[171] Die Verwandlung

Gab die Erde sie? stieg von Orionen sie nieder?
Sie von der schönen Seele beseelt,
Sie, des Gesetzes Mutter, das weiser ist, zu der Wohlfahrt
Stimmender, menschlicher ist!
Ungeweihte hören wich auch; drum sprech' ich der Göttin
Namen nicht aus.
Ungeweihter ist keiner, als wer von dem Morde den Wahn wähnt,
Ihr zu opfern, zuck' er das Schwert.
Opferer ist er am Fuss Tisiphona's; auf dieser Altare
Raucht das vergossene Blut.
Glücklich war, glückselig das Volk, von erhebender Freuden
Neuem Gefühl
Trunken, war benedeit, war selig, zu dem des Gesetzes
Mutter von den Unsterblichen kam.
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Aber sie hatte ihn kaum geboren, selber gehuldigt
Ihrem lieblichen, fröhlichen Sohn;
Da entfloh die Wonne, versanken der Glücklichen Inseln
In die Tiefe das Meers!
Da entstand ... Gern nent' ichs (den Elendstiftern am liebsten!)
Doch der Sprache fehlet das Wort
Für dies Scheussliche. Ha! es beschloss zu verwandeln die Göttin:
Und die Verwandlung gelang.
Zwillingshöhlen dampfen auf einem Erobererschlachtfeld,
Werden bewohnt,
Die von der Raubsucht, die von der wilderen Wilden, der Herrschsucht.
Dreymal heulten sie, sprengten sie Blut,
Schlugen dreymal auf ein Hohngelach: und das Namen
Lose war itzt von den Schwestern geweiht,
Hatte Beschwörung gelernt; die schrien sonst Zaubergesänge,
Schreyerin war die Beredtsemkeit jetzt;
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Und Es verwandelte: Tagscheu ward der leidenden Auge,
Taub des Bürgers Worte das Ohr;
Aber dem Luge nicht, dem hörte sie leise, vernahm ihn,
Murmelt' er auch nur von fern.
Dolche wurden (Gesang, der Wahrheit treu, du vergehst nicht,
Klagst vor dem richtenden Enkel noch an!)
Dolche wurden ihr die Rosenfinger, und nun auch
Röther. Der Mund
Konte nur Tod aussprechen. Die Haare wanden sich, zischten,
Und zu Brande ward das Gehirn!
Und ein schreckliches Lüsten durchbebt' ihr das Herz, zu ermorden
Wie Medea, den Sohn!
(Barthelemi erhob das Haupt, und, ich neide die Wandlung!
Rufte sie, aus der Vergangenheit Nacht.)
Aber Eius misslang: Der Beschwornen wurden die Fülse
Nicht zu Thou; und so sank sie nicht hin;
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Steht noch! Stürzte sie nieder; so war es geschehn, und vergebens
Dürstete Wiederverwandlung der Wunsch,
Wiederverwandlung in sie, die sie war vor der Sprengung des Blutes,
Und der Lache des Hohns,
Wonne! in sie, in die Mutter des tiefgedachten Gesetzes,
Welches menschlicher ist.
Komt, erquickt mich, ihr, die ihr Zukunft wisset, erquickt mich:
Werd' ich sehn in der ersten Gestalt,
Sehn, wie vom Himmel sie kam, des Gesetzes Mutter? das weiser
Ist, wohlthätiger, menschlicher ist!
Durch das endlich der Traum eintraf, der so lange geträumt ward
Von der goldenen Zeit!
Ach ihr verstumt mir! strebet umsonst, durch die Hülle der Wolken,
Die stets nachtender wälzt der Orkan,
Durch der gehobenen Ström Erguss, des höheren Weltmeers
Wogenberge zu sehn.

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TextGrid Repository (2012). Klopstock, Friedrich Gottlieb. Gedichte. Oden. Zweiter Band. Die Verwandlung. Die Verwandlung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B372-3