stimmen auch Clenardus, der Asien durchreiset/ und Kyrstenius beruffet sich auf seinen Sprachmeister/ einen Araber/ daß es üm den Jordan derselben gar viel geben sol.

82 Johannis des Tauffers Enthäubtung ist aus denen Evangelischen Geschichten offenbar/ das Tantzmägdlein ist zur Zeit auf dem Eise spatziret/ und da das Eiß unter ihr gebrochen/ und sie unter dem Wasser gezappelt/ kömt eine Eißscholle und stösset ihr den Kopf ab/ daß er sich auf dem Eise herümdrehet/ Niceph. Vnsers Erachtens schikte sich nicht uneben auf den Balg das schöne Epigramma, das der tugendhaffte Held Germanicus Augustus sol gemacht haben/ welches wir neben der veränderten Dolmetschung beyfügen wollen:

Astricta virgo glacie cum luderet unda,

Horrens virgineo pondere rupit aqua.

Dum corpus rapido totum trahebatur ab amne.

Abscindit tenerum lubrica testa caput.

Orba quod inventum mater cum conderet urna,

Hoc peperi flammis, cætera, dixit, aquis.

Ein zartes Jungfräulein wolt auf dem Eise spielen/

Da brach es unter ihr: den Cörper reist der Fluß

In seinen Strome fort/ daß er ihm folgen muß.

Das Haubt ward durch das Eiß/ eh Händ und Füsse fielen/

Geschnitten von dem Leib und also nicht verloren;

Die Mutter hat das Haubt in einen Krug gethan/

Vnd Asche draus gemacht/ gefangen also an:

Das Haubt hab ich der Glut/ den Leib der Flut geboren.

83 Nemlich nach der in viertzig Jahren erbärmlichen Einäscherung. Es sind auch noch die Juden ein Spot und Scheusal aller Welt der Heyden und Christen. Der Juvenal. sat. 3. zeucht sie statlich auf:

Nunc sacri fontis nemus & delubra locantur

Judæis: quorum cophinus fœnumque supellex.

Prudentius:

– – – extirpata per omnes

Terrarum pelagique plagas tua membra feruntur;

Exiliis vagus huc illuc fluit antibus errat

Judæus, postquam patria de sede revulsus

Supplicium pro cæde luit Christique negati

Sanguine respersus commissa piacula solvit,

Ex quo priscorum defluxit virtus avorum.

84 Grot.

Pauci raro munere cœli

Potuere aliis reddere vitam

Se nemo sibi.

85 Adrichomius in Entwerfung der Stadt Jerusalem zehlet 1321. betrübter Tritte und Schritte von dem Richthause Pilati an bis zur Schädelstätte/ zu welcher der HERR das Qwerholtz des Creutzes tragen müssen. Der gelehrte Leser durchsehe Lipsium de cruce l. 2. c. 5. & 6. Grets. de sancta cruce l.1. c.15. Dilherri crucifixionem Iesu Christi.

86 Als die Kriegsknechte sahen/ daß der Herr gantz und gar von Kräfften kommen durch das Nachtwachen/ Geisselen/ Dörnenkrönen und Herümschleppen/denken sie/ er möchte ihnen unter den Händen sterben/ darüm nemen sie ihm vor dem Thore die Creutzlast abe und legen sie auf Simon von Cyrene/einen heimlichen Jünger Christi/ der etwan von seinem Meierhofe nach der Stadt gehen wollen. Theophyl. saget/ er were noch beym Leben gewesen/ da die Evangelische Geschicht beschrieben worden/ dannenhero er alles gewiß erzehlen können/ was bey derselben vorgangen. Cajetanus und die Mahler stellen die Ausführung Christi vor/ als wenn der Herr den fördern und Simon von Cyrene den hintern Theil des Creutzes getragen/ welches auf schlechten Gründen beruhet. Wiewoln wir nicht gesonnen/ einigen Menschen/ weder in Glaubens- noch andern Streitfragen/zu beleidigen/ sondern vielmehr/ aus Begierd besserer Vnterrichtung/ eines und das ander aufgesetzet.

87 Grotius:

Non illum amata ruris angusti quies

Defendit: urbis vitia fugientem premunt

Urbis furores.

88 Von abgethanenen vielfältigen armen Sündern lag dieser Bühel voller Todengerippe und Hirnschalen/auf welchem auch der erste Mensch Adam begraben ligen sol. Tertull. carm. l. 2.

Golgotha locus est capitis Calvaria quondam

Lingua paterna prior illum sic nomine dixit;

Hic medium terræ est, hic est victoria signum.

Os magnum hic veteres nostri docuêre repertum.

Hic hominem primum suscepimus esse sepultum.

Hic patitur Christus, pia sanguine terra madescit,

Pulvis Adæ ut possit veteris cum sanguine Christi

Commixtus, stillantis aquæ virtute levari.

89 Der Herr/ durch den alles stehet/ was nicht fält/wird niedergeworffen/ seine allerheiligsten Hände werden ausgespannet und unbarmhertzig gedehnet. Der alten Gotischen Evangelien übersetzung hat es gegeben Vsraemen/ wie die Tuchbreiter pflegen die Tuche an die Raemen auszuspannen und zu rekken. Lipsius in Notis ad cap. X.l. 2.

90 Matth. ὄξος, Marc. ὄινος ἐσμυρνισμένος. Lyran. vermeinet/ es hätten etzliche guthertzige Weiberlein dem Herrn einen herrlichen Labetrunk von köstlichem Weine gegeben/ welchen die Kriegsknecht ausgesoffen und an dessen Statt Essig mit Gallen vermischet dem Herrn dargereichet/ welches wir an seinem Ort lassen. ὄινος ἐσμυρνισμένος ward warm gemacht und in dergleichen Geschirr/ welche entweder aus Porcellanen/ Achaten oder Onikeln gemacht/ gegossen/ darinnen er einen lieblichen Geruch und Geschmak angenommen. Daß dergleichen auf der Schädelstätte vorgangen/ wil Baronius, welchen doch Casaubonus widerleget. Myrrhenwein wird er genennet/ nicht weil er aus einem Myrrhenen Geschirr getrunken/ sondern weil Myrrhen darein geworffen worden wie wir sagen/Roßmarienwein/ Melissenwein/ Wacholderwein/ udg. weil diese Kräuter darein gethan werden. Weil aber der Herr damal ein Spot der Leute und Verachtung des Volkes war/ haben ihm die unbarmhertzigen Kriegsknechte/ aus Hohn und Spot/ statt des Weines/Essig oder Lauer/ mit bittern Myrrhen/ Gallen oder Wermut vermischet/ dargeboten/ nach der Weissagung des 69. Ps. v. 22. Grets. de vino Myrrhato, Gerhard, in Harmon. Evangel.

91 die das Leben verbühret/ wurden auf der Wahl statt/ doch so viel Zucht zugelassen/ entblösset. Lips. l.2.c.7. Gerh. Harm. Evang. Grets. l.1. de sanct. cruc. c.22.

92 Der Pfal ist schon in der Erden befestiget gewesen/auf das Qwerholtz ist unser Seligmacher gebunden und mit demselben hernach aufgezogen worden. Lip sius in Notis ad l. 3. c. 8. Dilherrus in Iesu Christ. crucifix.

93 Vielbelobter Lipsius: Videri, quorundam judicio, necessarios fuisse funes in omni crucifixione. Nam volunt, manus ligatas, ne se subducerent ad ictum aut commoverent, tum etiam ut firmiùs & cum adminiculo penderent. Deinde & alterum funem ad pectus corpus ambiisse sub ipsas alas, eoque sublevatum hominem & attractum in summam crucem. Diese Stränge/ darmit die armen Sünder gebunden worden/daß sie nicht zukketen und besser aufgezogen werden kunten/ hat man ihnen/ wenn sie aufgerichtet gewesen/ wieder abgenommen. Eusebius: Funibus adligabantur, sine quibus non fiebat crucifixio.

94 Das Sedile oder Sitzholtz/ darauf unser Heiland gleichsam schmertzlich geritten/ beweiset unser Dilherr aus dem Justino, Irenæo, Tertulliano, Seneca, Scaligero, Főrstero und andern/ und ob es wol Gretser läugnen wil/ scheinet er doch es mit Lipsio zu halten/ weil er auch bejahet, daß in Japonien diß Sitzholtz noch gebräuchlichen: Stipiti sagt er/ infigunt aliud lignum, cui cruciarius insidet & veluti inequitat. Vnd war dieses gekrümte Sitzholtz nohtwendig/damit die Spannadern/ weil sie manchmal viel Tage hiengen/ nicht zerrissen und die Cörper herabfielen.

95 nemlich mit stumpfen Nägeln. In der Zahl der Nägel hat man sich noch nicht vertragen. Der Griechen ihre Crucifixbilder/ sagt Lipsius, sind mit ungeschrenkten Füssen/ wie ich dergleichen selber zu Venedig in ihrer Kirche verfertiget gesehen. Dergleichen Crucifix ist auch allhier zu Nürnberg bey S. Sebald über der Kirchthür gegen Abend zu sehen. So wird auch zu Trier der Nagel mit Andacht aufgehoben/ welcher den rechten Fuß Christi durchlöchert. Das Suppedaneum oder Fußbrete behaubtet Gregorius Turonensis und ist auch uns dergleichen Creutz in einem alten Pergamentbuche gewiesen worden/ von welchem doch Lipsius und andere wenig halten.Nimis accurata, sagt er/ ea fabrica, imò delicata. Vnd damit die Hände/ ob sie wol zeh und voller Geäder/ nicht ausrissen/ so haben sie die armen Sünder nicht allezeit in der holen Hand angenagelt/ sondern ie zuzeiten (circa carpum) wo sich der Arm anfänget.

96 Das erste Scheidewort Christi: Vater vergib ihnen/denn sie wissen nicht/ was sie thun.

97 nach der Weissagung des 22. Psalms. Die Kleidung der armen Sünder fiel denen Volziehern des Vrtheils anheim. Den ungeneheten Rok sol die Jungfrau Maria mit eigenen Händen aus Wolle gesponnen und gewirket haben/ welchen der Herr Christus in seiner Kindheit angeleget/ der auch wie der Herr gewachsen/ Casaub. exerc. 16. annal. c.84. Tunica Christi eo artificio contexta, quo hodie ex filis lanæ prælongis binis acubus fieri solent chirothecæ, tibialia, indusia nocturna.

Von diesem sagen die Henkersknechte:

Οὔιπα μὴ χίζο μεν ἀλήϑεα τόνδε χιτῶνα

Θέσκελον άμφιέποντα τύπον ξένον.

Dea Rok den wir geerbet/

In Weinbeerblut gefärbet/

Zum Wunderwerk bescheiden/

Den last uns nicht zerschneiden.

Nach der Meinung des alten Griechischen PoetenNonni.

98 So nennet Lips. ein Art der Creutze/ Latinis Furca, Belgis Vorca, vide ibi l. 3. c. 5. cum Notis.

99 Daß die Schächer ebensowol angenagelt gewesen/ist beweißlichen aus dem σταυροῦνται und Nonno:

Κέντροις ἀντιτόποισιν ἐπι σταυροῖο δεθέντες.

Auch der Geschicht Helenens/ Constantins des Grossen Mutter welche unter denen dreyen Creutzen keinen Vnterscheid finden können/ an welchem der Herr Christus gehangen/ welches/ wenn die Mörder weren nur angeschnürt gewesen/ leicht geschehen können. Des frommen Mörders Creutz wird noch in der Insel Cypern gezeiget. Alcimus Avitus:

Ille tamen nexus membris nec corde ligato

Etsi confixas clavis extendere palmas

Non potuit, liber mentem cum voce tetendit.

100 nemlich ἀιτία, die Vrsache des Todes. Ob die Mörder Vberschrifft auf ihren Creutzen gehabt/ ist zweifelhafftig/ wir sind dem Lateinischen Poeten nachgangen:

– – signat illos cædium

Numerosus index. – –

101 Der Christl. Poet:

Qui sese medium dedit inter nosque patremque,

Ille inter sontes medius, sed liber ab omni

Crimine cœlum inter medius terramque pependit.

102 Cyprian von den Bergen Sion und Sina: Pilatus hat aus sonderlichem Antrieb eine Tafel genommen/die Ursach des Todes in dreyen Sprachen darauf geschrieben/ und oben auf das Creutzholtz mit drey Nägeln angehefftet/ Inhalts: Der Jüden König. Lips. Ex cujus verbis vides etiam tabulam non super lignum, (ut multi repræsentant & pingunt) sed in ipso supremo ligno clavis fixam.

Gretserus wil mit Velsero darthun/ als were die Tafel aus Holtze unn die Buchstaben unförmlich auf der Eil darein geschnitten gewesen. Nun wissen wir nicht/ ob dieses den Stich halten möchte/ weil γράφειν nicht heist schneiden/ sondern schreiben/ zu dem were es mühsamer und später zugangen/ als wenn es aufs Papyr gebracht worden. Scrìpturam fuisse, non cælaturam in titulo Dominico, testantur Evangelistæ: ἔγραψε δὲ τίτλον ὁ Πιλᾶτος, ὁ γέγραφα γέγραφα. Producatur vel unus locus, ubi γράφειν positum sit ἀντὶ οὖ γλύφειν. Vide incomparabilem Heroëm seu mavis vivam bibliothecam Salmasium in præfat. libellí de Usuris.

103 Prudent. in Apoth.

Pilatus jubet ignorans, tu scriba tripictis

Digere versiculis, quæ sit suffixa potestas,

Fronte crucis titulus sit triplex triplice lingua.

Agnoscat Judæa legens & Græcia norit,

Et venerata DEUM percenseataurea Roma.

Quicquid in ære cavoreboans tuba curva remugit,

Quicquid ín arcano vomit ingens spiritus haustu,

Quicquid casta chelys, quicquid testudo resultat,

Christum concelebret, Christũ sonet, omnia Christum

Sedulius:

Scribitur & titulus: HIC EST REX IUDÆORUM.

Quod nihil à Deitate vacet, nam cœlitus actum;

Hoc Hebræa refert, hoc Græca Latinaque lingua,

Hoc docet una fides, unum ter dicere Regem.

Drey Sprachen wurden zum Titel gebrauchet/ damit es nicht allein die Römer/ Griechen und Jüden verstunden/ sondern es ist auch die Schrifft mit den drey Sprachen/ als mit dreyen Zeugen bekräftiget worden/weilen in zweyer oder dreyer Zeugen Munde die gantze Warheit bestehet/ August.

104 אידוהיד אכלמ אירצנ עושי אנה

οὖτός ἐστιν Ιησοῦς ὁ Ναζαραῖος ὁ Βασιλεὺς τῶν Ιουδαίων.

Hic est Iesus Nazarenus Rex Judæorum.

105 nemlich ihr Hohepriester; die ihr begehrtet/ daß Pilatus den Titel ändern möchte.

106 Grotius:

Non una facies, dissonæ voces strepunt,

Tristes acerbos lacrymæ risus movent

Risusque lacrymas.

107 Es war Maria ein Weib/ ein Jungfer und eine Mutter/ welche drey Namen viel helfen zum Hertzleid. Die Weiber bekümmert leicht etwas/ die Jungfern noch mehr/ die Mütter am allermeisten: welche Jungfer/ welch Weib war zärter als diese? mit dem Erbarmen geboren/ erzogen und aufgewachsen/ welche Mutter war ihrem Sohn näher als diese? Musart.

108 Gregor. Nezianz. oder wer der Dichter des Trauerspiels ist:

Per hos tuos sacros pedes, quos osculor

Materno amore, te nunc misereat mei.

109 so nennet sie unser Seligmacher selber.

Bapt. Mant.

Talibus admonuit matrem sine nomine matris,

Ne materna pium cruciaret viscera nomen.

Oder sie vielmehr des ersten Evangeliens zu errinnern/ er/ der Weibessame/ zertrete jetzund den höllischen Schlangenkopf/ und diß were der letzte Versenstich. Ist das ander Wort Christi/ welche Ordnung/wie sie aus denen vier Evangelisten zusammengetragen/ wir in Acht nemen.

110 Es hat jederzeit die gläubige Kirche davorgehalten/ daß der rechte Schächer selig worden. Welches doch Adrian. Junius ümkehret:

Dexter latro convitiis

Dirisque Christum lancinat.

Pacem sinister expetit

Atque invenit facillimè.

Palmis decussatis Jäcob

Hæredii sic jus dedit

E liberis lævo.

Es ist nicht so gar ungläublich/ daß der gläubige Schächer/ welcher nechst dem Herrn gehangen/ mit dem Wasser/ welches aus des Herrn eröfneten Seiten geqwollen/ als mit einem geheiligten Taufwasser/ angesprenget worden/ August. l.1. de anima.

111 Dieser Schächer ist vielleicht aus der Vberschrifft bewogen worden/ biß schöne Bekäntniß von Christo zu thun. Augustin fraget schön: Mein Schächer/ sage mir/ wo ist der Königliche Stul von Saphir? Wo sind die Cherubin und himlischen Heerscharen? wo ist die Krone/ der Zepter und der Purpurrok/ daß du ihn einen König nennest? sihestu dann eine andere als eine Dornenkrone; einen andern Zepter als Nägel; einen andern Purpur als Blut; einen andern Thron als das Creutz; andere Trabanten als Henkersbuben; was ist dann Königliches da?

112 ist das dritte Wort Christi/ des anbrechenden Tages Beschreibung ist aus dem 19. Psalm.

113 Es ist die Finsterniß eine übernatürliche/ unerhörte Verdunkelung zur Zeit des Leidens Christi. Erstlich/ weil sie im vollen Mond geschehen/ da sich die andern Sonnenfinsternisse im neuen Liechte ereignen/ wann der Mond in der Sonnenstraß gerade für die Sonne tritt und dieselbe hindert/ daß sie ihre Stralen nicht über den Erdkreiß werfen kan. Vors andere/weil sie über den gantzen Erdboden gieng/ wie wir drunten andeuten wollen. Vors dritte/ weil der Mond viel kleiner als die Sonne/ dahero er bald unter der Sonnen weglaufft und läst also wieder etwas von dem Schein den Einwohnern der Erden zufliessen/ welches hier nicht geschah. Ein vornemer Mathematicus zu Ingolstadt gehet dahin/ dieweiln viel Flekken in der Sonnen/ deren etzliche so groß als andere Sternen/hätten sie sich zusammengesetzet/ gehäuffet und vor das Sonnenliecht geleget. Aber davon mögen die Sternseher Rechenschafft geben. Maximus Taurinensis redet auserlesen schön: Es hat sich der Sonnen schönes Liecht den Jüden entzogen nicht allein darüm/ auf daß sie blind solten werden an Augen/ die blind vom Gemühte waren: sondern auch deßwegen/daß unsre schläfrige und zu allem Guten fast erstorbne Natur/ durch die aufgerührte Elemente und so sehnliche Traurigkeit der Geschöpfe Gottes/ zu einem tiefen und andächtigen Verwundern oder Nachdenken möchten aufgewekket und ermuntert werden.

114 Diese Wunderfinsterniß währete von 6. bis zur 9/vom Mittag an/ da die Sonne am hellesten leuchten solte/ bis eine Stund nach der Vesper. Denn bey den Jüden der Tag ebensowol 12 Stunde hatte als die Nacht/ mit der Tageslänge waren die Tagesstunden länger und die Nachtstunden kürtzer/ im kürtzesten Tage waren die 12 Nachtstunden länger und die 12. Tagesstunden kürtzer.

115 Bey währender Finsterniß list man nicht/ daß der Herr ein einig Wort geredet. Eine Stunde nach Vesper schreiet er überlaut: ינתבזע המל ילא ילא über welche Wort alle heilige Väter viel Auslegungen gemacht/darinnen sie können zu Raht gezogen werden.

116 den Schwam haben die Kriegsknechte gebrauchet/ das Blut/ das in der Annagelung häuffig auf ihre Hände gesprützet/ abzuwaschen. Der Essig war der Soldaten Trunk/ welchen sie mit Wasser mischeten/zu Latein Posca, wie uns Lipsius gelehret lib. 5. de milit. Roman. Gaben also die Kriegsknechte dem Herrn ihren Essigtrunk vielleicht ungemischet ohne Wasser.

117 Etzliche verstehen dardurch den Isop/ welcher im Jüdischen Lande sehr hoch gewachsen/ daß man seine Zweige Statt einer Ruten oder Stangen gebrauchen können. Andere von der Rosmarin/ deren Kraut zu Sprengwedeln dienet/ die Aeste zu allerley Handlangungen. Vide Grot. in N.T.

118 Die sonsten am Creutze sturben/ richteten ihr Haubt empor; aber Christus lehnet sein Haubt an sein Sterbebetlein/ als der sich zur Ruhe schikket und nun sanfft schlaffen und ruhen wil.

119 Vm eilf/ oder auf der kleinen Vhr üm 5. nach Mittag ist zu Jerusalem der Mond über die Helffte verdunkelt worden/ und gestanden bis auf 8. Vhr/ zu welcher Zeit die Jüden das Osterlam genossen. Diese Mondfinsterniß/ weil sie natürlich/ ist von den Evangelisten nit aufgezeichnet worden.

120 Man schreibet/ daß die Felsenritzen und Klüffte noch zu sehen seyn/ und pflegen die Pilger ihre Creutz daselbsten niederzulegen/ Ludolphus.

121 Besihe unsere Auferstehung.

122 ist das grosse Erdbeben/ in welchem viel Städte übern Haufen gefallen/ wie Niceph. Plin. Tacitus. Sueton. und andere aussagen.

123 Den Fürhang hat Joseph im 6. Buch von Jüdischen Geschichten/ als der damaln alles gesehen/weitläufftig entworfen/ ob aber der eusserliche oder innere Fürhang zerrissen/ ist noch nicht erörtert. Sedulius:

Illud ovans templum, majoris culmina templi

Procubuisse videns, ritu plangentis alumni

Saucia discisso nudavit pectora velo,

Interiora sui populis arcana futuris

Jam reseranda docens, quia lex velamine Mosi

Tecta diu Christo nobis veniente patescit.

Andere Wunderwerke sind nicht zu glauben.

124 Lipsius lehret/ daß das Rade- oder Beinbrechen und das Creutzigen unterschiedene Strafen gewesen/weiln aber die Jüden Gottes Befehl für sich hatten/keinen über Nacht henken zu lassen/ so zerbrachen sie den Vbelthätern die Beine/ welches mit unsäglichen und grausamen Schmertzen zugieng/ damit/ ob sie wol einen langsamen Tod verdienet/ die grausame Qwal/ die an der Zeit abgieng/ in der Marter ersetzet würde.

125 Daß dieser Kriegsknecht Longinus geheissen/glaubt kein Verständiger/ vielweniger/ daß er blind gewesen. Wer hat es je gehöret/ daß man einen Blinden zum Wächter gesetzet? Es were denn Longinus ein Ehrenname/ wie Constantin der Kaiser saget: Die worden Longini genennet/ die 1000. Knechte/ und die Centuriones, die 100. Knechte unter sich hatten. Was es vor eine Seite gewesen/ wird dem günstigen Leser unsere Anferstehung bey dem 516 Vers lehren. Von dem Speer ist bey den Alten viel Wesens/ welcher auch alhier gewiesen werden sol.

126 Joseph der wagts/ er scheuet weder Gefahr noch Schaden. Denkestu dann nicht/ daß dir Pilatus möchte deine Güter einziehen/ der grosse Raht möchte dich deiner Ehren entsetzen und der gemeine Pöbel dir nach dem Leben stehen. Was Gregorius Turonensis sagt/ daß er nemlich deß wegen von dem Hohenpriester in das Gefängniß geworfen und wunderbar von einem Engel errettet worden/ ist zweifelhafftig.

127 Der in seinem Leben nichts eigenes hatte/ der wolte auch in einem fremden Grabe ruhen. Des heiligen Grabes heutige Beschaffenheit kan nicht allein in des Hochedlen/ Wolversuchten und Weltberühmten Herr Christoff Fürers Reisebuche gelesen/ sondern auch derselben Kupferdruk gesehen werden.

128 Von welchem beym Johanne zu lesen/ daß erπρῶτον, am allerersten bey Nacht zu Jesu kommen/woraus zu schliessen/ daß er hernach mehrmaln auch des Tages bey dem Herrn eingekehrt.

Dieser ist mit 1. Tenor/ 2. Bässen und drey tieffen Baßbombarden musicirt worden.

129 Die Römischen Soldaten reden als Heyden/ welche vermeineten/ die Sonne ritte gegen dem Abend ihre hitzende unnd schwitzende Pferde in die Tränke.

130 Dionysius Areopagita, ein Weltweiser von Athen/ lebete damal zu Sonnenstadt (Heliopolis) in Egypten Studirens halber/ selber/ als er die übernatürliche Sonnenfinsterniß/ nebenst dem Apollophanes, gesehen/ hat Apollophanes, mit Einwilligung Dionysii, gesaget:

εἰ τὸ θεῖον πάσχει, εἰ τῷ πάσχοτι συμπάσχει. Entweder es leidet etwas Göttliches/ oder muß etwas mit dem/ das da leidet/ ein Mitleiden haben. Die Heydnischen Geschichtschreiber haben diese Finsterniß vielleicht aus Furcht für dem Römischen Kaiser oder aus Haß gegen die Christen vertuschet.

131 Der Römische Haubtman/ nebenst seinen untergebenen Knechten/ bekehren sich zu Christo und halten demselben eine schöne Leichpredigt. Chrysost. steht in den Gedanken/ als were der Haubtman im Christlichen Glauben dermassen bestärkt worden/ daß er/ als ein stand haffter Martyrer/ sein Blut vergossen.


Notes
Erstdruck: Nürnberg (Wolfgang Endter) 1645.
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TextGrid Repository (2012). Klaj, Johann. Der leidende Christus. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-AEC2-9