Discurs von der Gleichheit und Ubereinsstimmung der groß- und kleinen Welt.
Es pflegen zwar vil Menschen (absonderlich reich-und adeliche) vil Zeit / Mühe und Kösten anzuwenden / einen grossen Theil der Welt zu durchwanderen / vil merckwürdige Ding zu sehen und zu erfahren / bedencken aber nicht den Spruch des Poeten:
Orbis quisque sibi, ne te quæsieris extra. 55
Ein kleine Welt du selber bist /
Anders Suchen unnütz ist.
[279] Die so wohl gröste als nutzlichiste Erfahrenheit ist /nosse se ipsum, sich selber kennen. Ja vil in der grossen Welt herum vagiren / und die kleine Welt / verstehe sich selber / ausser Acht lassen / und vernachläßigen / ist eben so vil / als um ein fremdes Haußwesen sich annemmen und besorgen / sein eignes aber verabsaumen.
Wann die berühmte 7. Welt-Wunder annoch in dem Stand oder unversehrt wären / da wurde wohl ein mancher vil Land und Meer durchreisen / selbe zu besichtigen und zu bewunderen / indeme doch der menschliche Leib in seiner Structur und Beschaffenheit ein vil grösseres Wunder / und ein solches Kunst-Gebäu ist / welches alle andere gar weit übertrifft /und von keinem anderen Verstand hat können angegeben / noch von einer anderen Hand verfertiget werden / als von der unendlichen Weißheit und Allmacht GOttes selber.
Aber es ist eine dem Menschen schier allgemeine und angebohrne Untugend / daß er sich nirgends unlieber / als bey ihm selber aufhaltet / und in einem gewaltsamen Stand zu seyn vermeinet / wann er nicht ausser sich selbsten umzuschweiffen gelassen wird. Ich getrauete es mir nicht zu sagen / wann es nicht längst vor mir der weltweise Diogenes gesagt hätte /daß absonderlich dreyerley Menschen thorrecht handlen / nemlich die Geschichtschreiber / die Musicanten und Astrologi: Die erste zwar / sagt Diogenes, weilen sie vil Länder und Völcker / vil und merckwürdige Geschicht und Thaten beschreiben und erzehlen / inzwischen aber nicht wissen / was in ihrem eignen Hauß / von ihren eignen Leuthen geschieht. Die zweyte aber / weilen sie in der Music die Harmoni oder Ubereinsstimmung der Stimmen und Instrumenten so genau haben wollen / und indessen auf die grosse Dissonanz oder Zuwiderlauffung ihrer Affecten und Gemühts-Regungen kein Achtung geben. Die dritte endlichen / weil sie mit ihren Augen und Gedancken immerdar in der Höhe bey dem Himmels-Gestirn sich aufhalten / und hingegen die Schönheit der Tugend /dero Zierd und Glantz alle Sternen weit übertrifft / so wenig betrachten.
Es verwunderen sich die Menschen / spricht der H.Augustinus, über die Höhe der Bergen / über die Tieffe des Meers / den Lauff der Sternen etc. da sie doch vil mehr über sich selber zu verwunderen Ursach hätten / und ihnen vil nutzlicher wäre / sich selbst recht kennen / als die Wissenschafft von dem Himmels-Gestirn / von der Würckung der Kräuter / von der Natur und Eigenschafften der Thieren etc. zu haben. 56 Dessentwegen / als der weltweise Dæmonax einstens befragt wurde / wann er angefangen habe weiß zu werden / gab er zur Antwort: Tunc, cùm me ipsum cognoscere cœpi: Alsdann / da ich gelernt hab mich selbsten zu kennen. Diesem stimmet Plato bey /indem er sagt / daß niemand klug / tugendlich / oder glückseelig seyn könne / der sich selber nicht recht kennet.
Ja wie der H. Basilius anmercket / so ist die Erkanntnuß seiner selbst der gerade Weeg zu der Erkanntnuß GOttes; dieweilen der Mensch / indem er sich als ein zierliche kleine Welt / oder einen kurtzen Begriff aller Creaturen betrachtet / veranlasset wird /auch zugleich die Allmacht und Weißheit des Schöpffers zu betrachten: und also wird der Wunsch und Affect des H. Augustini erfüllet / mit welchem er zu GOTT geseufftzet hat: Noverim me, noverim te! 57 O daß ich mich und dich recht kenne! Dann auf solche Weiß wird der Mensch gleichsam allwissend / ohne daß er nöthig habe in einem anderen Buch / als in seiner eignen Beschaffenheit zu studiren: er selbsten ist ihm die Lehr-Schul / der Lehrmeister und Lehr-Jünger zugleich.
Die Poeten dichten / es seyen einstens aus Befehl der Göttin Minervæ alle Wissenschafften zusammen kommen / zu dem Ende / daß sie erforschen und entscheiden sollen / was der Mensch seye / oder mit wem er möge verglichen werden? 58 Sie waren aber unterschiedlicher Meinungen. Die Dialectica fienge an /und sagte: Homo est breve Enthymema, pro antecedente habens [280] ortum, pro consequente interitum: Der Mensch seye ein kurtze Schluß-Red / der Anfang ist das Aufgehen / und der Schluß das Untergehen. DieAstrologia oder Stern-Kunst widersetzte: Homo est quasi Luna mutabilis, quia nunquam in eodem statu permanet, sed semper tendit ad interitum: Der Mensch ist ein veränderlicher Mond / weilen er niemahl in einem Stand verbleibt / sondern allzeit zu dem Abnemmen zihlet. Die Physica definirte den Menschen: Animal rationale mortale: Ein vernünfftig und sterbliches Thier. Die Mathematic behauptete:Homo est veluti figura sphærica, ab eodem quo incipit puncto, in idem terminatur: Er seye gleichsam ein runde Kugel / die sich eben in dem Pünctlein endiget /in dem sie anfangt: aus der Erden kommt der Mensch herfür / und in die Erden wird er wiederum verwandlet. Die Rhetoric wolte haben: Homo est oratio, cujus exordium est nasci, narratio pati & dolere, confirmatio conqueri, & epilogus mori: Der Mensch seye ein Oration, oder Red-Verfassung / dero Exordium oder Eingang ist gebohren werden und Weinen /die Narratio oder zweyter Theil ist Leyden / die Confirmation, der dritte Theil ist Klagen / und der Epilogus oder Schluß das Sterben. Die Figuren aber oder Redens-Arten in dieser Oration seyen die unterschiedliche Affect oder Gemüths-Regungen des Menschen. Die Grammatic aber tadlete den Menschen /daß er den Todt so gar nicht decliniren könne / und die Erdẽ mit dem Himmel / die Zeit mit der Ewigkeit zu conjungiren. Der Syntax hingegen sagte / der jenige Mensch mache ein gute und zierliche Construction, der unsträfflich lebet / und keinen Bock machet wider die gute Sitten / auch keinen Fehler begehet wider die Reglen des Gewissens. Die Poësis endlichen hielte darfür / der Mensch seye ein Vers / dessen so genannte Füß oder lauffende Sylben seine Werck /die letzte Sylben aber der Todt und das Metrum, das ist / die auf- oder absteigende Maaß dieser Versen /der Menschen / seye das gute oder böse Gewissen.
Ich lasse diese Meinungen alle in ihrem Werth verbleiben: sage aber anbey / daß der Mensch füglich ein allgemeines Buch könne benahmset werden / liber de rebus omnibus, ein Buch / welches von allen Sachen handlet / und gleichsam ein kurtze Abschrifft derselben in sich begreifft. 59 Da in diesem Buch / den Menschen verstehe ich / kan man deutlich ablesen / ja einiger massen entworffen sehen die Beschaffenheit des Himmels und der Erden / der Sternen und Elementen / der Meer und Flüssen / der Thier und Gewächsen etc. ja des Erschaffers aller Dingen selber /als dessen der Mensch ein Ebenbild ist.
Vil rahre Kunststuck seynd zu unterschiedlichen Zeiten erfunden / gerühmt und bewunderet worden /weilen sie an sich selber überaus klein waren / und doch grosse Ding gar deutlich und zierlich vorgestellt haben.
Der König Pyrrhus solle einen Finger-Ring gehabt haben mit einem Achat-Stein versetzt / in welchem (und dieses zwar von der Natur) der Apollo samt allen 9. Musis deutlich entworffen zu sehen ware. 60 Dergleichen erzehlet auch Galenus gesehen zu haben /nemlich einen Edelgestein in einem Finger-Ring / auf welchem Steinlein der Phaeton mit seinem Sonnen- Wagen und 4. Pferdten also künstlich eingeschnitten ware / daß man die 16. Pferdt, Füß und Schienbein /ja auch die Zäum und Mäuler der Pferdten deutlich sehen und unterscheiden kunte. Als der kunstreicheProtogenes ein so zarte Linie gezogen hatte / daß man vermeinte / sie kunte unmöglich zärter seyn / da hat der weltberühmte Mahler Apelles auf dieselbe hin / mit einer anderen Farb / ein noch zärtere gezogen /die auch von dem schärpffisten Aug kaum hat mögen gesehen werden.
Aber nicht nur vor gar alten / sondern auch letzteren Zeiten / seynd dergleichen so klein- als rahre Kunststuck verfertiget worden. In dem vorigen Sæculo hat ein Künstler / aus dem Schweitzerland gebürtig / zu Lugdun [281] in Franckreich / König Ludovico dem XIII. ein Gutschen mit 4. Pferdten bespannt offerirt /also klein und subtil gemacht / das das gantze Wercklein nicht grösser als ein Finger-Nagel ware. Noch mehr hat dißfalls gethan ein kunstreicher Drechsler in Schwaben / Oswald Nerlinger mit Nahmen / dieser /wie in Erasmi Francisci Indisch- und Sinefischen Lust-Garten fol. 1350. zu lesen ist / hat aus einem Pfeffer-Körnlein einen Pocal oder Becherlein mit einem Fuß und Deckelein von Gold also künstlich ausgedrechslet / daß er noch sehr vil andere kleinste und subtiliste Becherlein / aus Gold gemacht / darein hat legen können. Dieses Kunststücklein solle in der Chur-Bayrischen Kunst-Kammer aufbehalten worden seyn. Etwas noch verwunderlicheres von einem anderen ausgehöhlten Pfeffer-Körnlein / und etlich / ja mehr 100. Becherlein von Helffenbein / wird in ermeldtem Buch fol. 1349. erzehlt / welches ich / weilen es unglaublich zu seyn scheinet / nicht habe hieher übersetzen mögen / ob wohl loc. cit. dessen bewährte Zeugen adducirt worden. Ferners schreibet Adrianus Junius, daß er einen Kirschen-Stein / der in Gestalt eines Körbleins ausgedrechslet ware / gesehen habe /in welchem 15. Paar Würffelein / mit ihren Augen oder Puncten deutlich verzeichnet / lagen. Es soll auch vor Zeiten ein gewisser Kayser in seinem Finger-Ring an statt des gewöhnlichen Edelgesteins ein überaus kleines / doch vollkommnes Uhrlein gehabt haben / welches an statt des Schlagens alle Stund ihne ein wenig in den Finger zu stupffen pflegte. Capocius Senensis aber / wie ich lise / hat das gantze Leyden Christi zierlich auf seinen Finger-Näglen abgebildet gehabt. Deßgleichen Franciscus, ein Alumnus zu Rom / hat das gantze Evangelium Joannis, samt dem Apostolischen Glauben / auf ein Plätzlein / welches nicht grösser als ein Groschen ware / geschrieben / zu grosser Verwunderung Clementis VII. und Caroli des V. Also wahr ist es / was Seneca gesprochen hat:Magni artificis est totum clausisse in exiguo: Grosse Künstler vermögen grosse Ding in kleine Sachen einzuschliessen.
Dieses aber hat vor allen auf ein höchste vollkommne Weiß der himmlische Werckmeister / der allmächtige GOTT gethan / totum clausit in exiguo, in Erschaffung des Menschen / in welchem er als einemMicro-Cosmo, oder kleinen Welt / den Macro-Cosmum, oder die grosse Welt / das ist / alle Geschöpff gleichsam eingeschlossen / und einiger massen vorgebildet hat.
Dann zu geschweigen / daß der Mensch mit allen Creaturen etwas Gemeinschafftliches hat / nemlich mit den leblosen Dingen die Weesenheit / mit den Kräuteren und Pflantzen das Wachsen / mit denen Thieren die Empfindlichkeit / und mit den Englen den Verstand: auch zu geschweigen / daß die menschliche Seel in vilem den Englen gleichet / die 5. äusserliche und 4. innerliche Sinn des Menschen aber durch ihre Würckungen die 9. Chör der Englen mit ihren geistliche Verrichtungen einiger massen vorstellen: So kan der menschliche Leib / als wie das grosse Welt-Gebäu (so Himmel und Erden in sich begreiffet) in 3. Haupt-Theil abgetheilt werden. 61 Dises zwar in die Elementarische Welt / oder die 4. Elementen / samt allem /was darinnen ist wird abgetheilt/ und wo die Generation und Corruption der cörperlichen Dingen geschieht: in den gestirnten Himmel / und in den feurigen oder obristen Himmel. Der Mensch aber in die Theil / die sich unter dem Hertzen / und in die / so sich ober dem Hertzen befinden / und in das Haupt: und gleichwie GOTT zwar überall sich gegenwärtig befindet / doch absonderlich in dem Himmel sein Glori und Herrlichkeit erscheinen läßt / also thut sich die menschliche Seel durch den gantzen Leib zwar ausgiessen / doch aber laßt sie sich absonderlich in dem Haupt verspühren.
Ferners / die Sonn erleuchtet mit ihren Strahlen all andere cörperliche Ding / die sich unter ihr befinden /benantlich den Mond etc. und der Verstand erleuchtet die andere Kräfften [282] der Seelen / fürnemlich den menschlischen Willen etc.
Aber jetzund auf die Elementen zu kommen / so ist es ein berühmte Frag bey denen Philosophen / wie sich die 4. Elementen in dem Menschen befinden? 62 Die gemeine Antwort hierauf ist / daß dieselbe sich in dem menschlichen Leib und anderen cörperlichen Dingen sich nicht eigentlich in ihrer Weesenheit /sondern nur in so weit befinden / weilen diese von derselben fürnehmsten Eigenschafften etwas participiren und in sich haben / nemlich etwas von der Wärme des Feurs / etwas von der Feuchtigkeit des Luffts / von der Kälte des Wassers / und von der Trückne der Erden. Doch kan man füglich sagen / daß nicht nur etwas von der Wärme des Feurs / sondern auch ein feurige Qualität / oder etwas feuriges selber in dem Leib des Menschen / und zwar absonderlich in den Augen sich befinde / welches aus dem erhellet /daß / so man in der Finstere sich ein wenig auf die Augen-Lider schlägt / gleichsam feurige Funcken herfür springen. Deßgleichen geschieht es zu Zeiten / daß / wann einer bey finsterer Nacht gähling erwachet /seine Augen ein kleine Weil lang mit einem feurigen Glantz erleuchtet werden. Ja auch nach gemeiner Redens-Art pflegen wir öffters von einem hitzigen oder entzündeten Menschen zu sagen / er habe feurige Augen.
Solche feurige Augen solle Octavius Augustus gehabt haben / welcher / wann er einen starck hat angeschaut / da hat er ihn gezwungen die Augen zu unterschlagen / oder das Gesicht abzuwenden / als wie vor der Sonnen. 63 Deßgleichen Albertus, ein Hertzog aus Oesterreich / hatte dermassen glantzende und strahlende Augen / daß er einen Kayserlichen Abgesandten durch einen starcken Anblick also verblendet und verwirrt gemacht hat / daß er ihm an statt des Kayserlichen Schreibens seine Handschuh / unwissend / was er thue / dargereicht hat. Von dem grossen Alexander, und von dem König Attila wird geschrieben / daß man zur Zeit / als sie in einem hefftigen Streit hitzig gefochten haben / da habe man von ihren Augen Feur-Funcken / oder hitzige Strahl sehen ausgehen. Eben dergleichen ist auch etwelchen Heiligen vor lauter Eyfer und inbrünstiger Andacht / wie man von ihnen liset / geschehen.
Dergleichen feurige Augen hat nach Meinung S. Hieronymi auch Christus in dem Tempel zu Jerusalem gemacht / da er mit solchem Ernst die Käuffer und Verkäuffer von selbem hat hinauß getriben. Igneum quiddam arque sidereum ex oculis ejus relucebat: 64 Etwas Feuriges / sagte er / etwas Himmlisches / und voll der Göttlichen Majestät schiene ihm zu den Augen herauß.
Aber wann der Anblick Christi annoch in seinem sterblichen Leben also feurig und erschröcklich gewesen ist / was wird es seyn / wann er zu End der Welt als ein strenger Richter in seiner Glori und Herrlichkeit erscheinen wird? Lasset uns bitten / daß er uns zuvor mit dem Feur seiner Liebe entzünde / auf daß wir das Feur seines Zorns nicht zu förchten haben.
Nach diesem sittlichen Feur der Liebe GOttes hat der H. Augustinus geseufftzet / sprechend: O Feur /welches allzeit brinnet / und niemahl erlöschet / entzünde mich! O Liecht / das allzeit leuchtet / und nie verduncklet wird / erleuchte mich! etc. 65 Nach diesem Feur / ich will sagen / nach GOtt sollen wir auch mit den Worten jenes Poeten verlangen / und von Hertzen sprechen:
O utinam
Intus agant flammæ, sic liquar ab ignibus intus,
Linquitur ut lento pinea teda foco!
O utinam mea vita! animam liquamur in unam,
Unáque vita duos jungat, amórque duos!
O daß ich gantz entzündet wär /
wie ein Feur-Fackel brennte!
(Ohn dich mir fallt das Leben schwer)
Und mit dir eins seyn könte.
Jetzund von dem Feur auf den Lufft zu kommen /der sich subtil in der Höhe [283] ausbreitet / bald in Wolcken zusammen geht / bald die aufsteigende Dämpff und Feuchtigkeiten / durch Regen oder Wasser-Güsse wiederum herab giebt / und den Erdboden fruchtbar machet / auch den Thieren und Menschen zum Athmen / den Vöglen zum Fliegen dienet etc. so wird derselbe / wie schon oben gemeldet worden / in 3. Regiones, die oberste / mittlere und unterste abgetheilt. 66
In der obersten befinden sich vil leichte / warm-und truckne Dämpff / aus welchen unterschitdlicheMeteora oder Lufft-Gesichter formirt werden. Die mittlere ist schon um vil kälter / weilen nemlich die Sonnen-Strahlen von der Erden sich nicht biß dahinreflectiren können. Und in dieser werden die Regen und Schnee / Donner und Hagel gezeuget. Die unterste und dem Erdboden nächste / ist uns sattsam bekannt / als in welcher Thier und Menschen sich befinden.
Auch in unserem Micro-Cosmo oder menschlichen Cörper gibt es etwas / so diesem Element / dem Lufft nemlichen gleichet / das Athmen oder Schnauffen beförderet / und durch seine Bewegung die Hitz des Hertzens abkühlet: und dieses ist ein leichtes / dünnes und lüfftiges Weesen in dem Menschen / ohne welches er nicht lang leben kunte / sondern nothwendig ersticken müßte / wie mit mehrerem die Herren Medici beweisen.
Ferners / gleichwie von den aufsteigenden Dämpffen der Himmel verfinsteret oder überzogen wird /Wind und Donner-Wetter entstehen / und unterschiedliche seltzame Aspect und Meteora oder Lufft-Gesichter sich præsentiren / also pflegt es auch bey dem Menschen herzugehen / daß / wann schädliche Dämpff in den Kopff aufsteigen / die den Verstand verduncklen / oder das Hirn verwirren / da giebt es wunderseltzame Einbildungen und Irrwohn ab / wie es bey Aberwitzigen / Wohnsichtigen / Schwermüthigen / auch Räuschigen / und denen / die sich hintersinnen / offt klärlich erscheinet. 67 Also ist es jenem ergangen / der ihm kräfftig einbildete / er habe gantz gläserne Füß / dessentwegen er auch schier nur immer sitzen oder ligen wolte / gar ungern stunde / und sorgsam daher gienge / damit er nemlich seine gläserne Füß nicht anstosse und verbreche.
Ein anderer glaubte kräfftiglich / er habe ein so wunder-lange Nasen / die sich gantze Ellen weit / als wie ein Elephanten-Schnirgel hinauß strecke: er wolte ihm auch diese Meinung nicht nemmen lassen / biß daß ein kluger Artzt geschicklich und behänd ein lange Bratwurst an seine Nasen angezetlet oder angehenckt hat / selbe Wurst alsdann abgeschnitten / ihme / als wäre es ein Stück von seiner langen Nasen / vorgewiesen hat / und ihm also die närrische Einbildung benommen.
Wiederum ein anderer / ein reich- und adelicher Jüngling kehrete auf seiner Reiß in einem Wirthshauß ein / er wurde von dem Wirth wohl tractirt und gehalten: als er aber zur nächtlichen Ruhe sich begeben /und eingeschlaffen hatte / da käme den Haußwirth ein grosser Lust an / die guldene Ketten / so der Jüngling bey Tag am Halß zu tragen / und zu Nacht abzulegen pflegte / zu abbreviren / und einen Extract darvon für sich zu behalten. Er hat auch den Lust gebüßt / und die Anfechtung in so weit überwunden / daß er zimmlich vil Gelaich oder guldene Ringlein von der Kette hat abgelößt und eingeschoben / die übrige aber fein ordentlich wiederum zusammen gemacht und hingelegt. Als nun am Morgen der Gast aufgestanden / sich angekleidet hatte / und nach seiner Gewohnheit die guldene Kette wiederum an den Halß legen wolte / da kunte er sie nicht mehr über den Kopff streiffen / sie war ihm vil zu eng. Er verwunderte sich darüber / und ruffte den Haußwirth herbey: diser / so bald er ankommen / schrye überlaut auf: O wie ist dem Herrn heute Nacht der Kopff so greulich aufgeschwollen / es ist kein Wunder / daß er die Kette nicht mehr an den Halß bringen kan: und in dieser Meinung ihne zu steiffen / bringt er eilends einen falschen Spiegel / der ein Ding vil grösser vorstellte / als es an ihm selbsten[284] ware / herbey / in welchem / als sich der frembde Jüngling besichtiget / ist er gewaltig erschrocken / eilends wiederum zuruck nacher Hauß gereißt / und den Seinigen wehemüthig geklagt / wie ihm der Kopff so groß worden / und greulich aufgeschwollen seye: welche Einbildung er ihme auch lange Zeit durchaus nicht hat wollen nemmen lassen. Ein anderer hingegen wolte hartnäckig behaupten / er habe gar keinen Kopff mehr: und dieses so lang / biß daß man ihme einen schweren bleyenen Hut hat aufgesetzt / der ihn gewaltig gedruckt / und gezwungen hat zu bekennen /der Kopff thue ihm weh. Ja es ist auch vor nicht vil Jahren in Brabant einer gefunden worden / der ihm eingebildet hat / er seye GOtt der Sohn / und wolte es ihm nicht nemmen lassen / es kunte mit ihm niemand was richten / biß endlich der Medicus sich für GOtt den Vatter ausgegeben hat / diesem hat er gleichwohl geglaubt und gefolget.
Hefftig und verwunderlich ist gewesen die Einbildung des jenigen / von welchem Horatius schreibet:
Qui se credebat miros audire tragœdos,
In vacuo lætus sessor, plausórque theatro.
Daß er schöne Schauspihl sehe /
Bild'te er ihm kräfftig ein /
Und hat glaubt / daß all's hergehe
(Auf lärem Schauplatz) gar fein.
Er hat ihm vestiglich emgebildet / er wohne würcklich einer gantzen Comödi bey / er sehe und höre unterschiedliche Aufzüg und Vorstellungen / Musicanten und Actores, Singen und Sprechen / da er doch gantz alleinig in seinem Zimmer sasse. O wohl hefftig- und närrische Einbildungen!
Aber wolte GOTT! daß es nicht auch in sittlichem Verstand unzahlbar vil solche einbilderische / wohnsichtige / aberwitzige Menschen gäbe / deren einige ihnen einbilden / sie haben gläserne / das ist / gar schwach- und zerbrechliche Händ und Füß / deßwegen sie nichts recht angreiffen / sich zu keiner Mühe und Arbeit schicken wollen / gleich beförchtend / es thüe ihnen an dem Leben oder Gesundheit Schaden etc. 68
Andere haben eine so langmächtige Nasen / und seynd so nasenwitzig / daß sie die Nasen in alles stecken / das ist / sich um alles annemmen / alles wissen und verstehen wollen.
Wiederum andere haben einen so groß-geschwollenen / das ist / von Hoch- und Ubermuth aufgeblasenen Kopff / als wann alle Witz und Künsten darinnen stecketen / da er doch nur mit Stroh ausgefüllet ist. Hingegen wollen etliche gar kein Haupt / das ist /kein Oberhaupt haben und erkennen / sondern gantz frey und independent leben. Sie wollen mit dem David nicht sagen und bekennen: Inmposuisti homines supra capita nostra: 69 Du hast Menschen gesetzt über unsere Häupter.
Noch andere spihlen in ihrem eitlen Hirn und Einbildungen weiß nicht was für seltzame Comödien: es traumet ihnen mit offnen Augen / bald als sie großmächtige gebietende Herren wären / schon würcklich Befehl ertheilten und Gesetz gäben / oder in dem Feld grosse Helden-Thaten verrichten / oder wegen grosser Tugend und Vollkommenheit würcklich einen Schein um den Kopff häten / da sie doch an Tugend / Verdienst und Wissenschafft gantz lär / arm und elend seynd.
Noch mehr gibt es / die mit den sittlichen Augen ihres verkehrten Verstands alles hinterfür / und gantz anderst / als es an ihm selber ist / ansehen und urthei len: die eitle und zergängliche Wollüsten / Reichthum und Ehren schätzen sie hoch / hingegen die ewige /himmlische Freuden und Güter verachten sie: das Laster sehen sie für schön / und die Tugend für häßlich an etc. Mit einem Wort: sie heissen das Böse gut /und das Gute böß. 70 Aber gleichwie ein verständiger Mann wohl weiß / daß die Meteora oder Lufft-Gesichter ein läres eitles Weesen seynd / das keinen Bestand hat / sic scit Deus cogitationes hominum, quoniam vanæ sunt, 71 also weiß GOTT [285] die Gedancken und Anschläg der Menschen / der Menschen /daß sie eitel seynd etc.
Von dem Element des Luffts und denen Meteoren oder Lufft-Gesichteren auf die Wind zu kommen / so ist bekannt / wie starck und hefftig dieselbe seyen /und wie grosse Unruhe und Ungelegenheit sie offt in der Welt zu Wasser und zu Land verursachen. 72 Auch in dem Micro-Cosmo oder kleinen Welt / nemlich dem menschlichen Leib machen die Wind vil Ungelegenheit / sie verursachen unterschiedliche Zuständ / Kranckheiten und Schmertzen: aber noch mehr Unruhe machen die sittliche Wind in dem Gemüth des Menschen.
Von Plinio werden zwölfferley Gattungen der Winden gezehlt: nemlichen der Subsolanus, Vulturanus, Euronotus, Auster, Libanotus, Africus, Favonius, Eurus, Trasceus, Septentrionalis, Æquilonaris, Celius. Eben so vil hefftige Anmuthungen oder Gemüths-Regungen gibt es in dem Gemüth des Menschen / die das Schifflein der menschlichen Seel auf dem ungestümmen Meer des zeitlichen Lebens hefftig und unaufhörlich herum treiben. Es ist die Liebe / die Begierd / der Haß / der Greuel oder das Abscheuen /die Freud oder die Belustigung / die Traurigkeit / die Hoffnung / die Verzweifflung / die Frechheit / die Forcht / der Zorn / und die Trägheit. Die Liebe reitzet den Menschen an / der Haß hingegen macht ihn abwendig / die Begierd suspendirt / macht Warthen /das Grausen verabscheuet / der Wollust erweichet /die Traurigkeit betrübt und schmertzet / die Hoffnung tröstet und animirt / die Verzweifflung macht rasend und verwirrt / die Frechheit macht gäh und verwegen /die Forcht macht verzagt und entkräfftet / der Zorn entzündet / die Trägheit verweilet und verabsaumet. O wohl hefftig- und gefährliche Wind! bey welchen das Schifflein der menschlichen Seel nothwendig müßte zu Grund gehen / wann nicht die Göttliche Gnad in den Segel blasete / und die gesunde Vernunfft und Wachtsamkeit des Menschen das Steuer-Ruder führete.
Nichts destoweniger / gleichwie die hefftige Wind den Schiffenden zu Nutz und Gutem kommen / und selbe an das erwünschte Gestatt schleunig forttreiben / wann sie sich derselben recht zu bedienen wissen /also auch die starcke Passiones oder Anmuthungen dienen dem Menschen zu seinem rechten Zihl und End / wann er selbige zu moderiren weiß.
Auch die Gerechte / sagt der Heil. Augustinus, zörnen / aber ohne Bitterkeit / sie lieben / aber ohne Unlauterkeit / sie hoffen und trauen / aber ohne Vermessenheit etc.
Ferners von den übrigen zwey Elementen / nemlich dem Wasser und der Erden zu melden / weche zusammen den Globum terr-aqueum ausmachen / so ist von selbsten klar / wie sich diese wahrhafftig in unseremMicro-Cosmo oder menschlichen Leib befinden / inmassen ja GOTT selber bald nach Erschaffung des Menschens gesprochen hat: Du bist von der Erden genommen worden / und wirst wiederum darein verkehrt werden. 73 Das Wasser begunte sich auch gleich zu zeigen / indem die kleine Kinder bald nach ihrer Geburt / und forthin zum öffteren das Elend dieses zeitlichen Lebens / mit Vergiessung häuffiger Zäher beweinen.
Neben dem / daß auch von den Herren Medicis die flüßige Humores in dem menschlichen Leib mit den Wässeren / die den Erdboden durchschneiden / verglichen werden. Die Gebein aber seynd gleichsam die Stein und Felsen / die Aderen die Bäch und Flüß / die Nerven seynd die Wurtzlen / das Haar aber das Gras etc.
Auch die 4. Jahrs-Zeiten / so in der grossen Welt miteinander wechslen / werden auch in der kleinen Welt durch die 4. Alter des menschlichen Lebens füglich vorgestellt: der blühende Frühling zwar durch die Kindheit / der hitzige Sommer durch die Jugend / der fruchtbare Herbst durch das mannliche Alter / und der [286] kalte Winter durch das hohe Alter. 74 Eben dieses kan auch von denen 4. Tags-Zeiten gesagt werden / nemlich von dem Morgen / dem Mittag / dem Abend / und der Nacht. Am allermeisten aber gleichet die Veränderlichkeit der Zeiten und des Wetters in der Welt der grossen Unbeständigkeit in dem Menschen / als welcher nie lang in einem Stand / oder einerley Beschaffenheit verbleibet. 75
Was aber die unvernünfftige Thier / so in der grossen Welt herum lauffen / anbelangt / so thut auch diese der Mensch / als eine kleine Welt / offtermahl in seinen Sitten und Gebärden nur gar zu lebhafft vorstellen. 76 Bald zeigt er sich als wie ein grimmiger Löw und zorniger Beer / bald wie ein reisender und gefräßiger Wolff / bald wie ein falscher Fuchs / ein forchtsamer Haas / ein neidiger Hund / bald wie ein hoffärtiges Pferdt / ein fauler Esel / ein geiler Bock /ein unflätiges Schwein / ein gifftig- und bißige Schlang / bald schwingt er sich durch Ubermuth in die Höhe als wie ein Vogel / bald versenckt er sich durch den Wollust in die Tieffe als wie ein Fisch etc.
Diodorus Siculus narrat. l. 3. erzehlet / daß in einer gewissen Insul / gegen Aufgang gelegen / ein Volck sich befinde / welches von Natur ein Zungen habe / die von der Wurtzel aus zertheilt oder gespalten ist / und also geschliffen / daß sie allerley Vogel-Gesang und Geschrey gantz natürlich nachmachen können. Ich lise auch von einem / der zu Antwerpen solle gewesen seyn / und mit seinem Mund aller Thieren Stimm habe imitiren oder nachmachen können /also daß er weder zum Jagen einen Hund / noch zum Vögel-fangen einen Lock-Vogel brauchte / sondern selbst singen / pfeiffen und bellen kunte.
Von den oben gemeldten viehischen Sitten ist der Spruch des Psalmisten zu verstehen / als er gesagt hat: Homo, cùm in honore esset, non intellexit, sed comparatus est jumentis insipientibus, & similis factus est illis: 77 Der Mensch / da er in Ehren war /hat er es nicht verstanden: er hat sich gehalten wie die unvernünfftige Thier / und ist ihnen gleich worden. Dieses ist dem Buchstaben nach erfüllt worden an dem hochmüthigen König Nabuchodonosor /welchen GOTT wegen seiner Hoffart gestraffet / und in einen Ochsen (verstehe der äusserlichen Gestalt nach) verwandlet hat / also / daß er 7. Jahr lang von der menschlichen Beywohnung ausgeschlossen / unter den unvernünfftigen Thieren umgangen ist / und Gras gefressen hat als wie ein Ochs. 78 Sein Leib war vom Thau des Himmels benetzt / und das Haar wuchse ihm endlich wie Adlers-Federen / und seine Nägel wurden gleich den Klauen der Vöglen / sagt der heilige Text / biß daß er sich vor GOtt gedemüthiget / und ihm die Ehr gegeben hat. 79
Auch zur Zeit des H. Patricii hat sich dergleichen was begeben. 80 Der H. Patricius hat einstens aus heiligem Eyfer GOTT gebetten / daß er einen gottlosen und lästerlichen König / Veretius mit Namen /einen falschen und grausamen Christen-Feind / anderen zur Warnung sichtbarlich straffen / und von der Welt vertilgen wolle. Es ist geschehen / GOTT hat seine Bitt erhöret / und einstens diesen gottlosen Tyrannen / als er auf offnem Platz mit vilem Volck umgeben stunde / gähling in einen Fuchsen verwandlet /und in dieser Gestalt also bald die Flucht zu nemmen gezwungen / wie er dann auch von Stund an nirgends mehr unter denen Menschen ist gesehen worden. 81 O wann jetziger Zeit alle falsche und gottlose Betrüger auf solche Weiß solten von GOTT gestraffet werden /so wurde es gewiß mehr Fuchsbälg als Schaaf-Beltz abgeben.
Aber noch verwunderlicher ist / was ermeldter Author loc. cit. auch der Erudite P. Stengelius de Divinis Judiciis schreibet. 82 In Irrland hat es sich zugetragen / daß ein Priester aus der Landschafft Ultonia oder Ulster / von einem Knaben begleitet in einem Wald übernachten mußte / da hat er unter einem Baum sich nidergelassen / [287] und ein Feurlein aufgemacht: es kame aber bald ein Wolff zu ihnen / der so gleich mit menschlicher Stimm deutlich zu reden anfieng / und sagte: seyd unerschrocken / und förchtet euch nicht / wo nichts zu förchten ist. Der Priester gleichwohl vor Verwunderung erstaunend und ertatteret / beschwure den redenden Wolff bey dem lebendigen GOtt / er solle ihm in Wahrheit sagen / wer er seye / und was es bedeute. Dieser erzehlte ihm klar und gründlich / er seye aus einem Geschlecht der Menschen / der Ossyrienser / aus welchen (wegen eines von dem Abbt Satalis über sie ergangnen Fluch) alle 7. Jahr ihrer zwey / nemlich ein Manns- und eine Weibs-Persohn der menschlichen Gestalt und Beywohnung beraubt werden / und wie die Wölff herum lauffen müssen / biß daß sie nach verfloßnen 7. Jahren / wann sie noch bey Leben / von anderen zweyen in diesem elenden Stand abgelöset werden / und wiederum die vorige menschliche Gestalt und Lebens-Art an sich nemmen. Es seye aber / sagte er weiters / nicht weit von da seine Mit-Consortin / und lige tödtlich kranck / es soll ihme doch der Priester belieben lassen zu ihr zu kommen / und um GOttes willen den letzten geistlichen Trost ertheilen. Der Priester folget dem Wolff als Weegweiser mit Forcht und Schröcken nach biß zu einem hohlen Baum / in welchem er das Weib / gleichfalls in Gestalt einer Wölffin / welche aber ein menschliche Stimm und Seuffzen von sich gegeben /angetroffen hat. Diese / so bald sie den Priester ersehen / grüssete ihn ehrenbietig / und sagte GOTT Danck / daß sie in solchem Stand und äusseristen Noth die Gnad und Gelegenheit habe / mit einem Priester ihrer Seelen Heyl halber abzuhandlen / welches auch alles recht und wohl geschehen ist. Endlich begehrte sie auch die Heil. Communion und letzte Weegzehrung von ihme: als aber der Priester sagte /es könne da nicht seyn / hat ihm der Wolff / der Mann auf ein Hand-Büchlein geditten / in welchem etlichconsecrirte Particul oder heilige Hostien enthalten waren / welche der Priester auf der Reiß nach damahligem Gebrauch an dem Halß hangend / und unter dem Kleid verborgen truge / mit inständiger Bitt / er solle diese letzte Gnad seinem Weib nicht versagen: Und allen Zweiffel ihm zu benemmen / daß sie wahrhaffte Menschen seyen / hat er mit dem Fuß an statt der Hand ihr die Wolffs-Hut über den Kopff biß auf den mittleren Leib abgestreiffet / da es sich dann gezeiget hat / daß es wahrhafftig eine Weibs-Persohn seye; worauf dann der Priester ihr auch die Heil. Communion (die sie gantz andächtig empfangen) ertheilt hat / der Mann aber in seiner Wolffs-Gestalt ihne mit gröster Danckbarkeit wiederum auf den rechten Weeg zuruck begleitet hat. Aus welcher seltzamen Begebenheit die wunderbarliche Urtheil GOttes / die mit strenger Gerechtigkeit / und mildreicher Barmhertzigkeit zugleich vermischet seyn / klärlich erscheinen.
Aber auch der böse Feind will es einiger massen GOtt nachthun / und zu Zeiten / vermög der Zauberey / die Menschen in Thier verwandlen. 83 In dem letzt-verwichenen Sæculo hat sich unter den rebellischen Bauren / in dem Land ob der Ens in Oesterreich / ein beschreyter Zauberer oder Schwartzkünstler befunden / welcher unter vil anderen Betrüg und Possen auch den folgenden gespihlt hat. Er sahe auf freyem Feld einen Glastrager mit seiner Krätzen schwer beladen /und gantz ermüdet daher gehen: er stellte sich also an den Weeg / und verwandlete sich selber durch zauberische Verblendung in einen Stock / auf welchem ein Mensch füglich nidersitzen kunte / als wäre selbiger von einem abgehauenen Baum stehen blieben. Dem guten Glastrager / weilen er gantz müd / ware dieses eben recht / er bediente sich dieser guten Gelegenheit / und setzte sich auf den vermeinten Stock / ein wenig auszurasten / samt der Krätzen nieder. Aber gar bald wurde ihm diese Ruhe verstöhrt / der Stock entwiche ihm unter [288] dem Leib / ja verschwande gantz und gar /er aber fiele samt der Krätzen zu Boden / und die mehristen Gläser zertrümmerten in 1000. Stuck. Da fienge der Glastrager an gewaltig zu lamentiren / und im Kopff zu kratzen / daß nunmehr all sein verhoffter Gewinn auf einmahl hin seye / ja daß er einen solchen Schaden leide / den er nicht mehr einzubringen wisse etc. Der Zauberer stunde schon wiederum in seiner menschlichen Gestalt vor ihm / und Anfangs lachte er ihn aus / hernach aber tröstete er ihn / und sagte: er solle nur ihm folgen / er wolle ihm einen guten Rath geben / wie er den Schaden wieder einbringen / ja noch einen guten Gewinn darzu machen möge: er wolle sich jetzund selbst zu einem Ochsen machen /als wie zuvor zum Stock / er aber soll ihn an einem Strick in das nächstgelegene Städlein führen / und auf dem Marckt denen Metzgeren feil bieten / so bald er ihn aber verkaufft und die Bezahlung empfangen habe / solle er sich alsobald mit dem Geld auf und darvon machen. Kaum hat er dieses ausgeredt / sihe! da stunde schon ein schöner grosser Ochs da / mit einem Strick um die Horn gewicklet. Der Glastrager voller Freuden führt den Ochsen in die Stadt / auf den Marckt / und bietet ihn feil: die Metzger seynd alsobald herbey geloffen / und haben einen Lust gezeigt /den schönen fetten Ochsen einzuhandlen / der meistbietende aber hat ihn erhalten / und mit Freuden heimgeführt / vermeinend / er habe einen gar guten Kauff gethan. Als er aber den Ochsen hat eingestellt / und seinem Jungen befohlen / er solle ihm ein Büschel Heu geben / da hat der neuerkauffte Ochs den Metz ger-Jung mit weit aufgesperrten Augen starr angeschaut / und als wie des Balaams Esel zu reden angefangen / und gesagt: Narr O! was gibst du mir lang Heu / ich friß kein Heu. Der Jung gantz ertattert fragt mit Schröcken: was frist du dann? / Muß / Muß röhret der Ochs / will ich haben. Der Jung voller Verwunderung laufft zu dem Meister / und sagt / was er doch für einen seltzamen Ochsen gekaufft habe / er rede als wie ein Mensch / und wolle kein Heu fressen / sondern Muß haben. Was? sagt der Metzger / wart ich will ihm das Muß einstreichen / nimmt darauf seinen Schlag-Beuel / laufft darmit dem Stall zu / willens dem Ochsen eine Visite zu geben / er findet aber keinen Ochsen mehr / er ware schon verschwunden. Der Verkäuffer ware fort / und der Zauberer lachte ihm die Haut voll / dem guten Metzger aber blieb nichts übrig als der Strick / an welchen der Ochs gebunden war /und an welchen er gleichwohl / wann es ihm beliebte /wegen des erlittenen Schaden und Betrugs sich selber hencken möchte.
Auch der Heil. Augustinus erzehlt / daß er habe von einer Landschafft gehört / in welcher die Vieh-Mägd / so der Zauberey ergeben / denen Vorbeyreisenden einen Käß zu geben pflegen / und wann sie von selbem essen / werden sie der äusserlichen Gestalt nach eine Zeit lang in Lastthier / die Saum und Päck zu tragen / verwandlet.
Olaus aber Archiep. Uspalensis schreibet / daß in Preußen / Liffland und Lithauen in der heiligen Weynacht zu Nachts böse Menschen / die ärger seynd als wilde Thier / sich selbst in Wölff verwandlen / und die Leuth grimmig anfallen / beissen und reissen ärger als die rechte natürliche Wölff / die Häuser angreiffen / in die Keller einbrechen / Wein und Bier aussauffen / und andere Gewaltthätigkeiten verüben etc. Also wahr ist es / was die heilige Vätter sagen: Peccatum mutat hominem in bestiam: Die Sünd verwandlet die Menschen in wilde Thier.
Os homini sublime dedit, cœlúmque tueri
Jussit, & erectos ad sidera tollere vultus. 84 Aufrechten Leib und Angesicht /
GOtt dir O Mensch hat geben /
Damit erkennest deine Pflicht /
Das Gmüth zu GOtt z'erheben.
[289] Aber / o curvæ in terras animæ, & cœlestium inanes! es ist denen Boßhafften nicht genug / daß sie sich mit dem Gemüth in das Irrdische vertieffen / und viehische Sitten an sich haben / sondern auch so gar die Gestalt der unvernünfftigen Thieren (gleichsam als wären sie des Ebenbilds GOttes überdrüßig) nemmen sie offt selbsten freywillig an sich.
Wann aber jemand fürwitzig fragen solte / warum der menschliche Leib unter so vil anderen Gleichheiten nicht auch nach Art der Welt-Kugel rund gestaltet seye / und ihr in diesem / als wie in vielem anderen gleiche? So gibe ich zur Antwort / weilen die runde Cörper oder Kuglen für sich selbsten keinen anderen natürlichen als circularischen Motum oder Bewegnuß haben / und in einem Circul sich herum drehen: Ein so edles Geschöpff aber / wie der Mensch ist / hat zu seinen Verrichtungen vil unterschiedliche Bewegnussen vonnöthen / anderst müssen sich bewegen die Händ und Aerm zum Arbeiten / anderst die Füß zum Gehen / anderst der Leib zu ligen / anderst zum Sitzen oder Stehen etc. bald über sich / bald unter sich / bald für sich / bald hinter sich / jetzt rechts / jetzt lincks etc.
Nichts destoweniger / wann der Mensch die Händ und Füß ausstrecket / und mit einer Linie umzogen wird / da wird es auch ein runde Figur abgeben / und abermahl an der Gleichheit zwischen dem Macro-Cosmo und Micro-Cosmo nicht ermanglen / wie Vitruvius l. 3. c. 1. sagt. Ja wie Vitruvius von der Architectur oder Bau-Kunst und fürnehmen Mathematic anmercket / so kan kein recht schönes und künstliches Hauß / Pallast oder anderes Gebäu aufgeführt werden / welches nicht eine ebenmäßige Gleichheit und Proportion mit dem Leib des Menschens habe. Die Maaß aber eines recht proportionirten und wohl gewachsenen Menschen zeiget / daß sein Angesicht sibenmahl gemessen / die Länge des gantzen Leibs seye. Deßgleichen erreichen die ausgespannte Aerm die Länge des Menschen / das Angesicht aber zweymahl gemessen / macht die Breite der Brust von einer Achsel zu der anderen etc. Mit einem Wort / die Proportion des menschlichen Leibs und der Gliederen ist verwunderlich schön und genau (zu wünschen wäre es / daß auch die innerliche Gemüths-Regungen also unter sich proportionirt wären / und übereinsstimmeten)Tympius aber in seiner Alcedonia c. 23. zehlt und unterscheidet eben so vil Glieder in dem Leib des Menschen / als Täg im Jahr / deren ein jedes vil unterschiedliche Dienst und Verrichtungen hat / die ihm von GOtt und der Natur seynd zugeeignet.
Ein andere sonderheitliche Vergleichung des menschlichen Leibs mit dem grossen Welt-Gebäu macht ein gelehrte Feder kürtzlich auf folgende Weiß: Erstlich / gleichwie in der grossen Welt der Primus Motor, und Rector universi, der oberste Regent GOtt selbsten ist / als ein Urheber der Natur / also ist in dem Menschen / als der kleinen Welt / der Regent und das Oberhaupt die vernünfftige Seel. 85 Die wachsende Krafft aber ist in dem Lebens-Geist / und die sinnliche oder empfindliche in dem Leib selbsten / die verständige aber in der Seel.
Ferners / das Haupt des Menschen ist einiger massen gestaltet als wie der Himmel / dessen 7. Planeten uns vorgestellet werden durch die 7. Vertieffungen oder Oeffnungen / die sich in dem Haupt befinden: nemlich 2. der Augen / 2. der Ohren / und 2. der Nasen / und eine des Munds. Der Magen / so die Speiß verkochet / bedeutet die Erden / und die Lungel / so die Respiration oder das Schnauffen beförderet /den Lufft / und die Hitz des Hertzens das Feur. AuchHumor bilosus, die Bilosische Feuchtigkeit gleichet dem Feur / die Phlegmatische dem Wasser / die blutreiche dem Lufft / und die Melancholische der Erden.
[290] Wiederum die Blut-Aderen seynd gleichsam die Flüß und Wasserströhm in dieser kleinen Welt / die Blasen der Oceanus oder das Meer / das Fleisch aber ist die Erden: die Gebein seynd die Berg und Felsen /das Marck in denen Beinen die Mineralia und Metallen / und das Haar ist das Gras / die Kranckheiten seynd die Meteora und Impressionès, als Regen /Hagel / Schnee etc. die schnelle Gedancken seynd die Wind / und die hefftige Passiones oder Gemüths-Regungen seynd das Ungewitter und Erdbedem.
Weiters / die 7. Irr-Stern oder Planeten können also eingetheilt werden / daß durch das Hertz die Sonn verstanden wird / durch das Hirn der Mond / und durch die Leber der Jupiter, durch das Miltz der Saturnus, durch die Gall der Mars, durch den Nieren die Venus, und durch die Lungel der Mercurius.
Gleichwie auch in der grossen Welt die Dünst und feuchte Dämpff aus der Erden und von dem Meer über sich steigen / sich in Gewölck zusammen ziehen / und dann wiederum in einen Regen solviren / und Tropffen-weiß herab fallen / also steigen die Dämpff aus dem Magen des Menschen über sich in das Haupt / da werden Haupt-Flüß und Catharren darauß / die endlich wiederum abwärts sincken.
Das Hirn des Menschens hat eine Correspondenz und Gleichheit mit dem Mond / weil es gleich demselben zu- und abnimmt: das Wachen bey einem gesunden Menschen ist gleichsam der Tag / das Schlaffen aber die Nacht / das Vergnügen aber und die Zufriedenheit ist das schöne heitere Wetter / und die Traurigkeit ist die gewölckige finstere Zeit. Endlichen /gleichwie die Sonn die gantze grosse Welt erleuchtet und überschauet / also erleuchtet und beschauet das menschliche Aug die kleine Welt / das ist / den Leib des Menschen.
Aber wann es deme also / daß ein jeglicher Mensch ein gantze kleine Welt ist / und einiger massen alles /was in der grossen Welt anzutreffen ist / in sich schliesset / so ist es ja höchstens zu bewunderen und zu bedauren / daß offt ein kleines Plätzlein der grossen Welt / ich will sagen eine Landschafft / Stadt oder Vestung zu eroberen oder zu behaupten vil 1000. Menschen ihr Leben müssen lassen und einbüssen / da doch ein jeder Mensch vil würdiger und höher zu schätzen ist / als alle Reich der Erden. 86 Sed non omnes capiunt verbum istud: das will vilen nicht eingehen.
Ubrigens ist zwar der Mensch edel und hochschätzbar wegen der bißhero erwiesenen Gleichheit und Ubereinsstimmung / die er als ein Micro-Cosmus hat mit der gantzen grossen Welt / aber noch vil edler und fürtrefflicher ist er wegen der Gleichheit / die er mit GOtt / dem Erschaffer der Welt selbsten / als dessen Ebenbild / hat: und ist nur zu bedauren / daß er diese Gleichheit / und dieses kostbare Ebenbild wohl manchesmahl durch schwere Sünden so boßhafft als unverschamt verstöhret und entunehret. Zu bedauren und zu bewunderen ist / daß / indem alle andere Geschöpff der grossen Welt / ihrem Erschaffer gehorsamen / und ihne nach ihrer Möglichkeit ehren / daß /sage ich / in der kleinen Welt von dem Menschen alleinig so vil Ungehorsam / Widerspennigkeit und Unehr ihm erwiesen wird.
Nun haben wir bißhero gesehen / daß die meiste und fürnehmste Theil des Macro-Cosmi oder der grossen Welt auch in dem Micro-Cosmo oder Menschen anzutreffen seyen. Wann wir aber die Sach noch ferners untersuchen / so werden wir sehen / daß auch die meiste und fürnehmste Ständ und Aemter der grossen Welt / samt ihren Geschäfft und Verrichtungen in einem jeden sonderheitlichen Menschen zu finden seyn.
Dann erstlich / was ein Regent / König oder Fürst in seinem Land und Reich / welches er mit Vollmacht beherrschet [291] / ist / eben das ist die menschliche Seel in dem Leib / den sie als eine suffraine Königin oder Monarchin regiert / auch allen Sinn und Kräfften ihreFunctiones oder Verrichtungen vorschreibt. 87 Der Verstand / die Gedächtnuß und Willen aber seynd die fürnehmste Ministri, geheime Räth und Coadjutores dieser Königin / verstehe der menschlichen Seel /ohne welche sie nichts thun oder disponiren solle. Die äusserliche 5. Sinn hingegen seynd ihre Referendarii, welche ihr alle vorkommende Objecta insinuiren /und von allen Dingen getreuen Bericht erstatten sollen / auf daß sie alsdann wohl und recht von der Beschaffenheit der Sachen urtheilen möge: weilen / wie diePhilosophi anmercken: Nihil est in intellectu, quod non prius fuit in aliquo sensu: Zu dem Verstand gehet nichts ein anderst als durch die Porten der Sinn: deßwegen / wann diese Referendarii, die 5. Sinn /dem Verstand die Sachen nicht wohl vorstellen /wann man übel sihet oder höret etc. da thut man auch übel urtheilen: gleichwie es in einer politischen Regierung hergehet / wann der Principal oder regierende Herr von seinen Beamten nicht wahrhafft und getreulich berichtet wird / kan er auch nicht wohl und recht urtheilen.
Ferners und insonderheit thun die Augen in dem menschlichen Leib das jenige præstiren / was die vorgesetzte Richter / Vögt und Pfleger in dem politischen Leib eines Reichs oder Landschafft. Sie müssen in die Nähe und Weite aussehen / wohin zu gehen / und wie die bevorstehende Hindernuß- und Gefahren / so dem Leib oder Mitgliederen schaden möchten / zu decliniren oder abzuwenden seyen etc. Die Ohren aber des Menschen bedeuten die jenige / welche in einem Reich oder Land verordnet seynd / die Angelegenheiten / die billiche Klagen und Beschwerden der Unterthanen anzuhören / und ihrem Principal zu hinterbringen. Die Zung des Menschen vertritt die Stell eines Redners / Procuratoris oder Advocaten / der das Wort führen / die Angelegenheiten vortragen / die Wahrheit und gerechte Sachen verfechten muß. Das Hertz zeiget an die Königliche oder Fürstliche Räth /welche von den Römeren Senatores seynd genennet worden / und alte wohlerfahrne Männer seyn müßten /die mit ihrem klugen Rath und Vorschlägen den Nutzen und das Beste des gemeinen Weesens zu beförderen wußten. Der Magen aber in dem menschlichen Leib repræsentirt den Schatz- oder Rentmeister / und die Kammer-Räth; weilen der Magen zwar die Speisen alle einnimmt / so die andere Glieder verschaffen müssen / aber selbe nicht für sich selbst alleinig behaltet / sondern selbe verkochet / und alsdann allen Gliederen des Leibs nach Proportion getreulich wiederum mittheilet: gleichwie ein Schatz- und Zahlmeister die billich-mäßige Contributiones und Anlagen von den Unterthanen zwar einsammlen kan / aber sich nicht darmit unbillich bereichen / oder eigennützig hinterschlagen / sonder nach Proportion zu dem gemeinen Besten / und zur Nothdurfft des Lands oder Reichs ausspendiren und anwenden solle. Das Miltz des Menschen hat der Kayser Trajanus nicht ungerühmt mit einem Königlichen Fiscal verglichen; dann / sagte er / gleichwie / wann das Miltz zu groß und aufgeschwollen ist / die Glieder darbey leiden /schwach und matt werden / also / wann die jenige /welche die Einkünfften zu verwalten haben / groß aufgeschwellen / das ist / zu reich werden / da seynd gemeiniglich die andere Mitglieder des politischen Leibs mager und arm.
Durch die Leber aber kan die Geistlichkeit verstanden werden: dann die Leber ligt auf der rechten Seiten in dem menschlichen Leib / sie kochet das Blut aus /und ist gleichsam die Brunnquell desselben / und gedeyet vil zur Gesundheit des gantzen Leibs. Also auch die Geistlichkeit in dem sittlichen Leib der Catholischen Kirchen [292] soll sich allzeit auf der rechten Seiten halten / das ist / die Gerechtigkeit üben / das Blut der Andacht und des guten Exempels auskochen / selbes der gantzen Gemeind mittheilen / und also derselben geistlichen Wohlstand beförderen.
Die Händ und Füß endlichen / weilen sie theils den Leib des Menschen beschützen / und ihm alle Nothdurfft verschaffen / theils aber unterstützen und herum tragen / bedeuten die Soldaten / Handwercksleuth und Bauren-Stand: weilen jene durch die Waffen das Land beschützen / diese aber theils durch ihre Hand-Arbeit / theils durch ihre Mittel dem politischen Leib des gemeinen Weesens alle Nothwendigkeit verschaffen /denselben unterstützen und aufrecht erhalten.
Mithin ist nun sattsam erwiesen / daß nicht nur die meiste und fürnehmste Theil des Macro-Cosmi, oder der grossen Welt / sondern auch die meiste und fürnehmste Ständ / Aempter und Verrichtungen / die in der grossen Welt üblich seynd / in einem jeden Menschen / als in einem Micro-Cosmo oder kleinen Welt zu finden seyen.
Wellen nun die Regiersucht dem Menschen (absonderlich die eines adelichen Geblüts und Herkommens seynd) gleichsam angebohren ist / und ein jeder gern etwas zu regieren hätte / so nimme wahr / geneigter Leser / wie du so leicht mit Göttlichem Beystand ein vollmächtiger Regent und Herrscher über ein gantze kleine Welt seyn könnest und sollest: wann du nemlich über dich selber herrschafftest / deiner selbsten Herr und Meister bist / welches dir gewißlich mehr Nutzen / und eine grössere Ehr seyn wird / als wann du über vil Land und Leuth gesetzt wärest / oder vil Schlösser und Vestungen mit dem Gewalt der Waffen einnehmest. 88 Dann: fortior est, qui se, quàm qui fortissima vincit mœnia: Vil stärcker ist der selbsten sich / als veste Städt bezwinget.
Ja zu einem solchen Herrscher und Regenten hat dich GOTT selber gesetzt / indem er gesprochen: Sub te erit appetitus, & tu dominaberis illius: 89 Die Begierd und Anmuthung wird unter dir seyn / und du sollest über sie herrschen / und selbige bändigen. Dann / wie auch der heydnische / aber weise Plato anmercket: Vinci à se ipso turpissimum & pessimum est: Es ist nichts schandlichers und nichts schädlichers / als von ihm selber überwunden werden.
Nachdeme Seneca viles von der Macht und Beherrschung des grossen Alexandri gesprochen hat / setzte er hinzu: O wie ein grosser Irrthum ist es bey den Menschen / indem sie ihre Beherrschung biß über das Meer auszubreiten suchen / und sich glückseelig schätzen / wann sie durch ihre Waffen vil Land und Leuth bezwingen: anbey aber nicht bedencken / daß es das herrlichiste Reich seye / wann man über sich selbsten herrschet. Du O Mensch / sagt der Heil. Basilius, bist zu dem Reich gebohren / warum begibest dich dann in ein so armseelige Dienstbarkeit deiner Begierd- und Anmuthungen? und wirst freywillig zu einem Leibeignen der Sünd und des Teufels? 90
Non sit alterius, qui suus esse potest.
Wann selbsten kanst dein eigen seyn /
Frembden Gwalt erkenne kein.
Ausgenommen den jenigen Gewalt und HErrn / zu welchem David gesprochen hat: Servus tuus sum ego: 91 Ich bin dein Knecht. Aber gibe wohl Achtung / ob du es mit Wahrheit sagen könnest / ob nicht deine gewöhnliche Sünd und Laster / deine unordentliche Begierden und Anmuthungen dich Lugen straffen / und einer Unwahrheit überzeigen? ob nicht dein Hoch- und Ubermuth entgegen schreye: meus es tu, du bist mein Knecht: ob nit dein Zornmuth und Ungedult sich widersetze / meus es, du bist [293] mein: ob dein Ehr- und Geld-Geitz etc. spreche / meus es, du bist mein eigen / du bist mir gäntzlich ergeben / ich hab dich gefangen und gefeßlet / ich kan dich nun führen und hinziehen wo ich will. O armseelige und schmähliche Dienstbarkeit! wann es dem also ist / so zerreisse alsobald die Strick und Band / wirffe von dir ab das Joch der Dienstbarkeit / und sage mit vestem Entschluß: Non serviam, ego regnabo: Ich will meinen unordentlichen Begierden und Anmuthungen nicht mehr dienen / sondern über sie herrschen / und durch die Vernunfft sie bezwingen: den Macro-Cosmum oder die grosse Welt will ich gleichwohl den Waffen der streitenden Partheyen überlassen / aber in demMicro-Cosmo der kleinen Welt meines eignen Leibsego regnabo, da will ich alleinig Herr und Meister seyn. Mit welcher Resolution ich auch diesen gegenwärtigen Discurs beschliesse.
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