Die zween Engel im Grabe

(Anapestische Verse.)

Was suchet ihr Gottesergebenen Frauen/
Was kommet ihr finstere Gräber zu schauen?
Christus der Krieger/
Höllen Besieger
Ist heute mit hüpfender Sonnen 1 erstanden/
und hat euch errettet von eisernen Banden/
Stillet das Leiden/
Heget nur Frewden!
Der traurige Winter ist gäntzlich verschwunden/
Es haben sich Blumen vnd Blüten gefunden/
Gehet zu schauen
Wiesen und Auen.
[14]
Last Himmel und Erden erfreulichen singen/
und Buchen vnd Eichen in Wäldern erklingen:
Christus der Krieger
Höllen Besieger!
Nun gehet/ die fröliche Zeitung zu bringen
Dem Petrus 2 von solchen behäglichen Dingen/
Höret ihr Brüder!
Christus kömbt wider.
Die Jünger waren noch mit Furcht 3 vnd Angst ümfangen/
Der eine hier hinauß/der ander dort gegangen/
Ihr Haubt hängt wie das Schilff/ die Furcht frist die Gestalt/
Es werden Hertz vnd Haubt vor ihrem Alter alt
Von abgegrämten Leid; Bald däucht sie/ wie sie hören
Den Rosenrohten Mund mit Honigsüssen Lehren/
Bald steht ihr trüber Sinn in das bekante Hauß/
Der eine gehet ein/ der ander wieder auß.
Weil Vnlust Wirthin ist/ die furchtsam sich geberdet/
und Freud und Frölichkeit mit Christus sind beerdet:
Wie wann der Bienenmann/ in dem der Lentz ankömbt/
Den Honig-Vögelein den Blumenmust außnimbt/
Die kleinergrimte Zucht/ wenn sich der Rauch verzogen/
Kömbt auff sein Königreich mit Vngestüm geflogen/
Es sumt und brummet alls vor Schmertz und Traurigkeit/
Sie schwermen ein und auß/ und tragen Hertzeleid
üm den beraubten Stock. Die Magdalena stehet/
In dem zu guter Stund von Salems Schlössern 4 gehet
Der graue Schlüsselmann 5/ der vor bey tunkler Nacht
Durch helles Haangekreh zur Busse ward gebracht.
Der Adler 6/ welcher sonst/ zu Freud- und Leideszeiten/
Dem Herrn Jesu lag an seiner lieben Seiten/
Auch damals/ da er sich mit ihnen hat geletzt/
und zum Valet der Welt das Nachtmal eingesetzt.
[15]
Zu diesem saget sie: – – –

Maria Magdalena zu Petro und Johanne.

(Trocheische.)

Singt ihr Brüder
Trauer-Lieder/
Den wir hingebracht
In des Grabes Nacht
Hat man weggenommen/
Eh die Sonne kommen.
– – – – Sie wundern ob den Dingen/
und können solche Wort in ihren Kopf nicht bringen/
Ein Theil läufft 7 eilend auß und klettert auff die Klufft/
Wird unverhofft gewahr der leeren Grabesgrufft/
Der alte Petrus wagts/ besichtiget die Stäte/
Die Leinen liegen hier 8/ dort ist das Sterbgeräte/
Ein Theil verlacht die Post/ wie träumt der auch/ der wacht?
Das leere Grab hat ihr der Schlaff heint fürgebracht.
Maria setzet sich und wil das End erwarten/
Netzt mit dem Threnen-Meer den neubegrünten Garten/
Nun wird es heller Tag/ es wacht die Schläfer-Welt/
Der Wald wird wider Wald/ das Dorf geht in das Feld/
Das Lufftvolk ist erfreut/ mit krausen Tireliren/
Allein die Nachtigal/ die sonst weiß außzuführen
Ein süsses Morgenlied/ sitzt an dem klaren Bach
und widerholet nur ihr bittersüsses Ach.
Sie winselt/ sagt und klagt/ sie wimmert/ jammerlächtzet/
Weil sie verwäiset ist/ wie wann die Täubin ächtzet/
Die nunmehr Gattenloß/ so klagen jhre Noht/
Die Nachtigal Gewalt/ Maria Raub und Tod.

[16] Maria Magdalena führet diese Klage an einem besondern Ort im Garten.

(Die Verse sind Jambisch.)

Er küsse mich (sagt sie mit Schmertzen)
Nach den ich mit Verlangen schau/
Ach daß ich seinen Mund möcht hertzen
und kosten seinen Lippentau/
Ich bin sehr krank/ bringt Oepfelmust/
Brecht Blumen/ labet mir die Brust.
Ich sitze hier in deinem Garten/
O lieber Buhle komm doch bald/
Wie lange soll ich deiner warten/
Du meines Lebens Auffenthalt?
Du wolgezierte Fürstenblut
Hast mir genommen Sinn vnd Mut;
Ach laß mich hören deine Stimme.
Dir ist mein Bräutigam bewust/
Wie daß ich gantz vor Liebe glimme/
Dein Beyseyn ist mir mehr als Lust/
Führ mich ab in die Kellerey
und bringe mir den Trostwein bey.
Mich hungert/ gib mir einzubinden
Von den Granaten deiner Frucht/
Gewürtze/ Saffran/ Zimmetrinden/
und was mein mattes Hertze sucht/
Komm/ lindre meine Liebeslast/
Die du mir zugefüget hast.
[17]
Die Zeit 9 wird ihr zu lang/ sie gehet zu beschauen
Das angeneme Grab/ da findet sie gehauen
Von kluger Meisterhand/ das glasegrüne Meer/
Darinnen walt vnd spielt das blaubeschupte Heer/
Vorauß ist in der Flut von Marmorstein verhanden
Ein grosses Wasserthier 10/ das gleich begünt zu stranden/
Spert seinen Rachen auf/ und speiet an das Land
Des Amithaons Sohn/ den Jonas sonst genand.
Sie denket bey sich selbst/ wie nicht mit Menschensinnen
Zu fassen/ daß ein Mensch hätt sollen bleiben können
In eines Fisches Schlund/ wo Tag und Lufft gebricht/
und sonder Sterbensnoht biß an das dritte Liecht:
So könt es hier auch seyn/ daß sich der Held gerochen
An seiner Feinde Heer/ und Grab und Tod durchbrochen.
Ich Hofnungblosses Weib 11! hinunter ist ein Weg
Zur Grabesthür/ herauff ist weder Bahn noch Steg/
Wer eins gestorben ist/ muß in den Schos der Erden
Auff ewig seyn verbannt/ zu Staub vnd Asche werden.
Ey nun so mag ich auch nicht mehr im Leben seyn/
Komm gelblichblasser 12 Tod und kürtze meine Pein
Hier unter diesem Baum: Bey dem Cypressenstrauche 13
Will ich zuvor/ eh ich deß Leibes Gast 14 verhauche/
Noch klagen meinen Schmertz. – – –
(Gemeine Verse mit einem Gegenhall.)

Hier schlag ich auf mein schwartzes Todenzelt/
Weil kein Trost mehr in frischbegrünter Welt.
Gegenhall. in der Welt.
Ach Gegenschall wilstu mich noch erquikken
und Freud und Trost auß deinem Wald herschikken?
Gegenhall. bald herschikken.
[18]
Wo ist mein Schatz/ darnach ich so gestrebt?
Ich glaube nicht/ daß er/ Ach Gott! mehr lebt.
Gegenhall. Gott! Er lebt.
Sag/ was du wilt/ er ist nicht mehr verhanden/
Er ist jo nicht von Toden aufferstanden.
Gegenhall. aufferstanden.
Ich habe mir die Augen außgeweint/
Mein Augentrost ist er auch noch mein Freund?
Gegenhall. noch dein Freund.
Ach rede fort/ entbürde mich der Sorgen?
Wann war der Tag/ der hocherfreute Morgen?
Gegenhall. heute morgen.
Ach solt ich nur den weißlichrohten Mund
Noch einmahl sehn/ ach käm anietzt die Stund!
Gegenhall. ietzt die Stund.
O Felsenkind 15! wie thörestu die Leute/
Du sagest mir von morgen und von heute/
Ein Nachklangswort/ ein blosser Gegenhal/
Den mir ertheilt der angelegne Thal/
Der wieder stirbt/ eh er recht wird geboren/
und offt vergeht/ eh als er kömt vor Ohren/
Ich glaub ihm nicht/ wie glaubig ich auch bin/
Zu euch trägt mich jhr Sternen noch mein Sinn.

Fußnoten

Die zween Engel im Grabe haben Anapestische Verse/ oder zu teutsch/ kurtzlange. Es sind aber in allem bey der Aufferstehung Jesu Christi gesehen worden 6 Engel/ der 1 weltzet den Stein von deß Grabes Thür und erschrekket die Wächter/ 2 predigen den Weibern/ 2 erscheinen Marien Magdalenen/ der 6 wieder Magdalenen.


1 Denn die Sonne/ wenn sie auffgehet/ scheinet sie für unsern Augen/ als wenn sie tantzete/ denn die meisten Vätter dahin gehen/ daß Christus mit auffgehender Sonnen erstanden/ eh noch ein Engel vom Himmel kommen.

2 Theophylactus vber diese Wort gibt diese Erklärung: Weil Petrus den Herrn verläugnet hatte/ setzet der Engel außdrücklich den Namen Petrus hinzu/ sonsten/ wenn die Weiber weren zu jhm kommen/ und gesaget/ sie solten diese Post seinen Jüngern vermelden/ hätte Petrus einwenden mögen/ ich bin sein Jünger nicht/ ich habe jhn verläugnet/ dergleichen Meinung sind Victor Antiochenus, Gregorius M. und andere.

3 Diß ist kein Wunder/ denn wo der Vnglaube die überhand bekommen/ da herrschen neben ihm Traurigkeit und Zehren. Greg. Hom. 22. in Evang.

4 Solyma regia, weil daselbst die Hofstadt war/ denn so werden die Städte genennet/ wo Hofhaltungen sind.

5 Ist Petrus.

6 Ist der Evangelist Johannes/ wird wegen seiner hohen Sinne mit dem Adler verglichen/ denn wie Mattheus durch ein Menschengesichte für gebildet wird/wegen der Beschreibung der Menschwerdung und Geburt deß Messias/ Marcus durch einen Löwen/ weil er Busse außruffet/ Lucas durch einen Ochsen/ weil er viel von Opffern handelt/ also hat Johannes den Adler bekommen. Sedul. im 1. Buch:

Hoc Matthæus agens Hominem generaliter implet

Marcus ut alta fremit vox per deserta Leonis,

Jura sacerdotis Lucas tenet ore Juvenci,

More volans Aquilæ verbo petit astra Johannes.

7 Sind Petrus und Johannes. Gregorius saget: Die lauffen am meisten/ die vor andern mehr lieben.

8 Es war bey den Jüden bräuchlich/ daß sie jhre Verstorbene in köstlichen Leinwad einhülleten/ und ein sonderliches Schweißtuch üm das Haubt bunden/ Joh. 11/44.

9 Der Poët gibt hier vor/ als wenn die Histori Jonas were über deß Grabes Thür eingehauen gewesen/ auß welcher ihr das Weib süsse Gedancken geschöpffet.

10 Besihe unsern S. Opitzen in seinem Jonas.

11 Sie war in dem Wahn/ als wenn Leib und Seel auff dem Platze blieben: unser Poëte führet solche Jammerklage ein in der Außlegung der andern Handlung der Trojanerin.

12 Blaß/ weil er die Menschen blaß machet. Horat. pallida mors. Virg. von der Dido: et pallida morte futura.

13 Wurden bey den Leichen gebrauchet/ daß sie die verbliechenen Cörper vor Verwesung sicherten/ daher heist es noch bey den Römern Cupressus funesta feralis.

14 Prudentius nennet den Leib der Seelen Hauß/ so kan ich wol die Seele deß Leibes Gast nennen/ wie der böse Käiser Hadrianus in seinen nicht bösen Versen:

Animula blandula, vagula,

Hospes comesque corporis

Quæ nunc abibis in loca!

15 Hier wird der Gegenhall Felsenkind getauffet/ alldieweil er in den felsichten Oertern/ Thälern/ Gebürgen und Zusammenfliessungen der Wasser geboren wird.

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TextGrid Repository (2012). Klaj, Johann. Gedichte. Redeoratorien. Aufferstehung Jesu Christi. Die zween Engel im Grabe. Die zween Engel im Grabe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-AF0C-E