Friedrich Maximilian Klinger
Prinz Seiden-Wurm der Reformator
oder die
Kron-Kompetenten
Ein moralisches Drama aus dem fünften Theil des Orpheus

Personen

[136] Personen.

    • Caromasko, verstorbener König.

    • Prinz Seiden-Wurm, Erbfolger.

    • Prinz Zed, Bruder.

    • Minister Bim.

    • Andrena, Ceremonienmeister.

    • Harlequin, Caromaskos Kammerheizer.

    • Gleba, ein lausigter Kerl.

    • Forsak, ein abgedankter General.

    • Stumpf, ein Poet.

    • Krätz, ein Bauer.

    • Prinz Aster, aus Surisur.

    • Verstorbene Könige.

    • Volk. Philosoph. Bonze.
      Damen.
    • Tritina, verstorbene Königin.

    • Purperine, Prinzeßin.

    • Colombine, Harlequins Gemahlin.

    • Pedrilla, ihre Tochter, vulgo die Prinzeßin.

[Prolog]

Noch war der Vorhang zu, so tratt der große König mit seiner Suite auf das Theater, und nahm die da befindlichen Seitenlogen ein. Das Parterre und übrige Volk lag auf den Knien, bis er den Wink zum Aufstehen gab. Zuma hatte der Feyerlichkeit wegen, den schwarzen Prinzen auf dem Arm, und stopfte ihm den Mund voll Biscuit, wegen seines Lermens und Schreyens, das der große König vor Majestät widrig hielt, der Monarch winkte, und es begann.

[137]

HARLEQUIN, als Prolog mit einer Spiz-Geige.


Ist doch die Welt,

So dumm bestellt,

Und Haltens für gut

Was Jupiter thut –

Und Jupiter lacht –

Dum! du!

Di! di!

Du! du!


Wär ich nur ein Gott,

Was hätt es für Noth!

Ich ließ sie halt leben,

Ließ sie halt schweben

In freudigem Sinn.

Dum! du!

Di! du

Du! du!


Hungern die Kinder,

Sie opfern die Rinder,

Dem mächtigen Zevs!

Ha! ha!

Hi! hi!

Ha! ha!


Beschmieren mit Wein,

Altäre und Stein –

Hi! hi!

[138] Ihr Ochsen und Rinder!

Macht wakere Kinder!

Saufet den Wein!

Altäre sind Stein

Und Jupiter lacht!

Dum! du!

Di! di!

Du! du!


Die Welt ist alt und krüplicht! hat allerley Gebrechen und Beulen! Da es also die Bestimmung der politischen Köpfen ist, alles grad schief und alles schief grad zu machen, so komm ich hierher, Eure Aufmerksamkeit aufzufordern! Ich bin der Deus movator, das Hauptrad der politischen Maschine von Trilinik, die Schürze der Madame Colombine nicht ausser Acht zu lassen; es wär also thöricht, wenn ich die wichtige Augenblike hier mit kahlen Raisonnemens verdürbe, da sie aus meinen wichtigen Actionen von selbst entspringen. Favete!

[139]

1. Akt

1. Szene
Erste Scene.
Die Gräber und Mausoläen der Könige von Trilinik.
Es ist pechschwarze Nacht, nur so viel Sternen-Licht, daß man den König Caromasko der als Todten-Geripp, doch ohne Kron und Purpur nach den Gräbern seiner Väter herspazirt, sehen kann. 1

KÖNIG CAROMASKO
sieht sich um, seufzt ein wenig, und schüttelt sich, wie einer der aus dem Schlaf erwacht.

Da bin ich nun endlich einmal gestorben! Es hält wahrhaftig hart, bis ich mich von Regierungs-Geschäften, Kron und Scepter, den weichen Sophas, den guten Weinen, feinen Speisen und Madame Colombine trennen konnte. Doch hab ich mir das Ding noch immer fürchterlicher vorgestellt, als es ist. Ich bin leicht und fühle keinen Hunger. Kalt ists ein wenig – vermuthlich haben sie mir deßwegen meinen neusten Mantel mitgegeben. –

Ich bin so funfzig Jahr König von Trilinik gewesen. Eine hübsche Zeit! und läßt sich viel drinnen thun; aber jezt ists, als wie der Wind der über meine Kiefer streicht – als wärs nicht gewesen. Drum ließ ich mir bas wohl seyn. –

Wenn ich aber nun so denke, was für ein elendes, lumpichtes, niederträchtiges Geschmeiß die Menschen sind! Ich war ein Prinz von funfzehen Jahren, ein unbärtiger [140] Junge; regierte über das große Trilinik, über Kerls von 60 Jahren, voll Weisheit und Verstand, mit langen grauen Bärten, und doch sagten mir die Bursche grade zu ins glatte Angesicht, ich wisse mehr als sie alle; sie seyen Dumköpfe gegen mich, ich sey die Sonne die sie erleuchte. Ich glaubte es auch steif und fest, und glaubt es noch hier auf dem Grabe, hätten sie gestern, als ich so furchtsam zwischen der Winkel- Treppe des Lebens und des Todes schwankte, nicht das nehmliche zu meinem Prinz Seiden-Wurm gesagt, der doch bey meinem Scepter! und der Höhle des Tods seys geschworen! dummer ist, als eine Auster! Das ist nun alles was ich in den funfzig Jahren gelernt hab, nehmlich: Daß das Men schenzeug, elendes Lumpen-Ge sindel ist, das sich unter einem Seiden-Wurm eben so gut befin det, als unter einem Solon; oder meines gleichen.

Ich muß doch meine königliche Gemahlin Tritina aus dem dumpfen Loch hervorpochen. Ich glaub immer nicht, daß ich Seiden-Wurms Vater bin; der Gauch hat keine königliche Ader an seinem Leibe, und ich hab immer den Schuft von dikem Minister Bim im Verdacht, der da oben die Menschen, die ich noch gestern meine Sclaven nannte, räudig sticht.


Er klopft an der Königin Tritina Gruft.

Frau Gemahlin auf ein Wort! – Machen Sie nicht lange! brauchen nicht vor der Toilette zu sizen, und viel zu schminken. Hab die Ehre mit dürren, hohlen Kiefern zu paradiren, wie Sie –

[141]
KÖNIGIN TRITINA
aus der Gruft.

Ey, sind Sie da Herr Gemahl! Ich hab schon lange auf Sie gewartet! Es ist ein sonderbares Leben hier! Das Zimmer ist etwas eng, und schlecht tapizirt. Man lebt so still – Indessen Sie wissen, ich laß mich nicht gern vor meinem Gemahl ohne Puz sehen. Nur die Haarloken will ich etwas zusammen suchen. Viel Umstände bin ich dermalen nicht gewohnt zu machen. Die Dames d'honneur logirn ein wenig zu weit von mir. Auch haben mir die leidige Würme – Ach! ich kanns Ihnen gar nicht beschreiben, wie dumm es hier ist –

KÖNIG CAROMASKO.

Hab ich mirs nicht eingebildet, sie würde solches Zeug machen. Sie hat noch weniger gelernt als ich, denn sie hat nichts als Moden erfunden – Kommen Sie hervor wie Sie sind. Der Wind streicht übern Hag, ich bin etwas bloß, und meine Knochen raßlen.

KÖNIGIN TRITINA
mit zerfreßnen Haaren, Lumpen, verrosteten Perlen, zerrauften Blumen und Flitter-Staat.
Hu! wie frisch mein Herz! – Sie sind nicht zum Kennen!
KÖNIG CAROMASKO.
Hab die Ehre ein gleiches Kompliment zu machen.
KÖNIGIN TRITINA.

Aber wo bleiben Sie so lange; oder vielmehr sollt' ich fragen, wo kommen Sie so früh her? denn früh ists immer mein Schaz, in die einsame, grause, kalte Höhle zu kriechen, wenn man beßre Tage gewohnt ist zu leben. Ach! wenn ich Ihnen erzählen sollte, wie ich weinte, als ich das erstemal da stund, keinen Kammerherrn sah – auch nicht den Minister [142] Bim, dem ich gewohnt war in Gnaden meinen Arm zu reichen. Apropos! was macht der dike Bim? Er lebt unverschämt lange –

KÖNIG CAROMASKO.

Just recht Frau Gemahlin, daß Sie selbst geruhen, von dem großen Floh anzufangen! Hören Sie einmal! wenns was mit dem Gewissen wäre, so müßt ich mir würklich ein Gewissen draus machen, dem Menschen-Geschlecht von Trilinik eine so dumme Bestie, wie unser Seiden- Wurm ist, zum Regenten zu hinterlassen. Das hat aber in so weit nichts zu sagen; denn hier Frau Gemahlin, liegt mancher Seiden-Wurm; aber um sie herum liegen die Leute, die's nicht bes ser wollten.

Also um meiner Ehren willen, um meiner kalten Ruhe willen! – Sie sehen, es macht jezt keinen Lermen mehr, keine Poeten, Zeitungs- und Hof-Anectoten – wir haben hier einen so ziemlich kleinen und stummen Hof-Staat – zu fürchten haben Sie demnach nichts – hättens auch eben dort nicht gehabt, da die Geseze so zu sagen, nicht für uns –

KÖNIGIN TRITINA
stekt ach eine Loke fest, die eben aus ihrem Kopf-Puz gefallen.
Sie machens auch verzweifelt lang –
KÖNIG CAROMASKO.

Königin der Eitelkeit! die Flamme deiner Augen ist verloschen, und die scheußliche Verstöhrung hängt um deine schlanke Taille!

KÖNIGIN TRITINA.
O Juno! immer noch die harte Art zu reden –
KÖNIG CAROMASKO.

Hm! so nakend und hager! – [143] ein Anblik – Uh! ich gleich ihr – Nu! – Also mit dem Seiden-Wurm – ich glaub einmal, daß ich der Vater von Prinz Seiden-Wurm nicht bin, er hat nichts königliches an sich – Sie werden also gestehen Frau Gemahlin –

KÖNIGIN TRITINA
wischt die Augenhöhlen.

Grausamer! jezt sagen Sie mir solche Dinge, wo Sie wissen, daß die Quelle meiner Thränen vertroknet ist, und ich Ihnen nicht mehr meine Unschuld durch Weinen beweisen kann –

KÖNIG CAROMASKO.
Und mich einschläfern – einstreichlen – freilich ists jezt anders –
KÖNIGIN TRITINA.

Er sieht Ihnen so ähnlich – so ähnlich – Und Prinz Seiden-Wurm hat hübsche Wissenschaften. Er spricht unvergleichlich in Gesellschaften. Hat Wiz, erstaunend viel Wiz. Weiß etwas unverschämtes mit der feinsten Manier zu sagen. Spricht seinen Vers. Hat die französische Finanziers studirt. Spricht von allgemeinen Monarchien. Liebt die Soldaten, weils Mode ist. Macht Schulden, glaubt seinen Ministres wie Sie thaten. Hält die Menschen für Sclaven, wie Sie thaten. Ist das nicht Ihr Bild, bis auf jeden Zug getroffen. Herr Gemahl. Legt den zerfreßnen Palladin in Ordnung. Nun hab ich ihn in der Enge!

KÖNIG CAROMASKO
etwas verlegen.

Es ist all nicht wahr. Wenns noch so etwas wäre; aber – und Frau Gemahlin, was wagen Sie, gewisse Anzüglichkeiten – Die Prinzeßin Purperine – giebts eine eitlere, verliebtere, verschwenderische Seele in Trilinik, und ist [144] das nicht Ihr Bild Frau Gemahlin? Hat sie der Prinz Aster von Surisur nicht deßwegen sizen lassen –

KÖNIGIN TRITINA.

Purperine macht mir Ehre; ich hab sie erzogen nach allen Methoden der erleuchteten Philosophen. Und kennt sie nicht alle Wissenschaften, alle Spiele? hat sie nicht alle Romanen gelesen? Was Prinz Aster anlangt – so ist er –

KÖNIG CAROMASKO.

Frau Gemahlin, Sie werden sich also nicht bequemen, mir zu sagen, ob Prinz Seiden-Wurm die Frucht meiner Lenden, oder ob etwa Herr Bim – dem Sie gewohnt waren, den Arm –

KÖNIGIN TRITINA.

So lebt er noch der dike Bim – Reden wir von etwas anders. Er wird schon kommen, jezt brauchen Sie ihn ja nicht. Lesen wir Ihr Mausoläum. Die Bataillen sind alle drauf gemahlt, die Sie schlagen ließen. Und was macht denn die Colombine, des weisen Harlequins Gemahlin, die Sie mein Herr König Caromasko, einer besondern Aufmerksamkeit würdigten? Sollte die schöne Pedrilla – Es ist just noch Zeit Ihr Eloge zu lesen. Bald wird der Hahn krähen. Dies ist der Ruf ins Schlafzimmer, wenn Sie's etwa noch nicht wissen. Gesellschaft ist alle Nacht hier. Unsre Voreltern lesen Ihre Mausoläen, und erzehlen einander Ihre Thaten. Es geht aber immer erstaunend Wind dabey. Nehmen Sie sich in Acht Herr Gemahl, daß es Ihnen nicht auch so geht. Ha! ha!

KÖNIG CAROMASKO.

Haben sich nicht ein bischen geändert. – Der Seiden-Wurm – Was das jezt ein Lamento in Trilinik seyn wird, wegen meinem Absterben.[145] – Ich muß doch gehen und mein Mausoläum lesen, ich hab mich bey meinem Leben immer dafür gefürchtet.

KÖNIGIN TRITINA.
Herr Gemahl, Visite!
2. Szene
Zweite Scene.
Die Könige von Trilinik steigen aus ihren Gräbern heraus, spazieren mit ihren Königinnen heran. Alle Gerippe.

CAROMASKOS VATER.

Mein Sohn Caromasko, schon hab ich vernommen, daß du da bist. – Also hast du die schweren Regierungs-Geschäfte auch abgeladen, und dich zu uns verfügt, um über die Gebrechlichkeit der heutigen Höfe raisonniren zu helfen. Ich höre ja, daß allerley dummes Zeug vorgehen soll. Einige Monarchen lassen sich einfallen, sich Menschenfreunde zu nennen, zu thun wie der Pöbel – Ja, sogar Armeen zu führen – Staats-Geschäfte zu treiben –

CAROMASKO.

Mein König und Vater! davon weiß ich all nichts. Ich regierte über Trilinik, und das machte mir so wenig Sorgen, als das was sie jezo sagen.

KÖNIG.

Ist's an dem, so stell ich Euch erhabene Vorfahren! meinen würdigen Sohn Caromasko vor, der nach uns den Thron von Trilinik mit Ehren bekleidet hat.

DIE KÖNIGE.
Willkommen!

Die Königinnen halten ihre Unterredung vor sich.
[146]
EIN KÖNIG.
Was spricht man von mir?
DIE ANDERN.
Von mir? Und von mir?
KÖNIG CAROMASKO.
Darf ich fragen, wie mein Ahnherr heißt?
KÖNIG.
Chrysal heiß ich, der Große!
KÖNIG CAROMASKO.
Chrysal! Chrysal! – Nichts – Nichts –
KÖNIG CHRYSAL.

Was sagen Sie nun, würdige Könige! So viel Länder hab ich mit Trilinik vereinigt, worauf wir kein Recht hatten, als weil sie uns gefielen. So viel Schlachten gewonnen, so viel Schulden gemacht, und man spricht nichts von mir! –

SEIN NACHFOLGER.
Ich weiß davon, denn ich mußt die Schulden bezahlen –
EIN ANDERER KÖNIG.
– Und was sagt man von mir?
KÖNIG CAROMASKO.
Den Namen Groß-Papa!
KÖNIG.
Straldo! Straldo!
KÖNIG CAROMASKO.
Straldo! – Nichts –
KÖNIG STRALDO.

Nichts, und alle Bücher wurden mir dedicirt! schlechte Kerl's die Autoren, die sich durch meinen Namen die Ewigkeit versprachen! Ich versteh alle Wissenschaften. Ruinirte ganze Länder. Und als mein General die Baroater schlug, schlief ich nur eine Stunde davon –

KÖNIG CAROMASKO.

Meine Herren, eins in allem zu sagen. So lang ich lebte, sprach man von mir, jezt spricht man von Seiden-Wurm, der so dumm ist wie eine Nus. Wers versteht, machts wie ich, und kümmert [147] sich um nichts. Wenn Prinz Seiden- Wurm, vom schönen Institut der Erstgeburth –


Der Hahnen-Schrey und alles verschwindet.
Ende des ersten Akts.
Das Parterre sah sich an, und gukte dumm nach der Loge des großen Königs.
DER GROSSE KÖNIG
sagte aber.

Ali, entweder ist das Ding erschreklich dumm; oder so gescheidt, daß ich's nicht versteh. Wer nicht hier in der Loge sässe, könnte ein Grausen empfinden, so lumpicht und ekelhaft sehen die Majestäten von Trilinik. Der Kerl aber machte es gut, und hatte viel Bauch für die Rolle.

ALI.

Deine Majestät muß es so nehmen, wie es ist. Denn so lange du nichts anders sehen wirst als Könige, und andre Menschen dich nicht interessiren –

ZUMA
rief.
Aber der Hahn hat vortreflich gekreht, tout naturellement. Man sollte fuori rufen.
AUF EINMAL RIEF ALLES.
Fuori der Hahn!

Der Hahn aber kam heraus und krehte. Alles klatschte, und es gefiel seiner Majestät –
Salmarez und Starlikonik stekten die Köpfe zusammen, und so begann.

2. Akt

1. Szene
Erste Scene.
Vor Harlequins Haus.

HARLEQUIN
allein.

– So ist nun der große König von Trilinik Caromasko todt! Er hat mir manchen Schok Ducaten zufliessen lassen, und Jupiter weiß, ich bedaure seinen Tod von Herzen. Wie sez ich mich nun wieder in Gewicht? Prinz Seiden-Wurm ist ein Pinsel, und ich hab so viel Appetit mich zum Minister, und meine Pedrilla, die die Majestät von Trilinik im Blut hat, zur Königin zu machen, daß ich mir gar nicht mehr widerstehen kann. Jezt hat mich dieser kühne, erhabene Gedanke recht aus dem Schlaf gejagt, mich heraus auf die Strasse getrieben, als wenn ich unterm grossen Schwiebbogen des Himmels, diesen Gedanken besser zur Reife bringen könnte, als in den weichen, warmen Federn – –

Laß sehen! Da ist der Prinz Zed – ist zwar auch nicht viel dran, er taugt aber immer in meinem Garn. Wenn ich's nur anzustellen wüßte, die Krönung des Seiden-Wurms zu hintertreiben! Er ist mit der Liziline verwikelt, und heurathet meine Pedrilla nicht. Prinz Zed aber hat nichts, und ist appanagirt. Wenn ich dem auf den Thron helfen könnte – Laß sehen! –

2. Szene
[149] Zweite Scene.
COLOMBINE
ruft zur Hausthüre heraus.
Herr Gemahl! Herr Gemahl! wo treibst du wieder herum Herr Gemahl!
HARLEQUIN.
Ich hör nicht, wenn du mich nicht bey meinem rechten Namen nennst!
COLOMBINE.
Du Esel – Harlequin!
HARLEQUIN.
Hier!
COLOMBINE.

Du Tölpel! warum hörst du nicht, wenn ich dir Herr Gemahl rufe? Bist du nicht Kammerheizer des Hochseligen Königs Caromasko gewesen? Hast Generals, Ministers gemacht; Pensionen ausgetheilt; Radbrechen lassen; Hängen lassen; Begnadigen lassen, wie's dir gefiel. Hm – Giltst du nichts bey Prinz Seiden-Wurm, dem Muster der Dummheit, der jezt oben dran ist? Bist du nicht sogenannter Hofmeister des Prinzen Zed? Hm – Hast du nicht eine Tochter, die eine königliche Prinzeßin ist – Hm –

HARLEQUIN.
Und hab ich nicht Hörner, die über ganz Trilinik reichen? Hm –
COLOMBINE.

Destomehr Raison, Dumbart, dich Herr Gemahl zu nennen! Wer weiß was du noch werden kannst, wenn du mit meinen Beinen, und meinem Verstand gehst. Umsonst träum ich nicht alle Nacht von goldnen Aepfeln, und purpurnen Strahlen am Himmel. Da sehn Sie Herr Gemahl ins Traumbuch! Purpur bedeutet große Ehrenstellen! – Unser eins hat Ansprüche. Mein erster Mann war Hans-Wurst. Mein [150] Vater auch. Meine Mutter hieß Kretel. Als die deutsche Nation noch gern lachte, und lachen durfte. Die Fürsten noch zwölf Monate im Jahr gelten Hessen, und nicht vier und zwanzig der Steuren wegen schufen; kurz da wir noch keine griesgramigte, ernsthafte Gesichter, keine geschundne Rüken, keine tiefgebeugte Naken sahen, da galt Hans-Wurst was Rechts. Mit Jubel und Freuden ward er empfangen, alle Welt klatschte und lachte, riß das Maul bis an die Ohren auf, ließ sich wohl seyn, und keuchte die Sorgen vom Mus weg. Da war noch eine Zeit! Ich kann Ahnen zehlen und probiren vom vierzehen hunderten Jahr her. Lies alle große Staats-Actionen, Tragödien und Schwenke, wirst immer finden, daß Hans-Wurst der einzige Mann ist, der die Welt erleuchtete und amüssirte – Hm – Ja freilich, man hat das Ding veredlen wollen und Harlequin, einen politischen, cultivirten Kopf draus gemacht, wie du zu meinem Ekel einer bist! Aber kannst du Lachen machen du rafinirter Bengel! Darfst du unter der Maske der Dummheit solche Streiche spielen, die dir große Summen eintragen, und dir doch aus der Patsche geholfen wird. Es ist ja zum Gähnen, wenn man dich anhört, so vernünftig bist du! Eil dich, daß du zu etwas kommst, sie werden alle Tage ernsthafter die Mukser, sie küssen die Ketten, und du wirst verbannt. Mach deinen Coup in Trilinik, geh nach Teutschland und werd denn ein Critikus. Sind Leute die jezt etwas gelten, ob sie gleich meinen seeligen Mann ermordet haben. Ansprüche hast du also, wie gesagt. Meine [151] Ahnen hab ich dir bewiesen, Wie ich Kretel hieß, wars was anders, da hieß ich Kretel, und trug keine Schlepp-Kleider. Jezt heiß ich Madame Colombine, merk dirs! Drum ballen sich die Sorgen in ihren Nieren zu Hypochondrie – O Jemine, wer hat zu meines Mannes Zeit so viel von Hemeroiden, faulen Fiebern gehört – alle Uebel lachten sie weg – Hm –

HARLEQUIN.

Gottlob Frau Gemahlin, daß du keinen Othem mehr hast. Meine Ohren zweifelten an meinen Hörnern, ich hielt dich für eine Schneid- Mühle.

COLOMBINE.

Die Hörner machen dir Ehre Herr Bengel! Ja wenn ichs mit einem Läufer, Kammerdiener, oder solch einem Kerl gethan hätte. Wenn ich meine Ehre weggebe, so geb ich sie so hin, daß mirs noch Ehre macht.

HARLEQUIN.
Gott behüte dich und die Delicatesse unsers Jahrhunderts!
COLOMBINE.

Jezt fängt der Stokfisch wieder an zu philosophiren! Wer Teufel hat dir den gelehrten, steifen, dalkigten Duks gegeben? Kein vernünftiger Mensch kann nicht mehr mit dir reden! Was hast du nun vor? Willst du um deine Charge kommen? Ist der hochseelige König nicht mause todt? Sizest du still? Pak Prinz Seiden-Wurm an! Verlier ihn nicht aus dem Gesicht! dreh dich, wie sich sein Aug bewegt! Sey sein Schatten! Sein Gedanken! Sein Mephistopheles! Sieh ihm ab, was er denkt, und eh ers gedacht hat, vollziehe seinen Gedanken! Wisse! neue Besen kehren gut. Wenn einer steigt, so giebt er mit vollen Händen. Thu [152] in Zeiten dazu, daß dir kein Schmaruzer zuvorkommt. Es ist ein eignes Ding um die Gnad der Großen. Versprich nur viel! Red von deinem Eifer, deiner Treu, und bestehl ihn unter Verschwörungen! Mach Büklinge bis auf die Nase! Sag Prinz Seiden-Wurm, Ihr Drek riecht gut, bey meiner Six! besser als Jupiters Tafelzimmer. Sie sind ein Wunder der Welt! Gleich stürb ich, wenn Sie nicht lebten. Haß was er haßt, lieb was er liebt, sey sein Echo! – Wart ich will dich produziren. Dann sollst du sehen – ich will mich in meines Mannes Rolle sezen – Hm –

HARLEQUIN.
Sieh Frau, ich habe einen großen Plan, und den verdirb mir nicht!
COLOMBINE.

O du Bengel! ohne meinen Verstand wirds nie gehen! Ich weiß die politischen Verbindungen zu stiften –

HARLEQUIN.
Deine Schürze ist nichts mehr nuz. Es ist vorbey, leg dich auf was anders.
COLOMBINE.
Du Schlingel! Wem kneipen die Hofjunkers in die Baken? Wen heißen sie süsses Madamchen?
HARLEQUIN.
Deiner Tochter wegen.
COLOMBINE.
Politische Gans! – du bist ein Grobian!
HARLEQUIN.
Leg dich ins Bett! Meine Gedanken brauchen Einsamkeit und kein Mühl-Rad.
COLOMBINE.

Du wirst an Galgen kommen mit deiner Ernsthaftigkeit. Weißt du nicht, daß die kalte, trukne Gesichter nichts gelten am Hof? Weißt du[153] nicht was Cunser von Cassius Angesicht sagt? Hast du nichts in der Welt profitirt? Siehst du nicht, daß Prinz Seiden-Wurm immer die Zähne zeigt?

HARLEQUIN.
Laß meine kühne Gedanken allein!
COLOMBINE.
Sie brauchen Umschläge, sie sind frostig.
HARLEQUIN.
Wart ich will dir einen übers Maul schlagen. – Cospetto di Bacco! Er tritt nach ihr.
COLOMBINE.
O Wurstel! Wurstel! Du Seel und Schmerzenheiler! warum haben dich trokne Autoren verwiesen. 2
3. Szene
Dritte Scene.
HARLEQUIN
allein.

Wenn ein Mann anfängt einen großen Gedanken zu denken, so ists ihm, als wenn er einer hohen Leiter hinauf steigen wollte. Er fragt, wird sie auch nicht brechen? Werd ich keinen Schwindel bekommen? Dann fängt er an über die innre Würkung, und die äußre Gegenwürkung zu philosophiren. Da kommt aber nun nicht viel heraus. Ich muß das Ding an einem andern Zipfel anfassen.

Ein großer Mann möcht' ich einmal werden. Meiner Pedrilla möcht' ich die Krone aufsezen. Kanns geschehen? Ja! Warum kanns geschehen? Weils möglich ist. Warum ists möglich? Weil gescheidten Köpfen alles möglich ist. Eine andre Frage. Bin ich ein gescheidter [154] Kopf? Wer zweifelt daran? Also gescheidt bin ich. Die moralische Grundsäze hab ich durchs Hofleben so ziemlich ausgeschwizt. Scrupel macht mir demnach auch nichts, wie eine Sache geschähe, wenn sie nur geschieht. Noch eine Frage – ich muß mich durchbuchstabiren, und logice zu Werk gehen. Gehts nicht, was risquir ich? Kleiner als ich bin, kann ich nicht werden; aber größer. Und der Durst nach Größe ist löblich am Menschen, also geh ich dem löblichen nach. Dann hab ich noch den Prinz Zed, der ohne meine Philosophie nicht leben kann. Was für eine Philosophie führ ich aber? Eine eigne, die die Gewissens-Scrupel heilt, die Vorurtheile wegjagt. Also bin ich ein philosophischer Kammer- Jäger. Bis dato ist mir das Ratten- und Mäuse-Pulver gut bezahlt worden. Aber Zed soll seine Schwester heurathen! Denn Pedrilla ist seine Schwester. Ist sie denn nicht von meinem Weibe? Und ist er nicht von der Königin, und wer weiß, wies mit dem König Caromasko gegangen ist. Ausserdem wird bey politischen Interessen nach dergleichen Kleinigkeiten nicht gefragt. Ich ignorir's. Laß weiter sehen –

Also einen kühnen Gedanken auszudenken und auszuführen, muß mans machen, wie ich. Man muß hinein springen. Da hab ich ihn! Sez dich fest in meinen Gebeinen, du allerhöchster, schönster Gedanke, den mir der Trieb der Ehre eingegeben hat! Ich will dich pflegen und warten, bis du zur Reife kommst!

4. Szene
[155] Vierte Scene.
GLEBA
ein lausigter Bettler mit einer Stroh-Fiddel tritt auf.

Harlequin hört ihm zu. Da steh ich wieder auf der Strasse von Trilinik lausigt und zerlumpt, daß mich die Hunde nicht mehr werth halten, anzufallen, weil sie sich an nichts mehr halten können. Nichts als Knochen, dürr und ausgetroknet wie Heu. – Hu! wie kalt blaßt die Luft auf meinen nakenden Bauch! Der Hunger wirthschaftet nicht übel in meinen Eingeweiden. War ich nicht über die Mauren gesprungen, sie hätten mich nicht hereingelassen. –

Zufall! Zufall! in dem ich gebohren ward, aufwuchs, durch den ich crepiren muß! Der wollüstige Esel mein Vater, und die Meze meine Mutter, die aus geiler Begierde sich hinter einen Busch warfen, und da in Ueppigkeit, weil die Säften in ihrem Blut kochten, mich machten, ohne zu bedenken, daß sie mir weiter nichts geben können, als gefräßige Eingeweide. Verdammt sey eure Lust! Mich hungert, daß ich die Sterne anbelle! – Wie die Kerls mit vollen Bäuchen in den Bettern schnarchen, und lüstern nach der Venus bleken! daß alle verdammt wären, die satt sind, und mich hungern lassen! Ich will sie wenigstens aufweken, und ihren Schlaf tourbiren. Er spielt und brüllt. Es rührt sich nichts! –

Wenn bey des neuen Königs Krönung kein Fang zu thun ist, so will ich mein Blut aussaugen, und wie der Bär in meinem eignen Schmalz wühlen.

[156]
HARLEQUIN.

Hm, der Kerl fulminirt nicht übel. Blikt etwas Philosophie aus seinem Discours. Er flucht noch ziemlich kräftig. Ich glaub, daß er zu meinem Zwek zu brauchen war.

GLEBA.
Horch! ich glaub, ich hör jemand sprechen. Einen Bissen Brod dem Hungrigsten der Welt!
HARLEQUIN.
Freund!
GLEBA.

Daß du verdammt, und überschüttet von Pestbeulen würdest! Der muß noch hungriger seyn als ich, weil er mich so betittelt. Wenn Ihr nichts habt, so kommt und helft mir den Olymp verfluchen. Jupiters Anstalten sind schlecht genug. Seitdem er seinen Vater dethronisirte, ist er besoffen, und scheert sich nichts um uns.

HARLEQUIN.

Der Kerl ist von der heutigen Secte. Ein philosophischer Kammer-Jäger. Per Jovem! komm ich will dich sättigen!

GLEBA.
Schwör nicht, ich glaubs sonst nicht. Da bin ich.
HARLEQUIN.
Ich bin ein Herr von Hofe, von Gewicht. Meine Dame heißt Colombine. Ich kann nun Euer Glük machen.
GLEBA.
Nur ein Stük Brod!
HARLEQUIN.
Ich will Euch kleiden. Müßt aber morgen eine Rede halten an allen Eken von Trilinik.
GLEBA.
Morden, wenns drauf ankommt. Der Hunger bellt! bellt!
HARLEQUIN.
Sollst zu fressen haben ein Schwein, und ein Faß Wein zu saufen.
[157]
GLEBA.
Bin dein Hund.
HARLEQUIN.
Lebe mein politischer Kopf! Ab.

Ende des zweiten Akts.
DER GROSSE KÖNIG.

Wenns Ding einmal lustig wird, werd ich schon lachen. Indessen ists ein böses Ding um den Hunger; ruft meinen Küchenmeister, er soll die Tafel deken. Zum Intermezzo ward getafelt.

3. Akt

1. Szene
Erste Scene.
Harlequins Garten.

PRINZ ZED
wandelt einher.

O du göttliche Phantasie! wie schalkhaft und lieblich zauberst du mir die Reize der Schönen meiner Seele vor! Amor kam, und sieh! von dieser Tulpe nahm er die frische Röthe ihrer Lippen! Von diesen Rosen die liebliche Röthe ihrer Wangen! Von diesen Veilchen das schöne Blaue ihrer Augen! Von der Milch der jungen Kuh die Weiße ihres Busens! Von der schlanken Taille, ihrem Wuchs bin ich ganz bezaubert. Wenn ich diesem Ideal gefalle, das ich mir hier so lebendig träume, so bin ich so seelig wie der Schmetterling, der um die duftende Blumen flattert.

2. Szene
Zweite Scene.
Harlequin mit Pedrilla hinter einem Zwergbaum.

HARLEQUIN.

Stek die Violen an Busen, und die Rose gieb ihm mit einer Verbeugung! Mach ihn verliebt, du sollst Königin von Trilinik werden.

PEDRILLA
tritt sorgenlos her und singt.
HARLEQUIN
verstekt sich.
[159]
PRINZ ZED
wird sie gewahr.

O ihr Götter! welche Erscheinung! Ganz das Ideal meiner Seele, wie aus der Kammer meines Herzens im entzükenden Traum gestohlen!

PEDRILLA
thut als erschreke sie, läßt die Rose fallen, als wenn sie entfliehen wollte.
Ach!
PRINZ ZED
hält sie fest.

Fliehe nicht Göttin des Frühlings, denn dies scheinst du zu seyn! Die Röthe deiner Wangen, die helle Sternen deiner Augen haben mich bestrikt! Wer bist du?

PEDRILLA.

Ich komme erst vom Land; heiße Pedrilla, Harlequins des Kammerheizers Tochter. Madame Colombine meine Mutter aber spricht anders, und sagt, ich sey zu großen Dingen geboren.

PRINZ ZED.
Allerdings, denn du hast das Herz eines Prinzen gefangen.
PEDRILLA.
Ey ein Prinz! So sind Sie gar Prinz Seiden-Wurm?
PRINZ ZED.

Nein, mein Engel, etwas besser. Ich bin Prinz Zed, und hätt ich eine Krone, ich krönte dein schönes Haupt damit.

PEDRILLA.

Er, das würde mir recht wohl gefallen. Also sind Sie Prinz Zed, von dem mir mein Vater erzehlte, daß er so wunderschön sey?

PRINZ ZED.
Und du findst es –
PEDRILLA.
Allerdings. Sie sind gar zu schön.
PRINZ ZED.
O du Engel! du tauchst mich ins Meer der Liebe, ich fürchte zu ersaufen. Er küßt sie.
HARLEQUIN.

Nun ists Zeit! – Er kommt hervor.[160] Pedrilla lauft fort. Prinz Zed fürchtet sich, thut als sähe er nichts. Spielen wir unser Schach aus Herr Prinz! – Sie sezen sich in eine Laube und spielen. Ueber eine Weile.

HARLEQUIN.

Dummer Streich von mir! Ha, wie er da steht, der unvermögende, nichts thuende, grillenhafte König! Kann bey meinem Verstand! nicht einen Schritt vorwärts, noch rükwärts, so haben Sie ihn in der Beize. Borg ich ihm nun meine Weisheit, und er ist aus der Patsche heraus, so wird er lächlen, und Wunderdinge von sich glauben. Das kommt vom dummen Gebrauch her. Wie mancher braver Kerl, Prinz Zed, steht hier im Bret, der sein Feld besser zu vertheidigen wüßte, und ist in einen armseligen Winkel placirt. Kommt alles von der Einfalt der Menschen her, und dem Mißbrauch, der die Erstgeburt schuf. Für sich. Beiß an, die Angel liegt. – Aber Sie spielen ja selbst, wie Schach König.

PRINZ ZED
springt auf.

Laß mich ungeschoren mit dem Spiel. Ich schwimme in der Empfindung der Liebe, ich mag treiben was ich will. Ich denke an nichts – O Liebe!

HARLEQUIN.
O Narrheit!
PRINZ ZED
fährt fort.

Die du mit deinem heiligen Feuer mein ganzes Herz erfüllt hast! – Hier stund sie – Waren nicht Violen an ihrem weißen Busen, und stritten mit seiner Frische? Ließ sie diese Rose nicht fallen? Noch Hegt sie da! – O Sünde! gräßliche Sünde am Boden! – Er hebt sie auf, drükt sie an seine Lippen, stekt sie in einen Busen. Hier ruh und erquike! – Ach! [161] Harlequin! philosophischer Harlequin! was sind alle andre Empfindungen gegen die Liebe! Still Ruhmbegierde! die du mich antreibst, in den Leichen meiner Brüder, meinen Namen zu verherrlichen!

HARLEQUIN.

Er sezt seinen Ruhm in die Zerreißung einer Jungferschaft, wo eins gegen hundert zu wetten ist: Der Geyer hat sie geholt.

PRINZ ZED.
Still Wißbegierde, ich leb im Grund aller Dinge, und weiß alles.
HARLEQUIN.
Gottlob! er ist ein Wolfianer.
PRINZ ZED.

Wandelt Euch alle ihr Triebe meines Herzens! wandelt Euch in das sanfte Wehen der Liebe! Sieh wie jung und schön die Welt um mich ist! O Pedrilla! Pedrilla!

HARLEQUIN.
Was Pedrilla?
PRINZ ZED.
Ich lieb deine Tochter.
HARLEQUIN.
Werde desto besser auf sie Acht geben.
PRINZ ZED.
Meine Liebe ist keusch wie die Sonne.
HARLEQUIN.
Sie buhlt mit dem ganzen Himmel und allen Pfüzen. Ein ander Bild, wenn Ihr mich einschläfern wollt.
PRINZ ZED.
Ich faß mich gar nicht mehr.
HARLEQUIN.
Hm – Hm.
PRINZ ZED.
Harlequin, wünsch von mir was du willst, du sollst alles haben, denn die Liebe wirft alles weg.
HARLEQUIN.
Wenn sie etwas hat.
PRINZ ZED.
Wünsch dir Harlequin, ich habe alles. Die Liebe ist keine Bettlerin und auch nicht karg.
[162]
HARLEQUIN.
Eure Liebe mag ich nicht.
PRINZ ZED.
Du kannst sie nicht brauchen. Geb auch keinen Athemzug davon. Meine Schlösser alle.
HARLEQUIN.
Ich mag sie nicht. Euren Namen und Stand, wenn ich ihn kriegen könnte.
PRINZ ZED.

Da nimm ihn! Ich bin wie der Prinz von Tarent in der Komödie. Geb alle Ansprüche hin. Was kann es dir nutzen?

HARLEQUIN.

Herr Prinz, nehmt mir nicht in Uebel.Für sich. Ich muß ihn erst recht probiren. – Ihr macht Eurem Herzen, Stand und Namen Schande. Es ist wahr, es ist etwas köstliches um die Liebe und ihre Triebe. Sie siegt über alle Schwierigkeiten. Schwimmt übers Meer wie Leander. Steigt über hohe Felsen. Sezt über Mauren und Klüfte. Treibt all unsre Kräfte auf, und macht uns unser Leben auf einer Strik-Leiter wagen. Ihr ist nichts zu schwer, wenn sie sagt, ich will, so kann sie.

PRINZ ZED.
Allerliebster Harlequin, du mahlst ja wie aus meiner Seele.
HARLEQUIN.

Ja, ja, sie rennt in bloße Schwerdter, und scheut keine Gefahr. Für sie giebts keine Schwierigkeit. Aber wenn wir nun all diese mächtige Kräften zum andern Zwek anwendeten, diese Kühnheit, diesen Troz, den sie uns einflößt, nutzten – Herr, so müßten wir damit eine Krone erobern, und wären wir als Hirten-Jungen gebohren.

PRINZ ZED.
Mein Schloß Cruma ist dein für diese Beschreibung!
[163]
HARLEQUIN.

Mags nicht. Für sich. Narr ich weiß schon, daß es verschuldet ist, und kein Ziegel dein. – Aber wenn wir nun all diese Kräften anwenden. Tag und Nacht sinnen und arbeiten. Kälte und Hize ausstehen. Das alles um der Liebe willen, was haben wir am Ende davon –

PRINZ ZED.
Alles! Alles!
HARLEQUIN
kläglich.
Ein Weib –
PRINZ ZED.
Und was brauch ich mehr als Pedrilla, den Inbegrif aller Glükseligkeit?
HARLEQUIN.

Die Euch in wenigen Wochen Ekel und Langeweile anhängt, daß Ihr crepiren möchtet. Mit Eifersucht Euch foltert, daß Ihr plazen möchtet. Und schielt sie nach einem andern, so zerrts Euch auseinander, als zerrißen Euch spanische Hengste. Ihr werdet brummisch wie ein Bär, sie sezt Euch Hörner auf, daß es kracht.

PRINZ ZED.
Weiche von mir! Du lästerst die Gottheit!
HARLEQUIN.

Gelt! wenn ich Euch die Wahrheit geige. Ich kann aus Erfahrung reden. Aber wenn Ihrs so nehmt – Horcht auf! Ich will Euch Balsam in die Wunde gießen, die ich Eurem empfindlichen Herzen gemacht habe – Braucht Euren Namen und Stand, und zieht die Vorurtheile aus, laßt Euch die Liebe dazu erhizen, dann läßt sich davon reden.

PRINZ ZED.
Rede allerliebster Harlequin!
HARLEQUIN.
Ihr könnt König werden –
PRINZ ZED.
Hab die Erstgeburt nicht, bin appanagirt.
[164]
HARLEQUIN.

Pfuy Teufel, welch ein Gedanke! Also glaubt Ihr, Ihr seyd schlechter gemacht? Ich meinte, Ihr hättet mehr in meiner Schule profitirt. Wer ist Euer Bruder Seiden-Wurm, der Wicht gegen Euch! Ihr seht einem König gleich und habt die Gaben. Was glaubt Ihr, daß Ihr so an der königlichen Erbfolge hängt? Warum bindet Ihr Euch und das Menschen-Geschlecht, als weil Ihr Euch schwach fühlt, und sie Sclaven sind? Kommt, ich will Euch eine Rede lesen, und Ihr sollt schamroth werden. Fühlt Ihrs aber, so ist Pedrilla Euer. – Für sich. Dummer Bim, ich will dir einen Streich spielen.


Der große König gähnte oft in dieser Scene. Zuma gefiel aber Prinz Zed, er hatte blonde Haare.
3. Szene
Dritte Scene.
Colombine und Pedrilla.

COLOMBINE.
Prinzeßin!
PEDRILLA.
Gnädige Mama!
COLOMBINE.
Du siehst heute gut aus, Prinzeßin von Trilinik!
PEDRILLA.

Prinz Zed hats auch nicht an Schmeicheleyen fehlen lassen. Ich hab ihn im Neze, wie Sie's zu nennen belieben.

COLOMBINE.

Heute wollen wir zu Prinz Seiden- Wurm, den mach nur recht verwirrt. Ich denke wir[165] wollens gut ausführen. Der philosophische Tölpel, dein Vater, hat allerley tolles Zeug im Kopf. Er wird alles verhunzen. Denn er thuts ohne mich. Diese Nacht hat er sich mit einem lumpigten Kerl eingeschloßen, ihm zu Fressen gegeben, und ihn wie den Wundermann von Rotonier hinausgeschikt. Gewiß hat er eine Staats-Revolution vor, die schief geht, denn ich habe meine Weisheit nicht dabey gehabt.

PEDRILLA.
Er will mich zur Königin machen.
COLOMBINE.

Kann schon Rath werden. Aber ich wills dem Prinz Seiden-Wurm erzehlen, weil er mich nicht dabey seyn läßt. Komm nur!

4. Szene
Vierte Scene.
Der Markt in Trilinik.
Viel Volks.
Gleba steht auf einem Gerüst, als Wundermann von Rotonier. Hat einen Stok in der Hand, hinter sich ein Tuch, wo allerley Gemählde drauf sind.

VOLK.
Wundermann von Rotonier, was hast du Neues?
GLEBA.

Pest, Kräze, Hunger, Krieg, Feuer und Wassers-Noth wird Euch quälen, so Ihr nicht von Euren Vorurtheilen ablaßt! Ich bin geschikt von den Göttern, Euch folgendes in ihrem Namen, die neue Regierung anbelangend, vorzutragen. Um kein Volk der Erde bekümmert sich Jupiter so sehr, als um Euch. Alles ließ [166] er stille liegen, und fertigte mich an seine geliebte Trilinikiner ab, um sie wieder in vorigen Stand zu sezen. Eile, sagte der Donnerer, mein geliebtes Volk lauft Gefahr, den Schwachen zum Raub zu werden! – Ich lief, was ich konnte, und bin nun da –

VOLK.

Rede! Rede! wir werden dem mächtigen Zevs tausend Ochsen opfern. Das Fett soll bis zum Olymp steigen. Was befiehlt Jupiter? – –

Es ist ein weiser Mann, der Rotonier, Ihr Bürger von Trilinik, er lebt mit den Göttern, wie wir beym Krug zusammen. Horcht, er fängt an!

GLEBA.

Ihr Bürger von Trilinik! Als Eure Voreltern herumzogen, zerstreut und Herrnlos, sich unter einander bekriegten, todt schlugen. Einer dem andern wegnahm, was ihn gelüstete, und sie geschlagen wurden, wenn ein benachbartes Volk sie angrif, so versammelten sich die erfahrensten und angesehensten im Volk, und sagten: Wir wollen einen wählen, der über uns herrsche, uns vertheidige, und unsre Zwistigkeiten entscheide. Dieser aber sey der stärkste, kühnste und gerechteste von uns! Denen Trilinikiner gefiel das wohl. Sie giengen zum weisen Mann, und begehrten einen König. Der weise Mann sagte: Meine Kinder, seht was Ihr thut. Ihr macht Euch einen zum Herrn, der wird Eure Töchter beschlafen, Euch Eure Weiber nehmen, Eure Güter an sich ziehen und sich von Eurem Schweiß nähren. Die Trilinikiner ließen sich nicht irre machen, und riefen: Wir wählen den Stärksten, Kühnsten und Gerechtesten, und so allemal, wenn dieser stirbt. Allemal [167] ihr Trilinikiner, sagten Eure Voreltern. Das merkt wohl.

VOLK.
Da hatten sie Recht, und bewiesen ihre Weisheit.
GLEBA.

Ja wohl hatten sie recht, liebe Trilinikiner! Sie wählten also den Stärksten, Kühnsten, Gerechtesten aus dem Volk, das war ein gemeiner Mann, der sich im Krieg und Schlichtung der Streitigkeiten hervorgethan hatte, und dieser Mann hieß Zed, und war der erste König in Trilinik. Er starb, und man wählte wieder den Stärksten, Kühnsten und Gerechtesten. Das nun dauerte so lange, bis es einem einfiel, die Krone an seine Familie zu bringen, wie ein Stük Land. Er sagte zum Volk: Meine geliebte Trilinikiner! Warum wollt Ihr immer einen neuen König wählen? Laßt die Krone meinem Sohne, und er wird Euch regieren nach Recht und Gerechtigkeit. – So schlug er den ältesten Sohn vor, und das Volk nahm ihn an, und es ward zum Gebrauch, daß allemal der älteste Sohn das Reich erben sollte. So bald sie aber nun dieses Recht unwidersprechlich hatten, legten sie sich auch auf die faule Seite, kümmerten sich nicht mehr um die Bürger von Trilinik, aßen, tranken, legten ihnen schwere Aufgaben auf, und thaten alles, wie's der weise Mann denen Trilinikiner vorausgesagt hatte.

VOLK.
Er hat Recht der Wundermann von Rotonier. Man hört daß Jupiter aus ihm spricht.
GLEBA.

O ihr gute Trilinikiner, glaubt, daß ich kein Wort sage, das mir nicht Zevs zu Eurem Besten anbefohlen [168] hat. Vielleicht glaubt Ihr, ich wollte Euch aufwieglen. Meint Ihr das, so will ich lieber schweigen, um den Königs-Kindern keinen Schaden zu thun.

VOLK.
Was, die Königs-Kinder? Rede was dir Jupiter anvertraute! Dies ist deine Pflicht!
GLEBA.

Ihr wollt es also, und glaubt, daß ich Euch nicht empören, sondern nur die Sache Eurer bekandten Weisheit vortragen will, so gehorche ich. –

Da es also bey dem neuen König nicht mehr darauf ankam, ob er der Würdigste, der Stärkste, der Gerechteste sey, und mancher dazu kam, der keine königliche Eigenschaft besaß, so suchte man diesen Mangel durch allerley Blendungen zu ersezen. Ihr wißt, meine liebe Trilinikiner, daß die Krone ein solch schwankendes, unsichres Ding ist, das im Grund, so sehr sie auch beneidet wird, so wenig Ehrfurcht und Großes in sich selbst mitführt, wenn sie nicht einen Scheitel voll gesundes und kräftiges Gehirn dekt – Also da nach der Erbfolge und dem noch fatalem Recht der Erstgeburt, nicht mehr darauf gesehen ward, ob der Thronbesteiger, von dem Euer Glük und Unglük abhängt, der Würdigste, Stärkste und Gerechteste sey, sondern nur gewählt ward, weil er aus königlichem Geschlecht, und neun Monate vorm zweiten kam, so mußte man freylich auf Mittel denken, wie man wohl dem Ding eine Art von Ehrwürdigkeit und Größe zusetzen könnte; da es im Grunde nur neun Monate vor sich hatte. Man darf nur sinnen, und Euch schmeichlen, so gelangt man zu seinem Zwek, und gehts so nicht, so tyrannisirt man. [169] Auf diese Art dachten die Regenten. Ja wie weit sie's thaten, oder Recht dazu hatten, wißt Ihr am besten; oder vielmehr, fühlt Ihr am besten!

VOLK.
Keins! wir sind ein freyes Volk, und wollen es seyn!
GLEBA.

Ereifert Euch nicht, meine liebe Trilinikiner! bleibt gelassen, ich will den Saamen der Zwietracht nicht unter Euch streuen. – Sonsten also mußte der Mann, der einstens die Trilinikiner führen wollte, sich durch Tapferkeit, sonderbare Thaten, und große Aufopferungen emporschwingen. Nun hatte der Prinz nichts vor sich, als daß er neun Monate vor seinen Brüdern gebohren worden, daß mit ihm alle königliche Eigenschaften gebohren würden, und daß heiliges Blut in seinen Adern lebe. So ward die Erbfolge zum unglücklichsten Institut für das Reich Trilinik. Der Prinz saß vermöge der neun Monate auf dem Thron. Hatte er die erforderliche Eigenschaften, so wars ein Glük. Hatte er sie nicht, wie sich denn keiner sonderlich um das bewirbt, was er gewiß hat, so sagte er: in meinen Adern lebt das Blut meiner Väter, und Ihr seyd zu meinen Sclaven gebohren, so wie ich zu Eurem Herrn. Er ließ sich selten sehen, legte sich göttliche Name und Ehre bey, donnerte Verderben um sich, fraß Euch auf, wie's ihm gefiel. Euch kennen zu lernen, war unmöglich, denn die Leute, die um ihn waren, hatten ihren Vortheil dabey. Also kannte er Eure Bedürfniß, Eure Gemüthsart nicht, und richtete Euch. Dem Stärksten also gehört das Recht der Krone; da es aber [170] einmal eingeführt ist, und all diese Vorzüge nichts gelten, so thut Ihr freylich besser, Ihr Trilinikiner, daß Ihr bey dem bleibt, der schon dazu gebohren zu seyn glaubt. Denn die neun Monate machen freylich einen Unterschied –

VOLK.
Weg mit den neun Monaten! Das wollen wir nicht, wir wählen.
GLEBA.

Ist das Euer Ernst? Ich will Euch nicht aufwieglen. Ihr müßt Euer Bestes kennen – Freylich wär jezo die Gelegenheit, da Zevs den König Caromasko zu sich genommen hat, und Euch dadurch Freyheit giebt, Eure alte Gerechtsame wieder hervorzusuchen. Denn bloß darum nahm ihn der Gott der Götter, wie er mir selbsten sagte. Meine Meinung ist also, bindet Euch an das königliche Blut, wenn Ihrs für tauglich haltet; aber nicht blindlings und knechtisch. Wollte ich Eure Gemüther durch Ueberredung auf meine Seite bringen, wie leicht würde es seyn! Hier seht Ihr Beyspiele die Menge!Er zeigt mit dem Stok, auf die hinter ihm hangende Gemählde. Aber Jupiter behüte mich gegen das königliche Haus zu reden! Mich treibt nichts als Euer Bestes, und der Wille der Götter.

VOLK.
Rede! Rede! wir sind schon aufrührisch –
GLEBA.

Hier seht Ihr eine ganze Succeßion von Fürsten! Dieser Mann, der mit allen Elementen kämpft, sich durch das Heer von Feinden schlägt, und sein Volk, das schon alles aufgiebt, errettet, ist werth es zu beherrschen. Seht ihn in Frieden und Ruh. Der Unglükliche hat Schuz, er wacht für die Geseze. Seht [171] wie die Bauern fett und dik sind, wie gut gekleidet! Ihnen fehlts an nichts. Zur Belohnung erwählen sie seinen Sohn zum Nachfolger. Noch gehts gut. Unter den folgenden hier nimmts immer ab! Seht nun diesen, wie schwach und kraftlos er da liegt! Auf dem weichen Sopha liegt er von Musik und üppigen Weibern umgeben. Seine Knochen sind weich. In der Stumpfheit seiner Sinnen macht er euch einen König. Wird der die Unterthanen schüzen, für sie wachen und sorgen? Er geisselt sie wie Hunde, weil er in Schwäche sonst nichts kann. Wie Hunde kriechen sie vor ihm. – Ihr dauert mich, und ich will nicht weiter reden, denn an Euren wehmüthigen und zornigen Bliken, seh ich, daß Ihr mit derley Scenen schon bekandt seyd. – Ihr mächtige Götter des Olymps! die Ihr durch Kraft und Stärke die Veste der Erden haltet! Ein unvermögender, krüpplichter, blödsinniger Mensch, soll Eure starke, nervigte Trilinikiner beherrschen! – Ich will keinen nennen. Aber ich weiß, Ihr Götter, ehe Ihr das zugebt, werdet Ihr Trilinik eher verstöhren, und auf den Knien werden Euch die Tapfern danken!

VOLK.
Wir wollen keinen von diesen. Rathe uns!
GLEBA.

Ich will keinen verachten. Folgt mir! Laßt alle Prinzen und große Männer, wer es auch sey, hier vor Euch treten, prüft sie, beurtheilt sie, hört sie an! Wählt dann! – Da ist Prinz Seiden-Wurm, er hat neun Monate vor sich –

VOLK.
Weg mit ihm! Er ist der Erstgebohrne. Es ist nichts mit dem Erstgebohrnen.
[172]
GLEBA.
Prüft ihn bevor! Da ist noch Prinz Zed, ein edler Prinz.
VOLK.
Etwas besser. Er ist der zweyte. Wir wollen ihn anhören.
GLEBA.

Ruft die Competenten! Sie sollen sich Nachmittags hierher verfügen. Es lebt ein hier noch etwas unbekandter Mann, heißt Gleba. Hat alle königliche Eigenschaften. In der ganzen Welt berühmt. Jupiter liebt ihn. Ruft ihn auch auf!

VOLK.

Wir wollen. Bis Nachmittag sey alles hier. Lebe der Wundermann von Rotonier. Das Volk lauft aufrührisch herum und schreyt.

Wir wählen einen König.

GLEBA
schleicht ich weg.
GROSSER KÖNIG.

Ali, das Ding ist dumm, ich werd dem Kerl die Zung aus dem Hals schneiden lassen, und der Pöpel soll geschunden werden, denn ich vermuthe, Prinz Seiden-Wurm ist ein rechtschafner Mann.

5. Szene
Fünfte Scene.
Königlicher Pallast von Trilinik.

PRINZ SEIDEN-WURM
liegt im Bett, erwacht.

Ha! – Der Mensch ist doch nie weiser und verständiger, als wenn er schläft. Langeweile hat er gar nicht. Wir machen die Augen auf, (denn ich muß mir nun dieses Wort angewöhnen) und uns ist fatal. Da hab ich von [173] unserm schönen Mädchen, der Liziline, geträumt – ey wie kek waren wir mit ihr! Und ist sie nun da – ja da wissen wir nichts zu sagen als Liziline! und sie sagt Prinz, oder jezt König Seiden-Wurm, da ists all! Aber sobald wir werden gekrönt seyn, wird uns die Courage anfliegen. Er ruft. Sclaven! Die Kammerdiener kommen, helfen ihm aus dem Bett, und ziehen ihm den Schlafrok an.

6. Szene
Sechste Scene.
Minister Bim. Dik.
Prinz Seiden-Wurm.

MINISTER BIM.

Unterthänigster Diener Ew. Majestät, König Seiden-Wurm. Wie haben die hohe Glieder geruht? Denn der Schlaf erquikt uns.

PRINZ SEIDEN-WURM.

Gut! gut! Wir sind dir in Gnaden gewogen. Frühstük! – Wir schlafen länger und besser, seitdem wir König sind. Du Bim! Wir haben von der schönen Liziline geträumt. Ich werd sie doch kommen lassen. Aber warte, bis wir werden gekrönt seyn. Es ist ein hübsches Ding um einen König. Er sieht in Spiegel. Was meinst du?

MINISTER BIM.
Dein Verstand entzükt mich, und Entzüken thut uns wohl.
PRINZ SEIDEN-WURM.

Uns entzükt er auch, und Entzüken thut uns auch wohl. Wir sind für einander gebohren Bim! – Jezt seze dich her, und erzehl uns, während wir frühstüken, alle Tugenden, die ein König [174] haben sollte oder könnte. Ich will mir einige davon aussuchen; aber laß keine aus, die Trilinikiner sollen über Prinz Seiden-Wurm erstaunen.

MINISTER BIM.

Me hercule! Omnes in una habes! Schon hast du dadurch, daß du alle Vollkommenheiten an dich gezogen hast, wie die Sonne alles Licht, die andre Welt um alle Vollkommenheiten gebracht.

PRINZ SEIDEN-WURM.

Ey! ey! das wäre! Viel Tugenden haben wir, das ist wahr; aber wer kann sie alle tragen Bim? Fang uns aber doch an zu erzehlen, denn wir haben etwas Langeweile.

MINISTER BIM.
Nu, ein König kann tapfer seyn.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Wir wollen tapfer seyn; aber was ist tapfer seyn?
MINISTER BIM.

Tapferkeit sezt Kampf und Streit voraus, daß wir durch die Waffen, und deren geschikten Gebrauch unsern Vorzug über andre beweisen, auch den Tod nicht scheuen.

PRINZ SEIDEN-WURM.

Laß diese Tugend vorbey. Wir wollen nicht tapfer seyn, weil wir leben und regieren wollen. Eine andere Vollkommenheit.

MINISTER BIM.
Weise – klug –
PRINZ SEIDEN-WURM.
Das wird leichter seyn. Wir wollen weise und klug seyn.
MINISTER BIM.
Weisheit sezt voraus, daß man sich zu massigen wisse, in allen Zufällen sich gegenwärtig sey.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Aber Bim, das sind wir ja schon alle. Weiter!
MINISTER BIM.
Gerecht.
[175]
PRINZ SEIDEN-WURM.
Geh! geh! Bim, das ist all zu still! Wir wollen brilliren. Wie machen wir das?
MINISTER BIM.
Durch ausserordentliche Ordnung im Staat, dafür hab ich aber schon gesorgt.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Nu weiter!
MINISTER BIM.
Durch Eroberungen.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Nu!
MINISTER BIM.

Wenn du ein Held wirst! Deine Völker abrichtest, sie im Kriege anführst, und Länder andrer Könige durchs Schwerdt zu den Deinigen machst.

PRINZ SEIDEN-WURM.
Das ist nichts Bim! Aber wie können wir brilliren?
MINISTER BIM.
Durch Verstand.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Geh! geh! ich kann ihn kaum tragen.
MINISTER BIM.
Durch Gelehrsamkeit.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Geh! geh!
MINISTER BIM.

Zerbrich dir den Kopf nicht mit Kleinigkeiten. Du bist Prinz Seiden-Wurm, wirst König Seiden-Wurm. Läßt dir wohl seyn, giebst deinen Namen, und Bim regiert das Land, wie ers unter König Caromasko auch that.

PRINZ SEIDEN-WURM.

Allerliebster Bim! so sind wirs zufrieden. Wir wollen schon brilliren. Wir brilliren schon, da wir König Seiden-Wurm sind. 3 Es ist [176] doch was curioses um einen König! Du Bim, wen ich nicht leiden kann, den drük ich. Ich will recht grausam und recht großmüthig seyn. Das hab ich einmal in einem großen Buch gelesen, ein Staatsbuch wars. Wenn wir nur lustig wären! Bim, uns wird die Zeit lang. – Ha! ha! jezt weiß ich schon, wie wir brilliren können. Wir wollen reformiren, die Menschen bessern. Vor kurzem predigte der General Bonze, und sagte, die ganze Welt sey nichts nutz, ausser er. Nun möchten wir nicht über eine Welt regieren, die nichts nutz wäre, also wollen wir alles bessern, und eben machen. Sieh zu was für Leut in meiner Antichambre sind. Sie sollen hereinkommen, wir wollen sie bessern, sie auf der Stelle curiren.

MINISTER BIM
ließt den Audienz-Zettel.
Nächst den würdigen Hofleuten, befindet sich allerley Gesindel aussen. Da ist ein Poet Stumpf.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Laß ihn hereinkommen, an dem will ich anfangen.
7. Szene
Siebende Scene.
Poet Stumpf.
Als er hereintritt, wirft er sich vor Prinz Seiden-Wurm nieder, und spricht.

Glaub mir Prinz und König Seiden-Wurm

Wenn ich nicht rede so bin ich für Entzüken stumm

Deine Majestät zu sehen so freundlich gut

[177] Wisse daß dies kleinen Seelen wohlthut

Wenn große königliche Gemüther

Nicht verachten kleine Talent' noch Güter

Wir sind die edle sehr edle Poesie

Die uns allein unterscheidet vom dummen Vieh

Hast du ja gefühlt feine Harmonie

Im Gebrüll der Schafen, Ochsen und Küh

So gieb nur Acht auf Menschen-Worte

Wie die sich vereinigen in süsse Accorde

So liegt in unserm harmonischen Herze

Die Poesie wie's Licht in der Kerze

So in all meinen Worten der Reim

Wie im Kelch der Blume der fruchtbare Keim.

Gewiß ein Gelehrter ist ein Meisterstük

Und gleichet einer unendlichen Brük

Worüber man führet den hellen Verstand

Läßt die Dummheit am jenseitigen Strand

Ich küsse die Hände, leke Zehen und Füß

Und preise den Geruch königlich süß

Damit du dich annehmst großer Gaben

Und möchtest anbey unsern Hunger mit laben

Denn so wie wir uns nichts bekümmern um die Welt

Läßt sie uns auch seyn im Winkel gestellt

Doch lebt der Mensch nicht von der Poesey

Sondern von Speiß und Allerley

Ich werd preisen in allen Büchern dich

Und rühmen wie groß und königlich

Deine hohe Gnad mich erpriesen hät

Daß mich fürwahr nicht mehr hungern thät

[178] Etwas schlecht sind meine Reimen

Aber wer alles zusammen thut leimen

In schöne Worte und besondern Sinn

Stolpert auch manchmal vor sich hin.


Bedenke also allermächtigster Monarch, welch ein großes Ding es um die Poesie ist! Ja ein Poet ist ein wahrer Paradies-Vogel auf Erden; drum müssen sie auch von der Luft leben, welches aber in die Länge nicht geht.

PRINZ SEIDEN-WURM.
Bim, was meinst du, daß dem Kerl fehlt?
MINISTER BIM.
Verstand und Lust zur Arbeit.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Wir wollen ihn curiren. Sags ihm!
MINISTER BIM.
Ist vorbey mit ihm.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Er will doch schönes von mir sagen.
POET STUMPF.
Ich werde meine Opera bringen
Und dir ein Amoroso singen.
MINISTER BIM.
Damit du sähest, daß ich kann reimen
Und auch wie du zusammen leimen
So trage dich alsbald von hinnen
Denn warlich ein Mensch so wie du bist
Ist einem zur Charge zu jeder Frist
Willst du essen so arbeit
Und laß ungeschoren ehrliche Leut.
[179]
POET STUMPF
für sich.
Das hieße ja mich prostituiren
Wart Gauch ich will dich satyrisiren.

Ab. 4
PRINZ SEIDEN-WURM.
Also der wäre reformirt
Von allen Schäden auch curirt
Bim, auch wir können zusammen leimen.
– Lies weiter!
MINISTER BIM.
Der General Bonze.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Herein Bim! das ist ja der Mann, der da sagt, die Welt sey nichts nutz.
8. Szene
Achte Scene.
GENERAL BONZE
tritt herein.

Erwache Monarch von Trilinik, und fange deine Regierung mit Menschen bessern an! Siehe, dein Volk lauft den Huren nach! buhlt mit fremden Gözen! Sie sind alle bis auf den Grund verderbt, und gleichen den räudigen Schafen! Schlachte ab, was sich nicht bessern will! Keiner ist der nach uns frage. Die Opfer sind selten, und die Tempel leer. Sie blähen sich mit Wissen und verachten uns. Die Welt liegt im Argen, gehts so fort, so wird Trilinik in Feuer aufgehn. Der Menschen Verstand nimmt überhand, sie gebrauchen ihn zum Bösen. Die seelige Dummheit der Seelen. Die Quelle des Glaubens ist verstopft. Sie arbeiten an ihrem Geist, wie an ihren [180] Gärten, und uns gehört er zum Bebauen. Schon reden sie von den Fürsten, wie von Menschen. Ein Uebel zieht das andre nach sich. Drum rotte den Saamen des Verstands aus. Verbrenne die Leute, die Verstand und Gefühl ausbreiten, damit das Volk wieder in die alte Höhle trete, nach unsrer Vorschrift lebe und dich verehre. Das Bücherschreiben nimmt überhand und ist ohne Ende. Meine Betrachtungen auf alle Tage wirft man in die Winkel. Anguis in herbis. Das vergiftet die Seele. Die Welt gleicht einer wurmstichigten Nuß, die die Dämonen anfressen. Steure dem Unwesen! du bist das Bild der Tugend! Denke daß alles verderbt ist, und daß du auf Zernichtung hinein donnern mußt!

PRINZ SEIDEN-WURM.
Ists so gar schlimm mit den Menschen – was meinst du Bim!
MINISTER BIM
ihm ins Ohr.
Mit diesem dürfen wirs nicht verderben
Laß ihn also nur immer lermen
Und bezahl ihm seinen Eifer
So wird aufhören sein wüthiger Geifer
Denn darum ists ihm doch zu thun –
PRINZ SEIDEN-WURM.
Wir selbst sind an der Reformatur
Drum seyd Ihr eingeladen zur großen Cur.
GENERAL BONZE.
So zittert Ihr Denker und Philosophen! Ab.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Einen andern! der ist zu toll Bim!
[181]
MINISTER BIM.
Audiatur & altera pars. Hier steht ein Philosoph. Ein berühmter Name.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Laß ihn kommen!
9. Szene
Neunte Scene.
DER PHILOSOPH
fein gekleidet.

Glüklicher Prinz, daß du erkohren bist, zu einer Zeit zu herrschen, wo alles arbeitet die Feßlen der Vernunft abzuwerfen. Wir leben in dem erleuchtesten Jahrhundert, und ich kann sagen, daß ich durch meine Schriften viel dazu beygetragen habe. Propria laus sordet. Alle Wissenschaften stehn auf der höchsten Spize. Wir wissen alles, und verachten alles. Keine knechtische Verehrung drükt uns mehr nieder. Man hat den Menschen den Schleyer von den Augen gerißen. Der Grund aller Dinge liegt vor uns, wie ein aufgeschlagenes Buch. Alles ist gut. Die Keime der hohen Tugenden sind gesät, und fassen Wurzel. Jezt wär es Zeit Trilinik in jene glükliche Insul zu verwandlen, wo wir in Gemeinschaft lebten, wie die Kinder der Unschuld. Der Verstand ist so helle, daß man keine Geseze mehr braucht. Die goldne Zeit ist vor der Thür.

PRINZ SEIDEN-WURM.
Wo fehlts denn Bim? –
MINISTER BIM.

Wir wollen den Vorschlag überlegen. Können indessen mit der Insul in Mitza Fluß anfangen, und solche peupliren.

PHILOSOPH.
Werd nicht ermanglen das Project einzureichen. Ab.
[182]
PRINZ SEIDEN-WURM.
Nu?
MINISTER BIM.

Sperr die Kerls zusammen und laß sie mit einander disputiren. Soll der erste aufhören zu reimen, so gieb ihm Brod. Soll der zweyte aufhören zu schimpfen, so gieb ihm Wagen und Pferd, daß er daherfahre wie wir, und gieb ihm Zulage. Soll der dritte sehen wo's fehlt, so mach ihn zum Schulmeister.

PRINZ SEIDEN-WURM.
So wär die Welt nun reformirt. Lies weiter.
MINISTER BIM.
Colombine und Pedrilla.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Laß sie kommen.
10. Szene
Zehende Scene.
Colombine und Pedrilla.

COLOMBINE
wirft sich mit Pedrilla zu Füssen.

Ach Prinz Seiden-Wurm, was Sie jezt nun für ein ganz andrer Herr sind! So voll Majestät und Gnaden! Sie sind um einen ganzen Kopf gewachsen, seitdem Sie König sind! Und sind auch viel hübscher, viel schöner! denn ich kenne Sie schon sehr lange. Ja mir träumt alle Nacht, was für ein großer König Sie sind, und in Zukunft noch werden – Gewiß und wahrhaftig, all die großen Könige, die mein seeliger Mann Hanswurst als Minister bediente, sind Narren gegen Sie! Was ist der römische Cäsar gegen Sie, von dem mein seeliger Herr in der Solo- Rede sagte, er habe die Welt erobert? Und was der Pinsel von Scipio, der mich nicht leiden mochte, als [183] ich die Prinzeßin spielte, und mich dem Prinz Hanswurst aus Africa wiedergab? Und der König, der immer schrie: Ich bin der Herr der Welt! Gewiß und wahrhaftig, der wäre nicht werth, Ihren Pantoffel zu küssen! Und was will der Hanibal? Der Attilla? Der Antonius der mich als Königin Kleopatra liebte? Gewiß und wahrhaftig, ich hatte die Gnade mit vielen hohen Characteren und Könige zu conversiren, aber gegen Sie Prinz Seiden-Wurm, waren sie dalkigte Wichte. Der eine war klein. Der andre roch übel, weil er Merredig gegessen hatte. Ein andrer hatte die Krone auf, und ein lumpigtes Hemd an, oder zerrissene Schuh, oder gar keine Haare auf dem Kopf. Da sind Sie ein andrer Monarch. Gewiß und wahrhaftig, Sie riechen wie eine Bisam-Kaze; haben Haare wie Absalon, und sind schön wie die Venus, die ich im Liebes-Garten vorstellte. Ihren Schlaf-Rok hat Jupiter nicht.

PRINZ SEIDEN-WURM.
Die Frau hat Verstand, und ein schönes Mädchen, Bim, noch schöner wie Liziline.
COLOMBINE.

So wollt ich nun sagen, daß ich Madame Colombine bin. Mein Herr ist Harlequin, des hochseeligen Königs Kammerheizer. Gewiß und wahrhaftig, Ew. Majestät belieben den Bengel zu kennen. So möcht ich nun gern das hohe Aemtchen für meinen Gemahl erflehen, und etwan weitere Beförderung. Der Harlequin ist ein Tölpel. Weiß sich nicht politisch und wichtig zu machen. Hat in Hof- Tratschereyen nicht viel gethan. Versteht das Interesse nicht. Ist nicht auf der politischen Wagschaalen gewogen worden, wie [184] unser eins. Ich versteh alle Pfiffe, und will mich recommendirt wissen. Hab manchen königl. Kuß auf meinen Lippen. Hab manche Staats-Action heruntertragirt. Manchen Prinzen verzweiflen lassen. So wollen Sie nun die hohe Gnade haben, auf eine so verdiente Familie zu sehen!

PRINZ SEIDEN-WURM.
Was sagst du Bim? Sie hat Verstand.
MINISTER BIM.

Der Harlequin ist ein gefährlicher Mann. In Staats-Actionen groß geworden, & consuetudo altera Natura.

COLOMBINE.

Ich merk dich diker Bim! – Und sehen Sie Prinz Seiden-Wurm, dies Kind ist meine Tochter, heißt Pedrilla ich will nichts reden. Geben Sie dem philosophischen Bengel immer die Charge! Ein König der nichts giebt, wird nicht viel ästimirt. Ich werd in allen Gevatter-Stuben, in allen Staats-Actionen rühmen, was Prinz Seiden-Wurm für ein großes Licht ist.

PRINZ SEIDEN-WURM.

Die Frau hat Verstand Bim. Dein Mann ist Kammerheizer, werden seiner ferner gedenken. Wir fragen wie dieses Mädchen heißt?

PEDRILLA.
Pedrilla, heiß ich, schönster König!
PRINZ SEIDEN-WURM.

Schön Bim, und hat unvergleichlichen Verstand. Wenn wir gekrönt sind, und mehr Courage haben, wollen wir mehr mit ihr reden. Fort bien mein Kind!

COLOMBINE.

Ich danke für die allerhöchste Gnade. Küßt den Rok. Freylich verdients der Bengel nicht, und [185] ich weiß, daß Sie's bloß in Rüksicht meiner thun. Denn er hat heimliche Spizbübereyen gegen Sie im Sinn mit einem Bettler. Jezt will ich ihm zeigen, ob ers meiner Zunge, oder seinem Verstand zu danken hat, daß er in der hohen Charge verbleibt. Mit Reverenzen ab.

11. Szene
Eilfte Scene.
CEREMONIENMEISTER
außer Athem.

Alles ist in Bewegung! Revolte! Revolte! Das Volk ist aufrührisch gemacht. Will deine Majestät nicht zum König. Der Wundermann von Rotonier –

PRINZ SEIDEN-WURM.
Fort bien! Sie nehmen mich gewiß.
ANDRENA.
Sie rufen Prinz Zed und alles auf.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Fort bien! Sie werden schon kommen.
MINISTER BIM.

Das ist ein Streich von Harlequin. Ihre Krone ist hin. Für sich. Ich muß mich auf die Seite des Mächtigsten schlagen.

ANDRENA.
Soll ich die Tafel deken laßen bey diesem Tumult? 5
PRINZ SEIDEN-WURM.
Warum nicht? Wenn nur Liziline da wäre. Gieb mir meine Peitsche, will's Volk heimkarbatschen.
MINISTER BIM.
Der Harlequin ist schuld.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Wollen ihn hängen lassen.
[186]
ANDRENA.
Wie's Volk wüthet!
MAN
hört rufen.

Wir wählen den Stärksten, Würdigsten, Gerechtesten. Wer's glaubt zu seyn, komm auf den Markt vor uns.

MINISTER BIM.
Ich verzweifele.
PRINZ SEIDEN-WURM.

Kann mir nicht fehlen. Ich hab die Erstgeburt, und königliches Blut. Dem Fenster hinaus. Wir sind Euch in Gnaden gewogen, geht nach Haus!

MINISTER BIM
ruft hinaus.
Was denkt Ihr, so wollt Ihr das von den Göttern geheiligte Blut –
VOLK.
Halts Maul! die Götter sagen, wir sollen deine Schlößer plündern.
MINISTER BIM.
Der Harlequin muß hängen!
PRINZ SEIDEN-WURM.
Wollen sie schon reformiren. Zur Tafel!

Ende des dritten Akts.
GROSSER KÖNIG.

Ich sage dir Ali, Prinz Seiden- Wurm muß König in Trilinik werden, denn er hat Verstand und viele Weisheit. Indessen bin ich begierig wie's Ding geht. Den hungerigen Kerl aber laß ich spießen.

4. Akt

1. Szene
Erste Scene.
Harlequin. in seinem Garten. Gleba.

HARLEQUIN.

Jezt bin ich auf der Höh! Jezt bin ich obenan! Meine Tochter ist Königin! Vielleicht ich selbst König! Das ist ein politischer Kopf! Ein philosophischer Kammer-Jäger, ders so weit bringt!

GLEBA
kommt.
Da bin ich, und hab das Lumpen- Gesindel aufrührisch gemacht. Gold her!
HARLEQUIN.

Soll an nichts fehlen. Du bist ein Kopf wie ich ihn brauche. Werd deiner denken. Nu! gelt, meine Rede hat Würkung gethan? Hast du aber von Prinz Zed, meiner Tochter Pedrilla, und mir alles her gesagt, und meine Gemahlin Colombine ganz ausgelassen?

GLEBA.

Mich hab ich gerühmt! Mich! Glaubt Ihr, ich sey auf den Kopf gefallen? Ich hab Politik in der Welt gelernt durch Hunger. Bin durch schiefe und grade Wege gekrochen. Ich weiß, wie man die Herzen angreifen soll. Hört sie Gleba! Gleba! rufen. So heiß ich.

HARLEQUIN.

Daß dich die Pest! Erwischt! Erwischt! Für sich. er ist ein philosophischer Kammer-Jäger, hätt's schmeken sollen! – Hör, Gleba! wirst du König, so heuratest du meine Pedrilla, und ich werd Minister. Werd ich König, so wirst du mein Minister, und ich heurate deine Verwandschaft.

GLEBA.
Wer weiß in welchem Busch die verfault ist.
2. Szene
[188] Zweite Scene.
Colombine. Pedrilla. Prinz Zed. Vorige.

COLOMBINE.
Bist du da philosophischer Bengel! bedank dich hübsch bey meinem Verstand, bleibst Kammerheizer!
HARLEQUIN.
Werde bald selbst welche brauchen. Prinz Zed, das ist der Mann, durch den ich das Volk aufwiegelte.
PRINZ ZED.

Wo sind die Schönheiten meiner Pedrilla? Ach wie sanft die Liebe mit ihren Fittigen mein Herz anfächelt! Meine süße Königin!

PEDRILLA.
Mein süßer König!
COLOMBINE.

Ich hab dich dem Prinz Seiden-Wurm beschrieben. Hörst du! du wirst Kammerheizer, gnädiger Herr, Fürst, alles durch mich! Alles durch mich! Ich will dich schon noch unter den Pantoffel kriegen. Hab ihm auch gesagt, du machest Revolte durch einen Bettler, und doch ists geschehen. Sieh was ich kann!

HARLEQUIN.

Daß dich das Wetter! so bin ich verlohren. Gleba leugne! Prinz Zed helfen Sie mir, sonst kriegen Sie Pedrillas Jungferschaft nie.

COLOMBINE.
Du hast nichts dran gemacht, sie ist mein.
3. Szene
Dritte Scene.
Minister Bim mit der Wacht. Vorige.

MINISTER BIM.
Wo ist der Harlequin, der Aufwiegler des Volks? der Rebell?
[189]
HARLEQUIN.
Gehorsamer Diener, Herr Minister, ich weiß nichts davon.
MINISTER BIM.

Du hast dich wider das königliche Blut empört, wirst mit Pferden zerrißen! Zung aus dem Hals geschnitten!

HARLEQUIN.
Gehorsamer Diener, weiß nichts.
MINISTER BIM.
Greift zu Wache! In Ketten!
HARLEQUIN.

Siehst du Hure! Erst sezest du mir Hörner auf, und denn bringst du mich an Galgen. Bin unschuldig wie ein Kind –

COLOMBINE.
Uah! Uah!
PEDRILLA.
Helfen Sie meinem Vater, Prinz!
PRINZ ZED.
Weiß mir selbst nicht zu helfen. Er ist unschuldig. Verpfände alle meine Schlößer für ihn.
MINISTER BIM.
Schön Prinz Zed, daß Sie sich in Gesellschaft eines Rebellen finden laßen.
GLEBA
heimlich zu Bim.
Der Harlequin war verkleidet, und hat die Rede gehalten.
MINISTER BIM.
Werd Eurer denken. Schleppt ihn fort.
HARLEQUIN
indem sie ihn fortziehen.

Sollt Euch alle betriegen an mir. Ich strebe nach etwas Großen, und bin in diesen kühnen Gedanken gesprungen. Ich bin nicht fürn Galgen gebohren.


Alle fort, bis auf.
COLOMBINE.

Ist der Taugenichts fort? Nun Prinz wollen wir handlen. Sie muß doch Königin werden, aber durch meinen Kopf soll sies werden. Helfen Sie [190] ihm nicht aus dem Arrest, er ist eine politische Gans. Mit Pedrilla ab.

GLEBA.

Und ich will gehen, die Conspiration auszuführen. Ich bin gebohren die Welt zu verkehren, und nicht eher zu Grund zu gehen, bis alles vernichtet ist. Ab.

PRINZ ZED
allein.

Ich sauge Melancholie aus der Liebe, wie die Biene Honig aus den Blumen. Ich bin trächtig von Liebe, aber zu geizig, um welche von mir zu geben. Helle Sonne, du bist schwarz gegen Pedrillas Augen! Schwärmerey, gieb mir Nahrung, ich denke an Nichts. Pedrilla! Pedrilla! ich suche die Krone für dich. Ab.

4. Szene
Vierte Scene.
Der Markt.
Gleba. Volk.

GLEBA.

Ich zieh den müßigen Pöbel nach mir, wie die Kuh ihren Schwanz. Das Volk ist wie Mist im Treibhaus, es treibt alle neue Gedanken schnell hervor. Ich muß schmieden, weils Eisen warm ist, und auf mich selbst ein wenig denken. Ha, wie die Hydra die Köpfe in die Höhe strekt. Es wundert mich nicht, daß die Großen sie cujoniren, ich thät es selbst, ist Kanaillen-Pak, und Jupiter hat sie aus Spott gemacht.

5. Szene
[191] Fünfte Scene.
POET STUMPF.

Großer Wundermann von Rotonier! der du Kronen austheilen kannst, ich wollte dich in Prosa bitten, meiner eingedenk zu seyn, ich will dich zum Minister machen.

GLEBA.
Wer bist du so lumpigt und hungrig?
POET STUMPF.
Ein Poet und Feind vom Minister Bim. Hier ist ein Pak Pasquillen!
GLEBA.

Gieb her! Er wirft's unters Volk. Thu Würkung! Geht nach Haus, macht ein Loblied auf Gleba, vergeßt keine hohe Tugend drinnen, und ich will Euer denken.


Stumpf ab.
GLEBA.

Ich bin ein Kerl, der Confusion machen kann. Uh, wie wohl mir ist! Gestern lag ich hinterm Zaun, heut spend ich Gnade aus.

6. Szene
Sechste Scene.
GENERAL FORSAK.

Herr! ich hab durch meine Heldenthaten Trilinik errettet, mich aller Ehrenstellen würdig gemacht. Denkt an mich!

GLEBA.

Bezeug mir daß ich ein Kriegsheld bin, daß ich die Karoliker alle in Stüken gehauen hab, so will ich an Euch denken. Findet Euch nur nach Tisch ein.


Forsak ab.
7. Szene
[192] Siebende Scene.
KRÄZ
der Bauer.

Herr Wundermann von Rotonier, Ihr seyd ein gescheidter Mann, und ich auch. Ich hab lange genug im Namen des Königs Hunger gelitten, jezt möcht' ich mich als König satt essen, und thun wie ein Schulz. Ich bin stark und kann einen Ochsen umreißen; gerecht bin ich auch, hatte nur noch keine Gelegenheit dazu. Denkt an den Bauer Kräz!

GLEBA.

Komm und bezeug mir, daß ich das Aker- Wesen erfunden hab im Stundinoer Land. Daß die Bauren dort alle tanzen und nichts arbeiten! daß ich den Weinbau erfinden kann – Hörst du! – ich will deiner denken.


Gräz ab.

Wüthe Verwirrung!
8. Szene
Achte Scene.
DER PHILOSOPH.

Ich wär der Mann zum König, ich. Ich wollte dieses Land einrichten nach diesem Plan. Sehn Sie mein Herr, das ist mein politisches Werk! Alles soll gleich und eben werden. Ich bin ein Philosoph, und ein philosophischer König könnte Trilinik aufhelfen. Denken Sie meiner. Sie sollen mein Emir werden.

GLEBA.

Geht und sagt dem Volk: Der Gleba sey ein Sohn Jupiters. Beweißt es Ihnen aus der Genealogie der Götter, und ich will Eurer denken.


Philosoph ab.

[193]

Nun soll mirs nicht fehlen – ich muß nur die Gemüther noch ein wenig brausender machen. Unters Volk ab.

9. Szene
Neunte Scene.
HARLEQUIN
sieht aus dem Thurm heraus, ist in Ketten.

Da siz ich! Was für ein Kopf ich bin! Das ganze Königreich hab ich in Verwirrung gebracht. Hu! wie's unter einander geht in Trilinik! Laß deine Ketten immer raßlen Harlequin! Alle Genies, die Neurung in der Welt machen, werden von dir reden, und deinen Namen verherrlichen. Ich wär ein Mann, die Republiken zu zerzausen! Was geht dir ab Harlequin, du hast Zufriedenheit in dir! Am Ende bist du noch nicht unterm Galgen. Da wollen wir reden, und des Hanswursts Frau soll in Stüken zerrißen werden. Prinz Seiden-Wurm wird ein dummes Gesicht machen! daß ich das nicht seh! daß ich das nicht seh! das allein ärgert mich! – Aber wenn nur die Bestie von Colombine meine Pedrilla in Acht nimmt, sonst stiehlt ihr Prinz Zed hübsch die Ehre, und läßt sie fein prinzlich sizen. – Wie der Pöbel rennt! Ich muß ein Liedel singen, um sie aufmerksam zu machen, und die politische Pest in ihre Köpfe bringen. Singt.

VOLK.
Wer sizt da oben, da alles Freyheit hat?
HARLEQUIN.

Ha! ha! – Ein Staats-Gefangener, der Euch durch den Wundermann von Rotonier von allen Thorheiten curirte. Euch Prinz Seiden-Wurm verdächtig [194] machte. Euch den Tapfersten wählen hieß. Euer wohlgesinnter Mitbürger, sonst Hanswurst, jezt Harlequin, der Euch so oft zu lachen machte, wenns der König erlaubte. Minister Bim hat mich auf Befehl des Prinz Seiden-Wurms hier eingesperrt, weil ich ein Patriot bin –

VOLK.

Ein Patriot! Stürmt! Reißt die Mauren nieder! Sie stürmen hinein, und reißen alles zusammen. Harlequin springt heraus.

10. Szene
Zehende Scene.
HARLEQUIN
auf der Straße.

Ha! ha! jezt bin ich frey! jezt will ich meinen hellen Verstand brauchen. Er steigt auf eine Bier-Tonne. Allerliebste Trilinikiner, hört mir zu! Jupiters Worte sinds, die ich Euch vorzutragen habe, und nichts von dem meinigen. Kennt Ihr mich denn nicht Ihr allerliebste Trilinikiner?

VOLK.
Nein! du hast eines Hof-Schranzens Habit an!
HARLEQUIN.

Ey! Ey! Ihr lieben Mitbürger, so verkennt Ihr Verdienste so bald! Kennt Ihr denn Harlequin, des Königs Caromaskos Kammerheizer nicht, der wegen seinen großen Handlungen voll Güte und Gerechtigkeit in ganz Trilinik bekandt seyn sollte? Wer als ich, nahm Eure Suppliken, Memorialien an? Wer stekte sie mit größter Bereitwilligkeit in Busen, überreichte sie dem König Caromasko mit der wärmsten Empfehlung als ich, ob es gleich bey hängen verboten war? [195] Mich schrekte diese Gefahr nicht; denn die Liebe zu meinen allerliebsten Trilinikinern siegte in meinem patriotischen Herzen über alle Furcht. Und nahm ich etwa was dafür wie die andre Hallunken? Keiner von Euch wird sichs zu erinnern wissen. Nein, dachte ich, der Obel sey verflucht! es giebt keinen Seegen im Sterben; umsonst will ich meinen lieben Mitbürger helfen. Tausend und tausend werden unter Euch seyn, denen ich so Gerechtigkeit verschaft habe. Auf den Knien lag ich vor König Caromasko und flehte für Wittwen und Waisen – Kennt Ihr mich nicht? Erinnert Ihr Euch dessen nicht?

AUS DEM VOLK.
Ja! ja! du bist ein ehrlicher Mann, das hast du all gethan. Rede, was verlangst du von uns?
HARLEQUIN.

Verlangen! die Götter behüten mich, etwas von Euch zu verlangen! Bitten will ich Euch, um Hülfe anflehen in aller Demuth gegen den Wundermann von Rotonier. Hört mir zu! Diese Nacht begegnete mir der Jupiter Olympius hier auf der Straße, und gab mir eine Bottschaft an Euch. Sein Adler flog vor ihm her. Es sah majestätisch aus, und hatte tausend Donnerkeile in den Händen. Er sagte zu mir: »Geh mein lieber Harlequin, und suche einen Mann, dem du vertrauen kannst, daß er zu meinen Trilinikinern spreche, wie ich dirs eingebe.« Er kriegte mich am Schöpf, und ich wußte gleich all seine Gedanken. »Du darfst's aber nicht selbst vorbringen, sagte er, weil du mit dem edlen Prinz Zed verwikelt bist.« [196] Da fand ich nun den lausigten Kerl Gleba, hielt ihn für tüchtig, gab ihm die Rede, die ich aufgesezt hatte, und ließ sie ihn vor Euch in Jupiters Namen halten.

VOLK.
Kannst du das beweisen, daß Jupiter mit dir geredt hat?
HARLEQUIN.

Allerdings, denn die mächtige Juno war auch dabey. Es war grad vor meiner Thür, wo er mir noch einen Druk in die Hüfte gab, den Ihr noch sehen könnt.

VOLK.
Du bist ein ehrlicher Mann! Die Götter lieben solche Leute, wir glaubens.
11. Szene
Eilfte Scene.
GLEBA
springt aus dem Volk hervor, und stellt sich auf eine Bier-Tonne neben Harlequin.

Was denkt Ihr liebe Trilinikiner, daß Ihr Euch einem königlichen Sclaven anvertraut? Alles ist schändliche Lüge, was er da sagt. Das wäre ein Mann mit dem Jupiter spräche! Ich bin ein großer Mann, ein unbekandter Prinz –

HARLEQUIN.
Ein Bettler ist er, den ich von der Straße aufklaubte.
GLEBA.

Kann deßwegen doch ein Prinz seyn. Und ich will beweisen, daß Jupiter in seinem Kabinetchen, dort im Pantheon mit mir gesprochen hat. Mir gab er die Rede ein, und ließ Euch durch mich rathen, und seine Hülfe versprechen.

VOLK.
Beweißt Eure göttliche Sendung!
[197]
HARLEQUIN.

Du bist ein Lumpen-Kerl, ich hab deinen Hunger gestillt, deine Blöße bedekt. Jupiter wird so einen lausigten lumpigten Kerl zum Gesandschafter nehmen, und hungrig in die Welt nein jagen. Deine Verwandschaft ist hinterm Busch crepirt, wie du selbst gesagt hast. Zeig die Rede her, ob sie nicht mit meiner eignen Hand geschrieben ist, ob du sie nicht verfälscht hergesagt hast.

GLEBA.
Jupiter gab sie mir ein, sie ist nicht mit Worten geschrieben.
EINIGE AUS DEM VOLK.
Was sollen wir thun? Einer hat so viel für sich wie der andre.
ANDRE AUS DEM VOLK.
Sie sollen kämpfen. Jupiter Victor, wird dem den Sieg geben, der Recht hat.
VOLK.
Kämpft und beweißt Eure Sendung!
GLEBA UND HARLEQUIN
sezen sich auf den Bier-Tonnen in Positur, wie sie anfangen zu ringen, sagt.
HARLEQUIN.

Philosoph! Wir sind Esel! Laß uns gemeine Sache machen. Wir brechen hier den Hals, und können ja Trilinik theilen.

GLEBA
thut einen Schrey.
Ihr Götter des Olymps! Er hat Jupiters Zeichen an sich!
HARLEQUIN.
Ihr Götter der Welt! Er hat Jupiters Zeichen auch an sich!
VOLK.
Die Götter sind im Spiel ihr Mitbürger; kommt vor uns heute, und vertheidigt unser Heil.
12. Szene
[198] Zwölfte Scene.
COLOMBINE
tritt auf.

Jezt will ich doch einmal die politische Gans von Harlequin aus dem Thurm guken sehen! Nun kann ich die Wirthschaft nach meinem Gefallen für mich treiben. Caressiren wie ich will, und meinen Verstand glänzen laßen. – Aber was seh ich, dort steht ja Harlequin auf einer Bier-Tonne und trozirt – auch der lumpigte Bettler neben ihm. Herr Gemahl! Herr Bengel, was giebts hier! Wie kommst du hier her? Ich wollte mir die Freud machen, zu sehen, wie dich deine helle Politik in Ketten gebracht hätte.

HARLEQUIN
springt herunter.
Und ich will sehen, wie dirs thut, wenn ich dich an den Haaren zause.
COLOMBINE.
Bey der Minerva! mich freuts, dich frey zu sehen.
HARLEQUIN.
Bewundre meinen Verstand! beug dich! – Wie siehts zu Haus aus? Was macht meine Pedrilla?
COLOMBINE.
Prinz Zed ist bey ihr –
HARLEQUIN.

Bestie! hast du einen Handel gemacht, so zieh ich dir das Fell ab, und laß mir Pantoflen draus gerben. Ich muß nach Haus, um alles in Ordnung zu bringen. Zieht den Gleba mit fort. Das Volk wüthet ihnen nach.

13. Szene
[199] Dreyzehende Scene.
Pallast.

PRINZ ASTER AUS SURISUR
wüthig.

Sie sizen bey der Tafel und schmausen, und Prinzeßin Purperine soll melancholisch seyn. – Mich treibt der Ehrgeiz an, und nicht die Liebe. Alles ist Eigensinn bey mir, und ich thu als handelte ich aus großen Empfindungen. Mein Ohr spizt sich aus allem Ruhm zu trinken. Tapferkeit ist mein Spruch, und keine Pinseley, kein Philosophiren. Ich höre daß die Trilinikiner den Stärksten zum König wählen wollen. Der bin ich! – Purperine hör ich, hat sich mit einem andern Prinzen eingelaßen. Ich komme ihn zum Orcus zu schiken. Nicht aus Liebe. Ich hab einmal ihren Namen im Schlachtfeld genennt, folglich klebts mit meinem kriegrischen Namen zusammen, sonst scheer ich mich den Teufel drum. Ich will nur an ihrem Zimmer anklopfen, mein rauhes kriegrisches Gesicht zeigen, meine Thaten erzehlen, und sie erobern. Will sie nicht, werd ich Ihr sagen, daß ich alles ermorde, wärs mein leiblicher Bruder, ich hab sie einmal im Schlachtfeld genennt. Ihr Name gieng vor meinen Fahnen her. Er klopft an.

14. Szene
Vierzehende Scene.
PRINZESSIN PURPERINE
kommt prächtig gepuzt heraus.
Ach! – ihr Götter! wen seh ich –
PRINZ ASTER.

Da bin ich einmal wieder, schönste[200] Prinzeßin! Mein Schwerdt und meine Stieflen sind noch blutig von den Leichen, die ich in Ihrem Namen zum Orcus schikte. Aber ich höre ja, daß Sie sich mit einem platonischen Pinsel eingelaßen haben. Ich werd ihn auf der Stelle erwarten. Sie sind mein, und ich hab Ihren Namen im Schlachtfeld gerufen.

PRINZESSIN PURPERINE.

Sie erschreken all meine Lebens-Geister. – Sie haben mich in Rede gebracht. Ganz Trilinik spricht, Sie haben mich sizen laßen.

PRINZ ASTER.

Grausame, was sagen Sie! Nichts als die Verherrlichung der Liebe, die ich empfinde, und die mir ohne Ruhm nicht genug ist, trieb mich fort. Ich zog nach Surisur, jagte meinen Bruder zum Orcus. Von da gieng ich von Ruhm getrieben gegen die Torcomaten, und mordete fünf Tage in Ihrem Namen, und rief: Ich siege im Namen der unvergleichlichen Prinzeßin Purperine! Da sprangen die Götter herbey, und unterstüzten mich, aber ihre Hülfe hat ich nicht nöthig. Ich bin Held genug, und laß meinen Ruhm nicht schmählern. Fünf Pfeile trafen mich hier, in Ihrem Namen floß das Blut, in Ihrem Namen heilte es. Ich weiß, daß Sie Heldenmuth lieben. Meine Narben gefallen Ihnen auch.

PRINZESSIN PURPERINE.

Tapferkeit würkt Liebe mein Prinz. Aber Sie müßen mich nicht geniren wollen. Wenn ich spiele, so spiel ich. Wenn ich mich puze, so puz ich mich. Und wenn ich tanze, so tanz ich. Die ganze Welt sagt, Prinz Aster ist ein Held, auch ich liebe den Ruhm.

PRINZ ASTER.
Ich fülle den Orcus mit Schatten mein Engel.
15. Szene
[201] Funfzehende Scene.
Prinz Seiden-Wurm und Minister Bim. Vorige.

PRINZ SEIDEN-WURM.

Nachdem wir gegeßen haben, wollen wir die Welt reformiren, und besonders das widerspenstige Volk. Aber da ist ja der Prinz Aster aus Surisur, der Menschen-Freßer. Willkommen tapfrer Prinz! Wir lieben Euch! Hört nur, das Volk will mich nicht zum König, und ich hab doch so viel Verstand, und will alles reformiren. Haut sie in Stüken, ich geb Euch meine Schwester Purperine, mit einem großen Mitgift.

PRINZ ASTER.
Ha! mein Schwerdt lacht! Will sie spießen wie Roland.
MINISTER BIM.

Desperate Angst, die ich empfinde! Gehn Pasquillen gegen mich herum. Sie rühren vom Poeten Stumpf her, ich wette. Hätt' ich doch seinen Hunger gestillt!


Die Trompeten erschallen. Das Volk ruft die Competenten auf.
PRINZ SEIDEN-WURM.
Fort bien! Wir wollen uns zeigen, wir sind königlich gepuzt.

Alle ab.
Ende des vierten Akts.
DER GROSSE KÖNIG
murrte, und der schwarze Prinz erwachte.

Ich fürchte Ali, daß Ding geht nicht wie ich will. Prinz Seiden-Wurm gefällt mir immer beßer; aber der Aster ist ein Narr.

5. Akt

[202] Fünfter Akt.

Markt.
Die Competenten sizen auf einem Gerüste. Voran die Prinzen, als: Prinz Seiden-Wurm. Prinz Zed. Prinz Aster. Hinter ihnen steht Minister Bim. Im zweiten Rang befinden sich die übrige Competenten, als: Harlequin. Gleba. Forsak. Stumpf. Kräz. Philosoph. Auf dem rechten Flügel sizen die Damen, als: Prinzeßin Purperine. Colombine und Pedrilla. Viele von Hof. Das Volk steht vorm Gerüst und ruft.

Wir wählen den Würdigsten von Euch! Laßen uns nicht mit glatten Worten bestechen. Also nicht viel Redens, produzirt Euch!

PRINZ SEIDEN-WURM.

Der Würdigste, meine liebe Trilinikiner, sind wir. Wir, die wir wollen die Welt reformiren, daß sie wieder in ihr altes Gleiß trete. Arg ist die Welt, und braucht einen weisen König.

VOLK.
Die Welt ist gut. Etwas beßer! – Er hat keinen Respect für uns, er steht nicht einmal auf!
DAS GESINDEL.
Weg mit ihm!
PRINZ SEIDEN-WURM
verliert viel Contenance.

Ihr werdet uns nicht die Krone versagen, da sie uns von den Göttern her gehört! Wir wollen Euch beherrschen nach der Weise unsers hochseeligen Vaters Caromaskos. Wir sind Prinz Seiden-Wurm, der Erstgebohrne vom königlichen Geblüt.

VOLK.

Dich wollen wir nicht! Dein Vater gefiel uns[203] nickt. Deine Erstgeburt hilft dir nichts. Produzir sich einer, der uns beßer gefalle. 6

PRINZ SEIDENWURM
weint und klagts Bim.
MINISTER BIM
zum Volk.

Rühren Euch des rechtmäßigen Prinzen Thränen nicht! Seht wie die Liebe zu Euch ihm das Herz bricht! O verstokte Seelen, Felsen würden bey diesem Anblik zergehen! und ihr –

VOLK.

Halts Maul Bim! Du hast uns lange genug gebißen, möchtest uns gerne noch ferner beißen. Einen beßern!

PRINZ ZED
steigt auf.
VOLK.
Der ist schon höflicher!
PRINZ ZED.

Der bin ich! Meine ganze Substanz ist Liebe, würdige Trilinikiner! Also regiert Euch Liebe. Wie wohl muß es Euch alsdenn gehn! Ich bin Prinz Zed, auch vom königlichen Geblüt, nach Prinz Seiden-Wurm gebohren. Ich hab Euch schon eine schöne Königin gewählt, die auch lauter Liebe ist.

VOLK.
Vorsteher merkt Prinz Zed auf! Sollten wir keinen beßern finden, so hat er unsre Stimme. Ein beßrer!
PRINZ ASTER
aus Surisur.

Wollt Ihr den Stärksten wählen? Der bin ich. Tausend Seelen hab ich mit meinem Schwerdt zum Orcus gejagt. Niemand kann Euch also beßer vertheidigen als Ich. Reißt die Brust auf. Dies sind die Wunden die ich im Streit empfieng! [204] Mein Schild wird Euch alle deken! Meine Seele sucht nichts als Ruhm!

VOLK.
Wer seyd Ihr?
PRINZ ASTER.
Ich bin Prinz Aster aus Surisur.
VOLK.
Ein Erstgebohrner!
PRINZ ASTER.
Nein, den erstgebohrnen Bruder hab ich zum Orcus geschikt.
VOLK.
Merkt ihn auf Vorsteher! Er hat viel vor sich. Ein andrer!
HARLEQUIN
ganz demüthig.

Geliebte Trilinikiner! Ich bin des Volks Freund, erwieß Euch Wohlthaten, als ich noch Kammerheizer war, wie viel Gutes werd ich Euch nun thun, wenn ich Euer König werden sollte. In der Politik such ich meines gleichen. Das könnt Ihr daraus sehen, daß ich durch Eingebung Jupiters den ganzen Handel anzettelte, und Euch gegen das königliche Haus aufwieglen ließ. Ich mein's gut mit Euch, und die Götter lieben mich. Tapfer bin ich auch, das habt Ihr heute gesehen. Daß ich ein Patriot bin, habt Ihr daraus gesehen, daß man mich in Thurm warf.

VOLK.

Merkt den Harlequin Vorsteher! er ist ein braver Mann, und hat Jupiters Druk in der Hüfte. Ein andrer!

GLEBA.
Ich bin Gleba!
VOLK.
Er lebe!
GLEBA.

Ich danke Euch geliebteste Trilinikiner für den gütigen Zuruf. Ich bin ein unbekandter Prinz, und habe Zeugen hier, daß ich ganze Völker erwürgte im Krieg. Daß ich das Akerwesen erfunden habe. Daß [205] in meinem Reich alle Bauern tanzen und nicht arbeiten. Daß ich den Weinbau erfinden kann. Wie gut ich mit den Göttern stehe, wißt Ihr schon!

VOLK.
Das wär der Beste! Laß die Zeugen vortreten!
GLEBA
zu den Zeugen.
Betheuret dieses!
FORSAK.
STUMPF. GRÄZ. PHILOSOPH. Liebe Trilinikiner, wir wissen nichts! Wir glaubens nicht!
VOLK.
So zerreißt ihn! Er ist ein Betrüger!
HARLEQUIN.
Das ist er!
GLEBA.
Ich bin der Wundermann von Rotonier.
VOLK.
Verschont ihn um deßwillen! Wir wollen's genauer untersuchen. Ein beßrer!
HARLEQUIN.

Nu, lausigter Kerl! fühlst du dein Nichts. Ich werd König. Warte Frau Colombine, will deinem Verstand den Scheide-Brief geben.

GLEBA.
Ich will's dir schon eintränken, du kennst mich noch nicht.
FORSAK
tritt als Competent hervor.

Liebe Trilinikiner! Ich bin Forsak, der Euch vor zwanzig Jahren gegen die Helliner vertheidigte. Sie saßen vor Euren Mauren, und wollten Euch über die Klinge springen laßen. Ich that einen Ausfall, und trieb sie in ihr Land. Meine Tapferkeit ward übel belohnt. Jezt such ich Eure Hülfe und meine Belohnung.

VOLK.
Ist das wahr?
DIE ALTEN.
Ja! ja!
VOLK.
Du bist zu alt und unansehnlich. Doch wollen wir für dich sorgen. Ein andrer!
[206]
POET STUMPF
tritt auf, will anfangen zu reden.
VOLK.
Weg mit diesem! Werft ihn herunter! Er sieht nichts gleich!
MINISTER BIM
stößt ihn herab.
GRÄZ
der Bauer.
Meine liebe Landsleute, ich bin der Bauer Gräz, Euer Bruder, und will Euch brüderlich regieren.
VOLK.
Herunter! Wir brauchen einen König.
PHILOSOPH
tritt vor.

Ich bin der Mann der alles glüklich machen kann. Ich will Trilinik in die glükliche Insul verwandlen. Die Gemeinschaft der Güter einführen. Einer soll so reich seyn, wie der andre.

DAS LUMPENGESINDEL.
Der sey unser König für allen andern!
DIE REICHEN.
Weg mit ihm!
DAS LUMPENGESINDEL.
Er sey unser König!

Sie gerathen einander in die Haare. Tumult. Nachdem sich einige todgeschlagen, wirds stille. 7
VORSTEHER DES VOLKS.
Wählt nun meine Kinder! Ich habe angemerkt nach Eurem Willen: Prinz Zed. Prinz Aster. Harlequin.

Die Partien fangen sich an zu zertheilen. Die eine ruft Zed zum König aus. Die andere Aster. Eine andre Harlequin. Noch andre den Philosophen. Wieder welche rufen Gleba. Allgemeiner Aufstand und Schlägereyen. Jede Partie soutenirt Ihre Wahl.
DER SYNDICUS
ruft.

Soll Trilinik untergehn? Wählt einstimmig, und wenn Ihr nicht einig werden könnt, so wählt sie alle drey, die Ihr aufgemerkt habt, und probirts mit ihnen!

[207]
VOLK.
Der Syndicus hat Recht. Sie seyen alle drey Könige. Aber welche drey?
ZED, ASTER UND HARLEQUIN treten mit Verbeugung hervor.
COLOMBINE
sinkt in Ohnmacht für Freude.
EINER AUS DEM PARTERRE.

Der große König, dessen Weisheit die Teininaer beglükt, beglüke auch Trilinik! Er sey König von Trilinik und lebe! 8


Alles schrie nach und wählte den großen König.
Seine Freude war außerordentlich. Er bedankte sich gnädig, und sagte großmüthig: Er wolle die Krone Prinz Seiden-Wurm schenken. Das Volk von Trilinik wollte ihn aber nicht anders
annehmen, als mit Beybehaltung des Zeds, Asters und Harlequins.

So seyen denn vier Könige in Trilinik! Rief der große König. Und Ali, dieses ganze Drama häng an meine Geschichte zum Unterricht der Völker an; ich bin außerordentlich zufrieden damit, und mein Kämmerer soll dir für deine Mühe geben, was du verlangst.

HARLEQUIN
als Epilog.

Wer ist hier, der an der philosophischen Kammer-Jägerey noch zweifele? Bin ich nicht durch sie Mit Regent von Trilinik geworden! Es lebe ein Genie wie das meinige! Bey der nächsten Gelegenheit sollt Ihr sehen, wie wir zusammen die Krone verwalten, und sollt sehen was die philosophische Kammer-Jägerey vor Springe machen wird. Ich will sie düpiren, daß Ihr Eure Freude haben sollt. – Morgen [208] also wird vorgestellt: Die Regenten von Trilinik samt allen Conspirationen, oder der philosophische Kammer-Jäger, ein König, ist eine Tragödia in fünf Acten, von Ali, dem Weisen. – Plaudite!


Ende des moralischen Dramas von Prinz Seiden-Wurm dem Reformator.
[209]

Fußnoten

1 Die Dekorationen dieses Stüks sind des schwarzen Prinzen wegen so kindisch und phantastisch als nur möglich ist.

2 Der große König gab dem Ende dieser Scene großen Beyfall, und das Parterre klatschte unsinnig.

3 Großer König. Ali, das ist ein gescheidter Prinz, und gefällt mir wohl. Mach mich mit dem Menschen bekandt. Er kennt den Werth der Dinge. Die Lumpenhunde laß ich hängen. Seiden-Wurm soll König seyn, ich will es.

4 Salmarez wollte bersten.

5 Großer König. Dumme Frage vom Esel!

6 Der große König wollte hier seine Garde einbauen laßen, hätte ihn Ali nicht zurük gehalten, mit der Versicherung, alles würde noch gut gehen.

7 Dieses gefiel dem großen König über alle Maase.

8 Dies ist nicht zu verwundern. Denn die Königin und Riza regierten so, daß sich das Volk gut befand, und dieses schrieb der große Haufen dem großen König zu.

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TextGrid Repository (2012). Klinger, Friedrich Maximilian. Dramen. Prinz Seiden-Wurm der Reformator oder die Kron-Kompetenten. Prinz Seiden-Wurm der Reformator oder die Kron-Kompetenten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B29A-4