A.R.P. Wilibaldi Kobolt
Die Groß- und Kleine Welt
Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt
Die Groß- und Kleine Welt,
Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß
zum Lust und Nutzen vorgestellt,
Das ist:
Der mehrist- und fürnemsten Geschöpffen natürliche
Eigenschafften, und Beschaffenheit, auf die Sitten,
Policey und Lebens-Art der Menschen
ausgedeutet.
Ein Werck, welches in 4. Theil abgetheilt ist mit mancherley curios- und nutzlichen mehrentheilsallegorischen Concepten, Moralien, Geschicht und Fabeln versehen; mithin zur Auferbauung und Ergötzlichkeit aller Gelehrt- und Ungelehrten /Geistlich- und Weltlichen Stands-Personen / auch zu sonderer Bequemlichkeit deren Prediger gewidmet /verfaßt und in Truck gegeben
von
A.R.P. Wilibaldo Kobolt
Ord. S. Bened. in dem Löbl. Reichs-Gottshauß Weingarten Profess.
Cum Licentia Superiorum.




Widmung

Dem

Hochwürdigen des Heil. Röm. Reichs

Prælaten und Herrn

HERRN

ALPHONSO

Abbten des Hochlöbl. Reichs-Stifft

und Gotts-Hauß Weingarten,


Herrn der Freyen Reichs-Herrschafften Blumenegg, und Brochenzell, der Löbl. Josepho-Benedictinischen Congregation in Ober-Schwaben Præsidi, des Löbl.Collegial-Stiffts Bettenbrunn Commissario Pontificio, und perpetuirlichen Reichs-Deputato etc.


Meinem Gnädigen Herrn.


Hochwürdiger des Heil. Röm. Reichs Prælat

Gnädiger Herr Herr etc.


Der Weiseste unter denen Königen, der Salomon ist es gewesen, wie die Heil. Schrifft bezeuget, welcher zu erst und zum besten von der Wissenschafft und Erkanntnnß der natürlichen Dingen geschriben, und deroselben Beschaffenheit oder Eigenschafften erkläret hat. Disputavit super lignis à cedro, quæ est in libano, usque ad hysopum, quæ egreditur à pariete: & disseruit de jumentis, & volucribus & reptilibus & piscibus: 1 sagt der Heil. Text: Er hat von den Bäumen geredt, vom Ceder-Baum an biß auf den Hysop, der aus der Wand herfür wachst: auch hat er weislich geredt von dem Vieh und den Vöglen, und kriechenden Thieren, und von den Fischen.

Weilen aber die Nachwelt mit der Zeit dieses kostbaren Schatzes (ich will sagen der Salomonischen Schrifften oder Bücheren) mehrentheils ist beraubt worden, so hat der grosse Welt-Herrscher, der KönigAlexander ein Lust bekommen, und die Resolution gefaßt, solchen Verlurst nach Möglichkeit, durch ein neue Beschreibung dieser Dingen, wiederum zu ersetzen.

Dieses grosse Werck und Vorhaben aber glücklich auszuführen hat er kein tauglicheres Instrument zu seyn erachtet, als seinen getreuen und unvergleichlichen Lehrmeister, den weltweisen Aristotelem. Disem also hat er das gantze Geschäfft anvertraut und überlassen: diesem hat er die Natur und Eigenschafften aller Thieren zu erkundigen und zu beschreiben committirt und anbefohlen: welches dann auch ermelterAristoteles mit 50. hiervon geschribenen Bücheren löblichist bewerckstelliget und vollzogen hat. Zu diesem vorgesetzten Endzweck aber, und die erforderliche grosse Kösten zu bestreiten, hat der König demAristoteli ein gewaltige Summen Gelds, nemlich acht hundert Talenten, wie Athæneus schreibet, oder wie andere wollen viermal hundert und achtzig tausend Cronen verschafft und angewisen. Er hat ihm auch sehr viel Mitthelffer, nemlich, wie Plinius sagt, ein und anderes tausend Personen zu geben, und zwar lauter solche Leut, die sich auf das Jagen, Fischen und Voglen verstunden, welche auf sein Anordnung alle Gattungen der Thieren, so viel es immer möglich ware, in dem Griechenland, und in gantz Asien aufbringen, und ihme zuführen müsten, damit er also deroselben Natur und Eigenschafften desto besser erkundigen, und füglicher beschreiben möchte.

Aber wohin solle dieses geredt seyn? Hochwürdiger Reichs-Prælat, Gnädiger Herr Herr!


Si licet in parvis exemplis grandibus uti:

Wanns erlaubt in kleinen Sachen
Ein so grosse Gleichnuß zmachen.

So hab ich auch bereits von dergleichen Materien etwas weniges zusammen getragen, und in gegenwärtige Truck-Blätter verfasset. Ich hab mich beflissen in der Einsamkeit meiner Cellen das weitsichtige Reich der Natur zu durchwandern, die Natur und Eigenschafften der mehresten und fürnehmsten Geschöpffen zu erklären, und mit einer Moralisirung oder sittlichen Application zu begleiten. Wann ich es aber nicht allzeit so eben getroffen hab, wie man es villeicht verlangen möchte, so bitt ich solches einerseits der Menge so viel unterschidlichen Materien, anderer seits aber dem Abgang meiner Kräfften zuzuschreiben, und in Gnaden nachzusehen.

Indessen gleichwie der mehrgemelte Aristoteles seine Bücher de animalibus dem grossen Alexandro, als seinem König und Herrn, fürnemlich zugeeignet und schuld verpflichtet zugeschriben hat, also (si licet in parvis etc. sag ich nochmahlen) als thue ich auch hiermit dieses gegenwärtige Buch de rebus naturalibus moraliter expositis Euer Hochwürden und Gnaden, als meinem Hochgebietenden Gnädigen Herrn und Reichs-Prælaten in Unterthänigkeit dediciren, und selbes Dero hohen Nahmen, als ein schuldverpflichtes Eigenthum zuschreiben, mit angehenckter demüthiger Bitt, solches nicht anderst, als eine offenbahre Zeugnuß meiner hegenden tieffen Veneration, und devotesten Respects in Dero hohen Schutz und Hulden aufzunemmen, und in Gnaden anzusehen. Welches ich um so mehr verhoffe, weilen ich versichert bin, daß Euer Hochwürden und Gnaden aus einer angebohrnen Milde nichts, auch geringes, zu verachten pflegen, wann es immer aus einem aufrichtigen Gemüth, und wohlgesinnter Meynung (wie diese meine gegenwärtige ist) herrühret.

Es hat auch dieses, obwohl geringe Truckwerck, weilen es mit geistlich- und weltlichen Materien oder Sachen zugleich vermenget ist, eine sonderbahre Freyheit in die gnädige Händ Eines solchen Regierenden Herrns eingereicht zu werden, welcher schon vor angetrettener Seiner preißwürdigsten Regierung, in geistlich- und weltlichen Aemteren und Geschäfften bestens erfahren und geübt gewesen ist.

Von der Zeit aber Dero höchst meritirten Erhöhung zu der Reichs-Prælatischen Würde, da hat sich alsobald ein weitsichtiges Tugend-Feld von neuem eröffnet, in welches jetzund mein Feder begierig auslauffen wurde, wann ich nicht wuste, daß ich mit einem solchen Regierenden Herrn zu thun habe, welcher ein vil grösseres Belieben tragt, immerdar mehr preißwürdige Thaten zu üben, als wegen den schon geübten gepriesen zu werden.

Doch aber jenen dreyfachen und ungemeinen, auf einen höchst löblichen Endzweck abzihlenden Eyfer soll ich nicht gäntzlich mit Stillschweigen umgehen: nemlichen den Eyfer der Ehr GOttes, und der Zierd des Hauß GOttes: den Eyfer der Clösterlichen Disciplin oder regularischen Observanz: und den Eyfer der Wissenschafft oder Gelehrtigkeit. Den ersten betreffend, ist selber so scheinbar und klar, als klar und scheinbar ist das Silber und Gold, welches Euer Hochwürden und Gnaden so generos und reichlich als Gottseelig in kurtzer Zeit zur Auszierung der Kirchen und Altären verwendet haben. Der anderte lässet sich täglich und mercklich verspühren durch die fleissige Obsicht und Sorgfalt, daß alles wohl und recht hergehe, daß nichts verabsaumt werde, was immer in einem wohlgeordneten Gottshauß erforderlich ist. Der dritte Eyfer endlichen veranstaltet und verschafft, daß nicht nur die Studia Domestica in beständigem Flor erhalten werden, sondern daß auch an andern hohen Orthen zumahl die Altiores Facultates von Euer Hochwürden und Gnaden mit wohlanständigen Professoribus bereits seynd versehen worden.

Demnach ist nichts mehr übrig, als der aufrichtige Wunsch, und die inbrünstige Bitt aller getreuen Unterthanen, und anderer Wohlgesinnten, welche fürnehmlich dahin abzielen, daß der Allerhöchste, der ein Ausspender aller wahren Güter ist, Euer Hochwürden und Gnaden de rore Cœli & pinguedine terræ, ich will sagen, des Leibs und der Seelen hoches Vergnügen und Wohlergehn, reichlich ertheilen, und mild-Vätterlich segnen wolle, auch Dero preißwürdigsten Regierung ein zahlreiche Nachfolg der glückseeligisten Jahren gnädigst beylegen, so wohl zur Remunerirung der schon bereits erworbenen vielen und hochen Meriten, als auch zur glücklich- und erwünschter Ausführung Dero löblichist vorhabenden Desseins und Intentionen. Mit welchem treu devotisten Wunsch ich, in Unterthänigkeit zu beharrlichen hochen und Vätterlichen Hulden mich gehorsamst empfehlend, es schliesse.


Euer Hochwürden und Gnaden

Meines Gnädigen Herrn Herrn


Weingarten den 31. Dec. 1737.

Unterthänig gehorsamster Sohn F. Wilibaldus Kobolt Professus Weingartensis.

Fußnoten

1 3. Reg. c. 4. v. 33.

Facultas.
Reverendissimi & Amplissimi D.D. Præsidis Congregationis Benedictino-Suevicæ, & Abbatis Weingartensis.

Nos Alphonsus DEi gratiâ Abbas Imperialis Monasterij Weingartensis, & congregationis Benedictino-suevicæ Præses, tenore præsentium facultatem concedimus, ut Liber iste Die groß- und kleine Welt etc. intitulatus à R.P. Wilibaldo Kobolt Monasterij nostri Capitulari compositus, & à duobus Theologis lectus & approbatus, utpote multorum piæ curiositati satisfacturus, publicis typis committi valeat. In cujus rei fidem has Literas manu propria subscriptas, & nostro Abbatiali sigillo munitas dedimus, Die 31 Decembris 1737.

ALPHONSUS Abbas p.t. Præses.

Approbatio Censoris.

Opus hoc, Cujus Titulus, Die große / und kleine Welt etc. prout nec à fide orthodoxa, nec à bonis moribus in minimo recedit, ita tantò præstantiorem promeretur Commendationem, quòd verbi Divini Concionatoribus amplissimam præbeat materiam, auditores instruendi quomodo à creaturis tanquam per scalam ascendere valeant ad cognoscendum & amandum DEum Creatorem nostrum. Augustæ Vindel 10. Ianuarij 1738.


Imprimatur H.S.


Augustæ ex ædibus Viciariatûs

16 Januarii 1738.


Joan. Adamus Nieberlein SS. Th.

Doct. Epis. Diocl. Suffrag. Eystett. Can.

Cath. Eccl. Aug. Consil. & Vic. Gen.


Franc. Jos. de Handl, SS. Th. Lic.


Reverend. & Celsis. & Princip. & Episc. Consil. & Aug. Consil. Eccles. maj. Pœnit. & Librorum Censor, nec non insig. Ecclesiæ ad S. Maurit. Can. & Parochus.

Censura Ordinarii.

Liber præsens, Die groß / und kleine Welt natürlich- und sittlicher weiß zum Lust / und Nutzen vorgestelt / intitulatus, præter curiosum seu dulce habet utile, dum lectorem inspersis ubíque aptè & commodè doctrinîs asceticîs à Creaturis ad ipsum Creatorem, seu ultimum finem, agnoscendum & amandum manuducit. Cùm oroin nihil contra fidem aut bonos mores doceat pro plurium utilitate publicis typis Divulgari potest. Ita censet Constantiæ 25Martij 1737.


Franciscus Ignatius Inselin SS. Th.


Lic. Cels. & Rev. S.R.I. Principis & Episc. Constant. etc. etc. Consil. Eccles. & Insig. Colleg. Eccl. S. Joan. Canon. & Paroch. Censor Lib. Ordinar. mpr.

Vorred

An den geneigten Leser.


Ich kan mir leichtlich einbilden, geneigter Leser, daß du bey dem ersten Anblick dieses gegenwärtigen Buchs dich verwundern und gedencken werdest / es seye etwas zu viel und vermessentlich geredt / daß ich die grosse und kleine Welt, in einem nicht grossen Buch / und zwar natürlich, sittlich, und politischer Weiß, zum Lust und Nutzen vorzustellen versprüche / und mich einer (wie es scheint) so schweren Sach unterfange.

Aber ich lasse mich dieses von meinem Vorhaben gantz und gar nicht abschrecken / sondern glaube vielmehr / daß ich guten Fug und Grund solches zu thun habe.

Ich setze aber zum Voraus meines Beweißthums jenes bey den Lateineren bekannte Axioma oder Sprüchwort: Quilibet verborum suorum optimus interpres est. Ein jeder ist selbst der beste Ausleger seiner Worten. Nun will ich hiemit auch meine Wort des vorgesetzten Titel-Blats auslegen / und sage demnach / daß ich da Erstlich den Macrocosmum, oder die grosse Welt / wolle vorstellen / das ist / die meiste und fürnemste Gattungen der Geschöpff / die in der gantzen Welt befindlich seynd / kürtzlich beschreiben: als nemlich die Himmels-Gestirn / die vier Elementen / Meteora oder Lufft-Gesichter / die Mineralia oder Metallen / die Edelgestein und Erd-Säfft etc. und dieses zwar alles in dem Ersten Theil des gegenwärtigen Buchs.

Alsdann schreite ich weiters zu den beseelten oder lebhafften Creaturen / und zwar in dem Anderten Theil zu dem Menschen / der sich in dem höchsten Grad des vernünfftigen Lebens befindet / und von den Gelehrten insgemein Microcosmus, das ist / die kleine Welt / genennt wird: und dieses zwar darummen /weilen er gleichsam ein Compendium, oder kurtzer Begriff ist aller Creaturen / und mit allen etwas gemein hat / nemlich mit den leblosen Dingen / als mit den Steinen / Feur und Wasser etc. das Wesen oder die Wesenheit: mit den vernünfftigen Thieren aber die Empfindlichkeit / und mit den Englen den Verstand. Dessen innerliche und äusserliche Glieder thue ich mit der Feder gleichsam anatomiren / oder stuck-weiß zertheilen / und dem günstigen Leser für die Augen legen.

Ferners komme ich in dem Dritten Theil zu den unvernünfftigen Thieren / als welche sich in dem mitleren Grad des Lebens befinden / und ein empfindliche Seel haben: und erstlich zwar zu den vierfüßigen / so wohl wilden als zahmen Thieren: hernach aber zu den fürnemsten Fischen und Vöglen deren Natur und Eigenschafften ich beschreibe.

In dem Vierten Theil endlichen handle ich von den wachsenden Dingen / als Bäumen-Früchten / Kräuter und Blumen. Mithin erhellet klar / daß ich nicht ohne billiche Ursach die Groß- und Kleine Welt vorzustellen versprochen habe. Nicht zwar die Welt wie selbe die Mathematici und Geographi nennen / pro Globo Terraqueo, für die Welt-Kugel oder den Erd-Kreiß /welchen sie in unterschidliche Reich / Meer / Flüß und Landschafften abtheilen / und auf denen Land-Charten verzeichnen / sondern die Welt / wie sie diePhilosophi nennen / pro universo, das ist / für die gantze Versammlung aller erschaffenen Dingen.

Dise / sage ich / thue ich vorstellen auf dreyerley Art / natürlich, sittlich und politischer Weiß. Natürlich zwar / weilen ich die natürliche Eigenschafften und Beschaffenheit der Creaturen beschreibe: Sittlich aber / weilen ich insgemein die natürliche Eigenschafften geistlicher Weiß auslege / und durch vielhundert allegorische Conceptlein oder Gleichnussen theils auf die Tugenden / theils auf die Laster appliciere / und anbey dem Christlichen Leser zeige / wie daß er auch von den unvernünfftigen Thieren ja auch von den empfindlichen Creaturen viel Gutes und Löbliches sehen und erlernen könne. Politischer Weiß endlichen stelle ich sie vor / indeme ich / nicht zwar allezeit / doch zum öffteren / wann es sich schicket /und die Materi mir Anlaß gibt / ein kleinen politischen Discurs darüber führe. Ich nimme aber da diePolitic nicht in sensu rigoroso, allein für jene Staats-Wissenschafft und Erfahrenheit / welche einem regierenden Herren / und seinen Ministris vonnöthen ist /Land und Leuth wohl zu regieren / sondern in sensu latiori, in einem weiteren Verstand / nemlich für eine jedem Menschen anständige Lebens-Art / die nach der Richtschnur der Billichkeit / und gesunden Vernunfft einem jeden anzeigt / was er nach seiner Stands-Gebühr zu thun oder zu lassen habe.

Es verspricht ferners der vorgesetzte Titel die Groß- und kleine Welt besagter massen jedermänniglich zum Lust und Nutzen vorzustellen; Weilen ich in Verfassung dieses Buchs mich jederzeit beflissen habe dasjenige zu beobachten / wessen das Sprüchlein des Poeten alle Scribenten oder Schrifftsteller erinneret / nemlichen:


Omne tulit punctum, qui miscuit utile dulci.

Das jenig Buch hat Krafft und Safft /
Das Lust und Nutzen gleich verschafft.

Ob ich es nun also getroffen hab / muß ich einem unpartheyischen Urtheil des geneigten Lesers überlassen. Auffs wenigst hab ich mich zu diesem End beflissen denen geistlichen und ernstlichen Discursen hin und wider etwas curioses einzumischen / und dardurch den Lust des Lesers anzureitzen.

Eben aus dieser Ursach hab ich auch zum öfftern von der Materi / welche directè und für sich selber ist tractirt worden / einen Auslauff und Anhang gemacht von einer andern angehörige Materi: als zum Exempel von dem Gesicht oder den Augen komm ich auf die Spiegel / und Perspectiv: von dem Gehör oder den Ohren auf die Music und musicalische Instrumenten /von den wilden Thieren auf die Jägerey / von den Fischen auf die Fischerey etc. und dieses wiederum mit sittlicher Application. Neben dem daß ich auch nicht selten Apologos morales, oder sittliche Fabel-Reden unterschidlichen Thieren habe beygesetzt.

Was aber das jenig / so ich von den Edelgesteinen /wilden Thieren und Vöglen etc. geschriben / nicht allerdings übereins stimmet mit deme / was / und wie mans etwan in andern Büchern findet / so wolle man deswegen mich nicht verdencken / noch eines Fehlers / oder Unwahrheit beschuldigen (massen ich von unbekanten Sachen nichts geschrieben / was ich nicht in guten und approbierten Authoribus gefunden hab) sondern man wolle es vielmehr der Ungleichheit derAuthorum, so hiervon schreiben / zumessen / als welche / wie ich zum öffteren gefunden hab / sehr different seynd / und manchesmahl einerley Ding / zum Exempel ein Thier / oder ein Edelgestein auf unterschidliche Weiß beschreiben / und nennen / der eine gibt ihm dise Coler / Grösse / Krafft und Eigenschafft / der ander aber ein andere etc. Neben dem / daß es sehr schwer / ja vast ohnmöglich ist / allzeit so genau-und sicheren Bericht oder Kundschafft zu haben / von solchen Dingen / die sich gar weit entfernet / und in einem anderen Welt-Theil befinden.

In Beschreibung der vierfüßigen Thieren hab ich mich meistens an die Thier-Bücher Doct. Gesneri, und der Vöglen an die Ortinologiam oder Historiam de avibus Aldrovandi gehalten: In Beschreibung der Edelgesteinen aber an Erasmi Franc. Indisch- und Sinesischen Lust- und Staats-Garten / auch Hrn. Joan. Hybners Natur- und Kunst-Lexicon etc. In Beschreibung der Bäumen / Kräuter und Pflantzen an Mathioli und Tabernæmontani Kräuter-Bücher etc. In anderen unterschidlichen Materien hab ich mich des Petri Berchorii bedienet / der Polyantheæ, der Summæ Exemplorum & similitudinum, wie auch vieler Commentaristen / Historicorum, Prediger und Asceten / neben dem / was meine wenige Gedancken beygetragen haben: aus welchem allem endlichen dieses gegenwärtige Truck-Werck erwachsen ist.

Daß ich aber in dem vorgesetzten Titel dises Buchs auch den HHrn. Predigeren ein besonderen Vortheil und Beyhülff versprüche / das Geschicht gantz nicht darumen / als wolte ich ihnen Maaß oder Unterweisung geben / sondern es ist nur von einer Bequemlichkeit / und Erspahrung der Zeit und Mühe zu verstehen / indeme sie da von gar unterschidlichen Materien beysammen finden / was sie sonst in vielen Bücheren (die ein mancher auch nicht so gleich beyhanden hat) mit langer Zeit und Mühe aufzusuchen genöthiget wären. Als zum Exempel / will einer etwann einen Heiligen in einer Lob-Predig per allegoriam mit Sonnen / mit dem Löwen oder Adler / mit dem Ceder-oder Palm-Baum etc. vergleichen / so hat er schon beysammen nicht nur die Eigenschafften der Sonnen /deß Löwen oder Adlers / deß Ceder- oder Palm-Baums / sondern auch die Moralia, oder sittliche Application darüber: er hat auch ein kleine Erudition und Bericht von denckwürdigen Begebenheiten / die sich mit solchen Dingen zugetragen haben: er hat weiters auch einige Text von diser Materi aus der Heil. Schrifft / der HH. Vätter und Weltweisen. Wann er dann die Sach noch ein wenig amplificiren oder ausführen will / so wird ihm ausser dem Exordio undEpilogo zu einer vollständigen Predig weiter nichts mehr ermanglen.

Was endlichen den Stylum oder die Schreib-Art /so ich hierinnen gebraucht hab / belanget / so ist selber nicht einerley / sondern nach Unterschid der Materien unterschidlich / bald Historicus in Erzehlung und Beschreibung der Sachen / bald Concionatorius in Lobsprechung der Tugend und Bestraffung der Lasteren etc.

Wann ich aber zu Zeiten nach Erheischung der Materi etwas schärffers schreibe / so soll es gleichwohl geschehen mit all-schuldigem Respect gegen waserley Stands-Personen / und mit Protestation niemand insonderheit dardurch zu tadlen.

Ubrigens gleichwie ich weder hoffen noch prætendiren kan / daß dise meine Schrifften jedermänniglich gefallen werden oder sollen / also verhoff ich gleichwohl hingegen / daß sie auch nicht allen mißfallen werden: und wird mir genug seyn / wann der Christliche Leser / in Ansehung so mancherley wunderbarlichen Werck- und Geschöpffen GOttes (von welchen ich da schreibe) den allmächtigen Schöpffer preyset /und mit mir / ja mit den drey Knaben in dem Babylonischen Feuer-Ofen von Hertzen spricht: Benedicite omnia opera Domini Domino, laudate & superexaltate eum in sæcula. 1 Alle Werck des HErrn lobet den HErren, lobet und erhöhet ihn über alle Ding, und zu allen Zeiten.

Fußnoten

1 Dan. c. 3 v. 57.

Register
Aller Capitel und Absätzen, die sich in diesen Vier Theilen befinden.
Erster Theil
Von der grossen Welt.
Das I. Capitel.

1. Absatz. Von GOtt.Pag.1.

2. Absatz. von der Mutter GOttes.3.

3. Absatz. von den Englen.4.


Das II. Cap.

1. Absatz. Von dem Himmel.7.
2. Absatz. von der Sonnen.8.
3. Absatz. von dem Mond.12.
4. Absatz. von den Sternen.14.
Das III. Cap.

1. Absatz. Von der Morgenröth.16.
2. Absatz. von dem Regenbogen.18.
3. Absatz. von den Comet-Sternen.21.

Das IV. Cap.

1. Absatz. Von der Erden.25.

Anhang zu der Erden / von dem Erdbeben.28.

2. Absatz. von dem Wasser.30.

3. Absatz. von dem Lufft.35.

4. Absatz. von dem Feuer.40.


Das V. Cap.

1. Absatz. Von dem Wind insgemein.45.
Anhang von den vier Haupt-Winden insonderheit.51.
2. Absatz. von den Wolcken.53.
3. Absatz. von dem Regen und Schnee.57.
Das VI. Cap.

1. Absatz. Von dem Thau und Nebel.61.
2. Absatz. von dem Hagel.64.
3. Absatz. von dem Blitz und Donner.67.

Das VII. Cap.

1. Absatz. von dem Meer.73.

Anhang zu dem Meer / von den Seen.78.

2. Absatz. von dem Liecht.80.

Anhang zu dem Liecht / von dem Schatten.84.

3. Absatz. von dem Rauch.85.

4. Absatz. von der Finsternuß.86.

Das VIII. Cap.

1. Absatz. Von dem Gold.90.

Anhang zu dem Gold / von dem Goldmachen.95.

2. Absatz. von dem Silber.98.

Anhang zu dem Silber / von dem Schatzgraben.102.

3. Absatz. von dem Zinn / Kupfer und Eisen.104

4. Absatz. von dem Bley und Quecksilber.107

Das IX. Cap.

1. Absatz. Von dem Diemantstein.111

2. Absatz. von dem Smaragd.115

3. Absatz. von dem Rubin.118

4. Absatz. von dem Saphir und Hyacinth.120

5. Absatz. von dem Beryll / Jaspis und Topas.122

6. Absatz. von dem Ametist / Onych / Sardio125

und Sardonix; von dem Chrysolitho /

Calcedonio / Opal / Türckis / Achat und Granaten.

7. Absatz. von den Perlein.129

Das X. Cap.

1. Absatz. Von dem Magnet und Agtstein.132

2. Absatz. von dem Crystall und den Corallen.133

3. Absatz. von dem Marmorstein / Porphyr137

und Alabaster.

4. Absatz. von dem Salpeter / Schwefel und Pech.138

5. Absatz. von dem Honig und Wachs.140

6. Absatz. von dem Zucker.143

7. Absatz. von dem Saltz.145

Zweiter Theil.
Von dem Menschen.
Das I. Capitel.

1. Absatz. Von dem Menschen und dem Leben des150

Menschen.

2. Absatz. von der menschlichen Seel.156

3. Absatz. von dem Leib des Menschen.158

Anhang von dem sittlichen Leib Christi und der163

Kirchen.

Das II. Cap.

1. Absatz. Von dem Gesicht oder den Augen.165

Anhang zu den Augen von den Spieglen / Perspectiv174

und Augen-Gläsern.

2. Absatz. von dem Gehör oder den Ohren.177

Anhang zu dem Gehör von der Music und den180

Musicanten.

3. Absatz. von dem Geruch und der Nasen.186

Anhang zu dem Geruch / von dem Schnupff- und188

Rauch-Taback.

4. Absatz. von dem Geschmack und dem Fühlen oder191

Berühren.

Anhang von den 5. Sinnen insgemein.193

Das III. Cap.

1. Absatz. Von dem Haupt des Menschen.196

2. Absatz. von dem Hirn.199

3. Absatz. von dem Angesicht.200

4. Absatz. von den Wangen und dem Kinn.203

5. Absatz. von den Zähnen.205

Das IV. Cap.

1. Absatz. Von dem Mund des Menschen.208

2. Absatz. von der Zungen.212

3. Absatz. von dem Haar und Bart.216

Anhang zu dem Haar / von den Peruquen und220

Kahl- oder Glatz-Köpffen.

Das V. Cap.

1. Absatz. Von den Aermen.223

2. Absatz. von den Händ und Fingern.224

Anhang zu den Händ und Fingeren / von den228

Finger-Ringen.

3. Absatz. von denen Füssen.231

Anhang zu den Füssen / von dem Tantzen234.

und Podagra.

4. Absatz. von der Haut des Menschen.238

5. Absatz. von den Gebein des Menschen.241

Das VI. Cap.

1. Absatz. Von dem Hals und der Gurgel243

des Menschen.

2. Absatz. von dem Magen und dem Bauch.246

3. Absatz. von dem Fleisch des Menschen.248

4. Absatz. von dem Blut des Menschen.253

5. Absatz. von dem H. Seiten-Blut Christi auf Erden.257

Das VII. Cap.

1. Absatz. Von den Adern und Nerven.264

2. Absatz. von dem Hertzen.267

3. Absatz. von der Lungel / Leber und Miltz.271

4. Absatz. von der Gall.273

Anhang zu den menschlichen Gliedern insgemein.278

5. Absatz. von der Gleichheit und Ubereinstimmung279

der groß- und kleinen Welt.

Dritter Theil.

Von den unvernünfftigen Thieren.

Das I. Cap.

1. Absatz. Von dem Löwen.295

2. Absatz. von dem Elephanten.303

3. Absatz. von dem Pantherthier / Tyger und308

Einhorn.

4. Absatz. von dem Bären und Wild-Schwein.312

5. Absatz. von dem Wolff.318

Das II. Cap.

1. Absatz. Von dem Hirschen.322

2. Absatz. von den Gämbsen.327

3. Absatz. von dem Fuchsen.329

4. Absatz. von dem Haasen.332

5. Absatz. von dem Dachs und Igel.336

6. Absatz. von dem Affen.338

Anhang zu den wilden Thieren / von der Jägerey342

und dem Jagen.

Das III. Cap.

1. Absatz. Von dem Camel-Thier.347

2. Absatz. von dem Pferd.349

3. Absatz. von dem Esel.353

3. Absatz. von dem Ochsen und der Kuhe.357

Anhang zu der Kuhe; von der Milch.359

5. Absatz. von dem Schaaf oder Lamm.361

6. Absatz. von dem Schwein.365

7. Absatz. von dem Hund.367

8. Absatz. von der Katzen.376

Das IV. Cap.

1. Absatz. Von den Fischen insgemein.382

2. Absatz. von dem Delphin.384

3. Absatz. von dem Wallfisch.388

4. Absatz. von dem Stockfisch und Häring.392

5. Absatz. von etlic. andern Meer-Fischen.394

Das V. Cap.

1. Absatz. Von dem Hecht und Karpfen.398

2. Absatz. von noch etlich andern Fischen.401

3. Absatz. von der Fischerey.403

Das VI. Cap.

1. Absatz. Von den Vöglen insgemein.405

2. Absatz. von dem Adler.408

3. Absatz. von dem Habich und Sperber.418

4. Absatz. von dem Geyer.422

5. Absatz. von dem Falcken.426

6. Absatz. von der Nacht-Eul.429

7. Absatz. von dem Raben.433

Das VII. Cap.

1. Absatz. Von der Nachtigall und dem Canari-Vogel.440

2. Absatz. von dem Distel-Vogel / Zeißlein / Fincken445

/ Meisen / und Zaunschlupfferlein.

3. Absatz. von dem Schwalben und Spatzen.448

4. Absatz. von den Lerchen / der Amsel / und454

dem Staren.

5. Absatz. von den Wachtlen / Rebhun458

und Schnepffen.

6. Absatz. von der Tauben.462

7. Absatz. von der Hennen.469

Anhang zu der Hennen; von dem Ey.473

8. Absatz. von dem Hanen.477

9. Absatz. von dem Pfauen.482

Das VIII. Cap.

1. Absatz. Von denen Schwanen.487

2. Absatz. von der Ganß.489

3. Absatz. von der Enten und dem Eiß-Vogel.493

4. Absatz. von dem Kranich.497

5. Absatz. von dem Reiger- und Ibis-Vogel.500

6. Absatz. von dem Storchen.502

7. Absatz. von dem Straussen.506

8. Absatz. von dem Pelican.509

9. Absatz. von dem Phönix / und Paradeyß-Vogel.511

10. Absatz. Von dem Papagey.513

Das IX. Cap.

1. Absatz. Von der Schlangen /516

2. Absatz. von dem Crocodill / und der Schild-Krot.522

3. Absatz. von dem Seiden-Wurm / und Spinnen.525

4. Absatz. von den Immen oder Bienen.531

5. Absatz. von der Ameissen.535

Der vierdte Theil.
Von den wachsenden Dingen.
Das I. Capitel.

1. Absatz. Von dem Ceder Baum.540

2. Absatz. von dem Palm Baum.544

3. Absatz. von dem Cypreß und Lorber Baum.550

4. Absatz. von dem Ahorn oder Wacholder Baum.552

Das II. Cap.

1. Absatz. Von dem Oel / oder Oliven-Baum.555

Anhang zu dem Oel-Baum. Von dem Oel.557

2. Absatz. von dem Feigen-Baum.560

3. Absatz. von dem Mandel- und Maul-Beer-Baum.564

4. Absatz. von dem Terebinth-Zimmet- und568

Muscaten-Baum.

5. Absatz. von dem Myrrhen- und Weyrauch-Baum.571

6. Absatz. von dem Balsam-Bäumlein.574

Das III. Cap.

1. Absatz. Von etlich gemeinen fruchtbaren Bäumen.579

2. Absatz. von noch andern fruchtbaren Bäumen.584

3. Absatz. von den unfruchtbaren Bäumen.587

4. Absatz. von noch anderen unfruchtbaren Bäumen.591

Anhang oder Anmerckungen zu denen Bäumen594

insgemein.

5. Absatz. von dem Dorn-Busch.597

6. Absatz. von dem Epheu oder Winter-Kraut.600

Das IV. Cap.

1. Absatz. Von der Fruchtbarkeit der Erden602

insgemein.

2. Absatz. von dem Getreyd.604

Anhang zu dem Getreyd. Von dem Brod.608

3. Absatz. von etlich andern Erd-Früchten oder611

Gewächsen.

4. Absatz. von dem Rebstock oder den Wein-Reben.614

5. Absatz. von dem Wein.618

Anhang zu dem Wein. Von der Trunckenheit.623

6. Absatz. von dem Senff und Pfeffer.627

7. Absatz. von dem Hanff / Flachs und Leinwath.630

Anhang zu der Leinwath. Von dem Papier.632

8. Absatz. von dem Gras und Heu.635

Das V. Cap.

1. Absatz. Von dem Roßmarin / Majoran /637

und Lavendel.

2. Absatz. von dem Wermuth / Rauten /640

Cordobenedict.

3. Absatz. von etlich andern Kräutern.642

4. Absatz. von noch andern unterschidlichen646

Kräuteren.

Das VI. Cap.

1. Absatz. Von der Rosen.651

Anhang zu den Rosen. Von dem Rosen-Krantz.656

2. Absatz. von den Ilgen oder Lilien.658

3. Absatz. von der Sonnen-Blum / oder660

Sonnen-Wend.

4. von der Granadill / oder Paßions-Blum.663

5. Absatz. von noch mehr andern Blumen.665

Anhang zu den Bäumen / Kräutern und Blumen.669

Von dem Garten-Wesen insgemein.

Beschluß des gantzen Wercks.674

Der I. Theil

I. Von GOTT - von der Mutter GOttes - und von den Englen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.

Von GOtt.


Ajove Principium, von dem Obristen der Göttern solle man den Anfang machen / sagte ein gewöhnliches Sprichwort bey der alten Heydenschafft. Aber mit besserm Fug und Recht sollen wir Christen sagen: A Creatore Principium, von dem Erschaffer aller Dingen sollen wir anfangen / wann wir recht und ordentlich von denen Geschöpffen reden oder schreiben wollen. Dann wie ein H. Vatter anmercket / so erfordert die rechte Ordnung / daß man ein Red oder Geschäfft mit GOtt anfange und mit GOtt endige. Optimus ordo incepti sermonis & negotii est à DEO incipere, & in DEum desinere. 1 Aber was soll ich sagen von demjenigen / dessen bloser Nahm auch so wunderbahrlich und unaussprechlich ist? Quàm admirabile est nomen tuum! Wie herrlich und wunderbarlich ist dein Nahm? schreyet David auf. Sein Weesenheit aber ist auf alle Weiß gantz unbegreifflich und unendlich. Incomprehensibilis cogitatu. 2 Es sagt zwar der Weltweise Socrates, GOtt seye der Beste und Glückseeligiste: Es sagt auch der weiseThales, GOtt seye was kein Anfang und kein End hat: es sagt widerum ein andrer / was der Steurmann in dem Schiff / der Fuhrmann bey dem Wagen / was der Oberste Feld-Herr bey dem Kriegs-Heer / das seye GOTT in der gantzen Welt. Aber am allerbesten hat es meines Erachtens getroffen jener Philosophus, [1] welcher / als er von einem gewisen König befragt wurde /was GOtt eigentlich seye / da hat er zu antworten 15. Täg Denck-Zeit begehrt: als aber dise verflossen waren / begehrte er noch andere 30. und als auch dise vorbey / hielt er auf ein neues um zwey Monath Bedenck-Zeit an. 3 Als nun der König wegen dem langwierigen Aufschub verdrüßig wurde / und auf die Antwortt getrungen hatte / da bekennete der Philosophus aufrichtig / daß je mehr und je länger er nachsinne / was GOTT seye / je weniger könne er es sagen und begreiffen. Ja eben dises hat vor längsten der Job bezeuget / sprechend: Ecce DEus magnus vincens scientiam nostram: 4 Sihe! GOtt ist groß und übertrifft all unser Wissen.


Alls einstens der Heil. und hocherleuchte Augustinus an dem Ufer des Meers spatzierte / und in den Gedancken von dem hohen Geheimnuß der allerheiligisten Dreyfaltigkeit gantz vertiefft ware / da ersahe er ein kleines Knäblein / welches mit einem Löffelein in der Hand sich gantz emsig bemühete das weit und tieffe Meer in ein kleines Grüblein heraus zu schöpffen. 5 Augustinus lächelte darzu / und sagte / O mein Kind stehe ab von diser vergeblichen Mühe und Arbeit / es ist ein gantz unmögliche Sach / dero du dich unterfangest. Ja widersetzte das Kind (so ein verstellter Engel ware) vilmehr stehe du ab von Erforschung deß unergründlichen Geheimnuß / deme du nach sinnest: dann gewiß wurd ich vil leichter und bälder das gantze Meer in dises kleine Grüblein heraus schöpffen / als du das allerhöchste Geheimnuß der Heiligsten Dreyfaltigkeit mit deinem Menschlichen Verstand fassen und ergründen. Eine scharpffe Betrohung ist dißfalls ergangen durch jene Wort in Heiliger Schrifft: Qui Scrutator est Majestatis, opprimetur à gloria. 6 Ein Erforscher der Majestät wird von ihrer Herrlichkeit untertrucket werden.

So soll uns dann genug seyn / was hiervon der Glauben lehret: daß nehmlich GOTT seye ein pur lauterer Geist / von aller Materi u. Unvollkommenheit unendlich weit entfernet / einfach in der Wesenheit und dreyfach in den Persohnen / ein Urheber der Natur und der Gnad / ein höchster Verweser und Ober-Herr / ein Belohner des Guten und Abstraffer des Bösen / der Anfang und das End aller Dingen /Ewig / und von sich selber / unendlich in der Weißheit / in der Allmacht / Fürsichtig- und Gerechtigkeit /Güte und Freygebigkeit: Ja ein lautere Versammlung oder Zusammen-Fluß aller unendlichen Vollkommenheiten / wegen welchen er höchstens würdig ist / von uns auf alle mögliche Weiß geliebt / geforchten / geehret / und gepriesen zu werden.

Als einstens / wie man sagt / Aristoteles auf dem Meer schiffete / und die vilfältige grosse Wunder der Natur betrachtend scharffsinnig nachdenckte / wer oder was doch der Ursprung oder Haupt-Ursach aller Geschöpffen seye / wo der 24 stündige An- und Ablauff des Meers / der Lauff der Sternen etc. herkomme / von wem alles so weißlich angeordnet und regiert werde: dises aber als ein Heyd durch das blose Liecht der Natur nicht ergründen konnte / da hat er sich ergeben / sich selber in das Meer gestürtzt / und aufgeschrien: Ens entium miserere mei! O du Ding aller Dingen erbarm dich meiner! als wolt er sagen /weil ich dich nicht fassen kan / so fasse du gleich wohl mich. 7

Wir aber als mit dem Liecht des Glaubens begabt /und wohl wissend / daß GOtt es seye / von welchem alles natürliche und über-natürliche Weesen herkommt / wollen von Hertzens-Grund zu ihme ruffen: O du Erschaffer aller Dingen erbarm dich unser! und weilen wir dich / als auf alle Weiß unendlich nicht fassen können / so fasse du gleichwol uns / wir wollen uns in das unergründliche Meer deiner Güte und Barmhertzigkeit gantz und gar versencken.

Der 2. Absatz
[2] Der 2. Absatz.
Von der Mutter GOttes.

Ein gantz besonderer Platz / und Rang / ein über alle andere Geschöpff weit erhöchte Ehren-Stell gebühret der Mutter des Allerhöchsten und Erschaffers aller Dingen / als einer Königin des Himmels und der Erden / der Engel und Menschen. Es ist zwar das Lob / die Würde und Hochheit Mariæ gantz unermessen groß / doch kan es einiger massen in kurtzem Begriff verfasset werden / wann man nur sagt / sie sey ein Mutter GOttes / und zwar ein Jungfräuliche / ein unbefleckte Mutter / durch eine gantz unerhörte Gnad GOttes ohne alle Mackel der Erb-Sünd empfangen /und von dem Zundel der Sünd / wie die HH. Vätter reden / von aller bösen Begierlichkeit gantz und gar befreyet und ausgenommen. 8

Was ferners ihre Beschaffenheit anbelangt / so ist sie nach Zeugnuß des Himmlischen Bottschaffters voll der Gnaden: ich sage / voll der allerhöchsten und fürtrefflichsten Gnaden / mit welchen sie an Leib und Seel so reichlich begabt und gezieret ist / daß sie alle andere Heilige weit mehr als die Sonn die kleinere Sternen / der Diemant ein gemeines Glas / und das reiniste Gold ein schlechtes Bley oder Eisen über trifft. 9 Gratia plena, & in tantùm plena, sagt Richardus à S. Laurentio, ut ex tuo reduntante totus hauriat mundus. 10 Also voll der Gnaden / daß von ihrem Uberfluß die ganze Welt geniesset.

Es ist zwar ein Gedicht der Poeten / daß der Gott Jupiter einstens alles schöns und Gutes / alles Glück und Heyl / so auf der gantzen Welt zu finden ware / in ein guldene Büchs oder Geschirrlein zusammen verschlossen habe / dieselbige aber der schönen Pandoræ übergeben / und bestens zu verwahren anbefohlen. 11 Aber die Pandora habe aus angebohrnem Weiblichen Vorwitz das Geschirrlein unbehutsam eröffnet zu sehen was doch darinn verschlossen seye /und alsobald seye alles Glück und alles Gutes / als wie ein Vögelein darvon und gen Himmel aufgeflogen / ihr aber nichts als die leere Büchs in Händen geblieben.

Aber ein Christliche Wahrheit ist es / daß Maria seye ein auserwähltes gantz guldenes Geschirr /mit allerley Edelgestein versetzt / ich will sagen mit allen Tugend- und Vollkommenheiten / geziert mit dem Glauben der Patriarchen / mit der Hoffnung der Propheten / mit der Liebe der Apostlen / mit der Gedult und Standhafftigkeit der Martyrer / mit der Andacht und dem Eyfer der Beichtiger / mit der Unschuld und Reinigkeit der Jungfrauen. 12 In disem guldenen Geschirr / in Maria hat der Himmlische Jupiter der wahre GOtt / alles Schöns und Gutes / alle natürliche und übernatürliche Gaaben und Gnaden /alles Glück und alles Heyl für die Menschen eingeschlossen: den Trost für die Betrübte / die Hoffnung für die Kleinmüthige und Verzagte / den weisen Rath für die Unwissend- und Irrende / den Schutz und die Sicherheit für die Angefochtene / die Gesundheit für die Krancke / das Leben für die Todte / die Gnad für die Sünder / und die Belohnung für die Gerechte. Ja sich selbsten hat GOtt in diesem guldenen Jungfräulichen Geschirr / das ist / in Maria eingeschlossen /dann er ware allzeit auf ein absonderliche Weiß mit und bey Ihr: Dominus tecum: 13 In ihrer Empfängnuß durch die Befreyung von der Mackel der Erb-Sünd /in der Geburt durch die vollkommene Eingiessung seiner Gnad / in der Reinigung durch die Aufopfferung seiner Persohn / in der Verkündigung durch die Annehmung der Menschlichen Natur aus ihr / in ihrer Himmelfahrt durch die seeligmachende Anschauung. Dises guldene Geschirr hat der Allerhöchste der schönen Pandoræ, ich will sagen / der [3] Christlichen Kirchen zu verehren anvertraut und anbefohlen. Es ist zwar Maria samt all ihren geistlichen Schätzen und Kostbarkeiten in den Himmel hinauf geflogen / sie ist mit Leib und Seel aufgefahren: doch aber hat sie uns nicht / als wie das Glück und Heyl Pandoram verlassen / sonder sie steht noch immer vor dem Göttlichen Gnaden-Thron / zur Rechten des Himmlischen Königs / für die armseelige Menschen / die sie anruffen /ein Mittlerin und Fürsprecherin abzugeben / ihnen die nothwendige Hülff und Gnaden zu erbitten. 14 Sie ist nicht nur ein Zierd und Freud deß Himmels / sondern auch ein Schutz und Trost der Erden / ein Schrecken der Höllen / sie ist ein Himmlischer Canal / durch welchen uns die Göttliche Gaaben und Gnaden zufliessen / und ein lebendige Schatz-Kammer des Allerhöchsten / aus welcher unser Nothdurfft gehoben /und unser Armuth bereichet wird. So laßt uns dann öffters in dem Leben / und absonderlich in dem Sterben von Hertzens-Grund zu ihr ruffen:


Maria Mater gratiæ,
Mater Misericordiæ:
Tu nos ab hoste protege,
Et horâ mortis suscipe!
Maria Mutter der Gnaden /
Mutter der Barmhertzigkeit:
Daß der Feind uns nicht könn schaden /
B'hüt uns in dem letzten Streit.

Von GOTT / und der Mutter GOttes wird öffters Gelegenheit seyn ein mehrers zu melden in unterschidlichen nachfolgenden Materien.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von denen Englen.

Das Wort Angelus oder Engel betreffend / so ist dasselbige der Nahm eines Amts / und nicht der Natur /wie der Heil. Pabst Gregogorius anmercket / und heißt so viel als Nuntius, ein Bott; weilen nemlich die HH. Engel Himmlische Bottschaffter seynd / durch welche uns der Willen des Allerhöchsten angedeutet wird. 15 Die Natur aber oder die Weesenheit der Engeln belangend / so seynd sie die edliste und fürtrefflichste unter allen Creaturen: Sie seynd die Erstgebohrne der Göttlichen Allmacht / und gleichsam reine Spiegel / in welchen die unerschaffene Sonn der Gottheit klärer als in andern Geschöpffen leuchtet. Dann ein Engel ist ein pur lauterer Geist / er hat ein verständliches unsterblich- und unzerstörliches Wesen.

Die Zahl oder Menge der Englen ist über die Massen und unaussprechlich groß: Der H. Evangelist Johannes macht eine Meldung davon in seiner heimlichen Offenbahrung / und sagt: er habe um den Thron GOttes herum ein Stimm viler Englen gehört / und ihre Zahl ware vil tausend mal tausend. 16 Dise aber seynd alle in neun Chör oder Ordnungen abgetheilt /also / daß allezeit eine vollkommener und fürtrefflicher seynd als die andere. 17 In dem untersten Chor seynd die Engel / in dem anderten die Ertz-Engel /hernach die Kräfften / die Potestates, die Fürstenthumer / die Herrschafften / die Throni, die Cherubin /und endlich im obersten Chor die Seraphin. Es geziemt sich nehmlichen / daß der höchste König des Himmels so viel edle Hoff-Herren und Bediente um sich habe / die ihm allzeit aufwarten / und seinen heiligsten Willen zu vollziehen fertig stehen. Bald thun sie durch innerliche Erleuchtung oder Eingebung die Menschen in ihrem Thun und Lassen regieren und leiten / zu dem Guten antreiben / und von dem Bösen abmahnen / bald aus Göttlichem Befehl die Gottlose abstraffen / und die Fromme beschützen oder belohnen / den Gewalt und List des bösen Feinds inhalten und hintertreiben / bald aber in der Krafft GOttes Wunder würcken etc. Indessen aber [4] geniessen sie unveränderlich die vollkommene Glückseeligkeit / vermög der seeligmachenden Anschauung GOttes. Angeli eorum semper vident faciem Patris mei. 18

Es werden die Engel gemeiniglich in der Gestalt eines geflügelten Jünglings abgebildet / ihre Lebhaffte und Hurtigkeit dardurch vorzustellen. Sie loben und preisen GOTT unaufhörlich mit dem Lob-GesangHeilig / Heilig / Heilig ist der HErr GOTT Sabaoth. Diejenige Stellen aber / welche durch den Fall Lucifers und seinen Anhang seynd ledig worden / dise werden durch die Menschen / so zu der himmlischen Glori gelangen / ersetzt und erfüllet.

In sensu morali, das ist / in sittlichem Verstand /können erstlich durch die Engel verstanden / und irrdische Engel genennet werden alle recht tugendsame und vollkommene Menschen / welche annoch in dem sterblichen Leib ein unschuldig und reines / ein gleichsam Englisches Leben führen / und gleichwie die Engel in dem Himmel / also sie auf Erden / stets vor Liebe gegen GOTT und dem Nächsten brennend /die Ehr GOttes / und das Heyl der Menschen zu befördern gantz begierig und beflissen seynd: welche nur dem Leib nach auf der Welt wohnen / mit der Begierd und Gedancken aber / als wie die Engel sich immerdar bey GOtt und in dem Himmlischen Vatterland aufhalten: welche von den fleischlich- und irrdischen Wollüsten sich gäntzlich enthaltend / nur in den geist-und Göttlichen Dingen sich erfreuen und belustigen. 19

Es haben die HH. Engel absonderlich dreyerley fürtreffliche Qualitæt- und Eigenschafften: nehmlich ein sehr hohen Verstand / ein unbeschreibliche Schönheit / und Stärcke. 20 In dem Verstand seynd sie also hocherleucht / daß die Weißheit aller Gelehrten der gantzen Welt ein lautere Einfalt und Unwissenheit dargegen ist. Die Schönheit der Englen belangend / so hat einstens GOtt selber der Heil. Theresiæ geoffenbahret / daß wann ein Mensch auch nur den mindesten Engel mit leiblichen Augen anschauen könnte /so wurde ihm vor lauter Anmuthig- und Süßigkeit alsobald das Hertz in vil tausend Stück zerspringen. Was aber ihre Stärcke betrifft / so thun sie die Himmel und Sternen bewegen / und werden in Heil. Schrifft einem mächtigen Kriegs-Heer verglichen. Ja es hat ein eintziger aus Befehl GOttes in einer Nacht hundert und fünff und achtzig tausend Mann in dem Kriegs-Heer der Assyrier erschlagen. 4. Reg. c. 19.

Fast eben also ist die Seel eines vollkommenen Menschen (wann er schon ungelehrt und einfältig zu seyn scheinet) in himmlisch und Göttlichen Dingen also verständig und hocherleucht / daß die eitle Wissenschafften ein lautere Thorheit dargegen seynd. 21 Ein recht tugendsame Seel ist also schön und zierlich / daß der Himmlische Bräutigam selber sich darein verliebt / und das gröste Wohlgefallen darab schöpffet. Sie ist auch in GOtt also gestärcket / daß wohl von ihr kan gesagt werden: Portæ inferi non prævalebunt adversus eam, 22 die Porten der Höllen / das ist / der Gewalt des Teufels / solle nichts wider sie vermögen / und indem die Engel die Himmel bewegen / thun die vollkommene Menschen GOtt selbsten durch das Gebett bewegen. etc.

Zum anderten können in sensu politico durch die Engel verstanden werden / die Ministri und Favoriten, die Räth und Beamte eines Königs oder Fürsten /welche gleichsam Politische Engel seynd / dann gleichwie die HH. Engel stets und zu nächst bey GOtt seynd / bey ihme in grossen Gnaden / und Ehren stehen / auch seiner Geheimnussen / Seiner Güter und Glori theilhafftig werden / also befinden sich die Hoff-Herren und fürnehme Beamte gemeiniglich nahe bey ihrem König / oder Fürsten / und wann sie wohl bey ihme daran seynd / da vertraut er ihnen all sein Vorhaben und Anschläg / Er macht sie auch theilhafftig seiner Wollüst und Reichthumen. 23 Aber gleichwie die HH. Engel sich wegen ihres grossen Glücks /und hohen Würde niemahl übernemmen oder hochmüthig [5] werden / sich niemahl wider GOtt auflassen /noch die armseelige Menschen verachten / sonder als ein Eben-Bild GOttes lieben und æstimiren / ihr Bestes und ihre Angelegenheiten bey GOtt beförderen /und beflissen seynd / sie bey dem Himmel in Gnaden zu erhalten / also sollen auch die Politische Engel /ich will sagen / die Ministri, Räth und Beamte eines Königs oder Fürsten / sich wegen ihres Glücks /Reichthum und Ansehen nicht übernemmen / und hochmüthig seyn / wider ihren Fürsten und Herrn sich nicht auflehnen / sie sollen die mindere und schwächere Bediente / die arme Unterthanen nicht verachten / nicht pressen und verfolgen / sonder als ihre Neben-Menschen lieben / sich ihnen freundlich und günstig erweisen: Sie sollen ihre Proceß und billiche Gravamina schleunig und getreulich untersuchen / und zu einer billich-mäßigen Endschafft bringen. Sie sollen sich wegen Administrirung der Gerechtigkeit nicht lassen bestechen / oder selbige biegen: von denen Unterthanen nicht als wie die irrdische Götter verehren /gleichsam anbetten / und auf den Händen tragen lassen / sonder vielmehr gedencken / was jener Engel zu dem Heil. Evangelisten Johannes / da er ihm erschienen ist / und diser ihn anbetten wollte / gesprochen hat / nemlichen: Cave ne feceris, conservus tuus sum. 24 Sihe zu / daß du es nicht thust / dann ich bin dein Mit-Knecht / und auch ein Diener unsers allgemeinen Herrns.

Ferners die HH. Engel seynd zwar eyferig die Ehr und Glori GOttes zu beschützen und zu erweitern /aber sie fügen dardurch niemand den geringsten Schaden zu: Eben also sollen zwar die Fürstliche Beamte den Respect, und das Interesse ihres hoher. Principals beobachten / und beschützen / aber sie sollen die Gerechtsame / Jura, und Güter der anderen kleineren Herrschafften und Nachbaren dardurch nicht anfechten / und beschädigen.


Sie sollen auch beflissen seyn die obgemeldte drey Eigenschafften der Engel an sich zu nehmen / nehmlich die Weißheit / die Schönheit und Stärcke. Die Weißheit zwar / damit sie mit klugem und heylsamen Rath ihrem Fürsten und Herrn mögen an die Hand gehen: die Schönheit aber / nicht so viel des Leibs /der prächtigen Kleyder / kostbaren Livreen / Mobilien und Servis / als vielmehr des Gemüths / durch Christlich- und Adeliche Tugenden / auf daß sie dem gemeinen Mann mit gutem Exempel vorgehen: Dies Stärcke endlichen in unverzagter Beschützung der Wahrheit und Gerechtigkeit / von welcher sie keines Weegs durch menschlichen Respect, oder eigenes Interesse sich sollen lassen abwendig machen. Mit einem Wort diese Politische Engel / die Hoff-Leuth und Ministri, sollen die zeitliche Jura und Güter also administriren / daß sie das Recht zu dem Himmel und zu den ewigen Gütern nicht verliehren. Sie sollen ihrem König oder Fürsten also dienen / daß sie nach dem zeitlichen Leben von einem irrdischen in den Himmlischen Hof / in den Dienst und in die Freundschafft des Königs aller Königen aufgenommen werden / alldorten mit den HH. Engeln GOTT zuloben / und zu benedeyen.

[6]
Fußnoten

1 S. Greg. Nazian. in Apolog.

2 Jerem. c. 32. v. 19.

3 Ein Weltweiser kan je länger je weniger fassen was GOtt seye.

4 Job. c. 36. v. 26.

5 Der H. Augustinus muß abstehen von Erforschung der H. Dreyfaltigkeit.

6 Prov. c. 25. v. 27.

7 Aristoteles kan causam primam, den Urheber der Natur nicht begreiffen.

8 Unermessenes Lob Mariä in kurtzem Begriff.

9 Luc. c. 1. v. 18.

10 Lib. I. c. 4.

11 Fabel von der guldenen Büchs Pandoræ.

12 Aplicatio auf die Mutter GOttes.

13 Luc. c. 1. v. 18.

14 Psal. 44. v. 10.

15 Hom. 34. in Evan.

16 Apoc. c. 5. v. 11.

17 Die 9. Chör der Englen.

18 Matth. c. 18. v. 10.

19 Vollkommene Menschen seynd irrdische Engel.

20 Die Weißheit / Schönheit und Stärcke der Englen.

21 Wird appliciert auf vollkommene Seelen.

22 Matth. c. 16. v. 18.

23 Fürstliche Beamte und Hoff-Herren seynd Politische Engel. Wie sie sich verhalten sollen gegen die Unterthanen und Nachbarn.

24 Apoc. c. 19. v. 10.

II. Von dem Himmel - von der Sonnen - Mond und Sternen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von dem Himmel.

Was erstlich den Obersten und unbeweglichen Himmel anbelangt / welcher Cœlum Empyreum, das ist /der feurig Himmel (nicht zwar von dem Feuer / sonder von dem Glantz) genennet wird / und die eigentliche Wohnung GOttes und seiner Heiligen ist / so wird uns dieser vor gebildet durch die Heilige Stadt / das neue Jerusalem, welches der Heil. Johannes in seiner heimlichen Offenbahrung gesehen hat / und sagt daß sie auferbauet ware von so purem und reinem Gold /daß es durchscheinend als wie ein Glas. 1 Die Gründ der Stadt und der Mauren / sagt er / waren geschmückt mit allerley Edelgestein: Der erste Grund war ein Jaspiß / der anderte ein Saphir / der dritte ein Calcedonier / der vierte ein Schmaragd / der fünffte ein Sardonich / der sechste ein Sardis / der sibende ein Chrysolith / der achte ein Beryll / der neundte ein Topazier / der zehende ein Chrysopraß / der eilffte ein Hyacinth / und der zwölffte ein Ametyst. Die zwölff Porten aber der Stadt waren aus zwölff Perlein gemacht. etc.

Die himmlische Freuden belangend / hat David vor längsten weißgesagt / GOtt werde die Seelige träncken mit einem gantzen Bach der Wollüsten. 2 Ubrigens aber ist es gewiß / und bleibt darbey / was der Heil. Paulus hievon geschrieben hat: Oculus non vidit, nec auris audivit etc. 3 Kein Aug hat es gesehen / kein Ohr hat es gehört / und in keines Menschen Herz ist es gestigen / was GOtt denen so ihn lieben / hat vorbereit: Mithin kan es auch kein menschliche Zung aussprechen / und kein Federbeschreiben: wohl aber sollen wir von Hertzen darnach verlangen / und uns mit allem Fleiß darum bewerben; dann der Apostel setzt hinzu: Es werde nichts beflecktes oder unreines dorthin eingehen. 4

Sonsten wird von den Astrologis oder Stern-Seheren durch den Himmel gemeiniglich verstanden Cœlum Sydereum, der gestirnte Himmel / den man auch das Firmament zu nennen pflegt: und diser ist ein unermeßlichgrosse himmlische Sphæra, oder Himmels-Kugel in einer reinen vesten und liechten Materi bestehend / welche unverweßlich und unzerstörlich ist /und in welcher die Sonn / der Mond und die Sternen /in schönster Ordnung ausgetheilt sich befinden / welche durch ihren gewisen ordentlichen Lauff den Tag und die Nacht / wie auch die vier Jahrs-Zeiten unterscheiden: durch ihre Influenz oder Einflüß aber die unterschiedliche Witterung / die Fruchtbarkeit der Erden / das Auf- und Abnehmen der Thier und Gewächsen / ja unzahlbar viel andere Ding und Würckungen verursachen.

In sittlichem Verstand kan erstlich ein Himmel genennet werden / die Catholische Kirchen / in welcher Christus gleichsam die Sonn / Maria der Mond ist /die HH. Apostel aber / und andere gelehrte und tugendsame Männer die Stell der Sternen vertretten /welche den anderen gemeinen Menschen mit der Lehr und Tugend vorleuchten / und in Glaubens Sachen oder himmlischen Dingen sie unterrichten. 5

Der Himmel ist einer verwunderlichen Grösse und Höhe / er thut alle andere leibliche Geschöpff in seinem Bezirck begreiffen und einschliessen. Auch die Christ-Catholische Kirch thut sich so weit und breit erstrecken / daß sie alle Völcker / wann sie nur wollen / in ihr Schooß aufnimmt / und niemand davon [7] ausschliesset: Sie ist auch über alle Secten und Irrglauben / in Reinigkeit der Lehr und Heiligkeit des Lebens / so weit erhöcht / als der Himmel von der Erden entfernet ist. Der Himmel ist unzerstörlich / und kan von keinem irrdischen Geschöpff einen Gewalt oder Schaden leyden. Von der Catholischen Kirchen hat GOtt selbst gesagt / daß auch die Porten der Höllen /das ist / der Gewalt des Teuffels sie nicht zerstöhren möge. In dem Himmels-Gestirn hat alles sein gewise Ordnung / und sein richtigen Lauff / es stimmet alles miteinander übereins. Auch in der Christlichen Kirchen ist alles gantz wohl und ordentlich eingericht /all ihre Lehr und Grund-Sätz kommen übereins / und eben diese Ordnung und Ubereinstimmung bringt häuffige Früchten der Tugend und guten Wercken herfür. Wann es schon in dem Lufft trübe Wolcken / Ungewitter und Ungestümme abgibt / wann es schon donneret / blitzet und haglet / so bleibt doch der gestirnte Himmel allzeit schön ruhig und heiter / gantz unversehrt / und unverstört. Eben also / wann es schon auf der Welt unter und über sich gehet / wann schon durch Kriegs-Trublen / oder Feindseeligkeiten /und andere Unglücks-Fäll die gemeine Ruhe / und das gemeine beste zerrüttet und verwirret ist / so bleibet gleichwohl die Catholische Kirch allzeit in ihrem Flor / unbeweglich / unversehrt und unverstört; weilen sie nehmlich auf einen starcken Felsen gegründet ist. 6 Sie bleibt gantz schön und wohlgestallt / ohne Mackel und ohne Runtzel / wie der Apostel von ihr bezeugt. 7

Fürs anderte kan man in sittlichem Verstand ein jede H. Religion oder florierenden Ordens-Stand / ja ein jedes wohl disciplinirtes Gotts-Hauß einen Himmel nennen / in welchem die Obere die Stell der Sonnen und deß Monds vertretten / die übrige Geistliche aber an Frommkeit Tugend und Geschicklichkeit / als wie die Sternen leuchten. 8 In einem Ordens-Stand und wohlbestellten Gotts-Hauß / da gehet es vermög der Clösterlichen Observanz als wie in dem gestirnten Himmel / ohngeacht des unruhigen Welt-Getümmels alles gantz ruhig und ordentlich her (deßwegen es auch ein Orden genennet wird / von der guten Ordnung so da gebräuchlich ist) bey Tag und bey Nacht hat alles sein richtigen Lauff und Austheilung / sowohl den Gottesdienst / als andere Geschäfft und Verrichtungen belangend: alles stimmet da übereins / und hat die Ehr GOttes / der Seelen Heyl für sein Zihl und End.

Ja auch ein glücklicher und geseegneter Ehe-Stand / ein wohl angeordnete Hauß-Haltung kan ein kleiner politischer Himmel benahmset werden / in welchem der Hauß-Vatter und die Hauß-Mutter gleichsam die Sonn und der Mond / wohlgezogene Kinder und Christlich gesittete Ehehalten aber die Sternen seynd /welche ihren Mit-Burgern ihrer Gemeind und Nachbarn mit ihrem guten Exempel und auferbaulichen Lebens-Wandel vorleuchten. 9 Auch da gehet alles richtig und ordentlich zu: auf das Gebett folget die Hand-Arbeit / auf die Arbeit die Erquickung und Ruhe etc. Es ist ein gute Harmonie oder Verständnuß zwischen denen Hauß-Genossen / ein friedsamer Ruhe-Stand /und folgends ein reicher Göttlicher Segen. Gleichwie hingegen ein unglücklich- und ungeseegneter Ehestand / oder vielmehr Wehestand einer kleinen Höllen gleichet / ubi nullus ordo sed sempiternus horror inhabitat, allwo kein Ordnung / sonder ein immerwährender Greuel / und ein lautere Verwirrung ist: allwo nichts als Zanck und Hader / Rauffen und Schlagen /Fluchen und Schwören zu hören und zu sehen ist. 10

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von der Sonnen.

Die Sonn ist jenes groß und allgemeine Welt-Liecht /ein Aug der Natur / ein Zier des Himmels / ein Freud der Erden / ein Königin der Planeten / ein Mutter der Fruchtbarkeit / ein Maaß der Zeiten / ein Ursprung aller sichtbarlichen Schönheiten / ein Trost [8] der Menschen und Thieren. 11 Vas adadmirabile, Opus excelsi. 12 Ein wunderbarliches Geschirr / ein Werck des Allerhöchsten / ein absonderliches Kunst-Stuck des himmlischen Werckmeisters.

Schön und annehmlich ist es zu sehen / wie bey anbrechendem Tag und heiterem Himmel die majestätische und Zier-volle Sonn sich so prächtig und eylends empor hebet: wie daß sie mit dem Gold-Stuck ihres Glantzes bekleidet / gleichsam auf einem feurigen Triumph-Wagen so herrlich in die blaue Himmels-Felder herein fahret: Wie daß sie mit dem glantzenden Kriegs-Heer ihrer guldenen Strahlen so ansehnlich sich præsentieret / und mit diesen feurigen Pfeilen die Kohl-schwartze Truppen der nächtlichen Finsternussen so muthig in die Flucht jaget / und hingegen das dunckle Erd-Gebäu mit ihrem Glantz erleuchtet / und die Gemüther der Menschen erquicken thut. Schön und annehmlich / sage ich / ist dieses zu sehen. Dulce lumen & delectabile. 13 Ein Augen-Trost / ein Hertzens-Freud.

Absonderlich seynd vier Stuck oder Eigenschafften an der Sonnen zu bewundern: nehmlich die erstaunliche Grösse derselben / an welcher sie den gantzen Erdboden gar weit und vielmahl übertrifft: Obwohlen sie wegen der erschrecklichen Höhe uns nur als wie ein Kugel oder Scheiben vorkommet: 2. Ihr unbeschreiblich schneller Lauff / indem sie in wenig Stunden vil weiter laufft / als der Umkrays der gantzen Welt ist. 14 3. Der unvergleichliche Glantz / als welchen das menschliche Aug ohne Verletzung / auch nur ein kurtze Zeit nicht anschauen und erdulden kan. 4. Ihr wunder-grosse Hitz und kräfftige Würckung /krafft deren sie alles durchdringt / und nicht nur alle Gewächs der Erden / sonder auch die Mineralia undMetalla, das Gold und Silber etc. welche tieff in der Erden verborgen ligen / auskochet / und zu ihrer Vollkommenheit bringet: ja tausenderley andere Würckungen in denen Kräuteren / Thieren und Gewächsen hat.

Aber geistlicher Weiß ist erstlich und ungezweiffelt durch die materialische Sonn zu verstehen die Göttliche Gnaden-Sonn / die unerschaffene Sonn der Gerechtigkeit / welche die gantze Welt erleuchtet und regiert / das Allerhöchste Weesen / ein Ursprung alles Liechts / aller Zierd / Schönheit und Fruchtbarkeit /der Leiber und Seelen / als ein Urheber sowohl der Natur als der Gnad. 15 Diese Sonn / nehmlich GOtt /ist unermessen groß / Cœli Cœlorum capere eum non possunt: 16 Himmel und Erden können ihn nicht begreiffen. Er hingegen begreiffet alles in sich / und erstrecket sich unendlich weit über alles hinaus. Den Glantz und die Klarheit der Göttlichen Sonn betreffend / so kan kein menschliches Aug / ich will sagen /kein menschlicher Verstand dieselbige ertragen:Lucem inhabitat inaccessibilem: 17 Er wohnet in einem Liecht / da niemand zukommen kan. Ihr Schnelle oder Geschwindigkeit aber erscheinet aus dem / daß GOTT durch ein eintziges Fiat die herrlichste Creaturen erschaffen hat: und daß tausend Jahr vor ihm seynd als wie der Tag / der gestern vergangen ist. 18 Die Hitz der unerschaffenen Sonn belangend / sagt der Heil. Apostel Paulus austruckentlich: Unser GOtt ist ein verzehrendes Feur. 19 Sein Krafft und Würckung endlich ist so groß und allgemein / daß er die erste Ursach aller Dingen ist / und daß ohne seine erste Bewegung alle Geschöpff gantz unkräfftig und unvermögend seynd. Ja omnia opera nostra operatus es in nobis. 20 Du hast auch in uns all unsere Werck gethan. Es ist die unerschaffene Sonn / das ist GOtt / so kräfftig und so mächtig / daß sie das innerste / und verborgenste des Menschen durchdringt: Scrutans corda & renes: 21 also kräfftig und mächtig / daß sie aus den Steinen Kinder Abrahæ machen kan / also mächtig und kräfftig / daß sie die verstockte und Stein harte Hertzen der Sünder / als wie ein weiches Wachs zerschmeltzet: also kräfftig / daß sie die so schwache und blöde Menschen in den grösten Gefahren / ja in den grösten Peyn- und Schmertzen [9] unerschrocken und unüberwindlich macht. 22

Wann die sichtbarliche Sonn an unserem Horizont aufgehet / da werden die Kräfften der Thier und Menschen gestärcket / und nemmen zu biß gegen Mittag: wann sie aber untergehet / da nehmen sie ab / und beginnt der Schlaff sich anzumelden. 23 Auch die Blumen thun sich auf bey aufgehender Sonn / und bey nidergehender schliessen sie sich zu. Eben also wann uns die Göttliche Gnaden-Sonn anscheinet / O da seynd unsere Seelen gestärcket / hurtig und munter in Ubung der Tugend und guten Wercken / wann sie aber uns ihre Strahlen entziehet / da seynd wir gantz schwach und matt / untüchtig etwas Gutes zu würcken / gantz träg und faul: wir verfallen in tieffen Schlaff der Sünden etc.

Endlichen gleichwie die natürliche Sonn zu ihren gewisen Zeiten den gantzen Zodiacum oder himmlischen Thier-Crayß durchlauffet / der in den zwölff Himmels-Zeichen bestehet / welche mit folgenden zwey Versen angezeigt werden:


Sunt Aries, Taurus, Gemini, Cancer, Leo, Virgo,
Libraque, Scorpius, Arcitenens, Caper, Amphora, Pisces. 24

Zu Teutsch:

Der Wider / der Stier / der Zwiling / der Krebs / der Löw / die Jungfrau / die Waag / der Scorpion / der Schütz / der Steinbock / der Wassermann / und der Fisch. Also hat auch die Göttliche Sonn die besagte zwölff Himmels-Zeichen theils im alten / theils im Neuen Testament durchgangen. 25 Und zwar (wie ein gelehrte Feder in einer Lob-Predig von dem H. Augustino anmercket) durch das Zeichen des Widers ist sie gangen / als aus Göttlicher Anordnung der Abraham einen Wider in der Dorn-Hecken behangend angetroffen hat. 26 Durch das Zeichen des Zwillings / da aus Vorsichtigkeit GOttes die Rebecca die zwey Zwilling den Jacob und Esau gebohren. 27 Durch das Zeichen des Löwen / da aus absonderlicher Schickung GOttes der Prophet Daniel unverletzt aus der Löwen-Grub kommen ist. 28 Durch das Zeichen des Fisches / als GOtt das Gebett Jonæ aus dem Bauch des Wall-Fisches erhört hat. 29 Durch das Zeichen der Waag / indeme GOTT die Bühel und Berg mit Gewicht hat abgewogen. 30 Durch das Zeichen deß Stiers / als GOtt dem Gedeon befohlen hat den Stier seines Vatters her zubringen. 31 Durch das Zeichen des Steinbocks / als GOtt befohlen für die Sünd der Menschen ihm einen reinen Bock zu opfferen. 32 Durch das Zeichen des Schützens / als der Schütz Joas gegen Aufgang der Sonnen einen Pfeil des Heyls vom HErrn abgeschossen hat. 33 Durch das Zeichen der Jungfrau / als der Sohn GOttes aus Maria der Jungfrauen ist gebohren worden. 34 Durch das Zeichen des Krebs / als GOtt durch seinen Apostel gesagt hat / unnütz und eitel Geschwätz fresse um sich als wie ein schädlicher Krebs. 35 Durch das Zeichen des Scorpions / als Christus den Aposteln die Krafft ertheilt hat / die Scorpionen unbeschädiget zu tretten. 36 Durch das Zeichen des Waffermanns endlich ist die Göttliche Sonn gangen / als Christus in dem Fluß Jordan ist getaufft worden. 37

Ubrigens gleichwie die natürliche Sonn sich selber nirgends schöner und lebhaffter entwirfft oder abbildet / als in einem klaren und stillen Bächlein / oder Bronnen / also thut GOTT sein Bildnuß / die Gleichheit seiner Vollkommenheiten niemand besser eintrucken / als der menschlichen Seel / wann sie rein ist von Sünd und Laster / auch still und ruhig von dem Getümmel / und verwirrten Händlen der unruhigen Welt. 38

Aber gleichwie die Poeten von dem Icaro dichten /daß er mit seinen wächsinen Flügel zu nah gegen der Sonnen aufgeflogen seye / die ihm deßwegen geschmoltzen / und er ins Meer herab gefallen: also wahrhafftig / wann sich der Mensch mit den schwachen Flügeln seines Verstands und seiner Gedächtnuß der Göttlichen Sonnen zu viel näheret / da verlassen ihn seine Kräfften / und er fallt herab in die Tieffe der Unwissenheit und deß Irrthums / gleichwie [10] es vielen Urheberen der Ketzereyen ergangen ist. 39

Zum anderten ist auch Christus eine sittliche Sonn der Catholischen Kirchen / die er mit dem Glantz seiner Lehr und Heiligkeit erleuchtet und unterweiset: auch durch sein allmögende Krafft so fruchtbar macht (gleichwie die Sonn den Erdboden) daß sie unzahlbare Verdienst / Buß und Tugend-Werck herfür bringt. 40 Ferners gleichwie die Sonn über alle aufgehet / über die Gute und Böse / mit ihren Strahlen alle erleuchtet und erwärmet / also hat Christus allen Guts gethan: Er hat alle / so zu ihm kommen / von ihren Gepresten und Anligen des Leibs und der Seelen geholffen. Pertransiit benefaciendo & sanando omnes. 41

Ferners gleichwie all andere Gestirn ihr meistes Liecht und Glantz von der Sonnen empfangen / also haben die Lehrer der Catholischen Kirchen all ihre Weißheit und Ansehen von Christo her. Wiederum gleichwie die Sonn alle Farben / die Schönheit oder Häßlichkeit aller Dingen anzeigt und offenbahret /also wird Christus der höchste Richter am Jüngsten Tag alle Geheimnussen deß Gewissens / alle Laster und Tugenden offenbahren.

Es seynd zu Zeiten an unterschiedlichen Orthen zwey / öffters auch drey Sonnen zugleich an dem Himmel gesehen worden / welche aber nicht lang gedaurt / und gemeiniglich blutige Krieg und Empörungen vorbeditten haben. 42 Benanntlich in dem Jahr 1503. hat man in Würtemberg drey Sonnen mit Blutfärbigen Schwerdteren gesehen / auf welches ein Aufstand der Bauren in besagtem Hertzogthum erfolget ist. Anno 1520. hat man zu Wien / und auch zu Erfurt den fünfften und sibenden Jan. gleichfalls drey Sonnen gesehen: und selbiges Jahr haben die Türcken Griechisch Weissenburg eingenommen. In Teutschland aber hat Martin Luther das Lutherthum angefangen. Wiederum Anno 1526. kurtz vor dem Tod Königs Ludovici seynd an dem Himmel drey Sonnen erschienen / welche Zweifels ohne beditten haben / daß drey Fürsten um das Reich streiten werden / nehmlich Solymann der Türckische Kayser / Joannes ein Fürst in Siebenbürgen / und Ferdinandus der König. Auch 1669. ist zu Posnen in Ungarn eine doppelte sehr hell-glantzende Sonn am Himmel gesehen worden: worauf jene grosse Conspiration in Ungarn und Crabaten wider den Römischen Kayser erfolget ist etc.

Aber an dem Firmament der Catholischen Kirchen erscheinen beständig zwey Sonnen / ein erschaffene und ein unerschaffene / nemlich die Menschheit und GOttheit Christi: und dise zwey Sonnen bedeuten und verursachen gar keinen Krieg / Conspiration oder Auffruhr / sonder vielmehr Fried und Einigkeit /Glück und Seegen: Ut & ipsi in nobis unum sint, bittet Christus zu dem himmlischen Vatter: Auf daß auch sie alle eins seyen. 43

Es ist die natürliche Sonn ein so edle und fürtreffliche Creatur / daß der Weltweise Plato und Seneca, der Natur-Kündiger Plinius und Firmius, ja viel andere mehr sie für etwas übernatürliches gehalten haben: Sie hielten darfür ihre Gold-glantzende Strahlen seyen ein Göttliche Klarheit: ihr so stet wachtbares Aug sey ein Göttliche Vorsichtigkeit: ihr so lebhaffter Einfluß sey ein Göttliche Krafft und Würckung: ihr hell scheinendes Liecht sey ein Göttliche Schönheit: ihr beharrliche Brunst seye ein Göttliche Unsterblichkeit: Aber nein sie haben weit gefehlt / sie waren bey all ihrer grossen Wissenschafft / und hellem Sonnen-Schein gleichwohl blinde und verblendte Heyden. 44 Wir hingegen mit besserer Erkanntnuß des Glaubens erleuchtet fehlen nicht / wann wir die sittliche Sonn der Catholischen Kirchen / das ist / Christum als wahren GOtt erkennen / und in ihme gantz Göttliche Vollkommenheiten bewundern und anbetten.

Zum dritten soll ein politische Sonnen seyn ein jeder König / Fürst oder Regent in seinem Land und Reich: dann gleichwie die Sonn der herrlichste / fürtrefflich-schönste und kräfftigste [11] Planet an dem gantzen Himmel ist / also ist ein König oder Fürst der edliste / ansehnlich- und mächtigste in seinem Land und Reich. 45 Aber gleichwie die Sonn täglich die weitschichtige Himmels-Felder durchstreichet / und zu gewisen Zeiten den gantzen Zodiacum, das ist /alle zwölff Himmels-Zeichen gleichsam visitiret / also solle auch ein Fürst oder Regent zum öffteren durch sich selber / wo es möglich ist / oder aufs wenigst durch getreue und aufrichtige Commissarios sein Land und Leuth visitiren: alle Ständ solle er fleissig durchgehen / um zu sehen / ob die Gerechtigkeie administrirt werde / ob die arme Unterthanen nicht untertrucket werden / ob die Christliche Tugenden im Schwang gehen / ob die offentliche und ärgerliche Laster abgeschafft und abgestrafft werden. etc.

Es ist zwar nur ein Gedicht / daß der feurige Sonnen-Wagen von denen berühmten vier Pferden / Eton, Eous, Pyrois und Phlegon gezogen werde: aber ein Gewißheit ist es / daß ein Fürst oder Regent von den vier Cardinal- oder Haupt-Tugenden / nehmlich von der Klugheit / Gerechtigkeit / Mäßigkeit und Stärcke solle angeführt / und in allem seinem Thun und Lassen geleitet werden / damit er niemahl aus den Schrancken der Gebühr ausweiche: Dann wie der weise Salomon sagt: Leo rugiens, & ursus esuriens Princeps super populum pauperem: 46 Ein gottloser Fürst / so über ein armes Volck regiert / ist wie ein brüllender Löw und hungeriger Bär. Und wiederum: Wann ein Regent ohne Verstand ist / werden vil mit Gewalt unterdruckt.

Es pflegt zwar die Sonn die Dämpff und Feuchtigkeiten der Erden an sich zu ziehen / aber sie lasset darum die Erden nicht gantz trucken und ausgedorret /sie behaltet die Feuchtigkeit nicht für sich / sonder sie verändert selbige in heylsame Regen / und schicket sie der Erden wiederum zuruck. 47 Eben also kan ein Fürst / oder regierender Herr zwar wohl durch billichmäßige Steur und Anlaagen von dem Haab und Guth der Unterthanen etwas an sich ziehen / aber er soll sie nicht gäntzlich auspressen oder aussaugen / und was er von ihnen empfangen hat / nit für sich allein / nicht auf übermäßigen Pracht / sonder zum Schutz und Nutz deß Lands / zum gemeinen Besten anwenden.

Endlichen gleichwie die Sonn die Dämpff der Erden an sich ziehet / erhöhet und schöne helle Wolcken daraus machet / wann sie zuvor subtil worden /und gereiniget seynd / und dise Wolcken thun alsdann die Hitz der Sonnen mäßigen / der Erden einen angenehmen Schatten machen / und also die Thier und Menschen erquicken. 48 Eben also soll ein Fürst oder Regent diejenige Subjecta von seinen Unterthanen erhöhen / an sich ziehen / zu seinen Räthen und Beamten machen / welche rein und subtil seynd / ich will sagen / welche eines subtilen und scharffen Verstands seynd / auch rein wenigstens von grossen ärgerlichen Lastern / von all zu grossem eignen Nutzen / und Geld-Gierigkeit. Diese Wolcken sollen alsdann die allzugrosse Hitz der Politischen Sonnen / das ist / die allzugrosse Schärpffe und Strengheit des Regenten mäßigen / den Unterthanen durch ihre Intercession einen angenehmen Schatten oder Schutz verursachen /und selbige mit Rath und That trösten und erquicken.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Mond.

Der Mond ist ein schöner und ansehnlicher Planet /doch viel kleiner als die Sonn / ja kleiner als die Welt. Er ist ein helleuchtende Himmels-Fackel / ein besondere Zierd deß Firmaments / ein Trost und Linderung der nächtlichen Finsternussen / ein Mäßigung der Sonnen-Hitz / ein Mutter des annehmlichen Morgen-Thaus und der Feuchtigkeit / ein Beherrscher deß Meers / in welches der Mond ein absonderliche Krafft und Würckung hat / also / daß dieses nach seinem Lauff sich richtet / ab / oder zufließt.

[12] Durch den Mond ist erstlich zu verstehen in sittlichem Verstand die seeligiste Junfrau Maria / Pulchra ut Luna, schön als wie der Mond. 49 Sie ist ein hellscheinendes Liecht / ein absonderliche Zierd der Catholischen Kirchen / ein Hülff und Trost der Menschen in der finsteren Nacht dieses armseeligen Lebens. Luminare minus, ut præesset nocti. 50 Ein kleineres Liecht / welches vorstünde der Nacht /das ist den Sündern. Sie mäßiget durch ihre Fürbitt und Verdienst die Hitz und Schärpffe der Göttlichen Gerechtigkeit / des Gottlichen Zorns: Sie ist ein Mutter oder Ursach des himmlischen Gnaden-Thaus / deß wahren Trosts und Erquickung: und gleichwie der Mond das Liecht / so er von der Sonnen empfangt /der Welt getreulich mittheilet / also thut Maria die Gnaden und Erleuchtungen / die sie von GOtt empfangt / denen Menschen reichlich mittheilen. Sie laßt auch das Meer dieser Welt die häuffige Einflüß oder Würckungen ihres mächtigen Schutzes gar nachtrucklich geniessen. Aber sie ist niemahlen ein abnehmender / niemahlen ein verfinsterter Mond / sonder sicut luna perfecta in æternum, 51 allzeit schön / vollkommen / und ohne Mackel. Also daß man diesem Marianischen Mond gar wohl kan die Sinnschrifft zueignen:


Omnis defectûs nescia,
Ein voller Mond in hellem Schein /
Der verfinstert nie kan seyn.

Ich sage / allzeit in hell- und vollem Schein / wie jener Himmlische Bottschaffter bezeugte: Gratiâ plena, 52 voll der Gnaden. Durch diesen Marianischen Vollmond werden von dem Horizont der Catholischen Kirchen die schädliche Finsternussen der Sünd und Lasteren / der Irrthumer und Ketzereyen vertrieben etc. Es pflegen zwar offt die neidige Hund den Mond anzubellen / und können ihn nicht leyden /aber ihme auch im geringsten nichts schaden. Eben also die neidige Ketzer und Irrglaubige thun zwar Mariam durch ihre Laster-Schrifften gar hefftig anbellen / und anfeinden / aber sie können ihr durchaus nicht schaden / auch kein Mackel an ihr finden.

Wie die Astrologi beobachten / so begibt sich alsdann ein Finsternuß an dem Mond / wann zwischen ihm und der Sonnen die Welt-Kugel oder der Erdboden sich stellet / und also verhinderet / daß der Mond von der Sonnen sein gewöhnliches Liecht nicht empfangen kan. 53 Aber dieses ware fern von dem Marianischen Vollmond / es konnte weder die Welt mit all ihren Güter und Reichthumen / weder die finstere Wolcken der Trübsal und Widerwärtigkeiten Mariam im geringsten nicht verhindern / daß sie nicht allzeit von der Göttlichen Gnaden Sonnen häuffig bestrahlet und vollkommen erleuchtet bliebe.

Man hat auch aus langwieriger Erfahrnuß / daß aus dem Mond-Schein das zukünfftige Wetter muthmaßlich könne abgenommen werden / laut jenes Lateinischen Vers:


Palida Luna pluit, rubicunda flat, alba serenat: 54


Das ist:

Wann der Mond bleich scheinet / so bedeutet es folgendes Regenwetter: ist er rothlecht / so hat man starcke Wind zu gewarten: wann er aber hell und weiß ist / da ist schön und gutes Wetter zu hoffen. Man habe den Marianischen Vollmond so genau betrachtet als man gewollt / so wird man doch niemahl verspührt haben / daß er sey bleich oder roth gewesen: ich will sagen / niemahl erbleichte Maria von einer unmäßigen Forcht oder Schrecken / sie ware allzeit gantz hertzhafft / und unerschrocken in Uberwindung aller Beschwerden. 55 Sie ware auch niemahl roth / das ist / niemahl entzündet von einiger unzimlichen Hitz oder Begierd / von einer Eyfersucht / Unmuth oder dergleichen / sonder allzeit schön hell und weiß / das ist gantz rein / aufrichtig und unschuldig.Alba serenat, es ist kein Ungewitter zu beförchten /wann diser Silber weisse Mond scheinet / er zeiget günstiges Wetter / freulichen Sonnen-Schein / verstehe der Göttlichen Gnaden-Sonnen an.

[13] Sonsten ist der Mond auch eine Bedeutung der Unbeständigkeit des Menschen; dann gleichwie der Mond dem Menschlichen Aspect oder Aug nach gar veränderlich ist / bald zu bald abnimmt / bald wie ein liechte Kugel oder Scheiben / bald wie ein halber Zirckel uns vorkommt / jetzt mit auffwerts / jetzt mit abwerts gestreckten Enden oder Hörneren sich sehen laßt / jetzund weiß / jetzund rothlecht aussihet / eben also ist der Mensch gar veränderlich und auf alle weiß unbeständig: er ist unbeständig in seiner Meynung und Guterachten / in seinen Vorhaben und Anschlägen / in seinem Thun und Lassen. 56 Er ist unbeständig in der Gnad / und in der Natur / an dem Leib und an der Seel / bald kranck / bald gesund / bald frölich /bald traurig / bald tugendsam / bald lasterhafft. Nunquam in eodem statu permanet. 57 Er bleibt nimmer in einem Stand.

Der Mond hat von Anfang wenig Liecht / in der Mitte bekommt er einen vollkommenen Schein / zuletzt verliehret er wieder allen Glantz. Eben also hat der Mensch von Anfang in seiner Jugend wenig Verstand und Kräfften / in seinem Mannlichen Alter bekommt er mehr Wissenschafft / Erfahrenheit / und Stärcke / in dem hohen und letzten Alter aber verliehrt er gemeiniglich wiederum alles miteinander.

Noch ferners und absonderlich zeigt uns der Mond wegen seiner vielfältigen Veränderung gar wohl an die Unbeständigkeit der Menschlichen Wohlfahrt /und des zeitlichen Glücks; Dann gleichwie der Mond bald ab / bald zunimmt / bald gäntzlich vor unseren Augen verschwindet / also nemmen die zeitliche Wollüst / Ehren und Reichthumen bald ab und bald zu: bald verlassen sie einen gantz und gar / also daß in kurtzer Zeit ein reicher und ansehnlicher Crœsus, ein armer und verächtlicher Codrus wird: wie es unter vilhundert andern nur gar zu wohl erfahren hat ein unglückseeliger Polycrates und Bajazet, ein Andronicus und Bellisarius, ein Alcibiades und Sejanus, ein Conradinus Suevus, Castrucius und Castracanus etc. mit welchen allen das Glück als wie mit einem Ballon gespielt hat / indem sie von dem höchsten Gipffel der Ehren und Glückseeligkeit in die Tieffe der Verachtung und der Armseeligkeit seynd gestürtzet worden. 58 Also wahr ist es was der Heil. Augustinus sagt: Quanto plus honoramur, tanto plus periclitamur. Je mehr und höher man angesehen ist /je grösser ist die Gefahr: Weilen es nehmlich bey hohen Bergen allzeit tieffe Thäler abgibt / in welche man gar leichtlich fallen kan / wann man zum höchsten gestiegen ist. 59 Deßwegen billich dem so unbeständigen Glücks-Rad das Lemma oder die Sinn-Schrifft kan zugeeignet werden:


Nunquam in eodem.
Was jetzund oben stehet
Hernach bald untergehet.

Oder wie der Poet singt:
Crescit, decrescit, in eodem sistere nescit.
Bald nimmt er zu / bald nimmt er ab:
Es ist bey ihm kein B'stand noch Hab.
Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von denen Sternen.

Was die Blumen in dem Garten / was die Edelgestein in einem guldenen Gefäß / und was die Augen in dem Angesicht / das seynd die Sternen an dem Himmel /nehmlich ein Lust / ein Zierd und Glantz. 60 Sie bestehen in einer reinen / vesten / durchscheinenden und unverweßlichen Materi. Es seynd derselben zweyerley Gattungen / die eine und zwar die meiste werden von denen Astrologis stellæ fixæ genannt / das ist / unbeweglich / und gleichsam angeheffte Sternen / andere aber stellæ errantes, das ist / bewegliche / oder fahrende Irr-Sternen / welche zu unterschiedlichen Zeiten / ihren unterschiedlichen / doch gewisen und richtigen Lauff haben: nehmlich die [14] siben Planeten / das ist der Mond / so der unterste Planet ist / der Mercurius, dieVenus, die Sonn / der Mars, Jupiter und Saturnus, welches der höchste ist. Diser Planeten wird glaublich ein jeder von einem besondern Engel dirigirt, oder in seinem Lauff gelaitet. Was aber die Zahl oder Menge der Sternen insgemein betrifft / da sag ich nichts anders / als was GOTT selber vor längsten zu dem Abraham gesprochen hat / nehmlichen: Suspice Cœlum & numera stellas, si potes. 61 Schaue an den Himmel / und zehle die Sternen / wann du es kanst. Sie seynd unzahlbar / und GOtt allein bekannt / Qui numerat multitudinem stellarum, & omnibus eis nomina vocat. 62 Er zehlet die Menge der Sternen / und nennet sie alle mit Nahmen.

Die Grösse der Sternen betreffend so seynd die meiste gar viel und weit grösser als die gantze Welt /oder der gantze Erdboden: obwohlen sie uns / wegen der unbeschreiblichen Höhe sehr klein vorkommen. Ubrigens empfangen die Sternen ihr meistes Liecht von der Sonnen / dasselbige theilen sie der Erden mit / und haben ein grosse Krafft oder Würckung in die Cörperliche Ding / die sich auf und in der Erden befinden.

Aber sittliche und geistliche Stern seynd sowohl die Heilige in dem Himmel / als die vollkommene und gelehrte Männer auf der Erden: Dann Qui ad justitiam erudiunt multos, fulgebunt quasi stellæ in perpetuas æternitates. 63 Die, so viel zur Gerechtigkeit gewiesen oder gelehrt haben / werden wie die Sternen scheinen immer und ewiglich. Sternen seynd sie / und zwar lauter stellæ fixæ, beständige /unbewegliche Sternen / sie weichen niemahl ab von dem Weeg der Tugend und Gerechtigkeit / sie lassen weder durch das Liebkosen der betrüglichen Welt /weder durch Trübsal und Widerwärtigkeit / weder durch den List und Gewalt des bösen Feinds von dem Guten sich abwendig machen. Das Liecht und den Glantz ihrer Weißheit u. Heiligkeit empfangen sie von der Göttlichen Gnaden-Sonn / und was sie empfangen haben / das thun sie vertreulich und ohne Vergelt andern mittheilen. Sie seynd zwar an sich selber groß und ansehnlich vor GOtt und seinen Engeln /und dannoch kommen sie ihnen selbst aus Demuth gantz klein / und gering vor: ja auch vor den Augen der verblendten Welt-Menschen scheinen sie klein und schlecht / eben darum / weil sie durch ihr Leben und Lehr so weit über all das irrdische und eitle erhöcht seynd. Den Einfluß und kräfftige Würckung /so dise sittliche Sternen in die Welt haben / belangend / so ist es gewiß / daß offtermahl gantze Reich und Länder zu grund giengen / wann sie nicht durch ihre allmögende Fürbitt und Verdienst der so Gottseeligen und GOtt-geliebten Seelen erhalten wurden: wann nicht durch sie das Ubel und Unheyl abgewendt / und hingegen Glück und Seegen vom Himmel erbetten wurde.


Die natürliche Sternen reinigen und erleuchten den Lufft durch die Bewegung ihrer Strahlen / sie mäßigen und vereinigen die wider einander streitende Elementen in denen Cörperlichen Geschöpffen. etc. Auch die sittliche Sternen erleuchten und reinigen die Welt durch ihr Lehr / Correction und Exempel von der schädlichen Finsternuß der Irrthum und Unwissenheit / von den gifftigen Dämpffen der Sünd und Laster. Die widerwärtige Elementen / das ist / die uneinig-und streitende Partheyen vereinigen und versöhnen sie durch freundliches Zusprechen / und friedliche Unterhandlung: die Sünder aber / die GOTT dem HERRN so sehr zuwider seynd / versöhnen sie mit ihm durch ihr eyfriges Gebett und Fürbitt.


Die vollkommene und hocherleuchte Männer seynd jene Sternen / mit welchen das Apocalyptische Weib (welches mit der Sonn umgeben / den Mond unter den Füssen hatte) gekrönt ware / das ist / die Catholische Kirch / dero Zierd und Glori die Heilige und vollkommene Seelen seynd.

[15] Politische Sternen sollen seyn die Hoff-Herren /Räth und Beamte bey einem König oder Fürsten / und zwar lauter stellæ fixæ, beständig-unbewegliche Sternen / die sich von der Gerechtigkeit / und von der Pflicht und Treu gegen ihren Herrn auf keine Weiß lassen abwendig machen. 64 Sie sollen dem Land /oder dem Gebiet / über welches sie gesetzt seynd /vorleuchten mit Klugheit und Vorsichtigkeit in ihrer Verwaltung: und gleichwie die Sternen des Himmels zwar ein hohes Ansehen und ein weites Aussehen haben / aber dannoch darneben ein liebreiche Apparenz, ein angenehmen Schein / ein austheilige Influenz, und ein zusammen haltende Vereinigung / also sollen dise politische Sternen ihr Authoritæt und hohes Ansehen zwar behaupten / aber nicht durch übermäßigen Pracht / oder strenges Verfahren mit denen armen Unterthanen / sonder durch ruhmwürdige Thaten / und auferbaulichen Lebens-Wandel. Sie sollen von sich geben ein lieblichen Schein der Freundlichkeit und Bescheidenheit. Sie sollen den Bedürfftigen gern und willig mittheilen von ihrem Reichthum und Uberfluß / und also keine stellæ attractivæ, das ist / durch den Geitz alles an sich ziehende Sternen seyn / sonder vilmehr stellæ diffusivæ, das ist / durch die Freygebigkeit austheilige Sternen: Sie sollen auch zusammen halten / oder einträchtig seyn in Beförderung deß gemeinen Bestens. Endlich gleichwie die Sternen ein jeder mit seinem Circul /mit seiner Höhe / Grösse und Glantz zufrieden ist /und die andere in ihrer Station nicht verhinderet /noch verfinsteret / also soll ein jeder Minister, Rath oder Beamte mit seinem Rang / Dienst und Besoldung zu frieden seyn / einem anderen nicht eingreiffen / nicht schaden / ihne nicht beneiden / und nicht verschwärtzen.

Fußnoten

1 Apoc. c. 21.

Beschreibung der himmlischen Stadt Jerusalem.

2 Psal. 35. v. 9.

3 Die himmlische Freuden seynd unbeschreiblich.

4 1. ad. Cor. c. 2.

5 Die Catholische Kirch ist ein sittlicher Himmel.

6 Matth. c. 16. v. 18.

7 Ad Ephes. c. 5. v. 22.

8 Geistlicher Ordens-Stand ist ein sittlicher Himmel.

9 Ein glücklicher Ehestand ist ein kleiner Himmel.

10 Job. c. 10. v. 22.

11 Lob-Sprüch und Eigenschafften der Sonnen.

12 Eccli. c. 43. v. 2.

13 Eccli. c. 11. v. 7.

14 Die Grösse / Schnelle / Hitz und Glantz der Sonnen.

15 GOtt ist die Sonn der Welt.

16 2. Paral. c. 2. v. 6.

17 1. ad Tim. c. 6. v. 16.

18 Psal. 89. v. 4.

19 ad Hebr. c. 12. v. 29.

20 Isa. c. 26. v. 12.

21 Psal. 7. v. 10.

22 Luc. c. 3. v. 8.

23 Die aufgehende Sonn stärcket die Kräfften.

24 Die zwölff Himmels-Zeichen.

25 Applicirt auf die unerschaffene Sonn.

26 Gen. c. 22. v. 13.

27 Gen. c. 25. v. 24.

28 Dan. c. 14. v. 40.

29 Jonæ c. 2. v. 2.

30 Isa. c. 40. v. 12.

31 Judic. c. 6. v. 25.

32 Lev. c. 4. v. 23.

33 4. Reg. c. 13. v. 17.

34 Matth. c. 1. v. 16.

35 2. Tim. c. 2. v. 17.

36 Luc. c. 10. v. 9.

37 Luc. c. 5. v. 21.

38 Reine Seelen seynd Spiegel der GOttheit.

39 Icarus fliegt zu nah gegen der Sonnen. Fabel.

40 Christus ein Sonn der Catholischen Kirchen.

41 Act. c. 10. v. 38.

42 Mehr Sonnen haben zugleich geschienen.

43 Joa. c. 17. v. 21.

44 Die Sonn von alten Heyden für einen GOtt gehalten.

45 Fürsten und Regenten seynd politische Sonnen.

46 Vier Sonnen-Pferdt.

Applicatio.

Prov. c. 28. v. 15. & 16.

47 Steur und Anlaag sollen mäßig gefordert werden.

48 Gute und bescheidene Beamte seynd nutzlich.

49 Maria ist ein geistlicher Mond.

Cant. c. 6. v. 9.

50 Gen. c. 1. v. 16.

51 Psal. 88. v. 38.

52 Luc. c. 1. v. 18.

53 Monds-Finsternuß wann sie sich begebe.

54 Aus dem Mond kan man die künfftige Witterung abnehmen.

55 Wird Mariä appliciert.

56 Menschen seynd veränderlich als wie der Mond.

57 Job. c. 14. v. 2.

58 Unbeständigkeit des zeitlichen Glücks.

59 in Psal. 50.

60 Beschaffenheit der Sternen.

61 Gen. c. 15. v. 5.

62 Psal. 146. v. 4.

63 Sittliche Sternen seynd vollkommene gelehrte Männer.

Dan. c. 12. v. 3.

64 Politische Sternen seynd die Räth und Beamte an einem Hof / und wie sie sollen beschaffen seyn.

III. Von der Morgenröthe - Regenbogen - und Comet-Sternen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von der Aurorâ, oder Morgenröth.

Durch die Auroram oder Morgenröthe wird von denen Astrologis gemeiniglich jener annehmliche Stern / der am Morgen frühe vor der Sonnen Aufgang sich an dem Horizont (das ist / an dem Bezirck des Himmels / so weit sich das Aug erstrecken mag) præsentirt, und als ein Vorbott der Sonnen das liebe Tag-Liecht ankündet. 1 Oder auch jene schöne Himmels-Röthe / welche zu Zeiten gleich vor der aufgehenden Sonnen sich sehen laßt. Dise Morgenröth ist ein Lust der Augen / ein Freud deß Hertzens / ein Zerstöhrung der nächtlichen Finsternuß / ein Feindin und Schrecken der nächtlichen Dieb und Strassen-Rauber / weilen sie förchten erdappt und gefangen zu werden / sie ist ein Weegweiserin der Wanders-Leuthen / ein Trost und Linderung der Krancken / ein Erquickung der Menschen und Thier / die sich bey anbrechendem Tag besser befinden / und gleichsam wider lebendig wer den.

In sittlichem Verstand bedeutet sie erstlich die seeligste Jungfrau Mariam / Quæ progreditur quasi aurora consurgens, 2 welche herfür tritt als wie die Morgenröth. Sie ist ein Vorböttin der Göttlichen Gnaden-Sonn; dann wen sie anscheinet / das ist / wem sie günstig ist / der hat sich zu versicheren / daß auch GOtt selbsten ihn mit Gnaden werde ansehen: mithin bringt sie den höchst erwünschten Tag des Heyls und der Gnaden. Sie vertreibt [16] die schädliche Finsternussen deß Irrthums und der Unwissenheit / die Nacht der Sünden: Sie verjagt die höllische Strassen- oder vielmehr Seelen-Rauber / als welche ihren Gewalt nicht können ausstehen. Si subitò aparuerit aurora, arbitrantur umbram mortis. 3 Wann der Morgen schnell ankommt ists ihnen als wie der Schatten des Tods. Sie können es nicht ausstehen / wann sie sehen / daß die Marianische Aurora, durch die Andacht / die Verehrung und das Vertrauen in dem Hertzen der Menschen aufgehet / sie fliehen eylends davon. Dise geistliche Morgenröth weiset uns auf der mühsamen Wanderschafft unter den Gefahren dises zeitlichen Lebens den rechten Weeg des Heyls und der Seeligkeit / auf daß wir von selbem nicht abweichen. Sie erquicket die an der Seel schwache und kranck ligende Menschen / sie ertheilt ihnen neue Stärck und Kräfften wider ihre Feind / und hilfft ihnen selbe überwinden.

Die aufgehende Morgenröth thut die unschuldige Wald-Vögelein erfreuen / und mit ihrem gewöhnlichen Gesang GOtt zu loben aufmuntern: hingegen die schandliche Nacht-Eulen und Fleder-Mäuß / die das Liecht hassen / vertreibt sie in ihre Löcher und Hölen. Eben also ermunteret Maria die Innwohner der Einsamkeit / und die Ordens Geistliche am Morgen in der Frühe die nächtliche Ruhe zu verlassen / das Lob GOttes zu singen / zum Gebett und zur Betrachtung sich zu erheben: die verstockte Sünder aber die Ketzer und Irrglaubige / zwingt sie samt ihren Laster-Schrifften / sich zu verkriechen und zu verschlieffen.

Zum anderten kan durch die Morgenröth verstanden werden die Unbeständigkeit des zeitlichen Glücks / und des menschlichen Lebens. 4 Schön und annehmlich ist es zu sehen / wann die Morgenröth herfür bricht und gleichsam eine Tapezerey von der höchsten rothen Farb an dem Himmel ausbreitet / wann die Wolcken und Gipffel der hohen Berg darvon gefärbt /und gleichsam verguldt werden: schön und annehmlich ist es zu sehen / die Menschen und Thier erfreuen sich darob. Aber sie dauret gemeiniglich gar nicht lang / gehlingen kommt ein trübes Wölcklein darzwischen / und da ist alles auf einmahl aus / alle Zier und Annehmlichkeit verschwunden. Eben ein solche Beschaffenheit hat es mit dem zeitlichen Glück / und menschlichen Leben. Ein Freud ist es wann ein Mensch zur Welt gebohren wird / wie das Evangelium selbst bezeuget: absonderlich wann es ein Fürsten-Kind wann es ein Königlicher Erb-Printz ist: O wie ein schöne und annehmliche Morgenröth! was grosse Freud ist es / was für Frolocken / und Ehren-Gepräng an dem gantzen Fürstlichen Hof / in der gantzen Residentz-Stadt / in dem gantzen Land und Reich! was gratuliren und prognosticieren von seiner zukünfftigen glücklichen Regierung etc. 5 Es wird in solcher Begebenheit aufs neue erfüllet was geschrieben stehet: Nova lux oriri visa, gaudium honor & tripudium. 6 Ein neues Liecht ist aufgangen / welches Ehr Freud und Frolocken bringt. Aber wann gehlingen ein finstere Wolcken (wie es gar leicht und öffters geschicht) den Himmel überziehet / ich will sagen / wann dem Hoff ein Unglück oder Traur-Fall zustosset / wann das zarte Kind ein Schwäche / ein Unpäßlichkeit anstosset / oder gar der grimmige Tod mit seiner Sensen die schöne Blum abmehet: oder wann der junge Printz zwar in etwas erwachsen und auferzogen ist / aber keine fürstliche Qualitæten / keine anständige Gemüths-Gaaben zeiget / wann er von Sitten oder Gestalt unartig / und dem fürstlichen Hauß ein Unehr ist etc. O da ist die annehmliche und schöne Morgenröth verschwunden / und folget ein betrübter Tag / ja ein Traur-volle Nacht in dem gantzen Land oder Reich.

Eben also / wann es mit einer verhofften Promotion oder Beförderung zu einem einträglichen Amt / zu einer hohen Ehren-Stell / mit einem gerichtlichen Proceß / oder anderen Geschäfft einen glücklichen Anfang / ein gutes Aussehen hat / O da ist es ein annehmliche [17] schöne Morgenröth / die einen hellen / das ist einen freudigen Tag ankündet: aber wann gehlingen ein unglücklicher Streich darzwischen kommt /wann die Sach zuruck gehet / oder stecken bleibt /wann die geschöpffte Hoffnung in Bronnen fallt / und zu Wasser wird / da verschwindet die schöne Morgenröthe / und der verhoffte schöne Tag wird in eine traurige Nacht veränderet. 7

Es wird absonderlich ein vierfache Veränderung bey denen erschaffenen Dingen beobachtet: die erste ist die Veränderung oder Unbeständigkeit der Natur /welche auch bey den Engeln gefunden wird; dann auch dise seynd von Natur veränderlich (wie es sich an dem obersten Engel dem Lucifer und seinem Anhang gewisen hat) unveränderlich aber und in dem Guten bestättiget durch die Gnad. Die andere ist die Veränderung der zeitlichen Wohlfahrt / von welcher der weise Salomon bezeuget / daß alles ein lautere Eitelkeit seye: Vanitas vanitatum, & omnia vanitas. 8 Die dritte ist die Veränderung des Menschen von dem Stand der Gnaden in den Stand der Sünden / und hin wiederum von dem Stand der Sünden / in den Stand der Gnad. Die vierte ist die Armseeligkeit des menschlichen Lebens / welche der gedultige Job beklaget / indem er sagt: Der Mensch vom Weib gebohren lebt kurtze Zeit / und wird mit vilen Betrübnussen oder Trangsaalen erfüllt. 9 Aus disem allem erhellet klar / wie daß man sich so gar nicht auf das zeitliche Glück und Leben steuren könne und hingegen nach dem ewigen Leben und wahren Glückseeligkeit aus allen Kräfften trachten solle.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Regenbogen.

Der Regenbogen / Iris oder Himmel-Bogen genandt /ist ein Repercussion, oder Wider-Schein der Sonnen-Strahlen / die in eine wässerige Wolcken / so der Sonnen gerad entgegen stehet / einfallen: es muß aber der Wolcken zum Theil dinn und hell oder durchscheinend seyn / theils aber dick und Dunckel / fast wie ein Spiegel: mithin geschicht es / daß uns der Regenbogen unterschiedliche Farben / als nehmlich ein grüne /ein blaulechte / weißgelb und rothe vorstellet / welches glaublich von den Qualitäten oder Eigenschafften der vier Elementen herkommet. 10 Es laßt sich folgends der Regenbogen nur beym Tag / niemahl aber bey der Nacht sehen: doch niemahl zur Mittag-Zeit /wann die Sonn zum stärcksten scheint. Sein Figur oder Gestalt ist wie ein halber Circkel / mit den zwey Hörner oder Enden berührt er den Erdboden / mit dem oberen Theil aber berührt er den Himmel / und wann helles Wetter vorhergangen ist / da bedeutet er ein mäßigen Regen / nach vielem Regen aber bedeutet er ein folgendes schönes Wetter. Der Regenbogen mäßiget die Hitz der Sonnen / er ziert den Himmel / erlustiget die Augen / und erfreuet das Gemüth.

Es haben derowegen die Alte den Regenbogen nicht unbillich ein Tochter Thavmantis, das ist der Verwunderung genennt; weilen er nehmlich so viel seltzame Geheimnuß und Eigenschafften in sich begreifft / daß selbe mehrers zu bewunderen / als zu ergründen seynd. Es kan auch kein Mahler mit dem Bimbsel die Farben des Regenbogens recht und eigentlich entwerffen oder abmahlen. Ubrigens gereicht es zu sonderm Lob des Regenbogens / daß nach Zeugnuß der H. Schrifft GOtt ihn gesetzt hat zum Zeichen deß Bunds / den er mit dem Noe gemacht hat /nehmlich die Welt hinfüran nicht mehr mit einem allgemeinen Sünd-Fluß zu straffen. Arcum meum ponam in nubibus cœli, & erit in signum fœderis inter me & te. 11

Dises alles schickt sich gar wohl / und bedeutet in sittlichem Verstand das heilwerthe Creutz Christi /und den gecreutzigten Heyland. 12 Christus der gecreutzigte / sage ich / ist jener edle und wunderschöne Himmels-Bogen von welchem der Heil. Geist selber sagt: [18] Vide arcum meum, & benedic eum qui fecit illum: valde speciosus est in splendore suo. 13 Sihe an den Regenbogen / und lobe den / der ihn gemacht hat: Er ist vast schön in seinem Schein. Es ist nehmlich in sittlichem Verstand die heiligste Menschheit Christi ein theils liecht oder helle Wolcken wegen der GOttheit / theils ein dunckle Wolcken wegen der sterblichen Menschheit / in welche der himmlische Vatter / als die Göttliche Gnaden-Sonn häuffige Strahlen wirfft / das ist / unendliche Vollkommenheiten ergiesset. Dieser Himmlische Regenbogen Christus / wird uns nicht nur zu beschauen und zu bewundern / sondern auch zu verehren und anzubetten vorgestellt. Er weiset uns die schönste und höchste Farben der herrlichsten Tugend- und Vollkommenheiten / welche bey keiner puren Creatur zu finden seynd: aber er laßt sich nur bey dem Tag / das ist / bey den Gerechten sehen mit seinem Gnaden-Schein / nicht aber bey der Nacht / das ist / bey denen verstockten unbußfertigen Sündern / welche die Gütigkeit GOttes nicht erkennen. Dieser geistliche Himmels-Bogen ist allezeit gerad der unerschaffenen Sonn entgegen gesetzet / weilen Christus allzeit die Ehr des himmlischen Vatters / für seinen Gegensatz und Endzweck hatte. Mit den zwey Hörner oder Enden / das ist / mit dem Leib und mit der Seel berühret er die Erden: Habitavit in nobis: 14 Er hat in uns gewohnet. Ja es ist sein Freud mit und bey uns zu seyn. 15 Mit dem obern Theil aber / nehmlich mit der GOttheit / ist er unendlich weit über all das Irrdische erhöhet und erhebt: Der Himmel ist sein eigenthumlicher Wohn-Sitz / die Erden aber nur sein Fuß Schemel. 16 Dieser sittliche Regenbogen mäßiget die Hitz der Sonnen / das ist / die Strenge der Göttlichen Gerechtigkeit und verkündiget ein schön-und helles Wetter / das ist / den Gnaden-Schein der Göttlichen Barmhertzigkeit; dann eben zu disem Zihl und End ist dieser geistliche Regenbogen / Christus verordnet / daß GOtt in Ansehung seiner / und seiner unendlichen Verdiensten zur Barmhertzigkeit bewegt werde / und denen sündigen Menschen mit der wohlverdienten Straff verschone. Recordabor fœderis mei vobiscum etc. 17 Ich wird mich erinnern / sagt der himmlische Vatter / daß mein geliebter Sohn durch sein bitteres Leyden und Sterben das menschliche Geschlecht mit mir versöhnet habe / und für die Sünden der Welt genug gethan / ja überflüßig ihre Schulden abgezahlt.

Ein Regenbogen / oder Himmels-Bogen / sag ich abermahl / ist das H. Creutz in sittlichem Verstand: aber kein gegen der Welt ausgespannter Bogen /durch welchen der erzürnte GOTT seine Straff-Pfeil auf uns herab schiesse / sondern vielmehr ein solcher Bogen durch welchen und in Krafft dessen wir all unsere Bitt und Begierden gegen GOtt sollen abschiessen / auf daß wir das rechte Zihl und Endzweck treffen / und der Schuß nicht fehle / ich will sagen unser Bitt uns nicht leer abgehe. 18

In weltlichen Geschichten wird vieles von glücklichen und kunstreichen Bogen-Schützen gemeldet /welche berühmt gewesen seynd / eh daß man die Wissenschafft gehabt hat mit Kugel-Büchsen und Flinten zu schiessen. Ein kunstreicher und glücklicher Bogen-Schütz ist gewesen der Kayser Commodus und Domitianus; Dann jener hat alles mit dem Pfeil richtig getroffen / nach was er nur immer geschossen hat: diser aber hat mit dem Pfeil einem Hirschen in vollem Lauff allzeit das Hertz getroffen. 19 Ein glücklich-und kunstreicher Bogen-Schütz ist gewesen Godefridus Bullionius ein Hertzog in Lothringen / welcher als er mit dem Christlichen Heer die Stadt Jerusalem belägerte / da hat er auf einem hochen Thurn drey Lerchen in einer Linie oder Zeilen sitzend gesehen /auf welche er mit dem Pfeil so glücklich geschossen /daß er alle drey auf einmahl getroffen / und im Lufft gespißt hat: wie dann noch biß heutigen Tag zu einem ewigen Angedencken, diser raren Begebenheit / die Hertzogen von Lothringen drey solche Lerchen in ihrem [19] Stamm-Wappen führen. Eben auch ein glücklich und künstlicher Bogen-Schütz ist gewesen jener hertzhafft und tapffere Schweitzer / Wilhelm Tell mit Nahmen: dann als im Jahr 1307. ein Oesterreichischer Land-Vogt und Richter in der Schweitz / der ein hochmüthiger und unmilder Mann ware / in einem Schweitzerischen Flecken Altorff genant auf offentlichem Platz an einer hohen Stangen einen Hut hatte aufhencken lassen / mit ernstlichem Befehl daß alle Unterthanen / so da vorbey giengen / dem Hut eben solche Ehrbezeugung erweisen sollen / als wann ihr Herr und Oberhaupt selbsten gegenwärtig wäre. Dieser dollsinnige Befehl mißfiele allen Ehrliebenden Leuthen sehr / bevorab dem ermelten Wilhelm Tell /der auch der erste war / so dem ausgesetzten Hut kein Ehr im Vorbeygehen erwise. Der Richter / oder Land-Vogt erzürnte sich darüber und liesse ihn samt seinem Söhnlein gefangen nehmen: und weilen er wuste daß Wilhelm Tell ein guter Bogen-Schütz seye / so setzte er ihm sein eigenes Kind zum Zihl an statt einer Scheiben aus / er legte ihm einen Apffel auf das Haupt / und zwange den Vatter daß er seinem eigenen Kind entweders den Apffel vom Haupt hinweg / oder das Hertz durchschiessen solle. Er aber hat wider den Wunsch und das Verhoffen des Richters so gut und glücklich getroffen / daß er von weitem mit dem Pfeil den Apffel des Kinds unverletzt herab geschossen. Diese unbescheidene Strengheit aber deß Richters hat denen Schweitzeren also schwerlich mißfallen / daß sie das Joch solcher unmilden Obrigkeiten von ihnen haben abgeworffen / von dem Durchleuchtigsten Hauß Oesterreich seynd abgewichen / und unter ihnen selbst eine freye Republic haben aufgerichtet.

Künstlich und glücklich haben all die obgemeldte Bogen-Schützen geschossen und getroffen: aber noch vil besser und glücklicher werden wir schiessen und treffen / wann wir unsere Bitt und Begierden / wann wir all unsere Gedancken Wort und Werck durch den Bogen des Heil. Creutzes und in Vereinigung des Gecreutzigten gegen GOtt und dem Himmel abschiessen / dann wir werden auf solche Weiß gleichsam das Hertz des himmlischen Vatters selber treffen / diese unendliche Schatz-Kammer dardurch eröffnen / und alle Gnaden häuffig daraus fliessen machen. 20 Ja am allerbesten werden wir schiessen und treffen wann wir zu End des Lebens unser eigene Seel auf dem Bogen des Creutzes abtrucken / und in Krafft desselben gen Himmel abschiessen / unser letztes Zihl und End nicht zu verfehlen / wie es viel eyfrige und andächtige Diener und Dienerin GOttes gemacht haben / welche in würcklichem anmuthigen Küssen und liebreichem Umarmen deß Heil. Creutzes / und des Gecreutzigten ihren Geist aufgegeben haben. Die Persianer haben sich unter dem König Cambyses zu Friedens-Zeiten gar fleißig in dem Bogen-Schiessen geübet / auf daß sie zu Kriegs-Zeiten desto geschickter und erfahrner wären. Wie dann einstens / als Prexospes ein Hoff-Herr da er vermeynte der König habe sich rauschig getruncken / und etwan darüber spottete / da hat es den König also verdrossen / daß er des Hof-Herrn seinen Sohn in dem Gartten an einen Baum binden liesse / und sich anstellte als wolt er sich mit dem Pfeil und Bogen üben / gehling aber hat er ihm von weitem das Hertz mitten entzwey geschossen / zu dem Vatter des entleibten Sohns sprechend: Lerne hinfüran von Königen besser urtheilen und reden. Wir sollen uns auch bey Friedens-Zeiten / ich verstehe in dem Leben / in dem ermelten sittlichen Bogen-Schiessen fleißig üben / damit wir zur Kriegs-Zeit / das ist / in dem Tod-Bett zum Schiessen desto geschickter seyen.

Trefflich wohl hat sich in diser Kunst geübet / und ist ein sehr guter Bogen-Schütz in geistlichem Verstand gewesen Ferdinandus II. glorreichen Angedenckens Römischer Kayser / welcher bey lebszeiten zum öfftern und absonderlich in dem Tod sein eyfriges Gebett / und hitzige Begierden auf dem [20] Bogen des Creutzes zu GOtt hat abgeschicket. 21 Absonderlich in jener Begebenheit / als in dem Jahr 1619, in dem Brachmonath gantz unvermuthet ein starckes feindliches Kriegs-Heer aus rebellischen Böhmen / und confœderirten Uncatholischen / über die Donau gesetzet hat / und sich schon würcklich in die Vorstädt zu Wien in Oesterreich eingetrungen / den Kayser Ferdinandum allda gefangen zu nemmen / oder sonst aufzureiben / da auch nicht wenige Abtrünnige in der Stadt selbsten waren / die es mit den Feinden des Kaysers hielten / da hat der gottseelige Monarch / in Ermanglung aller menschlichen Hülff / von gantzem Hertzen sich zu dem gecreutzigten Heyland gewendet / dessen Bildnuß er immerdar in seinem Zimmer mit gröster Ehrerbietung aufbehalten: da hat er sich ihme zu Füssen / ja mit dem gantzen Leib nach der Länge zu Boden geworffen / und mit inbrünstigem Gebett sich gäntzlich GOTT ergeben. Entzwischen begab es sich daß P. Bartholomæus Villerius, aus der löblichen Gesellschafft JEsu / der des Kaysers Beicht-Vatter war / nacher Hof kame / und von einem Cammer-Herrn verlangte angemeldt zu werden: Als dieser mit einem guldenen Schlüssel die Thür des Zimmers eröffnete / findet er Ferdinandum nach der Länge ausgestreckt / vor dem Crucifix auf dem Boden ligend: Der Cammer-Herr erstaunet hierüber vor Verwunderung und zeigt es dem Beicht-Vatter an. Bald aber hernach / als Ferdinandus vom Gebett wiederum aufgestanden / ließ er den Beicht-Vatter für sich kommen / und mit freudigem Angesicht sprach er zu ihm:Mein Pater ich erwegte bey mir selbsten die äuserste Gefahr / die mir von allen Seiten antrohet /die Macht des Feinds vor der Vestung / und die böse Anschläg ungetreuer Unterthanen inner der Stadt / die mir nicht unbewußt sind / und in diser Noth / da kein menschliche Hülff vorhanden, hab ich nach meiner Gewohnheit zu GOtt allein mein Zuflucht genommen / vor dem Heil. Creutz mich nidergeworffen / und um Hülff gebetten: Nun bin ich gantz wohl getröst / und lebe der gäntzlichen Hoffnung / GOTT werde meine Feind zu schanden machen / und ihr Vorhaben zernichten. Es hat ihne auch sein Hoffnung nicht betrogen / dann gehlingen und unvermuthet ist ein Succurs von Catholischen Hülffs-Völckern in der Stadt Wien ankommen / welcher den Feind abzuweichen / und die Rebellen sich zu ergeben gezwungen hat. Es ist auch folgendes Jahr darauf das gantze Königreich Böhmen widerum unter den rechtmässigen Gewalt Ferdinandi gebracht worden. Ubrigens ist von glaubwürdigen Zeugen für gewiß ausgegeben worden / es habe damahls das Crucifix Bild / vor welchem dieser gottseelige Monarch so eyfrig gebettet hat / deutlich mit ihme geredt / und gesprochen: Ferdinande ego te non deseram: Ferdinande ich wird dich nicht verlassen. Deßwegen auch besagtes Crucifix zum ewigen Angedencken in der Kayserlichen Schatz-Kammer zu Wien aufbehalten und verehret wird. Eben auf diesem Creutz-Bogen hat auch Leopoldus I. glorwürdigen Angedenckens Römischer Kayser sein gottseelige Seel gen Himmel abgeschossen / indem er in liebreicher Umfahung /und vielfältig wiederhohltem anmuthigen Küssen des ermeldten Crucifix-Bilds seeligst verschieden ist.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von den Comet-Sternen.

Der Comet-Stern / Stella , comata ist ein schreckbares Himmels-Zeichen / oder vielmehr ein feuriges Lufft-Gesicht / welches gemeiniglich die Anschauende in Verwunderung und Schrecken setzet. 22 Viel /aber unterschidlich haben von dem Comet-Stern geschrieben; dann seine Natur und Eigenschafften seynd schwerlich recht zu ergründen. Dieses ist gewiß / daß der Comet seye ein truckner und hitziger / auch klebiger feister Dampff oder Dunst / welcher in die Höhe aufsteiget / [21] in dem Lufft entzündet wird / und als wie ein Stern scheinet. Dann wann ein schwefelächtige Hartz und Pech in sich habende Erden einen starcken Dampff in grosser Menge von sich gibet / da wird derselbige / weilen er trucken und hitzig / und folgends leicht ist / durch die Sonnen an sich gezogen /und biß in die dritte Region des Luffts / oder in die oberste Abtheilung erhöhet / allwo er leichtlich von den Sonnen-Strahlen oder von dem Element deß Feurs / welches ihm nahe ist / oder von einem aufwerts schlagenden Donner-Strahl entzündet wird / und wahrhafftig zu brennen anfangt: auch durch die Ansichziehung mehrer dergleichen brennenden Materi erhalten wird.

Was die Figur oder Gestalt der Cometen anbelangt / so ist selbe vielfältig und unterschiedlich / die eine scheinen Haarächtig zu seyn / oder gleichsam gebartet: andere kommen uns vor als wie ein feurige Kugel / ein Schwerdt / oder Pfeil etc. nachdeme nehmlich die angezündte Materi beschaffen / dicker oder dinner /rund oder langlächt ist. Deßgleichen seynd sie auch grösser oder kleiner / und dauren länger oder kürtzer /nachdem sie mehr oder weniger von einer brennenden Materi haben. Die kürtzeste dauren siben Täg lang /die längste bey einem halben Jahr / gemeiniglich aber 1. 2. biß 3. Monath lang / zu Zeiten seynd mehr Cometen auf einmahl an unterschiedlichen Orthen gesehen worden.

Die Farb der Cometen betreffend / so ist selbige gleichfalls unterschiedlich: nehmlichen die eine seynd weißlecht oder Silber-Farb / andere roth oder Blut-Farb / und wiederum andere schwartz und finster. Dann wann der aufsteigende Dampff dinn / und völlig entzündet ist / so ist der Comet-Stern weißlecht /gleichwie es ein weißlechtes Feuer gibt / wann man einen Flachs oder Hanff anzündet: wann er aber dick /und nicht gäntzlich entzündet / doch feurig ist, da scheinet er roth / als wie ein glüende Kohlen. Wann endlichen die Materi fett / klebig und dick zugleich ist / da rauchet sie starck / also daß man das Feuer nicht wohl sehen kan / und deßwegen scheinet der Comet dunckel und schwartzlecht. 23

Von unseren letzten Zeiten / oder dem letzt verwichenen Jahr-Hundert zu melden / so hat unter anderen Anno 1618. ein erschrecklicher Comet-Stern geschienen / welcher schier in der gantzen Welt gesehen worden / auf welchen gleich der Schwedische Krieg erfolget ist / der dreyßig Jahr lang gedauret / und unzahlbare Ubel nach sich gezogen hat. 24 Anno 1652. hat ein Comet 7. gantze Nächt hindurch geleuchtet / der eines sehr schnellen Lauffs ware. Anno 1664. ist ein Comet gesehen worden mit einem sehr glantzenden Schweiff. Wiederum ein anderer grosser und grausamer Comet / mit einem sehr langen Schweiff / welcher Bley-Farb ware / und gedauret hat biß auf den Mertzen des folgenden Jahrs 1665. Anno 1668. hat einer geleuchtet ohne Kopff nur mit dem Schweiff. Hingegen Anno 1675. einer ohne Schweiff. Anno 1680. zu End des Monaths Novembers hat ein erschrecklicher Comet mit einem wunder langen Schweiff geleuchtet. In einem gewisen Bezirck in Franckreich hat er so hell geschienen / daß man bey seinem Liecht / bey sonst finsterer Nacht einen Flecken zwey Meil weit entlegen hat sehen können.

Die Bedeutung der Comet-Sternen betreffend / so ist es der gemeine Wahn / auch die vielfältige Erfahrnuß / daß sie nichts gutes / sonder gemeiniglich (doch nicht allzeit und ohnfehlbar) ein Unglück oder Land-Straff vorbedeuten / als etwann Krieg / Hunger oder Pest / Tod-Fäll grosser Fürsten und Herren / starcke Erdbeben / hefftige Ungewitter etc. wie Cicero bezeuget / Lib. 2. de nat. Deorum, und jener bekannte Vers:


Sub Cœlo nunquàm impunè fulsere Cometæ.
So offt man sieht ein Comet-Stern /
Ist Unglück und Schad nicht fern.

Dieses aber kommt her theils aus ihrer natürlichen Eigenschafft und Beschaffenheit [22] / theils aus absonderlicher Verordnung GOttes / der auf solche Weiß uns die bevorstehende Unglücks-Fäll andeuten will.

Eben darum kan in sittlichem Verstand durch den Comet-Stern die strenge Gerechtigkeit GOttes verstanden werden: nicht zwar die würcklich straffende /sonder die betrohende Gerechtigkeit / inmassen auch der Comet würcklich nicht schaden oder straffen /sonder die Straff oder den Schaden bedrohen und ankünden thut. 25 Dann wann die schädliche und schandliche Dämpff unserer Sünd und Laster von der schlimmen Erden unseres Hertzens aufsteigen / da wird das Göttliche Zorn-Feur entzündet / und gibt sich durch schreckbare Zeichen und Betrohungen / als eben soviel Comet-Sternen zu erkennen. Dergleichen Cometen oder Göttliche Betrohungen seynd viel unterschiedliche Text der Heil. Schrifft / als benandtlich: Nisi pœnitentiam habueritis, omnes simul peribitis. 26 Wann ihr nicht Buß thut werdet ihr alle sammentlich verderben. Omnis arbor, quæ non facit fructum bonum excidetur, & in ignem mittetur. 27 Ein jeglicher Baum der nicht gute Früchten bringt / wird abgehauen und ins Feur geworffen werden. Und wiederum: Ducunt in bonis dies suas, & in puncto ad inferna descendunt. 28 Sie (die Gottlose) haben gute Täg / und in einem Augenblick fahren sie zum Grab (ich sage zur Höllen) hinunter etc.

Aber gleichwie die Comet-Sternen aufhören zu brennen / und verschwinden / wann die Materi / aus welcher sie bestehen / verzehret ist / also wann unsere Sünden nachlassen / oder durch die Reu und Buß verzehret seynd / da hören auch die Göttliche Betrohungen auf. Ja eben auch darum laßt der grundgütige GOtt solche Zeichen erscheinen / damit wir dardurch gewarnet werden auf unserer Hut zu stehen / und noch in Zeiten durch die Buß und Besserung der Straff zu entgehen. Ut fugiant à facie arcûs 29 / gleichwie /wann ein Schütz / eh daß er ein Kugel oder Pfeil abschiesset / ein Zeichen gibt / genugsam andeutet / daß er niemand zu treffen und zu beschädigen verlange /sonder vielmehr daß man sich vor dem Schuß hüten solle.

Ferners in sensu politico, können drohende Comet-Sternen genennet werden / alle unmilde strenge Obrigkeiten / alle unbarmhertzige Richter und Regenten: dann sobald ein solcher an dem Horizont seines Gebiets / oder seiner Herrschafft erscheinet / da erschrecken die Untergebene oder Unterthanen / es geht ihnen nichts gutes vor: es sagt einer zu dem andern Forcht und Kummer voll / O was wird es werden? wie wird es uns ergehen? wann dieser Rauh-Hobel / dieser Leuth-Schinder über uns den Gewalt bekommt? wann dieser Tyrann / dieser Blut-Egel über uns Meister ist? absonderlich wann ein unbescheidener Richter oder Obrigkeit von einem geringen und schlechten Herkommen ist: wann er wie ein stinckender Dampff von der Erden / von der Tieffe aufgangen ist / und in die Höhe zu einem Ehren-Amt / zu einem oberherrlichen Gewalt ist erhebt / mit einem Wort; wann er aus einem Bettler zu einem Herrn worden ist. 30 O da fangt dieser Comet-Stern an zu brennen von dem Feuer des Hochmuths / deß Zornmuths / deß Ehr- und Geld-Geitzes etc. So lang ein solcher Comet am Himmel ist / da sihet und höret man nichts anders als schwere Bedrohungen / bald mit harten Geld- oder Leibes Straffen / bald mit schwerer Arbeit und andern Plagen etc. Aber violenta non durant, sagt das Lateinische Sprüch-Wort / was gewalthätig ist / das ist nicht daurhafft / solche schreckbare Cometen scheinen gemeiniglich nit lang. Wann ein indiscreter unmilder Oberer / Richter oder Regent durch einen höheren Gewalt abgesetzt wird / oder durch den Tod von dem zeitlichen Leben abgeforderet / da verschwindet der drohende Comet-Stern / die Forcht vergehet / die Unterthanen werden wiederum getröst und erfreuet.

Es solle nehmlich das Regiment durch Forcht und Liebe zugleich geführet werden / Forcht und Liebe sollen [23] stets einander die Hand biethen. 31 Es pflegt auch der Himmel nicht allzeit mit Blitz und Donner zu drohen / noch das Meer stets ohne Wind und Wellen zu seyn: Ein kluger Regent solle eines mit dem anderen mäßigen und vermischen / er solle also geforchten werden / daß er zugleich geliebt / und also geliebt / daß er zugleich geforchten werde. Wer einem gemeinen Weesen vorstehet / muß die Strengheit also brauchen / daß er die Milde nicht vergesse / und hingegen etc. Er soll kein grausamer Nero, und auch kein allzugütiger Nerva seyn: Der Reichs-Wagen wird umgestürtzt / wann der Pbaëton ihn nur durch die Lieb und Güte alleinig leitet / und nicht auch des Zaums der Schärffe sich bedienet; dann jene allein / wann sie zu groß ist / eröffnet denen Lasteren die Thür und Thor: diese hingegen bahnet den Unterthanen den Weeg zur Auffruhr und Verzweifflung. Absonderlich soll man der Natur deß Comet-Sterns in diesem nachfolgen / daß man zuvor trohe ehe daß die Straff würcklich ergehet. Gleichwie die andere Sternen des Himmels Augen seynd / also ist der Comet-Stern sein Zungen: Er schröcket / damit er vom Bösen abschröcke / und spricht uns durch diese Zungen zu / daß wir behutsam seyen etc. Eben also mag ein Fürst wohl die Waffen der strengen Gerechtigkeit schärpffen und ergreiffen / aber er soll nicht allzeit gleich darein schlagen / sonder zur Besserung einen Aufschub vergonnen / und eine Weil lang mit Gedult zuwarthen / wie der weise Salomon selber mahnet da er sagt: Noli esse justus multùm. 32 Sey nicht zu viel gerecht. Allen und niemand verschonen ist eines so unrecht und schädlich als das andere. Durch die allzugrosse Gütigkeit hat der König Saul das Reich verlohren / durch die grosse Strengheit ist der Kayser Nero um das Leben und um die Ehr kommen. 33 Besser hingegen hat der König in Aragonien / Alphonsus mit Nahmen / das Mittel getroffen / er pflegte durch die Gerechtigkeit die Gute ihm zu verbinden / und durch die Milde das Gemüth der Bösen zu gewinnen. Dises alles stellet uns des Durchleuchtigsten Hauß Oesterreichs roth und weisser Stamm- und Wappen-Schild klar vor Augen / als welcher die Röthe der Gerechtigkeit / mit der Weisse der Milde mäßiget / und also gleichsam das Blut mit Milch vermischet / wohl wissend / daß /wo man das Ubel mit Bedrohung der Straff abwenden / oder den Fehler verbessern kan / man zur würcklichen Straff nicht schreiten soll: und dahin zihlet ab jenes Sinn-Bild / welches ein Sonnen-Uhr mit einem eisenen Zeiger vorstellet / samt der Beyschrifft:


Umbratiles ictus.
Sie drohet zwar mit Streichen vil /
Doch niemand sie schaden will.
[24]
Fußnoten

1 Annehmlichkeit der Morgenröth.

2 Maria ist ein geistliche Morgenröth.

Cant. c. 6. v. 9.

3 Job. c. 24. v. 17.

4 Morgenröthe mit dem zeitlichen Glück verglichen.

5 Joan. c. 16. v. 21.

Geburth eines jungen Printzen gleichet einer Morgenröth.

6 Esther c. 8. v. 16.

7 Vielfältige Veränderung zeitlicher Dingen.

8 Eccl. c. 1. v. 2.

9 Job. c. 14. v. 1.

10 Wie der Regenbogen formirt werde.

11 Gen. c. 9. v. 13.

12 Christus der gecreutzigte ist ein geistlicher Regenbogen.

13 Eccl. c. 43. v. 12.

14 Joan. c. 1. v. 14.

15 Prov. c. 30. v. 8.

16 Isa. c. 66. v. 1.

17 Gen. c. 9. v. 15.

18 Das Heil. Creutz wird mit dem Regenbogen verglichen.

19 Künstliche und glückliche Bogen-Schützen.

20 Ein geistliches Bogen-Schiessen welches sehr nutzlich ist.

21 Ferdinandus II. ein fürtrefflicher geistlicher Bogen-Schütz.

22 Comet-Stern was er seye und worher er komme.

23 Albert. M.L.I. Meteor. tr. 3. c. 5.

24 Unterschiedliche Comet-Sternen / die gesehen worden.

25 Göttliche Betrohungen gleichen in sittlichem Verstand den Comet-Sternen.

26 Luc. c. 13. v. 3.

27 Matth. c. 3. v. 10.

28 Job. c. 21. v. 13.

29 Psal. 59. v. 6.

30 Ungütige strenge Richter und Obrigkeiten seynd gleich einem Commet-Stern.

31 Politisches Regimment wie es solle beschaffen seyn / nehmlich aus Forcht und Lieb zugleich.

32 Eccl. c. 7. v. 17.

33 Strengheit und Gütigkeit sollen miteinander vergesellschafftet seyn.

IV. Von den vier Elementen
Der 1. Absatz
Anhang zu der Erden
Anhang zu der Erden
Von dem Erdbeben.

Noch ein besonderer und Anmerckens-würdiger Umstand begibt sich zu Zeiten bey dem Element der Erden / nehmlich das Erdbeben / durch welches die Erden hin und wider bewegt / [28] und zitterend gemacht /ja offtermahl durch so hefftig und starcke Stöß verschüttlet wird / daß gantze Häuser und veste Thürn darvon zu Boden fallen / und vom Grund aus umgestürtzt werden / wie es die leydige Erfahrnuß / auch bey unsern letzten Zeiten nur gar zu wohl erwiesen hat. Das Erdbeben aber wie die Philosophi lehren kommt aus dieser Ursachen her / daß wann in den unterirrdischen Hölen und Klüfften des Erdbodens viel schwefelächtige Dämpff die mit Salpeter und Pech oder Hartz vermischt seynd / sich versammlen / und von dem unterirrdischen Feur / oder sonsten entzündet / oder aufs wenigst erhitzet werden / da werden sie dinn / braiten sich aus / und suchen einen Ausgang /und folgends / wann sie keinen finden / da stossen und schüttlen sie den Erdboden mit Gewalt. 20 Wann sie aber noch häuffiger und hefftiger seynd / da brechen sie mit gröstem Gewalt aus / und machen ein starcke Oeffnung in der Erden / also / daß zum öfftern die Berg davon spalten / Feur ausspeyen / die Erden sich aufthut / gantze Städt und Dörffer verschlindet /ja auch gantze Landschafften versincken macht / dero Plätz gemeiniglich ein grosses Gewässer einnimmt. Da hingegen auch gantze Flüß zu Zeiten durch ein Erdbeben verschluckt werden / oder aber andere aufs neue zu fliessen anfangen / und was dergleichen seltsame Würckungen mehr seynd. Auf dem Meer zwischen Civita Vechia und S. Severa, siehet man noch heutiges Tags viel eingesunckene Gebäu und Stein-Hauffen im Wasser / deren ein Theil noch mit Fenstern Porten und Bögen versehen seynd / und von ihrem erlittenen Unglück ein trauriges Angedencken vorweisen. Gegen Puezolo über in der Bajanischen Meer-Enge werden annoch auf dem Grund unter dem Wasser viel Häuser mit Unterschied der Gassen / als ein erbärmliches Exempel des Untergangs einer allda versunckenen Stadt bey hellem Wetter gesehen.

Bey dem Toscanischen Ufer unweit Livorno ist im Jahr 1634. eine gantze Stadt unters Meer gesetzet /und die Häuser der Innwohner zu Wohnungen der Fischen worden etc. Aber es gibt in sittlichem Verstand auch in der Erden des menschlichen Hertzens gewise Erdbeben / nehmlich die hefftige Passiones oder Gemüths-Neigungen / welche das Hertz gar starck bewegen / beunruhigen / und offt mit eben so grossem Schaden als Gewalt ausbrechen. 21 Ein solches Erdbeben / das das Hertz zitterend und bebend macht / ist die Hoffart / der Zornmuth und Rachgierigkeit / die Geilheit / Eyfersucht / Ehr- und Geld-Geitz etc. wann diese im Hertzen aufbrennen oder entzündet werden /und kein Ausgang / das ist / kein Mittel ihr Zihl und End zu erreichen finden / da brechen sie mit Gewalt aus / und wagen alles per fas & nefas ihren Muth zu kühlen / an ihrem Feind sich zu rächen / den bösen Lust zu büssen / zu dem verlangten Ehren-Amt / zu dem erwünschten Guth und Geld zu gelangen etc.

Bey anhaltendem hefftigem Erdbeben / pflegen häuffige und schädliche Dämpff aufzusteigen / die offt den Lufft anstecken / die Sonn und den Mond verfinstern / wie der Heil. Johannes in seiner himmlischen Offenbahrung gesehen hat / terræ motus factus est magnus, & sol factus est niger, & luna sicut sanguis. 22 Es war ein grosses Erdbeben / und die Sonn ward schwartz und der Mond wie Blut. Auch die sittliche Erdbödem / das ist / die hefftige /unordentliche Anmuthungen thun das Gewissen anstecken oder vergifften / sie thun die Sonn / das ist /die Vernunfft des Menschen verfinsteren / und den Mond / das ist / den Willen verkehren: Weilen ein hefftig paßionirter Mensch gantz unvernüfftig handlet / und nicht mehr weiß was er zu thun oder zu lassen hat. Die natürliche Erdböden seynd zwar vast allzeit schädlich / doch gibt es auch sittliche Erdböden in dem menschlichen Hertzen / welche nicht schädlich /sondern höchst nutzlich und rühmlich seynd. Ein solcher Erdbödem ist ein hefftige Reu und Leyd / die das Hertz aus [29] heilsamer Forcht zitteren macht / und verursachet / daß reumüthige Seufftzer herfür brechen / daß häuffige Zäher fliessen und strenge Bußwerck geübt werden: wie es an einer büssenden Magdalena / an einem reumüthigen Petro etc. zu sehen ist. Widerum ein heilsamer Erdbödem des Hertzens ist ein inbrünstige Lieb gegen GOtt / welche den Menschen so hefftig beweget und entzündet / daß es die schwache Natur kaum ertragen mag / wie es unter viel andern einem H. Philippo Nerio begegnet ist / welchem vor hefftiger Lieb GOttes schier das Hertz versprungen /also daß sich zwey Rippen selbst wunderbarlicher Weiß haben aufgethan und erweiteret dem Hertzen Lufft zu machen. Fast eben also ein Heil. Franciscus Xaverius ware von der Liebe GOttes also entzündet /daß er die Hitz zu mäßigen zu Zeiten mit einem nassen Tüchlein die Brust abkühlen muste. O daß auch unsere harte und kalte Hertzen von so heilsamen Erdbeben erschüttet / und von solchen Liebs-Flammen entzündet wären / so wurden sie gewiß eine gebenedeyte Erden seyn / welche hundertfältige Früchten der GOtt gefälligen Wercken herfür brächte! Sie wurde seyn ein Erden im Land da Milch und Hönig fliesset /ich verstehe die Milch der reichlichen Verdiensten /und das Hönig des himmlischen Trosts.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Wasser.

Das Wasser ist ein von Natur kaltfeucht- und flüßiges Element / zu der Unterhaltung der Menschen / Thier und Pflantzen sehr nothwendig: Es ist eines unter den allerersten Geschöpffen / und nimmt auf dem Erdboden den grösten Platz ein / ja es umgibt die gantze Erden. Das Wasser ist von GOtt dem Allerhöchsten absonderlich geseegnet und so wohl im alt- als neuen Testament mit viel herrlichen Miracklen beglücket und geehrt. Es ist ein absonderliche Beförderung der Früchten und Erdgewächsen. Spiritus Dei ferebatur super aquas, 23 sagt der Heil. Text / der Geist des HErrn überschwebt die Wasser gleich zu Anfang der Welt. Ein grosses Wunder des alten Testaments begab sich in dem Wasser / als der Prophet Moyses mit seinem Stab das rothe Meer zertheilt / und das Israelitische Volck mit trucknem Fuß durchgeführt hat: Ein grosses Wunder / als er mit eben dem Stab aus dem harten Felsen dem durstigen Volck frisches Wasser hat fliessen machen: Als er das Wasser des Flusses Nili in Egypten in Blut verwandlet: Als er das bittere Wasser in süsses verkehrt hat: Als dem durstigen Samson aus dem dürren Kinbacken eines Esels mit dem er 1000. Philisteer erschlagen hat / frisches Wasser geflossen ist etc. 24 Ein grosses Wunder im neuen Testament hat sich mit dem Wasser begeben / als Christus bey der Hochzeit zu Cana in Galiläa das Wasser in Wein verwandlet: Als der Heil. Apostel Petrus / auch der Heil. Abbt Maurus auf dem Wasser mit trockenem Fuß gangen ist: Als es in dem Schwemm-Teich zu gar allerlei Kranckheiten ein Heylbrunn gewesen: Als der Heil. Raymundus de Pennafort seinen Mantel auf dem Wasser hat ausgebreitet und darauf innerhalb 6. Stunden 160. Meil weit gefahren ist etc. Ein grosses Wunder als dem Heil. Paulo das Haupt abgeschlagen worden / hat selbiges noch 3. Spring auf der Erden gethan / und jedesmahl ein frischer Bronn auf eben selbem Platz entsprungen ist. Dieses alles dienet zu grosser Ehr und zu grossem Lob des Wassers. Aber noch mehr / daß Christus das höchstnothwendige Sacrament unserer geistlichen Widergeburt / das ist / den Heil. Tauff in dem Element deß Wassers hat eingesetzt / und dardurch die menschliche Seel von der Mackel der Erbsünd gereiniget wird. Ja zur Zeit des allgemeinen Sündfluß hat er die lasterhaffte Welt nicht anderst als durch das Wasser reinigen wollen. Eben darum kan geistlicher Weiß durch das Wasser die Unschuld und Reinigkeit / ein gutes reines Gewissen und gute Meynung [30] verstanden werden. Dann gleichwie das Wasser nicht nur an sich selber gantz rein und sauber ist /sondern auch andere Ding / so darmit gewaschen werden / von aller Mackel und Unrath reiniget und säuberet / also das reine Gewissen und gute Meynung leidet nicht nur an sich selbsten keine Unreinigkeit der Sünd und Lasteren / sondern sie reiniget auch alle Gedancken / Wort und Werck / alles Thun und Lassen von denen Macklen der Seelen. 25 Dieses seynd die Flüß des lebendigen Wassers / ein Bronn des Wassers /welches springt in das ewige Leben / von welchem Christus im Evangelio meldet. 26

Das Wasser wird bey denen Lateinern genennt /aqua, quasi æqua, das ist / gleich oder eben / auch sanfft oder gelind / æquo animo supportare, mit Gleichmüthigkeit mit Sanfftmuth etwas übertragen. Also recht dann ein gutes Gewissen ist zugleich æqua gleich in Fried und Leyd / in Glück und Unglück / in Trost und Trübsaal / es thut alles gleichmüthig übertragen.

Gleichwie auf der Erden nichts gemeiners und nichts häuffigers ist als des Wassers / von welchem sie überall umgeben / durchschnitten und durchtrungen wird / also ist in dem menschlichen Leben nichts gemeiners / und häuffigers als Creutz und Leyden /Trübsaal und Widerwärtigkeit die den Menschen auf allen Seiten anfallen / und umgeben: aber ein gutes Gewissen / wann es schon mit diesen Wasseren gäntzlich angefüllt / und überschwemmet ist / so ist und bleibt es doch allzeit æqua gleich und in ihm selbst beständig / es übertragt alles starckmüthig /und rufft inzwischen zu GOtt mit dem Psalmisten:Salvum me fac DEus, quoniam intraverunt aquæ usque ad animam meam. 27 Hilff mir O GOTT /dann die Wässer seynd kommen biß an mein Seel. Da er hingegen antwortet: Cum pertransieris aquam tecum ero. 28 Wann du schon durchs Wasser giengest / so will ich bey dir seyn etc.

Wie die Naturkündige anmercken / so seynd die Wasser / welche gegen Aufgang lauffen / besser und gesünder / als die so gegen Untergang lauffen. Ein reines Gewissen und gute Meynung ist ein Wasser /welches seinen Lauff allzeit gegen Aufgang / das ist /gegen GOtt / und dem Himmel richtet / ein böses Gewissen und ein verkehrte Meynung aber richtet sich gegen Niedergang / das ist / nach der Welt / und deßwegen ist jenes geistlicher weiß gesund / dises aber ungesund.

Ferners gleichwie das frische Wasser die von der Arbeit ermattete Menschen und Thier / wie auch von der Sonnen-Hitz vast ausgedörrte Pflantzen und Kräurer erfrischet / oder erquicket / und gleichsam wiederum lebendig machet / also ein gutes Gewissen stärcket / tröstet und erhaltet die menschliche Seel in Ubertragung aller Mühe und Arbeit / und erquicket sie in der Hitz der brennenden Trübsaal und Verfolgung. Wann ein flüchtiger Hirsch von Jag-Hunden aufs hefftigist verfolgt wird / und schon gantz abgemattet ist / nur ein Wasser erreichen kan / und selbes durchschwimmet / da bekommt er wiederum neue Kräfften mit schnellistem Lauff in ein sicheres Orth zu entrinnen: deßwegen ihm füglich diese Sinn-Schrifft kan zugeeignet werden:


Hinc vires & vitam.
Das Wasser ihm zur rechten Zeit /
Kräfften gibt und Sicherheit. 29

Eben also wann die menschliche Seel zur Zeit der schweren Verfolgungen die sie von sichtbarlich und unsichtbarlichen Feinden leydt / sich nur in das reine Wasser ihres guten Gewissens und ihrer Unschuld begeben kan / da wird sie gestärckt / und in Sicherheit gesetzt / also daß ihr der Feind so wenig als einer Stadt / welche allenthalben mit Wasser umgeben ist /zu kommen und schaden kan: Da hingegen / wo das Wasser abgehet / ein Vestung gar leicht bezwungen und überwältiget wird: Also auch / wen das böse Gewissen trucket / der ist nicht tauglich der Trübsal und Verfolgung lang zu widerstehen. 30 Gleichwie das Wasser den Durst / so groß er ist auslöschet / und die hitzige Leber abkühlet / [31] also thut das gute Gewissen die hitzige Begierd nach denen irrdischen Freuden und Wollüsten auslöschen: dann es ist ihm selbst die gröste Freud und Lust: Secura mens quasi juge convivium, 31 sagt der weise Salomon / ein gutes Gewissen ist wie ein immerwährendes Gast-Mahl. Es ist allerseits vergnüget / wann es in die Höhe schauet /da siehet es / daß ihme der Himmel offen stehet / und daß es GOtt zu seinem Freund hat: Wann es unter sich schauet / da siehet es den Teufel als überwunden zu seinen Füssen ligen / vor / nach / und neben ihm siehet es lauter Verdienst / Tugend / und unsträfflichen Wandel. Es ist nichts erfreulichers / nichts sicherers / und nichts reichers sagt der H. Bernardus, als ein gutes Gewissen / es mag die Welt / das Fleisch oder der Teufel darwider aufstehen so bleibt es doch sicher und unüberwindlich / derowegen gleichwie ein Füncklein Feur / so bald es in ein Wasser fallet / augenblicklich ausgelöscht und zernichtet wird / also wann ein Trübsaal oder Widerwärtigkeit in ein gutes Gewissen fallet / da wird sie alsobald von demselben verzehrt und zernichtet.

Was jetzund weiters die Abtheilung dieses Elements / von dem wir handlen anbelangt / so seynd die fürnehmste Theil desselben das Meer / die Flüß die See und Bronnen. Die erste und fürnehmste Abtheilung der Wässer hat GOTT selbsten gemacht gleich zu Anfang der Erschaffung der Welt wie zu lesen ist in Heil. Schrifft / da er gesprochen hat: Es werde ein Vöste zwischen den Wässern / und scheid die Wässer etc. und widerum / es sammlen sich die Wässer / so unter dem Himmel seynd / von denen Wässeren / so ob dem Himmel seynd und die Sammlung der Wässer hat er genennt Meer. 32 Von dem Meer werden wir hernach an seinem eigenthumlichen Orth handlen. 33 Die fürnehmste Flüß betreffend / so meldet erstlich die Heil Schrifft daß von dem irrdischen Paradeyß ausgangen seyen vier Haupt-Wässer oder grosse Flüß / nehmlich Phison, Gihon, Tygris und Euphrates, welche hernach unterschidliche Landschafften durchstreichen. 34 Durch den ersten kan geistlicher weiß verstanden werden derjenige Fluß / welchen der Prophet Isaias nennet Fluvium pacis, den Fluß des Friedens / verstehe des Friedens und der Ruhe / so aus einem reinen Hertzen entspringt. Durch den andern den Fluß der Andacht /welchen die geistliche Braut den Fluß des Gewürzes benahmset / weilen nehmlich aus einem reinen Hertzen gleichsam ein lieblicher Geruch zu GOtt aufsteiget. Durch den dritten der Fluß der Betrachtung / welcher gleichet einem Crystallenen / oder gläsernen Meer welches mit Feur vermischt ist (wie es der Heil. Joannes in seiner heimlichen Offenbahrung gesehen hat) wegen Hoheit und Klarheit des beschaulichen Lebens. 35 Durch den vierdten aber der Fluß oder überhäuffte Menge der himmlischen Freuden und Glori /welchen David nennet Torrentem voluptatis, einenBach der Wollüsten. 36 Alle diese 4. Wässer /nehmlich der Frieden / die Andacht / die Betrachtung und die Glori fliessen häuffig aus dem Paradeyß eines guten und reinen Gewissens.

Ferners ist ein wohlberühmter Fluß der Nilus / der zu gewissen Zeiten gantz Egypten-Land (allwo es niemahl zu regnen pflegt) überschwemmet und fruchtbar macht. 37 Also thut auch ein gutes Gewissen den gantzen Menschen / welcher von dem Regen der eitlen irrdischen Wollüsten nicht benetzt wurd / überschwemmen und an guten Wercken / an reichlichen Verdiensten fruchtbar machen. Auch der Fluß Jordan ist berühmt schon in dem alten Testament wegen dem wunderbarlichen Durchzug der Arch des Bunds / so mit trucknem Fuß geschehen ist. In dem Neuen aber wegen dem Tauff Joannis der darinn ist ertheilt worden. 38 Ein rechtes Sinnbild der Reinigkeit / als in welchem Christus selbst hat wollen gewaschen werden / dem Wasser die Krafft zu ertheilen hinfüran die Seelen zu reinigen.

Noch viel andere wunderwürdige Flüß seynd in unterschiedlichen Ländern [32] und Reichen anzutreffen: als erstlich der so genante Silber-Fluß in Brasilien / der goldreiche Fluß Tagus in Lusitanien / der Saffran- Fluß Hoang in Sina / wird also genant wegen der gelben Farb seines Wassers / welchen der gelbe Grund verursachet: der Fluß in der Landschafft Suchuen der Perlen-Fluß genant / dieweil in demselben zu Nacht viel Liechter scheinen / von welchen die Sineser glauben / es seyen Carfunckel-Stein. 39 Das Flüßlein so bey der Stadt Koncheu solle ein so leicht und dinnes Wasser führen / daß kein Strohalm oder Spreuer darauf schwimmen könne. Unter der Stadt Foning rinnet aus dem Berg Talao ein Flüßlein / dessen Wasser zu Herbst-Zeit Himmel-blau ist / darinn die benachbarte ihre Tücher färben und waschen.

Der Fluß Kinbey der Stadt Chingthu wird insgemein der damastene Fluß genennt; der Ursach / weil alle Seiden / so in ihm gewaschen wird / einen wunder-schönen Glantz bekommt. Unter Chingtien auf dem Berg Zuaci fließt ein Wasser / welches einen lieblichen Geruch und süssen Geschmack von sich gibt. Bey der Stadt Choxan ist ein Flüßlein / dessen Wasser alle Fleck und Massen aus den Kleyderen gar leicht vertreibt: es soll auch vortrefflich seyn Gewehr und Waffen zu schärpfen / weil es ein heimliche Schärpfe in sich hat. Plinius und Solinus rühmen sehr die 2. Flüß so Choaspis und Euläus heissen / deren Wasser so rein / gesund und wohlgeschmack ist / daß es die Persische und Pharter-König sehr hochgeschätzt und von fern zu trincken / abholen lassen.

Nicht weniger ja mehrers seynd berühmt die grosse zwey Flüß Indus und Ganges / in welchen auch unterschiedliche Edelgestein zu finden: neben mehr anderen goldreichen Flüssen in Ost- und West-Indien.

Aber alle die gemeldte vortrefflich- und berühmte Flüß übertrifft weit das edle Wasser eines guten reinen Gewissens: dann es führet das kostbare Gold der Liebe GOttes / und das Silber der Reinigkeit mit sich. 40 Es seynd in selbem auch Perlein und Edelgestein der herrlichisten Tugend- und Vollkommenheiten zu finden: Es hat auch die schönste Farben / und gibt einen lieblichen Geruch des guten Exempels von sich: Es ist gesund und süß / das ist / nutzlich oder verdienstlich in allem Thun und Lassen / und versüsset die Bitterkeit des Creutz und Leyden / der Trübsal und Widerwärtigkeiten. So viel von Flüssen seye genug.

Was aber weiters die Bronnen anbelangt / welche auch nicht den geringsten Theil dises Elements ausmachen / so gereicht zu ihrem sondern Lob das lateinische Sprüchwörtlein amat sapientia fontes, die Weißheit liebt das frische Bronnen-Wasser. 41 Ja das Bronnen-Wasser ist auch ein Sinnbild der Weißheit /und diese kan selber ein klares Bronnen-Wasser genennt / oder mit selbem verglichen werden. Dann erstlich / gleichwie das frische Bronnen-Wasser zu dem täglichen Gebrauch der Menschen sehr dienlich und nothwendig ist / also ist die Weißheit (ich verstehe die wahre Christliche / nit die eitle Welt-Weißheit (in allem Thun und Lassen sehr nutzlich und nothwendig. Das Bronnen-Wasser ist gut zum Trincken / zum Kochen und Waschen / es löschet den Durst / säuberet die Leinwath / und kochet die Speisen: Auch die Weißheit löschet den Durst / das ist / die dem Menschen angebohrne Begierd zu wissen und zu erkennen: Sie reiniget den Verstand von denen Mackeln der Irrthumen / Fehler und Unwissenheit: sie muß auch alles verkochen / inmassen wann ein Geschäfft oder Vorhaben / nicht wohl ausgekocht / das ist / weißlich überlegt und ausgesonnen ist / so geht es nicht glücklich von statten / es ist kein guter Ausgang zu hoffen. Aber wann man frisches Wasser aus dem Schöpff-Bronnen haben will / da muß man sich darum bearbeiten / und eine Mühe anwenden / wie es das Samaritanische Weiblein wohl erfahren hat / und deßwegen Christum bey dem Bronnen gebetten / er soll ihr von dem lebendigen Wasser zu trincken geben / [33] damit es nicht mehr dürfte / und zu dem Bronnen zu schöpffen kommen müsse. 42 Deßwegen kan einem Schöpff-Bronnen billich die Sinnschrifft zugeeignet werden:


Omnibus affluenter.
Er gibt des Wassers allen viel /
Wer nur immer schöpffen will.

Eben also wer das Wasser der Weißheit erwerben will / muß sich darum bemühen und bearbeiten: dann nach Zeugnuß des gedultigen Jobs: Sapientia non invenitur in terra suaviter viventium: 43 Die Weißheit wird nicht gefunden im Land deren die in Wollüsten leben. Und wann man das Bronnen-Wasser klar und rein erhalten will / so muß man den Bronnen öffters säuberen / und verhüten / daß nichts unreines darein falle: auch die Weißheit gehet nicht ein in eine boßhaffte / unreine Seel / und wohnet nicht in dem Leib / welcher der Sünd unterworffen ist. 44

In der Provintz Chiapa nahe bey dem Dorff Cinacatan, trifft man einen kleinen Bronnen an / welcher dienet die Kranckheiten zu curiren / welche Corrosion und hitzige Artzney-Mittel erfordern: Hingegen sterben die Thier so daraus trincken. 45 In Neu Andalusia in dem Eyland Cubagua kommt man zu einem Bronnen der ein wohlriechendes und sehr heylsames Wasser führet. 46 An etlichen Orthen der ProvintzCaizimu quellen wunderbarliche Bronnen herfür / die obenher süß seynd in der Mitte halb süß und halb saurlecht / auf dem Grund aber gantz saltzig und bitter. Zu Guancavelica in Peru ist ein Bronn darauß heiß Wasser fliesset / welches wann es heraus kommt sich in Stein veränderet / und von solchen Steinen seynd vast alle Häuser desselben Orths gebauet: die Stein lassen sich leicht mit Eisen zubereiten als wie Holtz / seynd auch leicht zu heben und dauren doch lang. Wann aber ein Mensch oder Vieh aus selbem Wasser trincket / so muß es sterben / weil es zu Stein wird in seinem Leib.

In Peru findet man Pech- und Hartz-fliessende Bronnen / die Schiff-Leuth machen es ihnen zu Nutz /und pflegen ihre Schiff-Seiler und Segel darmit zu schmieren. Zu Gualva in der Insul Tercera in Ost-Indien trifft man einen Bronnen an / so alles Holtz mittler Zeit in harte Stein verwandlet. In der Insul Sumatra ist ein Bronn / aus welchem reiner und köstlicher Balsam fließt. In der Landschafft Zantung unter der Stadt Tangcheu ist ein Bronnen der zugleich warmes und kaltes Wasser von sich gibt. Auf dem Berg Lenion in der Landschafft Ensi ist ein Crystall heller Bronnen / der zwar kaum vier Elen tieff / und doch ist das Obertheil desselben sehr kalt / unten aber auf dem Boden so heiß / daß mans nicht erleiden kan.

In der Landschafft Quangsi bey Hingan findet man einen Bronnen / dessen Wasser halb trüb / halb aber sehr klar ist / und wann man es schon unter einander mischet / so bekommt es doch alsobald wiederum seinen vorigen Unterschied. In der Gegend der Stadt Syracusa ist ein Bronn der an und für sich selbsten nicht starck fliesset / sobald aber eine Anzahl Men schen dahin kommet zu trincken / vermehret sich die Quell alsobald; Eben da befinden sich noch zwey andere Bronnen nahe beysammen / davon der eine die Menschen und Thier fruchtbar / der andere aber unfruchtbar machet.

Die bißhero erzehlte Bronnen seynd zwar Wunder der Natur / aber die nachfolgende seynd auf eine übernatürliche Weiß entsprungen. 47 Erstlich hat mein H. Vatter Benedictus durch das Gebett auf dem Gipffel eines hohen Felsens 3. frische Wasser-Bronnen häuffig fliessen gemacht. Zweytens hat sowohl der H.Amatus Abbt / als der Heil. Bischoff Samson mit seinem Staab auf einen Felsen schlagend einen lebendigen Bronnen erweckt.

Drittens der Heil. Bischoff Cadocus als er einstens zu Kernau im Normanner Land grossen Durst litte /stosset seinen Staab in ein öde und dürre Erden / und sihe alsbald quellet eine reiche Wasser-Ader herfür /welche der Heil. Mann geseegnet / und GOtt gebetten hat / daß alle Krancke und Presthaffte so daraus trincken / genesen [34] / und das Wasser alle gifftige Suchten und Würm aus dem Leib vertreibe. Viertens mit dem H. Balensischen Abbt Mochua hat es sich zugetragen / daß / als er von Benchor aus dem Closter in Ultovien gelegen / Krafft des Gehorsams abgereißt / da ist ihme von freyen Stucken ein Bronnen-Quell / in Gestalt einer dicken und schwartzen Wasser-Wolcken /die doch kein Wasser / sonder vielmehr Milch von sich fallen ließ / bey hellscheinender Sonnen nachgefolgt etc.

Wunder- und preißwürdig seynd die erzehlte Bronnen-Wässer: aber das sittliche Wasser der Weißheit übertrifft alle: dann jene haben ihren Ursprung nur aus der Erden / diese aber in dem Himmel / sie ist ein gantz himmlische Gaab / und höchst erwünschlich /wie es gar wohl erkennt hat der weise Salomon / da er vor allem GOtt inständig um die Gnad der Weißheit gebetten hat / und selbige über alle irrdische Güther und Glückseeligkeit hochgeschätzet. 48

Lasset uns auch mit ihme zu GOtt ruffen / und um die wahre Weißheit bitten / mit eben denen Worten:Sende sie herab aus deinen heiligen Himmlen /daß sie bey mir seye und mit mir arbeite / daß ich verstehe / und wisse / was dir angenehm ist. 49 Dann wahrhafftig / wie eben der Salomon bezeuget /die Weißheit ist besser / als die köstlichste Reichthumen / und alles was man wünschen mag / kan ihr nicht gleichen. 50

Den vierdten Theil des Wassers / nehmlich die See betreffend / weilen sie von dem Meer nicht gar viel unterschieden seynd / so verschieb ich biß dahin von ihnen etwas zu melden. Indessen aber beschliesse ich die gegenwärtige Materi von dem Element des Wassers mit folgenden Reimen / die sich nicht übel daher schicken.


Mit Wasser fleißig wasch die Händ /
Mund und Muth mit gutem Wein:
So wird der Mund / der Muth und Händ
Fein sauber und fröhlich seyn.

Oder vielmehr:

Mit Wasser wasch die Händ /
Das G'sicht in Zäher-Fluth:
Das Hertz mit wahrer Reu /
Die Seel in Christi Blut:
Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Lufft.

Der Lufft ist ein von Natur feichtes warmes und leichtes Element. Er wird von denen Philosophis in drey Theil oder Regionen abgetheilt: nehmlich in die unterste / mittlere und oberste. 51 Die unterste in welcher wir uns befinden / fangt gleich ob dem Erdboden an /und erstrecket sich biß zu denen Gipffeln der hohen Bergen / beyläuffig in die zwey Meil hoch: Und diese Region ist nicht gar zu kalt / und nicht gar zu warm /sonder mäßig auf daß es die Menschen und Thier erdulden und füglich darinn wohnen können. Die anderte oder mittlere ist vil kälter / sie begreifft die Wolcken in sich und erstrecket sich in die Höhe ohngefähr drey Meilen weit / biß an die Gipfel der allerhöchsten Bergen. Die dritte und oberste fanget an / wo die Wind und Wolcken aufhören / und erhebt sich biß zu dem Elementarischen Feur das gleich ober dem Lufft ist / und diese ist sehr heiß / und erstrecket sich weiter in die Höhe als die andere zwey. Wann aber dieses Element nur in 2. hauptsächliche Theil und Regionen abgetheilt wird / so bestehet der gröste Unterschied dieser beyden in dem / daß der obere Theil deß Luffts gantz ruhig / still und unveränderlich ist / allzeit heiter / leicht / subtil / rein und klar; weilen er nehmlich etwas von der Natur des Himmels / und der Sonnen /welchen er auch näher ist / participiret. Der untere Theil hingegen ist gar unbeständig / veränderlich und unruhig: er ist bald heiter und bald trüb / bald kalt bald warm / bald rein und gesund / bald verunreiniget / bald ungesund; weilen er nehmlich etwas von der Natur des Wassers und der Erden hat / oder mit deroselben aufsteigenden Dämpffen vermischt ist: Deßwegen [35] werden auch im untern Theil deß Luffts unterschiedliche Ding gezeugt / und herfür gebracht / als Wind und Wolcken / Regen und Schnee / Donner /Blitz und Hagel etc.

Im sittlichen Verstand deutet uns der Lufft den Menschen und das menschliche Leben an: dann auch der Mensch bestehet in 2. Theilen / nehmlich in dem Oberen und dem Unteren / das ist / in dem Geist / und in dem Fleisch / in der Seel / und in dem Leib / in der Vernunfft und in der Sinnlichkeit. 52 Das menschliche Leben ist aber ebenfalls zweyfach / nehmlich das beschauliche und würckende Leben. Der ober Theil des Menschen / die Seel / ist an ihr selbsten / und von Natur allzeit hell / subtil / klar und rein / weilen sie wegen dem Liecht des Verstands ein pur lauterer Geist; sie ist unzerstörlich und unveränderlich / weilen sie etwas mehrers von der himmlischen / ja von der Göttlichen Natur participiret: das Fleisch aber und der Leib ist schwer und dunckel / er ist unrein wegen der bösen Feuchtigkeiten / verderblich und unbeständig / bald schwach / bald starck / bald gesund /bald ungesund etc.

In der Vernunfft / als in dem oberen Theil des Menschen gehet es allzeit ruhig und still / recht und richtig / und mit einem Wort vernünfftig zu: aber in dem untern Theil / das ist / in der Sinnlichkeit und Empfindlichkeit gibt es offt grosse Confusion, Ungewitter /und Unordnungen ab: Zu Zeiten ist zwar schön- und stilles Wetter / das ist / der Mensch ist still / ruhig und zu frieden / offt aber thut es winden / regnen und schneien / ja auch donnern / blitzen und haglen: das ist / es blasen die Sturmwind der bösen Begierden /der Hoffart / des Zorns etc. es fallen da starcke Regen der unzimlichen Wollüsten / die Schnee und Reiffen der Eitelkeiten / des Ehr- und Gelt-Geitzes / der Nebel der Unwissenheit / der Frost der Trägheit / auch der Donner des Zancks und Haders / der Rauberey. Es tumultieren und brechen aus die hefftige böse Neigungen / und erwecken ein starckes und gefährliches Ungewitter; weilen nehmlich der untere Theil des Menschen / das ist / der Leib mehr viehisch und irrdisch ist / als geistlich / mit irrdischen Dämpffen der unordentlichen Begierd- und Anmuthungen angesteckt und erfüllet. Daher entstehet der Streit / von welchem der Heil. Apostel Paulus meldet / wann er sagt: Caro concupiscit adversus Spiritum, & Spiritus adversus carnem. 53 Das Fleisch gelüstet wider den Geist /und der Geist wider das Fleisch / sie seynd wider einander. Aber der Geist und die Vernunfft sollen allzeit die Oberhand behaupten und das Regiment führen über das Fleisch und die Sinnlichkeit / und diese nicht Meister seyn lassen / sonsten gehen beyde mit einander zu grund. 54 Es ergehet ihnen als wie jenen zwey Brüdern ergangen ist / deren der eine närrisch / der andere aber gescheid ware. Sie reißten mit einander über Feld / und kamen zu einem zweiffelhafften Weeg der sich in zwey Straffen abtheilte / die eine war schön weit / eben und annehmlich / und sehr viel Leuth wurden da gesehen / die andere Straß hingegen ware sehr rauh / dornächtig und unlustig / und waren gar wenig Leuth darauf anzutreffen / nachdem nun diese zwey Brüder sich eine lange Zeit berathschlagten / welches der rechte Weeg seyn möchte / da liesse sich der gescheidere von dem närrischen überreden / daß sie von dem rauhen abwichen und den schönen guten Weeg antraten / siehe aber gar bald musten sie mit gröstem Schaden und Hertzenleyd erfahren wie weit sie gefehlt haben; dann der gute Weeg nahme ein End / sie wurden verführt / und geratheten zu einer Mörder-Gruben / allwo sie das ihrige samt der Freyheit haben eingebüßt / und alsdann mit spater Reu fienge an einer den anderen zu beschuldigen /daß er die Ursach seines Unglücks und Verderbens seye. Die gemeldte zwey Brüder können gar füglich in einem sitttlichen Verstand auf die zwey Theil des Menschens / nehmlich den Geist und das Fleisch /oder den Leib und die Seel gezogen und ausgedeutet werden / also daß [36] durch den närrischen der Leib /durch den gescheiden aber die menschliche Seel zu verstehen ist: diese zwey mit einandet haben eine langwierige Reyß zu verrichten / indem sie gleich nach ihrer Erschaffung den Weeg zur Ewigkeit antretten / und auf demselbigen unaufhörlich müssen fortgehen / nun begibt es sich zum öfftern auf dieser Wanderschafft / daß sie zu einem solchen zweyfachen und zweifelhafften Weeg kommen / unwissend welchen sie sollen antretten / der eine ist anfänglich etwas rauh / eng und mühsam / hernach aber thut er sich in eine überaus schöne und annehmliche Ebne ausbreiten / der andere hingegen kommt zwar einem von Anfang schön / eben und lustig vor / est via, quæ homini videtur recta, aber novissima ejus ducunt ad mortem 55 dessen Ausgang führet ohnfehlbar in das Verderben; deutlicher zu reden will ich sagen: Das eine ist der Creutz-Weeg / welcher führet zu der Seeligkeit / anfangs rauh und Eng / arcta via est, quæ ducit ad vitam & pauci sunt, qui inveniunt eam, 56 deßwegen auch wenig darauf wandern wollen: Auf dieser Strassen befindet sich Christus mit denen Auserwählten /sprechend / ego sum via, sequere me, ich bin allein der rechte Weeg / folget mir nach so werdet ihr unfehlbar zur Seeligkeit gelangen: Das andere ist die allgemeine Straß der Welt-Menschen / dem Ansehen nach ein gar schöner und guter Weeg / spatiosa via est, quæ ducit ad perditionem & multi sunt qui intrant per eam. 57 Er wird auch gar starck passirt /dann der höllische Feind reitzet die Menschen gar hefftig an / und verspricht ihnen betrüglich er wolle sie führen zu erwünschtem Zihl und End. Es sollte zwar freylich der Geist als der Gescheidere das Fleisch regieren / und durch die Vernunfft die Begierlichkeit zähmen / aber leyder zum öfftern geschiehet es / daß sich die Vernunfft von dem Fleisch lässet verführen / sie weichen ab von dem sichern Weeg der Seeligkeit / und gehen nach dem Weeg der sündlichen Wollüsten / und also fallet der Reiter und das Pferd zusammen in eine Gruben / Leib und Seel gehen miteinander zu Grund. Und eben dieses ist / was der Apostel Paulus austrucklich geschrieben hat: Si secundum carnem vixeritis moriemini: 58 Wann ihr nach dem Fleisch lebet / das ist / wann ihr eurer Begierlichkeit nachgehet / so werdet ihr sterben und verderben.

Zum anderen kan eben auch in sittlichem Verstand durch die obere Region deß Luffts die triumphirende Christliche Kirch / nehmlich die Seelige in dem Himmel / und durch die untere Region die streitende Kirch / das ist / die Catholische auf der Erden verstanden werden. 59 Dann gleichwie die obere Region des Luffts allzeit schön ruhig von dem Elementarischen Feuer und von der Sonnen gantz warm und heiter ist /also / und noch vielmehr ist die himmlische Region /die triumphirende Kirch der Heiligen allzeit unbegreifflich schön gantz ruhig und vergnügt / von keiner Trübsal oder Widerwärtigkeit jemahl im geringsten verstört / sie ist allzeit vollkommen erleuchtet und erhitzet von der Klarheit des unerschaffenen Liechts der Göttlichen Gnaden-Sonn. Die Seelige in dem Himmel seynd in dem beschaulichen Leben / (das in der Erkanntnuß und Liebe GOttes bestehet) gäntzlich unveränderlich von dem allerhöchsten Guth erfüllt und eingenommen / sie wissen nichts von einem aufsteigenden Dampff einer irrdischen Affection, oder von einem Wind-Wölcklein der Widerwärtigkeit / nichts von einem Blitz oder Donner einer Göttlichen Ungnad etc.

Hingegen aber gleichwie die untere Region des Luffts vielem Ungemach und Veränderungen unterworffen ist / viel Unruhe und Ungewitter ausstehen muß / also die Christglaubige in der streitenden Kirchen auf diser Welt / seynd vielen Veränderungen Anstoß- und Ungelegenheiten unterworffen / sie müssen dem mühsamen würckenden Leben obligen / und immerdar mehrere Verdienst sammlen / dann sie werden vielfältig beunruhiget und angefochten von sichtbarlichen und unsichtbarlichen Feinden / sie haben immerdar zu streiten [37] wider die Welt / das Fleisch und den Teufel / wider die gottlose Verfolger der Kirchen /wider die Ketzerey und Irrthumen / wider die böse Begierd und Anmuthungen etc. Sie wandlen annoch in der Dunckle des Glaubens / und müssen bald die Hitz der Begierlichkeit / bald den Frost des Mißtrosts und Verlassenheit / bald die Wind und Regen der Unbilden und Verfolgungen ausstehen.

Gleichwie es in der untern Region des Luffts unterschiedliche feurige impressiones oder entzündte Dämpff abgibt / welche zu Zeiten in der Nacht aus der Lufft herab fallen / und wie Sternen scheinen / da sie doch nichts anders seynd / als eine hitzige und zähe Feuchtigkeit / deren rußige und schmutzige Materie wir nicht sehen / wohl aber den Glantz derselben / der doch bald vergehet und verschwindet: eben also gibt es in der streitenden Kirchen nicht wenig Schein-Heilige / Gleißner und betrügliche Lehrer ab / welche dem äuserlichen Schein nach einen gottseeligen Wandel führen / für fromm und gerecht gehalten werden /aber innerlich seynd sie nichts nutz / gottloß / und lasterhafft / wie die Pharisæer waren: Man siehet und bewundert zwar den äuserlichen Glantz einiger Tugend und guten Wercken an ihnen / aber den innerlichen Schalck das böse und gleißnerische Gewissen die verkehrte Meynung kan man nicht sehen. 60 Sie dauren auch nicht lang / sie verschwinden bald wie ein leerer feuriger Dunst oder Dampff dann in der Nacht der Widerwärtigkeit / wann es ihnen nicht nach ihrem Sinn gehet / haben sie keinen Bestand / sonder fallen offt gar aus dem Lufft der Catholischen Kirchen auf die Erden in den Koth der Irrglaubigen herab / wie es dem Martin Luther und andern seines gleichen ergangen ist / und alsdann wollen ihre Gönner und Nachfolger behaupten / es seye ihnen ein hell-glantzender Stern erschienen / es seye ein hocherleuchter tugendsamer Mann gewesen: Aber nein / sie betrügen sich weit / es ware nur ein falscher Stern / ein betrüglicher Schein / gleich denenjenigen nächtlichen Polter-Geistern / oder feurigen Dämpffen / welche die / so ihnen nachgehen / in tieffe Moos oder stinckende Pfützen verführen etc.

Endlichen gleichwie der Lufft die eigenthumliche Wohnung aller Vöglen ist / nicht nur des Königlichen Adlers / der lieblich klingenden Nachtigall / der reinen und unschuldigen Tauben / sondern auch der Diebischen Raub-Vögeln / der schandlichen Nacht-Eul und verächtlichen Fleder-Mäusen / also stehet auch die streitende Kirch all- und jeden offen / sie behaltet in ihrer mütterlichen Schoos nicht nur die Fromme und Gerechte / sonder auch die Sünder und Gottlose /nicht nur die Gehorsame / die sie zieren und verehren / sonder auch die Widerspennige / die sie betrüben und entunehren / so lang sie immer den wahren Glauben behalten.

Ubrigens ist der Lufft an unterschidlichen Orthen gantz unterschiedlich / anderst ist er beschaffen auf dem Meer / und anderst auf der Erden / anderst auf den hohen Bergen / und anderst in der Fläche / oder in den Thäleren. In Peru ist ein überaus hohes Gebürg Pariacava genannt: auf diesem Gebürg kommt man in einen sehr gefährlichen Lufft / den man den Angst-Lufft oder den ängstigten nennet / weilen er nehmlich zum Athmen oder Schnaufen gar unbequem ist / und folgends die Reysende also ängstiget und quälet / daß sie besorgen gleich auf der Stell Tod zu bleiben: er verursachet grosse Schmertzen in dem Leib und ein so grosses Magen Erbrechen / daß das Blut mitgehet: Er ist so subtil daß er biß auf das Inngeweyd durchtringet / doch bringt er für ordinari die Menschen nicht ums Leben. 61 Wann man von Peru zu Land in das Königreich Chili reyset / trifft man einen sanfften Lufft ein kleines Windlein an / welches aber so schädlich und durchtringend / daß die Leuth offt / ehe sie es recht empfinden / tod darnider fallen: öffters geschieht es daß denen Reysenden die Finger und Zähen darvon absterben und von Händ und Füß abfallen.

Auf dem hohen Gebürg Andes zwischen Peru und Chili ist ein so subtiler [38] Lufft / daß man kaum ohne Gefahr des Verstickens allda sich eine Zeitlang aufhalten kan: welches die Raysende nöthiget / einen Schwammen im kalten Wasser eingetaucht mit sich zu führen und den Lufft dardurch an sich zu ziehen /damit er also mit der Feuchtigkeit vermischt gröber und dicker / und zum Schnauffen tauglicher werde. Ebner massen ist derselbige Lufft also hefftig inflammirt und entzündet / daß er die Wanders-Leuth dermassen erhitzet / daß es scheint als wann sie samt ihrem Athem Feuer-Flammen von sich geben. Indisch und Sinesischer Lust-Garten à f. 1082. & 936.

Das ist durchgehends gewiß daß in der Höhe der Lufft viel subtiler / und aber eben darum viel gefährlicher seye / als in der Nidere. 62 Derowegen wann ich dieses Element nochmahlen in 2. Regionen abtheilen soll / so kan ich durch die obere Region den oberen Theil eines Politischen Regiments / das ist / die vorgesetzte Regenten und Obere / durch die untere Region aber die Gemeine oder Unterthanen verstestehen. Gleichwie nun der Obere Theil des Luffts besagter massen allzeit schön-heiter und beständig ist / und keinem Ungewitter und keiner Veränderung unterworffen / wann es schon in dem untern Theil des Luffts regnet oder schneiet / donneret und blitzet / so lasset sich der obere Theil darum nichts irren / er wird nicht verstöhrt / oder verfinsteret: also sollen auch die Geistliche und Weltliche Regenten / Vorgesetzte und Obrigkeiten allzeit wohl versammlet / erleuchtet / und ruhig seyn / unverstöhrt und standhafftig bleiben in ihrer Verwaltung / wann es schon bey denen Unterthanen Uneinigkeit / und Verwirrungen abgibt: wann schon bey denen Untergebenen dicke Nebel der Unwissenheit aufsteigen / Schnee und Regen der Trägheit oder böser Gelüsten fallen / so solle doch bey denen Oberen die Klarheit des Verstands und guter Erfahrnuß oder Vorsichtigkeit unverfinsteret bleiben /und die Hitz des Eyfers / der Liebe gegen ihren Untergebenen nicht abnehmen. Wann schon bey denen Unterthanen ein böser Lufft des Ehr-Geitzes / des Geld-Geitzes / oder der Mißgunst etc. wehet / so sollen doch die Obere sich nicht darvon lassen anstecken /oder anblasen: sonder jederzeit beflissen seyn mit Nutzen vorzustehen. Præsunt ut prosint. Ihr Glantz und Schein soll nutzlich seyn. 63 Dann wie der Römische Redner sagt: die Menschen werden nicht ehender den Göttern gleich / als wann sie die gemeine Wohlfahrt befördern. In den hohen Ehren-Stellen sich befinden / wie ein irrdisches Gestirn schimmern und und glantzen / über andere herrschen / recht und Gesätz vorschreiben ist zwar ein grosser Ruhm: es wird aber derselbige hefftig verduncklet / wann dises alles nur zu eignem und nicht vielmehr zum gemeinen Nutzen angewendet wird. Ein Vorsteher muß wissen daß er nicht mit ihm selbsten / sonder seinen Untergebenen zugehöre: und daß er seine Mühe und Dienst gar zu eng wurde einschrencken / wann nicht dieselbe allen zu Nutzen kämen. Das grosse Welt-Meer / verschlucket zwar alle Flüß / sie müssen ihm den grösten Zoll bezahlen / doch gibt es ihnen ihre Wasser-Flutten zu ihrem besten wiederum zuruck. Eben also ein Regent solle dasjenige was er von seinen Unterthanen empfangt wiederum zu dero Wohlfahrt anwenden / wie ihne jenes Verslein erinneret:


– – – Tu Consule cunctis,
Non tibi, nec tua te moveant, sed publica vota.
Sey jedermann bedient / schau nicht auf dich allein /
Sonder des Volcks Wohlstand laß dir befohlen seyn.

Ferners weilen auch / wie gemeldt der Lufft in der Höhe gar subtil ist / und aber eben darum viel gefährlicher als in der Nidere (absonderlich wann man ihn starck an sich ziehet) so sollen die Obere sich in Obacht nehmen / daß sie in ihrer hochen Würde den subtilen und schädlichen Lufft der eitlen Ehr nicht begierig hinein schlucken. 64 Hingegen die Unterthanen sollen sich nicht anmassen Häuser in den hohen Lufft[39] zu bauen / das ist / sie sollen nicht unordentlicher weiß nach hohen Würden und Ehren streben; dann neben dem daß ein solches Gebäu kein Fundament oder festen Grund haben würde / so thäten sie sich auch in einen gar schädlich- und gefährlichen Lufft aussetzen / der sie leichtlich verstecken / und ihnen das Lebens-Liecht auslöschen / das ist / der Gnad GOttes berauben konnte.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von dem Feur.

Das Feur ist ein hitziges und truckenes Element / es ist das leichtest und subtileste unter allen vier Elementen: und eben darum hat das pure Elementarische Feuer seinen eigenthumlichen Wohn-Sitz / nach der Lehr des Aristotelis ober dem Lufft / gleich unter dem Crayß des Monds / allwo es sich in eine unermessene Weite ausbreitet / doch aber gantz keiner Nahrung bedürfftig ist; weilen es nehmlich nichts von aussen hat / weder Kälte / noch Feuchtigkeit / so ihme widerstehe. 65 Da hingegen unser irrdisches oder gewöhnliches Feuer / das wir sehen und empfinden / nicht pur und lauter / sonder mit andern Cörperlichen Dingen vermischet ist / nicht bestehen kan / wann man ihm nicht immerdar Holtz oder andere brennende Materi zu seiner Nahrung oder Erhaltung zuschiebet; weilen es nehmlich von anderen widrigen Dingen / verstehe die Feuchtigkeit des Luffts / und Kälte des Wassers bestritten und angefochten wird. Daß wir aber dieses Feuer nicht sehen / ist die Ursach / weilen es so subtil / und sehr weit von uns entfernet ist.

Sonsten ist das Feur von der grösten Activitæt oder hefftigsten Krafft zu wircken / inmassen es fast alles verzehret / und in Staub und Aschen verwandlet: auch die Kisel-Stein brennt es zu Kalch und Pulver / auch die hartiste Metall zerschmöltzt es / und macht selbe im Feur-Ofen wie einen feurigen Wasser-Strohm fliessen. Seine natürliche Bewegung bestehet in dem /daß es allzeit über sich in die Höhe trachtet.

Das Feuer ist ein sonder fürtreffliches und schon von alten Zeiten ein hochberühmtes Element. 66 Die alte Heydenschafft ware also von dem Glantz des Feurs verblendt und eingenommen / daß sie es für einen Gott gehalten und angebettet. Die Persianer pflegten es auf silbernen Altären mit sich herum zu führen bey ihren Kriegs-Heeren in dem Feld / weil sie von ihm Glück im Streit / und den Sieg verhofften. Auch die Römer führten unter andern Kriegs-Fahnen etliche / auf welchen nichts anders als lauter brennende Feurs-Flammen abgemahlet waren. Sie bestellten und ernährten auch deßwegen die sogenante Virgines Vestales, welches gewise Jungfrauen waren / die Tag und Nacht nichts anders zu thun hatten / als mit gröstem Fleiß und Sorgfalt zu verhüten / daß das Feur auf dem Altar in dem Tempel niemahl verlösche. Es ist sich zwar dessen so viel nicht zu verwundern: dann es waren halt blinde und verblendte Heyden. Aber dieses ist sehr zu verwundern / daß auch der wahre und allerweisiste GOtt selber das Feuer im Werth und Ehren haltet / daß er es nicht nur schon in dem alten Testament auf einem besondern Altar vor seinem Angesicht unaufhörlich brennend / durch ein gewise mit Fleiß darzu bestellte Geistlichkeit zu erhalten befohlen hat.Ignis in altari meo semper ardebit. 67 Das Feur soll auf meinem Altar allzeit brennen. es soll seyn ein ewiges Feur und nimmermehr verlöschen / sondern er hat nach Zeugnuß der Heil. Schrifft in unterschiedlichen und fürnehmsten Geheimnussen sich dieses Elements des Feurs bedient / und durch dasselbige viel grosse Wunder gewürcket. Ja er will selbsten ein Feur genennt / und für ein Feur gehalten werden: DEus noster ignis consumens. 68 Unser GOtt ist ein verzehrendes Feur sagt Moyses. Als der HErr zu Zeiten Eliæ von dem Judenthum für den wahren GOtt wollte erkennt werden / erwieß er es durch das Feur. DEus, qui exaudierit [40] per ignem, ipse sit DEUS, hat es geheissen: Der aus allen Göttern das Volck erhören wird durch Mittel des Feurs / dieser soll für den eintzigen GOtt gehalten werden. Und wann im alten Testament ihme Ochsen / Kälber oder Schaaf geopfferet wurden / da schickte er das Feuer vom Himmel herab / das Opffer zu verzehren / wann es ihme anderst angenehm ware / wo nicht / da ließ er es unberührt verbleiben. Mit einem Wort GOtt bediente sich des Feurs so offt / und in so wichtigen Sachen /daß es scheint / als wann er kein besseres und fürtrefflichers Instrument oder Werck-Zeug in seiner Schatz- Kammer hätte grosse Wunder-Ding auszuwürcken. Was thate nicht an dem Heil. Pfingst-Fest GOtt der Heil. Geist? Er selbsten hat die Gestalt des Feurs an sich genommen / und ist also auf die Welt über die Heil. Apostel ankommen / apparuerunt illis dispertitæ linguæ tanquam ignis, seditque supra singulos eorum. 69 Es erschienen ihnen zertheilte Zungen als wie Feur-Flammen / die setzten sich auf einen jeden der Apostlen: Und was erfolgte daraus? eine sehr verwunderliche und herrliche Würckung /nehmlich repleti sunt omnes Spiritu Sancto. Es seynd alle mit dem Heil. Geist erfüllet worden.

Wegen diesem allem ist das Feuer ein Sinnbild der Liebe GOttes / und des Geists der Liebe selber / das ist / des Göttlichen Heil. Geists. 70 Dann erstlich gleichwie das Feur das reiniste / fürnehmste / oberste und stärckste unter den Elementen ist / also ist die Lieb die edelste / schönste und mächtigste unter denen Theologischen Tugenden: Major autem horum Charitas. Gleichwie das Feuer allzeit über sich begehret / und in der Nidere kein Ruhe noch Rast hat /also ziehlet die wahre Lieb allzeit auf GOtt / und hat an denen irrdischen Dingen kein Vergnügen noch Wohlgefallen. Gleichwie das Feuer so hefftig und mächtig ist / daß es alles / was nur immer brennen kan / verzehret / und in sich verkehret / auch niemahl müßig / sonder allzeit würcksam ist / also ist die Liebe GOttes so starck und kräfftig / daß sie alles übertragt / omnia sustinet, alles zum Guten wendet /ja wann sie nicht würcket / so ist es kein wahre Lieb nicht. Das Feur thut sich unermessen weit ausbreiten über alle andere Cörperliche Ding / und ein Feuer zündet leicht hundert andere Feuer an: Auch die wahre Lieb erstreckt / und giesset sich über alle Menschen aus / über Feind und Freund / über Gutthäter und Widersacher. Das Feuer ist unersättlich und greifft immerdar weiter um sich. Ein mit der Liebe GOttes entzündte Seel zündet mit ihrem Eyfer durch die Wort und Exempel viel andere an: Es ist ihr nichts zuviel / sie verlanget mit dem Apostel Paulo allen alles zu werden / auf daß sie alle Christo gewinne. 71

Ein Gedicht der Poeten ist es / daß der Prometheus aus Leim so künstliche Statuen oder Bilder zusammen gefügt habe / daß ihnen nichts als das Leben abzugehen schiene: diesen Bildern aber den edlen Lebens-Geist zu verschaffen / und die angenehme Bewegung der Glider beyzubringen / habe er sich zum feurigen Sonnen-Wagen erhoben / allda eine Fackel angezunden / und mit derselben die leblose Bilder berührt / da / sihe Wunder / sie fiengen alsobald an sich zu bewegen / die Leiber wurden vollkommen begeisteret und lebendig. 72 Aber eine Wahrheit ist es / daß Christus das Feur der wahren und reinen Liebe GOttes mit sich vom Himmel auf die Welt gebracht habe / und die leimene / oder aus Leim gestaltete / und geistlicher Weiß leblose Menschen darmit beseelet / und in dem übernatürlichen Weesen lebendig gemacht habe. 73 Das Feuer hat unter andern Würckungen die Krafft den Lufft zu reinigen / wie es sich gewisen hat / als einstens zu Athen in dieser grossen Volckreichen Stadt die leydige Pest so hefftig grassirt und eingerissen hatte / daß sie viel tausend Menschen dahin gerissen / da hat ein kluger Medicus oder Artzt dises Mittel erfunden: Er liesse auf denen Gassen und Strassen / und auf dem Feld hin und [41] wider grosse Feuer aufmachen und anzünden / damit also der Lufft durch das Feuer von denen schädlich- und gifftigen Dämpffen geläutert und gereiniget wurde: Es hat auch dieses Mittel einen guten Effect oder Würckung gehabt: und ist forthin zum öffteren gebraucht / und die Pest dardurch vertrieben worden. Nun aber ist es gar zu gewiß / daß auch bey jetzigen Zeiten ein grausame Pest schier in der gantzen Welt regiert. Ein höchstschädliche Pest / welche der Seel den ewigen Tod bringet: nehmlich die Sünden-Pest totus mundus in maligno positus est, schier die gantze Welt / vast alle Menschen /seynd mit dieser Pest inficiert und angesteckt: das ist / mit der Pest der Hoffart / der Geilheit / des Geitzes /des Neid und Haß und dergleichen. O so lasset uns dann das Feur der Liebe GOttes in unsern Hertzen und Seelen erwecken / und anzünden / von welchem Christus der HErr sagt: Ignem veni mittere in terram. 74 Ich bin kommen Feur auf die Welt zu bringen. Und GOtt der Heil. Geist ist auch in Gestalt feuriger Zungen über die Apostel kommen / und hat selbige beredt gemacht / ja die Liebe GOttes ist selbsten ein solches Feur / welche beredt macht diejenige /deren Hertz sie eingenommen / zu dem Lob des Geliebten.

An dem natürlichen Feur werden absonderlich vier Eigenschafften verspüret / wie der gelehrte Berchorius anmercket: nehmlich exterius illuminat, interius ardet, inferius purgat, superius gaudet. 75 Aeuserlich erleuchtet es / innerlich brennt es / unter sich säuberet es / über sich erfreuet es / es hupfet gleichsam freudig auf mit der Spitz seiner Flammen / und schwingt sich in die Höhe.

Auch das sittliche Feur der Liebe GOttes / und der Gnad des Heil. Geists (so die Liebe allzeit begleitet) erleuchtet äuserlich durch die heylsame Lehr und gutes Exempel eines löblichen Tugend-Wandels: innerlich brennet es von dem Eyfer die Ehr GOttes / und das Heyl des Nächsten zu beförderen. 76 Unten her /das ist / den unteren Theil des Menschen reiniget es /will sagen / die Sinnlichkeit und das Hertz des Menschen von denen bösen unordentlichen Begierd- und Anmuthungen: Obenher / den Geist nehmlich und die Vernunfft thut es erfreuen mit wahrem himmlischen Trost.

Es kan noch insonderheit der Heil. Geist selber /wegen seinen siben Gaben durch das Feuer verstanden werden / weilen es auch siben Tugenden an ihme hat. 77 Dann der Heil. Heist gleich einem Feur ernidriget was hoch ist / durch die Gaab einer heylsamen Forcht GOttes. Er erweicht was hart ist / nehmlich die harte Hertzen der Sünder / zur Reu und Buß durch die Gnad der Frommkeit und Andacht. Er erleuchtet was finster ist / nehmlich den Verstand der unwissend ist /durch die Gaab der heylsamen Wissenschafft: Er befestiget was flüßig ist durch die Stärcke. Er läuteret und reiniget das Gemüth durch die Gaab des Verstands. Endlichen erleuchtet und erhebt er den Menschen durch die Gaab der Erkanntnus und Weißheit zu GOTT und Himmlischen Dingen.

Bißhero haben wir von löblichen Eigenschafften des Feurs gemeldet / welche wohl mit denen schönsten Tugenden mögen verglichen werden. Es gibt aber auch ein schädliches und böses Feuer / durch welches die Laster und Untugenden können verstanden werden. Ein solches ist das unterirrdische Feur / welches in denen Klüfften und Höhlenen der Erden verborgen ist / und heimlich wütet / (wo nehmlich die Erden Schwefelächtig ist / viel Hartz / Salpeter und dergleichen Materi / welche gern brennet / in sich hat) biß daß etwann vermög eines starcken Erdbebens mit grossem Gewalt und Schaden ausbricht: wie es der Feurspeyende Berg Vesuvius in Campania, unsern von Neapolis / und der Berg Æthna in Sicilien zum grossen Schaden und Schrecken der Benachbarten nur gar zu offt und klar erweisen. 78

[42] In der Insul Terzera 6. Meil weit von dem BergPicco delle Camarine genannt / ist in dem Jahr 1638. ein Feur mit unbeschreiblichem Gewalt aus der Tieffe herfür gebrochen / welches das Meer selbst nicht auszulöschen vermöchte / obwohl daselbst das Wasser hundert und zwantzig Werck-Schuh tieff ist.

Diese und dergleichen Feuer deuten uns in sittlichem Verstand gewise Laster / die Hoffart / den Zorn / den Neid und Haß / den Ehr–und Geld-Geitz / die Geilheit etc. welches lauter unersättliche Laster seynd / gewaltig um sich fressen / alles angreiffen und verzehren. 79 Von dem Feur der Hoffart hat zu allererst der Lucifer selbst gebrunnen und mit demselben viel andere unauslöschlich angesteckt / als er GOTT dem Allerhöchsten selber hat wollen gleich seyn. Von dem Neid und Haß hat zum ersten der Cain gebrunnen /als er seinen unschuldigen Bruder Abel ermordet hat. 80 Mit dem Feur der andern Laster seynd unzahlbar viel andere angesteckt worden / von welchen eigentlich zu verstehen / was geschrieben stehet: Ich will lassen ein Feur in dir auskommen / das dich fressen oder aufzehren soll. 81 Dann alle diese Laster seynd ein verzehrendes unterirrdisches Feur / welches zu allererst verzehret oder aufreibt denjenigen /dessen Hertz es eingenommen hat / indeme es alle seine Würckungen in dem Hoffärtigen / neidigen /geilen menschlichen Hertzen / mithin in der Erden / in irrdischen Güthern hat / und von dem Gold und Silber / so in der Erden verborgen / sich zu ernähren suchet.

In Alvernia trifft man gewise Berg an / in welchen das Feur die Erden unabläßlich auf eine grosse Weite verzehret und verbrennet / also daß von denen Plätzen / die schon verbrennt seynd die Kohlen in grosser Menge zum Gebrauch der Schmiden abgeführt werden. 82 Eben also brennet in denen unersättlichen Geld-Geitz-Hälsen / das Feuer des Geitzes / welches gewaltig um sich frißt / und die umligende Erden / ich will sagen / die Güther und Haabschafften der Nachbarn angreifft / verwüstet und verzehret: ja je mehr es Materi zum Brennen bekommt / je mehr will es zu seiner Unterhaltung haben. Was das Feur der Geilheit anbelangt / so hat selbes gantz keinen Glantz / oder Helle / sondern nur eine Hitz / mit welcher es das Gemüth entzündet / und einen Rauch oder rußigen Dampf / durch welchen es die Vernunfft verfinsteret /und das Gewissen abscheulich verschwärtzet: und dieses ist ebenfalls ein Feur / welches allzeit brennet /und niemahl sagt: Es ist genug. 83

Noch ein sittliches Feur haben wir zu betrachten /welches gut und böß / schädlich und nutzlich ist /nachdem man es anwendet: nehmlich das Feur der Trübsal und Widerwärtigkeit. 84 Dieses Feur brennet zwar den betrangten Menschen schmertzlich / absonderlich wann es lang anhaltet: Und wann man es mit Ungedult leydet / so ist es so schädlich als schmertzlich. Wann man es aber gedultig leydet / da ist es sehr nutzlich: dann es reiniget die Seel von bösen Feuchtigkeiten der unordentlichen Begierden und Anmuthungen / es nimmt hinweg den Rost der Sünden und Untugenden: und gleich einem harten Eisen / wann es durch das Feur glühend gemacht worden / durch die Hammer-Streich sich biegen / formieren und gestalten lasset / wie man es haben will. Also auch das menschliche Hertz wann es durch die Trübsal und Gedult weich worden / da lasset es mit ihm umgehen / wie man will / und gehorsamet GOTT und den Oberen /daß sie ihm mögen ein Tugend-Gestalt geben / nach Belieben. Ja gleich wie das Feuer / nicht nur schlecht Metall / sondern auch das Gold selber purificiret und läuteret / also thut die Trübsal auch die Fromme und Gerechte noch vollkommener purificiren und reinigen: und durch dieses Feur haben so viel tausend Heilige starck müssen probiert und gereiniget werden /ehe daß sie als ein recht rein–und kostbares Gold in[43] die himmlische Schatz-Kammer seynd übersetzt wor den / nach der Lehr und Zeugnuß des Ecclesiastis, da er sagt: Leide gedultiglich / was GOtt haben will daß du leydest: was dir zufällt nimme an /dann gleich wie das Gold und Silber im Feur /also werden die Menschen, so GOTT gefallen im Ofen der Trübsal bewährt. 85 O daß auch wir in Wahrheit mit David zu GOTT sprechen konnten: Probasti cor meum, & visitasti nocte, igne me examinasti, & non est inventa in me iniquitas. 86 Du hast mein Herz geprüfet / und in der Nacht / der Widerwärtigkeit heimgesucht / du hast mich durchs Feur der Trübsal geläuteret / und nichts Unrechtes in mir gefunden.


Solinus de mirabilibus mundi c. 7. schreibt daß viel Heydnische Priester vor Zeiten den Brauch hatten / daß wann sie ihren Götteren opfferten / und das Opffer-Feur am aller stärcksten brennete / daß die Flammen weiß wie hoch hinauf gestiegen / da zogen sie sich nackend aus / giengen hinein / spileten / tantzten / assen und truncken darinnen ohne alle Versehrung ihrer Leiber: Auch sihet man noch zu Zeiten daß etliche Ciarlatani oder Gauckler brennende Kohlen /glüende Eisen / zerlassenes Bley in die blose Händ nehmen ohne allen ihren Schaden / rath nun / wie gehet es zu? 87 Ist es natürlich oder übernatürlich? Der gemeine Mann wurde sagen / es gienge nicht natürlich zu / sondern müsse eine Hexerey oder schwartze Teufels-Kunst darbey seyn! Andere Verständigere aber haltens für natürlich / dann in denen vollkommenen wohlbestellten Apothecken findet man ein KrautSemprevivo genandt / wann man den Safft davon einnimmt / vermischet denselben mit Ochsen-Gall / mit rechtem Arsenico und pulverisirtem Alaun und schmieret sich wohl damit / so kan man Feur / glüende Kohlen und dergleichen in die Händ nehmen / und wird einen nicht brennen: noch ein anderes Gewächs ist / genannt Palma Christi, dessen Safft hat eben die Krafft / wann man die Hand zuvor waschet / und sie hernach wohl damit schmieret.

Dem sey nun wie ihm woll: Gewiß ist es / daß man in sittlichem Verstand / auch mitten in dem Feur unbeschädigt bleiben möge. Ich will sagen / daß man in dem Feur böser Begierden und Versuchungen an der Seel unverletzt bleiben könne; wann man nehmlich mit der Gnad und Liebe wohl versehen / und mit der Christlichen Gedult und Standhafftigkeit wider den bösen Feind verwahret ist: alsdann wird erfüllet die trostreiche Weissagung des Propheten Isaias: Cùm ambulaveris in igne non combureris & flamma non ardebit in te, 88 wann du ja im Feur wurdest gehen / soltest du nicht verbrandt werden / und die Flamm soll dich nicht brennen.

[44]
Fußnoten

1 Was die Corpora simplicia und Mixta seyen?

2 Die Erden wird unterschidlich benamset / und warum?

3 Lobsprüch der Erden.

4 Gen. c. 2. v. 7.

5 Die Erden / wie sie von den Alten ist vorgebildet worden.

6 Die Catholische Kirch wird mit dem Element der Erden verglichen.

7 ad Hebr. c. 11. v. 6.

8 Cant. c. 4. v. 2.

9 Schönheit / Fruchtbarkeit und Freygebigkeit der Catholischen Kirchen.

10 Die Erden ist zugleich ein Frau und willige Dienst-Magd der Menschen.

11 Wird applicirt auf die Catholische Kirchen.

12 Matth. c. 16. v. 19.

13 Fernere Vergleichnuß diser beyden.

14 Psal. 44. v. 14.

15 Homil. 15. in Evang.

16 Zach. c. 9. v. 12.

17 Der Erdboden mit dem menschlichen Hertzen verglichen.

18 Luc. c. 8. v. 12. & 15.

19 Matth. c. 15. 1. 19.

20 Erdbeden woher sie kommen?

21 Hefftige Passiones seynd gleich einem Erdbeben.

22 Apoc. c. 6. v. 12.

23 Gen. c. 1. v. 2.

24 Viel Wunderwerck seynd in dem Wasser gewürckt worden.

25 Ein reines Gewissen und gute Meynung wird mit dem Wasser verglichen.

26 Joan. c. 4. & 7.

27 Psal. 68. v. 1.

28 Isaiæ c. 43. v. 2.

29 Der flüchtige Hirsch bekommt durchs Wasser neue Kräfften.

30 Wird applicirt. Glückseeligkeit des guten Gewissens.

31 Prov. c. 15. v. 15.

32 Gen. c. 1. v. 6. & 9.

33 Gen. c. 2. v. 10.

34 Die vier Flüß des Paradeyß.

35 Apoc. c. 15. v. 2.

36 Psal. 3. v. 9.

37 Andere wunderbarlich- und berühmte Flüß.

38 Marci c. 1. v. 9.

39 Indisch- und Sinesischer Lust- und Staats-Gartenà f. 1280. & seq.

40 Gutes Gewissen übertrifft alle.

41 Die Weißheit wird mit dem Bronnen Wasser verglichen.

42 Joan. c. 4. v. 15.

43 Job. c. 28. v. 13.

44 Ibidem.

45 Bronnen die einer wundersamen Art und Krafft seynd.

46 Indisch- und Sinesischer Lust und Staats-Garten à f. 1262. & seq.

47 Bronnen die miraculoser Weiß entsprungen seynd.

48 Weißheit wird gerühmt.

49 Sap. c. 9. v. 10.

50 Prov. c. 8. v. 10.

51 Die 3. Regionen des Luffts.

52 Der Mensch wird durch den Lufft beditten und mit selbem vergleichen.

53 Ad Gal. c. 5. v. 17.

54 Die Vernunfft soll die Sinnlichkeit regieren.

55 Prov. c. 16.

56 Matth. c. 2. v. 14.

57 Matth. c. 2. v. 12.

58 Ad Rom. c. 8. v. 13.

59 Die triumphirende Kirch wird mit der oberen / und die streitende mit der untern Region des Luffts verglichen.

60 Schein-Heilige seynd wie ein leerer feuriger Dunst.

61 Seltsam und schädliche Lüfft.

62 Der obere und untere Theil des Luffts bedentet ein Politisches Regiment.

63 Die Regenten sollen beflissen seyn allzeit mit Nutzen vorzustehen.

64 Nach Ehren streben ist gefährlich.

65 Des Feurs Eigenschafft und Beschaffenheit.

66 Das Feur vor alten Zeiten ein hochberühmtes Element.

67 Lev. c. 6. v. 13.

68 Deut. c. 4. v. 24.

69 Act. c. 2. v. 3.

70 Das Feur ist ein Sinnbild der Liebe GOttes und deß Heil. Geists.

71 1. Cor. c. 9. v. 22.

72 Fabel von Prometheo.

73 Das Feur reiniget die Lufft / und die Liebe GOttes das Gewissen.

74 Luc. c. 12. v. 49.

75 Vier Eigenschafften des Feurs.

76 Werden applicirt auf die Liebe.

77 Die siben Gaaden des Heil. Geistes werden füglich durch das Feur angeditten.

78 Unterirdische Feur brechem mit grosem Gewalt herfür.

79 Gewise Laster mit dem Feur verglichen.

Apoc. c. 12. v. 9.

80 Gen. c. 4. v. 8.

81 Ezech. c. 28. v. 18.

82 Brennende Erden in Alvernia.

83 Prov. c. 30. v. 15.

84 Trübsal ist ein reinigendes Feur.

85 Eccl. c. 2. v. 3.

86 Psal. 16. v. 6.

87 Wie man im Feur möge unverletzt bleiben.

88 Isaiæ c. 43. v. 2.

V. Von denen Wind- und Wolcken - Regen und Schnee
Der 1. Absatz
Anhang
Anhang
Von denen vier Haupt-Winden insonderheit.

Der erste aus denen vier Haupt-Winden nehmlichSubsolanus oder Ost-Wind wehet unter der hitzigen sogenannten Zona torrida (das ist ein gewiser heisser Himmels-Crayß oder Circkel in welchem die Sonn ihren Lauff fortsetzet) und deßwegen ist dieser Wind warm und trucken sowohl in sich selber / als in seiner Würckung / weilen er eine Zeitlang grad unter der Sonnen sich aufhalt / ehe daß er zu uns kommt / so thut er austrucknen. Durch diesen Subsolanum oder Ost-Wind kan geistlicher Weiß eine hohe geistliche Obrigkeit verstanden werden: dann ein geistlicher Oberer ein Bischoff oder Prälat solle auch ein Subsolanus seyn / er solle sein Herkommen haben von Orient / das ist / seine Promotion und Erhebung zu geistlicher Würde eines Vorstehers solle aus Anordnung des Himmels / aus Göttlicher Disposition und aus Eingebung des Heil. Geists herrühren. 26 Er solle unmittelbar unter der Sonnen der Gerechtigkeit / unter Christo stehen / auf daß er die Hitz der Liebe und deß Eyfers und der Andacht von ihme empfange / auch dirr oder trucken seyn durch die Mäßigkeit und Mortification oder Abtödtung der unordentlichen Gelüsten / und Uberflüßigkeiten. Der Ost-Wind kommet her von eben dem Orth wo die Sonn aufgehet / wann sie Tag und Nacht gleich machet. In diesem solle auch ein sittlicher Subsolanus oder Ost-Wind die Sonnimitiren, er solle Tag und Nacht gleich machen / das ist / gleichförmig und beständig seyn / sowohl bey der Nacht der Widerwärigkeit als bey dem Tag der Wohlfahrt. Widerum soll er Tag und Nacht gleich machen /das ist / nach Proportion gleich halten seine Untergebene / sie seyen gelehrt oder ungelehrt / edel oder unedel / alt oder jung etc. ohne Partialitæt und ohne menschlichen Respect oder Absehen auf die Persohn.

Der Favonius oder West-Wind hingegen kommt von Niedergang her. 27 Er ist kalt und feucht / nicht von eigner sondern von angenommener Kälte und Feuchte: er ernährt und erhaltet mit seiner Feuchtigkeit die Kräuter und Pflantzen / und macht sie wachsen / aber machet das Wasser trüb und unruhig. Diesem seynd gleich die böse oder untugendliche Prälaten / oder geistliche Obrigkeiten / welche alsdann auch in sittlichen Verstand von Niedergang herkommen / wann sie aus menschlichem Respect oder aus zeitlichem Absehen durch ungiltige Mittel und Weeg seynd promovirt worden / und zu geistlicher Würde erhoben. Diese seynd kalt in der Liebe / kalt in dem Eyfer / in der Andacht etc. feucht und überflüßig in der Consumption und ihrer Gemächlichkeit / und kostbarer Verpflegung; sie erhalten und ernähren offtermahl durch ihre Feuchtigkeit / das ist / durch ihre Güter / oder vielmehr durch das Patrimonium Christi die Pflantzen und Kräuter / ich verstehe / ihre Nepoten, gute Freund und Anverwandte / diese machen sie aufwachsen / promoviren und befördern sie unverdienter Weiß zu hochen Ehren-Aemtern / und einträglichen Diensten etc. mithin werden sie billich Favonii à fovendo Günstig oder Gönner genennt. Aber eben darum machen sie das stille Wasser trüb und unruhig / das ist / sie betrüben und beunruhigen andere getreue Unterthanen / die ein solche Unbillichkeit ansehen müssen. Mithin wehen sie als [51] wie der West-Wind den graden Weeg wider Orient, oder den Aufgang /das ist / sie handlen stracks zuwider dem Göttlichen Gesatz / dem Exempel Christi und der HH. Sie seynd gleich einem Hanen auf dem Glocken-Thurn / der sein Gesicht wider den Wind kehret / und doch anzeigt woher er komm; dann obwohl sie mit ihrer Lehr und Worten denen Untergebenen andeuten / woher der gute Wind / das ist / der Heil. Geist und die Gnad GOttes komme / widersetzen sie sich doch diesem Wind mit denen Wercken und in der That. Von diesen stehet geschrieben / quæ dicunt facite, quæ autem faciunt, facere nolite, 28 was sie sagen / das thut /was sie aber selber thun / das lasset unterwegen.

Der Auster oder Sud-Wind kommt von Mittag her /er hat unterschiedliche Eigenschafften und Würckungen. Er ist warm und feucht / und deßwegen verursachet er den Regen und das Thau / eröffnet die Poros oder Lufft-Löcher der Erden / er bring die Sonnen herfür und macht die Erd-Früchten wachsen. Derowegen kan er füglich auf die Tugend und die Gnad GOttes ausgedeutet werden / als welche den Menschen erwärmet mit der Lieb GOttes und befeuchtet mit der Andacht: sie bringt ihme zuwegen das himmlische Thau des innerlichen Trosts / und heilsame Regen der reumüthigen Buß-Zäher / mithin eröffnet er die Erden des menschlichen Hertzens / und macht sie herfür bringen häuffige Früchten der Verdienst und guten Wercken. 29 Also daß wir wohl Ursach haben sähnlich nach diesem so günstigen Wind zu seufftzen und aufzuruffen: Veni auster, perfla hortum meum, ut fluant aromata illius, 30 komme du Sudwind und wehe durch meinen Garten / daß sein Gewürtz trieffe.

Hingegen aber weilen eben dieser Sud-Wind warm und feucht ist / so schadet er dem menschlichen Leib und der Gesundheit nicht wenig: Er verursacht Kranckheiten: er macht schwere und Faule Glieder /er benimmt die Farb / macht dunckle Augen / wann er starck anhaltet: Darum kan er wohl auch mit dem zeitlichen Glück / mit der zeitlichen Wohlfahrt verglichen werden: dann diese ist auch schädlich und gefährlich / der Gesundheit und dem geistlichen Wohlstand der Seelen. 31 Sie gibet Anlaß zu unterschiedenen Kranck- und Schwachheiten der Seel. Sie bringt mit sich die Hitz des Geitzes / die Feuchtigkeit der sinnlichen Wollüst und Begierden: sie verursachet die Nebel oder Verfinsterung des Verstands / sie benimmt die schöne weisse Farb der Reinigkeit / und die Röthe der Schamhafftigkeit / sie machet faul und träg in Ubung der guten Wercken etc.

Der Boreas endlich oder Nord-Wind ist kalt und dirr / weilen er von kalt und dirren Orthen herwehet /und kan deßwegen nicht viel Gutes mit sich bringen. 32 Er verursachet den Husten / constringirt oder ziehet die Nerven ein / lähmet die Glieder / die zarte Blumen / Kräuter und blühende Wein-Reben thut er austrücknen und ausdörren / denen Bäumen benimmt er ihre grüne Gestalt / er versperrt die Erden / und macht sie unfruchtbar. Eben also ein falsch- und schädliche Lehr / böse und ärgerliche Exempel kommen gemeiniglich her von kalt und rauhen Orthen /das ist / von menschlichen Hertzen / welche in der Liebe GOttes und in dem Eyfer gantz kalt und erfroren seynd / im bösen Willen und in böser Gewohnheit erhartet und verstockt seynd: Sie ziehen die Nerven /das ist / die Kräfften zusammen / und verhindern die Händ in Ubung der guten Wercken: Sie ärgern und verderben die blühende Jugend etc. von disem spricht der Prophet Jeremias c. 1. v. 14. von Mitternacht wird alles Unglück herkommen etc. Hingegen gleichwie der rauhe Nord-Wind wegen seiner Kälte nicht zulasset / daß die böse Feuchtigkeiten und Erd-Dämpffresolvirt werden und aufsteigen / mithin den Lufft hell und rein erhaltet / das Wasser aber zur Winters-Zeit gleichsam in ein Christall veränderet und verhärtet: also auch der rauhe Wind der [52] Trübsal und Versuchungen wann man selben zu übertragen / oder ihme wohl zu begegnen weißt / verhindert er daß die schädliche Dämpff der bösen Begierd- und sinnlichen Anmuthungen nicht können über sich steigen / und den Lufft des Gewissens anstecken / oder verunreinigen: er verhärtet die weiche Hertzen / er macht sie daurhafft und standhafftig in allen Zufällen. 33 Gleichwie der Nord-Wind beförderet die Krafft zu verdäuen /und macht Appetit zum Essen: also die Trübsal und Versuchung / wann man derselben gewohnt ist / so hilfft sie manchen harten Bissen / manche Widerwärtigkeit und Verfolgung mit Gedult zu verschlucken und zu verkochen: nach Zeugnuß des Weltweisen Seneca indem er sagt: Invicti esse possumus, inconcussi nequaquam. Unüberwindlich können wir seyn /wann wir nur selbst recht ernstlich wollen / aber unangefochten durchaus nicht. Denen Unvollkommenen und Ungedultigen aber ist dieser Wind nehmlich die Trübsal und Anfechtung schädlich / weil sie ihn nicht mögen ausstehen und durch denselben sich verhindern lassen in Fruchtbringung / das ist / in Ubung des Guten: weilen sie nehmlich aus der Zahl derjenigen sind / so ihr Hauß / das ist / ihren Tugend-Bau nicht auf einen Felsen der Christlichen Starckmüthigkeit / sonder nur auf das weiche Sand der menschlichen Kräfften und Unbeständigkeit gegründet haben / von welchem Hauß oder Bau und Wind geschrieben stehet / Es weheten Wind und stiessen an das Hauß / da fiel es ein etc. 34

Ubrigens ein bewehrtes Mittel sich wider alle die bißhero gemeldte schädliche Wind der Laster und Versuchungen zu beschützen schreibt uns vor der Heil. Antonius von Padua in einer lehrreichen Predig / in welcher er seine Zuhörer ermahnet und unterwiesen hat in allen schwer- und gefährlichen Anfecht-und Versuchungen folgende Wort von Hertzens-grund und mit Vertrauen zu sprechen: Im Namen JESU von Nazareth / der denen Winden und Meer gebotten hat / gebiete ich dir / du unreiner Geist /weiche von mir ab. 35 Dessen wir uns hinfüran in solchem Fall zu unserem Schutz wider den bösen Feind gebrauchen sollen.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von denen Wolcken.

Die Wolcken sind von dem Wasser / oder von anderen feucht und sumpfigen Orten aufsteigende Dämpf /welche durch die Hitz und Krafft der Sonnen an sich gezogen / und biß in die zweyte Region des Luffts erhoben werden / allwo sie durch die Kälte condensirt /das ist / zusammen gehen / dick und also zu Wolcken werden. 36 Wann nun dise Dämpf etwas reiners / subtil und leichter seynd / so geben sie auch leichtere /hell und weißlichte Wolcken ab: wann sie aber dicke /etwas schwer und unrein seynd / da werden auch die Wolcken dicker / schwer und finster.

Die erstere Gattung der Wolcken wird durch die Krafft der Sonnen in Lufft verwandlet / die anderte aber zu Wasser und Regen gemacht. Was die Figur oder Gestalt / wie auch die Farb und Grösse der Wolcken anbelangt / so ist dieselbe vielfältig und unterschiedlich nachdem die gemeldte aufsteigende Dämpf beschaffen seynd. Die Höhe betreffend / so seynd sie höher oder niederer / nachdem sie dinner und leichter / oder aber dicker und schwerer seynd: inmassen es denen cörperlichen Dingen natürlich ist / daß allzeit das leichteste das oberste ist / deßwegen schwimmet das Holtz ober dem Wasser / ein Stein aber sincket zu Boden / weil das Holtz leichter / der Stein aber schwerer ist / als das Wasser in gleicher Quantität oder Grösse. Daß wir aber durch den Lufft die Sonnen sehen / die wir doch durch die Wolcken nicht sehen / kommt nicht daher / daß die Wolcken schwerer seyn / sondern weil sie finsterer seynd als der Lufft.

Ubrigens seynd die Wolcken kein geringes sondern ein in der H. Schrifft [53] hochberühmtes Geschöpff / als deren sich GOtt selber für seinen Triumph-Wagen /Sitz und Thron zu bedienen beliebet / indem er öffters dem Propheten Moysi erschienen ist / indem er in einer Wolcken gen Himmel aufgefahren / und auch wiederum in denen Wolcken ankommen wird / zu richten die Lebendige und die Todte etc. ja der Königliche Prophet David sagt austrucklich von GOtt:Magnificentia ejus & virtus ejus in nubibus: 37 Sein Herrlichkeit und Gewalt ist in den Wolcken. 38

Im sittlichen Verstand können erstlich durch die Wolcken die Apostolische Männer und Lehrer / die geistliche Obere und Seelen-Hirten verstanden werden. Diese seynd es / über welche sich der Prophet verwunderet und fraget: Qui sunt isti, qui ut nubes volant? Wer seynd diese / die wie die Wolcken fliegen? Diese pflegt Christus / als die wahre Sonn der Göttlichen Gerechtigkeit / durch ihr allmögende Krafft heraus zu ziehen / aus dem Meer der Welt / aus dem Gwässer und Pfützen des sinnlichen und wollüstigen Lebens: Er erhöchet sie durch Verachtung des irrdischen / und erhebt sie in den Lufft der Contemplation oder des beschaulichen Lebens. Allda werden sie purificirt oder gereiniget von dicken und schweren Dämpf- und Feuchtigkeiten der unordentlichen Begierd und Anmuthungen / und also werden sie zu reinen leicht- und liechten Wolcken gemacht. Qui ut nubes volant, welche wie die Wolcken (so von dem Wind getrieben werden) fliegen / wo sie der Geist GOttes und ihr Eyfer hintreibet / ihre häuffige und heilsame Wässer oder Regen der geistlichen Lehr /der nothwendigen Unterweisungen / und des guten Exempels / über die Erden / das ist / über die Menschen auszugiessen / sie zu befeuchten und tauglich zu machen / die erwünschte Früchten der Buß und Tugend-Wercken herfür zu bringen. Assument pennas, ut aquilæ, volabunt & non deficient. 39 Sie werden Flügel an sich nemmen / wie des Adlers Flügel / sie werden lauffen und nicht erliegen / sie werden gehen und nicht müd werden. Ferners /gleichwie die natürliche Wolcken zwischen Himmel und Erden in dem Lufft schweben / die Sonnen-Hitz mäßigen / dem Menschen und Vieh einen angenemmen Schatten machen / den Durst minderen / und alles erquicken. Also die sittliche Wolcken / das ist /die eyferige geistliche Lehrer und tugendsame Vorsteher befinden sich in der Catholischen Kirchen als Mittler zwischen GOtt und dem Menschen / welchen sie durch ihre Fürbitt und Verdienst von GOtt die Verzeyhung der Sünden / die nothwendige Gaben und Gnaden erhalten / die Hitz des Göttlichen Zorns und der strengen Gerechtigkeit mindern / und ihren anvertrauten durch ihre Protection einen angenemmen Schatten / einen sicheren Schutz verschaffen / auch den Durst der hitzig und bösen Begierden in selben auslöschen / und sie mit geistlichem Trost erquicken.Expandit nubem in protectionem eorum. 40 Er /GOtt / breitet eine Wolcken aus zu ihrem Schutz /nemlich der Israeliteren / als er sie durch den Moysen aus der Egyptischen Dienstbarkeit in das gelobte Land führte: auch zum Schutz der Christglaubigen breitet GOTT die mehrgemelte sittliche Wolcken aus / und führet sie vermittelst derselben aus der Dienstbarkeit der Sünden in die Freyheit der Kinder GOttes.

Aber gleichwie die Wolcken / wann sie sich auflösen und ergiessen / oder auf die Erden herab regnen /allgemach abnemmen / sich aufklären / und endlich gar verschwinden / wann sie nicht wieder aufs neue angefüllt und ergäntzet werden / also auch die geistliche Wolcken die Apostolische Männer / geistliche Obere und Seelen-Hirten / wann sie sich immerdar und gar zu starck ausgiessen durch die Sorg über ihre anvertraute / da verliehren sie sich selbst unvermerckt / sie werden lär im Geist / und stehen in Gefahr zu Grund zu gehen / wann sie nicht sorgfältig und beflissen seynd sich selbst wiederum durch innerliche Versammlung im Geist zu erneueren und zu erholen.

[54] Ferners können die Wolcken auch auf den Ehrgeitz und die Ehrgeitzige ausgelegt werden: Dann gleichwie die Wolcken ein schlechtes Herkommen / nemlich aus der Tieffe von dem Wasser / aus stinckenden Pfitzen und Kothlachen / auch eine schlechte Subsistenz und kurtzes Dauren haben / gleichwie sie bald wiederum leer werden und verschwinden / also auch die eitle Ehr und die Ehrgeitzige haben gemeiniglich ein schlechtes Her- oder Aufkommen / sie gründen sich auf nichtige Ding / als etwan auf einen ererbten Adel /ein eitle Kunst oder Wissenschafft / ein schnödes Gut und Geld / Gunst oder Gewogenheit der Fürsten und Herren etc. und deßwegen hat es mit ihnen gar keinen Bestand / gar bald und gehlingen ist es geschehen /daß ihr Stützen / auf die sie sich gesteifft haben / zu Boden fällt / daß sie des Gut und Gelds / der Gunst und Gnad ihres Fürsten und Herrens / der hohen Ehren-Stell / des einträglichen Amt und Ansehens auf einmahl beraubet werden / und alsdann ergehet es ihnen als wie denen Wolcken / welche zwar von der Sonnen hoch in den Lufft seynd erhebt worden / auf die Erden herab fallen / mit dem Koth vermischt und mit Füssen getretten werden: also werden auch die Ehr-Geitzige und hochmüthige offt urplötzlich von der Höhe / von dem Gipffel der Ehren und Glückseeligkeit in die Tieffe der Verachtung und des Unglücks gestürtzt / nachdem sie eine Zeitlang als wie die schwartze Wolcken in der Höhe ihres Stands und Gewalts / mit Donnern und Blitzen / ich will sagen / mit Straffen und Plagen denen Unterthanen gedrohet haben: wie es schon viel tausend mit ihrer eignen so grossen Schand als Schaden erfahren haben. 41

Die Wolcken werden leichter Dings von denen Winden hin und her getrieben / sie haben keinen Bestand / weilen sie keinen vesten Grund haben / auf den sie sich steiffen konnten: Eben also die Ehr-Geitzige werden jämmerlich umgetrieben bald über sich bald unter sich / bald auf diese bald auf jene Seiten /nachdem nehmlich der Wind des Glücks und Unglücks / der Hoffnung oder der Verzweifflung / der Freud oder des Leyds sie anwehet. Von diesen kan wohl gesagt werden: Hi sunt nubes sine aqua, quæ à vento circumferuntur. 42 Diese seynd Wolcken ohne Wasser / welche von dem Wind umgetrieben werden.

Die Wolcken haben von fern ein grosses Ansehen /und breiten sich in die weite aus / also daß sie uns offtermahl des lieben Sonnen-Scheins berauben: und dannoch ist nicht viel dahinder / wann man sie in der Nähe betrachten sollte / da wird man finden / daß sie ein eitles leeres Weesen seynd. Ein gleiche Beschaffenheit hat es mit der eitlen Ehr und denen Ehr-Geitzigen: disen kommt jene so groß und ansehnlich vor /daß sie vermeynen / es sey weiß nicht was für ein grosses Glück / wann sie selbe erhaschen: Sie werden von ihr verhinderet / daß die Sonn der gesunden Vernunfft ja auch die Sonn der Göttlichen Gnaden sie nit beleuchten und anscheinen kan.

Wann mehr unterschiedliche Wolcken zusammen stossen / gibt es ein Ungewitter ab / Sturm-Wind auf dem Meer / und Donner-Wetter auf der Erden. Eben also / wann zwey oder mehr Ehr-Geitzige um einPræcedenz, um eine Promotion oder Ehren-Stell streiten / und keiner dem anderen weichen oder nachgehen will / da verursachen sie offt grosses Ungewitter und Unruhe / das ist / Streit oder Uneinigkeit zwischen ihren Favoriten und Anhängern / die sich darum annehmen und darein legen.

Endlichen gleichwie die Wolcken schädlich und ungesund seynd / den Lufft verderben und anstecken /wann sie von solchen Dämpffen herkommen / welche aus schädlich und ungesunden Wässeren / aus Faul-und stinckenden Pfitzen aufgestigen seynd / also ist auch der Ehr-Geitz oder die eitle Ehr sonderbar alsdann schädlich / wann sie entspringt und herkommt aus unreinen und ungesunden Wässern / ich will sagen / wann sie herrühret aus unzuläßigen Mittlen /wann die Ehr-Geitzige [55] ihren Zweck erreichen / zu einer Promotion, zu hohen Würden und Ehren gelangen / durch Betrug und Falschheit / durch ungerechtes Gut / durch Gleißnerey und Verläumdung der andern.

Wann man gleichwohl die zeitliche Ehren mit Ehren suchte / das ist / durch ehrliche und gültige Mittel / als wie ein Student das Doctor-Hütlein durch seinen Fleiß und Geschicklichkeit: oder durch hertzhaffte Thaten / als wie ein Soldat / der mit dem Schwerdt in der Schlacht ein Officier-Stell: oder durch treu geleiste Dienst als wie der Jacob die schöne Rahel erhalten hat / oder durch Tugend und Frommkeit / als wie ein Seelen-Eyferer das geistliche Hirten-Amt / Gutes zu würcken suchet / so gieng es wohl hin / und wäre nicht zu tadlen: dann Virtus laudata & præmiata crescit. 43 Wann die Tugend gelobt / und belohnt wird / so nimmt sie zu. Aber wann man nach Würden und Ehren strebet auf ein Ehr vergessene Weiß / durch gottlose / heyllose / Gewissenlose Weiß und Mittel / durch krumme Sprüng und falsche Ränck / wann man seinen Nächsten verschwärtzet / nur daß man selber weiß werde / wann man dem anderen den Halß bricht / damit man selbsten den Kopff möge empor heben / oder dem anderen die Flügel stutzt / nur daß man selbst höher fliegen könne / das ist nicht zu gedulden und zu verantworten.

Dem menschlichen Aug nach scheinen die Wolcken sehr hoch und gantz nah bey dem Himmel zu seyn: aber nein / sie betrügen das Gesicht / sie schweben nur in dem Lufft / und seynd von dem Himmel gar weit entfernet: ja sie seynd unvergleichlich näher bey der Erden / als bey dem Firmament. Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit denen Ehr-Geitzigen / wann sie reich / adelich oder gelehrt und ansehnlich seynd /wann sie in dem Lufft / das ist / in hohen Ehren schweben / da hat es das Ansehen / als wann sie in der Wahrheit zu höchst daran / biß unter die Sternen erhebt seyen / und mit dem Kopff gleichsam an dem Himmel anstosseten / da sie doch in der Sach selbsten unendlich weit von GOTT und dem Himmel entfernet seynd / nur von jeerem Lufft der eitlen Ehr / und des menschlichen Ansehens aufgeblasen / und nur gar zu nah bey der Erden / ja sie seynd mit dem Gemüth und Hertzen / mit den Sinn und Gedancken gäntzlich in dem Boden / das ist / in das irrdische vertiefft und versenckt.

Dergleichen eitel und schädliche Wolcken siehet man fast überall / fast überall thun sie ob unseren Köpffen herum schweben / und den Lufft verfinsteren. Ich will sagen / schier allenthalben thut sich der Ehrgeitz und die Ehrgeitzige eintringen / nicht nur bey denen Reichen / Adelichen und Gelehrten / sonder auch bey denen Gemeinen / Armen und Ungelehrten. Kein Baur oder Handwercks-Mann hat von seiner rauhen Arbeit eine so hart und dicke Haut / daß es ihne nicht kitzele / wann man ihne lobet / oder ihme ein Ehr anthut. Man hat eben kein Kräutlein lieber in dem gantzen grossen Welt-Garten / als den Ehrenpreiß: man höret kein Gesang lieber in der Welt-Music / als das Gloria in Excelsis, ja man haltet auch kein Fest oder Officium lieber / als welches primæ Classis ist. Die eitle Ehr pflegt überall einzunisten /nicht nur wie die Storcken auf hohen Häusern und Thürnen / das ist / bey Fürsten und Herren / sondern auch als wie die Spatzen unter ein jedes Stroh-Dach und Bauren-Hütten / ja wie die Fleder-Mäuß in einen jeden finstern Winckel. Eben also ist auch selten ein Communität oder Gemeind anzutreffen / wo nicht der Ehrgeitz einschleichet. Auch in dem ApostolischenCollegio bey denen Jüngern Christi hat er sich eingedrungen: Facta est contentio inter eos, quis eorum videretur esse major. 44 Es erhube sich ein Zanck unter ihnen / welcher unter ihnen für den Obersten angesehen wurde. Auch in dem irrdischen Paradeyß / da es geheissen hat: Eritis sicut Dii. 45 Ihr werdet seyn als wie die Götter. Ja auch so gar in dem Empyrischen Himmel / da der Lucifer in seinem Hertzen gesprochen hat: Exaltabo [56] super astra DEI solium meum, similis ero Altissimo. 46 Ich will mei nen Stuhl erhöhen über die Sternen GOttes / und dem Allerhöchsten gleich seyn. Aber gar wohl und recht sagt von allen diesen eitlen und hochfliegenden Wolcken der H. Chrysostomus: Principatus & honor ad insaniam & mentis impotentiam ducunt. 47 Der Ehrgeitz und Regier-Sucht verkehren den Verstand / und machen den Menschen zum Narren. Die Sonn der Göttlichen Gerechtigkeit aber thut alle diese Wolcken zerstreuen / verjagen und zernichten.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Vom Regen und Schnee.

Der Regen und Schnee muß die Wolcken gleichsam für seine Mutter erkennen / dieweilen er in dero Schoos gebohren und ausgekochet wird / dann wann ein wässeriger Wolcken durch die Wärme aufgehet /sich in das Wasser resolvirt / und Tropffen-weiß auf die Erde herab fallet / da gibt es einen Regen ab. 48 Wann nun die herabfallende Tropffen mittelmässig schwer und groß seynd / und nicht gar zu schnell herab fallen / da wird es Imber, das ist / ein gemeiner Regen genannt: wann sie aber grösser und schwerer seynd / also daß sie ohnabgesetzt und mit einer Hefftigkeit herab fallen / da ist es ein Nimbus oder Platz-Regen: Wann endlich ein schwerer Wolcken so gählingen und gäntzlichen resolvirt und zu Wasser wird /daß er schier auf einmahl herab fallet / oder wie mit Schapffen das Wasser herunter giesset / da gibt es einen sogenannten Wolcken-Bruch (auf Lateinisch /Catarracta) der ein grosses Gewässer und Uberschwemmung der Felder verursachet; das Orth / in welchem die Regen gezeugt werden / ist die andere /oder mittlere Region des Luffts. 49

Daß aber die wässerige Wolcken nicht allzeit gantz und auf einmahl herab fallen / dessen ist die Ursach theils die Göttliche Fürsichtigkeit: dann von GOtt stehet geschrieben: Qui ligat aquas in nubibus suis, ne erumpant pariter deorsum. 50 Er fasset die Wasser zusammen in einen Wolcken / daß sie nicht heraus brechen / und mit einander herab fallen, theils weil sie langsam oder nach und nach aufgehen und zu Wasser werden. Ferners weil das Wasser im herab fallen den Lufft an unzahlbaren Orthen gleichsam durchlöcheret / und wiedrum von ihme viel tausendfältig zertheilet wird / deßwegen gibt es so viel unzahlbare Tropffen Regen-Wasser ab.

In dem Mexicanischen Reich soll es so starcke Regen abgeben / daß sie die Menschen zu tödten vermögen. Hingegen ist es der gemeine Ruff / daß es in Egypten gar nie / in Lybien aber sehr seiten regne /die Ursach dessen mag seyn / daß der Erdboden allda so trucken und hart ist / daß keine feuchte Dämpff (aus welchen die Wolcken formirt werden) davon aufsteigen können.

Viel und seltzames melden die Geschicht-Schreiber von wunderbarlichen Regen / die es hin und wider solle gegeben haben / da es zu Zeiten Blut / Milch /Getraid / Wollen / Aschen / kleine Thierlein / auch Stein und Metall solle geregnet haben. 51 Was soll aber hievon zu halten oder zu sagen seyn? Ein schwere Frag / doch ist es glaublich / das mehriste habena türlicher weiß geschehen können. Es habe nehmlich die Sonn durch ihre Krafft und Hitz in dem Lufft ein-und anderes gezeugt und ausgekocht: oder von der Erden in die Höhe aufgezogen: oder ein hefftig und starcker Wind habe einige aus diesen Dingen von einem Orth hinweg geführt / und in einem andern /auch weit entlegenen widerum herab gelassen / oder endlich es seye von GOtt Miraculoser weiß geschehen aus ihme allein bekannten Ursachen. Benanntlich kan vom Blut-Regen (oder vielmehr von dem rothen Wasser-Regen) geglaubt werden / daß die Sonn häuffige Dämpff von einer solchen Erden / die viel Mening oder Berg-Zinnober / oder Röthel-Stein in sich hat /aufgezogen habe / und selbige zu einem rothen Regen-Wasser [57] worden seyen. Eben also kan man auch nach Proportion von dem Milch-Regen / und einer weissen Erden / die viel Kreiden in sich hat /discuriren. Es kan auch geschehen / daß die Sonnen-Strahlen einen so dicken Wolcken antreffen / der ihnen starcken Widerstand thut / alsdann aber vermehren sie sich / und verursachen alldort eine grosse Hitz / durch welche die Wolcken aufgelößt wird / und seine Feuchtigkeit in einen rothlechten Regen verwandlet / der auch die Felder und das Graß entfärben mag: mithin kommt leichtlich der Ruff aus / es habe Blut geregnet.

Durch einen sanfften fruchtbaren Regen können füglich die Göttliche Gaaben und Gnaden verstanden werden / dann gleichwie der Regen dem Erdboden höchst nothwendig ist / also daß ohne denselben nichts wachsen könnte / sondern alles verderben müste / also ist die Gnad GOttes dem Menschen unumgänglich vonnöthen / daß er möge die Früchten der gut und verdienstlichen Wercken herfür bringen. 52 Ein mäßiger Regen befeuchtet die ausgedörrte Erden /er kühlet ab den hitzigen Lufft / und erquicket den Menschen; Eben also die Gaaben und Gnaden GOttes feuchten das truckne Hertz des Menschen an mit dem kostbaren Safft der Andacht und der Christlichen Tugenden: Sie kühlen ab die Hitz der bösen Begierd und unordentlichen Anmuthungen / und erquicken die menschliche Seel mit himmlischem Trost / nach Zeugnuß der H. Schrifft: Er hat Wohlthat geben von Himmel / Regen und fruchtbare Zeiten / und ihre Hertzen erfüllet mit Speiß und Freud. 53 Und wiederum sagt GOtt von ihme selber: Deducam imbrem in tempore suo, pluviæ benedictionis erunt. 54 Ich will einen Regen zu seiner Zeit herab schicken /daß sollen gnädige Regen seyn. Um solche heylsame Regen sollen wir aus allen Kräfften bitten.

Der Regen wie schon gemeldet worden / ist ein Fluß der Feuchtigkeiten / der viel leichter und reiner ist als andere Wässer / und eben darum vil tauglicher zu waschen und reinigen die unsaubere Ding; deßwegen kan er auch wohl auf die Reu und Buß über die begangene Sünden ausgedeutet werden: dann von unseren begangenen Missethathen steigen zwar schändliche und schädliche Dämpff von der Erden unsers Hertzens in die Höhe auf / und verursachen trübe Wolcken: Aber wann die Göttliche Gnaden-Sonn durch die Strahlen ihrer hitzbrennenden Lieb dieselbedissolvirt oder auflöset und zertrennt / da werden sie in einen gar heylsamen Regen der reumüthigen Buß-Zähren veränderet / welcher sehr tauglich ist die Seel und das Gewissen zu säuberen und zu reinigen. 55

Auf ein grosse Hitz folgt öffters ein starcker Regen / welcher alsdann angenehm ist / weilen er die verdorrte Leiber erquicket und erfrischet / auch die Erden fruchtbar machet / und das Wachsen der Kräuter und Pflantzen beförderet. 56 Eben also auf eine grosse Hitz der Liebe GOttes und hefftige Reu wegen den begangenen Sünden / folget gern ein starcker Zäher-Regen / welcher sehr tröstlich und nutzbar ist: tröstlich zwar / weilen wie der Heil. Augustinus von der Erfahrnuß bezeuget: Dulciores sunt lachrymæ pœnitentium, quàm gaudia theatrorum. Die Zäher der Büssenden seynd süsser als die Freuden der Schauspielen. Fruchtbar aber seynd sie / weilen sie herfür bringen oder wachsen machen die Buß und Tugend-Werck in der Erden des menschlichen Hertzens. Doch aber ist zu wissen / daß die würckliche und äusserliche Zäher zu wahrer Reu und Buß nicht nothwendig seynd / sondern die innerliche Zäher des Hertzens / das ist / das Leid und der Schmertz des Hertzens erklecket. Dann auch von disen innerlich und unsichtbaren Zähern ist zu verstehen / was der fromme Tobias zu GOtt gesprochen hat: Nach dem Weinen und Trauren gibest du grosse Freud. 57 Wie auch was David bezeuget: Secundum multitudinem dolorum meorum in corde meo, consolationes tuæ lætificaverunt animam meam. 58 Wann ich viel Bekümmernuß [58] hatte innerlich im Hertzen / so ergötzten deine Tröstungen meine Seel. Ja dise Tröstungen und geistliche Freuden seynd zu Zeiten so groß / daß dieselbe die Schwachheit des menschlichen Hertzens kaum ertragen mag: wie es unter vil andern ein gewisse GOtt-liebende und andächtige Seel wohl erfahren hat / welche zu Zeiten in dem Gebett oder Betrachtung von einem so häuffigen Regen des himmlischen Trosts und Süßigkeit ist übergossen worden /daß sie zu GOtt aufzuschreyen pflegte: Cessa Domine, cessa, satis est! Höre auf / O Herr / höre auf / es ist genug!

Eine nahe Verwandschafft mit dem Regen hat der Schnee: er wird aus kalt- und feuchten Dämpfen gezeugt; dann wann ein wässerige Wolcken durch die Kälte zusammen gehet / und ein wenig gefrieret / da wird ein Schnee daraus / welcher im herab fallen durch den Lufft in unzahlbare weisse Flocken zertheilt wird. 59 Ich sage / ein wenig und gelind gefrohren / zum Unterschied des Eises / welches ein durch grosse Kälte starck und hart gefrohrnes Wasser ist /mit Erd-Dämpfen vermischet. Die weisse Farb aber des Schnees kommt her von der Materi / aus welcher er gezeuget wird / nemlich von denen wässerigen Wolcken / die mit Lufft vermischet und gelind gefroren seynd (gleichwie auch der Speichel / weil er aus Wasser und Lufft bestehet / weiß ist) dann die Kälte macht gemeiniglich weiß / gleichwie hingegen die Hitz schwartz-braun macht: deßwegen auch die Leut in hitzigen Landen schwartz oder braun / in kalten aber weiß seynd.

Bekand ist es / daß es auf denen hohen Bergen mehr und öffters Schnee gebe / als auf der Ebne oder in der Tieffe. Die Ursach dessen ist / weilen die hohe Berg näher bey der anderten Region des Luffts seynd /allwo es eine stärckere Kälte und mehr Wind abgibet. Im übrigen ist der Schnee / wann er zu seiner rechten Zeit fallet / dem Feld und denen Aeckeren nutzlich: dann er thut die warme Erd-Dämpf einhalten / daß sie nicht können heraus schlagen / und treibet die Wärme / so noch in der Erden ist / zuruck in die Wurtzlen der Erd-Früchten / und erhaltet sie also bey ihren Kräfften.

Hingegen weilen die Reiffen gemeiniglich fallen zur Zeit / da die Feld-Früchten blühen oder zu wachsen anfangen und noch zärtlich seynd / so seynd sie wegen der Kälte ihnen schädlich; gleichwie auch der Schnee seyn wurde / wann er zu solcher Zeit fiele.

Im sittlichen Verstand bedeutet der Schnee die Reinigkeit des Gewissens: dann gleichwie der Schnee von oben herab kommt / den Erdboden schön weiß und fruchtbar machet: also kommt die Reinigkeit /weilen sie ein recht himmlische Gab ist / von oben herab / aus absonderlicher Gnad GOttes / sie macht die menschliche Seel überaus schön und annehmlich in den Augen GOttes / den Grund des Hertzens aber fruchtbar an Verdienst und guten Wercken: so wenig auch etwas unsauberes in dem Schnee sich verbergen laßt / so wenig leidet die Reinigkeit einen Unflat der Sünden; auf welches abzielen die Wort des gedultigen Jobs / indem er sagt: Si lotus fuero quasi aquis nivis & fulserint velut mundissimæ manus meæ. 60 Wann ich mich gleich mit Schnee-Wasser wusche / und meine Händ wurden gantz rein scheinen.

Der Schnee dauret viel länger auf denen hohen Bergen als auf der Ebne oder in der Tieffe: doch wann er unter der Erden in einem tieffen Keller mit Stroh bedecket wird / kan er lang erhalten / und im Sommer der Wein / oder anderes darmit abgekült werden. 61 Eben also dauret auch der sittliche Schnee der Reinigkeit viel leichter und länger in der Höhe / das ist / bey denen / die sich auf das beschauliche Leben / und auf die Betrachtung begeben / als bey denen / die sich in der niedere mit dem würckenden Leben beschäfftigen. Doch kan auch der Schnee der Reinigkeit in der Tieffe der Demuth durch die Forcht GOttes bewahrt / und zur Zeit des heissen Sommers / das ist / in der Begierlichkeit [59] des Fleisches bewahret werden. Dann wie der weise Salomon bezeuget: Per timorem Domini omnis declinat à malo. 62 Durch die Forcht GOttes meidet man das Böse.


Aber gleichwie es auf dem hohen Meer niemahl schneiet / weilen nemlich die aufsteigende Vapores daselbst entweders von denen hefftigen Winden zerstreuet oder ehender in einen Nebel und Regen / als in einen Schnee verwandlet werden: also fallet der Schnee der Reinigkeit und der Forcht GOttes nicht leicht auf die Hochmüthige / Reiche und Geitzige; dann wann schon einige gute Begierden und Vorsätz von ihrem Hertzen aufsteigen / so werden sie doch gleich wiederum vom Wind der Eitelkeit zerstreuet /oder werden in die Wasser der Wollüsten verkehrt etc. 63

Es kan auch ferners der Schnee geistlicher Weiß auf die Gleisnerey und Schmeichlerey ausgedeutet werden. 64 Der Schnee / wann er aus dem Lufft auf die Erden herab fallet / da macht er gar kein Getümmel / nicht das mindiste Geräusch / sondern gantz unvermerckt nimmt er über Nacht den Platz ein / und bedecket alles / Wälder und Felder / Wiesen und Aecker / die Fürstliche Palläst so wohl / als gemeine Bauren-Hütten etc. und weilen er schön weiß / so ist er lustig anzusehen: aber wann man lang und starck darein schaut / da verblendt er das Gesicht / und schadet denen Augen. Eben also die Gleißner und Schmeichler gehen gantz glümpfig darein / sie schleichen unvermerckt daher / und nemmen die Hertzen so wohl der Edlen / als Unedlen / Jung und Alten / der Gelehrten und Ungelehrten / Fürsten und Bauren ein. Es können auch die Gleißner und Schmeichler sich äuserlich also anstellen / daß sie beliebt und angenehm seynd: aber sie verblenden die Augen mit ihrem falschen Schein und Schaden dem Gesicht / das ist /der rechten Vernunfft und gutem Gewissen derjenigen / die ihre Augen von diesem schädlichen Schnee nicht zeitlich abwenden. Bevorab verblendet dieser Schnee die Augen der Politischen Klugheit und Gerechtigkeit / das ist / den Verstand der regierenden Fürsten und Herren / daß sie nicht sehen / was zu thun oder zu lassen ist / wie der Nutzen der Gemeind zu beförderen /und der Schaden abzuwenden / wie die offentliche und ärgerliche Laster auszureiten / und hingegen die Christliche Tugenden einzupflantzen seyen etc.

Der Schnee bedecket und verbirgt manchen s.v. stinckenden Mist-Hauffen / und macht ihne dem Ansehen nach gantz weiß / aber wann er zergehet und zerfliesset / da findet man erst den schönen Schatz /so in dieser Silber-Grub verborgen lag / da siehet man erst / wie der Schnee die Augen so übel betrogen habe / wann die böse und ungesunde Dämpff von der entblößten Erden aufsteigen.

Eben also thun die Gleißner durch ihre Scheinheiligkeit die eigne Laster / die Schmeichler aber durch ihr flattiren ander Leuthen Fehler und Mängel verdecken. Laudatur peccator in desideriis animæ suæ, & iniquus benedicitur. 65 Der Gottloße wird gerühmt in denen Gelüsten seiner Seel / und der Ungerecht wird gelobt. Aber wann die Gleißnerey entdeckt wird / wann das Schmeichlen aufhört / da kommen die heimliche Laster an den Tag / und geben einen schlimmen Geruch der Aergernuß von sich.

[60]
Fußnoten

1 Psal. 134. v. 8.

2 Wo der Wind herkomme?

3 Wie viel Wind seyen?

4 Sturm- und Wirbel-Wind.

5 Der Heil Geist wird mit dem Wind vielfältig verglichen.

6 Act. c. 2. v. 2.

7 Joan. c. 3. v. 8.

8 Rom. c. 5. v. 5.

9 Kräfftige Würckung des Heil Geists.

10 Ezech. c. 37. v. 3 & 9.

11 Jacobi c. 1. v. 15.

12 Psal 147. v. 18.

13 Die Wind werden auf die 8. Seeligkeiten ausgedeutet.

14 Matth. c. 5. v. 3. & seq.

15 Die 7. Tod-Sünden mit dem Wind verglichen. Hom. 17. inter. 17.

16 Das Ohren-Blasen ist ein höchst schädlicher Wind.

17 Avincenna de natura ventorum.

18 Daniel. c. 7. v. 2. & 7.

19 Ein Ohren-Blaser wird abgebildet.

20 Er ist sehr schädlich?

21 Gen. c. 37. v. 33.

22 L. Si quis fumo 49. ff. ad legem Aquil.

23 Æolus ein GOtt der Winden.

24 Denen Ohren-Blasern soll man kein Gehör geben.

25 Prov. c. 26. v. 20.

26 Geistliche Obrigkeiten sollen gleich seyn einem Ost-Wind.

27 Böse oder untugendliche Prälaten seynd gleich dem West-Wind.

28 Matth. c. 23. v. 3.

29 Die Tugend und Gnad GOttes wird durch den Auster- und Sud-Wind beditten.

30 Cant. c. 4. v. 16.

31 Zeitliches Glück wird durch den Sud-Wind beditten.

32 Nord-Wind ist schädlich. In sittlichem Verstand bedeutet er böse Lehr und Exempel.

33 Auch die Trübsal und Anfechtung.

34 Matth. 7. v. 27.

35 Mittel wider die Wind der Laster und Versuchungen.

Serm. in Domin. 4. Epiphaniæ.

36 Woher die Wolcken kommen?

37 Psal. 67. v. 35.

38 Die Wolcken seynd in Heil. Schrifft berühmt.

39 Isaiæ c. 40. v. 31.

40 Psal. 104. v. 39.

41 Eitle Ehr und Ehrgeitzige seynd gleich denen Wolcken.

42 Ep. Judæ v. 12.

43 Wie man nach Ehren streben möge.

44 Luc. c. 22. v. 24.

45 Gen. c. 3. v. 5.

46 Isaiæ c. 14. v. 13.

47 Hom. 65. in Joann.

48 Regen und Schnee kommen aus denen Wolcken her.

49 Der Regen seynd dreyerley Gattungen.

50 Job. c. 26. v. 8.

51 Wundersame Regen.

52 Die Gnad GOttes ist gleich einem fruchtbaren Regen.

53 Act. c. 14. v. 16.

54 Ezech. c. 34. v. 27.

55 Auch die Reu und Buß.

56 Zäher-Regen ist sehr nutzlich und fruchtbar.

57 Tobiæ c. 3. v. 22.

58 Psalm. 93. v. 19.

59 Was es für eine Beschaffenheit mit dem Schnee habe?

60 Der Schnee wird mit der Reinigkeit verglichen. Job. c. 9. v. 30.

61 Wie der Schnee der Reinigkeit zu erhalten seye?

62 Prov. c. 16. v. 6.

63 Auf dem Meer schneiet es nicht.

64 Gleißnerey wird mit dem Schnee verglichen / wie auch die Schmeichlerey.

65 Psal. 9. v. 3.

VI. Von Thau und Nebel - Hagel - Blitz und Sonner
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von dem Thau und Nebel.

Das Thau ist ein subtiler Dampff / so in dem Lufft nächtlicher Weil durch ein gelinde Kälte zusammen gehet: in aller Frühe aber Tröpfflein Weiß unvermerckt sich herab lasset / und über die Kräuter und Pflantzen ausbreitet. 1 Das Thau wird durch die Krafft deß Himmels oder des Monds / auch durch die Feuchtigkeit deß Sud-Winds in der untersten Region des Luffts gezeuget: Es macht die Erden fruchtbar / indem es die Kräuter und Pflantzen / welche durch die Sonnen-Hitz verbrennt und welck worden seynd / wiederum erfrischet / und gleichsam lebendig machet: und obwohlen es scheint / als wann dasselbe durch die Sonn gäntzlich wiederum aufgetrücknet und ausgesogen werde / so verbleibt dannoch die Krafft desselben in denen Gewächsen / die es feißt und Kräfftig macht. Das Thau fallet nur alsdann / wann der Lufft still /und haiter ist / und zwar mehrentheils auf nidrigen Orthen / nicht aber auf hohen Bergen / wo es trüb oder windig ist / dann da wird das subtile Thau leicht verhinderet oder zerstreuet. Es kühlet ab den erhitzten Lufft / und vertreibt oder minderet die Krafft der gifftigen Thieren; hingegen machet es fruchtbar und schwängeret gleichsam die Meer-Muscheln / daß sie die kostbare Perlein empfangen und gebähren: Es speiset und ernähret auch die junge Raben / da sie in ihren Nestern noch ungefidert seynd / und noch nicht schwartz. Wegen diesen herrlichen Eigenschafften kan das Morgen-Thau im sittlichen Verstand füglich auf die Gnad GOttes ausgedeutet werden. 2 Dann erstlich kommt ja freylich diese kostbare Gaab / gleichwie das Morgen-Thau / von oben herab / nach Zeugnuß des H. Apostels Jacobi / von dem Vatter der Liechter / als dem Urheber alles Guten / der uns dieses unschätzbare Kleinod aus seiner himmlischen Schatz-Kammer zusendet: und gleichwie das Thau durch die Krafft des warmen Sud-Winds und Mitwürckung des Monds gezeuget / und der Erden ertheilt wird / also empfangen wir die Göttliche Gnad durch die Krafft des Heil. Geistes und Zuthun oder Vorbitt Mariä. 3 Aber gleichwie der kalt und rauhe Nord-Wind das angenehme Thau vertreibt und zerstöhret / also bemühet sich der höllische Feind durch den hefftigen Wind der starcken Versuchungen und durch die Sünd das himmlische Gnaden-Thau von uns abzuwenden / oder aus unserem Hertzen / aus unserer Seel zu vertreiben. Ferners das natürliche Thau / wie gemeldet worden / erforderet / daß der Lufft still und ruhig seye / und auch das sittliche Thau der Gnaden erfordert ein haiteres von Sünden reines Gewissen /und ein ruhiges Hertz / welches befreyhet ist von unruhigem Welt-Getümmel. Wiederum das Materialische Thau fallt viel lieber auf die flache Felder oder in tieffe Thäler / als auf die Berg und Bühel / also auch[61] GOtt resistit Superbis, humilibus autem dat gratiam, 4 widersetzt sich denen Hoffärtigen / denen Demüthigen aber gibt er Gnad.

Das Thau macht den Erdboden fett und fruchtbar /es erquickt und erfrischet die Erd-Gewächs: Eben also das Thau der Gnaden und des himmlischen Trosts macht die menschliche Seelen fruchtbar / es macht sie herfürbringen die häuffige Früchten der Buß und Tugend-Wercken / die Hertzen / welche von der Hitz der Begierlichkeit gleichsam verdorret und eingeschnurrt seynd / thut sie mit der Feuchtigkeit der Andacht und Tugend abkühlen / und erfrischen. 5 Ja auch die junge Raben / ehe daß sie schwartze Federn bekommen / ich will sagen / die noch unschuldige Seelen / welche von der Sünd noch nicht verschwärtzet seynd / die werden von denen himmlischen Gaaben und Gnaden-Thau gespeiset und ernähret; dann gleichwie das Brod ein Speiß des Leibs ist / also ist die Gnad ein Speiß der Seelen. Die gifftige Thier aber / ich verstehe die böse Feind / werden durch das Göttliche Gnaden-Thau abgetrieben von den jenigen Seelen / die damit begossen seynd / also daß sie ihnen durchaus nicht schaden können. Absonderlich hat dises himmlische Thau eine kräfftige Würckung bey den jenigen Seelen / welche in der Einsamkeit als wie in einer Muschel oder Schalen verschlossen seynd; dann bey diesen thut es auskochen das edle Perlein der Reinigkeit und kostbare Edelgestein der raristen Tugenden. Ja eben auf solche Weiß / nemlich durch das Göttliche Gnaden-Thau /ich will sagen / durch die Gnad des Heil. Geists / welcher Mariam überschattet / ja gäntzlich übergossen hat / ist in ihr gezeuget worden das alleredleste und kostbarste Perlein Christus JEsus: auf welches sittliche Thau und Perlein die Alt-Vätter in der Vorhöll mit ihren hitzigen Begierden abgezielet haben / als sie so inbrünstig geseufftzet: Rorate cœli desuper, & nubes pluant justum: 6 Ihr Himmel lasset den Thau herab fallen / und ihr Wolcken regnet den Gerechten. Dieses geistliche Gnaden-Thau hat auch verstanden der fromme Patriarch Isaac / als er seinem Sohn Jacob den Seegen ertheilet hat / sprechend:GOtt gebe dir von dem Thau des Himmels / und von der Feiste der Erden. 7

Ubrigens / wann der obgemelte subtile Dampf im Lufft durch ein grössere Kälte etwas stärckers zusammen gehet / und schier weiß ist als wie ein Schnee /da gibt es einen Reiffen ab: daß also der Reiffen nichts anderes ist / als ein gefrornes Thau. Der Reiffen aber ist insgemein mehr schädlich als nutzlich; dann er verbrennt gleichsam die Blumen und Kräuter / die Pflantzen und Früchten / absonderlich wann sie noch zart / und in der Blühe seynd. 8 Doch wird er bald widerum von der aufgehenden Sonnen verzehret. Derowegen ist der Reiffen gleich der eitlen Ehr und dem eitlen Wohlgefallen: massen die eitle Ehr die Blum und Früchten der Tugend und guten Wercken verbrennt und verderbt. Er benimmt ihnen den Glantz und den Werth / daß sie vor GOtt nicht mehr so schön und ihme gefällig seynd / auch nicht mehr so reichlich belohnt werden. Doch wann die Göttliche Gnaden-Sonn ihre Strahlen ergehen laßt / da vergeht dieser schädliche Reiffen / und die Tugendwerck werden mit Hindansetzung der eigenen / auf die Göttliche Ehr allein gerichtet etc.

Was den Nebel anbelangt / so wird er gleichfalls in dem Lufft aus wässerigen Dämpfen gezeugt. 9 Dises aber geschieht auf zweyerley Weiß: Erstlich nach dem Regen / wann der mehrere Theil eines feuchten Wolcken schon zu Wasser worden ist / und das übrige /welches zu dünn ist für einen Regen / in dem untersten Theil des Luffts sich ausbreitet. Andertens /wann die Sonn oder ein anders Gestirn einige dickere und gröbere Erd-Dämpff aufziehet / welche aber wegen Schwachheit der Wärme nicht weiter als in die unterste Region des Luffts erhebt werden / und allda einen Nebel abgeben.

[62] Der Nebel ist insgemein dem Leib schädlich und ungesund / weil er von denen feuchten Erd-Dämpffen herkommt: er wird von unterschiedlichen mit unterschiedlichen Dingen verglichen. 10 Meines Erachtens aber kan er im sittlichen Verstand füglich auf die eigene Lieb ausgedeutet werden / welche der Seel sehr schädlich und ungesund ist; weil sie aus einer Weichmüthigkeit und von der Sinnlichkeit entspringt / auch mancherley Kranckheiten der Seelen verursachet /indem sie zu den mehristen Sünd und Laster Anlaß gibet. Der Nebel verfinsteret den Lufft und verursachet / daß die Sonn mit ihren Strahlen uns nicht beleuchten kan. Eben also die eigene Lieb verfinsteret den Verstand / und machet / daß die Göttliche Gnaden-Sonn uns nicht erleuchtet / wie sie sonst thäte. Der materialische Nebel ist sowohl den Schiffenden auf dem Meer / als denen Reysenden auf dem Land beschwehrlich und verhinderlich / weilen sie vor ihm nicht sehen können / wo sie hingehen oder fahren sollen / ja sie werden offtermahl also durch den Nebel verführt und betrogen / daß sie ihren vorhabenden Endzweck oder Zihl nicht erreichen / sonder gar weit davon abweichen und verirren / oder gar zu Grund gehen in dem Meer / oder in einem Morast stecken bleiben auf dem Land. Auch der sittliche Nebel der eigenen Lieb ist sehr schädlich und verhinderlich denen Menschen / solang sie auf dem gefährlichen Meer diser Welt schiffen / oder auf der mühsamen Wanderschafft des zeitlichen Lebens sich befinden /dann er verblendet sie / daß sie gar nicht weit hinaus sehen / und bekümmert seynd / wie sie dem Leib und der Sinnlichkeit nach wohl und vergnügt leben mögen: mithin verfehlen sie gar leicht das sichere Gestad / den erwünschten Port der glückseeligen Ewigkeit / sie gehen in dem gefährlichen Welt-Meer zu Grund / oder versincken in einem Sumpff / in einer stinckenden Pfitzen des verbottenen Wollusts: und müssen mit spater Reu beklagen und sagen: Ergo erravimus à via veritatis etc. 11 So seynd wir dann irrgangen von dem Weeg der Wahrheit / und das Liecht der Gerechtigkeit hat uns nicht geleuchtet / und die Sonn des Verstands ist uns nicht aufgangen: weilen wir nehmlich von dem dicken Nebel der eignen Lieb gäntzlich verblendet waren.

Hingegen ist der Nebel günstig und angenehm den Nacht-Dieben / denen Strassen-Räuberen und Feinden; dann sie können unter seiner Bedeckung sich verbergen und gehlingen die Wanders-Leuth überfallen / berauben / und ihre Dieb-Stähl verüben / gleichwie auch die Wölff bey dem Nebel in den Schaaf- Stall einschleichen. Ja ein gantze feindliche Armee kan zu Zeiten unter dem Favor eines dicken Nebels anrucken / und unvermerckt einem Lager / einer Stadt oder Vestung sich nähern. Ein gleiche Beschaffenheit hat es mit der eignen Lieb; dann indem dieselbe den Menschen verblendet / also daß er die Gefahren nicht vermercket / da thun sich die höllische Strassen-Rauber / die Feind seiner Seelen derselben bedienen / sie kommen ihm unversehens über den Halß / sie berauben ihne seiner geistlichen Schätz und Güthern / sie nehmen ihn gefangen / oder bringen ihn gar um das Leben der Gnad. Wie es unter tausend anderen der Heil. Augustinns vor seiner Bekehrung wohl erfahren hat / als welcher von ihm selbsten bekennt: Exhalabant nebulæ de limosa terra concupiscentiæ carnis & obfuscabant cor meum. 12 Es stiegen auf die Nebel von der lettigen Erden der Begierlichkeit des Fleisches / und überzogen mein Hertz / mein Seel mit Finsternuß.

Ubrigens ist es von der Erfahrnuß bekannt / wann der Nebel aufsteiget / so gibt es trübes Wetter und Regen ab / wann er aber von der Sonnen untertrucket / und nicht hinauf gelassen / oder verzehret wird / da gibt es schön und helles Wetter. Ingleichem wann die eigne Lieb die Oberhand gewinnt / und über die Vernunfft Meister wird / da gibt es schlimm und trübes Wetter in dem Gewissen ab: wann sie aber durch die Liebe GOttes untertruckt [63] und überwunden wird / da ist ein schön und gutes Wetter / es scheint die göttliche Gnaden-Sonn in vollem Glantz. Endlichen gleichwie der Nebel / wo er aufgehet sich in die Weite ausbreitet / und gleichsam alles in Besitz nimmt / alles überziehet / die Fürstliche Lust-Gärtten und Palläst sowohl als die öde Felder und gemeine Bauren-Hütten / also die eigne Lieb breitet sich in alle Welt / bey allen Menschen aus / sie nimmt die Gemeine sowohl als die Herren ein / sie herrschet oder vielmehr tyrannisiret über alle. Ich sage tyrannisiret / dann die eigne Lieb kan billich genennt werden blandus Tyrannus ein gelimpfig und liebkosender Tyran oder Wütterich / der offentlich schmeichelt / und heimlich verwundet: sie führet in die Höhe / und stürtzet eben darum in die Tieffe. Ihre Zufriedenheit und Vergnügen zu finden nöthiget sie den Menschen tausenderley Unanständigkeiten zu begehen / Mühe und Arbeit auf sich zu nehmen / in die gröste Gefahren sich zu begeben. Zu diesem End thut sie auch alle Laster vermäntlen / und mit einem falschen Färblein der Tugend anstreichen. Die Hoffart nennet sie eine Ehrbarkeit / den Geitz ein Häußlichkeit / den Zorn und die Rach einen billichen Eyfer / den Fraß und Füllerey eine leibliche Nothdurfft / die fleischliche Wollüst eine Ergötzlichkeit /die Trägheit eine Ruhe / den Betrug eine Klugheit etc.

Die eigne Lieb ist ein reiche aber gifftige Bronn- Quell / aus welcher alles Ubel herfliesset; dann sie wird begleitet von der Eigensinnigkeit / und dem eignen Willen / der in das Verderben führet: derowegen billich in den Rechten beschlossen worden / daß niemand in seiner eignen Sach Richter seyn könne; weilen nehmlich die eigne Lieb verblendet und kein gesundes Urtheil fällen laßt. 13

Der verderbte und sinnliche Mensch ist gleich einem Baum / der für sein Wurtzel hat die eigne Lieb / für den Stammen die Neigung zum Bösen / für die Aest lasterhaffte Gewohnheiten / und für die Früchten die sündige Gedancken / Wort und Werck.

Die eigne Lieb ist blind in ihren urtheilen / hochmüthig in den Ehren / angsthafftig in den Sorgen / unruhig in dem Argwohn / begierig in dem Einnehmen /sorgfältig in dem behalten / gesparsam in dem ausgeben / rachgierig in denen Unbilden / unbehutsam in dem erwählen / und also indem sie sich selber in allem unordentlich suchet / und ihren Nutzen zu schaffen vermeynt / schadet sie ihr selber am aller mehristen / wie Christus der HErr austrucklich im Evangelio bezeuget: Qui amat animam suam, perdet eam. 14 Wer sein Seel lieb hat / wird sie verliehren / das ist / wer sich selber unordentlich liebt / ihme selber unzuläßige Ding zulasset / der thut sich selber zu Grund richten.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Hagel.

Auch der Hagel wird in dem Lufft oder in denen Wolcken aus kalten feuchten Dämpffen gezeuget / und ist nichts anders als ein gefrorner Regen / indeme die Regen-Tropffen in würcklichem herabfallen durch die Kälte in grössere oder kleinere Körner zusammen gefrieren. Der Hagel ist schädlich / er zerschlagt und beschädiget die Blühe und Früchten auf dem Feld / und an denen Bäumen / wie auch die Trauben an dem Reb-Stock etc. er fallet öffters bey Tag als bey Nacht: sein Gestalt ist gemeiniglich rund als wie die grosse Erbis / öffters auch eckig / und so groß als ein Hasel-Nuß / oder gar wie ein Hennen-Ey / wie geschehen ist zu Grätz in Steurmarck Anno 1588. In Francken-Land aber Anno 1678. seynd neben dem Hagel auch gantze Stücker Eiß grösser als ein Hand aus dem Lufft herab gefallen. Nachdem nehmlich das Wasser häuffiger von den Wolcken ausfliesset / und von einer hefftigen Kälte mehr oder minder zusammen gehet /ehe daß es in viel kleine Theil oder Tropffen zertheilt wird.

Es werden offtermahl Haar / Spän Scherben /Stroh-Hälm und dergleichen mit dem Hagel vermischt / oder [64] mit demselben eingefroren gefunden: welches nicht gleich einer Zauberey zu zuschreiben ist / sonder wohl natürlicher weiß geschehen mag; da nehmlich dergleichen Ding mit starcken Erd-Dämpffen vermischt samt denenselben in den Lufft aufgezogen werden / oder von einem hefftigen Wind anderstwo hergeführt mit denen Regen-Tropffen eingefroren.

Es wird von einigen ungewöhnlichen Hagel-Wettern gelesen / welche zweifels ohne aus absonderlicher Verordnung GOttes etwas übernatürliches gewesen seynd zur Straff oder zum Schrecken der Menschen. Als zur Zeit des verstockten Königs Pharaonis / welchem GOTT durch den Moysen getrohet hat /sprechend: Ich will einen sehr grossen Hagel regnen lassen / dergleichen in Egypten nicht gewesen ist. 15 Widerum zur Zeit deß Kaysers Valentis in Constantinopel ist ein unerhört grosser Hagel gefallen / der Ursachen / wie billich geglaubt worden / weil so viel gottseelige Priester / benandtlich der HeiligeJoannes Chrysostomus ungerechter Weiß ins Elend verwiesen worden.

Aber noch greulicher hat es gehaglet / als Rom von dem Alarico eingenommen worden / daß es Stein geworffen / welche etliche Pfund schwer waren. 16 Endlich am allerärgsten An. 1395. in Nordischen Landen / da es Hagel-Stein geben / auf welchen menschliche Angesichter zu sehen waren / und zwar die Mannliche mit Bärten / die weibliche aber mit Schleyern bedeckt. Die Hagel-Stein aber so zu Cremona 1240. gefallen seynd / hatten die Figur des Creutzes / und das Angesicht Christi in sich: in der Grösse waren sie einer Nuß groß wie Nauclerus Zahan und andere melden. 17

In sittlichem Verstand wird durch den Hagel Zwitracht und Uneinigkeit / Zanck und Hader beditten /dann gleichwie der Hagel herkommet von kalten Feuchtigkeiten / welche durch die äuserliche oder umstehende Hitz in das innerste der Wolcken getrieben werden / allwo sie durch die Kälte wiederum zusammen gehen und verharten / also wann die böse Anmuthungen durch die Hitz des Zorns / des Geitzes / der Hoffart etc. in die Hertzen so an der Liebe GOttes und des Nächsten gantz erkaltet / ja durch die Boßheit gantz erfroren und verhartet seynd / getrieben werden / und allda verharten / da gibt es einen Hagel ab / das ist / einen Zanck und Hader / man streitet und zancket um das Gut und Geld / um die Ehr und Vorzug / um Land und Leuth etc. da wird erfüllet was geschrieben steht: à petrosa ira plenæ mittentur grandines. 18 Von dem harten Zorn werden viel Hagel-Stein fallen. Ich verstehe die Hagel-Stein des Schänden und Schmähens / des Fluchen- und Schwörens / des Rauffen und Schlagens etc. Der Hagel fallt gehlingen und mit einer Hefftigkeit oder Ungestümme / er macht ein Geräusch in dem Lufft / und wann er groß ist / so schlagt er hart / was er antrifft / ja er verletzt auch die Thier und Menschen. Eben also / die dem Zanck und Hader ergeben seynd / brechen gehlingen aus wegen jedem schlechten Ding: Sie thun mit ihrer Ungestümme einen grossen Tumult und Unruhe in dem Hauß oder in der Gemeind erwecken: Sie treffen und beschädigen bald diesen bald jenen / mit ihrem bösen Maul und bißigen Zungen. Der Hagel / wie gemeldt /fallet öffters bey dem Tag als bey der Nacht / glaublichen darumb / weilen die Wolcken zu Nachts niederer und näher bey der Erden seynd / als bey dem Tag und folgends die herab fallende Wasser-Tropffen im Lufft nicht so geschwind gefrieren und zu Hagel werden. Gleichfalls der Zanck und Hader Zwitracht und Uneinigkeit begibt sich öffters an dem Tag der zeitlichen Wohlfahrt / und Glückseeligkeit / als in der Nacht der Trübsal und Armseeligkeit: öffters unter denen Reichen und Adelichen als Armen und Verachten / weilen nehmlich diese demüthig / und niderträchtig seynd und folgends nicht viel haben um was sie streiten /und zancken können / weder Geld im Beutel / weder Ruhmsucht im Hertzen. Sie lassen sich mit einem Stuck [65] Brodt / einfältigem Kleid und schlechter Wohnung vergnügen und befriedigen / wo andern gantze Herrschafften nicht erklecken: ja immer darum ein mehrers zu zancken / und anderen das ihrige streittig zu machen / Anlaß geben / wie es der Weltweise Aristoteles und Seneca austrucklich bezeugen: dann jener sagt: Nobilitas generis, & divitiæ principia & fontes sunt seditionum. 19 Der Adel des Geschlechts und die Reichthumen seynd die Bronnen-Quell und der Ursprung der Aufruhren. Dieser aber quietissimam, vitam agerent homines in terra, si hæc duo verba à natura omnium rerum tollerentur. 20 Meum & Tuum. Die Menschen wurden ganz ruhig auf der Welt leben / wann das mein und dein nirgends wäre. Aber der schädliche Hagel des Zancken und Haderens schlagt überall ein. 21. Schon zwischen dem Cain und dem Abel / zwischen den Hirten Abraham und Loths / zwischen dem Esau und Jacob / dem Jacob und Laban / dem Saul und David / ja auch zwischen den Jüngeren Christi / dem Paulum und Barnabam hat es Streit und Zwitracht abgeben.

Bey Erbauung des Hauß Gottes / des prächtigen Tempels zu Jerusalem ist kein eintziger Hammer-Streich ja gar kein Eisen gehört worden (dann die Stein waren schon alle vorher zubereitet) aber jetziger Zeit ist schier kein Hauß und kein Häußlein / wo nicht zum öfftern das Zanck-Eisen und die Hammer-Streich / ja Hagel-Streich des Haderens gehöret werden. 22 Auch der unschuldige Joseph hat in seines Vatters Hauß von seinen zänckischen Brüdern kein gutes / und friedliches Wort haben können / sondern sie haben immerdar mit ihm zancken wollen / non poterant ei quidquam pacificè loqui: 23 Und dieses Hader- oder Hagel-Wetter hat endlich so übel ausgeschlagen / daß sie sich entschlossen haben / ihne gar ums Leben zu bringen / obwohlen GOTT dieses durch eine absonderliche Vorsichtigkeit hat abgewendet.

Der grosse Freund GOttes der Prophet Moyses ware der sanfftmüthigste Mann von der Welt / und dannoch zanckten die Israeliter öffters starck mit ihm. Damahls ware der Abgang des Wassers in der Wüste daran schuldig: aber heutiges Tags ist zum öfftern nicht der Mangel des Wassers / sondern der Uberfluß des Weins und Biers in dem Wirths-Hauß am Zancken und Haderen schuldig / das Sauffen macht Rauffen / Haglen und schlagen. 24 Der Leim mit welchem die Schreiner / oder Küstler umgehen / vereiniget leichtlich also zwey Bretter zusammen / daß mans für eines ansihet / wann sie aber lang an einem feuchten Orth seynd / oder gar zu naß werden / da gehen sie von einander und werden entzweyt. Eben also seynd offt zwey gute Freund also einig und einträchtig / daß es scheint als wann sie nur ein Hertz und nur einen Sinn hätten: aber wann sie zu offt und zu lang in einem feuchten Orth / ich verstehe in dem Wirths-Hauß beysammen sitzen / wann sie vom Wein oder Bier gar zu starck genetzt werden / da lasset der Leim ihrer Freundschafft / ihre Gemüther werden zerspalten / und gehen von einander / es gibt Spän ab / das ist Zwitracht und Uneinigkeit ab / es gibt Zanck und Hader / Rauffen und Schlagen ab.

Der Heil. Franciscus Seraphicus wollte niemahl in die Stadt Arezo gehen / weilen ein grosser Zanck und Streit unter denselben Burger- und Innwohnern ware /welche sehr wider einander verbittert waren: O wie viel weniger wird Christus / der ein friedsamer König / ein Fürst des Friedens ist mit seiner Gnad in die Hertzen eingehen / in welchen Zwytracht und Uneinigkeit regiert! Der Heil. Franciscus hat mit Augen gesehen / wie daß zwey Teuffel in leiblicher Gestalt auf dem offentlichen Platz unter denen Leuthen herum gelauffen / und sie zur Uneinigkeit zum Zancken und Streiten haben angehetzt und aufgestifft: aber was da einmahl sichbarlich geschehen ist / das geschieht anderstwo tausendfältig unsichbarlich; massen nicht nur die Fürsten und König in [66] dem Feld mit denen Waffen um Land und Leuth streitten / sondern auch die junge Knaben auf der Gassen um Glucker und Nussen rauffen und schlagen / auch die alte Weiber auf dem Acker / und in dem Kraut-Garten einander mit Ruben und Häptlein bombardieren / oder gar mit einer Bürde Schlüssel in der Hand attaquiren. 25

Aber wo kommt es doch her / daß so manchesmahl der Hagel des Zanck und Haders / wo nicht die Fenster gar einschlaget / doch bey denen unfriedlichen Ehe-Leuthen blaue Fenster machet? die Ursachen seynd unterschiedlich: doch thun zum öfftern die böse Mäuler / und bißige Zungen einen solchen Hagel-Regen ausspeyen. Sermo durus suscitat furorem. 26 Ein hartes Wort richtet Grimmen an. Und wiederum: Labia stulti immiscent se rixis & os ejus jurgia provocat. 27 Die Leffsen des Narren kommen in Zanck / und sein Mund ringet nach Hader / sagt der weise Salomon. 28 Hierdurch aber gewinnet man eben das / was jener Löw und Bär gewonnen haben /welche / als sie ein junges Kitzlein auf der Hayd zugleich angetroffen haben / und ein jeder dieses gute Bißlein für sich allein behaupten wollte / da wurden sie sehr uneins / und raufften so lang und hart miteinander / biß daß sie beyde gantz Krafftloß zu Boden fielen / welches der Fuchs von weitem sehend / ihme zu Nutzen gemacht / das Kitzlein alleinig angriffen /und aufgefressen hat. Eben so viel haben mit Zancken gewonnen zwey hungerige Tropffen / welche um einen Hafen voll Bettler-Suppen eyfrig gestritten /und hitzig geraufft haben / der dritte entzwischen wollte bey diesem Duell keinen Secundanten abgeben / sonder bediente sich der guten Gelegenheit / machte die Suppen beut / und lieffe darmit auf und davon: denen streitenden Partheyen aber bliebe nichts übrig als die truckne Faust-grosse Brocken / die sie selbst einander in das Maul gegeben haben. Also wahr ist jenes Lateinische Sprüchwort:


Duobus litigantibus gaudet tertius.

Wann zwey miteinander zancken /
Hat der dritt dem Glück zu dancken.

Aber auf was Weiß kan und soll man sich vor dem so schädlichen Hagel des Zanck und Haders hüten und schützen? Antwort: erstlich soll man gedencken /daß mit einem minderen zancken und streitten schändlich seye / mit einem gleichen gefährlich / und mit einem mehr- oder stärckeren unsinnig. Das andere Mittel gibt uns an die Hand das Buch der weisen Sprüch: Verbum dulce multiplicat amicos. 29 Ein süsse Red oder gutes Wort macht viel Freund /und stillet die Feind. Das dritte Mittel heißt. Si iram non potes vincere, tempera etc. Wann du den Zorn nicht gäntzlich kanst überwinden / so mäßige ihn gleichwohl. Fuge, tace, schweig still / oder gehe davon / so hast du rühmlich obgesiget.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Vom Blitz und Donner.

Das Hochgewitter / so im Blitz / Donner und Strahl bestehet / ist eine Betrohung des Himmels / ein Zorn der Wolcken / ein Zerrüttung des Luffts / und ein Schrecken der Menschen / von der Natur seynd diese drey Ding nehmlich der Blitz / Donner und Strahl so nah mit einander verbunden / daß sie öffters zugleich und in einem Augenblick in denen Wolcken auf folgende Weiß gezeuget werden. 30 Wann die warme und truckene Dämpf durch die Krafft der Sonnen von der Erden biß in die anderte Region des Luffts erhoben worden / in den Wolcken eingeschlossen seynd /und aber durch die Bewegung / durch die Sonnen-Strahlen erhitzet und dünner worden und aus einander gehen (ja auch / indem sie schwefelächtig seynd / gar angezündet werden) also daß sie ein grösseres Orth zu haben verlangen / da schlagen und stossen sie hin und wider innerhalb der Wolcken an / und suchen einen Ausgang sich auszubreiten / oder brechen mit Gewalt aus / [67] und zersprengen gleichsam den Wolcken. Dieses Anschlagen oder Anstossen verursachet ein grosses Getöß und Brummlen / das ausbrechen aber einen starcken Knall / so wir den Donner oder das Donnern nennen.

Ferners eben diese angezündte und ausbrechende Dämpff machen ein gehling durchtringendes Feur in dem Lufft / welches / wann es in dem Lufft wiederum vergehet oder verschwindet / da wird es ein Blitz oder Wetterlaich genennet. Wann es aber mit grossem Gewalt und Schnelle biß auf die Erden herab schiesset /und was es antrifft zerschmetteret / zerschmeltzt oder verbrennt / da wird es ein Donner-Streich oder Donner-Strahl genennt.

Aus diesem erhellet der Irrwohn des gemeinen Volcks / welches vermeynt / der Strahl seye ein feuriger Pfeil oder ein Stein / der von denen Wolcken herab geschossen werde / es konnte ja ein solcher die subtileste Poros oder allerkleiniste Lufft-Löchlein /ohnverletzt des übrigen Cörpers nicht durchtringen /wie wir den Strahl es thun sehen / da er öffters zum Exempel das Silber oder Gold in einer wohl versperrten Küsten zerschmeltzet / oder den Wein in dem Faß verzehret / ohne alle Verletzung der Küsten oder des Fasses etc. doch ist es nicht ohne daß der feurige Strahl zum öfftern einen Stein (der aus dicken und groben Erd-Dämpffen / die in denen Wolcken zusammen gangen / und verhartet seynd / bestehet) mit sich führe / welches dann wohl ein Strahl-Stein oder Donner-Keul mag genennt werden.

Daß man aber den Blitz ehender sihet / als den Donner höret / kommt daher / weilen die Species oder Gestalten des Feurs oder eines andern sichtbarlichen Dings viel geschwinder von weitem durch den Lufft zu dem Gesicht / als die Species des Thons zu dem Gehör gelangen. Welches alles einiger massen kan erklärt werden durch die Losbrennung eines Geschützes / dann gleichwie das Schieß-Pulver in einem Stuck /wann es angezündt wird / sich auszubreiten oder zu erweitern suchet; weilen es aber innerhalb des Stucks solches nicht kan / so dringt es mit grossem Gewalt und starckem Knall zur fordern Oeffnung hinaus / und führet die Stuck-Kugel mit sich durch den Lufft: faß eben also / wann die hefftige und häuffige Dämpff in einer dicken Wolcken eingeschlossen / erhitzet oder entzündt werden / da begehren sie einen grössern Platz zu haben / und brechen mit Gewalt aus / verursachen ein grosses Getümmel / und führen offt einen Strahl-Stein mit sich.

Was aber die unterschiedliche Effect und Würckungen des Strahls oder Donner-Streichs anbelangt / so seynd derselben so viel und unterschiedliche / daß man leicht gantze Bücher darvon anfüllen konnte: und zwar so wunderbarliche / daß sie offt unglaublich zu seyn scheinen / wann nicht bey heisser Sommers-Zeit die tägliche Erfahrnuß selbe glaubwürdig ja unfehlbar und gewiß machte.

Im sittlichen Verstand kan der Blitz und Donner auf unterschiedliche Ding ausgedeutet werden. 31 Erstlich zwar bedeutet er die Macht und den Zorn GOttes. Dann / gleichwie wann die Erd-Dämpff aufsteigen / und in denen Wolcken erhitzt werden / ein Wetter verursachen / welches der Erden mit Blitz und Donnern trohet / ja offt auch würcklich einschlaget /also wann die böse Dämpff der Sünd und Laster gegen den Himmel aufsteigen / da thut der Allmächtig und erzürnte GOtt denen sündigen Menschen mit schreckbaren Zeichen gewaltig trohen / ja zum öfftern mit der würcklichen Straff darein schlagen / einen heylsamen Schrecken ihnen einzujagen / u. zur Buß und Besserung zu vermögen / wie es dann gewiß ist /daß ein recht starckes und hefftiges Donner-Wetter auch die hertzhafftist- und verwegniste Menschen erschrecken mag. Auf dieses scheint abzuzihlen der Königliche Prophet David wann er sagt: Ab increpatione tua fugient, à voce tonitrui tui formidabunt. 32 Von deinem Schelten fliehen sie / von der Stimm deines Donners werden sie sich entsetzen / indem nehmlich billicher massen [68] besorgen / es möchte sie GOtt mit gäher Straff überfallen. Nichtweniger thun auch die Gottseelige das Hochgewitter fürchten. 33 Der Heil. Bischoff Ceadda aus dem Orden des Heil.Benedicti pflegte allzeit / wann es gedonnert und geblitzet / sich in die Kirchen zu begeben / und auf dem Angesicht ligend so lang in dem Gebett zu verharren /biß das Wetter nachgelassen hat. Als er aber von denen seinigen gefragt wurde / warum er das thue /gab er zur Antwortt: habt ihr nicht gelesen / was geschrieben stehet: Intonuit de Cœlo Dominus etc. 34 Der HErr donnert vom Himmel / und der Höchste ließ seine Donner hören mit Hagel und feurigen Kohlen: Er schoß seine Pfeil und verderbet sie / er ließ sehr blizen und erschrecket sie. GOtt der Allmächtige sagte er / beweget die Lufft / er lasset die Sturm-Wind blasen / er lasset donnern und blitzen / bey denen Menschen ein heylsame Forcht zu erwecken / und des Jüngsten Gerichts ingedenck zu machen. Ein gewise andere auch gottseelige Persohn förchtete gleichfals das Hochgewitter überaus starck /sie ist auch würcklich vom Donner-Strahl erschlagen worden / aber bald darauf geoffenbaret / daß dieses ihr Fegfeuer gewesen seye / und sie alsdann sogleich in den Himmel aufgefahren / da indessen die böse Welt wohl hätte urtheilen mögen / es seye dieses wegen grossen heimlichen Lastern geschehen. 35

Ferners gleichwie das Wetter zwar allzeit mit Blitz und Donner trohet / doch nicht allzeit einschlagt und schadet / sonder zu Zeiten nur die Erden verschüttet und auflucket / oder in einen fruchtbaren Regen sich ausgiesset / also der erzürnte GOtt zwar trohet / doch nicht allzeit den Strahl der würcklichen Straff ergehen laßt / sonder zum öfftern durch seine Schreck-Zeichen die sündige Hertzen beweget und erweichet / auch einen heylsamen Regen der Reumüthigen Buß-Zäher fliessen macht / fulgura in pluviam fecit, 36 der die Blitz zu Regen macht / und eben darum kan das Hochgewitter auch mit der Reu und Buß verglichen werden / bevorab wann die menschliche Anmuthungen als sittliche Dämpff von der Liebe GOttes erhitzet werden / von dem Hertzen gewaltsam durch die Beicht ausbrechen / und einen starcken Schein der Buß und Tugend-Wercken von sich geben: nach der Ermahnung des Evangelistens: Sic luceat lux vestra etc. 37 also solle scheinen euer Liecht vor denen Menschen / das sie sehen eure gute Werck. 38

Der Donner-Strahl vertreibt und verzehret das Gifft eines gifftigen Thiers / das von demselben getroffen wird / hingegen thut ein hefftiger Donner-Klapff die Geburth der forchtsamen Schachteln oder Hirsch-Kühe beschleunigen / und verursachet / daß sie bälder gebähren / als sonsten geschehen wäre. Eben also das sittliche Donner-Wetter / das ist / die Göttliche Straff und Betrohung vertreibt das Gifft der Sünden in dem menschlichen Hertzen / das sie berührt oder schlaget: und hingegen macht es / daß der Mensch aus einer heylsamen Forcht die gute Werck und Vorsätz / so er empfangen hat / bälder gebähren und herfür bringen thut / als sonsten geschehen wäre / wann er nicht also wäre erschreckt und zerknirscht worden. Die Men schen / so von dem Donner verschlagen / verfaulen nicht / wie Plutarchus anmercket; weilen der Fäulung nichts mehrers widerstehet als das Feur / indem es alle Feuchtigkeit / von welcher die Fäulung herkommt / verzehret. 39 Auch die wahre Reu und Buß lasset den Menschen durch die Trägheit nicht verfaulen /und verzehrt in ihme die Feuchtigkeit der bösen Gelüsten etc. Endlichen gleichwie der Donner öffters in die hohe und harte Ding schlaget / als in die nidere und weiche / also auch der sittliche Donner des Göttlichen Zorns trifft öffters die Hochgetragene und Hartnäckige / als die Niderträchtige und Weichmüthige. DEus superbis resistit, humilibus autem dat gratiam. 40 GOtt widerstehet den Hoffärtigen / denen Demüthigen aber gibt er Gnad. Im Gegentheil der heylsame Donner der Reu und Buß trifft öffters [69] die niedrige und weiche / als die hochmüthige und harte Hertzen.

Noch ferners kan auch ein Prediger mit dem Donnerwetter verglichen werden: dann er solle auch zu Zeiten / wann es vonnöthen ist / auf der Cantzel blitzen und donneren / (doch niemahl einschlagen / das ist / niemand durch Unbescheidenheit schaden oder verletzen) mit Trohungen und Straff-Worten wider die Sünd und Laster / wider die hartnäckige und offentliche Aergernussen etc. wie es viel heilige Bischöff und eyfrige Prälaten mit unerschrockenem Muth gemacht haben / indeme sie dißfalls auch Fürsten und Königen nicht verschont haben / noch durch ihre Macht und hohes Ansehen sich von ihrer Schuldigkeit haben abhalten lassen. 41

Ja auch die zweyfache Ankunfft Christi auf diese Welt ist einiger massen dem Donnerwetter gleich: Dann gleichwie der Donner zu Zeiten gelind und glimpfig ist / von einem fruchtbaren Regen begleitet /und alsdann ist er weder schädlich noch erschrecklich: zu Zeiten aber hefftig und starck mit Feur vermenget /und alsdann ist er schädlich und grausam / er verheert und verderbt alles / was er antrifft / nichts kan seinem Gewalt widerstehen. 42 Eben also ist die erste Ankunfft Christi auf diese Welt in seiner Geburt gantz sanfft und gelind gewesen / gantz trostreich und erfreulich / mit einem fruchtbaren Regen der himmlischen Gaaben und Gnaden / die Erden / oder vielmehr die Hertzen der Menschen anfeuchtend und erquickend / wie auch die Hitz der Göttlichen Gerechtigkeit mäßigend.

Aber sein anderte Ankunfft an jenem allgemeinen strengen Gerichts-Tag wird seyn ein Donnerwetter mit Feur vermengt / und ohne Regen / das ist / ohne Gnad und Trost / für die Sünder ein strenge Gerechtigkeit /wie der Prophet Isaias hat weiß gesagt. Quia ecce Dominus in igne veniet & quasi turbo quadrigæ ejus etc. 43 Der HErr wird mit Feur kommen / und seine Wägen wie ein Wetter / damit er seinen Zorn mit Grimmen vergelte / und sein Bescheltung mit Feuer-Flammen. Das erstemahl ist er ankommen als ein sanfftmüthiges Lämmlein / aber das anderte mahl wird er kommen als wie ein grimmiger Löw. Leo rugiet, quis non pavebit? 44 Dieser Löw wird brüllen oder donnern / wer soll ihn nicht förchten? Ja auch die Kräfften des Himmels werden sich bewegen. 45 Der allerschrecklichste Donner-Streich aber dieses grausamen Wetters wird seyn das unwiderrufliche End-Urtheil wider die Gottlose:Ite maledicti in ignem æternum. 46 Gehet hin ihr Vermaledeyte in das ewige Feur.

Endlichen kan auch noch gar füglich der Donner und Blitz mit dem Laster des Fluchens und Schwörens / oder Schelten und Lästerens verglichen werden: als welches gemeiniglich herkommt von denen aufsteigenden Dämpfen des Hochmuths und Zornmuths /des Geld- und Ehr-Geitzes / welche in denen Hertzen / die in der Liebe GOttes und des Nächsten gantz erkaltet seynd / sich auszubreiten suchen / und mit Gewalt ausbrechend / einen grossen Tumult und Unruhe verursachen / donneren und blitzen / gleichsam Feur und Gifft wider GOTT / und die Menschen ausspeyen: ja öffters auch würcklich einschlagen / und wo nicht mit dem Donner-Keul der Waffen und der Händen / doch mit dem Keul des bösen Laster-Mauls /und der Zungen / bald diesen und bald jenen Neben-Menschen schmertzlich treffen / und schwerlich verwunden / ja auch öffters durch ihr Fluchen und böses wünschen den Tod und Teufel / den Hagel und Donner-Strahl / ihnen selbst oder anderen zur billichen Straff über den Halß / über Hauß und Hof / über ihre Felder / Wem-Reben und Aecker / sowohl mit grosser Verantwortung / als grossem Schaden ziehen. 47

Ein grosses Elend ist es / ein grosser Schrecken und Schaden / wann der Donner oder Hagel einschlagt: deßwegen macht man billich das Heil. Creutz darwider / man seegnet sich darwieder / man läuthet alle Glocken [70] darwider / und dannoch ist es ein so grosse Thorheit / als höchst-sträffliche Gewohnheit / daß man so manchesmahl aufschreyet / daß der Donner und Hagel verschlag / schlag mich der Donner etc. 48 Ja nicht nur dem Donner und Hagel von dem Himmel herab / sondern auch dem Teufel aus der Höllen herauf ruffen so manchesmahl / die dem verfluchten Laster des Fluchens ergebene tollsinnige Schwermer: dann was ist öffters zu hören als Fluchen und Schwören / bey Edel- und Baurs-Leuthen / bey Kauffleuthen u. Kriegsleuthen / bey Eheleuthen und Fuhrleuthen /bey Handwercksleuthen Bettelleuthen / bey jungen und alten Leuthen heißt es gar offt / holl mich der Teufel / oder des Teufels bin ich / wann es nicht so und so ist / wann ich nicht das und das thue etc. Ein Wunder-Ding ein unbegreiffliche Thor- und Vermessenheit ist es / diesen Höllen-Hund selbsten herlocken / welcher doch / wann es GOtt zuliesse (und wer weiß / ob er es nicht zulasse) für sich selbsten so gern käme / und so geschwind als wie der Wind / in aller Eyl als wie ein Pfeil zu beissen und zu verreissen / als welcher ja kein grössere Freud hat (wann er immer eine haben kan) als dem Menschen ein Leyd zuzufügen /ein anderes Glück / als den Menschen in Unglück zu bringen / und kein andere Seeligkeit / als den Menschen der Seeligkeit zu berauben. Dem Teufel rufft ein mancher / da doch / wann er käme / kein Mensch auf der gantzen Welt so viel Hertz im Leib hätte /ihne nur einen Augenblick anzuschauen. Ja die Heil.Catharina Senensis bezeugte / sie wollte lieber lange Zeit in einem feurigen Ofen brennen / als nur einen Augenblick den Teufel ansehen: ja auch Christus selbst hat der Heil. Brigitæ geoffenbaret / daß wann sie die höllische Larven müste anschauen / so wurde sie nicht ohne grossen Schmertzen leben / oder gar des gähen Tods sterben.


Martinus Delrio in disquis. Mag. schreibt / daß einstens drey verwegene Studenten / zu Pariß von ihrem Spiritu familiari, oder heimischen Teufel der ihnen in menschlicher Gestalt gedienet hat / begehrten / er soll sich ihnen einmahl in seiner eignen teuflischen Gestalt zeigen: Er aber weigerte sich solches zu thun / mit Vermelden sie wurden sein abscheuliche Heßlichkeit nicht können ausstehen. 49 Sie aber aus Fürwitz wollten nicht aussetzen mit ihrem Begehren /biß daß er sich vor ihren Augen in so erschrecklich und grausamer Gestalt hat sehen lassen / daß einer von ihnen urplötzlich tod darnider gefallen / der andere aber vor Schrecken zum Fenster hinaus gesprungen ist / und den Halß gebrochen hat / der dritte endlich kame zwar mit dem Leben davon / ist aber vor lauter Forcht Eißgrau worden / zitterte immerdar am gantzen Leib / und begabe sich in den Orden des Heil. Francisci Buß zu würcken / darinn er auch bald gestorben ist.

Wie schädlich und gefährlich aber es sey ihm selbst oder andern den Teufel anwünschen / erhellet aus folgenden Begebenheiten: Es begabe sich in dem Jahr 1614. in der Stadt Barri / daß etliche Cammeraden mit Würffeln spieleten / und als einer von ihnen alles verspielt hatte / stihlet er heimlich dem anderen einen Gold-Gulden hinweg / und als der andere ihn des Diebstahls bezüchtigte / hat er es durchaus gelaugnet / und sich selbsten verflucht / es soll ihm der Teufel den Kragen umreiben / wann er es gethan habe: und sihe / augenblicklich fallt er zu Boden / und wird ihme unsichbarlicher Weiß der Halß umgerieben /also daß das Gesicht hinder sich auf dem Rucken stunde / er lage als todt eine Zeit lang abscheulich vergstaltet auf der Erden da: als er aber wider zu sich selber kommen / da bekennte er / daß ihn der Teufel gleich nach gethanem Fluch in Gestalt eines grossen Hunds habe angefallen / und ihm den Halß umgeriben. 50 Er gabe darauf das gestohlene Geld / so er in einem Schuh verborgen hat / wiederum zuruck / und hinterliesse allen freventlichen Fluchern ein ernstliche Warnung und schreckbares Beyspiel.

[71] Ein anderer freventlicher Flucher sagte: es soll ihne der Teufel hohlen / wann er mehr in seiner Schwester Hauß gehe: aber über ein Zeit lang achtete er seinen Fluch nicht mehr / gehet widerum hin / und wird von dem bösen Feind zerrissen.

Wiederum ein anderer räuschiger Naß-Kittel / weilen der Knecht nicht gleich da ware / ruffet dem Teufel / er solle kommen / und ihme die Stifel ausziehen /er kommt wahrhafftig alsbald / reisset ihme aber samt dem Stifel auch den Fuß vom Leib hinweg. Noch ein anderer voller Zapf rufft dem Teufel im gähen Zorn /er soll ihne holen / dieser stellt sich gehorsam ein in erschrecklicher Gestalt / und fragt / was er verlange? der Flucher erschrickt von Hertzen / und protestirt es seye ihme nicht Ernst gewesen / er habe ihn nicht gemeynt: aber mir ist es Ernst / sagte der Teufel / aber ich meyne dich: er nimmt ihn bey der Gurgel und trucket ihme den Halß ein. Zeilerus in Hist. Trag. Nun lasse sich mehr einer gelusten / und sage: Holl mich der Teufel / oder deß Teufels bin ich (deme wir doch alle in dem Heil. Tauff so ernstlich abgeschworen haben) aber Christus der in dem Heil. Evangelio zu denen Pharisäern gesagt hat: Gebt dem Kayser was des Kaysers ist / und GOTT was GOttes ist / wird wohl auch einstens zur Zeit des Gerichts sagen: Gebt dem Teufel was (wie der Flucher sagt) des Teufels ist. 51

Eben so übel und sträfflich thun diejenige / welche ihren Neben-Menschen / das so edle Ebenbild GOttes dem hällischen Fuhrmann wegzuführen übergeben und anbefehlen: und dannoch höret man so manchesmahl nicht nur einen Feind über den andern / sondern auch die Ehe-Leuth über einander / auch die Eltern über die Kinder fluchen und sagen: daß dich der Teufel holl / daß dirs der Teufel geseng etc. (des Donner und Hagels / der Pestilentz und des Tods / ja auch des Sacramentieren und GOttlästerens kürtze halber zu geschweigen) O was für greuliche Wetter und Unglück haben schon manches mahl solche donnerende Mäuler und blitzende Zungen ihnen selbst und anderen über den Halß gezogen! Ein gewise Mutter verfluchte ihr kleines schreyendes Kind: Schweige still /sagte sie: daß dir der Teufel das Maul verstopff: ja es hat alsobald geschwigen / ist aber auch sein Lebtag stumm verblieben. Cæs. l. 5. c. 26. Ein Vatter verfluchte sein fünff jähriges Töchterlein / als es schleckerhafftig von einer Milch trancke: Ey so sauff daß du den Teufel hinein sauffest / sagt er: es ist auch geschehen / das Kind wurde von Stund an besessen / und biß in das hohe Alter vom bösen Feind geplagt.

Aber noch ärger hat das Donnerwetter / oder der Fluch jenes Vatters ausgeschlagen / (wann er doch ein Vatter und nicht vielmehr ein Mörder zu nennen ist) von welchem Zeilerus in theat. Trag. folgendes erzehlet: Zu Bacherach einer Stadt am Rhein gelegen /begab es sich im Jahr 1595. daß ein groß schwangeres Weib zu ihrem groben und räuschigen Mann ins Wirthshauß kame / und ihne schönstens bate / er sollte doch des Sauffens ein End machen / und mit ihr nacher Hauß gehen. 52 Wie was schrie der Limmel /du lose Vettel / was hast du mir einzureden / scherr dich fort samt dem lebendigen Teufel den du in dem Bauch tragest / oder ich schlage dich samt ihm zu tod. Das betrübte Weib gienge gleichwohl weinend und klagend nacher Hauß / und die Stund ihrer Niderkunfft kame herbey / sie gebahre / aber was? keine Menschliche Frucht / sonder ein Monstrum ein abscheuliches Abentheur / welches zwar mit dem oberen Theil einem Menschen / mit dem untern Theil aber einer Schlangen gleich sahe / dessen Schweif drey Ehlen lang ware. Das Geschrey von dieser Mißgeburt kame in das Wirthshauß dem Mann zu Ohren / dieser laufft alsbald gantz furios nacher Hauß um zusehen /was geschehen sey: und aber sobald er in das Zimmer kame / wo die Mutter samt der unglückseeligen Leibs-Frucht lage / und nach seiner Gewohnheit zu[72] donnern und zu poldern anfangen wolte / da sprang das ungeheure Monstrum auf ihne zu / fiel ihn mit Gewalt an / und wickelte seinen langen Schweiff ihme also um den Halß / daß es ihne auf der Stell vertroßlet hat / und er gantz erschwartzet / nidergefallen ist /und den Geist aufgeben hat. Nun aber


Felix quem faciunt aliena pericula cautum:

Glückseelig ist den fremde G'fahr
Beweget / daß er sich bewahr.

Prohibe linguam tuam à malo. 53 So haltet doch inn eure Laster-Mäuler und gifftige Zungen / stehet doch ab von dem Fluchen und Schwören / auf daß ihr nicht durch solches Donnerwetter nach zeitlichem Unglück auch den ewigen Schaden euch selber über den Halß ziehet.

Fußnoten

1 Wo das Thau herkomme / und was für Würckung es habe.

2 Das Morgen-Thau wird mit der Gnad GOttes verglichen.

3 Jacobi c. 1. v. 17.

4 1. Petri c. 5. v. 5.

5 Würckung oder Früchten der Gnad GOttes.

6 Isaiæ c. 45. v. 8.

7 Gen. c. 27. v. 8.

8 Der Reiffen ist schädlich und gleich der eitlen Ehr.

9 Woher der Nebel komme?

10 Die eigne Lieb ist gleich einem Nebel.

11 Vielfältiger Schaden der eignen Lieb.

Sap. c. 5. v. 6.

12 Lib. Confess.

13 Von der eignen Lieb entspringt alles Ubel.

14 Joan. c. 12. v. 25.

15 Exodi c. 9. v. 18.

16 Nicephorus lib. 13. c. 36.

17 Albertus Krantzius I. 9. Vandal. c. 32.

18 Zanck und Hader wird mit dem Hagel verglichen.

Sap. c. 5. v. 23.

19 Lib. 5. Polit.

20 Lib. de Moribus.

21 Zanck und Hader ist ein so gemeines als schädliches Laster.

22 Lib. 3. Reg. c. 6.

23 Gen. c. 32.

24 Exodi c. 5.

25 Der Teufel stifftet Zanck und Hader an.

26 Prov. c. 15. v. 1.

27 Ibidem c. 18. v. 6.

28 Mit Zancken gewinnt man nichts.

29 Eccles. c. 6. v. 5.

30 Donnerwetter wo es herkomme.

31 Die Macht und der Zorn GOttes wird mit dem Hochgewitter verglichen.

32 Psal. 103. v. 7.

33 Auch heilige Männer förchten das Hochgewitter.

34 Psal. 17. v. 14.

35 Bucolin. in Menol. 2. Martii.

36 Psal. 134. v. 7.

37 Matth. c. 5. v. 15.

38 Reu und Buß gleichet einem Donnerwetter.

39 Lib. 4. Sympos. q. 2.

40 1. Petri c. 5. v. 5.

41 Wie ein Prediger auf der Cantzel donnern soll.

42 Zweyfache Ankunfft Christi auf diese Welt gleichet einem Donnerwetter.

43 Isaiæ c. 64. v. 15.

44 Amos c. 3. v. 8.

45 Luc. c. 21. v. 26.

46 Math. c. 25. v. 34.

47 Fluchen und Schwören ist gleich einem Donnerwetter.

48 Fluchen und Schelten ist nicht nur höchst gefährlich und schädlich sonder auch unsinnig.

49 Abscheulichkeit und Grausamkeit des Teufels.

50 Wird mit Exemplen bewiesen durch Bestraffung der Flucher.

51 Marci c. 12. v. 17.

52 Ein grausamer Fluch gehet an. Historia.

53 Psal. 33. v. 14.

VII. Von dem Meer - von dem Liecht - Rauch und Finsternuß
Der 1. Absatz
Anhang zu dem Meer
Anhang zu dem Meer.
Von den Seen.

Nachdem ich oben von dem Wasser insgemein / von den Flüß und Bronnen / auch jetzund von dem Meer gehandelt hab / ist noch übrig von denen Seen etwas zu melden. Durch die See aber verstehe ich ein stehendes Wasser / welches nicht fließt / nicht ab- und zulaufft / doch Schiff- und Fischreich ist / aber dickerer und schwerer als ein Fluß- oder Bronnen-Wasser /und deßwegen zum Trincken nicht gesund: der Grund oder Boden in denen Seen ist insgemein lettig und kothig / und gibt öffters einen bösen Geruch und Dampff von sich / es nähret auch zu Zeiten unreine Thier als Frösch und Krotten etc. Wann es ein grosser See ist / so ist er einem kleinen Meer nicht gar ungleich: wann er aber klein ist / so pflegt mans auch einen Weyher oder Fisch-Teich zu nennen. Viel wunderbarliche und berühmte See seynd in unterschiedlichen Landschafften anzutreffen. 24

In Norwegen bey der Stadt Drontheim ist ein See /dessen Wasser niemahl gefriert / so kalt das Wetter auch immer ist. Es ist der See zwar oben kalt / unten aber auf dem Grund so heiß / daß wann man einen Topff oder Hafen mit Speiß hinunter lasset / so wird die Speiß gar bald darinn gekochet wiederum herauß gezogen.

Lacus Cocanicus ist ein See in Sicilien dessen Wasser täglich rings herum an dem Rand ein gute Menge schön weisses Saltz auswirffet. Der See Naphtica hat ein so stinckendes Wasser / daß es den Lufft derselben Gegend vergifftet / und denen / so da herum wohnen / grossen Schaden verursachet.

In der Peruanischen Provintz Calao ist ein See mit Nahmen Titicaca gelegen / welcher so groß und ungestümm ist / daß er einem Meer-Busen gleichet / in welchen wohl 10. Flüß hinein rinnen / er hat in seinem Umkreyß bey 80. Meil / sein Wasser ist zwar nicht so scharpff / als wie das Meer-Wasser / doch so dick und trüb / daß mans nicht trincken kan.

In Neu Hispanien zu Mexico befindet sich ein See /darinn man zwey unterschiedliche Wasser antrifft /eines ist gesaltzen wie das Meer-Wasser / das andere aber süß und frisch wegen den darein fallenden Flüssen. Mitten in dem See ligt ein sehr annehmliche Klippe / auf welcher man Bad-Stuben hat vom warmen und gesunden Wasser / das von sich selber fliesset. Von Sinesischen wunderbarlich- und merck-würdigen Seen und Wässeren ist eine lange Reihen von 60. biß 70. an der Zahl zu sehen / in dem Indisch- und Sinesischen Lust-Garten à fol. 1306.

In Italien unweit von dem Gebürg Monte Secco trifft man den so genanten Zinnß- oder Wucher See an / welcher niemahlen alles dasjenige widergibt / was man hinein tauchet: und wann man zum Exempel 3. Eyer in einem Körblein hinein henckt / so ziehet man nur 2. wider heraus / indem er den dritten Theil für einen Tribut zuruck behaltet. Wann man Speiß hinein setzt / so bekommt man sie nur halb gekocht wider herauß / und biß auf die Helffte weniger. Sein Wasser ist schwartz / dick und strudlet stets auf.

In Burgund ist ein unergründlicher See / der setzet ob dem Wasser einen so zähen Leim / welcher mit der Zeit so hart wird / daß man darüber gehen kan. Bey Nebel und trübem Wetter laßt sich das Wasser gar nicht [78] sehen / sonder nur wann die Zeit hell und klar ist / da tringet es durch etliche Löcher und Oeffnungen des zähen Leims in grosser Menge herfür.

In Engelland hat es einen zimlich grossen und Fischreichen See / Gufer genannt / der an Fischen einen Uberfluß / dabey aber diese seltzame Eigenschafft hat / daß / so lang es jedermann darinn zu fischen erlaubt ist / eine unglaubliche Menge Fisch abgibet: so bald aber ein Verbott deßwegen ergehet / da hat es die Erfahrnuß schon zum öffteren geben / daß die Fisch in selbem See sich alsbald verliehren / und sich nicht mehr sehen lassen / biß daß solches Verbott wiederum aufgehoben ist.

Geistlicher weiß mögen wohl die zeitliche Güther und Wollüst mit einem See verglichen werden; nicht zwar als wann sie ein stehendes Wasser wären /indem sie nur gar zu schnell dahin fliessen und zerrinnen / sondern weilen die Menschen sich in denenselben so viel und gern / als wie die Fisch im Wasser aufhalten: weilen sie unrein und schwer seynd / folgends träg machen / und der Gesundheit oder dem Wohlstand der Seelen schädlich seynd: Weilen sie viel Ungezifer und gifftige Thier ziglen / ich will sagen / viel Sünd und Laster verursachen: weilen sie einen bösen Geruch von sich geben / und den Lufft des Gewissens mit schädlichen Dämpffen anstecken: weilen sie endlich auf dem Grund lettig und kothig seynd / also daß man leicht darinn stecken bleibt oder gar versinckt / und sich nicht mehr heraus schwingen kan. 25

Es ist der See auch ferners ein Sinnbild des Geitzes: inmassen / gleichwie ein See zwar andere Wässer / die in ihn fliessen / alle gern annimt / aber nichts mehr zuruck gibt / andern nichts mittheilet / also die unersättige Geitz-Hälß wollen von allen nur immer einnehmen / nichts mehr zuruck geben / sondern alles für sich allein behalten. 26 Sie stecken auch in ihrem Gut und Geld vertiefft / als wie die Fisch im Leth und Koth des Wassers / und geben einen schlimmen Geruch eines bösen Ruffs von sich. Ja gleichwie ein stehendes Wasser gern das Ungezifer zeuget / also zeuget der Geitz viel andere Laster / die Ungerechtigkeit /Arg-List / Betrug und Unbarmhertzigkeit etc.

Ein solcher in dem lettigen See-Wasser deß Geitzes vertieffter Mensch ist gewesen jener berühmte Wassermann / Cola Pesce mit Nahmen / oder wie ihne andere nennen / Niclas Pescecola, ein sehr behender Schwimmer von Catanca gebürtig / welcher sich von Jugend auf also zum Schwimmen gewohnt hat / daß er mehr und lieber in dem Wasser unter den fischen (von denen er sich auch nährte) als auf dem Land unter denen Menschen wohnete. 27 Er bliebe öffters biß 5. Täg lang beständig in dem Wasser / und schwumme gewöhnlich aus Sicilien nach Calabrien /und gabe einen schwimmenden Postilion oder Brieff-Trager ab: dann seine Lung hatte sich dermassen ausgedehnt / daß er auf einmahl so viel Lufft und Athem schöpffen konnte / als er an einem gantzen Tag zum Schnauffen vonnöthen hätte. Er pflegte in dem Grund des Meers die Austern / Muschlen und Corallen etc. zu sammlen / und auf das Land zubringen. Man erzehlet von ihme / er habe durch so langen Auffenthalt in dem Wasser seine Natur also geänderet / daß er mehr einem Amphibio, das ist / einem halb Land- und halb Wasser-Thier seye gleich worden / als einem Menschen; dann es wuchsen ihme zwischen denen Fingern Krosplen / als wie an einem Ganß-Fuß / das Schwimmen zu beförderen etc.

Als nun einstens der König von Sicilien zu Messana sich aufhielte / und viel von diesem Wasser-Tretter gehöret hatte / und zugleich auch begierig ware die Beschaffenheit des obgemelten Wasser-Schlunds oder Meer-Wirbels Charybdis zu erkundigen / da liesse er den besagten Colam Pesce beruffen / und frischete ihn an in diesen Meer-Wirbel sich hinab zu wagen /und zu sehen wie er innerlich und in der Tieffe beschaffen seye. Cola weigerte sich anfänglich / und wendete die Entschuldigung vor / daß er es ohne [79] grosse und augenscheinliche Lebens-Gefahr nicht thun könne. Doch endlichen weil der König ihm eine gantz guldene Schalen oder Schüssel hat hinein werffen lassen / mit Versprechen sie solle sein gehören / wann er sie von der Tieffe heraus hohle / da hat er es gewagt /stürtzte sich in die Tieffe des grausamen Wasser-Schlunds / und kommt nach drey Viertel Stunden samt der guldinen Schüssel zwar mit gröster Mühe doch wiederum glücklich hervor. Nachdem er sich erhohlet und ausgerastet hat / wurde er von dem König genau erforschet / was er gesehen und erfahren hab? Er konnte aber nicht genugsam erzehlen / was grosse Gefahr Mühe und Schrecken er habe ausgestanden /theils wegen dem Gewalt und Ungestümme deß hefftig reißenden Wasser-Strohms / theils wegen grausamen Klippen und Felsen / die sich da unter dem Wasser befinden / wie auch wegen der unterirrdischen Fluß-Röhren / die mit gröstem Gewalt mitten durch die Felsen heraus brechen / und absonderlich wegen der Menge der ungeheuren Black-Fischen oder Viel-Füssen / die an denen Klippen und Felsen anhafften und mit ihren weit ausgestreckten Füssen mir sagte er / durch das blose Anschauen einen Grausen verursachet / und mich bey nahe vertappt hätten: In denen Wincklen und Höhlen der Felsen aber halten sich auf die sogenannte Meer-Hund oder Hund-Fisch / die mit einer dreyfachen Reyhen der Zähnen / so schärpffer als ein schneidiges Schwerdt / bewaffnet seynd / und an der Grösse einem Delphin gleichen / vor dero Wuth und Grimmen niemand sicher ist. Er setzte hinzu / daß er / wann er alles so vor gewußt hätte /nicht das halbe Königreich wurde genommen haben etc. und dannoch


Auri sacra fames! quid non mortalia cogis Pectora?

Verfluchter Geitz und Gelds-Begierd!
Mancher durch dich verführet wird.

und dannoch / nachdem man ihme von neuem zugesprochen und ihme abermahl durch Hineinwerffung einer guldenen Schaalen samt einem Beuttel voll Gold angeritzt hatte / liesse er sich überreden / und wagte sich noch einmahl hinein: Er ist aber nicht mehr heraus kommen / sondern glaublich durch den Gewalt der reissenden Wasser-Ströhm an einem Felsen zerschmettert / oder in dem Bauch einer hungerigen Meer-Bestien begraben worden / da er ihme selbsten hätte mögen die Grab-Schrifft machen: Infixus sum in limo profundi, & non est substantia. 28 Ich bin versuncken oder stecken bliebẽ in dem tieffen Schleim des Geitzes / da kein Grund ist / welcher unersättig ist. Ein grosse Vermessen- und Thorheit ist es gewesen / daß der gemeldte Cola Pesce wegen einem Stuck Gold in einen so gefährlichen Wasser-Schlund zum zweyten mahl sich gestürtzt hat: aber ein noch viel grössere ist es / daß ein mancher wegen einem Stuck schnöden Gelds oder anderen verbottenem Wollust sich gar in den Höllen-Schlund stürtzet.

Der 2. Absatz
Anhang zu dem Liecht
Anhang zu dem Liecht.
Von dem Schatten.

Nachdem ich von dem Liecht gemeldet hab / kan ich nicht umgehen von dem Schatten / der so nahe mit dem Liecht verbunden ist / kürtzlich etwas zu melden.

Es ist zwar der Schatten ein leeres und eiteles Weesen / doch stellt er uns offt grosse Ding vor / die er mit dem Pemsel der Natur lebhafft entwirfft / und deßwegen wohl grande Nihil, ein groß- und ansehnliches nichts kan genennt werden. Einen Schatten aber gibt es alsdann / wann das Liecht (der Sonnen oder eines Feurs) auf etwas dunckles und nicht durchsichtiges einfallet. 49 Umbra est objecto corporis opaci ad luminosum. der Schatten ist der Gegenwurff oder Gegensatz eines finstern Leibs und eines hellen.

Der Schatten ist kein wahrhaffter Leib / sonder nur ein Entwurff oder Abbildung desselben: Er hat kein selbständiges Weesen / keinen Bestand oder Dauren /sonder ist immerdar veränderlich / nachdem das Liecht oder der Leib / der den Schatten macht / bewegt wird / und so bald das eine abgehet / verschwindt er gantz und gar. Der Ursachen ist der Schatten ein Anzeigen des menschlichen Lebens /welches eben auch so flüchtig und veränderlich ist /wie es der Prophet David gar wohl erkennet hat /indem er sagt: Meine Täg / das ist / mein Leben /seynd abgewichen / oder zergangen / als wie ein Schatten. 50 Eben also der gedultige Job: Unser Leben ist wie ein Schatten auf Erden. 51 Er ist auch zugleich eine Erinnerung des Tods / dann gleichwie der Schatten in dem Liecht und einem duncklen Cörper bestehet / also bestehet der Mensch im Leib /der ein finsterer Erd-Schollen / und in der Seel / die ein hell liechter Geist ist: und aber gleichwie der Schatten überall dem Leib auf dem Fuß nachfolget /also thut der Tod dem menschlichen Leben immerdar aufpassen und nachstellen.

Ferners gleichwie der Tag wachset oder zunimmt /und die Sonn aufsteigt / da nimmt der Schatten ab und wird kleiner / hingegen wann der Tag abnimmt / und die Sonn absteigt / da wachset der Schatten / er wird grösser oder länger: also auch wann die menschliche Glückseeligkeit / die zeitliche Wohlfahrt groß / und in einem hohen Grad ist / da nimmt gemeiniglich der Schatten des zeitlichen Lebens ab / das Leben wird abgekürtzt / theils weil man in Wollüsten und Uberfluß mehr Feind hat und Nachstellungen: theils weil man öffters zum Schaden der Gesundheit selbe mißbraucht: hingegen wann der Tag der zeitlichen Güther und Wohlfahrt kurtz ist / da ist der Schatten des menschlichen Lebens gemeiniglich länger.

Plinius lib. 12. c. 1. meldet von einem Baum / auf dessen Schatten ein Zoll ist geschlagen und willig bezahlet worden. 52 Noch theurer ware der Schatten eines Esels / um welchen ihrer zwey hefftig gestritten / oder wohl auch gar einander geschlagen haben: dann als sie bey heissem Sonnen-Schein mit einander über ein weites Feld giengen / und kein Hauß noch Baum antraffen / da wollte der / so dem anderen den Esel abgekaufft hat / an dessen Schatten sich niderlegen /da ruhen / und sich vor der Sonnen-Hitz zu schirmen ein gutes Recht zu haben vermeynend / der andere aber protestirte hefftig darwider und sagte; es habe ihm der Käuffer nur den Esel / nicht aber seinen Schatten abgekaufft und bezahlet: O wie manches mahl thut man in der Welt um den Schatten eines Esels / ich will sagen / um gar schlecht und nichtige Ding hefftig und hitzig streiten und zancken.

Viel schätzbarer ist gewesen der Schatten des Heil. Petri / welcher auch nur im Vorbeygehen die unheylsame Kranckheiten geheilet hat. Noch schätzbarer ist gewesen der Schatten Christi an dem Heil. Creutz /welcher den rechten Schächer überschattet zur vollkommenen Reu und Seeligkeit gebracht hat. Unter diesen Schatten [84] sollen wir uns begeben / und von Hertzens-Grund zu dem gecreutzigten Heyland ruffen: Sub umbra Alarum tuarum protege me. 53 Beschirme mich unter dem Schatten deiner Flügel. Aber noch eins mein Christlicher Leser: indem ich dich unter den Schatten des Creutzes weise / sollest du wissen / daß diejenige Trübsal / Beschwernuß- und Widerwärtigkeiten / so du in deinem geistlichen oder weltlichen Stand zu übertragen hast / gegen dem Creutz Christi gerechnet (obwohlen sie dich so hart ankommen / und so schwer zu seyn geduncken) wahrhafftig nichts anders als ein bloser Schatten seyen / ab dem du dich nicht beschwehren / sonder gedultiglich leyden sollest / so wird dieser Schatten des Creutzes dich beschützen von der Hitz des Göttlichen Zorns etc. 54

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Rauch.

Der Rauch ist ein lüfftige Materi / die von denen verbrennten Leibern durch die Krafft der Hitz ausgehet; dann das Wässerige und Lüfftige / so die Hitz nicht verzehren kan / das wird in einen Rauch verkehrt. Nachdem nun die Materi / so verbrennt wird / beschaffen ist / so ist auch der Rauch unterschiedlich /nehmlich mehr oder minder rein / dinn / wohlschmeckend und gesund / oder hingegen dick / unrein / übel schweckend und ungesund: und ein solcher Rauch ist dem Gesicht und dem Hirn schädlich und den Augen /Mund und Nasen beschwerlich / wie es die Erfahrnus gibt / wann zum Exempel ein ausgelöschte Unschlitt Kertzen rauchet. Der Rauch hingegen so von verbrennter Myrrhen / Mastix / Storax ausgehet / der ist annehmlich / gut und gesund / er stärckt das Haupt und erquicket die Nasen. Deßwegen kan auch der Rauch auf Gutes und Böses ausgedeutet werden. Dann erstlich gleichwie man auf glüende Kohlen ein Rauch-Werck Gewürtz-Werck oder Blumen-Werck leget / da steigt ein subtil und lieblicher Rauch auf: Also wann das menschliche Hertz von dem Feur der Liebe GOttes erhitzet und entzündet wird / da steigt ein subtil- und lieblicher Rauch des eyfrigen Gebetts und der Andacht der guten Anmuthungen und Vorsätzen gegen GOTT und den Himmel auf: wie geschrieben stehet: Ascendit sumus incensorum de orationibus Sanctorum, de manu Angeli coram DEO. 55 Der Rauch des angezündten Rauch-Wercks von dem Gebett der Heiligen. Und wiederum: Wer ist die /welche aufsteigt aus der Wüsten wie ein gerader Rauch / wie ein Geruch von Myrrhen / Weyrauch und allerley Specereyen? Eben dieses kan auch gesagt werden von dem heylsamen Rauch der Reu und Buß / welcher von dem reumüthigen Hertzen eines Bekehrten Sünders vermög der Contrition ausgehet /den graden Weeg zu GOtt aufsteiget / und ihme ein grosses Wohlgefallen / dem Menschen aber den grösten Nutzen verursacht / obwohl er gleich dem natürlichen Rauch die Zäher aus den Augen treibet.

Von diesem Rauch der Reu und Andacht kan in der Wahrheit gesagt werden / was der Ertz-Engel Raphael zu dem Tobias gesagt hat: Fumus iste omne genus dæmoniorum extricat. 56 Dieser Rauch vertreibt alle böse Gespenst der Teuffel.

Plinius der Naturkündige schreibet: wann man von der Lungen eines Esels einen Rauch mache / und ein Hauß darmit ausräuche / so werde alles kriechende Ungezifer daraus vertrieben. Ob nun deme also / lasse ich dahin gestellt seyn / aber gewiß ist es / daß der sittliche Rauch der Andacht und der Reu / so von dem Hertzen eines demüthigen einfältig- und gedultigen Menschen ausgehet / alles Ungezifer der Sünd und Laster aus der Seel und dem Gewissen vertreibe.

Hingegen wann der Rauch unrein / dick und übelriechend ist / da ist er schädlich / beschwehrlich und ungesund. Ein solcher schlimmer Rauch im sittlichen Verstand ist die eitle Ehr und der Hochmuth / die zeitliche Wohlfahrt und Menschen-Gunst / absonderlich die Gunst und Gewogenheit der grossen [85] Fürsten und Herren. 57 Dann erstlich steigt dieses zwar alles in die Höhe auf / breitet sich aus / und macht ein Ansehen /aber gar bald nimmt es wieder ein End / und verschwindet alles gleich wie der Rauch im Wind. Also bezeuget es David / da er sagt: Inimici Domini mox ut honorificati fuerint & exaltati: deficientes quemadmodum fumus deficiunt. 58 Die Feind deß HErrn so bald sie zu Ehren kommen / und erhöcht werden / da werden sie verschwinden / wie der Rauch verschwindet.

Der natürliche Rauch verblendet die Augen und verschwärtzet das Angesicht: auch der sittliche Rauch verfinsteret die Vernunfft / daß sie nicht siehet / was zu thun oder zulassen / was Nutz oder Schad seye /und verschwärtzet das Gewissen. Er besudelt es mit denen Schand-Flecken unterschiedlicher Sünden undExcessen.


Gleichfalls steiget von dem menschlichen Hertzen /als wie von einem brennenden Feur-Ofen so von dem Feur der hefftigen Versuchungen und Begierlichkeit entzündet ist / von disem / sage ich / steiget auf der schädliche Rauch der bösen Begierden und unordentlichen Anmuthungen etc. Dieser Rauch ist figurirt oder angedeutet worden in der heimlichen Offenbahrung Joannis / da geschrieben steht: Aperuit puteum abyssi, & exivit fumus sicut fornacis magnæ & obscuratus est sol de fumo putei. 59 Ein Engel thät den Brunnen des Abgrunds auf / und der Rauch von dem Bronnen stieg auf gleich wie der Rauch eines grossen Ofens / und es ward die Sonn verfinsteret. Und dannoch thun die blinde Menschen diesem Rauch / absonderlich dem Rauch / der menschlichen Gunst / der Gewogenheit grosser Fürsten und Herrn so eyfrig nachjagen / und selben so begierig hinein schlucken / und suchen sich / aber vergeblich / darmit zu ersättigen. Wie es unter viel anderen im Werck wohl erfahren und aufrichtig bekennt hat ein verdorbner Edelmann und geweßter Hoff-Herr eines Königs in Engelland / da er also gesprochen:


Vitam animas & opes Aulis impendimus omnes,
Præmia pro meritis quæ retributa putas?
Aula dedit nobis scripta notata papyro,
Et sine mente sonos, & sine corde manus. 60
Zu Teutsch wollte er so viel sagen:
Thut man das Leben / Guth und Blut
Zum Dienst des Hoffs anwenden:
Mit Worten ers bezahlen thut /
Weißt ab mit leeren Händen.

Nun urtheile ein jedwederer / ob es der Mühe werth und der Vernunfft gemäß seye / um ein so eitel und leeren / ja um einen so schädlich und ungesunden Rauch / das ist / um eitle Ehr und Menschen-Gunst sich also hefftig bewerben / und selben so theur /nehmlich um Guth und Blut an sich erkauffen / ja auch manches mahl mit Verlust und Hindansetzung der Seel und Seeligkeit einhandlen?

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von der Finsternuß.

Tenebræ die Finsternus wird (wie der gelehrte Petrus Berchorius, und andere anmercken) also genennet à tenendo, weilen sie die Augen hält / daß sie nichts sehen können: dann sie ist ein dunckle des Luffts / so herkommt aus Abwesenheit des Liechts / und verursachet ein traurige Nacht. Deßwegen kan sie wohl mit dem Unverstand / Irrthum und Unwissenheit verglichen werden / dann gleichwie die Finsternuß den Lufft verduncklet / und die Farb / die Beschaffenheit oder das Aussehen der leiblichen Dingen verbirget /weil sie die Augen vom Sehen verhinderet: Also thut der Irrthum / Unverstand und Unwissenheit / absonderlich / wann sie von der Sünd herkommet / die Vernunfft verduncklen / und verursachen / daß sie nicht siehet / oder wahrhafftig urtheilen kan von der Sachen Beschaffenheit / zum Exempel von der Nichtigkeit der zeitlichen Güther / von der Heßlichkeit der Sünd /und Schönheit der Tugend / von der [86] Strenge der Gerechtigkeit / und Menge der Barmhertzigkeit GOttes etc. 61 Widerum die Finsternuß verhinderet den Wandersmann in dem gehen auf seinem Weeg / weil er nicht siehet / wo er daran ist / ob er nicht anstosse /ob er nicht in eine Grub oder Graben falle: Wie die Heil. Schrifft selber bezeuget. Qui ambulat in tenebris, nescit quo vadat. 62 Wer in Finsternuß wandlet / weißt nicht wo er hingehet. Auch die gemeldte sittliche Finsternuß verblendet den Menschen gar übel auf der Wanderschafft des zeitlichen Lebens / auf dem Weeg seines Heyls / daß er nicht siehet und erkennt die Gefahren seiner Seel / die Nachstellungen des bösen Feinds / die Stein der Aergernuß / die Gruben der bösen Gelegenheiten etc. 63 Der Weeg der Gottlosen ist dunckel / und sie wissen nicht wo sie hinfallen werden / sagt der weise Salomon: absonderlich wann der Weeg schlüpfferig / das ist / gefährlich oder verführerisch ist. 64

Ferners verursachet die Finsternus dem Menschen ein Forcht und Schrecken / wo auch kein Gefahr ist /absonderlich wann er alleinig / und weit von den Leuthen entfernt ist; Wann sich nur ein Maus oder Läublein rühret / da meynt er schon / es seye weiß nicht was. Hingegen minderet und vertreibt die Finsternuß die Schamhafftigkeit / deßwegen die / so ein Schand-oder Ubelthat gethan haben oder thun wollen / suchen und lieben die Finsternuß. Eben also die Unwissenheit und der Unverstand / so von der Sünd ist verursachet worden / macht das irrende und böse Gewissen forchtsam und erschrocken / öffters wo auch nichts zu förchten wäre / wie David beobachtet. Trepidaverunt timore, ubi non erat timor. 65 Sie haben ihnen geforchten / wo kein Forcht ware: Dominum non invocaveruut, weilen sie nehmlich allein waren / und GOtt nicht haben um Hülff angeruffen. Doch seynd diese Forchtsam und Erschrockene also beschaffen /daß sie sich in ihrer Finsternuß nicht schämen und scheuen zu thun / was sie sich bey hellem Tag / und vor denen Leuthen bey weitem nicht getrauten: von welchen geschrieben stehet: Confusione non sunt cofusi & erubescere nescierunt. 66 Sie haben sich in ihrer Schand nit geschämt / und haben sich nicht wollen schämen.

Endlichen gleichwie die nächtliche Finsternuß ein Feindin und Zerstörerin ist des menschlichen Gewerbs / des Handel und Wandels / und zum Schlaff oder Müßiggang anreitzet / die Menschen und Thier träg und verdrossen macht / ausgenommen die Nacht-Dieb / Ehebrecher und Strassen-Rauber / denen siefavorisiret oder günstig ist / und ihr böses Vorhaben beförderet: also auch die sittliche Finsternuß der sträfflichen Unwissenheit und des Unverstands verhinderet den Menschen sehr in Ubungen der Tugenden und verdienstlichen Wercken / sie reitzet ihne an zur Trägheit und Müßiggang. Von dieser Finsternus sagt Christus im Evangelio. Venit nox quando nemo poterit operari. 67 Es kommt die Nacht / da niemand würcken kan. Hingegen aber thut sie opera tenebrarum, die Werck der Finsternuß / das ist / die böse sündhaffte Werck nur gar zuwohl promoviren /beförderen und vertuschen. Absonderlich ist diese Finsternuß denen Geitz-Hälsen / den Unzüchtigen /denen Verläumderen und Neidigen günstig und bequem / ihre Laster (welche vor andern verlangen heimlich gehalten und vermäntelt zu werden) füglich auszuüben.

Aber aus diesen ihren freywilligen Finsternussen werden die Unbußfertige Sünder verstossen in tenebras exteriores, in die äuserste und höllische Finsternussen / welche noch weit ärger seynd / als die Egyptische Finsternussen / mit welchen GOtt zur Zeit des verstockten Königs Pharaonis das Egypten Land gestrafft hat / welche wie die H. Schrifft austrucklich bezeuget / so erschrecklich und dick waren / das mans greiffen konnte / und niemand den andern sahe / noch aufstund von dem Orth / da er war / in 3. Tägen / so lang sie gedaurt haben. 68

Es ist zwar die Finsternuß der Unwissenheit und des Unverstands an allen Menschen / doch absonderlich an denen Vorstehern und Obrigkeiten sehr schädlich und schändlich / gleichwie [87] wie es der Welt viel schädlicher ist / und wann die Sonn / als wann nur ein Stern verfinstert wird. 69

Die alte Heyden haben die Klugkeit oder Wissenschafft unter den guten Dingen für das allerbeste und edliste gehalten / den Unverstand und Unwissenheit aber für das ärgste unter den schlimmen Dingen. Unicum bonum est scientia, contra ignorantia unicum malum, sagte der Weltweise Socrates. Dieses hatte vor Zeiten wohl erkennt ein gewiser adelicher / reich und weiser Herr / der einen Sohn hatte / welcher mit dicker Finsternuß der Unwissenheit behafftet / und ein lauterer Idiot ware. Der Vatter führte ihne deßwegen zu dem Delphischen Oraculum Apollinis, und fragte um Rath / wie doch seinem unverständigen Sohn zu helffen wäre? das Oraculum gabe ihme zur Antwort /er solle ihn dem Silentio dem Stillschweigen widmen / und aufopfferen / dann das Stillschweigen seye das eintzige Mittel seinen unverständigen Sohn für gescheid zu verkauffen. Ja wann der Teufel / so sonst ein Vatter der Lugen ist / jemahl die Wahrheit geredt hat / so hat er es dißmahl gethan. Dann etiam stultus, si tacuerit, sapiens reputabitur. 70 Auch ein Narr /wann er stillschweiget / wird für weiß gehalten. Aber es thun diß Mittel die Unverständige manches mahl nicht in Obacht nehmen / indem sie gemeiniglich zu erst und am meisten das Maul brauchen / und seynd die Geschwätzigiste / mithin aber sich selber verrathen und zu schanden machen.

Der H. Geist gibt selber den Unterschied zwischen einem Weisen und Thoren / da er sagt: Oculi sapientis in capite ejus, stultus autem in tenebris ambulant. 71 Die Augen eines Weisen stehen in seinem Haupt / ein Narr aber gehet in der Finsternus. Und wiederum: Ich sahe die Weißheit / die übertraff die Thorheit als wie das Liecht die Finsternuß. Weilen nehmlich gleichwie einer / so in der Finstere umdappet / nicht weiß / wo er daran ist / bald da und bald dort anstosset / oder in eine Gruben fallt /also ein Unverständiger Mensch weist offt selber nicht / was er redet er irret sich da und dort / er fallt und fehlet gröblich in seinen Reden. Disem allem stimmt der Prophet Jeremias bey / indem er sagt: Erraverunt cæci in plateis. 72 Die Blinde / das ist / die Thorrechte Sünder / seynd irrgangen auf der Gassen. Daß man in einem weitem Feld oder dicken Wald irrgehe / ist sich so viel nicht zu verwunderen / aber auf der ordentlichen Gassen / allwo der Zulauf des Volcks ist / irr gehen / ist gar weit gefehlt: und also gehen irr die thorrechte und Unverständige / sie fehlen mit ihrem Urthel nicht nur in grossen schweren Sachen und Erkantnuß hoher Dingen / sondern auch in geringen und gemeinen / die sie gar leicht konnten und sollten wissen und verstehen / absonderlich in der Materi oder in Sachen / die das Göttliche Gesatz und der Seelen Heyl betreffen. O wohl ein höchst-schädlich u. schändliche Finsternuß des Verstands ist dises! mit dieser seynd absonderlich behafftet die Ketzer und Irrglaubige / welche dem Liecht der Wahrheit die Augen ihres Verstands nicht eröffnen wollen / und bey hellem Sonnenschein nicht sehen.

Es kan aber durch die Finsternuß auch noch die Demuth verstanden werden: inmassen gleichwie man einen Schatz oder Kleinod will sicher und verborgen haben / daß es nicht einem jeden unter die Augen komme / da thut man selbiges an einem finstern Orth in Geheim bewahren / also thun die Gerechte ihre geistliche Schätz / ich verstehe ihre Tugenden und gute Werck aus Demuth vor den Augen der Menschen verborgen und geheim halten / auf daß sie derselben durch die eitle Ehr nicht beraubt werden. 73 Eben der Ursachen halten sie sich auch selber gern still und einsam / sie erscheinen ohne Noth nicht viel vor denen Leuthen / und werden vor der Welt für einfältig und verächtlich gehalten / aber eben darum seynd sie mit dem Liecht der wahren Weißheit begabt / und werden zu gelegener Zeit aus der Finstere herfür gezogen werden / und auf einen Leuchter / zu Ehren / gesetzt / auf daß sie allen leuchten / die in dem / das ist /in der Kirchen GOttes seynd. 74

[88]
Fußnoten

1 Gen. c. 1. v. 10.

2 Die Beschaffenheit des Meers.

3 Bewegung deß Meers und woher sie komme.

4 Eccli. c. 43. v. 26.

5 Das Meer ist sehr gefährlich und beschwehrlich zu schiffen.

6 Indisch- und Sine sischer Lust- und Staats-Garten.fol. 1397.

7 Maria wird mit dem Meer verglichen.

8 Eccli. c. 1. v. 7.

9 Gen. c. 1. v. 2.

10 Luc. c. 1. v. 35.

11 Seltzames Graß und Blumen-Meer auf die Mutter GOttes applicirt.

12 Indisch- und Sinesischer Lust- und Staats-Garten.fol. 67.

13 Isaiæ c. II. V. 1.

14 Apoc. c. 15. v. 2.

15 Die Schmertzen Mariä seynd gleich dem Meer.Thren. c. 2. v. 13.

16 Tom. 3. Serm. 6.

17 Die Welt wird mit dem Meer verglichen.

18 Isaiæ c. 52. v. 20.

19 Psal. 68. v. 3.

20 Job. C. 14. v. 1.

21 Scylla und Charybdis was sie seyen.

22 Meer-Strudel bey Norwegen.

23 Wird applicirt.

24 Wunderbarliche und bezühmte See.

25 Zeitliche Güther und Wollüst werden mit einem See verglichen.

26 Stehendes See-Wasser ist ein Sinnbild des Geitzes.

27 Cola Pesce der verwunderliche Wassermann.

Historia aus dem Indisch- und Sinesischen Lust und Staats-Garten gezogen.

28 Psal. 68. v. 2.

29 Das Liecht ist sehr schön fürtrefflich und nothwendig in der Welt.

30 Eccli. c. 11. V. 7.

31 Joan. c. 3. v. 20.

32 Tobiæ c. 5. v. 12.

33 Joan. c. 8. v. 12.

34 Der Sohn GOttes ist ein sittliches Liecht der Welt / das wird vielfältig erwiesen.

35 Malach. c. 3. v. 6.

36 Sap. c. 7. v. 26.

37 Marei. c. 15. v. 28.

38 Vier absonderliche Eigenschafften oder Fürtrefflichkeiten des Liechts werden Christs applicirt.

39 Eccli. c. 24. v. 5.

40 Psal. 18. v. 6.

41 Psal. 44. v. 3.

42 Joann. c. 1. v. 3.

43 1. Cor. c. 4.

44 Was dann Christus für ein Liecht seye?

Exodi c. 13. v. 21.

45 Joan. c. 14. v. 6.

46 Die Vernunfft und Weißheit wird durch das Liecht beditten.

47 Matth. c. 5. v. 16.

48 Eccli. c. 6. v. 18.

49 Was der Schatten seye?

50 Das sterbliche Leben wird durch den Schatten angezeigt.

Psal. 101. v. 12.

51 Job. c. 8. v. 9.

52 Der Schatten wird hoch geschätzt.

53 Psal. 16. v. 6.

54 Schatten des Creutzes was er seye.

55 Der Rauch der Andacht der Reu und Buß ist nutzlieblich und kräfftig.

Apoc. c. 8. v. 4.

56 Tobiæ c. 6. v. 8.

57 Eitelkeit / zeitliches Glück und Menschen Gunst ist ein leerer schädlicher Rauch.

58 Psal. 36. v. 20.

59 Apoc. c. 9. v. 2.

60 Das Hoff-Danck ist schlecht.

61 Irrthum und Unwißenheit ist ein Finsternuß des Verstands.

62 Joann. c. 12. v. 35.

63 Die Finsternuß der Sünd ist sehr schädlich.

64 Prov. c. 4. v. 19.

65 Psal. 13. v. 5.

66 Jerem. c. 6. v. 15.

67 Joan. c. 9. v. 4.

68 Exodi c. 10. v. 22.

69 Die Wissenschaft ist ein grosses Gut und die Unwissenheit ein grosses Ubel.

70 Prov. c. 17. v. 28.

71 Eccli. c. 2. v. 14. & 13.

72 Thren. c. 4. v. 14.

73 Demuth wird durch die Finsternus beditten.

74 Matth. c. 5. v. 15.

VIII. Von denen Metallen
Der 1. Absatz
Anhang zu dem Gold
Anhang zu dem Gold.
Von dem Goldmachen.

Obwohl die freygebige Natur / wie ich in vorgehendem Titul gemeldet hab / in unterschiedlichen Bergen und Flüssen der Welt vieles Gold reichlich spendiret /so will es doch dem angebohrnen und unersättlichen Geitz der Menschen nicht erklecken / sondern es heißt da: Ars est simia naturæ, gleichwie die Affen denen Menschen fast alles wollen nachmachen / also will die Kunst in Herfürbringung des Golds der Natur es nachthun. 20 Es bemühen sich nicht wenig / die in derAlchymi oder Kunst die Metallen zu scheiden etwas erfahren seynd / aus / weiß nicht was für allerley Materi den wahren Lapidem Philosophicum heraus zu bringen / und vermittelst desselben / anderes Metall in reines Gold zu verwandlen. Zu diesem End bemühen sie sich unendlich viel / sie studiren und speculieren /probiren / laboriren / proceßiren Tag und Nacht / eine auf dise / andere auf andere Weiß und Art. Ob es nun möglich sey durch die Kunst und würcklich wahres Gold zu machen / oder ob es bey einer puren Speculation verbleibe / das will ich da nicht disputirlich ma chen / sonder dahin lassen gestellt seyn. Ich will auch nicht taxiren / oder tadlen diejenige so fleissig als kunstreiche Laboranten / die mit ihrer Müh und Kunst nichts anders intendiren / oder suchen / als zu erforschen und der Welt die geheime Krafft und Würckung der Natur zu zeigen / und zu erweisen / wie selbe so wunderbarlich procedire in Verwandlung eines Metalls oder anderen Dings in das andere etc. Ich will auch nicht urtheilen diejenige / welche durch ihre Kunst und Fleiß kein anderes Zihl und End haben /als ein Gold Artzney weiß zu Erhaltung der Gesundheit zu wegen zu bringen etc. Aber diejenige welche aus sträfflichem Fürwitz / ohne gründliche und genugsame Wissenschafft und Erfahrenheit / aus eitel Geitz und unmäßiger Begierd reich zu werden / sich unterstehen wahrhafftes Gold zu machen / welche zu disem End alle Zeit und Mittel anwenden und verschwenden / sich selbst und die ihrige in Bettel und Armuth stecken / welche die Leuth mit falschem Schein / und leerer Hoffnung betrügen / sie um das ihrige bringen /und das Geld aus dem Beutel schwätzen / welche so hartnäckig und eigensinnig wider alles Einrathen und vernünfftige Einwürff dannoch in ihrem vorgenommen und eingebildeten Goldmachen unabläßlich verharren / auch nachdem es ihnen schon hundert mahl gefehlt hat / nachdem schon so offt das Silber samt der Hoffnung [95] aus dem Digel und Brenn-Ofen zum Camin ausgefahren und im Rauch aufgangen ist /nachdem sie schon so offt an statt der 10. Ducaten /die sie eingesetzt / etwann kümmerlich wiederum 5. oder gar nichts haben herausgenommen / dise / sage ich / so verbeinte und so vernarrete Goldmacher kan ich nicht ohngerupfft und ohngezupfft passiten lassen: sondern ich sag ihnen frey / und ohne Scheu / was es mit ihrem Goldmachen sey / nehmlichen:


Goldmachen ist ein solche Kunst /
Bey der die Zeit unds Geld umsonst:
Ja wanns allzeit dem Recht nachgieng /
Der Künstler offt am Galgen hieng:
Dann mehrentheils ists nur Betrug /
Ein falscher Schein / und lauter Lug. 21
Die Kunst bringt gern um Haab und Guth /
Offt noch darzu um Leib und Blut.
Drum rath ich euch verlaffet sie /
Weils ja nichts nutzt und kost viel Mühe.
Es soll euch ja ein Warnung seyn
Der Schad / die Schand und Hertzens-Pein
Der schon so viel eures gleichen
Nicht haben können entweichen /
Eh sie euch gibt den letzten Stich /
Sagt / vor der Kunst GOtt b'hüte mich.

Dann wahrhafftig wie der hocherfahrne P. Kircherus S.J. anmercket / die sich gar zu starck auf die so mißliche Kunst des Goldmachens ergeben / denen stellt der Teufel gemeiniglich absonderlich nach: als welcher gar wohl weißt / daß die unmäßige Begierd reich zu werden / ein starckes und sich weit ausstreckendes Garn seye / die Menschen zu fangen: indem es gar offt geschieht / daß / indem die Goldmacher gar zu eyfrig und begierig seynd / sie unsägliche Mühe und Kosten darauf wenden / und doch immerdar einen Fehler oder Verhindernuß finden / wordurch sie eine Zeitlang zwischen Forcht und Hoffnung aufgezogen und angetrieben werden / immer mehr nachzuforschen / und ihre Mittel daran zu wagen. Endlich aber /indem sie keinen Ausgang finden / gerathen sie in Verzweifflung / begeben sich auf aberglaubisches Schatz-Graben und Teufels-Künsten / und lassen sich mit dem bösen Feind in Gemeinschafft und Bündnuß ein / von dem sie doch schändlich betrogen werden /sie finden kein Gold und verliehren die Seel. Viel dergleichen Traur-Fäll und leydige Casus seynd bey Delrio, Pererio und anderen zu sehen.

Wer der erste Goldmacher gewesen sey / ist nicht leicht zu errathen: doch können meines Erachtens die arme Goldmacher gar wohl den reichen Midas einen König in Phrygien / für ihren Principal und Heer-Führer erkennen / und verehren. 22 Dann diser (wie die Poeten dichten) als er einstens den Gott Bacchum gastirt und wohl bewirthet hatte / bekame er zur Recompens von Baccho die Erlaubnuß ein Gnad zu begehren oder zu wünschen / was er immer wolle / mit Versicherung daß er es erhalten solle. Der geitzige Midas aber wünschte ihm nichts mehrers / als daß alles / was er immer anrühre / zu lauter Gold werden sollte. Der Gott Bacchus lachte zwar über dieses thorrechte Begehren: doch sein Wort zu halten / hat er ihne seiner Bitt gewähret / ja es soll geschehen. Midas ware voll der Freuden / weilen er die Goldmacher Kunst so leicht und bald ergriffen: Er tastete eylends bald dieses bald jenes grosse Stuck Holtz oder Stein an / und alles wurde unverzüglich in lauter Gold verwandlet. Als ihn aber Lust zum Essen ankommen / da setzt er sich zur Tafel / langet nach Speiß und Tranck: so bald er aber einen Bissen oder einen Trunck hat angerührt /und mit diesem dem Mund zufahren wollen / da ist augenblicklich alles zu lauter Gold worden / welches er ja weder essen noch trincken konnte / und also von Hunger und Durst gewitziget / hat lernen müssen /wie thorrecht er gehandelt habe. Er bate deßwegen die Götter auf ein neues / sie wollten doch diese allzugrosse Gnad / [96] oder vielmehr Straff und Plag ihme wiederum ab und zuruck nehmen / und an statt eines Klumpen Golds ein Stuck Brod vergonnen / den Hunger zu stillen. Sie habens auch gethan / und sich über ihn erbarmt mit Befehl: er solle sich in dem Fluß Pactolo baden / worvon dieser Fluß das Gold-Sand zu führen angefangen hat. Doch hat der Gott Apollo ihme zur Straff und Angedencken seines närrischen Wunsches an statt der Königlichen Cron ein langes paar Esel-Ohren aufgesetzt und wachsen lassen.

Ich lise von gewisen Indianer / bey welchen das Gold / wie gemeldet worden / so häuffig ist / daß wann sie von ihrem König zu Gast geladen werden /da thun sie für ein Zierd ihren gantzen blosen Leib mit Gold überschmieren / auch mit vielen guldenen Adlern sich behencken. Aber die jetzige Goldmacher vermögen mit all ihrer Kunst nicht einmahl einer Mucken die Flügel / will geschweigen / sich selber gantz zu vergulden oder guldene Adler aufzubringen. Ihr Hertz und ihre Gedanchen seynd zwar verguldet /ja voller Gold / aber nur in der Begierd und eitlen Hoffnung: in der Sach selbsten aber bleiben sie arm /oder wann sie es lang treiben / werden sie doch arm.

Dise Goldmacher kommen mir vor als wie desÆsopi Hund: dieser hat ein gutes Stuck Fleisch erwischt / mit diesem laufft er bey hellem Mond-Schein über einen Steeg / und siehet im Wasser in dem Schatten einen andern Hund / der noch ein grösseres hatte / er war ihm neidig darum und möcht es gern haben: als er aber das Maul aufthät / und darnach schnappte / ließ er sein eigenes ins Wasser fallen /verlohre es / und noch weniger bekame er ein grösseres. 23 Eben also die etwas Mittel haben / und aus Geitz sich hinter das Goldmachen lassen / und in Hoffnung reicher zu werden / ihr Geldlein darwenden / die bekommen von neuem nichts und verliehren das Alte: die Hoffnung zu dem Gold fallet in das Wasser /und das Silber verschwindet in dem Lufft oder gehet in dem Rauch auf.

Es kan zwar das Gold füglich auch mit der Weißheit / ja mit der Tugend insgemein verglichen werden wegen seiner Schön- und Kostbarkeit / wegen dem Glantz und der Reinigkeit / wegen dem schweren Gewicht / der Daurhaffte und Nutzbarkeit. Aber das Goldmachen (verstehe das so mißlich und betrügliche Goldmachen) ist weder ein Tugend / noch ein Weißheit / sonder vielmehr ein Laster und Thorheit: inmassen es ja ein Thorheit ist / sein Haab und Gut in ein so mißliches und gefährliches Spiel setzen / welches so selten wohl / gemeiniglich aber sehr übel ausschlagt: Ein Laster aber und Boßheit ist es / weilen es ehrlichen Leuthen durch leere und betrügliche Hoffnung / durch falschen Schein das ihrige abnehmen /das Geld aus dem Beutel schwätzen / und in das Verderben bringen thut.

Nun sihe ich ein andere weit sicher- und richtigere Kunst Gold zu machen / die unvergleichlich nützlicher und einträglicher ist: nehmlich aus eisenen und bleyenen Wercken lauter silberne und guldine zu ma chen das ist / aus indifferenten Wercken / die an ihnen selber weder gut noch böß seynd / und keinen Werth oder Verdienst haben / als wie lesen / schreiben / gehen etc. GOtt gantz gefällig und hochverdienstlich zu machen. 24 Diese Kunst aber bestehet in dem / daß wir alles / was wir thun und lassen / aus reiner guter Meynung und aus Liebe GOttes thun /dann weil die Liebe / wie erwiesen worden / dem Gold gleichet / so thut sie all unsere Werck / die aus Lieb GOttes geschehen / gleichsam vergulden / ja zu lauter Gold machen. Diese Kunst und Weiß geistliches Gold zu machen / lehren und rathen die H H. Vätter und alle geistliche Lehrer: Ja Christus der HErr selbsten hat sie mehrmahlen seinen Liebhabern als höchst nutzlich und verdienstlich persöhnlich gerathen und anbefohlen. Dise gut und reine Meynung /wann sie von Hertzen gehet und zum öfftern wiederholet wird / ist der wahre Lapis Philosophicus oder Gold-Stein / der andere Materien / die erberührt / in Gold verwandlet. Da hingegen [97] alle obwohlen vor den Augen der Menschen höchst ansehnlich und hochgepriesene Werck ohne die Liebe und gute Meynung /als gantz nichtig und unnutz von GOtt angesehen / ja gäntzlich verworffen werden; darumen ermahnet uns der Apostel getreulich / sprechend: Ihr esset oder trincket / oder thut etwas anders / so sollt ihr alles thun zu der GOttes Ehr. 25

Wann man endlich ja auch sichbarliches und Materialisches Gold haben will / so gibt es noch wohl eine zuläßliche und sichere Weiß und Art / Gold oder Geld zu machen: und dise bestehet kürtzlich in deme / daß der Mensch nach seiner Stands-Gebühr auf ein oder andere Wissenschafft / freye Kunst / ehrliches Gewerb / oder Handthierung mit beständigem Fleiß sich begebe und derselben emsig oblige / oder wann es sein Stand zulasset / ein Æconomie oder Haußhaltung mit Nutzen und Vortheil / klug und vorsichtig anstelle /mäßig lebe / in der Kleydung / Nahrung und in dem Hauß-Geräth / Recreation etc. keinen Uberfluß ihme selber und den Seimgen gestatte: forderist aber durch tägliches Gebett den Göttlichen Seegen fleißig erbitte / und beynebens der Wercken der Barmhertzigkeit /absonderlich deß Allmosens nicht vergesse. 26 Auf solche Weiß sage ich / wird man leicht so vil Gold machen / welches wo nicht zur Reichthum und Uberfluß / doch zur Nothdurfft und ehrlichen Unterhalt erklecken mag.

Der 2. Absatz
Anhang zu dem Silber und Geld
Anhang zu dem Silber und Geld.
Von dem Schatz graben.

Denen Goldmachern / von welchen ich in dem vorgehenden Absatz gehandelt habe / seynd die Schatzgraber in primo gradu affinitatis verwandt; dann wann die Goldmacher an ihrer Brod-losen Kunst verlegen /oder verzweifflet seynd / oder wann ihre Mittel schon alle darauf gangen seynd / da begeben sie sich gern auf das Schatzgraben / als ihre letzte Zuflucht / des Bettlens sich zu erwehren. 39 Beyde ligen / wie man zu sagen pflegt / in einem Spital kranck / und leiden an einem Zustand / nemlich / sie haben die Gelb- oder Gelt-Sucht / das ist / die Begierd nach Gut und Geld. Ich weiß aber nicht / welche aus beyden armseeliger /mehr Lachens- oder Bedaurens-würdig seynd. Jene


Wollen Gold machen / und könnens doch nit
Diese aber
Wollen Gold suchen / und finden es nicht.

Die Goldmacher kommen zwar mit leeren Händen jedoch ungeschlagen darvon: die Schatzgraber hingegen verliehren zwar nichts darbey / sie werden aber offt vom Teuffel jämmerlich verschlagen / und därffen doch kein Wörtlein sagen. Aber sie lassen sich nicht abschröcken / wann sie schon viel Ungemach / viel Mühe und Arbeit / ja auch viel Forcht und Schröcken müssen ausstehen. Ist alles der Mühe werth / sagen sie / vielleicht ligen so und so viel tausend Gulden da vergraben. Es heist da bey ihnen


Tune cede malis, sed contra audentior ito.

Viel verhoffen / lang verharren
Macht d'Schatzgraber gern zu NN.

Dann die sich aus Geitz und Geldgierigkeit auf das Schatzgraben begeben / so bald sie hören oder ihnen traumen lassen / daß unter einer alten Mauer oder zerfallnen Gebäu / in einem Keller / in einer Höhle oder Berg-Klufft ein Schatz solle begraben seyn / da seynd sie so eyfrig und begierig darauf / daß sie all ihre Sinn und Gedancken dahin stellen / wie sie ihn erheben und bekommen mögen. 40 Sie seynd weit mehr beflissen / das Geld in der Erden / als GOtt in dem Himmel zu suchen. Zu diesem End muß ein aberglaubische oder aufs wenigst sehr verdächtliche [102] Glücks-Ruthen /ja offt der Teuffel selbst durch einen heimlichen / wo nicht offentlichen Pact verhülfflich seyn / und das beste thun. Wann schon der böse Feind in Gestalt der Schlangen / Krotten / grausamer schwartzer Hund etc. auf dem vergrabenen Geld liget / und selbes verwahret / wann schon das alte Gemäuer / oder die untergrabne Berg oder Erd-Klufften das Einfallen und die Uberschüttung betrohen / so wagen sie es gleichwohl / sie setzen das Gewissen auf die Seiten / sie geben Leib und Leben in die Gefahr / alles nur aus Hoffnung ein Stuck Geld zu erheben und reich zu werden. O blinde Thorheit!

Was nimmt es aber für einen Ausgang / was gewinnen sie darmit? gemeiniglich wenig / oder gar nichts /selten wird man von einem hören / der mit Schatzgraben seye reich worden / wohl aber bettel arm: dann nachdem sie sich lang genug bemühet haben / und auch Kösten daran gewendt / nachdem sie der Teuffel lang genug für einen Narren gehabt / mit leerer Hoffnung aufgezogen / geschrecket und geplagt hat / da müssen sie endlich unverrichter Sachen abstehen /und mit leeren Händen abziehen / offt aber büssen sie gar das Leben ein / und werden aus Schatzgraber /ihre selbst eigene Todtengräber.

Also ist es jenem ergangen / welchem ein Zauberer einen Schatz gezeigt hat / so unter einer Höle vergraben lag / als nun dieser in Beyseyn seines Freunds selben wolte ausgraben / ist er zwar zu einer grossen Kisten kommen / bey welcher aber ein greulicher schwartzer Hund lage / welchen er zu vertreiben / und die Kisten auszuheben sich bemühte: der Hund aber wolte ihm den Gefallen nicht thun / er ware nicht so höfflich / daß er einen Schritt auf die Seiten gienge: unterdessen aber ist die Grub eingefallen / und hat den unglückseeligen Menschen lebendig vergraben. 41

Also ist es auch ergangen jenen 10. Schatzgrabern zu Magdeburg / welchen der böse Feind zwar viel von Silber und Gold geoffenbart hat / als sie aber denselben reichen Schatz wolten ausgraben und erheben / da ist ein alter Thurn eingefallen / und hat sie allesamt jämmerlich erschlagen. Wiederum ein anderer / wieAndreas Tenetus schreibt / als er würcklich beschäfftiget ware mit Ausgrabung eines Schatz / ist er selbst in die Tieffe gesuncken und lebendig von der Erden verschluckt worden.

Ferners ein gewisser Advocat zu Lyon in Franckreich gienge bey nächtlicher Weil mit seinen Gesellen an ein Ort / von deme man viel sagte / daß ein Schatz alldorten solte begraben seyn: diese / nachdem sie den Teuffel / so gut sie vermochten / beschworen haben /fiengen an mit Pickel und Schauffeln zu graben: aber sie hörten alsobald ein jämmerliches Geschrey und grausame Stimm eines nahe darbey auf dem Rad ligenden Menschen / welcher überlaut ruffte: Fanget die Dieb / fanget die Dieb! worüber die Schatzgraber erschracken / und eilends alle davon geloffen seynd. Aber der Teuffel hat schnellere Flügel als diese Nacht-Vögel / er hat sie auf dem Weeg verfolgt / und biß zu dem Hauß des Advocaten gewaltig abgeprügelt.

Nicht besserer ist es ergangen jenem Frantzosen /der mit seinen Gesellen unweit von Pariß einen vergrabenen Schatz verkundschafftet hat / auch so weit darmit kommen ist / daß er ihne würcklich ausgegraben hat: und als er vermeynte das Küstlein mit Geld schon allbereit in Händen zu haben / da wurde es ihm gehlingen durch einen ungestümmen Wind widerum entrissen und hinweg geführt: zugleich fiele ein gutes Stuck von einer Maur auf ihn / worvon er sein Lebtag hat hincken müssen. Noch viel andere dergleichen Begebenheiten konnte ich beybringen.

Also wahr ist / was der Apostel 1. ad Tim. c. 6. schreibet: Qui volunt divites fieri, incident in tentationem & in laqueum diaboli etc. Die reich werden wollen / fallen in Versuchung / und Strick deß Teufels / in viel thorrechte und schädliche Gelüst / welche die Menschen ins Verderben / und Verdammnuß versencken, Und wiederum: Radix omnium [103] malorum est cupiditas. Der Geitz ist ein Wurtzel alles Ubels.

Aber weit glückseeliger als die obgemeldte in Erfindung eines Schatzes ist gewesen Tiberius ein griechischer Kayser / welchem ein Creutz denjenigen grossen Schatz / so Narses ein geweßter gewaltiger Kriegs-Obrister vergraben hat / aus sonderbarlicher Schickung GOttes angezeigt und entdecket hat / weilen er sehr freygebig gegen den Armen ware / welchen er auch erhebt und nutzlich angewendt hat. Noch glückseeliger ist gewesen ein gottseeliger Priester aus der Gesellschafft JEsu / der in seinem Tod-Bett den grösten Schatz gefunden hat: Dann als er sich noch beym Sterben im Angesicht und in den Gebärden gantz frölich erzeigt hatte / und die Ursach dessen befragt wurde / gab er zur Antwort: wann einer einen grossen Schatz von Silber / Gold und Edelgestein vor ihm sahe / und versichert wäre / daß selber ihm zu theil und eigen werden solle / dardurch ein Adeliches Land-Gut zu erkauffen / wurde er nicht lustig und frölich seyn? nun aber / sagte er / sihe ich vor Augen einen unendlichen Schatz / nemlichen / die Verdienst /das Leyden und Sterben Christi JEsu / und bin versichert / daß ich diß alles mein eigen machen / und das Himmelreich dardurch erkauffen kan / so habe ich mich ja billich zu erfreuen. 42 Eben auf solche Schatz-Gruben der HH. fünf Wunden gibt uns den Fingerzeig der Heil Bernardus sprechend: Bonus thesaurus, bona Margarita, quæ fosso agro corporis JESU invenitur. 43 Ein herrlicher Schatz / ein kostbares Perlein / so in dem Acker des durchstochenen oder durchgrabenen Leib JEsu gefunden wird. Ja Christus der HErr selber lehret uns Schatzgraben / da er sagt: Simile est regnum cœlorum thesauro abscondito in agro etc. 44 Das Himmelreich ist gleich einem ver borgenen Schatz im Acker / um diesen Schatz sollen wir uns bewerben / und alles daran wenden; dann wann wir diesen finden / so seynd wir reich genug und ewig glückseelig.

Als einstens der König in Spanien einen Abgesandten an die durchleuchtige Republic zu Venedig abgeschicket hatte / da haben die Venetianer diesem Gesandten unter andern Ehr-Beweisungen auch ihren Schatz gezeiget / benanntlich neben andern Kostbarkeiten viel grosse Truhen voller Gold. Der Abgesandte besahe sie gar eben / lächelte darzu / und fragte: Ob diese Kisten und Kästen auch einen Boden haben? und als man ihm mit ja geantwortet / sagte er / aber meines Königs seine Schätz / Küsten und Kästen haben keinen Boden. Er alludirte nehmlich auf die reiche Gold und Silber-Gruben / welche Spanien im Reich Peru in America oder West-Indien besitzet. Ein Schatz-Kasten ohne Grund / das ist / ein unendlicher Schatz-Kasten ist das gebenedeyte Hertz JESU / als in welchem alle Schäz der Weißheit und Erkanntnuß verbogen ligen. 45 Aus diesem Schatz kan und soll ein jeder nach Belieben heraus nehmen alles / was ihme nothwendig ist / die Verdienst / die Gnad / die Freyheit und das Leben / ohne daß der Schatz an sich selber jemahl im geringsten abnehme.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Zinn, Kupffer und Eisen.

Das Zinn Stannum oder Weiß-Bley ist die dritte Gattung der Metallen / es bestehet aus einem etwas reinen und feinen Mercurio, aber mit Vermischung eines scharpffen und unzeitigen Schwefels / deßwegen es auch gegen dem Silber und Gold gerechnet (als welches viel dicker und vester ist) unter die weichere und geringere Metall gerechnet wird. 46 Der Güte nach ist das Zinn unterschiedlich: das beste so in unsern Landen gebräuchlich / ist das Englische / und hernach das Böhmische Zinn. Das Zinn wird ferners in 3. Sorten oder Gattungen abgetheilt / das erste ist das glatte Zinn / welches auch das rechte und pure ist / das zweyte ist das Klingende / welches mit Kupffer /Zinck und Wißmuth [104] vermischt ist / welche Sachen ihm den Klang geben: die dritte ist die gemeinste und mit Bley vermischte Art.

Ubrigens wird das Zinn wie andere Metall aus denen Bergen gegraben. Das Zinn zertheilt die unterschiedliche Metall und söndert sie ab von einander /und erhaltet sie vom Verbrennen. Es ist schön weiß /und werden die Spiegel mit ihm gemäßiget / und auch das Bleyweiß daraus gemacht.

Durch das Zinn kan die Klugheit und Unterscheidungs-Krafft verstanden werden. 47 Dann gleichwie das Zinn ein Metall von dem andern unterscheidet /und absönderet / also thut diese Tugend und Klugheit das Böse von dem Guten / und das Gute von dem Böseren unterscheiden und absönderen. Widerum gleichwie die Klug- und Mäßigkeit alle andere Tugenden leitet und beschützet / ohne welche sie wurden zu Grund gehen und keine Tugenden mehr wären; dannvirtus consistit in medio, die Tugend bestehet in einer Mittelmäßigkeit zwischen 2. äussersten Dingen / als zum Exempel die Tugend der Hertzhafftigkeit haltet das Mittel zwischen der Vermessen- und Zaghafftigkeit / die Tugend der Freygebigkeit trifft das Mittel zwischen dem Geitz und der Verschwendung etc. hingegen alles was zu viel oder zu wenig / das ist kein Tugend mehr / sondern es ist Mangel- und Tadelhafft. Also thut auch dieses Metall das Zinn wegen seinem mittelmäßigen Temperament zwischen anderen Metallen mittlen und sie erhalten; dann obwohlen das Eisen und Ertz sehr hart ist / so wird es doch weich / wann es ohne Vermischung des Zinns in das Feur kommt /verbrennt. Auch die Tugenden haben keinen Bestand in dem Feur der Verfolgung / wann sie nicht mit diesem sittlichen Zinn der Klugheit und der Discretion vermengt wird. Ferners gleichwie die Spiegel mit dem Zinn / so man ihnen hintersetzt / gemäßiget werden /und gleichsam eingeschränckt / ohne welches man nur dardurch / nicht aber sich selbst darinn sehen wurde /also müssen alle andere Tugenden von der klugenDiscretion gemäßiget und eingeschränckt werden /auch die Weißheit selber: non plus sapere, quam oportet sapere, damit man nicht gar zu gescheid seyn wolle.

Cuprum das Kupfer ist unter denen geringen Metallen eines der fürnemsten / und bestehet aus einem Purpur-Farben Schwefel / mit etwas Vitriol und Mercurio vermischt. 48 Von dem Purpur-rothen Schwefel bekommt es die rothe Farb / von dem Vitriol die Blumen / oder sogenanten Grünspan: daß es aber etwas wenigers als das Bley und Zinn flüßig ist / das ist dem zimlich wohl figirten Mercurio zuzuschreiben: und eben darum wird es auch sehr gern mit dem Gold und Silber vereiniget / und gibt gleich dem Silber eine schöne blaue Tinctur von sich: Es behaupten einige /daß wann man dem Kupfer mit Vortheil die rothe Farb benemme / es selbst zu Silber werde / und wann mans mit dem Gaum vermische / die schöne Farb des Golds an sich nemme und zu einem Meßing werde. Neben dem / daß das Kupfer von Natur schier ins gemein etwas Gold mit sich führet. Es werden auch von dem Kupfer / als wie von andern Metallen viel Præparata gemacht: und hat man in der Medicin ad darvon oleum crocum, spiritum tincturam, sal und flores.

Ubrigens ist das Ertz / wann es unvollkommen ausgearbeitet oder ausgekocht ist / eben das Kupfer / und hat den Nahmen von der Insul Cypern / allwo es zu erst erfunden worden / wann es aber sein Vollkommenheit erreicht hat / wird es lediglich æs Ertz genennt: und endlich wann es polirt ist / und glantzend gemacht / da wird es Rausch-Gold aurichalcum, welches in dem Glantz dem wahren Gold nachahmet.

In sittlichem Verstand mögen wohl durch dieses Metall die Schmeichler verstanden werden; inmassen es zwar schön und sonor ist oder wohlklingend / und einen guten Thon gibt / aber es ist ungesund / wann man Speiß darinn kochet / oder daraus trincket. 49 Also auch die Schmeichel-Reden in [105] dem Mund der Schmeichler seynd / zwar schön und zierlich gestellt /sie lauten wohl / sie geben einen guten Klang in den Ohren dessen / der gelobt wird: aber wann sie zu dem Hertzen eintringen / da seynd sie sehr schädlich: inmassen der Schmeichler nichts als unter falschem Schein der Freundschafft seinen eignen Nutzen sucht /auch mit Schaden dessen / dem er schmeichlet. Adulatio est falsa laude seductio, sagt der Heil. Augustinus. 50 Der Schmeichler thut mit falschem Lob verführen. Gleichwie aber das Kupfer gar leicht verrost /und sein Schönheit verliehrt / wann es nicht zu Zeiten mit Oel geschmieret wird / also werden auch die schöne Schmeichel-Wort und Lob-Reden bald aufhören /wann du nicht zum öfftern das Oel der Freygebigkeit /der Schanckungen oder anderer Gefälligkeiten zugiessest.

Das Eisen ist ein Metall / welches mehrentheils bestehet in einer guten quantität säurlichen Saltzes und fixer Erden / sprödem Schwefel / und wenigem Mercurio. 51 Das Eisen ist hart und schwer / und laßt sich ungern schmeltzen / worzu ein grosses und starckes Feuer vonnöthen ist / welches endlich es als wie ein kleines feuriges Bächlein aus dem Schmeltz-Ofen fliessend macht. Die Schwere und Härte des Eisens / wie auch / daß es sich nicht so leicht schlagen laßt /kommt her von häuffig beygemischter Erden und wenigem Mercurio, hingegen der beygesellte Schwefel /und das säurliche Saltz verursacht / daß es leicht rostig wird. Wann der bessere Theil des Eisens auf seine gewisse Art noch mehr gehärtet und purificirt wird / da gibt es einen Stahl ab / der sich gar schön und subtil arbeiten / und poliren oder schleiffen und glantzend machen laßt. Das Eisen wird aus denen Bergen in die Schmöltz-Oefen und Hammer-Schmidten gebracht / allda in starcke Stangen geschmiedet /und zum Verkauff behalten.

So häuffig und gemein bey uns das Eisen ist / für so rahr und kostbar wird es an vielen Orthen in Indien / wo hingegen die Menge des Golds zu finden ist / gehalten / allwo man einem Europäer / so dahin kommt / gar gern für eine Axt oder Messer etc. einen grossen Klumpen Gold gibet. Der erste Eisen-Schmidt ist gewesen der Tubalian, nicht lang nach Erschaffung der Welt / daß also die Schmidt sich wohl ihres alten Herkommens rühmen mögen.

Es ist dieses das nothwendig oder dienlichste Metall zu gar unterschiedlichem Gebrauch / und vielerley Instrumenten oder Werckzeug / so man absonderlich in dem Bauen / und in dem Krieg / Waffen daraus zu schmieden / gebraucht / deßwegen es wohl auch auf Lateinisch ferrum à feriendo, das ist / vom schlagen genennet wird.

Es ist auch nicht unnutzlich Artzneyweiß zu gebrauchen; dann wann man ein glüendes Eisen in dem Wasser oder Wein ablöschet / so ist es gut für dieDissenterie oder den Durchlauff / wie auch für einen schlimmen Magen; dann es hat die Krafft zu stärcken und zusammen zu halten. Auch der Rost vom Eisen mit Eßig vermischt / macht das Kyfer und Zahnfleisch vest / und verhinderet oder stellet ein das Ausfallen der Haaren. In Eisen-Bergwercken ist auch die Eisen-Blühe flos ferri, oder schneeweisse / zu Zeiten silberfärbige Eisen-Blumen zu sehen / die gantz leicht und subtil: diese Eisen-Blumen seynd ein mineralischer Stein / so in denen Bergen auf einigen Metallen / absonderlich auf denen Eisen-Steinen aufwachset / und in die Höhe schießt / als wie geschmeidige Aestlein oder Corallen-Zincken / gleichsam mit zarten Fäden umwunden. Sie præsentiren öffters gar unterschiedliche Figuren / so die Natur für sich selbsten gestaltet hat. Magnificus P. Romoser in tract. de Meteor: schreibet: Er habe Anno 1698. in dem Steyrischen Eisen-Bergwerck eine Schnee-weisse Tauben gesehen / welche die Natur aus den Eisen-Blumen für sich selber formirt oder gestaltet habe / mit 2. Flügelein ordentlich versehen und überall mit Strahlen umgeben /gleichwie man den Heil. Geist zu mahlen und zu schnitzlen pflegt.

[106] Durch das Eisen kan wegen seiner Härte und Daurhafftigkeit die Stärcke verstanden werden; weilen gleichwie das Eisen vast alle cörperliche Ding mit einem Gewalt zerbricht / und zerschlaget / also die Stärcke alle Gefahr und Beschwerden überwindet. 52 Ja die Heil. Schrifft macht selber diese Gleichnuß /Dan. c. 2. v. 40. mit folgenden Worten: Das. 4te Königreich wird so starck seyn als Eisen: dann wie Eisen alle Ding zerbricht / zerschlagt und zwingt / also wird es auch diese alle zermahlen und zerbrechen.

Das Eisen dauret im Feuer und Wasser / es haltet alles Ungewitter aus: auch ein recht starcker Mensch bleibt standhafftig / Eisen-vest / und unverstöhrt in allen Zufäll- und Begebenheiten. Das Eisen ist ein schier allgemeines Instrument alle starcke und schwere Arbeiten zu vollziehen: absonderlich in dem Krieg und Feldschlachten muß es dienen und das beste thun / so wohl sich selber zu beschützen als den Feind zu bestreiten und zu verfolgen: aber noch mehr ist zu eben solchem Zihl und End die Stärcke vonnöthen /ohne welche das Eisen nicht viel nutzen oder ausrichten wurde / weilen ja das Schwerdt und der Degen in der Hand eines schwachen Kinds / so es nicht regieren kan / wenig zu achten oder zu förchten ist.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von dem Bley und Quecksilber.

Das Bley ist ein bleiches / schweres und unreines oder unauskochtes Metall ohne Klang / und fliesset gar leicht. 53 Es bestehet in einem unreinen Saltz / unauskochtem Mercurio und irrdischem Schwefel: Es verdirbet leichtlich andere Metall und besudelt den / der mit umgehet. Es ziehet die dicke unreine Erd-Dämpff an sich / und wird dardurch vermehret. Es ist das Bley dreyerley / eines ist weißlecht / das andere schwartzlecht / und das dritte gantz schwartz. Alle drey Gattungen werden in Teutschland gefunden. Aus dem Bley wird das Menig / Minium (ist ein gewisse rothe Farb) gemacht: daraus werden die Schüß-Kuglen gegossen / Wasser-Röhr und viel andere Ding gemacht: Es kan ohne Bley kein Silber aus denen Ertzen oder Steinen gebracht werden: es hat auch alles Bley etwas weniges von Silber bey sich / im Schmeltzen aber läßt es sich von einander scheiden. Das Bley wird auch zu külenden Artzneyen gebraucht / und wann man es zu einer Blatten schlagt / und auf das Haupt legt / da nimmt es die Haar hinweg; weilen es nemlich die Feuchtigkeit an sich ziehet / und folgends die Haar ausfallen.

Wann man schon ein brinnheisses zerlassenes Bley auf ein Papier schüttet / so verbrennt es doch selbes nicht / wohl aber thut es solches wegen seiner Schwere durchlöchern oder durchbrechen: und wie Plinius 24. c. 17. schreibet: wann man ein bleyenes Geschirr mit einem zarten Faden verwicklet und in das Feur setzt / so verbrennt er nicht; weil das Bley ihn wider das Feur bewahret.

Das Bley erhaltet die Stimm / wann man eine Laminam oder geschlagenes Blat von Bley auf der Brust traget / welches einstens viel Musicanten zu thun gepflegt haben / vielleicht weilen es die Feuchtigkeiten an sich ziehet / die sonst der Stimm die Reuhe benemmeten. Endlichen soll es auch ein Krafft haben wider die Geilheit / die fleischliche Begierden oder Bewegnussen zu hemmen / oder zu unterdrucken / wann man an beyden Lenden ein Blat von geschlagenem Bley oder eine Gurtel von Bley tragt: welches Fr. Ambrosius de Senis ein heiligmäßiger Mann / Ord. S. Dominici gethan hat (wie man nach seinem Tod gefunden) welcher auf alle Weiß sich beflissen hat / seine Jungfräuliche Reinigkeit unversehrt zu erhalten.

Aber wegen seiner Schwere und Unreinigkeit kan das Bley füglich mit der Sünd verglichen werden. 54 Die Sünd ist jener schwere Last / der die menschliche Seel also beschweret / unter sich trucket und in die Tieffe / in den [107] Abgrund des Verderbens ziehet: mithin verhindert / daß der Mensch mit seinen Begierden und Anmuthungen nicht übersich auf GOtt und den Himmel abzihlet / sondern in das Zeitliche vetriefft immerdar an der Erden anklebet.

Die Sünd ist jene Bürde / welche uns der Apostel Paulus ermahnet / abzulegen / da er also schreibt: Deponentes omne pondus, & circumstans nos peccatum, 55 Lasset uns ablegen alles was uns trucket und die anklebende Sünd etc. Auch unrein ist die Sünd / ja die Unreinigkeit selber / so alle Zierd und Schönheit der Seel zerstöhret / das schöne Kleid der Unschuld bemacklet / und den gantzen innerlichen Stand des Menschen häßlich verstaltet. Ja gleichwie das Bley nicht nur an sich selber unsauber ist / sondern auch andere Metall / mit denen es vermischet wird / verunreiniget / also thun auch gemeiniglich die offentliche und ärgerliche Sünder / andere so mit ihnen Gemeinschafft haben / oder umgehen / wann sie sich nicht wohl in obacht nemmen / anstecken und verunreinigen: daß es also dann heisset: Quidquid tetigerit immundus, immundum faciet: 56 Alles was der Unreine anrührt / wird unrein werden.

Das Bley gibt zwar keinen guten Klang von sich /und zerfliesset gleich / wann es in das Feuer kommt. Auch der Sünder hat einen bösen Klang / das ist /einen bösen Ruff bey denen Gottseeligen und Tugendsamen: und wann er in das Feur einer Trübsaal und Verfolgung gerathet / da hat er gar keinen Bestand /sondern verfliesset vor Weichmüthigkeit / und wird zu nichten.

Das Quecksilber endlichen / argentum vivum vel Mercurius, wird darum von denen Alchymisten ein belebtes Silber genennt / weil es in beständiger Bewegnuß ist / und immerdar von einem Orth zu dem andern umlauffet / als wann es lebendig wäre. 57 Das Quecksilber ist ein Mineralischer Liquor, ein flüßiges Metall / welches schwer / glantzend oder Silber-weiß / und flüchtig oder immerdar unruhig ist. Es setzet oder henckt sich gern an das Gold und Silber. Bißweilen wird es pur und lauffend in denen Bergen gefunden: insgemein aber aus einer Mineralischen Erden gezogen und rectificirt: mithin seynd zweyerley Quecksilber zu unterscheiden / nehmlichen Nativum und Artificiale, das natürliche und gemachte. Das Quecksilber wird vielfältig in denen Apothecken gebraucht / allwo sich unterschiedliche Præparationes von dem Mercurio befinden / als Calcinatio, Distillatio, Purgatio, Extractio, Liquatio, Salificatio undSublimatio, woraus dann ferners unterschiedlichePræparata kommen / als Sudorifera, Purgantia, Vomitoria, Corrigentia etc. Das Quecksilber hat ein sonders grosse Krafft durchzudringen. Wann es auf seine gewise Arth wohl und recht præpariret / und in geziemender Dosi, oder Quantitæt genommen wird /so ist es sehr dienlich zur Gesundheit: wann aber dieses nicht geschicht / so ist es so schädlich als wie ein lauteres Gifft. Die Materi aber / von welcher das Quecksilber herkommt / ist mehrentheils ein grosse Menge Wässeriger Dämpffen etc. mit etwas Erd-Dunst vermischet und unvollkommen ausgekocht: deßwegen es auch sehr feucht und kalter Natur ist /ehe daß es sublimirt etc. dann hernach ist es sehr hitzig wegen seiner Schwere / Krafft welcher es alles /was es unter sich hat / durchdringt oder durchbohret /kan es nicht wohl anderst / als im Glas / Leder / Holtz oder irrdenem Geschirr aufbehalten werden. Es tauget auch andere Metallen zu reinigen / und zu unterscheiden. Alle andere Metall schwimmen in dem Quecksilber / weil sie leichter seynd / das Gold allein ausgenommen / welches sich darein versencket; dann es wird diese sonderbare Eigenschafft an dem Quecksilber bemercket / daß es das Gold umfahet / und sich verbirgt: so bald es in der Nähe ein Gold verspüret /da laufft es ihme gleich zu / hengt sich vest daran /und vereiniget sich so genau mit demselben / daß es das Gold entblöset von allem anderen Metall / mit welchem es vermischt [108] gewesen. Damit der gifftige Rauch / so von dem Quecksilber ausgehet / wann es ins Feur kommet / einem nicht schade / thut man sich mit Gold / das alles an sich ziehet bewahren.

Ferners wann kein Gold vorhanden ist / so laufft der Mercurius gleichwohl dem Silber nach / und umfanget es / doch etwas langsamers / und säuberet auch selbes ohne Feuer / damit aber das Silber von demMercurio wider loß werde / muß man das Feur brauchen: andere Metallen achtet es nicht / sondern fliehet vielmehr von ihnen / es durchbohret und durchnaget sie. Das lebendige Quecksilber zertheilt sich offt in tausend Tropfen / welche / obwohlen sie sehr klein seynd / so wird doch keiner verlohren / sonder sie lauffen wider zusammen / und versammlen sich: und obwohlen es das schwereste Metall ist / so kan es doch in einem Augenblick in das leichteste Ding /nehmlich in den Rauch verwandlet werden / welcher /wann er im Aufsteigen an einem harten Cörperlichen Ding anstosset / oder einen kalten Lufft empfindet /da fallt es herab und wird wiederum zu Quecksilber /welches gewißlich eine Wunderwürdige Veränderung ist.

Was die Erfindung des Quecksilber anbelangt / so findet man selbes in denen Berg-Minen / in einer gewisen Art von Steinen / von welchen auch der Zinober / so von den Alten Minium ist genennt worden / herkommt. 58

Ein grosse Menge Quecksilbers gibt es in Peru und auch in Spanien / der à Costa, so in dem Indisch- und Sinesischen Lust- und Staats-Garten angezogen wird /schreibet / daß der Catholische König jährlich aus denen Quecksilber Minen bey 400000. Pelos erheben könne / ein Pelos aber / ist etwas weniger als 14. Realen. Aus denen Minen zu Gancavilca allein werden ein Jahr in das andere 3000. Quinal Quecksilber gezogen: ein Quinal aber bey denen Spanier ist ein Gewicht / wie ich schon oben gemeldt / so viel als bey uns ein Centner.

Durch das Quecksilber aber kan meines Erachtens nicht ungereimt ein falscher Freund und Schmeichler angeditten und verstanden werden. 59 Dann gleichwie das Quecksilber besagter massen das Gold überaus liebet / ihme zulaufft / sich mit ihm anhängig macht /und selbes gantz einnimmt oder umgibet / also ein falscher Freund / der nichts / als sein eigenes Interesse, oder Nutzen und Vortheil suchet / wann er einen Patronen findet / der reich und mächtig ist / da laufft er ihm eilends zu / er bewirbt sich sein Gunst und Freundschafft zu gewinnen / und dardurch ein Vortheil / Gewinn oder Promotion zu erhalten. Zu disem End umgibt / ja überhäufft er ihn / und nimmt ihn gäntzlich ein mit Complimenten und Bedienungen /mit Schmeichlen und Liebkosen: Eben der Ursachen er durch Verläumdung und übeles nachreden alle andere abtreibt / die sonsten bey seinem Gutthäter etwas golten haben / und mit ihm in Freundschafft gestanden seynd / (gleichwie das Quecksilber alle andere Metall von dem Gold absonderet) damit er nehmlich alleinig bekommen und geniessen möge / was sonsten auch anderen zukäme. Dann ein falscher Freund und Schmeichler ist eigentlich derjenige / der andere unter dem Schein der Freundschafft zu betrügen sucht / und nur redet / was man gern hört / damit er also die Gunst und Gewogenheit seiner Patronen gewinne /und ihm es selber zu Nutzen mache / oder darbey seinen Vortheil spiele.

Aber wann das Gold in das Feur kommt / und probirt oder ausgebrennt wird / da haltet das Quecksilber keinen Stand mehr / es verlasset das Gold alsobald /es fliehet darvon und gehet im Rauch auf. Eben also ein falscher Freund / wann sein Patronus oder Gutthäter Noth / Gefahr oder Schaden leydet / wann er selbsten nicht viel mehr hat / oder bedürfftig wäre /daß man ihm beyspringte / O da nehmen die vermeynte gute Freund gar bald das Reiß aus / sie wenden ihme den Rucken / und wollen sich seinetwegen in kein Gefahr geben / und kein Mühe [109] auf sich nehmen /sie lassen ihne allein im Stich; laut jenes Sprüchleins des Poeten:


Donec eris felix multos numerabis amicos,
Tempora si fuerint nubila solus eris.
So lang es dir gantz wohl ergehet
Hast du der Freunden viel.
So balds mit dir nicht recht mehr stehet /
Dich niemand mehr kennen will.

Ja auch so lang das Quecksilber dem Gold würcklich anhanget und selbes umgibet / hat dises keinen Nutzen davon / vielmehr wird sein Glantz dardurch verdunckelt / und sein Krafft gehemmet: Auch ein falscher Freund / da er würcklich liebkoset und aufwartet / schadet mehr als ein offentlicher Feind / vor deme man sich gleichwohl zu hüten weiß. Wie der weise Salomon bezeuget / indem er sagt: es seyen besser die Wunden eines aufrichtigen Freunds / als das Küssen eines falschen Schmeichlers. 60 Und der H. Augustinus wünscht vielmehr von einem gescholten oder gestrafft zu werden / als von einem Schmeichler gelobt: und wiederum anderstwo sagt er: Adulatio fallax crudelis est. 61 Ein falsches Schmeichlen ist ein wahre Grausamkeit.

Es ist gar ungesund und gefährlich mit dem Quecksilber umgehen / wann der Rauch darvon einem in den Mund / Ohren oder Nasen kommt so tringet er ein bis zu dem Hertzen / durchfrisset das Inngeweid / verursacht Schmertzen und Kranckheit. Auch mit falschen Freunden und Heuchlern umgehen ist schädlich und gefährlich; dann der böse Dunst / ich will sagen /die Süßigkeit und der liebliche Klang ihrer Schmeichel-Worten und ihrer Gebärden schleichen zu den Augen und Ohren ein / sie tringen biß zum Hertzen /und verderben den gantzen innerlichen Stand des Menschen. Simulator ore decipit amicum suum. 62 Durch den Mund des Heuchlers wird sein Freund verderbt / sagt abermahl der weise Mann. Der H.Hieronymus aber nennet die falsche Schmeichler hostes, & scintillas diaboli, Feind und Feur-Funcken des Teufels. Ja auch der Heydnische Seneca hat dises wohl erkennt / indem er gesprochen: Adulatio apertis & propitiis auribus recipitur, in præcordia ima descendit, venit ad me pro amico blandus inimicus, 63 wann man dem Schmeichlen williges Gehör gibt / so tringt es biß zum Hertzen / und schleichet an statt eines Freunds ein liebkosender Feind ein. Andere Weltweise hielten darfür / es seye besser denen Raben unter die Klauen kommen / als unter die falsche Schmeichler / dann jene sagten sie / kratzen nur denen Todten die Augen aus / diese aber verblenden die Lebendige.

Es kan ferners auch die Hoffart einiger massen mit dem Quecksilber verglichen werden: dieweilen /gleichwie dieses Metall nur dem Silber und Gold zulauffet und anhanget / mit dem andern schlechtern Metall aber gar kein Gemeinschafft hat / ja gleichsam davon fliehet / also ein hoffärtiger Mensch will nur mit reichen / adelich- und vornehmen Leuthen zu thun und Gemeinschafft haben: die Arme und Gemeine aber thut er fliehen u. verachten. 64 Das Quecksilber haltet keinen Bestand / es fliehet leichter Dings darvon / und gehet im Rauch auf. Auch des Hoffärtigen Freundschafft hat kein dauren / wann er ein wenig offendirt wird / oder es ihme nicht recht ergehet / da ist er gar kurtz angebunden / er zertrennet die Freundschafft / reißt ab und brennet auf. Wiederum das Quecksilber trucket wegen seiner Schwere / was unter ihm ist / und will auch nichts ob- oder neben ihm leyden / es ist aller unruhig / und will den Platz alleinig behaupten / es nimmt mit keinem Oerthlein ruhig fürlieb. Eben also der Hoffärtige trucket und presset die unter ihm / oder weniger seynd als er: er beneidet die mehr oder höher seynd als er / und beunruhiget die neben oder ihm gleich seynd. Er wollte gern überall alleinig Meister seyn etc. Dieses seynd die siben Haupt-Gattungen der Metallen / zu welchen andere /als Meßing / Blech / Zinck / Stahl etc. müssen gezogen werden.

[110]
Fußnoten

1 Was und wie vielerley Metall und Mineralien seyen?

2 Job. c. 28. v. 1. & 2.

3 Fürtrefflichkeit / Krafft und Schönheit des Golds.

4 Groß und schädlich ist die Begierd zu dem Gold.

5 Historia.

6 Dauroultius in flor. exempl. V. Avar.

7 Das Gold wird mit der Liebe verglichen.

8 1. Cor. c. 13.

9 Cant. c. 8. v. 7.

10 Apoc. c. 3. v. 18.

11 Cant. c. 8. v. 6.

12 1. Cor. c. 13.

13 Jacob. c. 5. v. 20.

14 Das Gold verblendet die Augen und das Gemüth.

15 Eccli. c. 20. v. 31.

16 Exodi c. 23. v. 8.

17 Auch die Lieb macht blind.

18 Geschicht.

19 Geschicht.

20 Was von dem Goldmachen zu halten sey.

21 Goldmacherey ist gar mißlich und gefährlich.

22 Midas der fürnehmste Goldmacher.

Fabula.

23 Goldmacher mit Æsopi Hund verglichen.

24 Kunst geistlicher Weiß Gold zu machen.

25 1. Cor. c. 1.

26 Noch ein andere Weiß Gold zu machen.

27 Von der Beschaffenheit des Silbers.

28 Menge des Silbers.

29 Lib. 1. Paral. c. 29.

3. Reg. c. 10.

30 Die Evangelische Lehr wird mit dem Silber verglichen.

31 Geitz oder Geldgierigkeit wird als unersättlich getadlet.

Jerem. c. 22. v. 17.

32 Eccl. c. 5. v. 9.

33 Geitzige seynd thorrecht.

34 Luc. c. 12. v. 2.

35 Geitz ist dem Leib und der Seel schädlich.

36 Job. c. 27. v. 19.

37 Baruch. c. 3. v. 18. & 9.

38 Eccli. c. 10. v. 10.

39 Die Schatzgraber seynd denen Goldmacheren nächstens verwandt.

40 Schatzgraben ist sehr mißlich und gefährlich.

41 Geschicht.

42 Geistlicher Schatz in wem er bestehe?

43 Serm. 15. in cant.

44 Matth. c. 13. v. 44.

45 Ad Coloss. c. 2. v. 3.

46 Wie das Zinn beschaffen seye?

47 Die Klugheit und Discretion wird durch das Zinn verstanden.

48 Von der Beschaffenheit des Kupfers.

49 Schmeichlerey durch das Kupfer beditten.

50 Super Ps. 49.

51 Natur und Eigenschafft des Eisens.

52 Das Eisen bedeutet die Stärcke.

53 Das Bley ist ein schweres unreines Metall.

54 Das Bley wird mit der Sünd verglichen.

55 2. ad. Hebr. c. 12.

56 Num. c. 19. v. 22.

57 Des Quecksilbers wunderliche Beschaffenheit /Krafft und Eigenschafften.

58 Grosse Menge des Quecksilbers.

59 Ein falscher Freund ist gleich dem Quecksilber.

60 Prov. c. 27. v. 6.

61 Lib. 9. de Trinit.

62 Prov. c. 11. v. 9.

63 Epist. 43.

64 Das Quecksilber bedentet einen Hoffärtigen Menschen.

IX. Von den Edelgesteinen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von dem Diemantstein.

Adamas der Diemantstein wird insgemein für den köstlichsten und gleichsam für einen König unter denen Edelgesteinen gehalten. 4 Er ist klein / und wird nicht leicht grösser als ein Hasel-Nuß groß befunden: aber so hart / daß er faß keiner Materi auch dem Eisen nicht weichet / wie Plinius vorgibt / hingegen das Metall und die Stein zerbricht. Doch wird er im warmen Bocks-Blut erweichet und zerbrochen / wie man sagt. Er ist nicht gar so klar als wie Crystall / doch gibt er einen starcken Glantz von sich. Wann er auf den Magnet-Stein gelegt wird / so benimmt er ihm die Krafft das Eisen an sich zu ziehen. Er soll auch Krafft haben wider das Gifft / wann man ihn an der Hand tragt / und den Menschen muthig und behertzt machen.

Ost-Indien und benanntlich die Landschafft Decan ist der eigenthumliche Wohnsitz dieses Edelgesteins /allwo es zwey oder drey Berg gibt / aus denen man ihn zu graben pflegt. In dem Berg Roravelha findet man Diemanten die allbereit geschnitten / [111] und von der Natur also herfür gebracht werden. Wo man einige eines Manns tieff ausgegraben hat / da findet man in drey oder vier Jahren wiederum andere aufs neu herfür Gewachsene. Doch geben die in der Insul Borneo und meistens bey Canda an der Schön- und Kostbarkeit keinem etwas nach. Es gibt zwar auch in Engelland in dem Hertzogthum Somerseth, ja auch in Böhmen und anderen Orthen eine gewise Arth von Diemanten /welche aber nicht so edel und kostbar seynd als wie die Orientalische. Zu Zeiten werden wohl auch Diemanten gefunden / die über hundert ja auch (aber gar selten) zweyhundert Gran im Gewicht haben. 5 Einer aus den allergrösten / die jemahl seynd gesehen worden / solle wohl gewesen seyn derjenige / von welchem Petrus Martyr. dec. 3. in fine. lib. 4. schreibet /daß ihn ein Schiffer mit Nahmen Andreas Morales von einem West-Indischen Jüngling aus Cumana (welches ein Landschafft in Neu-Andalusien ist) um einen Spott eingehandelt / nemlich um etliche Steinlein von grün- und blauem Glas / die aus Europa seynd dahin gebracht worden / vertauscht habe. Selbiger Diemant ware ungemein groß und köstlich / eines fast unschätzbaren Werths; dann seine Länge ware 2. Glieder des mittleren Fingers: an beyden Enden war er zugespitzt / und hatte 8 zierlich geschliffene Eck /die dicke aber eines starcken Daumen Fingers: Er soll auch so hart gewesen seyn / daß man damit tieffe Ritzen in einen Ambos machen / auch eisene Stangen durchschneiden konnte ohne geringsten Schaden des kostbaren Diemants. O wohl ein ungleicher Kauff! wirst du sagen / geneigter Leser / wie einfältig und dumm muß dieser junge Indianer gewesen seyn? ja das ist zwar nicht ohne / aber wollte GOtt: daß nicht auch täglich und stündlich solche ungleich- und unvernünfftige ja ungerecht- und gottlose Käuff unter uns Catholischen Christen geschehen thäten! indem ein mancher das allerköstlichste und unschätzbare Kleinod oder Edelgestein der Unschuld der Gnad GOttes / der Seel und Seeligkeit um einen rechten Spott / das ist / um einen kurtzen vebottenen Wollust / um ein klein Stuck Geld eines ungerechten Guths etc. so thorrecht als boßhafft verhandlet und vertauschet. Besser hat Philippus König in Spanien im Jahr 1559. dem Carel Afferati einen Diemant um 80000. Kronen bezahlt / der 47. Carat / das ist / 190. Gran gewogen hat / welchen er zum Braut-Ring gewidmet hat / als er sich mit Elisabethen einer Tochter Henrici II. Königs in Franckreich vermählen wollte.

Was aber die generirung und perficirung der Diemanten betrifft / so werden erstlich zu ihrer Erzeugung erforderet die allerreiniste Saltz-Geister / die mit gar keiner andern mineralischen Tinctur oder dickeren Theilen vermischt seynd. 6 Solche Spiritus aber müssen volatisch oder flüßig seyn / als ohne welche Feuchtigkeit die reine Theil von denen unreinen nicht möchten abgesönderet werden.

Ferners gehört ein wohl proportionirtes Ort darzu /innerhalb einem hohlen und Lufft-löcherichten Felsen / welches Ort zu generirung dieses so Edlen Steins die höchste Reinigkeit haben muß / damit in ihm / als wie in einer Gebähr-Mutter / der Diemant recht und wohl ausgekocht werde / und die volatilische Saltz-Geister zu ihm hineintringen mögen / von ihm angenommen und beschlossen werden / und den figirten Theil des allerreinisten Saltzes / dessen der Felsen voll ist / füglich vereiniget werden.

Uber diß ist nothwendig ein Feuchtigkeit und eincoagulirender Geist / als eines Labs / das die flüchtige und figirte Spiritus zusammen hafften macht: und dieses ist der versteinerende Spiritus, der allzeit denen Saltz-Geisteren ohnabsonderlich beygesellet ist: und also erwachset endlichen ein Diemant-Stein daraus zusammen / der um so viel härter / vester und dicker ist / je zärter / subtiler und reiner die saltzigte Theil gewesen seynd. Diese Beschreibung des Ursprungs der Diemanten haltet der mehr gerühmte P. Kircherus für [112] die rechtmäßig- und warhafftiste / sich beziehend auf P. Hyacinthum de Magistris Procuratorem der Lobl. Gesellschafft in Ost-Indien / der solche Diemant-Felsen selber inwendig besichtiget hat / und befunden / daß diese Edle Stein darinn wachsen / nachdem die Lufft-Löcher groß oder klein seynd: wie auch daß die / so tieffer aus denen Bergen gegraben werden / grösser seyen / als die / so sich obenher befinden.

Ein fast gleiche Beschaffenheit nach proportion wird es vermuthlich auch mit der generirung oder Zeugung anderer Edelgestein haben: ausser daß etwan noch ein mineralische Tinctur darzu kommt / und ihnen ein andere Farb gibt.

Mich gedunckt / es könne geistlicher Weiß wohl die Theologische Tugend des Glaubens durch den Diemant verstanden werden. 7 Dann erstlich / gleichwie der Diemant / obwohl er klein und nicht gar zu hell oder vollkommen klar als wie das Crystall ist / so hat er doch eine sonderbare Stärcke und Daurhafftigkeit / und es gebührt ihm der Vorzug unter allen andern Edelgesteinen / er übertrifft sie einiger massen alle. Eben also / obwohl der Christliche Glaub klein oder niederträchtig ist / und einfältig darein gehet /ohne menschliches und weltliches Ansehen / obwohlen er obscur oder dunckel ist / und noch nicht die Erkantnuß so klar / als wie der Seeligen im Himmel ist /damit er verdienstlich sey / so hat er doch eine unüberwindliche Stärcke / und unzerstöhrliche Daurhafftigkeit / Portæ inferi non prævalebunt adversus eam. 8 Auch die Porten / das ist / der Gewalt der Höllen / vermögen nichts wider ihn ausrichten / er hingegegen überwindet alles / ohne daß er im geringsten geschwächt werde (als wie der Diemant ohne seine Verletzung Stein und Eisen zerbricht) welches so viel tausend HH. Martyrer in ihrem Leyden und Tod klärlich erwiesen haben. Der Glaub ist auch die erste /und in so weit fürnemste Tugend / weilen er das Fundament oder Grund-Veste aller anderen ist / die ihne nothwendig zum Voraus setzen / und sich darauf steiffen müssen; dann ohne Glauben ist ohnmöglich GOtt zu gefallen / nach Zeugnus des Apostels.

Der Diemant solle wider das Gifft bewahren / auch kühn und behertzt machen / wann man ihn an dem Finger tragt. Nun aber gewiß ist es / daß der wahre Glaub / wann man ihn in dem Hertzen tragt / vor allem Gifft der Irrthumen und Unglaubens bewahre /auch in allen Beschwerden und Gefahren gantz hertzhafft und unerschrochen mache. Mit dem kostbaren und daurhafften Diemant deß Glaubens und der Standhafftigkeit hat absonderlich der Heil. Apostel Paulus prangen / und sich in der Wahrheit rühmen können sprechend: Ich hab einen guten Kampff gekämpfft / ich hab den Lauff vollendet / und hab den Glauben bewahret etc. 9 Er will sagen / er habe einen lebendigen und Diemant-vesten Glauben gehabt / in Krafft dessen er gestritten und überwunden habe wider die Feind GOttes und seiner Seelen / das ist /wider die Welt / das Fleisch / und den Teuffel: Er will sagen / er seye geloffen auf dem Weeg des Heyls / de virtute in virtutem, von einer Tugend zu der andern /durch Ubung der guten Wercken / ohne welche der Glaub todt und unnutz wäre / wie er anderstwo bezeuget. Fides sine operibus mortua est. Ja alle HH. haben auf solche Weiß / nemlich durch einen lebendigen Glauben die Welt bestritten und überwunden /wie die Catholische Kirch in den Tag-Zeiten von ihnen singet: Sancti per fidem vicerunt regna etc.

Der Magnet solle die Krafft das Eisen an sich zu ziehen verliehren / wann der Diemant darzu kommt: deme seye nun also oder nicht / so ist es doch gewiß /daß die betrügliche Welt mit ihrem Liebkosen die Hertzen der Menschen nicht mehr an sich zu ziehen und zu reitzen vermag / wann dieser sittliche Diemant / das ist / ein wahrer lebhaffter Glauben darzwischen kommt / welcher dem Menschen die Eitelkeit und Zergänglichkeit der schnöden Wollüsten / [113] die Gedächtnuß der Ewigkeit / die Schönheit der Tugend / die Häßlichkeit und den Greuel der Sünden etc. zu Gemüth führet und für Augen stellet.

Bey hoher Stands-Personen Vermählung pflegt man gemeiniglich einen kostbaren Diemant-Ring auf die Ehe zu geben / wie der obgemeldte König Philippus gethan. Auch der himmlische König der Sohn GOttes selber hat längsten vorhinein durch den Mund des Propheten Osee seiner geliebtistē Gespons der Catholischen Kirchen einen sittlichen Diemant-Ring /verstehe den wahren Glauben / zur Vermählung versprochen / Sponsabo te mihi in fide, 10 Ich will mich dir im Glauben vermählen: und diese hingegen / ja ein jede Christliche Seel insonderheit / solle diesen geistlichen Diemant / den Glauben / bestens bewahren und in Ehren haben / auf daß sie ihrem Geliebten in der Wahrheit mit denen Worten des Apostels Pauli antworten könne: in fide vivo Filii Dei, qui dilexit me etc. gratiam ejus non abjicio. 11 Ich lebe in dem Glauben des Sohns GOttes / der mich geliebt /und sich für mich dargeben hat / ich verwirff nicht die Gnad GOttes / den kostbaren Diemant des Glaubens / mit dem er mich begabt hat / will ich beständig und unversehrt behalten biß in das End; dann dieser / wie der Heil. Ambros. sagt / ist reicher als alle irrdische Schätz / stärcker als alle leibliche Kräfften / und heilsamer als alle Artzneyen / lib. de Virg. und gleichwie dem Menschen nichts angenehm und erfrenlich ist ohne Liecht / also ist GOTT nichts gefällig ohne Glauben / spricht Gregor. Nazian. Diesen kostbaren Diemant des Glaubens haben so viel tausend Martyrer mit ihrem Blut erkaufft / und mit allen Schätzen und Reichthumen der gantzen Welt nicht vertauschen wollen. Diese alle ruffen uns mit einem geistreichen Sprüchlein des Poeten.


Omnia si perdas fidem servare meinento,
Hâc semel amissâ postea nullus eris.
Wann alles Gut verlohren hast
So b'halt gleichwohl den Glauben:
Dann wann du auch von dem ablaßt /
Des Heils dich selbst thust b'rauben,
Oder welches eben so viel sagen will:
Geld verlohren / ist viel verlohren:
Ehr verlohren / ist mehr verlohren:
Glauben verlohren / ist alles verlohren.

Welches mit seinem höchsten Schaden im Werck erfahren hat / und selbst in seinem Todt-Beth bekennen müssen der vom Glauben abtrinnige Henricus der Achte König in Britannien / da er aufgeschryen:Omnia perdidi! Ich hab alles verlohren! alles ist hin! das Reich / der Scepter und die Cron / der Glaub / die Ehr und Reputation: Leib und Seel / alles ist hin und verlohren. Hingegen wer den wahren und lebhafften Glauben erhaltet / der erhaltet alles / und kan in der Wahrheit fast eben das sagen / was Salomon von der Weißheit gesagt hat: Venerunt mihi omnia bona pariter cum ea etc. 12 Alle wahre Güter hab ich zumahl mit dem rechten Glauben bekommen. Omne aurum in comparatione ipsius arena exigua est: & tanquam lutum existimabam argentum in conspectu ipsius etc. Alles Gold gegen ihn verglichen ist ein geringer Sand zu schätzen / und das Silber wie Koth zu achten / und sein Glantz wird nimmer ausgelöscht.

Die Kostbarkeit dieses Diemants erkennt der höllische Feind gar wohl / deßwegen er sich aufs äusserst bemühet selbes denen Menschen / absonderlich den Sterbenden durch vielen List und Betrug abzuschwätzen und abzustehlen / deme man aber / dieses Kleinod zu bewahren / durchaus kein Gehör und Antwort /vielweniger einen Beyfall geben solle / sondern auf die unfehlbare Authorität Christi und der Catholischen Kirchen / ohne disputiren und nachgrüblen /sich steiffen und verlassen: und bey anhaltenden schweren Versuchungen wider den Glauben / von Hertzen zu GOtt um Beystand [114] ruffen / mit denen Worten des Propheten sprechend: Domine vim patior, responde pro me: 13 HErr ich leide Gewalt / antworte für mich. Und widerum / credo Domine, adjuva incredulitatem meam. 14 Ich glaub / O HErr /hilff mir / stärcke meinen Glauben.

Da kan ich nicht ungemeldet lassen die erstaunliche grosse Zahl oder Menge der HH. welche den mehr gemeldten kostbaren Diemant / verstehe den wahren Glauben zu bewahren und unversehrt zu erhalten / das Leben gelassen haben: inmassen nach gemeiner Rechnung bewährter Scribenten derselben so viel seynd /daß man das gantze Jahr hindurch auf alle Tag 30000. verehren kunte. Nur von Rom allein zu reden: wann man aller Martyrer / die in selbiger Stadt um des Glaubens willen gelitten haben / gedencken / oder ihre jährliche Gedächtnuß halten solte / so wurden auf einen jeden Tag des gantzen Jahrs aufs wenigst 7000. einfallen. Ein Wunder-Ding / vermög der geistlich-und weltlichen Rechten machen 2. oder 3. glaubwürdige Zeugen ein unfehlbare Zeugnuß der Wahrheit vor dem Gericht / und vielmehr als 2. oder 3. mal hundert tausend Blut-Zeugen Christi sollen den Catholischen Glauben bey so viel Irrglaubigen nicht wahrhafft und unfehlbar machen? O wohl ein grosse Blindheit und Verstockung!

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Smaragd.

Der Smaragd ist ein Edelgestein einer so fürtrefflichen grünen Farb / daß er darmit die schönste grüne Auen oder Wiesen übertrifft / und auch von dem hellen Sonnenschein an seinem Glantz nicht verhinderet oder verduncklet wird. 15 Sein Aufrichtigkeit / oder daß er unverfälscht seye / kan aus seiner Kälte / wann er an den Mund gehalten / und aus der Schwere / wann er gewogen wird / erkennt werden.

Von diesem Stein wird geschriben / daß er grosse Krafft wider alles Gifft habe / daß er die Gedächtnuß erhalte / oder widerum herstelle / die hefftige Gemüths-Neigungen stille / die Forcht und Schröcken vertreibe / Lust zum Studiren mache / und auch die Augen erhalte.

Ferners soll er ein Mittel seyn wider den Schwindel und wider die hinfallende Kranckheit / wann man ihn an dem Hals / oder an dem Finger tragt. Dioscorus sagt / der Smaragd thue die Reichthumen vermehren. Er solle auch dem Hochgewitter widerstehen / und von Natur der Unlauterkeit widerstreben / ja verspringe / wann der / so ihn tragt / der Geilheit sich ergibt.

Es seynd aber des Smaragds viel unterschiedliche Gattungen / deren Plinius wohl 12erley erzehlet /nachdem sie nemlichen aus einem Ort oder Landschafft herkommen. In West-Indien werden sie absonderlich häuffig gefunden / und seynd vor Zeiten wegen der Menge von selbigen Innwohnern so gering geschätzt worden / daß einstens ein Indianischer PrintzSimandoca mit Nahmen / der ein Herr über das ThalTessuca ware / einem Spanischen Rechts-Gelehrten /dem Consalvo Ximenio, der dahin kommen / um eine Schüssel voll Saltz / welches da sehr rahr ist / gar gern eine tieffe und reiche Smaragden-Grub geschenckt und eingehändiget hat. Indischer Lust- und Staats-Garten fol. 1233. Hingegen in Ost-Indien ist der Smaragd viel rahrer und höher geschätzt. Damit aber dieser Stein allerdings vollkommen sey / wird erfordert / daß ihme nichts ermangle an Schönheit der Farb / an Sauberkeit / Muster und Dicke / alsdann wurde er in der Kostbarkeit den Diemant übertreffen: aber dieses alles findet man selten oder gar nie beysammen; massen die Smaragd gemeiniglich innerhalb eine gewisse Fettigkeit haben / wie ein grünes Kraut oder dergleichen.

Die Smaragd-Gruben bey der Stadt Muyta in Quito sollen / wie Herrera schreibet / die allerbeste in gantz Indien seyn. Sie wachsen alldort in den Steinen / wie der Crystall / und lassen sich anfänglich wie ein Marmorstein [115] an / der aber nach und nach halb weiß und halb grün zeitiget / biß er sein Vollkommenheit erreicht.

Petrus Ordonez von Cevallos gibt denen Schmaragden in Neu-Granada bey der Stadt Muso den besten Preiß / und sagt / daß von dannen die reiniste schönst- und helliste kommen: auch daß aus dieser Gegend allein mehr derselben gebracht werden / als aus den Insulen Zeyland und Sumatra etc. Es habe daselbst einen so grossen Smaragd-Felsen / der an Schmaragden fast unerschöpfflich seye / und der fünffte Theil derselben dem König in Spanien jährlich ein erstaunliche Summe Gelds eintrage. Ferners meldet besagter Ordonez von einem gar edlen und sehr grossen Schmaragd / welchen einstens ein West-Indischer Sclav an diesem Orth erstlich gefunden / undPhilippo II. König in Spanien zugeschickt habe: welchen nachmahls der König in das Escurial verehret habe / allwo er neben anderen Kostbarkeiten aufbehalten werde. 16 Es hätte der König gern dessen Preiß und Werth gewust / aber es hat ihne kein Jubilier würdig schätzen können / ausser daß man ihn für den besten hielte / so jemahl in der Welt gesehen worden. Darum auch der König dem Sclaven grosse Schanckungen gegeben / und ihne mit der Freyheit begabt hat. Theophrastus meldet von einem Schmaragd / den ein König in Babylonia dem König in Egypten præsentirt habe / welcher 4. Ehlen lang und 4. Ehlen breit gewesen seye. Unter die gröste Schmaragden so jemahl in Europa gesehen worden / mag wohl gezehlet werden derjenige / so in dem uralten und weit berühmten Benedictinischen Stifft und Gottshauß Reichenau / welches ein Insul unfern dem Boden-See ist /aufbehalten und gewisen wird / als welcher in dem Gewicht über 25. Pfund schwer ist / und von Carolo Magno dahin gebracht worden. Dem Kayser Friderico hat der Türckische Groß-Sultan einen Becher oder Trinck-Geschirr von Schmaragd zum Präsent geschickt / darein 20. Untzen Balsam gangen / wie Majolus und Krantzius bezeugen. Auch der Kayser Nero solle vor Zeiten einen so grossen Schmaragd gehabt haben / daß er denselben für einen Spiegel zu brauchen pflegte.

Der Schmaragd kan wegen seinen Eigenschafften geistlicher weiß auf die Hoffnung ausgedeutet werden. 17 Dann erstlich die schöne grüne Farb bedeutet insgemein diese Tugend / und als wie der Schmaragd das Gifft zu hintertreiben / Forcht und Schrecken zu verjagen / und die hefftige Bewegnussen des Gemüths zu stillen vermag / also vermag ein steiffe und wohl gegründete Hoffnung das höchst schädliche Gifft der Verzweiflung zu hintertreiben / unmäßige Forcht und Schrecken zu verjagen / und die Verwirrungen des angsthafften Gemüths zu stillen. Der Schmaragd / wie gemeldet worden / thut das Gesicht und die Gedächtnuß stärcken / die Reichthumen vermehren / und vor der hinfallenden Kranckheit den Menschen bewahren. Aber die Hoffnung stärcket das Hertz und die Vernunfft / indem sie derselben die unendliche Güte und Barmhertzigkeit GOttes vorstellet / und folgends in keinen schädlichen Kleinmuth und Zaghafftigkeit fallen laßt. Sie macht auch reich / dieweilen der Mensch das Guth / so er vernünfftiger Weiß hoffet / einiger massen schon würcklich besitzet / und in dieser Besitzung sich erfreuet. Die Hoffnung ist gleich einem Fischer-Netz / je weiter sich dieses in dem Wasser ausbreitet / je mehr Fisch ziehet man damit ein / also auch je weiter sich die Hoffnung in dem unendlich grossen Meer der Gütigkeit GOttes erstrecket / und ausbreitet / je mehr Gaben und Gnaden erhaltet sie. Dessen versicheret uns David sprechend: Sperantem in Domino misericordia circumdabit. 18 Wer auf GOtt hoffet / den wird die Barmhertzigkeit umfangen / oder von allen Seiten umgeben. Ja GOTT selber durch den Mund Isaiä: Qui fiduciam habet mei, hæreditabit terram, & possidebit montem sanctum meum. 19 Welcher auf mich hoffet / der wird das [116] Land ererben / und meinen heiligen Berg besitzen. Der sich erfreuet oder tröstet mit der Hoffnung / wird auch die Sach selbsten erlangen: der aber die Hoffnung nicht hat / kan zur Sach selber nicht gelangen / sagt der Heil. Augustinus. Ob oder was für eine Krafft der Schmaragd wider das Ungewitter habe /das lasse ich der Erfahrnuß über / und dahin gestellt seyn: aber gewiß ist es / daß der sittliche Schmaragd einer steiffen Hoffnung unüberwindliche Krafft in dem Ungewitter der auch hefftigsten Trübsal- und Widerwärtigkeiten habe / wie es sich unter vielen anderen klärlich gewisen hat bey dem gedultigen Job /welcher in so häuffigen und schweren Trübsaalen /deren eine der andern auf dem Fuß nachgefolget / den Schmaragd der Hoffnung auf GOTT niemahl aus der Hand / oder vielmehr nie aus dem Hertzen gelassen hat / sonder vielmehr sich vest resolvirt hat: Etiamsi me occiderit, tamen in ipso sperabo: ipse erit Salvator meus. 20 Wann er mich auch wird tödten / so will ich gleichwohl auf ihn hoffen / und er wird mein Seeligmacher seyn. Und also ist er durch die Krafft dieses Schmaragds unverletzt und unbeschädiget verblieben. Gleichwie ein Schiff auf dem wütenden Meer / auch mitten unter sausenden und brausenden Wind und Wellen unbeschädiget bleibet / so lang es sich vest an dem Ancker anhenget / und von selbem nicht ablaßt: Also der Mensch auf dem gefährlichen und ungestümmen Meer dieser Welt / und des zeitlichen Lebens / wann er sich bey anhaltenden Wind und Wellen der Trübsal- und Verfolgungen fest anhaltet an dem Ancker eines starcken Vertrauens auf GOtt / so bleibt er sicher von dem Untergang. Dann gewiß und ohnfehlbar ist:


Wer fest auf GOtt allein vertraut /
Die eitle G'schöpff verachtet /
Der hat gantz wohl und sicher baut /
Für ihn der Himmel wachet.

Den offt benannten Schmaragd der Hoffnung trucken uns mehrmahlen in die Händ / oder vielmehr in das Hertz die H. Schrifft und HH. Vätter: Habe fiduciam in Domino ex toto corde tuo. 21 Verlaß dich von Hertzen auf den HErrn. Benedictus vir, qui confidit in Domino, & erit Dominus fiducia ejus. 22 Geseegnet ist der Mann / der sein Vertrauen auf den HErrn setzet / und dessen Hoffnung der HErr ist. Der Heil. Apostel Paulus / indem er seine Römer sorgsam unterweiset / wie sie sich verhalten sollen / was sie zu thun und zu lassen haben / bindet er ihnen auch ein / spe gaudentes, sie sollen sich in der Hoffnung erfreuen / auf die Hoffnung steiffen /mit der Hoffnung trösten.

Der Schmaragd ist auch in dem allten Testament hoch æstimirt worden; inmassen er auf austrucklichen Befehl GOttes unter anderen Edelgesteinen auf das guldene Brust-Blat des hohen Priesters hat müssen eingesetzt werden. 23

In dem neuen Testament aber hat den sittlichen Schmaragd der Hoffnung und des Vertrauens unter vielen anderen absonderlich der H. Bischoff Martinus auf / oder in seinem Hertzen beständig getragen / und sich damit wider alle Gefahren des Leibs und der Seelen bewahret; inmassen er in dem Leben und in dem Sterben jederzeit ein ungemeines Vertrauen auf GOtt getragen hat / dann als er Christo hinfüran allein zu dienen / das Kriegs-Weesen zu verlassen gedachte /und dieses von seinen Mitgesellen ihm für eine Zaghafftigkeit ausgerechnet wurde / da hat er sich angetragen / er wolle das feindliche Heer ohne Waffen / allein mit dem Creutz bewaffnet sicher durchdringen. Als er aber schon Bischoff ware / und einstens auf der Reiß durch das Gebürg von denen Mörderen überfallen und angegriffen wurde / auch einer aus ihnen schon würcklich einen tödtlichen Streich auf ihn führte / und ihm den Kopff zerspalten wollte / aber davon verhinderet wurde / da hat man ihn hernach gefragt /wie es ihme um das Hertz gewesen seye / ob er ihm nicht geforchten hab? da sagte er: nichts wenigers / er seye nie sicherer gewesen / wohl wissend daß GOtt mit seinem Beystand [117] nie näher und bereiter seye / als wann die Gefahr am grösten ist. Endlich als er in dem Tod-Bett lage / und ihme der höllische Feind erschienen ist / da hat er ihne gantz hertzhafft angefahren /und gesprochen: Was hast du da zu schaffen / du blutdurstige Bestie / du hast bey mir nichts zu suchen / du wirst an mir keinen Theil haben. Aber zu mercken ist / daß die Hoffnung nothwendig mit unserer Mitwürckung oder Ubung der guten Wercken müsse begleitet werden und vergesellschafftet seyn; dann sonsten wäre es vielmehr ein Vermessenheit als wahres Vertrauen zu nennen. Der macht ihm vergebens ein Hoffnung / sagt der Heil. Gregorius, der nicht aufhört GOTT mit seinen Missethaten zu beleydigen.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Rubin.

Der Rubin ist ein schönes / rothes oder Feurfärbiges Edelgestein / und einerley Gattung mit dem Karfunckel / von dem er mit dem blosen Nahmen unterschieden ist. 24 Der Rubin kommt mehrentheils aus Ost-Indien / absonderlich aus dem Königreich Pegu / und der Insul Zeilon. Es wird auch eine / obwohl schlechtere Gattung in Böhmen und den Schlesischen Gebürgen gefunden / sonderlich in einer Arth der Kisel-Steinen / die grösser als ein Ey seynd / welche wann sie entzwey geschlagen werden / schöne Rubinen in sich halten / die denen Orientalischen wenig oder nichts nachgeben / sie werden aber selten gefunden. Wann der Rubin eine Gelbe an sich hat / so wird er für ein Granat oder Hyacinth gehalten.

Es sind aber auch die Indische Rubinen unterschiedlich beschaffen / die beste und fürnehmste seynd die Karfunckel-Rubin / und dise geben wegen ihrer feurfärbigen Röthe in der Finstere einen Schein von sich gleich einer glüenden Kohlen / wie man insgemein von ihnen schreibet. Die edliste an der Farb und Wasser nennt man in Indien Tockes, andere so etwas geringers in dem Werth / Ballex und Espinellos. Einige seynd Feur-Farb / andere Leibfarb / und wiederum andere seynd denen Diemanten nicht ungleich / und etliche ein halber Saphir / welcher Stein mit den Rubinen in einem Felsen wachset.

Die Ursach so vielfältigen Unterschieds der Rubinen ist diese / weilen in denen Felsen oder Bergen / da sie wachsen / ihre erste Farb weiß ist / nach und nach aber werden sie von der Sonnen-Hitz gefärbet und zur vollkommenen Zeitigung gebracht. Wann sie dann vollkommen zeitig seynd / werden sie erst roth / als wie die Karfunckel / oder Tockes, wann aber etwas von der Zeitigung manglet oder sie zu frühe ausgegraben werden / da ist auch ihr Farb unterschiedlich. So viel nun ihnen mangelt an der Röthe eines vollkommenen Rubins / um so viel werden sie auch in der Kostbarkeit und Werth geringer geschätzt etc.

Paulus Venetus in dem Bericht von der Insul Zeylon schreibet lib. 3. c. 22. Es habe der König desselbigen Eylands einen Rubin gehabt / deßgleichen in der gantzen Welt nicht zu finden geweßt / dann er habe in der Länge die Breite einer Hand / in der Dicke aber drey Finger begriffen / als wie ein brennendes Feur geglantzet / und kein eintziges Flecklein gehabt. Der grosse Tarter-Cham habe ihm eine fürnehme Stadt darfür angebotten / welches er aber ausgeschlagen / weil solcher Rubin von seinen Vorfahrern in dem Reich ihm erblich zukommen seye.

Auch merckwürdig ist jener Karfunckel-Rubin /welchen der Admiral Georg von Spihlbergen aus der Insul Zeylon mit sich in Holland gebracht / und ihm von dem König aus Candy ist verehrt worden / der die Grösse einer grossen Welschen Nuß hatte.

Die Krafft des Rubins und Karfunckels belangend /so ist er ein treffliches Mittel wider alles Gifft / er ergötzet und erfrischet das Gemüth / stärcket die Lebens-Geister / er verminderet den Schlaff / und bewahret vor schreckbaren [118] Träumen / auch vor der Verfäulung. Er widerstrebet der Geilheit / aber er bewegt auch zum Zorn / und wann ein Unglück bevor stehet /da soll er die Farb veränderen.

Die Lieb GOttes gleichet dem Rubin oder Karfunckel-Stein erstlich in dem / daß gleichwie dieser edle Stein ein bewährtes Mittel wider alles natürliche Gifft ist / also ist die Liebe GOttes ein kräfftig- und unfehlbares Mittel wider alles Gifft der Sünden / als welche sie nothwendig vertreibt / oder ausschliesset / und ohnmöglich neben einer schweren Sünd in dem Hertzen oder in der Seel eines Menschen bestehen kan. 25

Viel ehender wurde Feur und Wasser / Hitz und Kälte / Tag und Nacht sich miteinander comportiren und vergleichen / als die Sünd und Liebe GOttes nur einen Augenblick lang beysammen stehen. Dann die Göttliche Lieb tragt einen unleidentlichen Haß wider die Sünd / und verfolget selbe aufs äuserste an allen Orthen / wo sie selbe antrifft: Sie treibet den Menschen an dieselbige auf all mögliche Weiß zu fliehen und zu meiden und rufft immerdar ihme zu mit den Worten des weisen Manns / ut à facie colubri fuge peccatum. 26 Fliehe vor der Sünd / als wie vor einer Schlangen. Wann sich aber je ein Sünd in die Seel hat eingetrungen / da bereuet und beweinet die Lieb den Fehler bitterlich / und thut ihn nach aller Schärpffe abstraffen; dahero kommt es / daß vil GOttliebende Seelen ehender alle Peinen dieser und jener Welt haben wollen ausstehen / als nur in ein eintzige Sünd verwilligen / dieweilen nehmlich die Liebe GOttes auf die Reinigkeit der Seelen höchstens beflissen ist / die Sünd herentgegen die allerheßlichste Mackel und Unreinigkeit ist.

Für das andere gleichwie von dem Rubin gesagt wird / daß er den Schlaff mindere / also auch und noch vielmehr kan von der Liebe gesagt werden / daß sie den Schlaff / das ist / die Trägheit oder den Müßiggang nicht nur mindere / sondern gäntzlich vertreibe und ausschliesse: dann die Lieb GOttes ist also emsig und würcksam / daß sie immerdar grosse Werck und Ubungen verrichtet. Ja wann sie dieses nicht thut / so ist es kein wahre Liebe nicht / wie der Heil. Gregorius anmercket: Charitas magna operatur, vel si non operatur, Charitas non est. Sie lasset kein Ruhe noch Rast / sonder sie treibt immerdar an /dem Geliebten etwas zu gefallen zu thun: Sie sinnet unterschiedliche Mittel und Weeg aus / den Nutzen oder die Ehr des Geliebten zu vermehren und zu beförderen / auch alles nach Möglichkeit von weitem abzuleinen / was ihm mißfallet und einiger massen zuwider ist.

Zum dritten und sonderbar kommt die Liebe mit dem Rubin oder Karfunckel in diesem über eins / daß gleichwie jener Feurfärbig / oder Feurroth ist / und in der Dunckle leuchtet / also auch / ja unvergleichlich mehr scheint und schimmeret der sittliche Rubin oder Karfunckel der Liebe GOttes in der finsteren Nacht der Trübsalen / der Anfechtung- und Verfolgungen: ja in diesen Finsternussen der Widerwärtigkeit wird der Rubin der Liebe nicht nur nicht verdunckelt / sondern glantzet vielmehr als an dem hellen Tag der Wohlfahrt / und zeitlichen Glückseeligkeit / dann er gibt da in diser Dunckle die schönste Strahlen der Tugenden von sich / benanntlich der Gedult und Demuth / der Treu und Danckbarkeit gegen GOtt / der Stärcke und Standhafftigkeit etc. wie es sich bey so vielen tausend HH. Martyrer und anderen GOttliebenden Seelen / die um Unschuld vil und schweres gelitten haben / klärlich erwisen hat: dann die Trübsal ist gleichsam der Probier-Stein der Liebe / welcher weiset / ob sie rein und aufrichtig seye / und gleichwie das Gold in dem Feur geprüfet wird / ob es gut und gerecht / also wird die Liebe in der Widerwärtigkeit probirt / und versucht / ob sie rein und standhafftig seye.

Der Rubin haltet in die fleischliche Begierden / und bewahret von der Verfäulung / hingegen stärcket er den [119] Menschen / und macht behertzt und zornmüthig.

Auch der sittliche Rubin der Liebe GOttes haltet zuruck und untertrucket die fleischliche Lieb / und laßt den Menschen gar nicht verfaulen oder verderben unter denen irrdischen Begierden und Anmuthungen. Hingegen stärcket sie das Gemüth / und macht hertzhafft und unerschrocken / ja sie entzündet mit einem löblichen Eyfer und Zornmuth in Bestreit- und Verfolgung der Sünd und Laster / in Beschützung der Ehr ihres Geliebten. Fortis ut mors dilectio. 27 Da ist sie so starckmüthig / daß sie weder Gefahr noch Beschwerden / weder den Tod selber achtet: wie es klärlich mit seinem Exempel erwiesen hat der H. Lieb-und Eyfervolle Apostel Paulus / indem er Heldenmüthig ein gantzes Heer der Trübsaal / Beschwerden und Gefahren heraus forderet / mit dem vesten Schluß und Versicherung / daß ihne nichts solle absöndern oder abwendig machen von der Liebe Christi / weder das Leben / noch der Tod / weder Engel noch Menschen /weder Krafft noch Macht / weder das Gegenwärtig noch Zukünfftige. 28

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von dem Saphir und Hyacinth.

Der Saphir ist ein schöner / Himmelblauer / durchscheinender Stein / wird nicht nur in Indien sonder auch in Europa gefunden. 29 Aber die Orientalische /so man in Pegu / Calecut und Zeylon findet / seynd die beste. Der Saphir ist fast eben so hart / als wie der Diemant. Es werden vielerley Gattungen der Saphiren gezehlet. Die erste und beste werden von der schönen Himmelblauen Farb Saphyrus Cœruleus genennt. Die andere Gattung neiget sich von der blauen Farb auf das Grüne / und wird Saphyrus viridis benahmset. Die dritte gehet von dem Blauen in das Goldfarbe oder Saphyrum aureum, Gold-Saphir: und dieses Edelgestein hat guldene Düpflein oder Flecklein. Die vierdte Gattung endlich ist liecht und Milchfärbig /und zucket von dem blauen in das weisse / Saphyrus candidus: und diese kan man leicht durch Kunst weiß brennen / poliren und so zurichten / daß sie denen Diemanten gleichen. Ihre Natur ist kalt und trocken /wie insgemein andere Edelgestein. Den Werth betreffend wird ein jeder Saphir nach dem Grad seiner Farb / Reinigkeit und Grösse geschätzt / doch seynd sie nicht so hoch in dem Preiß als wie die Diemant /Rubin und Schmaragden / die dunckelblaue aber seynd fürtrefflicher als die Liechte und weißlechte.

Die Grösse dieses Steins übertrifft in der Breite selten einen Mandel-Kern / sage / selten / inmassen ich auch selbst in einem gewisen Kirchen-Schatz einen / der um ein zimliches grösser war / gesehen hab. Noch merckwürdiger soll derjenige seyn / von welchem Petrus Martyr schreibet / daß Gonzalvus Oviedo in West-Indien eine Schaalen von Saphir gesehen habe / welche grösser gewesen als ein Ganß-Ey.

Dieser edle Stein ist vor andern denen Augen sehr angenehm: Seine Krafft aber belangend / so ist selbige vilfältig und unterschiedlich / dann er soll ein Hertzstärcken des Mittel seyn wieder die Forcht /Ohnmacht und Traurigkeit. Die Augen erfrischen und denen Kinds-Blatteren wehren / daß sie denen Augen nicht zu nah kommen: wie auch die Wunden heilen /wann man ihne pulverisirt / und mit Milch vermischt darauf legt. Ferners wie man von ihm schreibt / so stärcket er die Glieder / machet hertzhafft und streitbar: er vereiniget die entzweyte Gemüther / er mäßiget die Hitz in dem Leib / und legt die Geschwulst nieder: ist auch ein Mittel wider das Gifft / und ist der Unlauterkeit also zuwider / daß er absteht / oder seinen Glantz verliehrt / wann ihn ein gar unzüchtig und lasterhaffter Mensch traget.

Wegen diesen herrlichen Eigenschafften kan der Saphir gar wohl mit der Gnad GOttes verglichen werden / als welche eben solche fürtreffliche [120] Würckungen in der Menschlichen Seel hat / als wie er in dem Leib. 30 Dann die Gnad GOttes ist das wahre und unfehlbare Mittel wider alles Sünden-Gifft / welches sie augenblicklich aus der Seel vertreibet: sie stärcket den Menschen gewaltig / und befreyet ihn vor unordentlicher Forcht und Zaghafftigkeit; Sie macht ihn kühn und hertzhafft / also daß er kecklich mit dem Apostel Paulo sagen darff: Omnia possum in eo, qui me confortat: 31 Ich vermag alles durch den / der mich mächtig macht. Die Gnad GOttes erleuchtet die sittliche Augen / das ist / den Verstand des Menschen /daß er sieht und erkennt / was GOtt von ihme haben /oder nicht haben will. Sie heilet unfehlbar und augenblicklich alle tödtliche Wunden / so die Sünd der Seel versetzt hat. Sie dämmet und löschet aus die unordentliche Hitz der bösen Begierden und Anmuthungen / und trucket nieder die Geschwulst des Hoch- oder Ubermuths: sie kan mit keiner Unreinigkeit des Gewissens vereiniget werden / und sich gar nicht aufhalten bey einem grossen Sünder: Endlichen und absonderlich thut sie den Menschen mit GOtt und mit seinem Nächsten versöhnen. Wann man eine lebendige Spinnen in ein Büchslein oder Geschirrlein thut / und einen gerechten Saphier-Stein eine Weil darüber haltet / da wird die Spinn durch die Krafft des Saphiers ohne Berührung alsobald getödtet. Eben also / wann in dem Hertzen oder in der Seel eine gifftige Spinnen des Neid und Hasses / oder eines anderen Lasters sich befindet / und aber von oben herab die seeligmachende Gnad GOttes darüber kommt / da muß dises gifftige Unzieffer / die Sünd / alsobald sterben oder abweichen: sie kan die Krafft und Würckung dieses Saphiers der Gnad GOttes keinen Augenblick erdulden.

Es pflegen die grosse Herren geistlich- und weltlichen Stands den Saphier vor andern Edelgesteinen in denen Finger-Ringen zu tragen / und er ist auch schon in dem alten Testament berühmt und hochangesehen gewesen: um den geistlichen Saphier der Gnad GOttes sollen wir uns vor allem / und über alles bewerben; dann an diesem all unser Heil und Wohlfahrt gelegen ist. Diesen sollen wir über alles schätzen / und beständig bey uns tragen etc.

Es kan auch der Saphier wegen der Himmel-blauen Farb mit der Contemplation oder dem beschaulichen Leben verglichen werden; massen die / so demselben ergeben seynd / mit dem Apostel sagen können / nostra coversatio in cœlis est, unser Wandel ist im Himmel. Neben dem / daß die Betrachtung in sittlichem Verstand und in dem Gemüth auch einige dergleichen Würckungen hat / als wie der Saphier in dem Leib des Menschens.

Der Hyacinth (von der Blumen dieses Namens also genennt) ist ein durchscheinendes gelb-rothes Edelgestein: und nachdem es mehr oder minder von der Röthe hat / wird es bald zu denen Rubinen / bald zu denen Granaten gerechnet. 32 Die beste Hyacinthen seynd sehr hart / nicht gar zu klar und nicht gar dunckel: die rothe / so in dem Feur noch röther werden /halt man für die Edliste. Insgemein werden dreyerley Gattungen der Hyacinthen unterschieden / nemlich die rothe / gelbe oder Saffran-farbe / und blaue: neben denen Orientalischen findet man auch einige in Schlesien und Böhmen. Der Hyacint wird auch in der Medicin zur Hertzstärckung gebrauchet. Seine Würckung solle in dem bestehen / daß er von der Pest befreye /die Traurigkeit vertreibe / das Hertz stärcke / und den Schlaff befördere.

Dergleichen Würckung hat auch im sittlichen Verstand die Tugend insgemein; dann sie befreyet den Menschen von der schädlichen Pest der Sünden / sie stärcket das Hertz und Gemüth in Ubertragung der Beschwerden / und Uberwindung der unsichtbarlichen Feinden / und verursachet den Schlaff / das ist / die geistliche Ruhe des Gewissens. 33

Aber ich lise noch von einer anderen besonderen Eigenschafft des Hyacinthen / nemlich daß dieser Stein sich gäntzlich nach dem Himmel richte: [121] wann der Himmel schön blau und heiter ist / da sey der Hyacinth auch schön und hell; wann aber der Himmel trüb und dunckel aussehe / da sehe der Stein auch also aus: sereno ridens, nubilo tabescens, sagt der Heil.Isidorus von diesem Stein. Ubrigens sey der Hyacinth ein so schön- und edler Stein / daß er nicht vonnöthen habe / gleich anderen Edelgesteinen in Gold eingefaßt zu werden / sondern an ihm selber und alleinig schöner seye als andere in oder mit dem Gold. Eben durch diese Eigenschafft thut er auch die Tugend oder einen tugendsamen vollkommen Menschen repræsentiren oder vorstellen: der nemlichen all sein Leben oder sein Thun und Lassen nach dem Himmel richtet / und wie dieser ihm es vorschreibt / anstellet / mit der Erden aber nichts will zu schaffen haben: der mit Tugend also gezieret ist / daß er das Gold der zeitlichen Ehren und Reichthumen gar nicht bedürfftig ist / sondern dieselbe hertzhafft verachtet.

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von dem Beryll, Jaspis, und Topas.

Der Beryll kommt aus Indien / seine Farb zieht sich aus dem grünen in das blaue / und sihet dem Meer-Wasser nicht ungleich: je bleicher er ist / je besser und gerechter ist er. 34 Er ist an sich selber dunckel /und hat schier keinen Glantz / biß er geschnitten wird: deßwegen schneiden und schleiffen ihne die Indianer sechseckig / alsdan glantzt er zierlich: es gibt desselben unterschiedliche Gattungen / und er scheint eine Art von Crystall zu seyn.

Er solle gar gut seyn für die trieffende Augen /wann man ihn zerstoßt / und mit Rosen- oder Lilien-Wasser vermischet: auch für die Gebrechen des Magens und der Leber.

Durch den Beryll kan die Freygebigkeit verstanden werden: weilen gleichwie dieser Stein / wann er sechseckig geschnitten und geschliffen wird / da gibt er von allen Seiten einen schönen annehmlichen Schein von sich / und spendirt seinen Glantz reichlich aus: also thut die Tugend der Freygebigkeit auf 6erley Weiß den Schein ihrer Gütigkeit ausbreiten / und ist dardurch bey jedermann beliebt und angenehm. Nemlichen sie gibt und theilet den Bedürfftigen mit / erstlich frey / oder gutwillig und ungezwungen / nicht erst auf langes Pressen oder ungestümmes Anhalten derSupplicanten / ja ein freygebiger Mensch schämet sich / wann man lang und starck sollte bey ihm anhalten und gleichsam ihne nöthen. Er bedenckt was geschrieben stehet: Beatius est magis dare quàm accipere. 35 Daß besser und glückseeliger seye geben / als nemmen. Und widerum: Seelig ist der sich annimmt des Dürfftigen und Armen / dann der HErr wird ihn erretten zur bösen Zeit. 36 Fürs anderte gibt der Freygebige hurtig und bald; er nimmt das Sprichwort in Obacht: Qui citò dat, bis dat, der geschwind gibt /gibt dopplet oder noch so viel. Im Erzürnen und Straffen ist der Mensch offt nur gar zu geschwind und geh / im Geben soll er auch nicht langsam seyn / und die Bedürfftige oder Anhaltende nicht immer mit dem leidigen cras cras, morgen morgen / aufziehen. Drittens muß die liberalität oder Freygebigkeit geschehen aus eigenem / nicht aus fremdem oder ungerechtem Gut; dann ein Geschenck oder Allmosen / das von fremdem Gut herkommt / ist ein Greuel vor den Augen GOttes. Viertens solle man freygebig seyn mäßig und mit Bescheidenheit nach Propotion seines Stands und Vermögens / ohne Verschwendung und Beschädigung seiner selbst oder der Seinigen etc. Dann


Omne quod est nimium, vertitur in vitium.

Was zu viel und übermäßig /
Schädlich ist / und unzuläßig.

Fünfftens solle die Freygebigkeit geübt werden gegen den jenigen / die es verdienen und nicht mißbrauchen / bey denen es wohl angewendt ist: dann wann man gegen den jenigen freygebig ist / die es übel anwenden und mißbrauchen / so thut man zu dem Bösen[122] cooperiren oder mithelffen / und macht sich fremder Sünden schuldig. Es ist eben so viel / als wann man einem unbehutsamen Kind ein spitziges Messer in die Hand gibet / mit dem es sich gar leicht verwunden kan. Endlichen 6tens soll man die erwisene Gutthat oder Freygebigkeit dem / der sie empfangen hat /nicht leicht aufheben oder vorwerffen: und über die Undanckbarkeit sich nicht mit Unwillen oder unmäßig beklagen. Dann die Gutthaten oder Freygebigkeit / so wir aus Liebe GOttes andern erweisen / verliehren ihren Werth und Verdienst nicht / wann es schon der Mensch / so selbe genossen hat / nicht erkennet.

Dieses seynd die sechs geschliffene Eck des sittlichen Berylls / die ihne schön und glantzend machen /ich will sagen / die sechs Umständ / so die Tugend der Freygebigkeit haben muß / auf daß sie schön /vollkommen und angenehm seye.

Man sagt auch von dem Beryll / daß wann er von einer kalten Hand gegen der Sonnen gehebt werde / so thue er die Hand erwärmen. Gewiß ist es / daß die Freygebigkeit die in der Lieb und Freundschafft gantz kalte / und gleichsam durch Feindschafft erfrohrne /oder erstarrte Hertzen erwärme / und widerum zur Gegen-Lieb und Freundschafft erweiche.

Der Jaspis ist ein sehr harter / etwas dunckler und nur zum Theil durchscheinender Stein / der hin und wider röthliche und grüne Flecklein hat. 37 Es seynd dessen gar viel unterschiedliche Gattungen Plinius erzehlet dessen zehnerley. lsidorus aber noch mehr /welchem die Natur unterschiedliche Farben geben hat / und folgends die Menschen auch unterschiedliche Namen / also daß sie auch zu unterschiedlichen Gattungen der Edelgesteinen gezogen werden: sie kommen aus vielerley Ländern / als Indien / Persien /Cypro / Phrygien etc. Der erste und beste unter denenselben ist grün und durchscheinend / dem Orientalischen Smaragd nicht ungleich / und dieser kommt aus Indien. Der Jaspis solle unterschiedliche Krafft und Würckungen haben: Er stelle das übermäßige Bluten ein / wan man ihn an dem Hals tragt / er benehme den Eckel oder Magen-Grausen / er mache helle Augen /vertreibe das Fieber und die Wassersucht / wie auch schädliche Phantasmata oder Einbildungen / und der grüne sey den schwangeren und gebährenden Frauen verhülfflich.

Es kan meines Erachtens der Jaspis wohl auf die Wissenschafft oder Gelehrtheit insgemein ausgedeutet werden. 38 Dann erstlich gleichwie der Jaspis vielfärbig und unterschiedlich ist in seiner Gattung und Eigenschafften / der eine grün / der andere roth / der dritte blau etc. der eine für diesen / der andere für einen anderen Affect oder Zustand etc. der eine da /der andere dort zu finden. Also ist auch die Wissenschafft gar vielfältig und unterschiedlich. Die eine /die ausserordentlicher Weiß von GOtt unmittelbar eingegossen worden ist: die andere aber / welche auf gewöhnliche Weiß durch Studiren / durch Mühe und Arbeit nach und nach erworben wird. Jene wird in den Schulen scientia infusa, diese aber acquisita genennt. Jene hat in einem hohen Grad der Adam im Paradeyß von GOtt empfangen: wie auch hernach der weise Salomon / und die Apostel an dem Heil. Pfingst-Tag. Ja noch unterschiedliche andere HH. seynd durch das Gebett gehlingen / und auf einmahl grundgelehrt worden. Der Gottseelige Egyptische Abbt Hor mit Namen / der weder lesen noch schreiben kunte / als ihm ein Büchlein geben wurde / da hat er gebettet /angefangen zu lesen / und ist in ein oder anderer Stund so gelehrt worden / als andere in viel Jahren.Joannes ein Trajectensischer Bischoff / ist von dem Pflug zu dem Bisthum beruffen worden / und hat zu gleich die anständige Wissenschafften übernatürlicher Weiß empfangen. Stephanus ein Einsidler ist in der Wüsten / ohne Bücher und ohne Lehrmeister also gelehrt und erfahren worden / daß er allen / die zu ihme kommen / nothwendige Unterweisung hat geben können etc. Die andere gewöhnliche Wissenschafften[123] seynd die / so alle Gelehrte mit langer Weil und vielem Studiren erwerben.

Diese seynd wiederum unterschiedlich von Göttlichen und übernatürlichen Dingen / als wie die Theologi, oder von natürlichen Sachen und Eigenschafften cörperlichen Dingen / als wie die Philosophi, oder von Administrirung der Gerechtigkeit / und gerichtlichen Sachen / als wie die Jurisprudentia, oder von Erhaltung der Gesundheit und Heilung der Kranckheiten / als wie die Medicin / oder von dem Himmels-Lauff und Einfluß des Gestirns als wie die Astrologi etc:

Alle diese Wissenschafften ergötzen und stärcken den Verstand / als wie der Jaspis die Augen. Sie benehmen auch wegen ihrer Unterschiedlichkeit und vielfältigen Objecta den Eckel oder Verdruß / welchen einerley Materi / wann sie zu offt kommt / oder zu lang dauret / verursachen thut. Ferners der Jaspis vertreibt die Fieber und schädliche Phantasmata, auch die nutzliche Wissenschafften vertreiben sowohl die innerliche Hitzen der bösen Begierden und Anmuthungen / als die Kälte der Trägheit und deß Müßiggangs: absonderlich aber vertreiben sie aus dem Verstand die schädliche und schandliche Phantasmata der Irrthumen und Unwissenheit etc.

Die obgemeldte Jaspis-Stein befinden sich nicht in einem sondern unterschiedlichen Ländern: und auch die gemeldte Wissenschafften findet man nicht bey einem Gelehrten allein / sondern eine bey diesem /eine andere bey einem anderen.

Der Jaspis ist aus Göttlicher Verordnung auf dem guldenen Brust-Blat des Hohen Priesters in dem alten Testament eingesetzt gewesen / und hat selbem ein sonderliche Zier gegeben / aber mit dem sittlichen Jaspis der nutzlich- und anständigen Wissenschafften sollen absonderlich unsere Hohe Priester / ich will sagen / die hohe geistliche Obrigkeiten die Bischöff und Prälaten versehen und gezieret seyn.

Endlichen wie der Heil. Joannes in seiner heimlichen Offenbahrung gesehen hat / so ist das erste Fundament der Himmlischen Stadt Jerusalem ein Jaspis gewesen: und der Jaspis / verstehe die Wissenschafften und Gelehrtheit / ist auch nach dem Glauben das erste und stärckste Fundament der Catholischen Kirch / auf welche sie sich gründen und steiffen muß / damit sie aufrecht und unverstört bleibe / wann sie von denen Ketzeren und Irrglaubigen durch Betrug und Arglist bestritten und angefochten wird.

Der Topas oder Topasser-Stein ist ein gar herrlich und schönes Edelgestein / welches an Glantz / Klarheit und Grösse die andere übertrifft. 39 Einige thun ihme ein gelbe Farb zueignen / und sagen es sey ein Gattung der Chrysoliten / es wird auch Chrysopras genennt: Andere machen ihn grün / und denen Smaragden ähnlich / und wiederum andere rothlecht denen Rubinen oder Karfunckel nicht ungleich. Am besten scheinen diejenige zu reden / welche sagen: Sein Farb bestehe in einer Vermischung aller Farben anderer Edelgesteinen / oder daß er annehme die Farben aller anderer Steinen wegen seiner Klarheit / wann sie ihm vorgehalten werden. Er ist in denen Schätzen der grossen Fürsten und Herren sehr hochgeschätzt und angenehm.

Einstens ist ein so grosser Topas gefunden worden / daß Ptolomæus Philadelphus eine gantze Statuam vier Ehlenbogen hoch daraus hat machen lassen / wieAndreas Baccius c. 4. de gemmis schreibet. Wie man von ihme schreibt / so habe er seinen Nahmen von der Insul Topatz in dem rothen Meer gelegen / darinn er häuffig zu finden ist / die beste aber / wie andere sagen / sollen aus Carmania kommen / und allda in den höchsten Felsen gefunden werden. Zu Neapel befindet sich ein Topas / welchem mit alt Römischen Buchstaben folgende Wort eingegraben seynd. Natura deficit. Fortuna mutatur. DEUS omnia cernit. Die Natur nimmt ab. Das Glück verändert sich. GOtt sihet alles.

Es soll auch der Topas grosse Krafft und Würckungen haben / nemlich [124] wider die Melancholie / wider den Blut-Fluß und hinfallende Kranckheit / und wann er in ein siedendes Wasser geworffen wird / da stillet er dasselbe und benimmt ihm die Hitz / also daß / wie einige behaupten wollen / man wohl möge die Hand unveletzt darinn halten. Wer curios ist solches zu probiren / mag es thun / ich laß es / wie viel anders in dieser Materi auf den Glauben oder Authorität der Scribenten (aus denen ich es gezogen hab) oder auf die Erfahrnuß ankommen / und dahin gestellt seyn. Er soll auch ein gutes Mittel seyn wider den Zornmuth /und dem Gifft widerstreben: ja seinen Glantz verliehren / wann solches ihme zu nahe kommt / so bald aber das Gifft hinweg ist / komme ihm sein voriger Glantz wiederum. Endlichen soll er in seiner Krafft und Würckung nach dem Mond sich richten / und darinn mit demselben ab- und zunemmen. Der Topas kan einiger massen auf Christum den HErrn ausgedeutet werden /als welcher an Grösse / und Herrlichkeit / an dem Glantz der Glori und Heiligkeit alle Menschen übertrifft / und ein lauterer Zusammen-Fluß oder ein Versammlung aller Vollkommenheiten ist / die er eminenter, das ist / auf eine übertreffentliche Weiß in sich enthaltet / als wie der Topas die schöne Farben aller anderen Edelgestein in ihm versammlet. 40 Dieser geistliche Topas nehmlich Christus ist das allerköstlichste Edelgestein in der Göttlichen Schatz-Kammer / ja er selber ist die Schatz-Kammer / in welcher alle Schätz der Weißheit und Erkanntnuß verborgen ligen. 41 Er ist das kräfftigste Mittel wider die unordentliche Traurigkeit / ja er ist gaudium Angelorum, die Freud der Englen: wider den Zornmuth etc. inmassen er selber sagt: discite à me, quia mitis sum etc. 42 Lernet von mir / dann ich bin sanfftmüthig. Das Sünden-Gifft vertreibt dieser Göttliche Topas unfehlbar aus der Seel; wann aber der Mensch verstockt ist / und das Gifft der Sünden nicht ausspeyen will / da verbirgt oder hinterhaltet er den Glantz und die Strahlen seiner Gnaden / so bald hingegen jenes tödtliche Gifft durch die Reu und Buß abgelegt ist /da laßt er diesen Glantz wider sehen. Der Topas solle in seiner Krafft und Würckung zu- und abnemmen /nach dem Lauff des Monds: der sittliche Topas aber Christus ist zwar an sich selbsten unveränderlich /also daß er in der Vollkommenheit weder zu- noch abnehmen kan: doch aber thut er sich in so weit dem Menschen / welcher veränderlich und so unbeständig ist / als wie der Mond / accomodiren / daß / nachdem diser zu- oder abnimmt in der Tugend und in dem Guten / nach dem lasset auch dieser Göttliche Topas mehr oder minder Krafft und Gnaden-Einflüß von ihm ausgehen / und dem Menschen zukommen.

Der 6. Absatz
Der 6. Absatz.
Von dem Ametist, Onych, Sardio, und Sardonix, von dem Chrysolitho, Calcedonier, Opal, Türckis, Achat und den Granaten.

Der Ametist ist ein durchscheinendes / Veil-blau-mit roth vermischtes Edelgestein. 43 Es kommt aus Indien und Arabien / einer geringeren Gattung auch aus Böhmen. Es gibt dessen unterschiedliche Art oder Gattungen / nachdem sie von einem Orth herkommen: einige seynd gantz roth / andere blau. Zu Zeiten gibt es so grosse Ametist / daß man köstliche Geschirrlein oder andere Figuren daraus macht: sie lassen sich leicht schneiden. Der Ametist soll ein Mittel für die Trunckenheit seyn (auch der / so ihn tragt / von dem Wein nicht angefochten werde) und von disem Effect den Namen haben / dann das Wort Ametist kommt aus dem Griechischen her / heist so viel als auf lateinischsine vino, zu teutsch / ohne Wein. Er soll auch den Menschen wachtbar und verständig machen. Dieser Stein hat die Ehr gehabt / daß er / wie Nicolaus de Lyra schreibt / von dem Heil. Joseph in einem Braut-Ring der Seeligsten [125] Jungfrau Maria ist gegeben worden.

Der Onyx gleichet einem sauber weissen Finger- Nagel eines Menschen / er hat viel Adern / die mit Milch-farben Circklen umgeben. 44 Onyx ist ein Griechisch Wort / heist lateinisch unguis, ein Nagel. Er kommt aus Indien und Arabien / er wird offt so groß gefunden / daß man auch Trinck-Geschirrlein daraus machen kan.

Der Onych ist weißlecht aber dunckler Farb / mit unterschiedlichen Strichen durchzogen. Denen die das Hinfallende haben / oder vom Schlag berührt worden / hilfft er auf / und ist denen Augen nutzlich. Wann man ihne reibt / so wird er erhitziget. Ubrigens hat auch der Onych unterschiedliche Gattungen / Farben und Würckungen / wie dann auch von einigen der Beryll unter die Onychen gezehlt wird.

Der Sardius oder Sarder ist ein rothes Edelgestein /schön und köstlich / (einige wollen es seye eben das /was der Rubin) wird also genennt / weilen es von denen Sardibus zu erst ist gefunden worden / wie Plinius und Isidorus schreibt. Es kommt aus Assyrien und Indien etc. Er hat die Krafft das Gemüth zu ermuntern / die Forcht zu vertreiben und hertzhafft zu machen / ja auch denen Zaubereyen zu widerstehen. Man sagt auch / daß / obwohl der Onych etliche böse Eigenschafften habe / so können doch selbige in Gegenwarth des Sardersteins nicht schaden.

Der Sardonix hat seinen Nahmen von dem Sardio und Onyx, dero Farben und Natur er auch participirt. Einige nehmen ihn für eins mit dem Onych. Wie Isidorus schreibt / so hat er dreyerley Farben / untenher ist er schwartzlecht / in der Mitte weiß / und oben roth. Dise Farben gibt ihm auch Bœtius, und sagt / sie seyen durch runde Strich von einander unterschieden /als wann es mit Fleiß durch die Kunst geschehen wäre. Er ist ein durchscheinender Stein / und wird in Asia / auch in Europa gefunden / doch seynd die Orientalische allzeit die beste / und offt so groß / daß man Trinck-Geschirr daraus machen kan / die aber sehr kostbar und theur seynd. Der König Mithridates soll ein grosse Menge derselben gehabt haben.

Auch der Chrysolith ist ein herrlich schönes Edelgestein / welches auf Königlichen Cronen pranget /und sowohl aus Africa als Indien herkommt. 45 Von seiner Farb schreibet man gar unterschiedlich: villeicht weilen unterschiedliche Gattungen derselben seynd. Einige beschreiben es als hell- oder Meer-grün / andere hingegen Gold-Farb etc. Tostatus sagt / dieser Stein habe bey Tag einen feurigen / zu Nachts hingegen einen Goldfarben Glantz. Isidorus aber thut dieses dem Chrysopras und nicht dem Chrysolith zueignen (der Chrysopras ist sonsten ein durchscheinender grüner Edelgestein / mit einem Gold-Glantz vermengt / den Augen sehr angenehm) Majolus schreibt der Chrysolithus übertreffe an der Schönheit alle andere Stein / und seine Flammen-Farb gebe einen wunderschönen Anblick von sich. Einige melden / es habe ein König in Zeyland einen so ungemein grossen Chrysolith gehabt / der für den kostbarsten / so man jemahl in der Welt gesehen / und für unschätzbar gehalten worden; massen er so lang gewesen / als ein Hand breit ist / und so dick als eines Manns Arm: auch heller als ein Feur-Flamm geglitzet habe / da doch sonst gemeiniglich die Chrysolithen nicht grösser als ein Mandel-Kern seynd. Andere hingegen wollen von keinem Feurfarben Chrysolith etwas wissen und erkennen / sagend / es seye jenes kostbare Edelgestrin vielmehr ein Feurglantzender Rubin / den man Piropos nennt. Albertus M. schreibt / diser Stein lasse seln gröste Schönheit am Morgen sehen / zu anderen Zeiten aber des Tags seye er nicht so schön.

Mardobæus Gallus lib. de lap. schreibt ihme Vers-weiß wunderliche Würckungen zu / deren aber die mehriste Didac. del. Castillo de orna. & vest. Aron. fol. 313. als aberglaubisch verwirfft. Denen Almaticus soll er leichter athmen helffen. Aus disem allem[126] erhellet / wie so schwer es seye in dieser Materi /nehmlich von denen Edelgesteinen etwas gewises zu schreiben.

Was den Ligurium oder Lycurer anbelangt / (der auch unter den Edelgesteinen auf dem Brust-Blat des hohen Priesters gezehlt wird) so thun einige Scribenten ihne zu einer Gattung des Karfunckels / andere aber des Hyacinthen rechnen. 46

Calcedonius ist ein halb durchsichtiger Stein / einer dunckel / feurig rother Farb: oder wie andere wollen /hat er unterschiedliche Farben / nachdeme man ihn gegen dem Liecht haltet. Einige rechnen ihn unter die Karfunckel-Rubin: andere aber unter die Onychen. Die Orientalische seyen die beste theils einer Purpur /Himmel-blau mit weiß vermischter Farb: etliche haben ein annehmliche Röthe / und wann sie gegen der Sonnen gehalten werden / da stellen sie durch den Wider-Schein ihrer Farben einen kleinen Regenbogen vor. Die Calcedonier werden gern zu Pettschafft / oder Sigillen gebraucht / weil sie rein abtrucken / und kein Materi an sich ziehen. Er soll für die Forcht und Melancholie gut seyn / auch das Seiten-Wehe benemmen.

Der Opal ist ein Edelgestein / welches durchscheinig und wegen Vermischung unterschiedlicher Farben / wie ein Regenbogen sehr lieblich in die Augen fallet. 47 Es ist von der freygebigen Natur mit der Krafft und denen Farben schier aller anderen Edelgesteinen begabt worden: weßwegen es nicht / wie andere Edelgestein / durch die Kunst kan nachgemacht werden. Es solte absonderlich das Gemüth zu erquicken vermögen und wider die Ohnmacht verhülfflich seyn /auch die Augen schärpfen dessen / der ihne hat. Es wird dieser Stein in Indien und auch in Ungarn gefunden. Man zehlet aber viererley Geschlecht oder Gattungen der Opalen. Die erste und fürnemste ist blau und Purpur-farb oder auch roth mit gelb vermengt und durchscheinend. Die beste werden erkennt durch ihre Karfunckel-Flammen / ihrem Ametisten-Glantz / und Smaragden grüne / welche alle zusammen in einer Wunder-schönen Vermischung zu sehen seynd. Dieser Stein ist zu seiner Kleine (massen er gemeiniglich nicht grösser als ein Bonen) sehr schwer. Die beste seynd sehr hart: die andere etwas weichers. Die Ursach seiner vielfältigen schönen Farb solle seyn / weilen der Stein kraus ist / und vil durchscheinende Theil hat / in welchen er / weil sie nicht durchgehend oderporosisch seynd / das Liecht empfangt / und selbes wider zuruck gibt.


Der Türckis ist ein harter / nicht durchsichtig / aber schön-himmel-blauer Stein / in welchem das Blau aus dem grünen herfürgehet / und mit einer kleinen Milch-weisse vermenget ist. 48 Die nicht durchsichtige / und die gantz Schatten-dunckle Stein lassen kein folie zu /als wie die andere als Rubin / Smaragd etc. Der Türckis ist durch und durch gleicher Schönheit innerlich und äusserlich / und hat nicht vonnöthen / daß man ihn erhöhe / oder ihm helffe / er ist gar rein und ohne Flecken. Wann er aber je die Farb etwas verliehren solte / kan man ihne wider zurecht bringen / wann man ihne mit Vitriol reibt. Der Türckissen seynd zweyerley Geschlecht / nemlich die Orientalische und Spanische: aber die Spanische seynd mehr dunckel-grün als himmel-blau und selten ohne Mackel. Die bessere kommen aus Persien und der Türckey: sie seynd selten grösser als ein Hasel-Nuß. Doch solle sich in der Schatz-Kammer zu Florentz einer befinden / der so groß als ein Welsche Nuß / auf welchem die Bildnuß Julii Cæsaris geschnitten seye. Es werden dem Türckis von einigen gar seltzame Würckungen zugeschrieben / welche aber mehr aberglaubisch als warhafft scheinen. Doch ist gewiß / daß er Artzney-weiß für das Haupt und die Augen gebraucht wird. Die gerechte und gute Türckis seyen bey Tags schön blau / wie gemeldt / zu Nachts aber bey dem Liecht grün aus. Der Werth des Türckis erhöhet sich nach der Schönheit der blauen Farb / und der Grösse des Steins zugleich.

[127] Der Achat præsentirt sich in unterschiedlichen Gestalten und Farben. 49 Er wird nicht nur in Indien /sondern auch in Europa / sonderlich in Teutschland gefunden. Er ist unter denen fürnemsten Gesund-Steinen einer / und kräfftig wider Schlangen- und Scorpionen-Biß oder Stich und Gifft: Er kühlet die Hitz des Fiebers / und ist den Augen gut. Der Achat nimmt nicht nur allerley Figuren an von der Hand des Künstlers oder Sigill-Grabers / sondern auch die Natur selbsten thut ihme offt mancherley Bildnuß eintrucken /also daß man bald Bäum / bald gewisse Thier und anderes darinn abgebildet siehet. Es gibt etliche in Indien / welche / wan man sie brennt / wie Myrrhen riechen: in Candia findet man eine Art / welche denen Corallen gleichen / und Corallen-Achaten genennt werden.

Zu Venedig in St. Marci-Kirchen ware ein Achat /in welchem ein gekröntes Haupt von Natur zu sehen gewesen. In dem jenigen aber / welchen der KönigPyrrhus in seinem Finger-Ring getragen / ware derApollo mit seiner Cyther in der Hand / und die 9.Musæ mit ihren Instrumenten von Natur zu sehen.

Die Granaten seynd durchsichtige / braun-rothe Stein: sie kommen auch aus Orient und Mohrenland. 50 Doch eben so schön und gut aus Böhmen. Es gibt der Granaten dreyerley Gattungen: die erste seynd roth wie der Safft von Granat-Aepffeln: der anderen ihre Röthe zieht sich auf die Farb der Hyacinthen: und die dritte geht auf Viol-blau. Die Granaten werden entweders Stück-weiß oder Loth-weiß verkaufft /nachdem sie groß oder klein seynd. Die Granaten haben ein Krafft auszutrücknen / stärcken das Hertz /und werden unterschiedlich in der Artzney gebraucht. Noch mehr andere theils Edle / theils Gesundheits-Stein findet man bey unterschiedlichen Authoribus, die eigentlich von dieser Materi gantze Tractät geschrieben haben. Mir seyes genug dieses wenige für eine kleine Notitz oder Kundschafft hievon gemeldet zu haben.

Nur will ich noch anmercken / daß / wann gemeldet wird / es habe dieser oder jener Stein die Krafft / diese oder jene Gemüths-Neigung / zum Exempel den Zorn / die Freud / oder Forcht / Traurigkeit zu erwecken oder zu stillen / solches nicht zu verstehen seye / als hätten diese Stein dergleichen unfehlbare Krafft und Würckung / oder einen unmittelbaren Einfluß in den Willen des Menschens solche Anmuthungen in ihme zu erzwingen und ohnfehlbar oder nothwendig zu erwecken (gleichwie es auch die Himmels-Gestirn nicht haben) dann dises wäre wider die Lehr der HH. Vätter / und wider die Freyheit des menschlichen Willens: sonder man will nur sagen / daß es zu Zeiten gewise Eigengenschafften in denen Steinen gebe / welche mit dem Temperament oder Constitution und Beschaffenheit des Menschen eine heimliche Correspondenz oder Gleichförmigkeit haben / daß folgends der Mensch aus Gelegenheit eines solchen Steins / den er bey sich hat / sich selbsten freywillig entschliesset /und diese oder jene Anmuthung in ihm selbst erwecket / welches er etwann nit thäte / wann nicht ein solcher Stein Anlaß darzu gebe durch sein gewise Beschaffenheit. 51

Es scheinen auch (wie zum Theil Didacus dell Castillo in seinem tract. de ornatu & vestibus Aaronis à quæst. 19. anmercket) einige sonst fürtreffliche Scribenten und Authores zu frey und zu freygebig zu seyn / in Auslegung der Krafft und Würckungen der Edelgesteinen / indem sie einigen auch sogar die Krafft /die Liebe und Freundschafft / die Gunst und Gewogenheit bey grossen Herren zuwegen zubringen / ja auch die böse Gedancken / die Zaubereyen und den Teufel selbst zu vertreiben etc. Viel dergleichen wunderbarliche Würckungen der Edelgesteinen hab ich mit Fleiß verschwigen / weilen selbige zwar von einigen behauptet / von anderen aber als aberglaubisch /oder doch sonsten unwahrhafft verworffen werden: worunter auch des Plinii einige Meynungen zu Zeiten nicht unbillich in Verdacht der [128] Unwahrheit oder in Zweifel gezogen werden.

Ich hab auch beobachtet / daß (wie bey dem ermelten dell Castillo quæ. 21. zu sehen ist de 12. lap. pret.) die wenigste Effect oder Würckungen der Edelgesteinen für gewiß und unfehlbar von denen Authoribus verkaufft werden / welches aus ihrer Red- und Schreib-Art abzunemmen ist: indem sie gemeiniglich nur sagen: es soll dieser oder jener Stein diese oder jene Krafft und Würckung haben; man sagt von ihm /einige schreiben ihm zu etc. Neben dem daß sie sehrdifferent, ja offt einander gantz zuwider seynd in Benahmsung und Beschreibung der Edelgesteinen /indem der eine zum Exempel dem Jaspis oder dem Hyacinth etc. diese Farb und disen Nahmen / der andere ein andere Farb und Nahmen gibt / daß es also gründlich und ausführlich von dieser Materi zu schreiben / nicht nur ein grosse Erfahrnuß / sonder auch absonderliche Behutsamkeit vonnöthen hat. Doch bleibt es auch gewiß / daß GOtt und die Natur unterschiedlichen Steinen sowohl als denen Kräuteren grosse Krafft wider die Kranckheiten / und wider vergiffte Sachen mitgetheilet habe.

Ubrigens über alle die beschriebene Edelgestein insonderheit ein sittliche Application oder Moralisirung zu machen / will mir zu weitläuffig fallen: massen ich zu anderen bevorstehenden Materien zu eylen bemüßiget bin. 52 Sage also nur kürtzlich und überhaupt / daß durch jenes in Heil. Schrifft berühmte gantz guldene und mit allerley Edelgestein gezierte Geschirr füglich ein recht tugendsam und vollkommene Seel möge verstanden werden / welche in dem Feur-Ofen der göttlichen Lieb genugsam gereiniget und ausgebrennt / sich mit denen Edelgesteinen der Tugenden und Vollkommenheiten zu zieren und auszuschmucken befleisset / als mit dem Rubin der Liebe / mit dem Karfunckel des guten Exempels / mit dem Smaragd der Hoffnung / mit dem Diemant der Beständigkeit / mit dem Saphir der himmlischen Betrachtung / mit dem Pyrop einer inbrünstigen Andacht / mit dem Amethist der Nüchterkeit / mit dem Perlein der Reinigkeit / mit dem Topas der Sanfftmuth / mit dem Sardonich der Demuth / mit dem Hyacinth der Eingezogenheit / mit dem Jaspis der beständigen Treu / mit dem Onych-Stein der Forcht GOttes / mit dem Sarder des Eyfers / und mit dem Beryll der Wissenschafft etc. 53 Zu wünschen wäre / daß die so eitel und verblendte Welt-Menschen viel mehr Fleiß und Mühe anwendeten mit disem sittlichen Tugend Geschmuck ihre Seelen zu zieren / als mit denen irrdischen Edelgesteinen ihre sündige Leiber aufzubutzen.

Der 7. Absatz
Der 7. Absatz.
Von denen Perlein.

Die Perlein differiren von denen Edelgesteinen in dem / daß die Edelgestein aus denen Bergen gegraben / die Perlein aber aus dem Wasser gefischet werden. 54 Es seynd aber die Perlein kleine / weiß / klar und runde Steinlein / die in denen Muschlen / oder so genanten Perle-Mutter in dem Meer erzeuget / doch auch in anderen Wässer und Flüssen in Ost- und West-Indien gefunden werden / ja auch hin und wider in Europa: doch haben die Orientalische den Vorzug. Die mehriste seynd kaum einer Erbis groß: doch auch grösser und kleiner. Die kleine kaufft man nach dem Gewicht / oder Untzen / die grössere aber / so Zal-Perlein genennt werden / Stuckweiß.

Sie werden auch Artzneyweiß gebrauchet / und ein kräfftiges Perlein-Wasser daraus gemacht / sie haben wider das Hertz-Klopffen ein grosse Krafft / und auch wider den Schwermuth oder Traurigkeit des Gemüths. In der Muschel und in dem Wasser seynd die Perlein noch zart und weich / und verharten erst mittelst der Zeit / nachdem sie ausgenommen worden.

Es sollen aber die Perlein nach glaubwürdiger Meynung / (dann auch hierinn seynd die Meynungen unterschiedlich) auf folgende Weiß in denen [129] Meer-Muscheln generirt oder gezeuget werden. Es solle sich zu seiner Zeit im Frühling ein gewise Gattung der Austeren samt ihren Schalen und Muschlen aus der Tieffe des Meers in die Höhe empor schwingen /und wann sie herauf kommen / sich aufthun / und bey ihrer Eröffnung etwas von dem fallenden Himmels-Thau empfangen und in sich beschliessen / und dardurch gleichsam imprægnirt oder geschwängert werden / als dann sincken sie wiederum in die Tieffe /und thun das edle Perlein erzeugen.

Die fürnehmste Perlein sollen darumen Uniones genennt werden / weilen sie gemeiniglich eintzig und allein in der Muschel gefunden werden. Sonsten aber lise ich auch in dem Indischen Lust- und Staats-Garten / daß man zu Zeiten wohl über hundert Perlein in einer Muschel beysammen gefunden hab. Man fangt sie aber nit biß am End des Julii / und durch den gantzen Augusti / dann biß dorthin seynd sie noch unzeitig und weich wie Leim.

Was den Perlein-Fang anbelangt / so wird selbige Fischerey von unterschidlichen Scribenten weitläuffig und ausführlich beschrieben. 55 Kurtz und hauptsächlich bestehet die Sach in dem / daß zu seiner gewisen Zeit von den Lands-Herren die beste Schwimmer / die sich ein gute Weil unter dem Wasser aufzuhalten wissen / in die Tieffe des Meers geschickt werden / zu verkundschafften / wo zugegen die meiste Schnecken oder Austeren sich befinden / hernach greiffen die Inwohner der Insuln das Werck gleichsam mit gesamter Hand an. Sie begeben sich mit gar viel Schifflein auf das Meer / theilen sich aus / und werffen von jedem Schiff 2. oder 3. Seiler aus / an welche unten her grosse Stein gebunden seynd / selbige lassen sie biß auf den Grund hinab fincken / das Schiff dadurch fest zu stellen. Hernach versehen sich die Wassertretter / und vermachen auf gewise Art die Naß-Löcher und Ohren / daß kein Wasser hinein tringen kan / binden ein Seil um ihre Lenden / hencken einen Sack an / und lassen sich also in die Tieffe hinab 12. 15. etc. Klaffter tieff /wo sie auf dem Grund in aller Eil die Austern oder Perlein-Muscheln zusammen sammlen / und so bald sie den Sack voll haben / ziehen sie das Seil an / (welches oben in dem Schiff angemacht ist) zum Zeichen /daß man sie geschwind wider herauf ziehen soll. Welches doch nicht leer abgehet / daß nicht einige das Leben einbüssen / oder von grossen Fischen angepacket werden / wann sie sich zu tieff hinab wagen / dann die grössere Perlein befinden sich tieffer / und die kleinere höher in dem Meer.

So lang der Perlein-Fang dauret / müssen drey oder vier Kriegs-Schiff zugegen seyn / welche die Perlein-Fischer vor denen Meer-Rauber beschützen. Ubrigens gleichwie bey uns in dem Fisch-Fang ein Jahr reicher oder glückseeliger ist / als das andere / also auch in dem Perlein-Fang. Auf daß die Taucher oder Perlein-Fischer (deren der König in Portugall bey der Insul Zeylon drey biß vierhundert haltet) unter dem Wasser den Athem lang halten mögen / essen sie wenig / und truckne Speisen.

Die best- und reicheste Perl-Fischerey besitzet der König in Persien an dem Strand des glückseeligen Arabien. Nach dieser folgt die in der Insul Zeylon. In Occident werden sie in dem Mexicanischen Meer-Busen etc. gefunden / sonders schön aber in der sogenanten Margrethen Insul. Die Kostbarkeit der Perlein bestehet in deme / daß sie weiß / hell / rund und groß seyen.

Ein solches Wunderschönes / und unvergleichlich kostbares Perlein ist / in sittlichem Verstand die allerseeligste Jungfrau Maria. 56 Dise ist wahrhafftig Unio oder Unica eintzig und allein das alleredliste und schönste Perlein etc. das jemahl in dem gantzen grossen Welt-Meer ist gefunden worden / deme kein anderes / kein anderer Mensch zu vergleichen ist. Nec primam similem visa est, nec habere sequentem. Wie die Catholische Kirch von ihr singt in den Tag-Zeiten. Sie ist Unio, oder Unica eintzig und allein ohne Mackel der Erb-Sünd empfangen. [130] Unica eintzig und allein ein Jungfrau und Mutter zugleich etc. Die gute Perlein haben ein sonderbare Hertzstärckende Krafft: und wird das Perlein Wasser denen schon Todt-Krancken für eine Erquickung gegeben. Aber noch weit grössere Krafft hat Maria die Seelen der Sterbenden zu stärcken und zu erquicken in ihrer tödtlichen Schwachheit / wie es viel tausend mit ihrem höchsten Trost erfahren haben. Die Perlein werden von dem Himmels-Thau erzeuget: und Maria ist durch ein gantz ungemeines himmlisches Gnaden-Thau empfangen und gebohren worden. Alsdann seynd die Perlein schön und kostbar / wann sie groß / weiß /hell und rund: nun aber ist Maria allzeit groß gewesen im Verstand / Tugend und Verdienst / groß vor GOtt /vor denen Englen und Menschen / sie ist allzeit Schnee-weiß gewesen in der Unschuld und Reinigkeit / und hellscheinend von dem Glantz der Heiligkeit.

Plinius schreibet / daß die Königin Cleopatra zwey Perlein gehabt habe / die so groß und schön waren /daß sie auf 100000. Ducaten seyen geschätzet worden / deren sie eines ihrem geliebten Marco Antonio zu Gefallen in einem scharpffen Eßich hat zergehen lassen / und in einem Trunck ihm vorgesetzt. Aber noch weit köstlicher ist unser Marianisches Perlein / als welches GOtt selbsten ein gantzes Königreich / und zwar das ewige Himmelreich werth zu seyn schätzet /als welches er einem jeden Menschen zu geben bereit ist / für welchen sie ihm ihre Fürbitt und Verdienst anbietet.

Ja sie ist Margarita pretiosa jenes kostbare Perlein / welches jener Evangelische Kauffmann einzuhandlen / alles / was er hatte / verkaufft / und darum geben hat. 57 Dises kostbare Perlein / ich verstehe den Schutz und die Gunst Mariä zu erwerben / sollen wir auch alles daran wenden / alle Kräfften anspannen /keine Mühe noch Fleiß spahren.

In denen Indischen Perlein-Insulen machen die Spanier ein manche reiche Beuth / indem sie selbige gar wohlfeil einhandlen. 58 Wie in dem mehrgemeldten Indischen Lust-Garten aus Petro Marti erzehlt wird / daß die Innwohner selbiger Insuln gantze Körb voll Perlein denen Spaniern um ein Pagatel haben angebotten / als etwann um ein messene Schellen / gläserne Kügelein / oder kleinen Spiegel etc. Wie auch daselbst Perlein gefunden werden / die an der Grösse einer Hasel-Nuß gleichen.

In der Insul Curiana sollen die Spanische Schiffleuth für ungefähr 5. Schilling / 96. Pfund Perlein erhandlet haben / und mit Perlein beladen gewesen seyn / als wann sie Säck mit Spreuer getragen hätten. Aus der sogenannten reichen Insul seynd viel herrliche Schneeweisse Perlein in Europam überbracht worden / deren Grösse wenigist einer Hasel-Nuß gleichte /oder auch übertraff. Eines aus den aller fürnehmsten muß wohl gewesen seyn jenes / so Pabst Paulus von einem Venetianischen Kauffmann um 40000. Ducaten solle erkaufft haben.

Es wird villeicht einer über die Einfalt und den Unverstand der obgedachten Heyden sich verwunderen und lachen / daß sie um ein geringes Kinderspiel so viel kostbare Perlein vertauschen / aber wollte GOtt! daß nicht ein mancher Catholischer Christ eben also /ja noch viel thorrechter handelte / indem er das kostbarste und unschätzbare Perlein der Gnad GOttes /der Unschuld / der Seeligkeit / und seiner eigenen Seel / um gar geringe und nichtige Sachen / um einen kurtzen zeitlichen Wollust / um einen ungerechten Gewinn etc. vertauschet / ja verschwendet und verschertzet.

[131]
Fußnoten

1 Der Steinen sind dreyerley.

2 Apoc. c. 21. v. 19. & 20.

3 Exod. c. 28. àv. 17. etc.

4 Die Natur und Eigenschafft des Diemantsteins.

5 Ein gar ungleicher Kauff.

6 Wie die Diemant wachsen.

7 Der Glaub wird durch den Diemant-Stein beditten.

8 Matth. 16. v. 18.

9 2. Tim. c. 4.

10 Oseæ c. 2. v. 19.

11 ad Gal. c. 2. v. 20.

12 Sap. c. 7. v. 11.

13 Glaubens Streit.

Isaiæ c. 38. v. 14.

14 Marc. c. 9. v. 23.

15 Vielfältige Krafft und Unterschiedlichkeit des Smaragds.

16 Wundergrosse Smaragden.

17 Der Smaragd bedeutet die Hoffnung.

18 Ps. 31. v. 10.

19 Isaia c. 57. v. 13.

20 Jnb. c. 13. v. 15.

21 Prov. c. 3. v. 5.

22 Jerem. c. 17. v. 7.

23 Exod. c. 28. v. 17.

24 Der Rubin oder Karfunckel unterschiedliche Beschaffenheit.

25 Der Rubin wird mit der Liebe GOttes verglichen.

26 Eccli. c. 21. v. 2.

27 Cant. c. 8. v. 6.

28 Rom. c. 8. v. 35.

29 Des Saphirs Gestalt und Krafft.

30 Die Gnad GOttes wird mit dem Saphir-Stein verglichen.

31 ad Philip. c. 4. v. 13.

32 Des Hyacinths Natur und Würckung.

33 Die Tugend durch den Hyacinth beditten.

34 Was der Beryll seye.

35 Actor. c. 20. v. 35.

36 Psal. 40. v. 2.

37 Der Jaspis ist gar unterschiedlicher Farb und Würckung.

38 Die Wissenschafft wird mit dem Jaspis verglichen.

39 Topas ein schön / groß und kräfftiges Edelgestein.

40 Der Topas-Stein bedeutet Christum.

41 Coloss. c. 2. v. 3.

42 Matth. c. 11. v. 29.

43 Der Ametist.

44 Der Onyx, Sardius und Sardonix.

45 Der Chrysolithus.

46 Der Ligurius und Calcedonier.

47 Der Opal.

48 Turcois oder Türckis.

49 Der Achat.

50 Granaten.

51 Anmerckung von der Krafft und Würckung der Edelgegestein insgemein.

52 Sittlicher Geschmuck oder Tugendlicher Edelgestein.

53 Eccli. 50. v. 10.

54 Wie die Perlein beschaffen seyen.

55 Perlein-Fischerey.

56 Die seeligste Jungfrau Maria ist ein kostbares Perlein.

57 Matth. c. 13. v. 45.

58 Menge und Grösse der Perlein.

X. Von etlich mittleren Steinen und Erd-Säfften
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von dem Magnet- und Agt-Stein.

Mittlere Stein seynd diejenige / welche nicht so kostbar und rahr als wie die Edelgestein / und doch auch nicht gar gemein seynd. Ein solcher ist erstlich der Magnet-Stein / welcher an unterschiedlichen Orthen /aber auch von unterschiedlicher Krafft und Würckung zu finden ist. 1 Die seltsame Krafft und Würckung deß Magnets hat schon vor uhralten Zeiten die Menschen in Verwunderung gesetzt / und wollen unterschiedliche Nationes oder Völcker die Ehr haben / daß sie zuerst die Natur und Eigenschafft dises wunderlichen Steins erkennt und erfunden haben. Es haben auch viel alte und neuere Authores weitläuffig darvon geschrieben / absonderlich der berühmte P. Kircherus, Nicolaus Cabeus etc. seine Benahmsung soll er haben von der Landschafft Magnesia, in welcher er absonderlich gefunden wird. Ein guter Magnet-Stein siehet grau oder schwartzlecht aus / auch etwas roth: und damit er etwas zu zehren hab / soll man ihn in Eisen-Feil legen. In der Medicin kan er gebraucht werden / wann man aus Wax und gebrenntem Magnet ein Pflaster machet / soll es für das Zipperlein dienen.

Sonsten bestehet sein meiste Krafft in dem / daß er das Eisen / auch wann es glüend ist / an sich ziehet oder aufhebet / und an ihm im Lufft hangen macht: ja auch dem Eisen thut er seine Krafft mittheilen / also daß wann ein Eisen mit dem Magnet-Stein wohl gestrichen wird / da thut es auch ein anderes Eisen an sich ziehen. Hingegen wann der Magnet klein ist /und gantz loß oder frey ligt / das Eisen aber schwer oder angehefft ist / da bewegt oder lencket sich der Magnet nach der Umfahung deß Eisens. Die sogenante Magnet-Nadel aber ist der Zeiger im Compaß / der die 4. Himmels-Gegenden anzeiget / dessen sich die Schiffende auf dem Meer bedienen / damit sie wissen / wo sie ihren Schiff-Lauff hinrichten sollen.

Ein / in sittlichem Verstand / das Eisen / ich will sagen / die Eisen-harte Hertzen der Menschen / an sich ziehender Magnet ist Christus gewesen / als welcher sichtbarlich in dem Fleisch wandlend / durch sein Göttliche Lehr und Exempel auch die gröste Sünder an / und nach sich gezogen hat / nach der Weissagung des Propheten: In funiculis Adam, in vinculis charitatis, 2 in Adams Stricklein / in den Banden der Liebe. Ja er hat von ihm selbst gesprochen: Ego, si exaltatus fuero à terra, omnia traham ad me ipsum. 3 Wann ich wird erhöcht seyn / wird ich alle Ding an mich ziehen. Wie er dann würcklich noch an dem Creutz hangend den gerechten Schächer / Longinum, und vil aus den umstehenden Heyden an sich gezogen hat. Ja gleichwie der Magnet auch vermittelst eines Eisens / dem er seine Krafft mitgetheilt hat / widerum viel anders Eisen an sich ziehet / also hat der Göttliche Magnet / Christus / durch seine Apostel und Prediger / welchen er sein Krafft und Stärcke mitgetheilt hat / [132] unzahlbare Seelen an sich gezogen. Auch das glüende Eisen ziehet der Magnet an sich / also groß ist sein Krafft und Neigung zu disem Metall: auch die mit dem Feur des Zorns / und der Rachgierigkeit / der Geilheit etc. gantz entzündte /und brinnende Hertzen ziehet GOtt durch sein Gnad an / und nach sich / also groß ist sein Macht und Lieb zu den Menschen.

Aber auch die Welt ist ein starcker anziehender Magnet / als welche durch ihr falsches Liebkosen und betrügliche Verheissungen durch den falschen Schein der Ehren / Wollust und Reichthumen / so viel tausend menschliche Hertzen nur gar zu starck an sich ziehet / und absonderlich ihr anhangen macht / biß daß sie selbige samt ihr in das Verderben ziehet. 4 Aber das feurige Eisen / ich will sagen / die von der Liebe GOttes entzündte Hertzen vermag diser Magnet / die Welt nicht an sich zu ziehen / sie thun ihr nicht anhangen oder nachfolgen.

Der Agtstein / oder Agat / wie ihne andere von dem Fluß Gagas nennen / ist zwar eigentlich kein Stein /sondern vielmehr ein Gattung eines unter-irrdischen Pechs oder Hartzes / Succinum auf lateinisch / welches mittelst der Zeit von der Sonnen oder auch von dem Lufft ausgetrücknet und verhartet worden: zuerst aber ein weicher und fliessiger Erdsafft wie ein Hönig oder Gummi ware. 5 Er ist von unterschiedlichen Farben / schwartz / doch glantzend / oder gelb / auch rothlecht etc. nachdem er von unterschiedlichen Landschafften kommt / gleichwie er auch unterschiedlichen Geruch hat / und wann man ihn anzündt / gibt er einen schwartzen Rauch von sich / wie Pech. Jetziger Zeit wird er auch in Teutschland gefunden: und wird Artzney-weiß zubereitet / und für gar viel unterschiedliche Zuständ gebraucht: dann er hat die Tugend zu heilen / zusammen zu ziehen / zu trücknen / und zu zertheilen etc.

Man trexlet auch allerhand Kügelein / Ringlein /Büchslein etc. daraus. Durchlöcherte Körner oder Corallen von Agtstein oder Agat taugen dem Frauen-Volck nicht nur für ein Hals-Zier zu tragen / sondern sie seynd auch den Augen selber nutzlich und gesund.

Ubrigens hat der Agtstein / wann er erwärmt wird /die Krafft Stroh-Spreyer und dergleichen leichte Sacken an sich zu ziehen / fast eben als wie der Magnet das Eisen / und in disem Stuck kan er wohleinem Geitzhals verglichen werden; dann gleichwie diser Stein besagter massen das Stroh und die Spreyer an sich ziehet / also thut ein Geitziger die zeitliche Güter / die wegen ihrer Eitelkeit billich ein leeres Stroh oder Spreyer mögen genennt werden / an sich ziehen / und auf waserley Weiß / durch Wucher / Betrug / und falsche Renck an sich raffen / und gleichwie ein unersättlicher Meer-Würbel alles / was er erreichen kan /mit seinem unersättlichen Schlund verschlingen / und gleichsam in ihm selbst vergraben: dann der Geitz ist ein unordentliche Begierd zu haben / welche nimmer satt wird / sie gleichet einem Feur / das jemehr es schon verzehrt hat / jemehr will es zu verzehren haben / wie schon oben von dem Geitz mit mehrerem ist gemeldet worden. 6 Dergleichen an sich ziehende Agtstein aber gibt es an allen Orthen / und in allen Ständen nur gar zu viel / von welchem insonderheit zu erzehlen viel zu weitläuffig wäre.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Crystall und von den Corallen.

Der Crystall ist eines aus den schönsten Dingen / die sich in dem finstern Erd-Gebäu befinden; dann er ist ein weisser / reiner / gantz klar und glantzender harter Stein / und vollkommen durchsichtig. 7 Er wächst an unterschiedlichen Orten in den Bergen / bevorab in West-Indien. In der Landschafft Guiana soll ein fast gantzer Berg von Crystall seyn. In Schweden wird auch Crystall gefunden / und viel verarbeitet.

Einige / wie auch Herr Joh. Hübner in seinem Natur- und Kunst-Lexico, wollen behaupten / daß in dem Pyreneischen [133] Gebürg / allwo der Schnee und das Eiß in 100. und mehr Jahren nie vergehet oder geschmoltzen ist / derselbe endlich zu Crystall werde: aus Ursachen / daß auf solche Weiß der Crystall aberim Feuer nicht dauren kunte / wird dise Meynung von anderen verworffen. Neben dem / daß es auch in hitzigsten Ländern vieles Crystall gibet. Meines Erachtens / salvo meliori judicio, kunte dieser Streit leicht gehoben werden / wann man sich auf den Augenschein und die Erfahrnuß beziehete / ob nemlich der Crystall nur oben und ausserhalb den Bergen gefunden / oder auch aus der trocknen Tieffe derselben (wo kein Schnee noch Eiß hinkommt) gegraben werde.

Indessen mag es wohl geschehen / daß auch ein gar hart und lang gefrornes Eiß dem Crystall zimlich gleiche / und auch ein Weil lang in der Hitz dauren möge.

Ubrigens kan man viererley Crystall unterscheiden. Der erste ist / so gantz hell / wie Eiß aussihet / undCrystallus Montana, Berg-Crystall genennet wird: der 2te ist pechig und wird iris genennt / weil er dem Gesicht unterschiedliche Farben / wie ein Regenbogen vorweißt / wann man ihn über das Aug halt und dardurch sihet: der 3te ist ein gelblichter: und der 4te halbrund / das ist / untenher glatt / und oben gewölbt / und deßwegen wie ein Brenn-Spiegel kan gebraucht und etwas damit angezündet werden: diser solle härter und besser als die andere seyn. Was für unterschiedliche schöne Gefäß und Figuren / absonderlich zu Venedig aus dem Crystall geschnitten werden / das ist genugsam bekannt.

Wie ich in dem mehrgemelten Indischen Lust-Garten lise / so soll in den Silber-Bergen bey Schemnitz in Ungarn ein Art von Crystall wachsen / welcher sehr klar / und zu Zeiten ungemein grosse Stücker darvon angetroffen werden: wobey auch dise Eigenschafft und Rarität zu sehen / daß selbiger Crystall aller von Natur 6. eckig formirt oder gespitzet / und gleichsam vor sich selbst schon polirt und geschliffen ist. Vor Jahren hat man aus denen Kupfer-Bergen eines Ungarischen Palatini Grafens Franc. Wasselini, ein Stuck Crystall bekommen / welches über ein Centner schwer ware: weßwegen selbiger Herr einen fürnemmen Künstler beschicket / der ihm ein Monstrantz oder etwas dergleichen daraus machen soll / um solches dem Römischen Kayser zu præsentiren. Einige wollen zwar / daß es in Orient kein wahres Crystall gebe /sondern nur eine andere gewisse Materi / die dem Berg-Crystall gleich sehe.

Hingegen liset man von dem Reich Chili, daß mitten auf der Insul eines grossen Flusses ohnweit von dem Gebürg Andes ein gantzer Felsen von Crystall zu sehen seye / woraus die heydnische Americaner vor Zeiten einen gantzen Götzen-Tempel / der von allen Seiten durchsichtig ware gar künstlich ausgehauen /und aufgebauet haben. Wie Kircherus in mund. subterr. meldet.

Ja ein gantz Crystallener Tempel / in welchem der wahre GOtt mit Lust und Freuden wohnet / ist ein reines Hertz und gutes Gewissen: dann gleichwie das Crystall schön weiß / klar / glantzend und starck ist: also und noch vielmehr ist ein reines Gewissen /schön weiß von der Unschuld / glantzend an der Tugend und Gottseeligkeit / auch starck und standhafftig in aller Gefahr / Trübsal und Beschwerden: es förchtet sich vor nichts als vor der Sünd. 8


Etsi fractus collabatur orbis,
Impavidam ruinæ ferient.
Wann auch die Welt sollt untergehen /
So bleibt es dannoch aufrecht stehen.

Wann man mit dem geschnittenen Crystall die Sonnen-Strahlen auffangt / da kan man leicht etwas darmit anzünden / oder auch verschmeltzen. Eben also thut ein reines Gewissen / indem es die häuffige Strahlen der Göttlichen Gnaden-Sonnen in sich empfanget / und davon entzündet wird / gemeiniglich durch seinen hitzigen Eyfer auch andere laue Hertzen erwärmen / und mit der Liebe GOttes entzünden.

[134] Francisco Fernandez hat ein Schiffer neben anderen Edelgesteinen / die er aus denen Philippinischen Inslen hat mitgebracht / einen gantz klaren Crystall gewiesen / in dessen Mitte ein Saphir-blaues Lämmlein gesessen / (von Natur also gestaltet) welches ein Creutz auf den Schultern getragen hat. Dises war ein recht grosses Wunder der Natur / aber ein noch grösseres Wunder der Gnad ist es / daß das wahre und unbefleckte Lamm GOttes in einem reinen Hertzen /in einer reinen Seel sich befindet / und ihr das Creutz / das ist / die Lieb zu dem Creutz und Leyden einpflantzet. 9 Ein solches Crystallines / oder Crystall- reines und mit dem Lamm GOttes prangendes Hertz hat unter anderen die Heil. Jungfrau Gertraut gehabt /als von welchem Christus selber gesagt hat: In corde Gertrudis invenietis me. In dem Hertzen Gertrudis werdet ihr mich finden. Es schreibet Nierenbergius Hist. nat. lib. 16. c. 22. Es seye ihm ein Crystall unter die Augen kommen / über 2. Finger hoch / also hell und durchscheinend / als wann es ein lauterer Lufft wäre: in selbem seye die Gestalt einer Schlang gewesen / welche ihr Maul gegen einem Lämmlein aufgesperrt habe / als wolte sie es verschlingen: aber das Lämmlein hab ihr zu seiner Beschützung ein Creutz entgegen gestellt. Abermahl ein schöner Entwurff einer Crystall reinen unschuldigen Seel. Wann die höllische Schlang einschleichet / sich wider sie auflehnet / und das Lämmlein / das ist / die Unschuld verschlingen will / so halt sie ihr nur das Creutz / die Krafft / den Schutz des Gecreutzigten entgegen / so wird sie ihr nicht schaden können.

Also hat es gemacht ein gewisse Heil. Jungfrau /welche zu Lebs-Zeiten den Gecreutzigten also hertzlich geliebt / und sein Leyden so offt und so anmuthig betrachtet / daß als man nach ihrem Todt sie eröffnet hat / da hat man in ihrem Crystall-reinen Hertzen die Instrumenten des Leydens Christi / nemlich das Creutz / die Lantzen / Nägel und Cron etc. gantz deutlich abgebildet gefunden.

Es soll der Crystall die Krafft haben trefflich abzukühlen und den Durst zu benemmen / wann er zerstossen und mit Hönig vermischt wird: Er erfüllet alsdann auch mit Milch die Brüst der säugenden Frauen / und vertreibt das Grimmen und Schmertzen des Ingeweids. Vast eben also in sittlichem Verstand der Crystall der Unschuld und des reinen Gewissens mit dem Hönig der Andacht und des himmlischen Trosts vermengt / kühlet ab die Hitz der bösen Begierden /und löschet den Durst / das ist / das Verlangen nach den zeitlichen Güteren etc. Sie erfüllet auch die geistliche Brüst der Seelen / ich will sagen / den Verstand und Willen des Menschen mit Milch / das ist / mit dem Einfluß himmlischer Gnaden / und vertreibt das Grimmen / verstehe den innerlichen Schmertzen / welchen die Seel sonst empfinden thäte in der Trübsal und Verfolgung / wann sie nicht durch den Crystall des reinen Gewissens / und der Unschuld darvon befreyet wurde.

Von dem Crystall begibe ich mich zu den Corallen / aus den Bergen widerum in das Meer. 10 Dann zu wissen ist / daß die Corallen anfänglich kein Stein /noch hart / sondern weich seynd / und auf dem Grund des Meers / oder auch an den Klippen und Felsen /doch unter dem Wasser schier wie Aestlein an den Bäumen wachsen / und erst alsdann hart wie Stein werden / wann sie von den Taucher oder Schwimmeren aus dem Wasser herfürgebracht worden und an den Lufft kommen. In dem Wasser seynd sie schleimicht und grünlecht / an dem Lufft aber werden die bessere roth / die schlechtere aber weiß oder schwartzlecht: sie werden gemeiniglich zimlich klein /als wie Stäudlein von kleinen Bäumlein heraus gebracht / doch auch zu Zeiten zimlich groß.

Die Corallen wachsen häuffig in dem Mittelländischen Meer: die Corallen-Fischerey aber fanget an in dem April / und endiget sich in dem Julio: und wann man zu gewisser Jahrs-Zeit die äussere Spitz oder End derselben [135] trucket / da gehet ein gewisser Safft heraus: andere sagen / die Corallen haben / und lassen etwas von sich / etwas schier wie ein Coriander-Saamen / und dieses solle der Saamen seyn / durch welchen sie fortgepflantzt und vermehrt werden: da wo er hinfallt / auf den Boden oder Stein etc. im Meer / da kommt ein neues Corallen-Bäumlein oder Gewächs herfür. Mithin geschihet es / daß man an unterschiedlichen Orthen unter dem Wasser gleichsam gantze Wäldlein und Corallen-Bäumlein antrifft: absonderlich in dem rothen Meer / aus dessen Grund die Fischer offt häuffige Corallen herfür bringen. Ja sie sollen da öffters so hoch wachsen / daß die Zweig oder Zincken aus dem Wasser herfür stechen / und den Schiffenden im Weeg stehen.

Man findet sie auch immerdar häuffig an dem Ufer ligen / wohin selbe das Meer auszustossen pflegt (wie die / so in das Heil. Land wallfahrten / bezeugen) doch nicht lauter rothe / sondern auch viel weisse. Auch das Ost-Indische und Sicilianische Meer zeuget eine Menge so wohl rothe als schwartze Corallen etc.

In der Kunst-Cammer zu Florentz siehet man unter anderen Raritäten einen Todten-Kopff / daraus ein Corall-Zweig heraus gewachsen ist. P. Kircherus in seiner Kunst-Cammer hat einigen ein gantzes Stuck von einem Felsen gewiesen / welches überall mit Austern und Corall-Zweigen überwachsen war / welche ohne eintzige Wurtzel dem Stein anhiengen oder anklebten. Bey dem Cardinal Barberini ware ein Corall-Pflantzen zu sehen / welches untenher schwartz / in der Mitte weiß / und hernach wiederum schwartzlicht ware.

Ubrigens ist es gewiß / daß die rothe Corallen schöner bleiben / ja noch röther werden / wann sie ein gesundes Manns-Bild traget / hingegen bey den Weibs-Personen sich entfärben und in etwas erblassen.

Was aber die Artzney-Krafft der Corallen anbelangt / so werden unterschiedliche Artzneyen darauspræparirt: bevorab die Corallen-Tinctur / als ein dem Gifft und anderen schweren Zuständen widerstrebendes Hertzstärckendes Mittel etc.

Durch die zweyfache und unterschiedliche Beschaffenheit der Corallen in und ausser dem Wasser wird einiger massen der Unterschied des Menschen in dem Stand der Trübsal und der Wohlfahrt angedeutet. Dann viel Menschen gibt es / welche so lang sie in der Tieffe / das ist / in einem niederträchtigen Stand seynd / und von dem bittern Meer-Wasser / ich verstehe mit Bitterkeit der Armuth / Kranckheit oder anderen Trangsalen umgeben / und gleichsam überschwemmet seynd / da seynd sie (wann sie selbe gedultig übertragen) als wie die Corallen in dem Wasser weich und weiß oder grün / das ist / sie seynd gelind und geschlacht / sie lassen sich gern zum guten biegen und lencken / nach der Regel der Vernunfft / und Anweisung der Oberen: weiß aber / wegen aufrichtigem und unsträfflichem Lebens-Wandel: und grün wegen steiffer Hoffnung auf GOtt allein / als zukünfftigen Belohner ihrer Gedult und ihres Leydens. Aber wann sie durch gehes zeitliche Glück / durch die Gunst ihrer Patronen aus der Tieffe dises bitteren Wassers ihres armseeligen Stands heraus gezogen /und zu einer Ehren-Stell oder Reichthum erhoben werden / da werden sie hart / das ist / unbändig und hartnäckig oder eigensinnig und unbarmhertzig: sie werden auch roth / das ist / entzünd / oder aufbrinnend in der Hoffart / in dem Geitz und Zornmuth etc. Disen wäre es viel besser und nutzlicher / wann sie in der Tieffe des bitteren Gewässers ihres geringen und müheseeligen Stands wären gelassen worden.

Man sagt / daß die rothe Corallen-Bäumlein / wann man selbe bey sich hat / die Krafft haben / den Donnerstreich abzuhalten / auch die hinfallende Kranckheit / und den Blut-Fluß zu verhüten: ob nun disem also / daß laß ich dahin gestellt seyn: aber das ist gewiß / daß der rothe mit dem kostbaren Blut Christi gefärbte Creutz-Baum / wann man selben durch fleißig und [136] ehrenbietiges Angedencken bey sich im Hertzen tragt / die Krafft habe / den Donnerkeil des Göttlichen Zorns von uns abzuwenden / und von tödtlichen Kranckheiten der Seelen zu befreyen. 11

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Marmorstein, Porphyr und Alabaster.

Der Marmor ist absonderlich bey den Baumeisteren ein wohlbekannter und sehr æstimirter Stein: er ist sehr hart / daurhafft und schwer. 12 In Italien gar häuffig und im bauen gewohnlich / aber auch in Teutschland nicht seltsam etc. Die Farb belangend /ist er (absonderlich der Italiänische) gar vilfältig und unterschidlich: als weiß / roth / schwartz / grün / er ist mit mancherley vielfärbigen Aderen oder Strich und Flecken hin und wider vermengt. An vilen Orten gibts gantze grosse Berg von Marmorstein / von welchen manches Gebäu aufgeführt wird: und wann er polirt ist / glantzet er schön. In Sina bey der Stadt Kacheu /in der Landschafft Quantung / und bey Tuli / gibt es Marmor / welcher von der Natur mit mancherley Adern und Farben also gemahlt ist / als wann es mit einem künstlichen Pemsel geschehen wäre / indeme man die Gestalt der Bergen / des Wassers / der Bäumen / Blumen etc. gantz deutlich darauf sihet.

Der Porphyr ist eine Gattung des Marmors / oder ein rother sehr harter und weißgesprengter Marmorstein. 13 Von welchem durch das reiben oder stossen nichts hinweg gehet; deßwegen die Apothecker ihn gern zu den Mörseren und die Mahler für die Reibstein brauchen.

Der Alabaster ist von den Alten auch unter die Gattungen des Marmorsteins gezehlt worden: er ist aber selbem an Härtigkeit nicht gleich. Es solle dessen dreyerley Arten geben / weissen / rothen und grünlichten. Wann man ihn brennt und mit Hartz vermischt /solle er die Härtigkeit erweichen / unter Wachs gethan / das Magenwehe stillen / und in Milch getruncken /für die Ruhr gut seyn.

Von dem Marmorstein / zum theil auch von dem Porphyr und Alabaster werden herrliche Tempel und Palläst / schöne Altär / Säulen und Statuen gebauet: und deßwegen können durch dise Stein wohl verstanden werden ansehnliche / tugendsam- und gelehrte Männer / so wol geistlich-als weltlichen Stands / welche die Kirchen GOttes und das gemeine Wesen zieren / unterstützen und bevestigen wider allen feindlichen Anfall. Diese aber sollen mit anständigen Tugenden / Wissenschafften / und Erfahrenheit versehen seyn (gleichwie der Marmorstein / Porphyr / und Alabaster mit unterschiedlichen schönen Farben geziert ist) auf allen Fall und Begebenheit zum Besten der Religion und des gemeinen Wesens sich derselben bedienen zu können. Nicht zwar / daß alle gleiche und einerley Tugenden und Eigenschafften haben müsten /gleichwie auch die besagte Stein nicht einerley Farben haben / sondern der eine excellirt in dieser / und der andere in einer anderen Farb / also ist dem einen dise / und dem anderen ein andere Tugend und Wissenschafft hauptsächlich vonnöthen: massen auch der Heil. Apostel Paulus anmercket: daß in der Kirchen GOttes nicht alle Apostel seynd oder Propheten /nicht alle Lehrer / nicht alle haben die Krafft gesund zu machen / oder unterschiedliche Sprachen zu reden /sondern der eine hat diese Gab und Gnad von GOtt empfangen / der ander ein andere. 14 Diser hat die Tugend der Gerechtigket und Bescheidenheit absonderlich vonnöthen / als wie die Richter und Obrigkeiten /jener die Klugheit zu herrschen / als wie die König und Fürsten: ein anderer die Weißheit / die Wissenschafft und den Eyfer als wie die Lehrer und Prediger: wiederum ein anderer den Muth und Hertzhafftigkeit /als wie die Feld-Obristen etc.

Doch aber gleichwie die Marmor-Porphyr- und Alabaster-Stein / auf daß sie ein schön und daurhafftes Gebäu [137] vorstellen / müssen sie vermittelst eines starcken und daurhafften Kütt oder Mörtel vest zusammen gemacht / und ordentlich auf einander gericht seyn / ohn welches sie vilmehr ein unformlicher Steinhauffen / als ein ordentliches Gebäu seyn wurden /also auch / damit die unterschiedliche Ständ in der Catholischen Kirchen oder einem gemeinen Wesen ein schön und daurhafftes Gebäu ausmachen / müssen sie nicht durch Zwytracht oder Feindseeligkeit von einander abgesönderet / sondern Vermög der Liebe und Freundschafft vereiniget und vest verbunden seyn: sonsten wird das sittliche Tugend-Gebäu weder Bestand noch Schönheit haben.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von dem Salpeter, Schwefel, und Pech.

Obwolen der Salpeter / Nitrum, ein schlechtes Herkommen hat / so ist er doch kein schlechte Sach sonders bey den Chymisten und in den Apothecken / wo er starck zu der Medicin gebraucht wird / wie auch bey der Artillerie- und Feurwercker-Kunst sehr wohl bekandt und nothwendig; massen das Schieß-Pulver aus Salpeter / Schwefel und Kohlen gemacht wird /welches was es für einen Gewalt habe / wann es gewaltsam eingeschlossen und angezündet wird / genugsam bekandt ist / als welches in dem Krieg so grausam wütet / daß es nicht nur viel tausend Menschen in das Grab wirfft / sonder auch zum öfftern in einem Augenblick / wann ein angelegte Minen springt /veste Thürn und Mauren in den Lufft sprengt. 15

Es ist aber der Salpeter ein schwefelichtige / saltzige / irrdische und flüchtige Materi / die in vilen Orthen gefunden wird / absonderlich in alten Gebäuen /Gewölber und Stallungen / oder solchen Orten / die nicht unter dem freyen Himmel / sonder unter dem Tach seynd / er muß aber schön weiß / rein und auter seyn. Es wird viel Salpeter aus Holland gesandt / der aber von dem Salpeter-Sieder muß zurecht gebracht werden / und der gut- und rechte muß auf einer glüenden Kohlen verschwinden; dann wann er bleibt und rauschet / da hat er Saltz bey sich.

Bey denen Chymisten und Alchymisten (das ist /die sich auf die Schmöltz- oder Scheid-Kunst / Distilier-Kunst begeben) wird der Salpeter Cerberus Chymicus, Sal infernalis, Sal sulphuris etc. genennt /und vermittelst seiner Reinigung / Distillation, Calcination und Extraction unterschidliche præparata aus demselben gemacht.

Durch den Salpeter kan geistlicher Weiß die Buß verstanden werden: dann gleichwie der Salpeter ein schlechtes Herkommen hat / nehmlich aus unsauberen finsteren Winckeln und Löcheren oder Höhlen der Erden / aber doch zu vielen Dingen auch zur Gesundheit des Leibs sehr nutzlich und nothwendig ist / also hat die Buß einer Seits zwar gar schlechten und verächtlichen Ursprung / dann sie entspringet aus Gelegenheit der begangenen Sünd / und kommt heraus einem nidrigen / das ist / demüthigen Hertzen des reumüthigen Sünders / doch ist sie zur Gesundheit der Seelen sehr nutzlich / ja nothwendig: wie Christus selbst austrucklich zu den Sündern gesprochen hat:Nisi pœnitentiam egeritis, omnes similiter peribitis. 16 Wann ihr nicht Buß thut / werdet ihr alle umkommen. Aus dem Salpeter werden unterschidliche kräfftige Artzneyen præparirt für allerhand Zuständ und Kranckheiten: auch die Buß ist ein allgemeines und unfehlbares Mittel wider alle tödtliche Kranckheiten der Seel. Insonderheit ist der Salpeter gut den Magen und das Eingeweid zu reinigen von bösen schädlichem Schleim und Feuchtigkeiten: er macht ring / dissolvirt und erwärmet etc. Eben dergleichen Würckungen hat auch die Buß im sittlichen Verstand: sie reiniget das Gewissen von dem tödtlichen Sünden-Gifft / sie vertreibt aus dem Hertzen die böse Begierd und Anmuthungen / sie macht das Gewissen leicht /sie erweicht das Hertz / und dissolvirt es in reumühige Buß-Zäher / und erwärmt / ja entzündet es mit der Liebe GOttes.

[138] Der Schwefel nimmt keinen geringen Platz ein in dem Reich der Natur: inmassen wie die Alchymisten darfür halten / die Mineralia aus Schwefel / Saltz und dem Mercurio bestehen. 17 Es ist aber der Schwefel ein irrdisches / vestes und leicht brennendes Hartz /mit etwas Vitriol-Saltz vermischt von unterschiedlicher Farb / nachdem er aus der Erden gegraben / oder durch die Kunst zubereitet ist. Deßwegen zweyerley Schwefel zu unterscheiden seynd / nehmlich nativum und factivum, der natürliche und gemachte. Jener wird auch Sulphur vivum, der lebendige Schwefel genennt / und siehet gemeiniglich als wie ein graue Erden aus / welche doch gern brennet (dann der Schwefel ist truckner und hitziger Natur) und eine blaue Flammen von sich gibt / worinnen auch ein hitziger scharffer Geist verborgen ist / der die Metallen zur Zeitigung bringen hilfft. Von disem kommt alsdann der gewöhnliche gelbe Schwefel her / so durch die Hülff des Feurs aus dem ersten in gelben Röhren auf den Schwefel-Hütten gegossen wird. Wann der Schwefelpurificirt, sublimirt / distillirt etc. ist / so macht man auch unterschiedliche Præparata und Medicamenta daraus. An gewisen Orthen aber sublimirt ihne die Natur selbsten durch das unterirrdische Feur.

Demnach ist der Schwefel einer truckenen und hitzig oder feurigen Natur / welches auch die kalte Wasser empfinden: dann wann selbe unter der Erden durch schwefelächtige Orth oder Aderen fliessen / da nehmen sie die Hitz Farb und Krafft des Schwefels an sich: dahero dann auch die warme Brunnen u. Bäder /die durch Schwefel-reiche Erd-Gäng fliessen / ihre Eigenschafften an sich ziehen.

Der Schwefel wegen seiner hitzigen oder feurigen Art und üblen Geschmack bedeutet das Laster der Geilheit und Hoffart / welches zwey hitzige Laster seynd / die das Gemüth mit unreinem Feuer entzünden / und gleichwie die Wasser / so durch Schwefel-reiche Meatus oder Erd-Gäng fliessen / die Wärme und den Geschmack des Schwefels an sich ziehen /also thun gemeiniglich auch die Werck und Sitten /die von einem geilen oder hoffärtigen Menschen verübt werden / nach der Geilheit oder Hoffart stincken: und gleichwie der Schwefel gleich brennet / so bald nur ein Füncklein Feur darzu kommt / also brennet ein Mensch / der disen Lastern starck ergeben ist /gleich in der Geilheit oder Hoffart auf / sobald sich ein kleine Gelegenheit ereignet. 18 Wie dann auch der gerechte GOtt diese Laster in jener Welt abstrafft in stagno ardenti & sulphure, 19 in dem Teich / der mit Feur und Schwefel brennet.

Pech / Bitumen, oder Juden-Leim / Berg-Hartz /wie es andere nennen / und für eines nemmen / kan theils verstanden werden jener hartzige Theil / so von den angezündten alten Hartz-Bäumen ausfließt / theils ein jede Fettigkeit der Erden / welche zeh und klebig ist / und gern brennet. Eigentlich aber ist es ein fetter klebiger Safft / so an den See-Wässeren gesammlet wird. 20 Andere sagen Bitumen judaicum, oder Asphaltus sey ein schwartzes zehes Gummi oder Hartz /das von dem Schaum des todten Meers aufgesammlet / trucken und hart gemacht worden.

Durch dises Bitumen, Pech oder Hartz / wie mans immer nennen will / kan füglich die Freundschafft und Einigkeit verstanden werden / dann gleichwie jene klebig und pechige Materi 2. Stuck Holtz / Bretter oder andere Ding also starck zusammen hebet / daß mans nicht wohl mehr kan voneinander bringen / sonder sich ehender zerbrechen lassen. Also thut ein auf richtige Freundschafft und Einigkeit die menschliche Hertzen also miteinander verbinden / daß sie durch keinen Gewalt können zertrennt oder abgesönderet werden. Wie es sich bey dem David und Jonathas gewisen hat / von welchen geschrieben stehet: Conglutinata est anima Jonathæ animæ David etc. 21 Die Seel Jonathæ war verbunden mit der Seel Davids /gleich als wann sie zusammen gebachen oder zusammen gelaimt wären durch ihre hefftige Lieb / so sie gegeneinander hatten.

[139] Es hat GOtt selbsten dem Noe bey Erbauung der Arch befohlen / er solle sie aussen und innen mit Pech verpichen / damit nehmlich das Gewässer des Sünd-Fluß nicht eintringen möge. Aber in sittlichem Verstand sollen wir die Arch unsers Hertzens in- und auswendig (das ist nicht nur dem Schein nach / sonder auch in der Sach selber) mit dem Pech oder Hartz der beständigen Freundschafft und Einigkeit verpichen /auf daß kein Wasser des Unfriedens oder der Uneinigkeit in das Hertz sich eintringe.

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von dem Honig und Wachs.

Das Honig ist ein gelber / süsser / fetter Safft / um den wir dem Fleiß und der Emsigkeit der Bienen und Imlein zu dancken haben / obwohlen es meines Erachtens die glaubwürdigere Meynung ist / daß die Imen den Honig nicht selbst eigentlich und weesentlich machen / oder in ihrem Mäglein außkochen / und dann wiederum heraus geben (wie einige wollen) sonder nur den Honig-Safft von unterschiedlichen Blumen und Kräuteren saugen / einsammlen / und in den Imen-Korb / oder Bienen-Stock eintragen / welcher zu Zeiten in einem oder zwey Tägen mit Honig angefüllt wird / welches so geschwind nicht geschehen konnte /wann ihn die Imlein selbst machen oder auskochen /und nicht nur sammlen oder eintragen thäten. 22 Neben dem daß die Imen den Honig auch selbst für ihre eigne Speiß brauchen / was aber einmahl von dem Magen ausgestossen wird / das ist ein Excrementum oder Auswurff / welches folgends nicht mehr zur Nahrung tauglich ist / dann der Magen wirfft nichts aus / biß er zuvor durch die nährende Krafft das Beste / so ihm zur Nahrung tauget / daraus gezogen hat: das übrige aber thut er als unnütz ausstossen / wie gar wohl Magnif. P. Romoser de met. disp. quæst. 4. anmercket.

Demnach ist es wahrscheiniger des Cabei und anderer Meynung / daß dise emsige Thierlein den Honig-Safft zwar mit ihren Rüsselein von denen Blumen sammlen und saugen / aber nicht in ihren Leib einnemmen / sonder mit und auf ihren Füßlein / welche deßwegen gleichsam harig oder zottend seynd (damit der klebende Honig-Safft daran hangen bleibe) in den Imen-Korb eintragen: Man wird auch durch genaue Beobachtung wahrnehmen / daß sie im Einfliegen mit solcher süssen Bürde zwischen den Füssen beladen seynd. Daß sie aber 6. eckige Cellulen oder Kämmerlein für das Honig machen / kommt daher /weilen sie 6. Füßlein haben / mit welchen sie arbeiten und selbe machen etc.

Die Güte und Menge des Honigs betreffend / so ist selbes unterschiedlich / grösser oder kleiner nach Beschaffenheit der Orthen / wo es die Imen sammlen.

In Indien und Arabien wird das Honig auch an den Bäumen gefunden / und in Podolia einer Polnischen Provintz ist es ungemein häuffig.

Das Honig hat die Krafft zu erwärmen / zu trucknen und zu reinigen / deßwegen es auch vielfältig in der Artzney gebraucht wird / sowohl innerlich in allerhand Brust-Anligen und innerlichen Verwundungen / als äuserlichen Aufschlägen etc. Es soll auch sehr gut seyn für die Schlangen-Biß.

Aber so gut und gesund das Honig ist / wann man es recht applicirt und mäßig braucht / so schädlich und ungesund ist es / wann mans mißbrauchet und zuviel darvon isset / wie austrucklich in der H. Schrifft geschrieben stehet: Qui mel multum comedit, non est ei bonum. 23 Wer zu viel Honig ißt / das ist ihm nicht gut. Und wiederum / findest du Honig / so isse dir genug / commede quod sufficiat, daß du nicht zu satt werdest / und speyest es aus. Deßwegen können im sittlichen Verstand durch das Honig die zeitliche Wollüst / Freuden und Ehren verstanden werden / dann diese seynd zwar süß und lieblich / der Sinnlichkeit sehr angenehm / aber wann man selbe mißbraucht / unmäßig liebt / und sich zu starck darein vertiefft / da seynd sie der Gesundheit der Seelen sehr schädlich: [140] das Honig vermehrt die Gall / ja es wird selbsten in Gall verwandlet / wann mans zu starck braucht: Eben also die zeitliche Freuden und Wollüst verursachen Bitterkeiten der Seelen / und werden in Traurigkeit verwandlet. 24 Extrema gaudii luctus occupat, 25 sagt abermahl der weise Salomon: Das Lachen wird mit Schmertzen vermischt / und das End der Freuden ist weinen / wie es nur gar zu wohl erfahren all diejenige / von welchen der Job gesprochen: Ducunt in bonis dies suos, & in puncto ad infernum descendunt. 26 Sie haben gute Täg / und in einem Augenblick fahren sie zum Grab hinunter.

Der Honig ist den Kindern und jungen hitzigen Leuthen schädlicher und ungesunder als den alten und kalten Männern; dann es verursachet bey ihnen allerhand böse humores oder Feuchtigkeiten / es verstopfft den Leib / bewegt die Gall / und bringet Fieber / sonderlich wann es noch nicht abgefaumt / purificirt oder geläutert ist / also seynd auch die zeitliche Güther und Glückseeligkeiten den jungen hitzigen Leuthen / das ist / denen Unbehutsamen / muthwilligen und unverständigen vil schädlicher und gefährlicher als den alten / das ist / den Gescheiden und Behutsamen / die sich wissen innzuhalten und zu mäßigen: dann bey ihnen verursachet das Honig der zeitlichen Glückseeligkeit / der Ehren und Reichthumen die Feuchtigkeit der Trägheit / der bösen Begierd und Anmuthungen / die Wind oder Geschwulst der aufgeblasenen Hoffart / die Dämpff der Ruhmsucht / die Gall des Zorns / die Fieber des Geitzes und der Unlauterkeit / die Verstopffung der Halstärrigkeit / laut der Worten des weisen Manns: Prosperitas stultorum perdet eos Der Narren ihr Glück wird sie umbringen.

Jonathas hat wider den Befehl des Königs Sauls /seines Vatters / einstens nur ein wenig von Honig versucht / und ist deßwegen in Todts-Gefahr gerathen /es hätte ihn schier das Leben gekost: ja wer nur ein wenig / das ist / ein kleine Zeit von dem Honig eines verbottenen Wollusts genießt / der gibt sich in Gefahr das Leben der Seel auf ewig zu verliehren. 27

Es kan aber hingegen auch durch das Honig und den Bienen-Stock zugleich Christus der HErr selber einiger massen verstanden werden: dann gleichwie der Bienen-Stock oder Immen-Korb seine Löcher oder Eingang hat / durch welche die Immen eingehen und sich mit dem Hönig speisen / also gehen die reine und andächtige Seelen durch die Wunden Christi vermittelst der Betrachtung ein / das Honig seiner Weißheit und Heiligkeit zu verkosten / und sich darmit zu nähren: und gleichwie der Immen-König den anderen Immlein pflegt den Weeg oder die Thür in den Bienen-Stock zu weisen / also hat Christus nach der Auferstehung seinen bey einander versammleten Apostlen (die ihne als wie die Immen ihren König umgeben haben) die Löcher seiner HH. Wunden gewisen / und angezeigt / wohin ihre Seelen in aller Gefahr fliehen /und wo sie ihre geistliche Nahrung suchen sollen /nemlich in der Krafft und Süßigkeit der Geheimnussen seiner GOttheit und Menschheit zugleich: dann wie der Immen-Korb Honig und Wachs zugleich in sich haltet / also haltet Christus die Göttlich- und Menschliche Natur in sich. 28

Die wilde Bären seynd den Immen-Körben gar gefähr / sie stellen ihnen nach und zerreissen sie / damit sie das Honig stehlen und fressen mögen. Solche Bären in sittlichem Verstand seynd die grimmige Juden gewesen / welche dem Leib Christi als einem Immen-Korb nachgestellt / und selbigen durch hundertfältige Wunden in seiner Geißlung und Creutzigung gewaltig zerrissen haben: aber nach seiner Auferstehung ist er widerum ergäntzet und nunmehr unzerstöhrlich worden. Dahin hat auch der Heil. Bernardus mit seinen Affecten abgezihlet / als er gesprochen hat: Christus JEsus mein HErr ist ein Honigsaim / weil er ist GOtt und Mensch zugleich. Zu disem Honigsaim hat der Heil. August. seine Seel als ein Immlein beruffen [141] und zu Gast geladen / indem er sie also angeredt: Verkoste / O mein Seel / disen Honigsaim Christum / ersättige dich mit seiner Süßigkeit / wasche dein Haupt und deine Füß / das ist / dein Intention und deine Affect in deinem Honig: dann niemahl wird die Lieblichkeit dises Honigsaims nachlassen /wann du nicht selbst darvon zu essen nachlassest etc.

Daß man aber in dem Immen-Korb neben dem Honig auch das Wachs findet / kommt aus diser Ursachen her / weilen / indem die Immen den süssen Honig-Safft von den Blumen und Kräutern saugen und sammlen / da hangt ihnen auch eine hartzige Materi an / die sich bey den Blumen und Kräuteren befindet / und dise tragen sie samt dem Honig ein / machen ihre Nästlein und Häußlein darvon / brüten ihre Junge darinn aus / und setzen das Honig darein. 29 Dise hartzige Materi aber wird hernach durch vilen Fleiß und Mühe ausgearbeitet / geschmeltzt / geläuteret /geblaicht und endlich zu Kertzen oder anderen Figuren gegossen.

Das Wachs ist gleichsam ein Hef oder ein Faum des Honigs / und ist so ring / daß es in allen Liquoribus oder flüßigen Dingen allzeit oben her bleibt / und niemahl in die Tieffe sencken / oder sich mit anderen Säfften vermischen will: hingegen wann es an die Sonnen oder zu dem Feur kommt / da hat es gar kein Bestand / sondern es zerfliesset und zerrinnet alsobald. 30 Und dißfalls gleichet das Wachs der Hoffart /oder den Hoffärtigen / welche obwohl sie nur ein trübe Hef / oder ein leerer Schaum seynd gegen den Tugendsamen gerechnet / so wollen sie doch immer oben / ja zu oberst daran seyn / und sich niemahl ernidrigen / oder demüthigen: Vir vanus in superbiam erigitur. Job. c. 11. v. 12. ja auch nicht mit ihres gleichen vermischen und vereinigen / sondern sie bleibenseparirt durch ihren stoltzen Muth und Eigensinnigkeit / vor der Sonnen der Göttlichen Gerechtigkeit aber / oder bey dem Feur der Trübsal und Widerwärtigkeit können dise wächsne / ich will sagen / hoffärtige Menschen gar nicht bestehen: sondern sie zerfliessen durch die Ungedult und Weichmüthigkeit / sie werden zernichtet / oder gedemüthiget und zu Boden geschlagen von der allmächtigen Hand GOttes: wie ihnen der Prophet längsten hat vorgesagt sprechend:Sicut fluit cera à facie ignis, sic pereant peccatores à facie Dei. 31 Wie das Wachs zerschmeltzet vor dem Feur / also müssen umkommen die Gottlose vor GOtt. Es ist demnach viel besser für das Wachs /es seye an der Kälte als an der Hitz / und auch den Hoffärtigen ist es nutzlicher / sie seyen in der Kälte der Armuth und Niederträchtigkeit / als in der Wärme des Wohlstands / der Ehren und Reichthumen. Darum hat David gesagt: Imple facies eorum ignominia, & quærent faciem tuam Domine. Mache ihr Angesicht voll Schand / daß sie nach deinem Namen fragen. Ferners das Wachs nimmt allerley Figuren oder Gestalten an sich (nachdem man ihm was eintrucket) bald præsentirt es oder stellet vor einen Engel / bald einen Adler / Löwen etc. und ist doch / und bleibt in der Sach selber nichts anders als ein weiches Wachs.

Eben also ein hoffärtiger Mensch stellt sich und will angesehen seyn / bald für ein Engel / Adler / oder Löwen / das ist / hocherleucht / gelehrt / starckmüthig etc. und ist doch nichts anders als ein armer und armseeliger Mensch.

Hingegen kan auch das Wachs wegen einigen guten Eigenschafften mit der Gnad GOttes verglichen werden: weilen es nemlich die Speiß und Nahrung der brinnenden Wachs-Kertzen ist / welche in der Kirchen zu dem Dienst auf den Altar / oder auch bey vornemmen Herren auf die Tafel gesetzt werden / und welche ohne das Wachs nicht bestehen können / ja gar nichts seynd. 32

Also werden auch die sittliche Kertzen oder Liechter / verstehe die gute Werck und ein exemplarischer Lebens-Wandel durchs Wachs der Gnad GOttes erhalten und ernährt (ohne welche sie gantz und gar nicht bestehen kunten) und gar nicht verdienstlich[142] wären / auf daß sie leuchten in der Kirchen GOttes zu seiner Ehr / und auch zur Auferbauung der Menschen / damit sie unsere Werck sehen / und preisen unseren Vatter / der im Himmel ist / wie Christus im Evangelio sagt. 33 Man pflegt auch mit dem Wachs leinene Tücher zu bestreichen oder zu wixen / und alsdann in solcher gewixter Leinwat die kostbare Kauffmanns-Waaren einzuwicklen / von dem Regen / und aller unsauberkeit zu bewahren / und unversehrt über Land und Wasser zu führen: dann das Wachs lasset kein Nässe eintringen. Eben also wann unser Hertz und unser Gewissen mit dem sittlichen Wachs der Gnad GOttes wohl bestrichen und gewixt ist / da bleiben die köstliche Waaren der Tugend- und Verdiensten unversehrt und unverletzt darinnen verwahret / sie werden nicht benetzt oder verderbt von dem Gewässer der Sünd und Laster / noch von der Feuchigkeit der bösen Begierd- und Anmuthungen / also daß wir dise Waaren sicher über Land und Meer diser Welt führen können / laut Göttlicher Verheissung: Cum pertransieris per aquam, tecum ero, & flumina non operient te. 34 Wann du schon durchs Wasser giengest / so will ich bey dir seyn / und die Flüß werden dich nicht bedecken.

Der 6. Absatz
Der 6. Absatz.
Von dem Zucker.

Sacharum, der Zucker / ist ein süsser fetter Safft oder Marck eines gewissen Rohrs / welches etliche Knotten oder Absätz und grosse stechende Blätter hat / ein oder zwey Daumen Dick ist / und gemeiniglich 7. biß 8. Schuh hoch aufwachset. 35

Wann man aber den Zucker aus disen Röhren sammlen und zubereiten will / da werden sie aus dem Boden gezogen oder abgeschnitten in kleine Stuck /etwan einer Hand breit zerschnitten / und der Safft /so sich darinn befindet / durch ein gewisse Preß heraus getruckt. Dise Preß bestehet in zwey auf einander gehenden Waltzen / die von der Zucker-Mühle stets mit grossem Gewalt umgetriben werden. Die Mühle selbsten aber wird von dem Wasser / Menschen oder Pferd getrieben. Aus dieser Pressen laufft der süsse Safft durch ein Rinnen oder Canal in einen grossen Kessel / in welchem er mit wenig Wasser vermischt wird / und gewisse Stunden lang gesotten / biß daß er schaumt / die wässerige Feuchtigkeiten ausdämpfen und einkochet. Alsdann schüttet man ihn in irrdene Gefäß / welche obenher weit / unten aber eng oder zugespitzt seynd / in welchen er als wie ein Saltz erhartet: und biß dahin bleibt der untere Theil dises irrdenen Geschirrs verstopffet: hernach aber wird es eröffnet / damit der grobe schleimige Safft heraus lauffe /der gute Zucker aber durch dessen Absonderung gereiniget werde. Uber diß wird der obere Theil mit Thon oder gewissem Leim zum öfftern geschmieret /welches den Zucker noch reiner und weisser machen soll.

Dises ist nun die erste Arbeit / so man mit dem Zucker hat: aber es verbleibt noch nicht darbey / sonder damit er vollkommen weiß und rein werde / macht man eine Laug von ungelöschtem Kalch und Wasser /giesset solche mit Eyerweiß auf den Zucker: alsdann siedet und rührt man ihn beständig / biß er den noch überbliebenen Schleim ausschaumet: damit aber die gemelte Laug wider sauber darvon komme / so wird der schon gesottne Zucker durch ein Tuch gesiegen /und wider aufs neu so lang und fleißig gesotten / biß daß die Laug sich gäntzlich verliehrt / und verzehrt ist. Alsdann thut man ihne abermahl in die oben breite und unten enge irrdine Geschirr / bestreicht sie wie zuvor zum öfftern / und also wird er endlich zu seiner Vollkommenheit gebracht.

Nachdem nun der Zucker besser oder schlechter zubereitet ist / oder aus einem Orth herkommt / nachdem wird er auch unterschiedlich benahmset: als der gemeine Koch-Zucker / der Melliß / und Canarien- Zucker etc.

Das Zucker raffiniren / oder die Kunst Zucker zu sieden / ist den Alten nicht bekant gewesen / sondern sie haben [143] mit dem Zucker müssen für lieb nemmen /wie ihn die Natur gebracht hat / und wie er aus den Rohren geschweißt oder getropffnet / und alsdann wider verhartet ist. Auch ist noch zu wissen / daß der ausgepreßte Zucker-Safft kein Tag-lang dauren könne / daß er nicht saur wurde / wann nicht gleich nach dem Auspressen das Kochen oder Sieden folgen thäte: aus dem versäurten Safft aber mag kein Zucker mehr zuwegen gebracht werden / sondern vilmehr / wann man ihn nur ein paar Tag lang aufbehielte / wurde er in einen scharffen Eßig verwandlet werden.

Den Candi-Zucker oder Zucker-Candi insonderheit belangend / wird selber nicht also genennt von der Insul Candia / wie eine vermeint haben / noch à candore von der Weisse: sondern der Crystall-hell und weisse Cand oder Candi-Zucker wird von anderen /aber allerbesten Zucker bereitet: der braune Zucker-Candi aber kommt von dem so genannten Thomas-Zucker / wie sein braun- oder gelblechte Farb anzeiget; massen aus St. Thomas-Insul niemahl ein klarer oder recht weisser Zucker kommt.

Es wachsen aber die obgemelte Zucker-Röhr häuffig in America an unterschiedlichen Orthen: die Portugiesen haben selbige aus den Canarischen Insulen in West-Indien gebracht / und werden gantze Ried darmit angebaut / jährlich abgeschnitten und wiederum neue gepflantzet. Dergleichen Zucker-Ried gibt es auch in China und Ost-Indien / meisten an den Pfülen und Morasten: auch in Guinea / bey Alkayr in Egypten / und bey Tripoli in Syrien / doch mit etwas Unterschied des Gewächs.

Ubrigens ist der Zucker nicht nur zur Delicatez oder einem Schleck / sondern auch zur Gesundheit und Artzney gewidmet. 36 Er ist nutzlich und gesund /wann man ihn mäßig gebraucht: insonderheit ist er für die Augen-Schäden / für die Hitz der Leber und Nieren gut. Weilen aber der Zucker so vielerley Veränderungen austehen muß / so verliehrt er seine natürliche oder erste Krafft und Kühle zimlicher massen: ja er nimmt zum theil ein andere Eigenschafft an / die zwar dem Mund annehmlicher / aber eben nicht so gesund ist / als wie die vorige: dann er wird durch jene scharffe Laug zwar schön / weiß / rein und süß / behält aber gern etwas Schärffe von derselben / die dem Haupt und Ingeweid nicht wohl thut. Demnach ist es besser und zur Gesundheit gedäulicher / daß man zu den Speisen und Artzneyen solchen Zucker brauche /der nicht so off und starck gereiniget worden: dann je gereinigter und süsser und älter er ist / je hitziger und schärffer ist er / und wird desto leichter in Gall verwandlet: hingegen wann er nur ein wenig gereiniget /und noch frischer ist / da hat er noch ein mehrers von seiner natürlichen Krafft / ist dem Magen und der Brust gedeylich etc.

Wann es erlaubt ist die gröste und fürtrefflichste Sachen auch mit klein- und geringen Dingen in etwas zu vergleichen / so sage ich / daß der Zucker wegen seiner Reinigkeit / Weisse / Süsse und und Lieblichkeit einiger massen die himmlische Freuden andeute. 37 Dann dise seynd unbeschreiblich süß / das ist /lieblich und annehmlich: ja sie seynd ein lauterer Zusammen-Fluß / ein überhäuffte Menge aller ersinnlich- und erwünschlichen Güter / Wollust und Freuden / so wohl des Leibs als der Seelen. Status omnium bonorum aggregatione perfectus. Wie die HH. Vätter und Lehrer reden: Ein Stand / in welchem alle wahre Güter vollkommen versammlet seynd: und welche die irrdische Güter / die zeitliche Freuden und Wollust / so weit als der Tag die Nacht / der Diemant das Glas / das Gold ein Bley / die helle Sonn ein schwartze Kohlen / ja so weit als der Hmmiel die Erden übertreffen: dann sie seynd auf alle weiß unermessen groß in der Herrlichkeit / in der Fürtrefflichkeit / in der Zahl oder Menge / und in der Daurhafftigkeit.

Ferners / gleichwie der feine Zucker von allem Schleim / Faum / und allem / was unsauber ist / muß gereiniget und geläuteret seyn / also / ja unvergleichlich [144] mehr seynd die himmlische Freuden / befreyt und gereiniget von allem / was nur im geringsten betrüben / beschweren / oder verdrüßlich fallen mag. Viel ehender wird man ein Mackel und Finstere in der Sonnen / als etwas Widerwertig- oder unangenemmes in den himmlischen Freuden finden. Sie seynd ein Freud ohne Leyd / ein Sicherheit ohne Gefahr / ein Tag ohne Nacht / ein Liecht ohne Schatten / ein Süsse ohne Bitterkeit / ein Vergnügen ohne Mangel / ein Ruhe ohne Abmattung / ein Schönheit ohne Mackel /ein Erkandtnuß ohne Unwissenheit / ein Fried ohne Verstöhrung / ein Leben ohne Todt.

Der materialische Zucker / wann man ihn wohl applicirt / so ist er ein gutes Mittel für schadhaffte Augen / und macht ein gutes Gesicht: auch / und noch viel mehr der sittliche Zucker der himmlischen Freuden / wann man selbe nur in der Hoffnung / und in der Gedächtnuß hat / da seynd sie gut für die Augen / das ist / für den Verstand; dann sie erleuchten denselben /daß er die Eitelkeit und Nichtigkeit der zergänglichen Welt-Freuden und Wollüsten erkennt. Widerum den Zucker brauchet man nicht nur in der Kuchel die Speisen / sondern auch in der Apotheck ein manche bittere Medicin darmit zu versüssen / auf daß esdie Patienten selbige einzunemmen nicht gar zu hart ankomme: und eben also soll man auch den geistlichen Zucker brauchen / das ist / die himmlische Freuden betrachten und hoffen / die Bitterkeit des Creutz und Leydens / der Trübsal und Widerwärtigkeiten dardurch zu versüssen / damit sie dem Betrangten nicht gar zu sauer und bitter seyen.

Also hat es unter anderen der Heil. Ertz-Martyrer Stephanus gemacht; dann als er in seiner Marter und Versteinigung das Hertz und die Augen gen Himmel erhebt / und die himmlische Glory betrachtet hat / da seynd ihme die bittere Pillulein / die er einnehmen müssen / verstehe die tödtliche Steinwürff / wie die Cathoiische Kirch von ihm bezeuget / gantz süß und lieblich vorkommen. Lapides torrentis illi dulces fuerunt etc. Aber gleichwie es viel Zeit und Fleiß braucht / biß man den Zucker schön und gut / weiß und rein machet / also kost es auch viel Mühe und Arbeit / biß man die himmlische Freuden erwirbet; dann wie der gedultige Job gesprochen / und auch selbst erfahren hat: Militia est vita hominis super terram: 38 Das menschliche Leben ist ein immerwährender Streit auf der Erden: Streiten und kämpfen muß man wider die unsichtbarliche Feind der Seelen /wider das Fleisch / die Welt / und den Teuffel / wider die eigne Lieb / wider die Begierd und Anmuthungen. Der Heil. Apostel Paulus aber sagt: Non coronabitur, nisi qui legitimè certaverit. 39 Niemand wird gecrönt mit dem Sieg-Kräntzlein der ewigen Glory / der nicht zuvor ritterlich gestritten und obgesiget hat.

Der 7. Absatz
Der 7. Absatz.
Von dem Saltz.

Die mehriste Speisen seynd ungeschmack / wann sie nicht gesaltzen seynd: Daß nicht etwann auch dieser I. Theil des gegenwärtigen Buchs dem geneigten Leser ungeschmack vorkomme / so will ich ihn mit dem Saltz beschliessen. 40 Dann das Saltz ist der fürnemsten und nothwendigsten Erd-Säfften einer: Es ist einCondimentum oder Gewürtz / ohne welches die cörperliche Ding nicht bestehen können: ja der gantze Erdboden (obwohl nicht also sichtbar- und empfindlich) ist mit Saltz durchmenget.

Es gibt aber unterschiedliche Art- und Gattungen des Saltz: wie Hübner in seinem Natur- und Kunst-Lexico anmercket. Als erstens ein reines oder aus der Erden gegrabenes. 2tens / das so aus den Brunnen /Pfützen und gewissen anderen Wässeren durch die Sonnen gekocht wird. 3tens / das so aus den Saltz-Quellen kommt / und durch die Hitz des Feurs ausgekocht worden. 4tens / das Spring-Brunnen Saltz kommt herfür aus warmen Brunnen / aus Salpeterischen [145] und Schweflichten Adern der Erden / und selbes wird gleich dem See- oder Pfützen-Saltz durch Krafft der Sonnen rein und ausgekocht. Ferners das Stein-oder Berg-Saltz wird aus den Bergen wie grosse Stein gegraben / ist hell und durchsichtig. Das Meer-Saltz aber wachst zusammen / wann das Meer ungestümm und starck schaumend ist / alsdann wirfft es das Saltz an das Ufer aus. In dem Spanischen Königreich Valentia seynd in den Felsen lange Canäl ausgehauen /durch welche das aus dem Meer auslauffende Wasser in die grosse Saltz-Pfannen geleitet wird etc. In der Insul Ormus sollen fast alle Wasser-Flüß und Schöpff-Brunnen häuffiges Saltz führen / also daß die Innwohner durch Führung des Saltz-Handels sich reichlich ernähren können: In China aber gibt es gantze Berg von klarem lauteren Saltz. In unterschiedlichen Sinnischen Landschafften befinden sich häuffige und reichliche Saltzberg / Pfützen und Brunnen. In Europa / bevorab in Polen / seynd grosse Saltz-Gruben anzutreffen. Hingegen an gewissen Orten in Indien ist das Saltz so rahr / daß wenig Saltz mit vielem Gold oder andern Kostbarkeiten bezahlet wird. In unserem Teutschland seynd die Saltz-Siedereyen / die sich in unterschiedlichen Provintzien befinden / wohl bekannt.

Die Eigenschafften des Saltz seynd die Weisse /und Durchsichtigkeit / die Leichte / die Trückne / und die Reinigkeit. In den Officinen und Apothecken ist die Præparation und der Gebrauch des Saltz vielfältig und unterschiedlich.

Ubrigens bestehet der gemeine Brauch des Saltz in dem / daß man die Speisen darmit gewürtzet / das Fleisch und die Fisch etc. darmit einsaltzet / und von der Verfaulung erhaltet / auch dem Vieh unter das Futter mischet / damit es ihm besser gedäue / und es faister mache.

Das Saltz kan erstlich wegen seiner Würckung zum Theil mit der Gnad GOttes und zum Theil auch mit der Buß verglichen werden. 41 Dann gleichwie die beste Speisen ohne Saltz ungeschmack seynd / also seynd die menschliche Werck / wann sie schon gut und löblich scheinen / ausser dem Stand der Gnaden gantz ungeschmack / das ist / GOtt gar nicht gefällig und angenehm. Hingegen wie das Saltz kein faules Fleisch wachsen laßt / und das Faule wegfrist und verzehrt / also laßt die Buß kein Faulung der Trägheit und des Müßiggangs zu: ja sie verzehrt alle böse und verfaulte humores oder Feuchtigkeiten der fleischlichen Gelüsten und Sinnlichkeiten etc. Das Saltz /wann es zubereitet und gekocht wird / hat die Krafft aufzulösen / zu reinigen / die Geschwulsten und Aufblehungen der Wassersucht zu zertheilen und niederzulegen. Auch die Gnad GOttes und die Tugend der Buß / welche die Gnad von GOtt erwerben thut / löset auf die verstockte Hertzen / und den versperrten Mund thut sie auf / ja auch die Augen löset sie auf /und macht selbe zerfliessen in wehemüthige Buß- Zäher: sie reiniget das Gewissen / oder die Seel von Sünden / und legt nieder den aufgeblasenen Hoch-und Ubermuth etc.

Aber fürnemlich ist ein schon alte / und in Heil. Schrifft selbsten gegründte Gleichnuß des Saltzes mit der Weißheit / und weisen Männeren / massen Christus in dem Evangelio Matth. c. 5. v. 13. zu seinen Apostlen (als er sie zu Lehrer der Völcker bestellt /und ausgesandt) gesprochen hat: Vos estis sal terræ: Ihr seyd das Saltz der Erden. 42 Dann gleichwie das Saltz die Leiber von der Verfaulung erhaltet und bewahret / die Speisen aber gewürtzet und wohlgeschmack machet / ohne welches sie ungeschmack seynd / also thut die wahre Christliche Weißheit die Seelen von der Verfäulung oder Verderbungē der Sünden und Irrthumen erhalten und bewahren: unsere Werck aber / unser Thun und Lassen macht sie wie das Saltz die Speisen GOtt und den Menschen wohlschmeckend und angenehm: was aber ohne dises Saltz ist / oder ohnweißlich geschicht / das ist alles un-oder abgeschmackt. [146] Wie der gedultige Job angemercket hat / da er gesprochen: Nunquid poterit comedi insulsum, aut quod non est sale conditum etc. 43 Kan man auch essen was ungesaltzen ist? oder wird jemand versuchen / was ihm den Todt bringt. Deßwegen hat der Apostel seine Colossenser ermahnt / und geschriben: In sapientia ambulate, 44 Wandlet weißlich. Sermo vester sit semper in gratia sale conditus. Euer Red sey allzeit lieblich mit Saltz gewürtzet / daß ihr wisset / wie ihr einem jeden antworten sollet. Und widerum der Evangelist: Bonum est sal, habete in vobis sal & pacem habete inter vos: 45 Das Saltz ist gut: habt Saltz in euch / und habt Frieden unter einander.

Das Saltz der Weißheit hat der Salomon gar wohl über Gold und Silber zu æstimiren gewust / und deßwegen GOtt vor allem um selbiges gebetten: welches auch GOtt so wohl gefallen / daß er ihme alsobald seinen Wunsch und Willen erfüllet hat / und zum allerweisisten unter allen Königen / die jemahl auf Erden gewesen seynd / gemacht hat. Wie zu lesen ist im 3. Buch der Königen am 3. Cap.

Das gute Saltz ist weiß / rein und klar / leicht und trucken. Auch ein weiser Mann und geistlicher Lehrer soll in sittlichem Verstand dise Eigenschafften haben. Er soll weiß und rein seyn / wegen Reinigkeit des Lebens oder unsträfflicher Sitten / und klar oder glantzend durch einen scheinbaren Tugend-Wandel: leicht aber wegen Erhebung seines Gemüths und seiner Begierden in die Höhe zu GOtt und himmlischen Dingen: trucken endlich oder abgesönderet von Feuchtigkeit überflußiger Gemächlichkeiten und zeitlicher Wollüsten etc.

Ein gewisser Saltz-Berg solle in dem Meer gelegen seyn / welcher voller Saltz von unterschiedlichen Farben ist / und deßwegen / wann die Sonn darein scheint / glantzet er von fern / als wann er mit lauter Edelgestein versetzt wäre. Ein solcher glantzender Saltzberg ist ein recht weiser und tugendlicher Mann /der in dem Meer diser Welt sich erhebet / und vor den Schiffenden / mit dem Glantz unterschiedlicher Tugenden schimmeret / wann ihn die Göttliche Gnaden-Sonn anscheinet.

Das materialische Saltz kommt mehrentheils ursprünglich und häuffig aus dem bittern und fauren Meer-Wasser her / welches sich ergiessend viel Saltz auswürfft / oder durch unterschiedliche Gäng in den Bergen sich verschliefft / und durch die Krafft der Sonnen zu Saltz gekochet wird: aus dem süssen Wasser der gemeinen Flüß und Brunnen aber wird kein Saltz gezogen. 46 Eben also wird auch das sittliche Saltz / verstehe die Weißheit aus dem sauren und bitteren Wasser gezogen / das ist / aus der Mühe und Arbeit / aus der Trübsal und Widerwärtigkeit (vexatio dat intellectum, die Plag eröffnet den Verstand) sie wird in der Tieffe der Demuth / durch die Krafft der Göttlichen Gnaden-Sonnen ausgekocht: nicht aber aus dem süssen Wasser der Kommlichkeit / des Müßiggangs und der Wollusten. Dann laut jenes Sprüchleins


Non jacet in molli veneranda scientia lecto.
Mit Schlaffen und mit Müßiggehen
Bey den Weisen wirst nicht b'stehen.

Ja was sag ich von dem Poeten? der Hußitische Fürst / der gedultige Job / der die Weißheit über das Gold / Edelgestein und alle Kostbarkeiten erhöht und erhebt / sagt austrucklich: Sapientia non invenitur in terrâ suaviter viventium: sie werde nicht gefunden bey denen / die dem Wollust ergeben seynd. 47 Sie hat die Natur der Rosen / welche nicht anderst als unter den Dörnern aufwachsen.

Das natürliche Saltz ist häuffig hin und wider in der Welt zu finden / und zimlich wolfail. Aber das sittliche Saltz der Weißheit ist gar rahr und theur zu bezahlen / doch ist es alles werth. Wie es wohl erfahren hat ein gewisser König / der in seiner Residentz-Stadt auf einem Volckreichen Marckt spatziret / und die unterschiedliche [147] Waaren der Kauffleuten besichtigte. 48 Unter anderen Kauffleuten kam er auch zu einem Philosopho, der auch einen Kauffmann agirte /und doch in seinem gantzen Kram-Laden nichts als etlich geschriebene Zettlein hatte / und sich darbey rühmte: er habe die wahre Weißheit fail / und anerbotte sie dem König um ein gewisse grosse Summa Geld zu kauffen zu geben. Der König entschlosse sich und sagte ja / er woll ihm die Weißheit abkauffen / er ließ ihme auch die verlangte Geld-Summ gleich paar bezahlen / mit Vermelden: Er soll ihm nun jetzund die erkauffte und bezahlte Weißheit getreulich auslieffern. Hierauf übergabe der Philosophus dem König einen Zettel oder Täffelein / worauf die folgende Wort geschriben und verzeichnet waren:


Quidquid agis, prudenter agas, & respice finem.
Alles was du thust / thu wohlbedacht /
Und fleißig das End betracht.

Wohl kurtz und gut. Der König war darmit zu frieden / er ließ ihm dise Lehr gesagt seyn / und so wohl gefallen / daß er befahl dise Wort / oder aufs wenigst die Anfangs-Buchstaben derselben hin und wider in seinem Pallast an den Wänden / und an den Thüren /auf den Taflen und Seßlen / Schüßlen und Tellern /auf den Trinck-Geschirren und anderen Mobilien zu verzeichnen / damit sie ihm und anderen niemahl aus den Augen und aus der Gedächtnuß kommen möchten / sondern allzeit ein Regul oder Richtschnur alles Thun und Lassens seyn möchten. Nun begab es sich einstens / daß sein Leibbarbirer (etwan von seinen Feinden mit Geld bestochen und angestifft) ihm fürgenommen hat / daß er den König bey dem Balbiren /wann er gantz alleinig wurde seyn / mit dem Scheermesser die Gurgel abschneiden / und sich eilends mit der Flucht darvon machen wolle. Aber als er würcklich dises gottlose Vorhaben vollziehen wolte / da ersiehet er gehlingen auf den Ecken des leinen Tuchs /das er dem König beym Barbiren nach Gewohnheit um den Hals gelegt hat / die initial, oder Anfangs-Buchstaben der obgemelten Worten: Quidquid agis etc. verzeichnet:


Alles was du thust / thue wohlbedacht /
Und fleißig das End betracht.

Auf welchen Anblick der Barbirer in sich selber gangen ist / und gedenckt hat: O was thue ich / was wird die Sach für ein End und Ausgang nemmen / was für eine erschröckliche Verantwortung wird ich haben? was für ein grausame Straff zu gewarten; hierauf hat es ihm gegrauset / er ist also erschrocken / daß er erblaichet und an dem gantzen Leib erzitteret / und das Scheermesser aus der Hand hat fallen lassen. Der König verwunderte sich und fragte den Barbirer / was das bedeute / was ihm geschehen sey? Er wolte von Anfang mit der Sprach nicht heraus / als aber der König nicht nachliesse / da fiel er nieder auf seine Knye / und bekennte es aufrichtig / daß er ihne zu ermorden gedacht habe / aber auf Anblick u. Erinnerung der obgemelten Worten wider in sich gangen / und ab solcher That ein so grosses Abscheuen gefast / und darüber erschrocken seye. Da erkennte der König erst recht / wiewohl ihm jener Philosophus gerathen / und was für einen guten Kauff er gethan habe / in Erkauffung der Weißheit / die ihn beym Leben erhalten hat.

Zu wünschen wäre es / daß wir auch diese Wort: Alles / was du thust / thue wohlbedacht etc. unseren Gedancken fleißig eintrucketen / ja tieff in unsere Hertzen einschreiben thäten / absonderlich zur Zeit der Versuchung / wann wir das Messer des bösen Willens schon in der Hand haben / und uns selbsten /unser armen Seel / durch Begehung einer schwehren Sünd / einen tödtlichen Stich oder Wunden zu versetzen in Bereitschafft stehen: zu wünschen wäre es /sage ich / daß wir uns selbst zuredeten und sprächen: Das End der Sach fein wohl betracht / nemlich die Grösse der Beleidigung GOttes / die Schwere der ewigen Straff etc. da wurden wir gewißlich alsobald in uns selber gehen / und das Messer hinwegwerffen /ich will sagen / den bösen Willen zu sündigen ablegen / und in all unserem Thun und Lassen mit mehrerer [148] Behutsamkeit und Weißheit darein gehen. 49 Dann der Weißheit ist eigenthumlich des Vergangenen sich erinneren / das Gegenwärtige wohl bedencken / und das Zukünfftige klüglich vorsehen: was schädlich ist fliehen / nutzliche Mittel ergreiffen / wider die Gefahren sich bewahren: das kleinere Ubel erwählen / dem grösseren Gewalt nachgeben / und aus der Noth ein Tugend machen.

Es hat GOtt in dem alten Testament gebotten / daß alles Speiß-Opffer solle mit Saltz besprengt / und nichts ohne Saltz geopfferet werden. Eben so wenig ist GOtt in dem Neuen Testament ein Opffer / Gebett / Buß oder Tugenwerck gefällig und angenehm / wann es nicht mit dem Saltz der Weißheit und Bescheidenheit gewürtzet / oder besprenget ist. Endlichen gleichwie das Saltz so gut / nutzlich und geschmack es immer ist / doch mäßig und mit Behutsamkeit muß gebraucht werden (dann sonsten ist es schädlich und ungesund / es versäurt die Speisen / und zerbeisset den Magen) also muß auch die Weißheit selber mäßig und in Schrancken gehalten / oder nicht gar zu hoch gespannet seyn: Es heist da / sapere, sed sapere cum sobrietate; dann gar zu gescheid / oder zu witzig seyn wollen / thut niemahl gut. Auch in disem Stuck / in dem Gebrauch der Weißheit hat jene allgemeine Regul Statt und Platz: nemlichen


Omne quod est nimium, vertitur in vitium.
Was zu viel ist und unmäßig /
Schädlich ist und unzuläßig.
[149]
Fußnoten

1 Wunderliche Natur und Krafft deß Magnets.

2 Christus der HErr wird mit einem Magnet verglichen.

Osee. c. 11. v. 4.

3 Joan. c. 12. v. 32.

4 Die Welt wird mit dem Magnet verglichen.

5 Wie der Agtstein beschaffen seye.

6 Der Agtstein bedeutet einen Geitzigen.

7 Ob der Crystall gefrornes Eiß seye.

8 Reines Gewissen mit dem Crystall verglichen.

9 Crystall-reine Hertz- und Seelen.

10 Wie die Corallen wachsen und beschaffen seyn.

11 Das Heil. Creutz ist gleich einem Corallen-Bäumlein.

12 Marmor ist ein schön hart- und daurhaffter Baustein und vilfältig.

13 Porphyr ein Gattung des Marmors.

14 1. Cor. c. 12.

15 Des Salpeters vielfältiger Gebrauch und Beschaffenheit.

16 Der Salpeter bedeutet die Buß.

Luc. c. 13. v. 5.

17 Was und wie der Schwefel beschaffen seye.

18 Geilheit und Hoffart durch den Schwefel beditten.

19 Apoc. c. 21. v. 8.

20 Pech und Hartz bedeutet die Einigkeit.

21 1. Reg. c. 18.

22 Wie das Honig beschaffen sey / und woher es komme.

23 Prov. c. 25. 27. & 16.

24 Die zettliche Freuden und Wollüst werden mit dem Honig verglichen.

25 Prov. c. 14. v. 13.

26 Job. c. 20. v. 13.

27 1. Reg. c. 14.

28 Christus mit dem Honig und Imen-Stock verglichen.

29 Das Wachs ist dem Honig beygesellt.

30 Die Hoffart mit dem Wachs verglichen.

31 Psal. 67. v. 2

Psal. 82. v. 17.

32 Das Wachs wird mit der Gnad GOttes verglichen.

33 Matth. c. 5. v. 16.

34 Isaiæ c. 43. v. 2.

35 Wie und wo der Zucker wachse / und wie er zubereitet wird.

36 Zucker wird auch Medicin-weiß gebraucht.

37 Die Lieblichkeit / Süsse / und Reinigkeit des Zuckers deutet die himmlische Freuden an.

38 Job. c. 7. v. 1.

39 2. Tim. c. 2.

40 Was / und wie vielerley das Saltz seye / und woher es komme.

41 Die Gnad und die Buß mit dem Saltz verglichen.

42 Das Saltz bedeutet die Weißheit und weise Männer.

43 Job. c. 6. v. 6.

44 Coloss. c. 4. v. 6.

45 Marc. c. 9. v. 49.

46 Das sittliche Saltz der Weißheit ist rahr und kostbar.

47 Job. c. 28. v. 13.

48 Historia.

49 Wie das Saltz der Weißheit zu gebrauchen seye.

Der II. Theil

I. Von dem Menschen und dem Menschlichen Leben, von der Seel, und dem Leib des Menschen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von dem Menschen und dem Leben des Menschens.

Von dem Macrocosmo schreite ich zu den Microcosmum, von der grossen Welt (dero fürnehmste Theil ich bißhero beschrieben und erklärt hab) zu der kleinen Welt / das ist / dem Menschen / den ich jetzund gleichsam zu anatomiren oder zu zergliederen anfange. Es wird aber der Mensch von denen Gelehrten darumen Microcosmus, das ist / ein kleine Welt betitlet / weilen er gleichsam ein Compendium / oder kurtzer Begriff der gantzen Welt und aller Creaturen ist; inmassen er / wie der Heil. Gregorius anmercket / mit allen Geschöpffen etwas gemeinschafftliches hat:Esse cum lapidibus, sagt diser Heil. Vatter / vivere cum plantis, sentire cum brutis, intelligere cum Angelis. 1 Mit den Steinen und anderen leblosen Dingen hat er das Wesen / oder die Wesenheit gemein / mit den Kräutern und Pflantzen aber das Wachsen / mit denen unvernünfftigen Thieren die Empfindlichkeit /und den Verstand mit denen Englen.

Der Mensch ist zum Theil ein sehr edel und fürtreffliche / zum Theil aber ein elende und armseelige Creatur: Edel und fürtrefflich ist er wegen der herrlichen Gaben und Eigenschafften der unsterblichen Seel: Elend und armseelig aber wegen Schwachheit-und Gepresten des sterblichen Leibs. 2 Der weltweisePlato vermeinte es wohlgetroffen zu haben / da er gesagt hat / der Mensch seye Animal implume bipes, ein zweyfüßiges Thier ohne Federn: aber ein anderer Philosophus hat ihne gleich corrigirt und beschimpff (also ist das Fehlen menschlich und [150] allgemein) indem er einen Goggel-Hanen genommen hat / denselben sauber abgerupfft / vorgewiesen und gesprochen:Ecce homo Platonicus, sihe ein Platonischer Mensch. Besser hat ihne Aristoteles definirt / daß er seye Animal rationale, ein vernünfftiges Thier / welches Prædicat allen und jeden Menschen allein eigenthumlich ist.

Sonsten werden dem Menschen von unterschiedlichen viel herrliche Lob-Sprüch gegeben. 3 Die alte Egyptische Priester haben ihn animal admirabile & adorandum, das ist / ein wunderbarliches und anbettens-würdiges Thier genennet. Vast eben also Mercurius Trismegistus nennet ihn ein grosses Wunderwerck / einen Dollmetscher der Götter / und ein Thier / welches allerdings GOtt ähnlich und gleichförmig ist. Pytagoras heißt den Menschen mensuram rerum omnium: Ein Maas aller Dingen. Theophrastes ein Exemplar und Spiegel der gantzen Welt. Cicero aber der Römische Redner sagt / der Mensch seye ein göttliches mit Verstand und Rath erfülltes Thier. Plinius endlich nennet ihn Epitomen, ein kurtzen Begriff der Welt / ein Lust und Freud der Natur. Insgemein aber /wie schon gemeldt / wird er Microcosmus, oder die kleine Welt benahmset; dann er begreifft mit seinem Leib die Krafft aller Leiber / und mit seiner Seel die Krafft aller lebendigen Dingen in sich.

Als jener barbarische Abdalas befragt wurde / was das Allerwunderbarlichste in der gantzen Welt seye? gab er zur Antwort: Homo unus est, qui omnem admirationem superat: der Mensch allein übertrifft alle Verwunderung. Gleichfalls hielte Favorinus darfür /daß auf der Erden nichts rechts Grosses seye / als eben der Mensch. Unsere Theologi aber nennen den Menschen Augustum Templum & simulachrum Dei. Einen herrlichen Tempel und Bildnuß GOttes: auch ein End aller erschaffenen Dingen / deme alles dienet / was auf der Welt ist. Billich derowegen hat David in Betrachtung der Menschlichen Hoch- und Fürtrefflichkeit Wundervoll zu GOtt aufgeschryen: Minuisti eum paulò minus ab Angelis, gloria & honore coronasti eum etc. 4 Du hast ihne / den Menschen / ein wenig geringer gemacht / dann die Engel / mit Ehren und Geschmuck hast du ihn gekrönet /und hast ihne gesetzt über die Werck deiner Händen: alles hast du ihme unterworffen.

Dises seynd ja freylich groß- und herrliche Lobsprüch: aber alles thut weit übertreffen / was GOtt selbsten gleich in seiner Erschaffung gesprochen hat:Faciamus hominem ad imaginem & similitudinem nostram etc. 5 Wir wollen den Menschen machen nach unserer Bildnus und Gleichnus / der da herrsche über die Fisch im Meer / und über die Vögel unter dem Himmel / über das Vieh / und über die gantze Erd / und über alles / was auf der Erden kriechet. Dann zu wissen ist / daß alle uvernünfftige Thier dem Menschen gehorsam und unterthänig gewesen wären / wann er auch selbsten GOtt gehorsam verblieben / und nicht gesündiget hätte.

Aber leider! homo, cum in honore esset, non intellexit etc. 6 als der Mensch in solchen Ehren / und Ansehen ware / hat ers nicht erkennt und nicht betrachtet / er ist dem unvernünfftigen Vieh gleich worden / und hat viehisch gelebt. Eben dieses ist die Ursach / daß obwohlen er einerseits so edel und fürtrefflich ist /dannoch anderter Seits / nemlich wegen dem sterblich- und müheseeligen Leben auch so elend und Armseelig ist. 7

Die Armseeligkeit des menschlichen Lebens hat gar wohl erkennt / und mit lebhafften Farben entworffen / der gedultige Job / wann er gesagt: homo natus de muliere brevi vivens tempore repletur multis miseriis etc. 8 Der Mensch gebohren von dem Weib /lebt ein kurtze Zeit / und wird erfüllt mit vielen Betrübnussen / oder Trangsalen. Er gehet auf wie ein Blum / und fallt ab / und fleicht dahin wie ein Schatten / er bleibt nimmer in seinem Stand. Und widerum sagt er: Das menschliche Leben ist ein immerwährender [151] Streit auf dieser Erden / seine Täg seynd mühesam / als wie eines Taglöhners.

Ja auch die heydnische Weltweise haben diese Wahrheit wohl erkennt: Aristoteles als er befragt wurde / was der Mensch seye? gab er zur Antwort: Ein Beyspiel der Schwachheit / ein Raub der Zeit / ein Gespött des Glücks / ein Abbildung der Unbeständigkeit / und ein Gegensatz des Neids und der Müheseeligkeit. Democritus, als er befragt wurde / was er von dem Zustand des Menschen halte / hat geantwortet: Er seye armseelig / dann das Gute / das er suche / finde er schwerlich und mit grosser Mühe: das Böse aber komme für sich selber ohngesucht / ja auch wann mans fliehen thue. Solon als man ihn fragte / was der Mensch seye? sagte er / der Mensch ist ein Unflath in seiner Geburt / ein Vieh in seinem Leben / und ein Speiß der Würmen in seinem Tod. Silenus, als er vonMida gefangen war / gab auf die Frag / was dem Menschen am besten seye / die Antwort: nie gebohren werden / oder doch bald widerum sterben.

Ja nicht nur ein Heydnischer Silenus sonder der weise Ecclesiastes sagt selber austrucklich: Melior est dies mortis, die nativitatis, 9 der Tag des Tods ist besser / als der Tag der Geburt: weilen nehmlich die Geburt des Menschen ein Anfang und Eingang ist zu tausenderley Mühe / Elend und Gefahren /da hingegen ein seeliger Tod disem allem ein End macht. 10 Deßwegen pflegten vor Zeiten die Thraces /Causianer und andere Völcker mehr ihrer Kinder Geburts-Täg mit weinen und trauren / hingegen dero Absterben mit Lust und Freuden zu begehen. Ja also ist es / das menschliche Leben / welches in Vereinigung des Leibs und der Seelen bestehet / und durch die Influenz des Himmels-Gestirns / durch Speiß und Tranck / Kleyder und Wohnung muß erhalten werden / dises / sage ich / ist in seinem Anfang und Eingang in diese Welt gar armseelig / schändlich und verächtlich / kein Thier wird so unflätig gebohren als eben der Mensch / der mit Unreinigkeit besudlet von Mutterleib ausgehet / gantz nackend und bloß / aller schwach und krafftloß / er kan ihme selber im geringsten nicht helffen / weder essen noch trincken / weder gehen noch stehen / weder deuten noch reden / alle Nothdurfft muß er von fremder Hülff empfangen /sonst muß er alsobald wiederum sterben und verderben.

Was dann weiters den Fortgang des menschlichen Lebens betrifft / so ist es nicht genugsam zu beschreiben / wohl aber mehr als genug von der täglichen Erfahrnus bekannt / mit was Mühe / Kosten und Sorg ein Kind müsse auferzogen und erhalten werden / wie schwer und langsam es hergehe / biß man die nothwendige Künsten oder Wissenschafften erlerne / und was man ferners die gantze Lebens-Zeit für unzahlbare Müheseeligkeiten / Gefahren und Beschwerden des Leibs und der Seelen müsse ausstehen. Tædet animam meam vitæ meæ, 11 hat der so sonst gedultige Job gesprochen. Mein Seel verdrießt mein Leben. Ja schon viel hat es wegen grossem Elend und Armseeligkeiten also zu leben verdrossen / daß sie den Tod nicht haben erwarten mögen / sonder lieber ihnen selbst gewaltthätiger Weiß das Leben benommen. Als Brutus vernommen / was gestalten sein guter FreundCassius ihme selbsten den Tod angethan habe / da schrye er auf (zwar gut heydnisch) O wie glückseelig bist du Cassi, weil du dich erlöset hast aus denen Mühe und Sorgen / mit welchen wir noch Lebende verwicklet seynd.

Ja so gar haben einige in Zweifel gezogen / ob man nicht das Leben einen Tod / und den Tod hingegen das Leben nennen sollte. 12 Quis novit, si vivere est mori & mori vivere pflegte Euripides zu sagen. Deßgleichen zweifelte der weise Seneca, ob das gegenwärtige Leben in der Wahrheit ein Leben zu nennen seye / und darum sagte er von einem alten Mann / der gestorben ist: nicht / er hat lang gelebt / sonder nur /er ist lang gewesen. Auch der fromme Patriarch Jacob / als er von dem König Pharaone gefraget [152] wurde / wie alt er seye / gabe er zur Antwort: dies peregrinationis meæ centum triginta annorum sunt, parvi & mali. Die Zeit meiner Wall- oder Pilger-Fahrt (nicht meines Lebens) seynd hundert und dreyßig Jahr /wenig und böß ist die Zeit meiner Wallfahrt. Ja der Heil. Apostel Paulus nennet das zeitliche Leben austrucklich einen Tod / indem er sagt: Quis me liberabit à corpore mortis hujus? Wer wird mich erlösen von dem Leib dises Tods. Xenocrates ware der Meynung / daß GOtt diejenige / denen er ein grosse Gnad erweisen will / bald von der Welt hinweg und zu sich nemme: und also seye es ergangen (sagte die alte Heydenschafft) dem Trophimo und Aganidi denen zweyen Gebrüderen; dann als sie den herrlichen Bau des Tempels des Apollinis Delphici vollendet hatten / und derowegen den Apollinem gebetten / er solle ihnen zur Vergeltung das allerbeste / was auf der Welt seye / zukommen lassen / da habe er ihnen geantwortet / ja es soll geschehen / innerhalb 7. Tagen sollen sie ihrer Bitt gewähren / darauf aber seyen sie den siebenden Tag morgens frühe beyde tod im Beth gefunden worden / und also seye nach dem Urtheil des Gott Apollinis selbst diser frühzeitige Tod das Beste gewesen.

Als der Weltweise Socrates sahe / daß er sterben muste / sagte er zu seinen umstehenden Lehr-Jüngern / die Stund meines Tods ist nunmehr vorhanden / ich sterb dahin / und ihr bleibet noch beym Leben: aber wem es besser gehe / mir daß ich sterbe / oder euch daß ihr lebet / das weiß ich nicht / GOtt allein ist es bekandt. O wohl ein armseeliges Leben / von deme man zweiflen kan / ob es besser oder so gut seye als der Tod! aber weil dieses zeitliche Leben der Weeg ist / auf welchem wir in das Himmlische Vatterland wanderen sollen / so hat GOTT gar weißlich verordnet / daß es mit mancherley Mühe und Bitterkeit erfüllt seyn solle / auf daß wir uns nicht zu starck darein verlieben / und das Exilium für das Vatterland erwählen.

Eben der Ursachen hat GOtt gewollt / daß das menschliche Leben so kürtzlich daure und so schnell dahin lauffe. 13 Von diesem sagt der weise Seneca: Respice celeritatem rapidissimi temporis, per quod citissimè currimus. Nimm wahr die Geschwindigkeit der schnellisten Zeit / die wir aufs geschwindeste durchlauffen. Der Husitische Fürst aber der Job vergleicht das menschliche Leben denen Schiffen / welche das Obst führen: Transierunt sicut naves portantes poma etc. 14 Meine Täg / sagt er / das ist / mein Leben seynd schneller gewesen dann ein Lauffer /sie seynd dahin geflohen / und haben nichts guts gesehen / sie seynd vergangen wie die Schiff / die Guth oder Früchten zu verkauffen / tragen. Dann gleichwie solche Schiff sich gar nicht saumen oder aufhalten / damit das Obst nicht faule / oder die Waaren nicht verderben / sonder immer mit vollem Seegel forteylen / also eylet das menschliche Leben in schnellem Lauff immerdar fort / biß es an das Gestad der Ewigkeit gelanget.

Dieses haben vor Zeiten die Griechen wohl verstanden / indem sie im Brauch hatten / daß / wann ein Kayser bey ihnen gekrönt wurde / da trate unter der würcklichen Crönung ein Maurer mit etlichen Steinen für ihne / und sprach: Elige ex his saxis Augustissime Cæsar, quo tibi tumulum me fabricare velis. Erwähle O großmächtigster Kayser! von disen Steinen / aus welchem ich dir das Grab bauen solle. Das ist wahrhafftig ein seltsames / aber sehr nachdenckliches Compliment gewesen / welches einem den Lust zum Kayserthum zimlich benemmen möchte.

Vast eben dergleichen / wie ich erzehlen höre / geschicht noch jetziger Zeit bey der Krönung eines Römischen Pabst / da man unter anderen Ceremonien ihme eine Hand voll Hanff oder Flachs neben einer brinnenden Fackel vorhält / selben anzündt / und in einem Augenblick in der Flammen aufgehen laßt /darbey aber mit lauter Stimm spricht: En beatissime Pater! sic transit gloria mundi. Sihe Heil. [153] Vatter! also verschwindt und vergeht so geschwind der Pracht und die Herrlichkeit der Welt.

Gleichwie ein Galee oder grosses Kriegs-Schiff auf dem Meer pflegt gewaltig zu rauschen / die Wasser zu bewegen / und von einander zu schneiden / aber die Fußstapffen oder Mahlzeichen verschwinden wiederum in einem Augenblick / das Wasser wird wiederum ruhig und gehet zusammen als wie zuvor: also ein mancher König und Potentat thut zur Zeit seines Lebens das grosse Welt-Meer mit seinem Gewalt und Ansehen durchstreiffen / er macht ein grosses Geräusch / eine grosse Bewegnuß / alles muß ihme ausweichen / niemand darff sich seinem Gewalt widersetzen: wie die Heil. Schrifft selber von dem grossenAlexandro bezeuget. Siluit terra in conspectu ejus. Die Erden oder das Land / wo er durchzoge / seye gleichsam vor ihme verdatteret und erstaunet. Aber gehlingen und in Kürtze / wann der unversehene Tod einen solchen Potentaten hinraffet / ist alles wiederum aus / also daß kein Fußstapffen / kein Anzeigen von der vorigen Macht und Herrlichkeit mehr übrig ist. 15 Welches alles ja billich den Menschen bewegen soll /daß er sein Hertz und Gemüth an das Zeitliche und Zergängliche nicht anheffte.

So kurtz nun das menschliche Leben dauret / so unbeständig und veränderlich ist es auch in der kurtzen Zeit / da es dauret. 16 Nichts veränderlichers ist als die zeitliche Wohlfahrt / nichts beweglichers und unbeständigers als das Glücks-Rad / welches schier alle Augenblick sich umwendet / also daß gar bald zu underst ligt / was kurtz zuvor zu oberst stunde / wie es viel tausend mit ihrem grösten Leidwesen erfahren haben / indem sie urplötzlich von dem Gipffel der Reichthum und Ehren in die Tieffe der Armuth und Verachtung seynd gestürtzt worden: da hingegen auch nicht wenig andere eben so geschwind von der Tieffe ihres verächtlichen Stands zu grossen Würden und Ansehen gelanget seynd.

Nachdem der Heil. Chrysostomus dises wohl und mit Fleiß betrachtet hat / sagt er: Es geduncke ihne /das menschliche Leben als wie ein Comödi zu seyn /in welcher ein jeder seine gewisse Person repræsentirt und vertritt: der eine agirt einen König / der andere einen Bauren / der dritte einen Herrn / der vierte einen Diener / der fünffte einen Soldaten / der sechste einen Kauffmann: der eine einen Doctor, der andere einen Narren etc. wer aber jetzund in der Comödi ein Herr ist / der ist bald in einem andern Act, oder in einer andern Scen ein Diener oder Bauer / und wer jetzund ein Richter / bald hernach ein Scherg oder Hencker etc. 17 Eben also gehet es in dem Comödi-Hauß oder grossen Welt-Theatro zu / bald ist eben einer glückseelig / vergnügt / reich / ansehnlich und gesund / bald wieder unglückseelig / mißvergnügt /arm / verachtet und kranck. Bald gewinnt man / bald verspielt man / bald getröst / bald betrübt / bald geliebt und geehrt / bald verschimpfft und verhaßt etc.

Ja warhafftig / alle sichtbarliche Ding dieses zeitlichen Lebens seynd gleichsam nur ein eitles Schattenspiel / welches in der Dunckle / in der Nacht præsentirt und gehalten wird: wann aber das wahre Tags-Liecht / der Tag der Ewigkeit anbricht / alsdann werden allen Comödianten die Kleyder abgezogen / die eitle oder äusserliche Zierd wird hinweggenommen /der Schatten verschwindt / der Traum vergehet / und wann man die Augen des Gemüths recht eröffnet / da sihet man / was gesehen hat der Salomon auf seinem Thron / nemlichen vanitas vanitatum, & omnia vanitas, 18 daß alles eitel / gantz eitel / ja ein lautere Eitelkeit.

Ein Alter aus denen Weltweisen sagte / man solle nur die Augen des Verstands aufthun / so werde man wahrnehmen / daß die Königreich und Herrschafften deren / die den Scepter und das Regiment führen / nur eine eitle und eingebildete Glückseeligkeit seye / dergleichen in denen Comödien und Tragädien sich befindet / und gleichwie / wann der / so in der Comödi die Person eines Königs vertritt / das jenige thut und redet / was das Amt oder der Stand eines [154] Königs mit sich bringt / nach vollendtem Spiel gelobt und belohnt wird / hingegen gescholten und ausgelacht oder übel abgefertiget / wann er sich ungeschickt / oder unverständig hat aufgeführt / und nicht wie ein König thun solte / sich verhalten / eben also / wann der Mensch / so in dem zeitlichen Leben ein König / ein Richter / ein Advocat / ein Beamter oder Soldat / ein Bischoff oder Prälat / ein Canonicus oder Religos etc. gewesen ist / sein Person wohl vertretten / wann er gethan und gelebt hat / was und wie ein König / ein Richter und Geistlicher etc. thun und leben / da wird er nach vollendter Comödi zur Zeit des Gerichts vor GOtt und seinen Englen / als welche Zuschauer gewesen seynd / gelobt / geehrt und belohnt werden: wann er es aber nicht gethan / sondern in diesem grossen Welt-Spiel sich übel verhalten hat / da wird er offentlich gescholten / beschimpfft und gestrafft werden.

Dises alles hat am besten versucht und erfahren der Königliche Prophet David / welcher zu Lebens-Zeit auf dem grossen Welt-Theatro oder Schaubühne unterschidliche Personen agirt und vertretten hat: Dann erstlich zog er auf / als wie ein Hirten-Knab mit dem Stab und der Schlingen in der Hand: hernach wie ein Musicant / der vor dem König Saul gesungen und die Harpfen geschlagen hat: Uber ein Zeit liesse er sich sehen als wie ein starckmüthiger Uberwinder: hernach gabe er selbst einen König ab. Kurtz ware er widerum ein Flüchtling und Vertriebner / bald widerum erhöht und erhebt. Er hat sich aber trefflich wohl darein geschickt und stattlich wohl agirt / erat vir secundum cor Dei, Er war ein Mann nach dem Wunsch und Hertzen GOttes: er ist auch deßwegen reichlich belohnt / und mit der ewigen Glory von GOtt gekrönt worden.

Aber nicht nur David / sondern noch viel haben in der Comödi des zeitlichen Lebens gar unterschiedliche Personen (obwohlen nicht alle so gut als wie der König David) agirt und vertretten. Vitellius ware also erarmet / daß er seiner Ehefrauen Mobilien verkauffen muste / unversehens aber gelangte er zum Kayserthum / wurde Augustus genannt / und zu Rom herrlich empfangen: aber bald hernach von seinen Kriegs-Leuten gefangen genommen / auch offentlich durch die Gassen und Strassen geschleppt / und schimpfflich ums Leben gebracht. Marius repræsentirte von Anfang in der mehrgemeldten Welt-Comödi eine schlechte und verächtliche Person: bald hernach tratte er auf als ein Römischer Prætor oder Schultheiß / folgends gar als ein Consul oder Burgermeister. Er triumphirte über den Jugurtham, er überwand die Teutones, und verübte viel herrliche Thaten: endlich aber hat ihne das Glück verlassen / und in einen so armseeligen Stand gesetzt / daß er vor seinen Feinden fliehen / und sich / das Leben zu salviren / in einer Cloaca oder stinckenden Pfützen verbergen muste. Servius Tullius zoge anfangs auf als wie ein Diener / hernach wurde er als ein König auf den Thron gesetzt / gehlingen aber widerum gestürtzt / seiner Würde entsetzt /und sein todter Leib durch alle Gassen zu Rom geschleifft: auch so gar sein eigne Tochter fuhre mit der Gutschen über ihn. Ventidius ware zu Anfang ein armes gefangenes Kind: folgends muste er als ein Laquai vor dem Triumph-Wagen des Pompeji herlauffen. Uber ein Zeitlang zoge er auf als ein Tribunus, oder Zunfftmeister des Volcks. Bald darauf wurde er für einen offentlichen Feind des Reichs erklärt: hernach aber wider herfürgezogen und zu einem Burgermeister zu Rom gemacht. Mit disen allen und viel mehr anderen hat das untreue Glück als wie mit einer Ballen gespielt / jetzund sie in die Höhe geschutzt /jetzund widerum zu Boden geworffen.

Uber dises alles ist nicht nur der Eingang des Men schen in dise Welt / wie erwiesen worden / sehr armseelig und unrein / nicht nur sein Lebens-Lauff so kurtz / mühesam und unbeständig / sondern auch /und absonderlich sein Ausgang von der Welt / nemlich der Todt sehr gefährlich / schmertzhafft und beschwerlich / bevorab der Todt [155] der unbußfertigen Sünder / Mors peccatorum pessima. 19 Von disem ist eigentlich zu verstehen / terribilium omnium terribilissima est mors: daß aus allen erschröcklichen Dingen der Todt das Allererschröcklichste seye / als welcher das edle und kostbare Gebäu / nemlich den Menschen / mit grossem Gewalt und Schmertzen also darnider wirfft und zerstöret / daß es von niemand als von GOtt selbsten widerum kan aufgericht werden / wann er nemlich an dem Tag des allgemeinen Gerichts die Seel wiederum mit dem Leib vereiniget.

Nun wollen wir jetzund die Seel und den Leib des Menschen insonderheit betrachten.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von der menschlichen Seel.

Die menschliche Seel ist ein pur lauterer und reiner Geist / ein ohnleibliche verständliche Substanz oder Weesenheit / unsterblich und unzerstörlich / gantz einfach mit keiner Materi oder einigem anderen Ding vermischt. 20 Sie ist zu diesem End von GOtt aus nichts erschaffen / daß sie den Leib beweg und lebendig mache / samt ihme hier zeitlich GOtt diene / und dort ewiglich geniesse. Sie ist erhoben über alle natürliche Formas oder Gestalten / und begreifft oder erkennet die unleibliche Ding mit einer wundersamen Krafft des Gemüths. Philo Hebræus sagt / die menschliche Seel seye ein Füncklein des unendlich glantzenden Göttlichen Liechts. Zeno nennt sie ein Feur / welches die Glieder wärmet und lebendig macht.

Noch ausführlicher beschreibt sie Damascenus, da er sagt: die Seel seye ein lebendige / ohnleibliche / unsterblich verständige infigurirliche Substanz, die den Leib bewohnt / regiert / sich in allen Gliedern unzertheilich ausbreitet / dem Leib die Vermehrung / und denen Sinnen die Würckung bescheret / allzeit frey und ungezwungen handlet / und das Ebenbild GOttes in ihr selber præsentirt. Welches Ebenbild fürnemlich in dem bestehet / daß gleichwie es in der GOttheit nur ein Weesenheit gibt / von welcher 3. Personen ausgehen / der Vatter / das Wort / und der Heil. Geist / also gibt es in der Seel ein Weesenheit / aus welcher herfürfliessen 3. unterschliedliche Kräfften / nemlich der Verstand / die Gedächtnuß und der Willen: die Gedächtnuß oder Krafft zu gedencken stimmet übereins oder gleichet einiger massen dem Vatter / der Verstand dem Sohn / und der Willen / die Lieb dem H. Geist.

Gewiß ist es / daß / wann man die menschliche Seel mit leiblichen Augen kunte anschauen / oder auch mit dem Gemüth genugsam begreiffen / so wurde man unfehlbar in die höchste Verwunderung und gröste Lieb gegen ihr gezogen werden / und wohl nicht so muthwillig und leichter Dingen durch Sünd und Laster ihr Schönheit verstöhren / ja gar sie dem bösen Feind in die Händ spielen.

Sie ist unzertheilich / gantz in dem gantzen Leib /und auch gantz in einem jeden mindesten und kleinsten Theil desselben / und befindet sich im mittlern Grad oder Staffel aller Dingen; ober ihr hat sie GOtt und die Engel / welche vollkommner; unter ihr aber cörperliche Geschöpff / welche alle unvollkommner seynd als sie. Die menschliche Seel ist ein absonderliches Kunststück der Göttlichen Allmacht / ein Freud des Himmels / ein Zierd der Erden und ein Gegensatz der Göttlichen Liebe und Freygebigkeit. Ihr gröste Vollkommen- und Fürtrefflichkeit aber bestehet in denen 3. sonderbaren Qualität- oder Eigenschafften /die sie vor allen irrdischen Geschöpffen hat / nemlich die Oberherrlichkeit oder Gewalt / den sie hat über den Leib und alle andere irrdische Geschöpff: die Geistlichkeit / Krafft dero sie alle Materi von ihrer Weesenheit ausschliesset / und von derselben independent oder unabhängig ist: und die Unsterblichkeit / Krafft derer sie von keinem erschaffenen Gewalt zerstöhrt werden kan.

Weiters erhellet ihr Fürtrefflichkeit aus ihrem Ursprung / oder ersten Herkommen / und aus ihrem letzten Zihl und End. Ihren Ursprung belangend / so hat sie selben ohnmittelbar von GOtt [156] allein und dem Himmel her ohne Zuthuung oder Mitwürckung einiger Creatur.


Igneus est illi vigor & cœlestis origo.

Die feurig Krafft der Seel / und Ehr /
Kommt allein vom Himmel her.

Was aber ihr Endzweck / auf den sie alleinig abzielen soll / ist selbiger wiederum kein anderer als GOtt allein. Pulvis revertatur ad terram suam, unde erat: & Spiritus redeat ad Deum, qui dedit illum: 21 Der Staub / das ist / der Leib / kehre gleichwohl wider zuruck in sein Erden / wovon er her war: und der Geist zu GOtt / der ihn gegeben hat. Aus disem allem haben wir 3. Folgereyen oder Schlüß zu machen. Der erste Schluß ist kürtzlich diser: Die menschliche Seel ist die edliste und fürtrefflichste Creatur / sie übertrifft weit all das irrdische / so muß man sie dann mit allem Fleiß und grosser Sorg vor Sünd und Laster bewahren. Der andere Schluß ist: Unser Seel ist ein purer Geist / eines übernatürlichen Weesens / und ein Ebenbild GOttes / so soll man sie nicht in einen verächtlichen Stand herab setzen / und dem Leib oder der Begierlichkeit zu dienen zwingen. Der 3te Schluß oder Folg: Unser Seel ist unsterblich /dauret ewig / so muß man dann nichts mehrers förchten / als dieselbe durch ein schwere Sünd / und darauf folgende Verdammnuß unglückseelig zu machen.Dann was hilffts den Menschen / wann er die gantze Welt gewinnen thäte / und an seiner Seel Schaden litte. 22 Der Mensch kan zwar mit denen Geschöpffen beschäfftiget werden / aber durchaus nicht ersättiget / wie der Heil. Bernardus anmercket. Ja auch den Leib können wir nicht erhalten / wann wir die Seel nicht erhalten; dann die Seel ist nicht für den Leib / sonder der Leib für die Seel erschaffen /deßwegen auch Christus im Evangelio gesprochen hat: Nolite timere eos, qui occidunt corpus etc. 23 Man soll sich nicht förchten vor denen / die nur den Leib tödten / der Seel aber nicht schaden können /sonder vielmehr den / der Leib und Seel verdammen kan.

Ubrigens kan die menschliche Seel wohl mit einer Turtel-Tauben verglichen werden / welches ein einfältiger / keusch- und reiner Vogel ist / und wie Berchorius anmercket: ihre Gesellschafft oder den Ehe-Consorten also hefftig liebet / daß wann sie ihne verlohren hat / oder von ihme ist abgesonderet worden / da trauret sie unabläßlich / sie denckt ihm allzeit nach /seufftzet kläglich / und vermischt sich niemahl mit einem anderen. 24

Eben also die Seel / welche von Natur einfältig /rein und keusch ist / hat in ihrer Erschaffung von GOTT das Fleisch / den Leib zum Mit-Consorten empfangen / und diesen liebet sie über die massen /und will nicht von ihme geschieden oder abgesönderet werden: und wann es durch den Tod geschicht / so bringt es ihr Leyd und Schmertzen. Nachdem sie auch von ihrem Leib abgesonderet ist / begehret sie mit keinem andern verknüpfft zu werden / sonder bleibt als eine Wittib an dem Orth / wohin sie GOtt verordnet hat / biß zur allgemeinen Aufferstehung / und behaltet unterdessen allzeit ein Neigung oder Begierd und Verlangen wiederum mit ihme vereiniget zu wer den / und vor / biß dieses geschicht / ist sie nicht vollkommen glückseelig.

Aber weil die menschliche Seel eine so grosse Neigung / Lieb und Treu hat gegen ihren Leib / der ein schlechter Erd-Klotz ist / der ihr so viel Ungelegenheit / Mühe / Kummer und Schaden verursacht / so offt zum Bösen anreitzet / und um den Himmel bringt / wie viel mehr Lieb / Neigung und Treu solte sie haben zu ihrem himmlischen Gespons / von deme sie alle zeitlich- und ewige Güter zu hoffen und zu empfangen hat? wann sie ihne durch ein schwere Sünd verlohren / oder von ihme ist abgesöndert worden / O da soll sie trauren / weinen und Seufftzen unabläßlich / biß daß sie ihn / vermög der Buß und Gnad / widerum findet: entzwischen aber durchaus mit keinem fremden Liebhaber / weder mit dem Fleisch / noch der Welt / noch dem Teuffel durch verbottenen Wollust sich vermischen / oder in ein Verbündnuß sich einlassen.

Der 3. Absatz
Anhang
Von dem sittlichen Leib Christi und der Kirchen.

Noch von einem anderen sittlichen oder geistlichen Leib meldet viles der Heil. Apostel Paulus / dessen unsichtbarliches Haupt Christus / u. das sichtbarliche sein Statthalter auf Erden der Römische Papst ist /desselben Glieder aber die Catholische Christen seynd. 42 Ipse est caput corporis Ecclesiæ, 43 sagt er erstlich / Christus ist das Haupt des Leibs der Kirchen. Hernach / sicut in uno corpore multa membra habemus, omnia autem membra non eundem actum habent: ita multi unum corpus sumus in Christo, singuli autem alter alterius membrum. 44 Gleichwie ein natürlicher Leib in viel Gliedern bestehet /aber nicht alle Glieder einerley Geschäfft oder Würckungen haben / also seynd wir viel ein Leib in Christo / ein jeglicher aber ist des anderen Glied / die Ursach setzt er bey: weilen wir alle in einem Geist zu einem Leib gekaufft seynd. Alle empfangen unterschiedliche Gnaden und Einflüß von Christo ihrem Haupt / der eine dise / der andere jene /der eine mehr / der andere weniger. Eben so klar und austrucklich seynd bie die Wort: Vos autem estis corpus Christi & membra de membro. 45 Ihr aber seyd der Leib Christi / und Glieder untereinander. Deßwegen sagt und erkennt auch Christus im Evangelio: Quod uni ex minimis meis fecistis, mihi fecistis. 46 Was ihr einem Geringsten aus den Meinigen gethan / das habt ihr mir gethan.

Nun aber die Glieder des menschlichen Leibs tragen aus natürlichem Antrieb ein grosse Lieb / Hochschätz- und Ehrenbietung gegen dem Haupt: wann das Haupt einen Streich oder Hieb empfangen soll /da thut sich der Arm eilends darwider setzen / das Haupt beschirmen / und viel lieber sich selber schlagen und verwunden lassen: und dises geschicht darum / dieweil ihnen die Natur eingibt / daß ihr Erhaltung /Leben und Wohlstand von Erhaltung des Haupts dependire / und an ihm gelegen seye. 47 Eben eine solche Lieb / Neigung und Hochschätzen sollen wir / als getreue Glieder / zu unserem sittlichen Haupt / zu Christo tragen / sein Ehr und Glory beschützen / und unserem eignen Interesse, Nutzen und Kommlichkeit vorziehen / weilen er es höchst würdig ist / und auch /weil all unser Heyl und Wohlfahrt von ihme herkommt und abhanget.

Ferners / die Glieder eines Leibs lieben / ehren /und helffen einander. 48 Non est schisma in corpore, sed idipsum pro invicem solicita sunt membra: si gloriatur unum, congaudent omnia, si patitur unum compatiuntur omnia, 49 sagt abermahl der H. Apostel Paulus: Es ist kein Spaltung oder Zweytracht in dem Leib / sondern die Glieder tragen für einander Sorg: wanns einem wohlgehet / da erfreuen sich alle / und wann eines leidet / da leiden alle mit ihm. Zum Exempel / wann der Fuß einen Dorn eingetretten hat / und Schmertzen [163] leidet / da buckt sich geschwind der Rucken / die Augen schauen auf /die Händ ziehen ihn heraus / die Ohren hören an / wie zu helffen seye / der Mund seufftzet / die Zungen klaget etc. Wann den Leib ein Kranckdeit anstosset / da thut sich der Magen willig aushungern / und nimmt Artzney zu sich / der Arm lasset ihme ein Ader schlagen / der Fuß ein Fontanell setzen zur Gesundheit eines anderen Glieds etc.

Eben also die geistliche Glieder des sittlichen Leibs / einer Communität / einer Christlichen Gemeind / sollen einander nicht beneiden und hassen /sondern lieben / ehren und helffen: jeglicher Mensch soll sich ob dem Wohlstand seines Nächsten erfreuen / und sein Unglück bedauren / sein Bestes befördern /seinen Schaden wenden. Die Glieder des menschlichen Leibs seynd nicht eigennutzig / keines arbeitet für sich selbst allein / sondern für den Wohlstand des gantzen Leibs: auch die sittliche Glieder einer Communität sollen so viel auf ihren eignen Nutzen / als auf den Wohlstand des gemeinen Weesens bedacht und befliessen seyn. Keines aus den Gliedern des Leibs erzürnet sich über das andere / oder verfolgt das andere / sondern beschützt es wider alles / was ihme schädlich ist: Wann schon der eine Fuß an den andern stoßt / oder ein Hand auf die andere schlagt / so stoßt oder schlagt diese nicht hinwiderum zuruck / sie thut sich nicht rächen. Eben so wenig soll ein Neben-Mensch über den andern sich erzürnen / selben anfeinden / und verfolgen / sondern beschützen und verthädigen helffen: nicht sich eigenmäßig rächen / oder Böses mit Bösem vergelten.

Endlich / so wenig die Theil des Leibs ein Eyfersucht / Neid oder Mißgunst haben / wann einem besser gehet als dem andern / wann eines mehr geehrt wird als das andere: zum Exempel / wann schon die Aerm mit guldenen Ketten umgeben / und die Finger mit kostbaren Ringen gezieret seynd / so seynd doch die Füß ihnen deßwegen nicht neidig / sondern zu frieden / wann sie mit Schuhen und Leder angethan: Wann schon der Mund einen manchen guten Bissen bekommt / so mißgönnens ihme die Augen nicht /sondern sie sehen mit Freuden zu: wann schon die Ohren mit einer lieblichen Music ergötzt werden / so hat doch die Nasen deßwegen kein Eyfersucht / sie laßt sich mit einem Blümlein daran zu riechen vergnügen; ein jedes ist mit seinem Objecto oder Gegensatz / mit seinem Amt und Orth zu frieden. Dieweilen es nemlich lauter Glieder eines Leibs seynd / deren eins von GOtt und der Natur zu disem Dienst oder Geschäfft verordnet ist / und das andere zu einem anderen. Eben so wenig solle der Baur dem Edelmann /der Knecht dem Herrn / der Arme dem Reichen mißgünstig seyn / sondern ein jeder zu frieden leben mit dem Glück und Stand / in welchen ihn die Göttliche Vorsichtigkeit gesetzt hat / versicheret glaubend / daß ein grösseres Glück / ein höherer Stand oder Würde zu seiner Seelen Heyl ihme nicht nutzlich / sondern vielmehr verhinderlich und schädlich seyn wurde.

Ja / wann dise sittliche Glieder des geistlichen Leibs Christi und der Kirchen unter einander nicht friedlich und einig seynd / so können sie auch mit dem Haupt selbsten / mit Christo / keinen Frieden haben / weilen sie seinem heiligsten Willen und Befehl schnurgrad zuwider handlen / indem er so austrucklich sagt: Hoc est præceptum meum, ut diligatis invicem, sicut dilexi vos. 50 Das ist mein Gebott /daß ihr einander liebet / gleichwie ich euch geliebt hab.

[164]
Fußnoten

1 Hom. 29. in Evang.

2 Des Menschen Fürtrefflichkeit.

3 Herrliche Lobsprüch des Menschen.

4 Psal. 8. v. 6.

5 Gen. c. 1. v. 26.

6 Ps. 48. v. 13.

7 Armseeligkeit des Menschlichen Lebens.

8 Job. c. 14. v. 1. & 2.

9 Eccle. c. 7. v. 2.

10 Wie elend der Mensch seye / wann er gebohren wird / und forthin immerdar.

11 Job. 10. v. 1.

12 Ob das Leben oder der Tod besser seye / wird in Zweiffel gezogen.

13 Die Kürtze des menschlichen Lebens / und der zeitlichen Ehr.

14 Job. c. 9. v. 25. &. 6.

15 Lib. Machab. cap. 1.

16 Unbeständigkeit oder vielfältige Veränderung des menschlichen Lebens.

17 Das menschliche Leben ist gleich eine Comödi.

18 Eccle. c. 1. v. 2.

19 Psal. 33. v. 24.

20 Beschaffenheit und Lob der menschlichen Seel.

21 Eccli. c. 12. v. 7.

22 Marci. c. 8. v. 36.

23 Matth. c. 10. v. 28.

24 Die Seel wird mit einer Turtel-Tauben verglichen.

25 Schönheit und gute Ordnung des menschlichen Leibs und seiner Gliedmassen.

26 Die Allmacht und Weißheit GOttes erscheinet klar in der wundersamen Statur des Menschen.

27 Fernere Beschaffenheit des menschlichen Leibs wird beschrieben.

28 Die Erkantnuß seiner selbst ist sehr nothwendig.

29 Wie man darzu gelangen möge.

30 Ad Philip. c. 3. v. 20.

31 Armseeligkeit und Beschwerden des menschlichen Leibs.

32 Sap. c. 9. v. 15.

33 Ad Gal. c. 5. v. 17.

34 Der Leib ist ein Kleyd der Seel.

35 1. Cor. c. 15.

36 1. Cor. c. 9.

37 Der Leib des Menschen ist gleich dem Kürbis Jonä.

Jon. cap. 4. v. 7. &. 8.

38 Jerem. c. 1. v. 18.

39 Die Vestung des menschlichen Leibs wird von dem Tod mit Kranckheiten belägeret.

40 Psalm. 17. v. 5.

41 Der Leib ist ein Bett des Schmertzens.

42 Der sittliche Leib Christi und der Kirchen / in wem er bestehe?

43 Coloss. c. 1. v. 18.

44 ad Rom. c. 12 v. 4. & 5.

45 1. Cor. c. 12. v. 27.

46 Matth. c. 25. v. 40.

47 Die Glieder lieben und ehren das Haupt.

48 Die Glieder eines Leibs lieben / helffen und ehren einander.

49 1. Cor. c. 12. v. 25.

50 Joan. c. 15. v. 12.

II. Von den äuserlichen fünff Sinnen des Menschen
Der 1. Absatz
Anhang
Anhang.
Zu dem Gesicht oder denen Augen.

Von den Spieglen / Perspectiv und Augen-Gläsern.


Nachdeme ich nun von den Augen selber genugsam gehandlet hab / will ich auch von einigen nutzlich und kunstreichen Erfindungen / welche zur Beyhülff der Augen sehr dienlich seynd / etwas melden. 41 Dergleichen aber seynd die Kunst-Spiegel / Perspectiv, und Brillen zu machen.

Wohl und recht hat geredt / wer es immer aus den Weltweisen geredt hat / da er gesprochen: Sicut Oculus est Speculum naturæ, ita speculum est oculus artis. Gleichwie das Aug ein Spiegel der Natur ist / also ist der Spiegel ein Aug der Kunst / und gleichwie die Kunst sich befleisset der Natur fast alles nachzuthun / also thut sie es absonderlich in Erfindung der so schönen nutzlichen Spiegel / dann obwohl der Spiegel nur ein zerbrechliches Stuck Glaß ist / so thut er doch alle ihm vorkommende Objecta und Bildnussen / vast eben als wie das Menschliche Aug gantz lebhafft repræsentiren und vorstellen.

[174] Der Spiegel ist ein getreu- und unverfälschter Zeug und Rathgeber / er betriegt nicht / und lasset sich nicht betriegen / sonder zeiget alles / wie es in sich selber ist / an. 42 Die Kohl-schwartze Federn des Raaben / und die Schneeweisse des Schwanen / die schändliche Runtzlen einer häßlichen Xantipe sowohl als die Milch und Rosenfarbe Wangen der schönstenPandoræ, einem jeden zeigt er an / was in seiner Gestalt / Kleydung oder Gebärden zu loben oder zu schelten / zu ändern oder zu verbessern seye / ohne alle Schmeichlerey / und auch ohne Beneydung oder Feindseeligkeit / er ist gantz unpartheyisch. Deßwegen hat sich wohl unbillich über den Spiegel beklagt und erzürnt jenes alte Weiblein / welches in der Jugend sich in dem Spiegel als zimlich wohlgestalt gesehen hat / hernach aber erst über 50. Jahr lang wiederum darein geschaut (da es schon gantz runtzlet /wüst und zahnlucket ware) und gesagt: man mache die Spiegel bey weitem nicht mehr so gut und so schön / als wie mans vor 50. Jahren gemacht habe. Besser / doch auch lächerlich genug hat es gemacht ein gewiser anderer mir wohl bekannter / welcher / als er neben viel andern seines gleichen in eines fürnehmen Herrn Zimmer / selbiges zu besichtigen / ist eingelassen worden / da hat er in einem grossen Spiegel einen bleichen / mageren und unansehnlichen Menschen gesehen / aber nicht recht gekennt / sonder gezweifelt / ob er es selber seye oder nicht (dann sein Stand und Condition erforderte eben nicht offt in den Spiegel zu sehen) er gedenckte ihm also / er wolle sich mit dem Haupt bewegen / und wann es der im Spiegel auch also mache / so seye er es selbst / wo nicht / so seye es ein anderer / aber der im Spiegel hat es eben auch also gemacht / worauf er über sein unansehnliche Persohn und übles Aussehen / einen solchen Eckel und Verdruß geschöpfft / daß er sich selbsten nicht mehr in dem Spiegel hat sehen mögen / sonder eylends hinter die andere sich verborgen hat / daß ihne nur die Leuth nicht mehr im Spiegel sehen können.

Aber vast eben also ergehet es uns mit unserem eigenen Gewissen / welches gar wohl mit einem Spiegel kan verglichen werden / weilen es uns gantz klar und unlaugbar all unsere Fehler und Mängel / all unser Thun und Lassen vorstellet / wir können ihm nicht entgehen oder uns darvor verbergen / wir müssen uns selbsten in diesem Spiegel sehen / wir wollen oder wollen nicht. 43 Simiæ & vetulæ, die Affen und alte Weiber haben ein natürliches Abscheuen vor dem Spiegel / weilen er nehmlichen ihnen ihre schandliche Runtzlen zeiget.

Auch der Sünder sihet nicht gern in den Spiegel seines Gewissens / weil es ihme seine Laster und Untugenden vorhält und in der Stille verweiset. Aber sie thäten viel besser / wann sie dem Weltberühmten Wohlredner Demosthenes nachfolgten; dann dieser hatte einen Spiegel / (glaublich von geschliffenem Stahl oder dergleichen / dann die Kunst Glas zu machen / ware damahls noch nicht erfunden) der so groß ware / als er selbsten / und so offt er bey einer grossen Versammlung eine Oration halten / oder eine offentliche Red ablegen muste / da stellte er sich vor seinen Spiegel / als den getreuesten Rathgeber / er besichtigte sich von Fuß auf gantz eben / ob nichts in seinem Angesicht / in seinen Kleydern oder Gebärden sey /welches zu tadlen / oder denen Zuhörern mißfällig wäre / und wann er etwas unanständiges gefunden hat / da bemühete er sich alsobald selbiges zu verbessern. Durch dieses Mittel aber hat er soviel zuwegen gebracht / daß seine Red ein absonderliche Krafft und Nachdruck hatte / er konnte seine Zuhörer bereden und bewegen zu was er wollte. 44 Eben also / sage ich / sollten es die sündige Menschen machen / und so offt sie vor GOtt und seinen Heiligen wollen erscheinen eine Bitt abzulegen / oder ein Gnad zu erhalten /da sollten sie zuvor fleißig in den Spiegel ihres eigenen Gewissens schauen und erforschen / was darinn unreines / was in den Begierden unordentliches / und GOTT mißfälliges seye / die Fehler zu verbesseren /[175] und die Mackel abzuwaschen / alsdann wurde das Gebett ein grosse Krafft und Nachdruck haben.

Der weise Seneca hat gesprochen / die Spiegel seyen erfunden / auf daß der Mensch / der durch das Aug alle andere Ding sihet und erkennt / durch den Spiegel auf sich selbsten sehe und erkenne. 45 Der Kayser Augustus hat noch in seinem letzten End (weiß nicht aus was Ursachen) ihme einen Spiegel herbey zu bringen befohlen. Auch wir sollen absonderlich vor unserm letzten End fleißig in den Spiegel unsers Gewissens schauen / und sehen wie unsere Seel beschaffen seye / ob sie würdiglich vor GOtt erscheinen möge.

Die andere dem Gesicht dienliche Erfindung bestehet in der Kunst / die Perspectiv oder Fern-Gläser zu machen. Das Perspectiv aber ist 1. 2. 3. 4. mehr oder minder Schuh langer Tubus oder Rohr / in welchem einige geschliffene nach den Reglen der Optic oder Sehens-Kunst zubereitete Gläser ordentlich eingesetzt seynd / durch welche man folgends weit entlegene Ding / zum Exempel / ein Hauß oder Schiff etc. auf etliche Stund / oder auch etliche Meil weit sehen /oder erkennen kan / als wann sie gantz nahe vor einem da stunden / welches gewißlich ein nicht unnutzliche Curiositæt ist.

Im sittlichen Verstand kan durch das Perspectiv oder Fern-Glaß die Vorsichtigkeit verstanden werden; dann Providentiæ est proprium procul videre, der Vorsichtigkeit / oder einem Vorsichtigen ist eigenthumlich in die Weite hinaus / ins künfftig hinaus zu sehen / und die künfftige Zufäll ihme selbst gegenwärtig vorzustellen / sich darnach zu richten und darein zu schicken können. 46

Die Commendanten in einer Vestung / oder bey einem Kriegs-Heer in dem Feld / ja auch auf dem Meer pflegen sich guter Perspectiv zu bedienen / den Feind und seine Bewegung oder Vorhaben zu verkundschafften oder zu beobachten. Eben also sollen auch wir in dem Krieg dieses zeitlichen Lebens und auf dem Meer dieser Welt durch die Tugend der Klugheit und Vorsichtigkeit den Feind / das ist / die bevorstehende Ubel und Gefahren des Leibs und der Seelen verkundschafften und betrachten / um denenselben zeitlich vorbiegen oder begegnen zu können / und die nothwendige Cautiones und Mittel anzuwenden.

Doch seynd die Perspectiv auch in so weit betrieglich / weil sie kleine und weit entlegene Ding als groß und nahe vorstellen / hingegen aber groß und nahe als klein und weit entfernet / nachdem sie nehmlich applicirt / und der engere oder weitere Theil an das Aug gehalten wird. 47 Und in diesem zeigen sie an die falsch betrogene Welt / welche ihren Liebhabern und Anhänger groß und schwere Ding / ich will sagen /grosse und schwere Sünden nur wie klein und ring /nahe Gefahren des Tods und der Höllen / als weit entfernet vorstellet / und hingegen klein und noch weit entfernte Sachen / zum Exempel zeitliche Güther und Welt-Freuden / leere Hoffnungen etc. als groß und schon gegenwärtig vormahlet.

Die dritte Beyhülff eines blöden Gesichts oder schwach- und trüber Augen seynd die sogenannte Brillen oder Augen-Gläser / durch welche man annoch in dem hohen Alter füglich lesen und schreiben kan / auch kleine Sachen deutlich sehen und entscheiden / welches man sonst vermög der Augen alleinig gar nicht thun konnte. Eben also wann unser Verstand und Erfahrenheit (so das Aug der Seelen ist) zu schwach und blöd ist etwas zu erkennen / oder das Böse von dem Guten / das nutzlich von dem Schädlichen zu unterscheiden / da sollen wir gute Räth und Ermahnungen annehmen / (welche die sittliche Augen des Gemüths schärpffen / und den Abgang ersetzen) und ohne dieselbe uns nicht einlassen. 48 Wie geschrieben stehet: Fili sine consilio nihil fac, & post factum non pœnitebis. 49 Ohne Rath thue nichts /so wird es dich nach der That nicht reuen. Durch guten Rath und Ermahnung eines verständigen und wohlerfahrnen Manns sihet und findet der Schwächer oder [176] Unverständige / was er sonst nie gesehen / oder erkennt hätte / gleichwie man durch die Augen-Prillen siehet / was man sonst nicht sehen kunte.

Der 2. Absatz
Anhang
Zu dem Gehör oder den Ohren.

Von der Music und den Musicanten.


Die Music oder Thon-Kunst wird hauptsächlich abgetheilt in die Vocal- und Instrumental-Music. 64 DieVocal-Music (in welcher die Kunst und die Natur zugleich mitwürcken muß) bestehet in Moderirung undHarmoni der viererley Stimmen / welche nachdem sie tieffer und gröber oder höher und zärter seynd / von einander unterschieden / und auch unterschiedlich benahmset werden: nemlichen der Bass, so die tieffiste /der Tenor, Alt, und Discant, so die höchste Stimm ist.

Die Instrumental-Music aber beschäfftiget sich mit unterschiedlichen musicalischen Instrumenten / auf welchen man nach gewissen Reglen Kunstmäßig aufspielet. Aus disen Instrumenten werden einige mit Claviren / als wie die Orgel / andere aber ohnmittelbar mit den Fingern allein geschlagen / als wie die Harpfen und Lauten etc. andere Instrumenten werden geblasen / mit oder ohne Fingerlein / als wie die Trompeten / Posaunen / Vagot etc. und widerum an dere mit dem Fidel-Bogen gestrichen / als wie die Geigen und Viola d'Amour.

Die 2te Abtheilung der Vocal-Music oder Sing-Kunst geschicht in das Choral- und Figural-Gesang.Cantus Choralis ist / wann eine oder mehr Stimmen im Auf- und Absteigen gleicher und einfältiger Weiß zusammen singen: auch nur einerley Noten und Zeichen gebraucht werden. Figuralis hingegen ist / wann eine oder mehr Stimmen auf unterschiedliche Weiß eingeführt werden / und ein Noten mehr gilt als die andere / auch ihre Zeichen nicht gleich seynd.

Die Figural-Music lehret / wie man das vorgelegte Gesang recht künstlich / zier- und lieblich absingen /oder mit anderen Instrumenten ordentlich zusammen stimmen solle / also daß die Ohren dardurch ergötzt und das Gemüth ermunteret werde. Sie bestehet fürnemmlich in folgenden Stucken: in den Clavibus oder Schlüsseln und gewissen Figuren / die in dem Singen vorkommen / in den Noten / in den Pausen / in Triplen / in Benennung der Noten und intervallis. DieClaves seynd gewisse Zeichen / so von denen Buchstaben ihren Nahmen haben / und seynd derselben eigentlich 3. nemlich G.C.F. die Noten aber seynd gewisse Zeichen / die auf denen 5. Linien oder zwischen denselben stehen / sie seynd nach dem Tact abgemessen / und haben ihre gewisse Zeit-Bedeutung / daß also eine langsamer / und die andere geschwinder gesungen wird: also gilt longa 4. Tact / brevis gilt 2.semibrevis 1. minima einen halben Tact etc. ja es können biß 32. Noten auf einen Tact gehen.

Pausen seynd Zeichen / welche weisen / wie lang man still schweigen / oder mit Singen innhalten soll etc. Tripel ist ein sonderbare Art / da alle Noten verringeret / die Pausen veränderet / und eine gantz andere Ordnung im Singen oder Geigen beobachtet wird. Die Benennung der Noten geschieht entweders mit den Alphabets-Buchstaben a.b.c.d.e.f.g. oder mit dem bekannten ut re mi fa sol la. Ein Intervallum ist der Raum zwischen 2. Noten / oder der Sprung aus einem Thon in den andern / und wird folgendes [180] dem Unisono entgegen gesetzt. Ein Unisonus aber ist / wann 2. oder mehr Noten in einem Thon stehen. Ferners / der Tact ist die ordentliche Abmessung der Noten und Pausen: Ein gantzer Tact aber wehret von einem Niderschlag oder Aufschlag biß zu dem anderen. Ein halber Tact aber ist ein blosser Auf- oder Niderschlag allein.

So viel von denen Regulis Musicæ obenhin angezeigt solle genug seyn / auf daß man mir nicht sagen möge: Sutor nè ultra crepidam, ein mehrers lasse ich denen Herren Musicanten über: inmassen ich mich diser Kunst gantz unerfahren / doch einen sonderbaren Cultorem und Liebhaber zu seyn profitire.

Ubrigens ist es gewiß / daß die Music seye ein Beförderin oder Antrieb zur Andacht / ein Zierd und Kleinod des GOttes-Diensts / ein Lust und Freud des Gehörs / ein Königin der freyen Künsten / ein mächtige Beherrscherin der Gemüther / ein absonderliche Gaab GOttes / ein Portion und Vorspiel der himmlischen Freuden / ein Ringerung der Schwermüthigkeit / ein Versüssung der sauren Arbeit / ein kurtzweilige Zeitvertreibung / ein Mittel für den Müßiggang / ein ehrbare Gemüths-Ergötzung / ein Trost der Einsamkeit / ein Versammlung der ausschweiffenden Gedancken / ein Anzeigung guter Verständnus und Ordnung / ein Widerbringerin des verstörten Friedens / ein Besänfftigung des Zornmuths / ein Innhalt und Mäßigung der Grausamkeit / ein annemmlicher Liebs-Gewalt / ein Abwendung vieler Ublen / und ein recht unschuldige Freud. 65

Was aber die wundersame Krafft und Würckung der Music / oder den Gewalt die Menschen und die Thier zu bewegen und einzunemmen anbelangt / so ist derselbe über die massen groß. 66 Es ist zwar nur ein Fabel-Gedicht der Poeten / daß Orpheus mit seiner Harpfen in dem Wald so lieblich aufgespielt habe /daß er die wilde Thier an sich gelocket / und zahm gemacht / den Lauff der Flüssen eingestellt / ja auch die Berg und Bäum hab hupfen und tantzen gemacht. Ein Fabel ist es / daß Arion auf dem Meer durch sein Kunst oder liebreichen Harpfen-Klang bey denen Delphinen oder Wallfisch eben dergleichen habe zuwegen gebracht. Aber ein Wahrheit ist es / daß öffters gewisse Vögel und andere Thier durch das Singen oder Pfeiffen in das Garn gebracht oder gefangen werden. Also erzehlet Valvasor, daß in dem Culystrom des Hertzogthums Crains die Krebs nach dem gewissen Thon einer Pfeiffen gefangen werden: auch von denen sogenannten Taschen-Krebsen bezeuget der gelehrte D. Geusner, daß solche zu den auf denen Rohren pfeiffenden Fischern aus dem Wasser auf das Land heraus kommen. Die Schwanen sollen dem Klang der Citheren nachgehen / und denen Schaafen die Weid besser gedeyen / wann die Hirten auf der Schalmey oder anderen Pfeiffen darbey aufmachen. Es sollen auch / wie Olearius in seinem Persianischen Rosenthal erzehlet / die Cameel / wann ihnen vorgepfiffen wird / oder wann sie einen klingenden Thon höre / dardurch hurtig ihren Weeg zulauffen / angefrischet werden. Auch die Elephanten können einiger massen zur Music gewöhnet / oder nach derselben abgerichtet werden. Wie muthig und hitzig die Pferd werden / wann sie in dem Feld den Paucken- und Trompeten-Schall hören / das ist genugsam bekandt. Ich hab auch selbsten gesehen / wie daß ein wohl abgerichtes Pferd / ordentlich zu denen Schalmeyen getantzet hat / wie daß es an denen Füssen ein junctur nach der andern gerührt oder bewegt hat / und einen Fuß nach dem andern aufgehebt / bey der Cadenz aber / auf gegebenes Zeichen von dem Bereuter mit allen 4. Füssen zugleich einen halben Mannshochen Lufft-Sprung gethan / und widerum in die alte Fußstapffen / welche es mit dem Huf-Eisen in den Sand-Boden gemacht / richtig eingetroffen hat.

Was und wie viel aber die Music in das menschliche Gemüth vermöge / [181] dessen haben wir erstlich ein klare Prob an dem David / in der Heil. Schrifft / dieser ware in dem Gesang und Harpffen Klang / ja noch in viel anderen Instrumenten ein trefflich wohl erfahrner und fleißig geübter Musicant. So offt der König Saul von dem bösen Feind verstört und beunruhiget wurde / also daß er gantz verwildete / da muste David mit seiner Harpffen kommen / vor ihme singen und aufspielen / durch welches Mittel der König wiederum zu sich selber / und Ruhe bekame / dann der böse Geist muste von ihm abweichen. 67

Von einem so gewaltigen Harpfenisten oder Cithern-Schlager wird auch in Weltlichen Geschichten geschrieben.

Dieser Musicant kame an den Hof des KönigsErici, der ein Liebhaber der Künstler ware / und rühmte sich / daß er mit seiner Music die Menschen also einnehmen könne / daß er ihre Gemüther und Hertzen könne biegen und lencken zu was für einer Anmuthung er immer wolle / bald aus Traurigen Lustige / aus Lustigen Traurige / aus Sanfftmüthigen Zornige / und aus Zornigen Sanfftmüthige / ja auch gantz Rasende machen könne. 68 Der König Ericus war curios / und möchte gern im Werck erfahren / ob es also seye / wie er vorgab / er befahle demnach dem Musicanten die würckliche Prob darvon zu machen. Diesen kame die Reu an / daß er sich so weit hätte eingelassen / er förchtete / es möchte ihm fehlen / und er folgends als ein Lugner oder Praller verspottet werden / absonderlich gedunckte es ihn gefährlich an der Persohn des Königs selbst die Prob zu machen. Er entschuldigte sich derowegen / und bate die Hoff-Herren / sie sollen es dem König ausreden / daß er von diesem Begehren abstehe. Aber nein / es halffe nichts darfür / der König wurde immer begieriger / und wolte es durchaus haben / so ist dann der Musicant gleichwohl zum Werck geschritten / zuvor aber hat er gebetten / man solle alles Gewehr und Waffen / mit welchen der König ihme selber oder andern schaden konnte auf / die Seiten thun / auch sollen einige etwas entfernet sich parat halten / und wann er ihnen ein Zeichen geben werde / eylends herzulauffen / nur keck ihm selbst die Harpff oder Citheren aus den Händen reissen und zerschlagen. Nachdem die Sach also veranstaltet ware / bliebe er mit dem König und etlich wenigen anderen in dem Zimmer / fienge an aufzuspielen in einem gravitätischen ernsthafften Thon /wordurch er die Zuhörende zu einem Schwermuth und traurigen Stillschweigen vermögt hat. Darauf fieng er bald an also frisch / munter und lustig zu schlagen /daß der König und die andere Anwesende bey nahe hätten angefangen zu hupffen und springen / als wie die junge Mertzen-Kälber. Aber gehlingen hat sich das Blättlein wiederum umgewendt / er ist mit anderen Seiten aufgezogen / und hat in einem hefftigen /kriegerisch und zum Zorn reitzenden Thon geschlagen / welches den König aufbrennennend und wüthend gemacht hat; dann die Gall ergosse sich in ihm / und das Blut wallete in Aderen auf / der Musicant gabe zwar das Zeichen / und man kame auch eylends herbey geloffen / den König zu dämmen und innzuhalten: aber es ware zu spath / die Wuth hatte schon überhand genommen / und er ware so starck / daß er mit eigener Faust etliche zu tod geschlagen: hernach brache er mit Gewalt zur Porten aus / ergriffe einen Degen / und erstache vier Persohnen / biß daß man mit Gewalt ihm auf den Leib kommen ist / viel Better auf ihn geworffen / und also / daß er nicht ferners schaden konnte / gedämmet hat. Endlichen ist gleichwohl die Wuth vergangen / und er wiederum zu sich selbsten kommen / da er dann die an seinen getreuen Bedienten verübte Todschläg sehr bedaurte / auch deßwegen die Cron und Scepter abgelegt / und das Reich seinem Sohn überlassen hat: worauf er sich nacher Jerusalem die begangene Mordthaten abzubüssen / begeben hat /und in der Insul Cypro gestorben ist. Cranzius lib. 5.Daniæ c. 3. apud Joann. Adam. Weber in arte convers.

[182] GOtt behüt uns vor solchen gar zu künstlichen Musicanten / welche mit ihrer Kunst vor lauter Verwunderung die Leuth zu Narren machen.

Wie Mart. Capella meldet / so solle Xenocrates die Wassersüchtige durch den Thon der Pfeiffen gesund gemacht haben. 69 Asclepiades den Tauben vermittelst des starck durchtringenden Trompeten-Schalls das Gehör widerbracht / Thales aber vonCreta gebürtig mit seiner künstlich gerührten Cither die Pestilentzische Sucht vertrieben: auch solle der alte Theophrastus aus der Insul Lesbos zu seiner Zeit durch die Music das Hüfft-Weh curirt haben. Gewiß ist es / daß die gifftige Stich der Tarantulen / (ist eine Art sehr gifftiger Spinnen) durch die Music geheilet /und der Schmertzen gelinderet werde.

Das Alterthum der Music belangend / so ist selbe des ältesten Herkommens: dann sie ist schon im alten Testament jederzeit im Brauch gewesen / von vielen Königen und Weltweisen hochgeschätzt / geliebt und auch selbst geübt worden. 70 Tubal ware der erste Musicant nicht gar lang nach Erschaffung der Welt /von welchem herkamen die / so mit Harpffen und Pfeiffen umgiengen / hernach aber ist sie von Zeit zu Zeit höher gestiegen. 71 Es wurde einstens für ungelehrt gehalten / wer nicht mit Singen / oder mit einem Saiten-Spiel kunnte umgehen. Der Kayser Nero hatte einen unbeschreiblichen Lust und Eyfer zum Singen /und Cithern schlagen / und als er sterben mußte / hat er vielmehr bedauret / daß ein Musicant / als ein Kayser zu Grund gehe. Der Weltweise Plato hielte darfür / daß die Music zur Verbesserung der Sitten und zum Wohlstand des gemeinen Weesens nothwendig seye.Pythagoras hat sich nicht gescheuet noch in seinem hohen Alter von einem Knaben etwas in der Music zu erlernen. Deßgleichen Socrates in seinem Alter / als ihme vorgeworffen wurde / daß er unter die junge Schuler sich mische / und erst mit ihnen auf den Saithen spielen lerne / gab er zur Antwort: es seye gar nicht ungereimt / oder unanständig etwas erlernen /was er zuvor nicht gewußt habe / daß es so nutzlich und nothwendig seye.

Endlichen der weise Solon, als seines Bruders Sohn bey einer Gasterey ein Lied gesungen / hat er ein solches Wohlgefallen darob geschöpfft / daß er alsbald dem Knaben befohlen hat / ihn selbes auch zu lernen / und als man ihn gefragt / warum er doch das thue? gab er zur Antwort: auf daß / wann ich es gelernt hab / sterbe. Polyanthea V. Musica.

Die Music und die Musicanten / absonderlich das Gesang / seynd GOtt selbsten angenehm / und haben ihme öffters wohlgefallen. 72 Der Moyses hat gesungen mit den Israelitern / als sie das rothe Meer mit trockenem Fuß seynd durchpaßirt / ja wie die Rabiner bezeugen / so haben damahls miraculoser Weiß auch die unmündige Kinder das gantze Lob-Gesang mit gesungen / und das Gesang hat GOtt gefallen. Exodi c. 15.

Debora und Barac haben GOtt Lob gesungen nach erhaltenem Sieg wider den Feind / und das Gesang hat GOtt gefallen / Judic. c. 5. Anna und Helcana haben gesungen / als ihnen ihr Sohn Samuel gebohren ward / und das Gesang hat GOTT gefallen. 1. Reg. c. 2. Der König Ezechias hat gesungen / als er von seiner tödtlichen Kranckheit ist genesen / und sein Gesang hat Gott gefallen. Isa. c. 38. Die Judith hat gesungen / nachdem sie den Holofernem so glücklich erlegt hat / und ihr Gesang hat GOTT gefallen. Judith c. 16. Gesungen haben die 3. Knaben im Babylonischen Feur-Ofen / da sie von der Flammen gantz unverletzt seynd geblieben / und ihr Gesang hat GOTT gefallen. Gesungen hat der König David bey Tag und bey Nacht / mit Psalliren und Saiten-Spiel / und das hat GOtt wohl gefallen. Gesungen hat gantz deutlich mein Heil. Vatter Benedictus samt seiner SchwesterScholastica durch ein unerhörtes Wunder / als sie noch beyde in Mutter-Leib verschlossen / und ihr Gesang [183] hat GOtt wohlgefallen. Ja es scheinet / es haben die Menschen insgemein von der Natur einen Antrieb und Neigung zu der Music / und bevorab zu dem Singen / fast jedermann will mit dem Singen die lange Weil verkürtzen / die Arbeit verringeren / und das Gemüth ergötzen. Der Schneider bey der Nadel / die Spinnerin bey dem Radel / der Gärtner bey dem Pflantzen / der Kriegs-Knecht bey dem Schantzen /der Schuster bey der Ahl / die Schildwacht auf dem Wahl / der Kieffer bey dem binden / die Dienst-Magd bey den Kinden / der Fuhrmann bey dem Fahren / der Kramer bey den Waaren / der Bader bey dem Bad /der Müller bey dem Rad / der Hafner bey dem Letten /der Becker bey dem Knetten / die Jäger in den Wälder / die Hirten auf den Felder / der Maurer auf dem Gerüst / die Vieh-Magd auf dem Mist / der Gerber bey den Häuten / der Reysend in dem Reiten etc. ja auch die kleine Kinder thut man mit dem Gesang stillen und befriedigen.

Es ist nehmlichen die Music nicht nur ein freye /sondern auch freudige Kunst / ja sie ist ein Englisches Weesen / und die Musicanten seynd irrdische Engel /weilen sie das Lob GOttes singen auf Erden / als wie die Engel in dem Himmel. 73 Die Musicanten / sage ich / seynd irrdische Engel / aber nicht alle / es gibt auch manche Bengel: Bengel seynd diejenige / welche zwar ein so manches Gloria Patri, Ehr sey dem Vatter etc. und Gloria in excelsis singen / darbey aber nichts wenigers als GOtt durch ihre Music zu ehren gedencken / sonder nur ihre eigene Ehr / ihren eigenen Ruhm und Nutzen suchen.

Bengel und zwar grobe Bengel / die in das Feur gehören / seynd diejenige / welche von gailen Liebs-Gelüsten unverschamte Buhler-Lieder singen / und denen Zuhörern Aergernuß geben. Diese haben gewißlich schlechten Lohn für ihre Mühe und Arbeit / ja vielmehr schwere Straff zu gewarten in jener Welt. Es heißt zwar wohl / qui cantat, bis orat, der singt / thut doppelt betten / aber es muß aus guter Meynung zu Ehr GOttes / nicht wegen eitler Ehr / oder zeitlichem Gewinn geschehen / die so nichts als eitle Ehr durch ihre Music suchen / werden aus gerechter Verhängnuß GOttes öffters auch auf dieser Welt zu schanden. Cæsarius schreibt / daß einstens ein frommer Diener GOttes in einer Kirchen gewesen / allwo zugleich ein fürtreffliche Music ist gehalten worden / wegen welcher sich auch die Musicanten nach vollendtem Gottesdienst nicht wenig gerühmt haben. Aber sie musten zu ihrer nicht geringen Schand von diesem gottseeligen Mann für gewiß hören / daß er mit leiblichen Augen gesehen habe / wie der Teufel / so ihnen zur lincken Seithen stund / all ihre Stimmen und Gesänger gantz emsig in einen Sack zusammen eingepackt und fleißig aufbehalten habe.

Ein anderer junger Mensch prangete auch mit seiner Stimm / und sange hochmüthig ein voce sola bey einer Volckreichen Versammlung / aber der Teufel aus einer besessenen Persohn schrie überlaut auf / O du armseeliger Tropff! wie magst du dich rühmen: wann ich auch mitten in meinen Flammen meine Stimm sollte hören lassen / da müßtest du wohl mir weit weichen. Darauf schluge er / der böse Geist /durch den Mund dieser besessenen Persohn einen eintzigen Triller mit einer so unerhörten Kunst und Zierlichkeit / daß alle Anwesende vor Verwunderung erstaunet seynd. O was wird es dann seyn / wann so viel tausend Heil. Engel das immerwährende Lob GOttes zusammen singen!

Entzwischen so lobwürdig die Music immer ist / so will sie doch nicht jedermann loben / so lieblich sie thut in die Ohren fallen / so thut sie doch nicht gar allen gefallen. 74 Als man einstens den Aristotelem befragte / was er von der Music halte? gabe er zur Antwort: Jovem neque canere, neque Citharam pulsare. Der Gott Jupiter thue weder singen / noch Harpfen schlagen. Er wollte sagen / das seye denen Menschen wenig [184] nutzlich / ab deme die Götter nicht auch eine Freud haben.

Da sich etliche über Ismeniam, als einen fürtrefflichen Pfeiffer oder Schallmeyen-Blaßer verwunderten /und ihne sehr lobten / da sagte der Antisthenes, das muß ein schlimmer Mensch seyn / dann / wann er tugendsam wäre / so wurde er kein so guter Pfeiffer seyn: Er wolte sagen / weil er so viel Zeit und Mühe auf das Pfeiffen gewendet habe / so muß er gewiß sich wenig auf die Tugend und gute Sitten verlegt oder begeben haben. Polyanth. V. Musica. Der H. Athanasins hat die Music der Andacht verhinderlich zu seyn erachtet / und deßwegen in seiner Kirchen selbe verbotten.

Hingegen der H. Ambrosius wolte das Gesang bey dem Gottesdienst / als anständig haben. Augustinus hält sich in der Mitte / und kan sich hart resolviren /ob er die Music rathen / oder mißrathen soll. Wann es mir erlaubt ist / auch meine wenige Meinung hierüber beyzutragen / so geduncket es mich / daß / gleichwieMusica und Medicina einander in dem Nahmen fast ähnlich seynd / als sollen sie auch gleichmäßig gebraucht werden. 75 Die Medicin ist nutzlich und gesund / wann sie zu rechter Zeit / mässig und in vorgeschriebner Dosen gebraucht wird / schädlich aber /wann dieses nicht geschieht. Auch die Music ist schön und gut zu rechter Zeit / und in ihrer gewissen Maß: schädlich aber / wann mans übertreibt. Eben dergleichen hat längst vor mir einer aus den Weisen gesagt / da er gesprochen: die Music seye das Gewürtz der Studien oder Wissenschafften. Das Saltz /der Pfeffer und anderes Gewürtz macht die Speisen gut und wohlgeschmack / wann mans mäßig braucht. So mans aber zu häuffig braucht / da werden sie zu räß und ungesund. Eben eine solche Beschaffenheit hat es mit dem Gebrauch und Mißbrauch der Music etc.

Welches der König David in seinem Prophetischen Geist wohl vorsehend / seine Nachkömmling zwar zum Psalliren und Musiciren angemahnt und aufgemunteret hat / sprechend: Lobet den HErrn mit Posaunen-Schall / lobet ihn mit Psalter und Harpfen. Lobet ihn mit Paucken und Reyen / mit Saiten-Spil / mit Pfeiffen und wohlklingenden Cymbalen. Und wiederum: Psallite DEO nostro, psallite Regi nostro: 76 Lobsinget unserm GOTT / lobsinget unserm König. Aber er beschliesset alles mit diesem merckwürdigen Zusatz / und sagt: Psallite sapienter: lobsinget mit Verstand. Mercket es wohl / sapienter, sagt David /mit Verstand soll man in der Kirchen bey dem Gottesdienst psalliren und musiciren: das ist / mit Bescheidenheit und Mässigkeit / ehrbar- und auferbaulich /nicht gar zu frech und frisch / nicht das Miserere Tantz-weiß / oder als wolte man ein Ballet oder eine Tafel-Music aufmachen / sonder sapienter, mit Verstand und gravitätisch / nicht gar zu affectat in denenGestibus und Expressionen / als wolte man in derOpera eine Liebs-Geschicht produciren. Sapienter, mit Verstand / nicht mit ungemeiner und gewaltsamerForcirung der Stimm / als wolte man mit einem Unger-Ochsen wegen dem Clamabile um das Præ streiten. Sapienter, noch einmahl mit Verstand / nicht als wolte man mit den Trompeten und Paucken bey einem Tournier oder Ritter-Spiel die Tummel-Pferd zum Muth anfrischen etc.

Ein gewisser H. Vatter sagt auch deßwegen denen Musicanten auf dem Chor etwas heimliches in ein Ohr: und wann ichs recht verstanden hab / er die Ermahnung ihnen gab: Ne talem faciant musicam, ut audientibus pedes potiùs pruriant ad saltandum, quàm os & labia ad orandum. Ich will es weiters nicht verteutschen / die Herren Capell-Meister und Chor-Regenten verstehen schon Lateinisch.

Ich aber sage nur noch zum Beschluß dieser Materi / daß man bey jeziger Zeit billich zweifflen könne / ob man sich mehr über die Kunst und Zierlichkeit der höchst florirenden Music selber / oder über die kunst-und sinnreiche [185] Erfindung so vieler unterschiedlichen musicalischen Instrumenten (neben den 4. Stimmen /welche eine Gab der Natur seynd /) verwundern solle: massen bey jeziger Zeit in der Wahrheit man sagen kan:


Der Paucken- und Trompeten-Schall
Laßt sich hören überall:
Der tieffe Bass und hoch Discant,
Ist gar schön und wohl bekannt:
Der rein Tenor und zarte Alt
Auch zierlich zusammen halt. 77
Besser als der Nachtigallen
Mir diese Stimmen gfallen.
Zur Harpfen und Geigen
Thuts Ghör sich gern neigen:
Cithara und Lauten /
Theorba und Flauten /
Schallmu und die Hoben
Seynd billich zu loben.
Spinetel Bassetel
Annehmliches Flötel /
Und reines Violin
Gar leicht nimmt ein den Sinn.
Mandorel und Galitschon
Gibt ein gar schönen Thon:
Viola d'Gamb und d'Amor
Bringt Lust und Freud dem Ohr:
Doch das Englisch Violet
In der Wahl vor allen hätt.
Waldhorn / Zincken / und Posaunen
Sich beyr Music gar nicht saumen:
Vagot, Serpant, und Clarinet
Künstlich streiten in die Wett /
Auchs Clavicord und Instrument
Ist schön wann mans frisch schlagt und bhendt:
Doch der Orgel ihr Principal
Hats Præ für ein und alle mahl.
Trutz Musæ Parnassi,
Bey jetziger Zeit /
Kunstreiche Phonasci
Euch fordern zum Streit.
Die Clio muß weichen /
Thalia deßgleichen:
Wann jetzige Stimmen /
Und Saiten erklingen.
Ich aber kan da beytragen
Nichts als das billiche Lob:
Diß ist meiner (selbst muß klagen)
Hochschätzung einzige Prob.
Der 3. Absatz
Anhang
Zu dem Geruch oder der Nasen von dem Schnupff-Taback.

O du hochgeprießnes und niemahl genugsam gelobtes Kräutlein / du edler Schnupff-Taback! wie kan und soll ich dich nach Verdienst und würdig preisen? 86 Ich weiß wahrhafftig nicht / wo ich dein Lob anfangen oder endigen solle: massen ich in unterschiedlichen bewährten Scribenten / und alten Authoribus habe nachgeschlagen / und dannoch auch so gar deinen blossen Nahmen nicht habe finden / vielweniger etwas von deiner Krafft und Tugend aufbringen können. Es muß wohl die mißgünstige Natur sich denen vergangenen Sæculis dißfalls ein rechte Stief-Mutter gezeigt haben / daß sie dich / einen so edlen Schatz und kostbares Kleinod ihnen so lang verborgen / und erst zu unseren guldenen Zeiten hervor gebracht hat.Ex ratione intrinseca kan ich zwar von dir nicht viel sagen: aber ab authoritate extrinseca auch hoher Stands-Personen / da ist deines Lobs noch Zihl noch End; dann du bist (sagen deine Liebhaber) eine Stärckung des Haupts / eine Reinigung des Hirns / eine Erhaltung der Gesundheit / eine Verlängerung des Lebens / eine Verminderung der Flüß- und Feuchtigkeiten / eine Bewahrung vor vielen Kranckheiten / eine Lust und Freud des Geruchs / ein annehmliches Nasen-Confect, ohne welches sie ja mit Schmertzen mußte zusehen / wie man einen so manchen guten Bissen in das Maul schiebe.

Wann nun dises alles wahr ist (behüt mich GOtt /daß ich sage / es seye nicht wahr) so hat ja der Erdboden nach dem Baum des Lebens kein nutzlichers und edlers Gewächs jemahl herfürgebracht / als eben das edle Taback-Kraut / welches / wie schon gemeldet /ein Erhaltung und Verlängerung des Lebens seyn solle. Demnach mich sehr wunderet / wie doch der Enoch / Noe und Mathusalem / ja viel andere Vätter im Alten Testament so lang haben leben und ein Alter von etlich hundert Jahr erreichen können / indem sie doch nie keinen Taback geschnupfft haben: ja ich glaube vestiglich / daß wann sie bey ihrer so gutenConstitution sich des Schnupf-Tabacks fleißig bedient / und auch sonst kein tödtliches Accidens bekommen [188] hätten / so lebten sie annoch biß auf den heutigen Tag.

Es sollen einstens 2. aus denen Götteren mit einander certirt haben / welcher aus ihnen die nutzlichste Creatur erschaffen könne: darauf habe einer das Oel /der andere das Pferd herfür gebracht: ja das seynd zwar nutzliche Ding / aber diese Götter haben es wohl schandlich vergessen / daß sie keinen Schnupff-Taback erschaffen haben; dann es sagt ja jedermann /der Schnupff-Taback sey ein so nutzliche und nothwendige Sach. Es sagt es der Edelmann und der Baursmann / der Kauffmann und der Handwercksmann / der Kriegsmann und der Waidmann / der Schiffmann und der Fuhrmann / der Weltmann und der Ordens-Mann. Ja was sag ich jedermann / auch so gar die Weiber wollen Taback geschnupfft haben /und dises stehet ihnen so wohl an / als wie dem Bären die Schwefel-Pfeiffen / oder dem Storchen ein Schein-Huth. Ey so schnupff. Ja die kleine Knaben in der Schul gewöhnen sich auch bey Zeiten vom 10ten oder 11ten Jahr an zu dem Taback-Schnupfen / und seynd offt besser mit dem Taback-Büchslein als Bett-Büchlein versehen. Ey so schnupff. Wo nur immer ein guter Freund zum andern kommt / da muß alsobald die Taback-Büchs vornen daran seyn / da præsentirt man alsobald einen Rapee oder d'foglio, einen Tridentiner oder Flamentiner / Romaner oder Brasilianer / Spaniol, oder Frangipan, Imperial, Granirten / Melirten etc. da ist des Schnupfens und Dupffens kein Ziel noch End. Ey so schnupff.

Zu verwundern ist es / daß Pabst Urbanus der VIII. in einer Bulla datirt den 30. Jan. An. 1642. undInnocentius der X. in einer andern Bulla Anno 1650. unter Straff der Excommunication oder des geistlichen Banns das Taback-Schnupffen in der Kirchen verbotten hat (es begreifft zwar die gemelte Bulla nur die Kirchen zu Sevilien und St. Peters-Kirch zu Rom) vielleicht hat der Heil. Vatter geforchten / es möchte etwas von disem edlen Nasen-Pulver / wegen des Geträngs verschüttet und entunehrt werden: oder hat er etwan deßwegen den Gottesdienst abgekürtzet? inmassen ja die Catholische Kirch kein Stieffmutter ist /und nicht verlangt / daß man ihm selbst durch den einer gantzen Stund langen Enthalt und Abbruch des Schnupff-Tabacks das Leben abkürtze. 87

Dem sey nun wie ihm wolle / es ist nur auf die Welsche Nasen vermeint / wird vielleicht einer sagen / wir aber seynd zimlich weit von Rom: wir aber seynd doch in der Kirchen als wie zu Rom / möchte vielleicht ein anderer sagen. Aber das ist recht zu vrrwundern / daß man den Schnupff-Taback in so kostbaren Dosen von Schildkrot und Helffenbein /von Silber und Gold aufbehaltet / da doch bißweilen fürnemmere Reliquien oder Gebein grosser Heiligen nur in höltzernen oder meßingen Gefäß oder Capsulen eingefaßt seynd. Zwar auch diese Verwunderung wird abnemmen / wann man gedenckt / daß es an gewissen Orthen Nacht-Servis von Silber / und Kelch von Zinn abgebe.

Der weltweise Pythagoras und berühmte Hesiodus, der Natur-kundige Plinius und Æsculapius, Dioscorides und Galenus auch Hippocrates haben viel geschrieben von grosser Krafft und Würckung unterschiedlicher Kräuter in schweren Kranckheiten und Anligen: aber von dem Kraut / woraus man den Schnupff- und Trinck-Taback machet / sagen sie kein Wort. Hingegen / wann man die einverleibte Brüder und Schwesteren der vast allgemeinen Taback-Bruderschafft fraget / welches das allerbeste / edliste /kräfftigste / gesündiste / fürtrefflichste Kraut seye / da sagen und ruffen sie einhellig zusammen Taback / Taback.


Es ist ja nichts so wohlgeschmack
Als der edle Schnupff-Taback.

Ja ja:


Es ist halt nichts so wohlgeschmack
Als der edle Schnupff-Taback. 88
Drum muß so offt geschnupffet seyn /
Wan schon s Hirn ertrücknet ein.
[189]
Wann man schon gnug hat Bier und Wein /
So muß doch geschnupffet seyn.
Wann man schon hat kein Fleisch noch Bein /
So muß doch geschnupffet seyn.
Wan man nur hat ein Kreutzerlein /
So muß es gleich verschnupffet seyn.
Man sey schon groß oder noch klein /
So muß doch geschnupffet seyn.
So bald man tritt in Kirch hinein /
Da muß gleich geschnupffet seyn.
Wann schon drauf folgt ein Straff und Peyn /
So muß doch geschnupffet seyn.
Der Doctor sage ja oder nein /
So muß doch geschnupffet seyn.
Man schmehl mit einem oder grein /
So muß doch geschnupffet seyn.
Wann schon noch gut / noch g'sund noch fein /
So muß doch geschnupffet seyn.
Wann schon man hat des Nutzens kein /
So muß doch geschnupffet seyn.
Wann man kaum g'lesen ein Blätlein /
So muß wider g'schnupffet seyn.
So bald man geessen ein Bißlein /
Da muß schon geschnupffet seyn.
Wann man hat truncken ein Gläßlein /
Muß gleich drauf geschnupffet seyn.
Auch wann der Wirth die Zech nimt ein /
Muß darbey geschnupffet seyn.
Und solt es nur Baum-Rinden seyn /
So muß doch geschnupffet seyn. Ey so schnupff.
Wann es dann je muß geschnupfft seyn /
So füll ich selbst Taback-Büchs ein.

Aber mit was? Mit einem guten kräfftig- und gesunden Pulverlein / welches man fein wohl in die Nasen reiben soll / je öffter je besser. 89 Es heißt sonsten: Quod sapit, nutrit, was einem wohlgeschmäckt /das ist ihm gesund: ob dises Nasen-Pülverlein allen schmäcken werde / das weiß ich nicht: aber daß es zu Erhaltung der Gesundheit / nicht des Leibs sondern der Seelen dienlich seye / das ist gewiß. Es ist aber kein anderes als das jenige / welches die Catholische Kirch durch die Hand des Priesters denen Christglaubigen am ersten Tag in der Fasten auf das Haupt streuet / mit den Worten: Memento homo, quia pulvis es, & in pulverem reverteris: Gedencke O Mensch /daß du Staub und Aschen bist / und wirst wider zu Staub und Aschen werden. Mit einem Wort / es ist ein reiffe und öfftere Betrachtung des Todts / diese ist ein stattliches Præservativ wider den Unrath der Sünd und Laster / wider die Flüß und Feuchtigkeiten der sinnlichen Gelüsten etc. Probatum est.

Im übrigen will ich das bißherige Tadlen des Taback-Schnupffens keineswegs verstanden haben von den jenigen / welche dises Mittel aus Rath der Medicorum, oder aus eigner und gewisser (und nicht nur eingebildeter) Erfahrnuß / als zur Gesundheit ersprießlich / mäßig und mit Bescheidenheit brauchen: sondern nur auf die jenige ist es gemeint / welche es aus purer Gewohnheit / ohne alle Noth und Nutzen allzustarck mißbrauchen. Mit einem Wort / die Herren Liebhaber des Schnupff-Tabacks verlauben mir nur auf ihre schön und kostbare Taback-Dosen folgendes Sprüchlein gantz subtil / doch tieff und lesentlich einzugraben oder einzustechen.


Omne, quod est nimium, vertitur in vitium.

Alls was zu viel g'schieht / und ohnmäßig /
Schädlich ist / und unzuläßig.

Wann ich aber von dem Taback-Trincken oder rauchen / wie mans zu nennen pflegt / melden solte / da dürffte ich wohl etwas freyers schreiben; massen da nicht so viel grosse Herren / und ansehnliche Männerinteressirt seynd / als wie bey dem Schnupffen / sondern mehrentheils nur die gemeine Musquetirer: dann die Herren Officier halten es lieber mit einem guten Glaß Wein (obwohlen auch zu Zeiten beyde müssen beysammen seyn) Es ist zwar ein armer Schlucker nicht zu verdencken [190] / wann er durch das Taback-Rauchen den Hunger und Durst / wo nicht zu vertreiben /doch zu vergessen sucht / oder der sonsten zu Zeiten aus billich- und vernünfftigen Ursachen dises Mittel mit Mäßigkeit brauchet. Aber die jenige / so täglich ohne Ursach / aus einer blossen Gewohnheit gantze Stunden mit dieser liederlichen Beschäfftigung zubringen / möchte ich nur fragen / ob sie auch wissen /woher das Taback-Rauchen komme? So viel ich zu sagen weiß / kommt es aus der Höllen her; dann als in der Haupt-Stadt Lima in dem Königreich Peru ein Gottseeliger Ordensmann aus dem Hochlöblichen Prediger-Orden einstens eine besessene Person beschworen hatte / und den bösen Feind von ihr auszufahren gezwungen. 90 Da hat diser höllische Gast bey dem Ausfahren folgende Wort von sich hören lassen: Weil du mich von Lima und aus Peru vertreibest / so will ich dir zum Spott den Taback in Europam bringen. Anton. Massini in schola Christiana. Es wurde auch zu Paris vor wenig Jahren der Teuffel aus einer besessenen Person gefragt: wer und wie sein Nahmen sey? Basta Soper, sagte er / es ist genug / daß man weiß / daß ich derselbige Teuffel bin / der aus America den Taback in Europam gebracht hab. O wohl ein schöner Urheber des Taback-Trinckens in Europa! Doch scheinet auch aus diesem schandlichen und stinckenden Rauch ein Liecht einer guten Sitten-Lehr herfür: dann wann man nur die Sach recht und wohl betrachten will / so ist es gewiß / daß:


Der Taback-Rauch hat grosse Krafft /
Dann er viel fromme Menschen macht:
Weil sich an ihme jedermann
Des Todts gar leicht erinnern kan. 91
Der Rauch zwar in die Höhe steigt /
Doch gar nicht lang darinn verbleibt.
Die Blätter / so man schneidet ein /
Zu Aschen bald verkehret seyn.
Der Mensch ist auch nur wie ein Dufft /
Der bald vergehet in dem Lufft.
Die Pfeiffen wird aus Erd gemacht /
Der Mensch aus Leim ist hergebracht /
Und wie gar leicht die Pfeiff verbricht /
So bald ist auch der Mensch zernicht.
Drum ist das Kraut noch rühmens werth:
(Schau nur / daß nicht mißbrauchet werd)
Weil sich daran ja jederman /
Leicht / seines Todts erinneren kan.
Der 4. Absatz
Anhang
Anhang.
Von denen fünff Sinnen ins gemein.

Da bey dieser Materi ist noch anzumercken / daß die fünff äusserliche Sinn denen Menschen und mehristen Thieren gemein seynd. 99 Ja ein Theil der Thieren übertreffen die Menschen in einem oder anderen Sinn / laut jener bekannten Versen:


Nos equus auditu præcedit aranea tactu,
Vultur odoratu, linx visu, simia gustu.
Der Lux den Menschen überwindt
Am Gsicht / das Pferd am Ghör:
Beym Affen bessern Gschmack man findt /
Der Geyer riechet mehr:
Ein zärters Fühlen hat die Spinn /
So scharff nicht seynd des Menschen Sinn.

Aber in diesem ist ein grosser Unterschied / daß die unvernünfftige Thier nur lediglich dem Sinn nachgehen / und selben nach ihrem Lust gebrauchen: der Mensch aber soll durch die Vernunfft seine regieren /selbe nutzlich gebrauchen oder anwenden / und ihnen nichts Ungebührliches zulassen. 100 Die menschliche Sinn seynd Knecht und Mägd der Seelen / dieser sollen sie gehorsamen / und in Ubung guter Wercken getreu und fleißig mitwürcken / auf daß sie verdienen /samt ihr ewiglich belohnet zu werden.

Die fünff Sinn seynd gleichsam die Thür und Thor / durch welche alles / was gut und böß ist / das Leben und der Todt zu der Seel eingehet / deßwegen sollen sie fleißig und mit aller Behutsamkeit bewahret werden. 101 Sie seynd jene fünff Talenta, welche uns der himmlische Haußvatter übergeben und anvertraut hat / darmit zu negotiren oder handlen / das ist / selbe zu seiner Ehr / zu der Seelen Heyl / und Auferbauung des Nächsten anzuwenden: von welchen wir ihme auch zu seiner Zeit genaue Rechnungschafft erstatten müssen etc.

Wie daß wir nutzlich und verdienstlich mit unseren fünff Sinnen negotiren sollen / lehret uns der geistreiche Ludovicus Blosius: Aus Liebe JEsu Christi / sagt er / der für dich so viel gelitten hat / thue auch was übriges / und sage ab denen Ergötzlichkeiten und Lustbarkeiten der Sinnen: da du gern etwas sehen /hören / riechen / kosten oder anrühren möchtest / gedencke / daß du nicht der reitzenden Sinnlichkeit /sondern der Vernunfft und GOTT / der in dir redet /müssest nachkommen und gehorchen. Die Augen /fahret er weiters fort / das Gehör / die Zungen sollest du fleißig bewahren / daß sie sich nicht ausgiessen /noch zu verbottenen / eitlen / unnützen Dingen wenden. Sehr wachtbar und behutsam must seyn / daß du nicht mehr oder anderst redest / als sich geziemet. Gleichwie man bey einer Vestung zu Kriegs-Zeiten starcke Wachten haltet / und niemand zu den Thoren einlasset / der nicht zuvor wohl examinirt ist / und seinen Paß auflegen kan / also / will Blosius haben /daß bey denen Thoren unserer Sinnen gute Wacht gehalten werde / und nichts weder aus- noch eingelassen / was verdächtlich oder unanständig ist / und dieses wegen der Gefahr / daß nicht die Vestung / das ist /die Seel verrathen / und dem Feind übergeben werde.

Ein schöne Gleichnuß und Sitten-Lehr von denen fünff Sinnen bringet herbey der gottseelig- und hocherleuchte Jacoponus, welche der berühmte ScribentBenignus Kybler S.J. in seines Wunder-Spiegels zweyten Theil fol. 140. schier auf folgende Weiß anfüget. 102 Ein adeliche und wohlgestalte Jungfrau hatte 5. Brüder / welche aber von gering- und schlechten Mittlen waren: sie hingegen hatte ein kostbares Kleinod von grossem Werth.

[193] Aus denen fünff Brüdern ware einer ein Musicant /der andere ein Mahler / der dritte ein Apothecker / der vierdte ein Koch / der fünffte ein freyer Buhler. Der Musicant kame zu seiner Schwester / und sprach: Meine Schwester / du weist / in was Armuth ich stecke / ich bitte dich / komm mir zu Hülff / und gib mir dein Kleinod / meine Armuth zu bereichen / und mein Leben zu erhalten. Dieses kan nicht seyn / gab die Schwester zur Antwort / massen ich selber dessen höchstens bedürfftig bin / und es nicht gerathen kan. Ich will dir aber / wendet der Bruder ein / was anderes darfür vergelten / und zu Gefallen thun. Was da? fraget sie / ich will dir aufmachen oder aufspielen / sagte er / so lang es dir beliebt: ja / es wäre schon recht /sprach die Schwester / wann es aber aus / und das Gesang oder Saiten-Klang vorbey ist / was hab ich alsdann darvon / mit was soll ich mich ernähren? fort mit dir / so närrisch bin ich nicht / daß ich meinen kostbaren Schatz so liederlich verschertze: vielmehr will ich mir einen guten Heurath dardurch zuwegen bringen /und mich mein Lebtag darmit versorgen.

Nachdeme der Musicant abgewiesen war / kame der der Mahler daher / meldet sich um das Kleinod an / und verspricht auch ihr die schönste und herrlichste Kunst-Stuck oder Gemähl darfür zu geben. Die Jungfrau aber weiset ihn so wohl als den ersten ab / mit eben dergleichen Entschuldigung / daß sie vom blossen Anschauen nicht leben könne. Es kommt hierauf der Apothecker / und bietet seiner Schwester die beste Confection, den lieblichisten Bisam und Balsam an etc. deßgleichen der Koch die beste Speisen und delicate Schlecker-Bißlein / sie solle ihnen doch ihr schönes Kleinod darfür lassen zukommen. Der Buhler endlichen anerbotte ihr einen gantzen Hauffen der Liebhaber zu kuplen / welche ihr allerhöflichst aufwarten / und zu Diensten stehen sollen. Es ware alles nur um das schöne Kleinod zu thun / selbiges ihrer Schwester abzuschwätzen: sie aber / wie billich /wolte sich durchaus nicht darzu bereden lassen: und der Buhler bekame vor anderen den Korb / und wurde und abgeschafft; die kluge Jungfrau verbliebe Frau und Meisterin über ihren so werthen Schatz.

Nicht lang hernach meldet sich ein König selber an / und begehrt von der Jungfrau das Kleinod zu haben: sie aber laßt sich auf folgende Weiß gegen ihm vernehmen / und sagt: Euer Majestät in aller Gebühr unterthänigst aufzuwarten / sollen sie gleichwohl wissen / daß ich auf der gantzen Welt nichts liebers / und nichts anders / als dieses einzige Kleinod oder Edelgestein besitze; dises ist all meine Freud und Reichthum / wann dann Ihro Majestät selbiges so hoch verlangen / möchte ich zuvor auch gern wissen / was sie mir hingegen darfür zu geben gesinnet seyen? Worauf der König geantwortet: daß er entschlossen seye / sie zu seiner Gemahlin anzunemmen / mithin zu einer Königin zu machen / und in einen vollkommnen glückseeligen Stand zu setzen. An statt der Morgen-Gab solle sie alles haben / was sie immer zur beharrlichen Glückseeligkeit wünschen und erdencken könne.

Auf dieses besinnet sich die Jungfrau nicht lang /sondern bedancket sich höchstens gegen dem König und sagt / daß sie niemahl was anders gesucht und verlangt habe / als solche Belohnung; sie wolle gern all ihren Schatz daran wenden / wann sie nur eines so so mächtigen und reichen Königs Lieb und Freundschafft neben so grossen versprochenen Gütern beharrlich geniessen könne. Es ware also der Contract geschlossen / das Kleinod dem König würcklich eingehändiget / die Jungfrau in höchste Würde und Glückseeligkeit eingesetzt / mit Versicherung / dieselbe immer und allzeit zu geniessen.

Diese Gleichnuß hat Jacoponus auf folgende Weiß erklärt und ausgelegt. Die Jungfrau / sagte er / ist die Seel / das Kleinod / der freye Willen / die fünff Brüder seynd die 5. Sinn des Menschen; der Mahler ist das Gesicht / der Musicant das Gehör / der Geruch der Apothecker / der Geschmack [194] schmack oder das Kosten ist der Koch / und endlichen das Greiffen oder Antasten der Buhler / welcher Sinn vor anderen die Krafft hat zur Ungebühr oder zum Muthwillen anzureitzen. Diese alle bewerben sich / die Seel zu verfüren / und sie um ihren Schatz / um ihr Heyl und Freyheit zu bringen. Die Augen und die Ohren eröffnen dem verbottenen Wollust die Thür und Thor / die andere Sinn helffen ihn vollbringen. Der König aber ist Christus ein Bräutigam der keuschen Seelen. Nun wäre die Jungfrau / die Seel ja sehr thorrecht / wann sie ihren Schatz oder Kleinod / das ist / ihre Freyheit und ihre Lieb einem aus denen 5. Werberen um so schlechten Preiß / um einen kurtz- und schnöden Wollust vertauscht / und dem König entzogen hätte etc. Es wolte also der gottseelige Mann sagen und anzeigen / daß durch die Talenten der fünff Sinnen die ewige Güter oder den Himmel zu erwerben / derselben Innhaltung und Abtödtung höchstens vonnöthen seye: und daß man nicht gleich / wann der Mahler /das Gesicht kommt / und einen schönen Apfel / als wie der Eva / oder ein schönes Weibsbild / als wie dem David / oder ein Stuck Geld / als wie dem geitzigen Achan vorweiset / solle darein platzen / und sich darvon bethören lassen / und der Willen ja darzu sagen: Wann schon der Spielmann die Saiten rühret /soll man nicht gleich die Füß lupfen / zu springen und tantzen anfangen: wann schon der Koch dem Geschmack die niedliche Schlecker-Bißlein anerbietet /soll man doch nicht gleich mit allem dem Maul zufahren etc. sondern vielmehr die Sinn zuruck- und innhalten / als wie der Reuter das Pferd mit dem Zaum /oder der Waidmann den Hund mit dem Strick innhaltet: Und dieses solle geschehen aus Liebe GOttes / der an all seinen fünff Sinnen und gantzen Leib so viel für uns gelitten hat. Dieses heißt mit denen uns von GOTT verlyhenen 5. Talenten der fünff Sinnen wohlnegotiren / und die ewige Güter / den Himmel dardurch einhandlen.

[195]
Fußnoten

1 Was und wie viel innerliche Sinn seyen.

2 Des menschlichen Augs Fürtrefflichkeit und wunderliche Structur oder Beschaffenheit.

3 Zwey sittliche Augen der Seel seynd der Glaub und die Vernunfft.

4 Nothwendigkeit diser Augen.

5 Deut. c. 15. v. 21.

Levit. c. 21. v. 20.

6 Das Aug ist das edliste Glied.

7 Eccli. c. 23. v. 28.

8 Die Augen seynd ein Sinnbild der Göttlichen Weißheit und Allwissenheit.

9 Der Göttliche Anblick ist bald günstig / bald ungünstig.

10 Psal. 32. v. 18.

11 Amos c. 9. v. 9.

12 Eccli. c. 17. v. 13.

13 Die Gegenwart GOttes soll man wohl zu Gemüth führen: und was für Krafft es habe?

14 Die Krafft der Göttlichen Augen wird ferners beschrieben.

15 Durch die Augen werden die geistliche Obrigkeiten beditten.

16 Ihr Pflicht und Amt / oder wie sie sollen beschaffen seyn.

17 Job. c. 29. v. 15.

18 1. ad Tim. 4. v. 2.

19 Reg. c. 2.

20 ad Ephes. c. 5. v. 23.

21 Psal. 37.

22 Die Augen seynd gefährlich / und verursachen viel Schaden.

Tren c. 3. v. 51.

23 Eccli. c. 31. v. 15.

24 Judith. c. 9. v. 13.

25 Behutsamkeit der Augen ist sehr nothwendig.

26 Matth. c. 5. v. 29.

27 Exemplen diser Behutsamkeit.

28 Psal. 118. v. 37.

29 Eccli. c. 2. v. 14.

30 Prov. c. 17. v. 24.

31 Unterschiedliche schadhaffte oder beschädigte Augen.

32 Eccli. c. 14. v. 8.

33 1. Reg. c. 18.

34 Psal. 17. v. 28.

35 Eccli. 14. v. 9.

36 Cant. c. 6. v. 4.

37 Ein ungeschickt- und närrischer Liebhaber.

38 Historia.

39 Prov. c. 4. v. 25.

40 Psal. 118. v. 35.

41 Die Spiegel seynd das Aug der Kunst / seynd schön und nutzlich.

42 Sie seynd getreue und unverfälschte Zeugen und Rathgeber.

43 Das eigne Gewissen ist gleich einem Spiegel.

44 In den Spiegel des Gewissens sollen wir fleißig schauen.

45 Lib. 1. Natur. q.c. 17.

46 Die Vorsichtigkeit ist gleich einem Perspectiv.

47 Die falsche Welt gleichet einem Perspectiv.

48 Guten Rath soll man annehmen.

49 Eccli. c. 32. v. 24.

50 Wunderbarliche Beschaffenheit des menschlichen Ohrs.

51 Das Ohr oder Gehör wird auf die Prediger des Wort GOttes ausgedeutet.

52 Der Gehorsam wird mit dem menschlichen Ohr verglichen.

53 Reg. c. 5.

54 Psal. 17. v. 45.

55 Jacob. c. 1. v. 19.

56 Das Wort GOttes soll man gleichgültig von einem jeden anhören.

57 Die Ohren soll man bewahren und wohl in Obacht nemmen oder recht brauchen.

58 Eccli. c. 28. v. 28.

59 2. Tim. c. 4.

60 Jerem. c. 6. v. 10.

61 Das Gehör ist betrüglich und gefährlich.

62 Eccli c. 19. v. 4.

63 Die Wahrheit ist / und macht verhaßt.

64 In wem die Music bestehe / oder wie sie beschaffen sey?

65 Lobsprüch und Nutzen der Music.

66 Verwunderliche Krafft der Music über die Thier und Menschen.

67 1. Reg. c. 16.

68 Historia von einem sehr virtuosen Harpffenisten.

69 Krafft der Music in Kranckheiten.

70 Alterthum und Hochschätzung der Music.

71 Gen. c. 4. v. 21.

72 Das Gesang ist GOtt und denen Menschen angenehm.

73 Die Music solle zur Ehr GOttes gerichtet werden und nicht zur eitlen Ehr.

74 Die Music will nicht allen gefallen.

75 Die Music soll man mäßig und mit Bescheidenheit brauchen.

76 Psal. 150. v. 3. etc.

77 Viel unterschiedliche musicalische Instrumenten.

78 Der Geruch ist der mittlere aus den 5. Sinnen.

79 Die Nase wird beschrieben.

80 Woher das Niessen komme.

81 Die Nasen und guter Geruch wird auf die Andacht ausgedeutet.

82 Eccli. c. 39. v. 18.

83 Cant. c. 1. v. 3.

84 Die Nasen bedeutet die Klugheit und Fürsichtigkeit der Oberen.

85 S. August. de moribus Eccles.

86 Das Lob des Schnupff-Tabacks ist unbeschreiblich.

87 Joseph. Loncin. im Christl. Weltweisen part. 5. f. 414.

88 Der starcke Mißbrauch des Schnupf-Tabacks wird getadlet.

89 Ein geistlicher Schnupf-Taback ist die Gedächtnuß des Todts.

90 Woher das Taback-Rauchen komme.

91 Sitten-Lehr aus der Taback-Pfeiffen gezogen.

92 Wie das Kosten oder Versuchen geschehe.

93 Der Geschmack wird auf die Discretion und Bedachtsamkeit ausgedeutet.

94 Wie der geistliche Geschmack verderbt werde.

95 Num. c. 11. v. 5.

96 Wie der fünffte Sinn beschaffen seye.

97 Durch das Fühlen wird die Lieb angezeigt.

98 1. Cor. c. 13.

99 Die 5. Sinn seynd den Menschen und mehristen Thieren gemein.

100 Wie die 5. Sinn sollen bewahret und angewendet werden.

101 Sitten-Lehr von der 5. Sinnen behutsamen Gebrauch.

102 Die 5. Sinnen werden mit 5. Brüdern verglichen /welche die Seel zu verführen suchen.

III. Von dem Haupt - Hirn und Angesicht des Menschen, von den Wangen, Kin und Zähnen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von dem Haupt.

Gleichwie das Haupt das oberste Ort in der Stellung des menschlichen Leibs bekommen hat / also ist es auch ausser allem Zweifel das edliste und fürnehmste aus allen Gliederen / in welchem die Seel / als in einem Thron vorsitzet / alles dirigirt und anordnet; dann in dem Haupt hat oder übet sie ihre fürnehmste Verrichtungen / als da seynd das Verstehen / das Gedencken / Sehen / Hören etc. 1 Da befinden sich die äusserliche und innerliche Sinn / die Species sensibiles, oder Gestalten der empfindlichen Dingen / die thierliche Kräfften / der Ursprung der Nerven etc. Die Figur oder Gestalt eines wohl proportionirten Haupts ist nicht gäntzlich rund wie ein Kugel / sondern etwas länglächt / und der Länge nach ist es der achte Theil des gantzen Leibs: es ist auch mit starcken Bein und Nerven unterstützt und versehen / auf daß es vest und aufrecht stehe etc.

Es wird der Mensch nach seiner Leibs-Gestalt ein umgekehrter Baum genennet / dessen Kopff und Haar gleichsam die Wurtzel seynd / die Händ und Füß aber / so abwärts gegen der Tieffe stehen / die Aest machen etc. und demnach ist das menschliche Haupt die Wurtzel oder der Ursprung / von welchem die Sinn ihre Bewegnussen und andere Kräfften / so in den gantzen Leib fliessen / empfangen. Ja / wann das Haupt wohl bestellt und wohl beschaffen ist / da befinden sich gemeiniglich auch die andere Glieder wohl: wann aber das Haupt mangel- oder schadhafft ist / da müssen es auch die andere Glieder entgelten /sie befinden sich übel auf.


Dum caput ægrotat, cætera membra dolent.

Wanns am Haupt selbsten fehlen thut /
Stehts um Glieder auch nicht gut.

Dieser Ursachen seynd im sittlichen Verstand durch das Haupt des Menschen zu verstehen die geist-und weltliche Vorsteher / Regenten und Origkeiten /welche das Haupt ihres sittlichen Leibs / das ist /ihrer Gemeind oder Unterthanen seynd; wessentwegen auch Christus der HERR Petrum Cephas genennet /als er ihne zum Vorsteher seiner Glaubigen gemacht hat: Tu autem vocaberis Cephas, 2 du sollest Cephas heissen; welches Sprichwort auf Lateinisch so viel heißt / als Caput, ein Haupt / wie Berchorius und andere anmercken; deßwegen der David zu GOtt gesprochen hat: Constitues me in caput gentium, 3 du wirst mich zum Haupt unter denen Heyden / denen Völckeren / setzen: und der Prophet Samuel zu dem Saul: du wurdest das Haupt unter dem Stammen Israel seyn. Dann erstlich / gleichwie das Haupt den obristen Platz in dem Leib deß Menschen hat / worvon es auf die andere Glieder herab siehet / also ist der Obere und Vorsteher an das höchste Ort der Dignität oder Würde gesetzt / auf daß er desto füglicher auf seine [196] Mitglieder oder Untergebne sehen und sie dirigiren möge. Aber gleichwie der Regent oder Vorsteher der Oberste ist in der Würde / also soll er auch der Oberste seyn / und andere übertreffen in der Klugheit / in denen Verdienst- und Tugenden.

Ferners / gleichwie das Haupt mit 7. Löcher oder Oeffnungen versehen ist / nemlich der Augen / der Ohren / der Nasen und des Munds / durch welche theils die Speiß und Tranck / theils die Gestalten der jenigen Dingen / so man siehet / höret etc. eingehen /theils die fœces oder Excrementen / als wie der Speichel etc. ausgehen / also soll ein Regent oder Vorsteher mit denen 7. Gaaben und Gnaden des H. Geists begabet seyn / Krafft deren er das Gute an sich ziehet und das Böse von sich ausschliesset. 4 Wiederum gleichwie fürnemlich 6erley Ding sich in dem Haupt befinden / nemlich das Gebein / das Hirn / die Nerven / die Sinn / die Haar / und ein wenig Fleisch / also solle in einem Regenten oder Vorsteher sich befinden das Gebein der Stärcke und Standhafftigkeit / das weiche Hirn der Mildigkeit / die Nerven der zusammenhaltenden Lieb und Freundschafft / die Sinn derDiscretion und Vorsichtigkeit / die Haar des äusserlich erbaren Wandels / aber nicht viel Fleisch / das ist / keine starcke Neigung zu Fleisch und Blut / oder zu denen Bluts-Verwandten / damit er auf dieselbe nicht zu viel verwenden thue / ihnen nicht zu viel zuschiebe / und ohnmäßig bereichen thue. Absonderlich gleichwie die Natur das Haupt versehen hat mit denen Augen / Ohren / Nasen und Zungen etc. auf daß es sehen / hören / riechen und reden möge / also soll ein Oberer oder Vorsteher / bevorab ein geistlicher Vorsteher in sittlichem Verstand mit guten Augen der Klugheit und Vorsichtigkeit begabt seyn: mit einem guten Gehör / welches allzeit offen stehe die billiche Klag und Beschwerden seiner Untergebnen anzuhören; hingegen verschlossen seyn denen falschen Verläumdungen / Ohrenblasen / und Schmeichlereyen. Er solle begabt seyn mit einem guten Geruch und Geschmack eines exemplarischen Lebens und der Behutsamkeit das Gute von dem Bösen / die Wahrheit von dem Betrug und der Falschheit zu unterscheiden: auch mit einer guten Zungen das Wort GOttes denen seinigen vorzutragen. Ein geistlicher Vorsteher warhafftig alles / was von denen Seinigen geschieht / so viel es möglich ist / sehen und erforschen / hören und nachsinnen / alles riechen und verkosten / so wohl den Wohlstand als die Betrangnuß seiner Untergebnen /das Leid und die Freud / ihme nicht nur erzehlen lassen / sondern auch selbst verkosten und behertzigen: er solle nach dem Exempel des Apostels sich erfreuen mit den Frölichen / und trauren mit denen Traurigen: und auf solche Weiß wird an ihme erfüllt werden der Spruch Salomonis / der Seegen des HErrn ist auf dem Haupt des Gerechten. 5

Aber es gibt eben bey jetziger Zeit wenig solche Häupter / die mit allen diesen Tugenden begabt und gezieret seynd. 6 Viel sehen nicht / weil sie verblendt seynd von dem Hochmuth / von der eignen Lieb: oder wan sie zwar sehen / was zu verbesseren / oder abzustraffen wäre / so sehen sie doch nur durch die Finger / und dissimuliren aus menschlichem Respect, aus eitler Forcht und Kleinmüthigkeit. Viel hören nicht /weilen ihre Ohren verstopfft oder eingenommen seynd von falschem Bericht oder Irrwohn / oder von eignem Lob etc. Andere haben den Geruch des guten Namens / oder den Geschmack der Discretion, oder der Unterscheidungs-Krafft verlohren. Anderen ist die Zung nicht gelößt / sie seynd canes muti non valentes latrare, 7 wie sie der Prophet nennt / Stumme Hund /die nicht bellen mögen / das ist / die ihnen nichts zu sagen trauen / wann sie die Her GOttes und Gerechtigkeit beschützen / oder die Sünd und Laster bestreiten sollen.

Das natürliche Hauptwehe kommt aus unterschiedlichen Ursachen her / als von aufsteigenden bösen Dämpfen / von überflüssigen Feuchtigkeiten / oder aus Mangel der Verdäuung / oder von grossen Hitzen und allzustarcker [197] Bemühung etc. Auch das sittliche und politische Hauptwehe / ich will sagen / das Ubelaufseyn und schlimme Beschaffenheit der Geistlich-und Weltlichen Oberhäupter kommet her bald von aufsteigenden bösen Dämpfen des Hochmuths / des Ehr- und Geld-Geitzes / von denen Feuchtigkeiten der zeitlichen Gelüsten und des Wohllebens / aus Mangel der Concoction, weil sie keinen harten Bissen / das ist / keinen Verdruß oder Widerwärtigkeit verdäuen und verkochen können / oder wollen / von der Hitz des gähen Zorns und Eyfersucht / und gar zu grosser Sorg und Bemühung um das Zeitliche etc. Alsdann heist es auch im sittlichen Verstand:


Dum caput ægrotat, cætera membra dolent. 8

Wanns am Haupt selbsten fehlen thut /
Stehts um Glieder auch nicht gut.

Alsdann kan sich ein Land oder ein Gemeind wohl in der Wahrheit beklagen und sagen: Caput meum doleo, caput meum doleo. 9 Mein Haupt thut mir wehe / mein Haupt thut mir wehe. Das ist mein vorgesetzte Obrigkeit / durch ihre üble Verwaltung verursachet mir Leid und Schaden.

Alle Glieder des menschlichen Leibs / ja auch die Gebein in den Gliedern / werden vermittelst der Nerven / so aus dem Haupt herab gehen / aneinander gehefft und zusammen gehalten / und wann die Krafft oder der Einfluß des Haupts / so durch die Nerven geschieht / aufhört oder verhinderet wird / da hört auch die gute Constitution auf / es werden auch die Sinn von ihrer Bewegung und Würckung verhinderet. Vast eben also werden die Glieder eines sittlichen Leibs /das ist / einer geistlichen Gemeind / durch kräfftigen Einfluß ihres Haupts / das ist / durch die Lehr und gutes Exempel ihres Oberen in guter Harmoni oder Verstandnuß und Einigkeit erhalten / und zur Würckung des Guten vermöcht. Wann aber diser Einfluß die gute Anweisung und Vorsorg abgehet / da ist in dem gantzen Leib / in der gantzen Communität ein lautere Confusion und Zerrüttung / es wird nichts rechtschaffnes mehr ausgericht.

Sonsten kan durch das Haupt des Menschen auch die rechte Intention die gute Meynung verstanden werden / als von welcher der Werth alles Thun und Lassens dependiret / gleichwie die Glieder von dem Haupt dependiren. 10 Wann dise auf GOtt und der Seelen Heyl gerichtet ist / da seyn alle sittliche Glieder / das ist / alle Werck auch wohl disponirt. Das Haupt des Menschen stehet gerad und aufrecht gegen dem Himmel: und auch die Meynung alles Thun und Lassens solle gerad aufwerts auf GOtt und den Himmel gehen. Da heist es: Respicite & levate capita vestra, 11 Sehet auf / und erhebet euere Häupter. Aber es gibt gar viel Häupter / die vast niemahl übersich gen Himmel / sondern allzeit nur auf die Erden / oder das Irrdische sehen: ich will sagen: böse Meynungen /die nicht das rechte / sondern ein verkehrtes Zihl und End haben.

Dises Haupt / die gute Meynung / solle bedeckt seyn / mit denen Haaren der Demuth und Niderträchtigkeit nach dem Rath des Heil. Gregorii hom. 22. in Evang. da er sagt: Unser Liecht oder Leben solle also leuchten / daß die Menschen zwar unsere gute Werck sehen / und den himmlischen Vatter deßwegen preisen / aber die gute Meynung solle in der Still und verborgen bleiben. In Göttlicher H. Schrifft werden wir ermahnt das Haupt zu waschen / zu salben / und auch mit Aschen zu bestreuen. Auch das sittliche Haupt die gute Meynung solle gewaschen oder gereiniget seyn von der eitlen Ehr / von der eignen Lieb etc. gesalbet mit dem Oel der Gnad GOttes / und besprengt mit der Aschen der Demuth und der Gedächtnuß des Todts /auf daß die Werck / so aus der guten Meynung entspringen / gut und verdienstlich seyen.

Der 2. Absatz
[198] Der 2. Absatz.
Von dem Hirn des Menschen.

Das Hirn ist ein weisse feucht- und linde Materi /ohne Blut / es hat viel Geist und Marck in sich. Es ist / wie der fürtreffliche alte Medicus Joan. Guinterius de medicin. vet. & nova fol. 190. anmercket / von GOtt zu obrist in den menschlichen Leib / als in einem vest und starcken Schloß gesetzt / auf daß es von aller Gefahr und Gewaltsamkeit desto sicherer seye: Es ist mit 2. Häutlein überzogen / deren das eine zart und dünn ist / und von denen Herren Medicis Pia mater, ein gütige Mutter genennt wird / das andere aber gröber und dicker / dura mater, eine harte Mutter benamset: fornenher ist es von der Hirnschalen geschirmet und bewahret / hintenher aber von dem Nacken oder Genick. Das Hirn ligt in 3. Behaltnussen / es ist in 3. Theil abgetheilt / den rechten / lincken und hinderen Theil / welcher appendix ein Anhang des Hirns / oder cerebellum das kleine Gehirn genennt wird. In dem einen Theil befindet sich die Imaginatio oder Einbildungs-Krafft / in dem 2ten die Vernunfft /und in dem 3ten die Memori oder Gedächtnuß. Ubrigens obwohlen das Hirn an ihm selber unempfindlich ist / enspringet doch von ihm die Empfindlichkeit und Bewegnus aller Sinnen.

Durch die Beschaffenheit des Hirns wird abermahl angezeigt / wie ein Regent oder Vorsteher soll beschaffen seyn und sich gegen seine Untergebne verhalten. 12 Dann gleichwie das Hirn in einer weiß und weichen Materi ohne Blut bestehet / aber viel Geist und Marck in sich hat / also soll die Regierung einer Obrigkeit weis und weich / ich will sagen / glimpflich oder gelind / rein und unsträfflich / ohne Blut / das ist / nicht nur ohne Grausamkeit / ohne Rach und Blutgierigkeit / sondern auch ohne allzugroß und unordentliche Neigung zu Fleisch und Blut / zu seinen Befreunden / und Blutsverwandten / ohne Partheyligkeit und Absehen auf die Person. Hingegen soll auch ein Obrigkeit erfüllt seyn mit dem Geist der Weißheit und des Verstands / des weisen Raths und der Discretion oder Unterscheidungs-Krafft / auch mit dem Marck der Stärcke / des Gemüths / der Andacht / der Pietät und Gütigkeit / die Klagen und Beschwerden der Untergebnen williglich und gütig anzuhören.

Das Hirn ist mit 2. Häutlein einem zarten und groben eingewicklet und beschützet: auch das Gemüth oder die Regierungs-Art eines Obern soll mit der Zärte / und der Räuhe auf allen Fall versehen seyn /das ist / mit der Strenge oder Ernsthafftigkeit / und mit der Mildthätigkeit nach dem Rath des Apostels 2. Tim. c. 4. argue, increpa, obsecra, straffe / ermahne /bitte etc. doch ist anbey zu mercken / daß die Pia mater die gütige Mutter dem Hirn näher ist als diedura, die harte / und dardurch wird zu verstehen geben / daß die Mild- und Gütigkeit bey denen Oberen / so lang es sich immer thun lasset / prævaliren /und der Schärpfe oder Strengheit vorbiegen solle: wie uns der Heil. Vater Bernardus gar schön dessen erinnert / indem er denen Obern zuspricht und sagt: sie sollen sich befleissen / mehrers Mütteren als Herren ihren Untergebne zu seyn / mehr geliebt als geforchten zu werden: die Mütterliche Güte soll der Vätterlichen Strengheit vortringen / sie sollen ehender die Brüst als die Streich anerbieten.

Ferners / gleichwie in denen 3. Cellulis oder Kämmerlein des Hirns die fürtrefflichste Kräfften die Einbildung / die Vernunfft und Gedächtnuß sich befinden / also solle ein Regent oder Vorsteher durch die Imaginationem oder Einbildungs-Krafft ihme selbst lebhafft vorstellen und betrachten / die zukünfftige Ding / die sich ereignen mögen: durch die Rationem judiciariam aber oder guten Verstand / soll er die gegenwärtige Ding urtheilen und unterscheiden / und endlich durch die Pupim reservatoriam oder Hinterhaltnuß das vergangne in der Gedächtnuß behalten; [199] dann dieses seynd die 3. Theil der Vorsichtigkeit / welche ein sittliches Hirn der Seelen ist / und sich auf das Vergangene / Gegenwärtig- und Zukünfftige erstrecken soll: in massen der weise Seneca sagt: Si prudens fuerit animus tuus, tribus temporibus dispensetut: futura præcave, præsentia ordina, præterita recordare: 13 Wann du wilst klug und weißlich handlen / so theile deine Weiß- und Klugheit auf 3. Zeiten aus: fürsehe das Zukünfftige / ordne das Gegenwärtige / und gedencke an das Vergangene.

Das Hirn ertheilt dem Leib den Sinn und die Bewegnuß; derowegen / wann das Hirn wohl disponirt /da ist auch anderes in dem Leib wohl beschaffen und geordnet: Eben also / wann die Obrigkeit wohl bestellt / klug und sorgfältig ist / da ist auch der sittliche Leib oder untergebne Gemeind wohl bestellet: hingegen / wann es in dem Hirn / das ist / an der Obrigkeit fehlet / da stehet es auch bey denen Unterthanen nicht wohl. 14

Die jenige / die viel Hirn und darinn viel Feuchtigkeiten haben / seynd gemeiniglich dem Schlaff mehrers ergeben / sie seynd vergessen und flüßig: hingegen die ein truckneres Hirn haben / seynd wachtbar /und was sie begriffen haben / das behalten sie steiff. Eben also seynd die jenige Obrigkeiten / die mit viel zeitlichen Güteren versehen / und denen Sinnlichkeiten oder Gemächlichkeiten ergeben / diese seynd schläfferig / oder saumseelig und sorgloß in Verwaltung ihres Ampts / und Beförderung des gemeinen Nutzens: sie seynd vergessen / flüßig oder unbeständig in Ausführung guter Räth und Vorsätzen etc. Die geistliche Wachtsamkeit wird bey ihnen verhinderet; dann sie ruhen und schlaffen in ihren sinnlichen Gelüsten und Anmuthungen tieff ein. Hingegen / wann sie dürr und trucken / das ist / wann sie mäßig seynd in dem Gebrauch der zeitlichen Güter / und der Abtödtung ergeben / da seynd sie behutsam und wachtsam /und fleißig ihres Ampts / ihrer Pflicht und Schuldigkeit ingedenck.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Angesicht des Menschen.

Das Angesicht ist der schönste Theil des menschlichen Leibs / der die Gestalt des Menschen absonderlich von denen unvernünfftigen Thieren unterscheidet: Es ist mit einer sonderbaren Lebhafftigkeit vor anderen Gliederen begabt und gezieret / und die Seel lasset sich / und ihre Würckungen fürnemlich in dem Angesicht verspühren: ja auch die Affectiones und Passiones oder Anmuthungen lassen sich in dem Angesicht vermercken; dann gleichwie man an dem Uhr-Zeiger die Stunden des Tags siehet / und die Würckung der inwendig verborgenen Räderen / und das gantze Uhrwerck erkennet / also kan man aus dem Angesicht abnemmen / wie der Mensch innerlich bestellt und beschaffen seye: und gleichwie die Seel ein Ebenbild GOttes ist / also ist das Angesicht einiger massen eine Abbildung der Seel; es stellet den innerlichen Stand als wie ein Spiegel vor. 15 Das Angesicht ist ein herrliches Frontispicium des Haupt-Gebäus / ich verstehe des Haupts / worinn die Seel als eine Königin Hof haltet / die fürnehmste Aempter austheilet / und die herrlichste Verrichtungen auübet. Es ist der Wappen-Schildt / welcher denen Anschauenden vorweiset /wer der Besitzer oder Innwohner des so herrlichen Pallasts / das ist / des menschlichen Leibs seye. 16 Vultus est animi janua, sagt der Römische Redner /das Gesicht ist die Thür / durch welche man zur Erkanntnuß des Menschen eingehet. Es bestehet aber die Schönheit fürnemlich in 3. Stucken / nemlich in der Unterschiedlichkeit der Theilen / in denen Farben /und in der Proportion. Man findet in dem gantzen menschlichen Leib keinen Theil / in welchem so vielerley Stuck zusammen kommen / und sich besser auf einander schicken / als in dem Angesicht. Es versammlen sich daselbst die 5. Sinn und ihre Organa: es gibt unterschiedliche [200] Crösplen / Gebein / Nerven /Mäußlein / Aderen / Haut und Haar / Fleisch und Blut. Wiederum gibt es mancherley Austheilungen /Sitz und Figuren: die Stirn besitzet das höchste Orth /als ein Thron des Verstands / die Augen seynd wie Stern oder Facklen / die das Angesicht erleuchten /die Ohren das Audienz-Zimmer / die Nase der Canal /durch welchen der Geruch eingehet / und die überflüßige Feuchtigkeiten ausgeführt werden. Der Mund /samt Zähn und Zungen ist das Red-Hauß / in welchem die Stimm und Sprach formiret wird. Das Kin und die Wangen seynd dem Menschen vor allen anderen Thieren verlyhen / sie geben dem Angesicht eine Zierd und Ansehen. Was aber die Farben des Angesichts belanget / so seynd selbige unterschiedlich /bald ist es weiß / bald roth / bald braunlecht / bald schwartz / bald gelblecht nach Beschaffenheit undComplexion des Menschen. Endlich die Proportion oder Gleichmäßigkeit der Theilen des Gesichts betreffend / ist selbe gleichfalls wunderbarlich; dann ein jeder Theil schauet gleichsam den anderen mit rechter Maaß an: ein Aug / ein Ohr etc. ist gleich dem anderen. Mit einem Wort / die Schönheit / Gestalt undProportion des menschlichen Angesichts zeiget die Fürtrefflichkeit des Göttlichen Baumeisters an.

Aber das menschliche Angesicht hat nicht nur die gemeldte Schönheiten / sondern es ist auch eine Anzeigung der innerlichen Eigenschafften und Gemüths-Neigungen / die man darinn / als wie in einem Spiegel (wann es nicht simulirt / oder sich fälschlich verstellet) ersiehet. Es haben auch deßhalben die Alte vor Zeiten offentliche Schulen und Lehrmeister angestellt / welche sie Physiognomos, diese Kunst oder Wissenschafft aber Physiognomiam genennet haben: das ist eine Kunst / die Natur und Art des Menschen aus denen Lineamentis der Gliederen / absonderlich des Angesichts / zu erkennen. 17

Aristoteles hat ein eignes Buch geschrieben / in welchem er lehret / wie man die verborgene Eigenschafften des Menschen / durch die Anschauung der Glieder / und sonderlich des Angesichts / erkennen möge. Viel Grichische und Lateinische Scribenten haben diese Materi fleißig tractirt / und einer jedenQualität oder Eigenschafft ihren gewissen Sitz an einem Orth des Angesichts verordnet / darauß man die gut- und böse Eigenschafft / wie auch unterschiedliche Anmuthungen / als Zorn und Sanfftmuth / Freud und Leyd / Forcht und Hoffnung abnemmen könne: und dieses nicht ohne Grund / massen der weise Syrach spricht: Cor hominis immutat faciem illius, sive in bona sive in mala: 18 das Hertz des Menschen änderet das Angesicht / es seye in Gutem oder Bösen. Doch ist diese Kunst der Physiognomi nicht allerdings gewiß und unfehlbar; dann ein böses Naturel oder Humor kan wohl durch Fleiß und Tugend verbesseret werden / oder hingegen eine gute Natur durch Laster und Unfleiß verschlimmeret. Homo videt in facie, DEUS autem in corde: Der Mensch sihet zwar was von aussen her ist / GOTT aber alleinig durchtringet das innerste des Hertzens.

Deßwegen kan das Gesicht wohl mit dem Gewissen verglichen werden: dann / gleichwie ein Mensch den anderen aus dem Angesicht kennet / ob er dieser oder jener / häßlich oder wohl gestalt seye / also kennet GOTT den Menschen aus dem Gewissen / ob er fromm oder gottloß / gerecht oder ungerecht seye. 19 Das Angesicht lasset sich nicht bergen vor denen Augen der Menschen / und das Gewissen nicht vor denen Augen GOttes.

Wann das Angesicht bey dem Menschen schön ist /da wird der gantze Mensch für wohl gestalt gehalten /und wenig auf die andere Glieder Achtung geben: und wann das Gewissen gut und rein ist / da hat auch alles Thun und Lassen seinen Werth und Schönheit.

Keinen Theil des menschlichen Leibs hat man besser in Ehren / keinen thut man durch fleißiges und öffteres Abwaschen [201] von aller Mackel und Unflath säuberen / keinen vom Ungewitter und Verletzung sorgsamer beschirmen / als das Angesicht. Eben also soll man das Gewissen vor allem behutsam in Obacht nemmen / von aller Mackel der Sünd und Laster reinigen und säuberen / und vor allem / was es verletzen mag / fleißig bewahren. Ein schönes Angesicht ist ein Lust und Freud der menschlichen Augen / und ein reines Gewissen ist ein Lust und Freud der Augen GOttes. Hingegen / wann das Angesicht häßlich ist / da hat man ein Abscheuen von dem Menschen / und wann das Gewissen böß ist / da ist der Mensch ein Greuel vor GOTT und seinen Englen.

Der Prophet Ezechiel hat in einer himmlischen Offenbahrung 4. wunderliche Thier gesehen / deren ein jedes viererley Gesichter hatte: nemlich das Gesicht eines Menschen / eines Löwen / eines Ochsen / und eines Adlers. 20 Auch der Mensch absonderlich ein Oberer / solle diese 4. Gesichter haben: das Gesicht eines Menschen / welches bedeutet die Reinigkeit des Gewissens: das Gesicht eines Adlers / welches bedeutet die Hoch- und Klarheit eines scheinbaren Tugend-Wandels: das Gesicht eines Ochsen / welches anzeiget die Freundschafft oder Gutwilligkeit / dem Nächsten zu helffen / und in der Nothdurfft beyzuspringen /nach der Ermahnung des frommen alten Tobiä / da er sagt: noli avertere faciem tuam ab ullo paupere etc. 21 wende dein Angesicht von keinem Armen ab / so wird auch GOTT von dir sein Angesicht nicht abwenden. Endlichen das Angesicht eines Löwen / welches bedeutet die Strenge und Gerechtigkeit wider die Ubelthäter; dann wie der weise Ecclesiastes sagt: Per tristitiam vultus corrigitur animus delinquentis: 22 durch ein trauriges oder finsteres Angesicht wird das Hertz des Sünders gebesseret.

Ein zweyfaches verstelltes Gesicht haben die Gleißner: und an diesen wird nicht erfüllet / was der Heil. Isidorus sagt / nemlichen: Facies est quædam mentis imago, daß Angesicht seye eine Abbildung des Gemüths: dann der innerliche Zustand kommt mit dem äusserlichen Ansehen gar nicht übereins. 23 Sie seynd gleich einem s.v. Misthauffen / der im Winter mit Schnee bedeckt ist / und schön weiß aussiehet /oder einem faulen Apfel / der von aussen noch schön roth / innerhalb aber schandlich / faul und stinckend ist. Sie haben kein aufrichtiges Menschen- oder Adlers-Gesicht / sondern vielmehr das Gesicht eines Chameleons / welches Thier / wie Plinius und Aristoteles sagen: theils einem Schwein / theils einem Affen gleichet: dann sie stellen sich zwar äusserlich als wie ehrbare Menschen / innerlich aber seynd sie unflätige Schwein. Sie seynd gleich denen hoffärtigen Weiberen / welche ihr schwartzes oder geruntzletes Angesicht mit einem falschen Anstrich färben und schön machen: aber wann ein Wind oder Regen an sie kommt / da verschwindet alle Schönheit / und verbleibet ihnen nichts als ihre schwartze Runtzlen. Eben also die Gleißner / wann sie schon ihre Boßheit und sündiges Leben mit dem falschen Anstrich der Ehrbarkeit und Tugend-Wandels anstreichen / so hat es doch kein langes Dauren / und keinen Bestand: sondern wann ein Wind oder Regen der Versuchung oder Widerwärtigkeit an sie kommet / da ist alle ihrefingirte Schönheit aus / und bleibet nichts übrig / als ihre eigne häßliche Gestalt / ihre eigne Boßheit. Von solchen Gleißneren können gesagt werden die Wort des Propheten Jeremiä: Candidiores nive, nitidiores lacte, saphiro pulchriores, 24 sie seyen zwar dem äusserlichen Ansehen nach weisser als der Schnee /und schöner als der Saphir-Stein: aber gleich darauf folget: denigrata est super carbones facies eorum, ihr Angesicht / ich will sagen / ihr Gewissen / seye schwärtzer als Kohlen.

Ferners kan durch das menschliche Angesicht auch die Barmhertzigkeit und Gerechtigkeit GOttes zugleich verstanden werden: dann / gleichwie ein Mensch den anderen mit eben dem [202] Angesicht bald freundlich / bald unfreundlich / bald sanfft / bald zornmüthig / bald freudig / bald traurig ansiehet /nachdem er nemlich ihm geneigt ist: also thut auch GOTT uns bald gnädig mit denen Augen der Barmhertzigkeit / bald ungnädig mit der Straff und strengen Gerechtigkeit ansehen / nachdem es unsere Verdienst oder Mißhandlungen erforderen. 25 Mit dem Angesicht der Güte und Barmhertzigkeit hat GOTT angesehen den bußfertigen David / Magdalenam / Petrum /und viel tausend andere: mit dem Angesicht der strengen Gerechtigkeit aber siehet er an alle verstockte und unbußfertige Sünder. Um das Angesicht der Barmhertzigkeit sollen wir mit dem David zu GOtt bitten:ostende faciem tuam, & salvi erimus, 26 zeige uns dein Angesicht / so werden wir genesen. Wider das Gesicht der Strengheit aber: averte faciem tuam à peccatis meis, 27 wende ab dein Angesicht von meinen Sünden. Absonderlich wird dieses doppelte Angesicht Christi erscheinen an dem Tag des Jüngsten Gerichts / wann er zu denen Auserwählten mit liebreichen Worten wird sprechen: Kommet her ihr Gebenedeyte meines Vatters / besitzet das Reich etc. Zu denen Verworffenen aber mit zornigen Worten:Gehet hin ihr Vermaledeyte in das ewige Feur etc. Entzwischen sollen wir fleißig unser Angesicht zu GOTT wenden durch die Andacht und Ehrerbietigkeit / durch die Liebe und das Vertrauen / so wird er auch sein Angesicht zu uns wenden durch Ertheilung seiner Barmhertzigkeit / seiner Gaben und Gnaden.


Hingegen / wann wir unser Angesicht / das ist / unsere Gedancken / unsere Lieb und Neigung von ihme ab / und nur immer auf das Zeitliche / und auf eitle Creaturen wenden / so wird er uns den Rucken seines Zorns wenden / und nicht würdigen gnädig anzuschauen / wie er bey dem Propheten Jeremia bedrohet: dorsum & non faciem ostendam eis in die perditionis eorum, 28 an dem Tag / so sie verderben / will ich ihnen den Rucken / und nicht das Angesicht zeigen.

Die Königin Esther hat sich so sehr geforchten vor dem zornigen Angesicht des Königs Assueri, daß sie als ohnmächtig darnider gesuncken / weil sie gesorget hat / es möchte sein Zorn sich auch über sie / als wie über andere ihres Geschlechts / oder ihrer Religion ergiessen. Hingegen hat die Königin von Saba glückseelig geschätzt die jenige / welche allzeit vor dem Angesicht des Salomons stehen kunten / seine Herrlichkeit anzuschauen / und seine Weißheit anzuhören. Eben also solle einer menschlichen Seel nichts erschröcklichers seyn / als das erzürnete Angesicht Christi des höchsten König und Richters: hingegen nichts Annehmlichers und Erwünschters / als einen liebreichen Anblick zu geniessen von dem jenigen /der da ist Speciosus præ fillis hominum, der Schönste unter denen Menschen-Kinderen / in quem Angeli desiderant prospicere, welchen anzuschauen die Engel selber die gröste Lust und Begierd haben.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von denen Wangen, und dem Kin.

Genæ die Wangen seynd auch unter den fürnehmsten Theilen des menschlichen Angesichts / und machen viel zu dessen Schönheit / bevorab / wann sie mit lebhaffter / weiß und rother Farb vermenget seynd: wie dann auch die Wangen oder Backen der geistlichen Braut in den hohen Liederen wegen ihrer Schönheit gerühmet / und mit den schönsten Dingen verglichen werden. 29 Sie seynd der eigenthumliche Wohnsitz der Schamhafftigkeit / der Zucht und Ehrbarkeit / absonderlich bey den Jungfrauen. Ja auch andere Passiones und Affectiones oder Gemüths-Neigungen / scheinen bey denen Wangen herauß / als da seynd Freud und Traurigkeit / Lieb und Haß / Hoffnung und Forcht. Aber sittlicher Weiß darvon zu reden / sollen die Wangen unserer Conversation, [203] unseres Verhaltens weiß seyn / durch die Aufrichtigkeit / Unschuld und Reinigkeit: roth aber durch die Liebe GOttes und des Nächsten: bleich hingegen wegen heilsamer Forcht: auch schwartzlecht durch die Demuth und Bußfertigkeit etc.

Mentum das Kin / ist so viel als mandibularum fundamentum, 30 der Untersatz oder Grundveste der zwey Kinbacken: es ist starck und beweglich / dienet zu dem / daß man den Mund zum Reden und Essen könne auf und zu thun.

Es ist der letzte und unterste Theil des menschlichen Angesichts / und wann dieses abgienge / so wäre selbes sehr geschändet: deßwegen kan wohl geistlicher Weiß durch das Kin die Tugend der Perseveranz, oder Beständigkeit im Guten verstanden werden / ohne welche das Angesicht unserer Conversation oder unsers Wandels / keine wahre und daurhaffte Schönheit der Tugend haben kan. Sie macht das End an dem Tugend-Gebäu / und wann dieses gut ist / da ist alles gut; dahero das Sprichwort entstanden ist: in fine ne corrumpas, 31 zu letzt verderb es nicht; dann /qui perseveraverit usque in finem, hic salvus erit: wer beharret biß ans End / wird seelig werden. Derowegen sollen wir dieses Kin der Beharrlichkeit im Guten wohl in Obacht nemmen / und uns nicht lassen darein greiffen / ich will sagen / von dem bösen Feind / unter keinem Vorwand von dem Guten lassen abwendig machen: damit es uns nicht ergehe / wie es dem Amasæ ergangen ist / welchen Joab gegrüsset /und bey dem Kin genommen hat / als wolte er ihn küssen / entzwischen aber hat er ihme den Dolchen in den Leib gestossen / und ermordet. 32

Ein grosses Wunder hat sich in dem Alten Testament begeben mit des Esels Kinbacken / mit welchem Samson 1000. Philistäer erschlagen hat / und aus welchem ihme / seinen grossen Durst zu löschen / frisches Wasser geflossen ist / von welchem / als er getruncken hatte / wurde sein Geist erquicket / und er bekam wiederum die vorige Kräfften. 33 Aber nicht weniger Krafft und Stärcke ligt in dem sittlichen Kinbacken / in der Perseveranz oder Beharrlichkeit verborgen; massen wir durch die Christliche Standhafftigkeit in dem Guten nicht nur 1000. Philistäer / als wie der Samson / sondern wohl unzahlbare höllische Feind erlegen und erschlagen können: und eben aus dieser Standhafftigkeit wird uns alsdann GOTT das süsse Wasser des häuffigen Trosts und reichlicher Vergeltung fliessen lassen.

Sonsten kan durch die Kinbacken auch das beschauliche und würckende Leben verstanden werden: das beschauliche zwar durch den oberen / das würckende aber durch den unteren Theil. 34 Die Kinbacken seynd gleich einer Mühl / welche immerdar gehet / die Speisen zermahlet / und dem Magen dieselbe zubereitet: in dem oberen Theil seynd die obere Zähn / in dem unteren die untere Zähn eingesetzt. Also thut auch das beschauliche Leben sich aufhalten bey den oberen Dingen / ich will sagen / in Betrachtung GOttes und himmlischer Dingen: das würckende Leben aber thut die zeitliche und leibliche Nothdurfften verschaffen: beyde zusammen / versehen den Leib der Catholischen Kirchen mit geistlicher und leiblicher Nahrung / des Gebetts / der geistlichen Lehr / der leiblichen Speiß und des Getrancks. Doch mit diesem Unterschied / daß / gleichwie das obere Biß unbeweglich ist / das untere aber beweglich / also muß das beschauliche Leben still und ruhig seyn / das würckende aber sich bemühen und beschäfftigen.

Die Kinbacken bestehen in hart- und starcken Bein und Nerven: welches nothwendig ist / theils den Mund auf und zu zuschliessen / theils auch die härtere Speisen zu zertheilen und zu zermahlen. Eine solche Härte und Stärcke erforderet auch so wohl das beschaulich- als würckende Leben / alle Beschwerden /die sich hierinnfalls ereignen / zu überwinden.

Der 5. Absatz
[204] Der 5. Absatz.
Von den Zähnen.

Was die Zähn anbelangt / so werden sie auf Lateinisch dentes, das ist / quasi dementes genennet / weilen sie nach und nach von der Speiß etwas hinweg nemmen: und seynd kleine sehr harte Knochen / welche in des Menschen Mund in denen Grüblein stecken / die sich in dem Kiffer und Zahnfleisch befinden: sie haben ihre gewisse kleine Aederlein / die in das dinne Bein-Häutlein / welches die Wurtzel der Zähnen innwendig bekleidet / gehen / und denen Zähnen die Empfindlichkeit mittheilen. An der Zahl seynd der Zähnen gemeiniglich oben und unten 15. oder 16. bey denen Männeren / und bey denen Weiberen 14. 35 Sie werden in dreyerley Gattungen abgetheilt: die erste werden genennet incisores, zerlegende oder Schaufel-Zähn / sie seynd breit und schneidig / die Speisen bequem zu zertheilen: die andere heißt man caninos, Hunds- oder Augen-Zähn / etwas schärpffer und spitziger / deren seynd nur 2. die dritte molares, zermalende Zähn / die alles / was hart ist / zerbeissen. Die erste haben nur ein Wurtzel: die andere 2. und die dritte 3. Was die erste nicht können zerschneiden /das schicken sie zu denen anderen / und was die andere nicht vermögen / überlassen sie denen dritten.

Sittlicher Weiß können die Ordens-Geistliche mit denen Zähnen verglichen werden: dann erstlich /gleichwie die Zähn zwar in dem Zahnfleisch sich befinden / und vest darinn stecken / so seynd sie doch über selbes erhebt / und gehen für dasselbe herauß: sie leyden es nicht gern / wann in oder zwischen ihnen etwas stecket / was nicht hinein gehört / sie haben keine Ruhe / biß daß es wieder herauß ist. 36 Eben also die Ordens-Geistliche seynd zwar von Fleisch und Blut / so wohl als die Welt-Menschen: sie müssen in dem Fleisch leben / und seynd an der Welt angehefftet: aber mit dem Geist und mit dem Gemüth sollen sie sich über das Irrdische erheben / und durchexemplarischen Tugend-Wandel sich vor anderen herfür thun / auf daß an ihnen erfüllet werde / was der Heil. Gregorius von einem H. Bischoff und Beichtiger ins gemein sagt / nemlich: er habe sich in der Wanderschafft dieses zeitlichen Lebens mit dem Leib alleinig / mit denen Gedancken und Begierden aber in dem himmlischen Vatterland aufgehalten. 37 Sie sollen auch nichts in oder zwischen ihnen gedulten / was sie von einander absönderet /oder die brüderliche Lieb und Einigkeit verstöhret etc.

Für das andere / weilen die obere und untere Zähn richtig zusammen gehen / und zusammen halten in Zermahlung der Speiß: die schwächere Zähn zerbeissen das Lindere / und die stärckere was härter ist. Also sollen auch in einer geistlichen Gemeind die Untergebene mit denen Oberen in allem richtig übereins kommen / und einhellig in Ubertragung der Beschwerden / und Beförderung des gemeinen Nutzens arbeiten: doch also / daß von dem / der grössere Kräfften / oder mehr Talenten von GOtt empfangen hat / ein mehreres erforderet werde / als von dem / der nicht so viel empfangen hat; cùm enim augentur dona, rationes etiam crescunt donorum, sagt der H.Greg. hom. 9. in Evangelia, gleichwie auch die stärckere und schärpffere Zähn mehr und härtere Brocken verbeissen müssen als die schwächere.

Drittens seynd die Zähn von GOtt und der Natur gar schön und ordentlich in den Mund eingesetzt /keine irret oder verhinderet den anderen: und eben dieses ist zu der Stimm und Red verhülfflich. Gleichfalls solle es in einem Closter oder geistlichen Gemeind alles recht und ordentlich her- und auf einander gehen / nach der Ermahnung des Apostels: omnia honestè & secundùm ordinem fiant in vobis: 38 alles solle ehrbar und ordentlich unter euch zugehen. Dann / wie der Apostel Paulus weiters anmercket / so müssen die Stärckere die Gebrechlichkeit der Schwächeren übertragen. 39 Ja eben darum wird die Religion [205] ein Orden genennet. Aus einer solchen guten Ordnung wird auch erfolgen / daß keiner den andern hindere oder beleydige / und die Stimm des Lobs GOttes und der auferbaulichen Reden wird einhellig bey ihnen erschallen.

Vierdtens / die Zähn in dem Mund des Menschen bemühen sich offt und viel / sie müssen einen manchen harten Brocken verbeissen und zertheilen / nicht wegen ihnen / oder für sich selbsten allein / sondern für den Magen / und folgends zu Nutz und Gutem des gantzen Leibs. Eben also die Ordens-Geistliche in denen Clösteren laboriren offt und viel / sie lesen und schreiben / betten / psalliren und studieren nicht für sich selbst allein / sondern auch für den Neben-Menschen / zu Nutz und Gutem des gantzen Leibs / ich will sagen / des sittlichen Leibs Christi und der Catholischen Kirchen. Es kan in der Wahrheit von ihnen gesagt werden: dentes tui sicuti greges tonsarum: 40 deine Zähn seynd wie die Herden / die beschoren seynd. Sie lassen nicht nur bey Tag und bey Nacht die Stimm des Lobs GOttes hören in dem Chor / sondern sie geben auch die Milch und Woll her / sie theilen reichlich mit die Milch der heilsamen Lehr / auf der Cantzel und in dem Beichtstuhl / in denen hoch-und niederen Schulen etc. ja auch die Woll der zeitlichen Güteren und Habschafften ihrer Fundation oder Stifftung / deren sie einen grossen Theil zur Bedienung der Gästen / und zur Verpflegung der Armen aufwenden.

Fünfftens / obwohl die Zähn / weilen sie an sich selber ein hartes unempfindliches Bein seynd / nicht leiden thäten / so leiden sie doch offt Schmertzen und Ungemach wegen dem Zahnfleisch / wegen denen Nerven und Aederlein / mit welchen sie nächstens verbunden und angehefftet seynd. Eben also geschieht es auch öffters / daß die Ordens-Geistliche / die sonst unempfindliche Bein seyn solten / nur gar zu empfindlich seynd / Schmertzen und Ungemach leiden /nicht directè wegen ihnen selber / sondern wegen dem Fleisch und Blut / Nerven und Aederlein / mit welchen sie so starck verknüpfft und verbunden seynd: ich will sagen / wegen ihren Bluts-Verwandten / Befreundten und bekannten weltlichen Leuthen / mit welchen sie allzugrosse und unnutzliche Gemeinschafft pflegen / welchen sie gar zu starck und unordentlich zugethan seynd / in alle ihre Geschäfft sich einmischen / all ihre Händel richten und schlichten wollen / ihre Process und Heyraths-Contract führen helffen / sie zu Dienst und Aempter promoviren etc. wann es aber fehl schlaget und übel gelingt / wann sie den erwünschten Effect nicht können erreichen / da werden sie deßwegen verstöhrt und betrübt / sie empfinden frembdes Leid und Schmertzen / dessen sie sich selber theilhafftig machen.

Ubrigens ist es bekannt / daß / wann man Zahn-Schmertzen leidet / und kein Mittel helffen will / oder wann schon der Schmertzen ein wenig gestillet worden / aber gleich wiederum anhaltet / da pflegt man den schmertzhafften Zahn gar auszureissen / und leidet lieber einen obwohl grösseren / doch kurtzen Schmertzen / als die immerwährende Ungelegenheit: absonderlich / wann der Zahn an sich selber vitios, hohl oder faul ist / und auch die andere inficiren oder anstecken will. 41

Ebenfalls / wann ein Mensch in einer Communität boßhafft und schädlich ist / wann nach vorher gangener genugsamer Ermahnung und Abstraffung keine beständige Besserung erfolgt / ja noch über das ein Gefahr ist / daß auch andere verderbt und angestecket werden / da soll man das ferrum abscissionis brauchen / ein solches schädliches Mitglied abhauen / oder wenigist in einen solchen Stand setzen / daß es nicht mehr schaden könne. Abscindantur, qui vos conturbant, 42 sagt der Apostel Paulus / die euch verwürren / sollen ausgereutet oder abgehauen werden. Und von solchen Unruhigen und Aufrührischen kan man wohl mit dem Psalmisten sagen: dentes eorum arma & sagittæ, & lingua eorum gladius acutus 43:ihre Zähn seynd Spieß und Pfeil / und ihre Zungen scharpffe Schwerdter etc.

[206] Merckwürdige Begebenheiten haben sich mit denen Zähnen zugetragen / unter anderen folgende: In Ost-Indien in dem Zeilandischen Reich wurde in einem heydnischen Tempel ein Abgott oder Götzen-Bild in Gestalt eines weissen Affens / so mit Gold und Edelgestein gar reichlich gezieret war / angebetten und in so grossen Ehren gehalten / daß die heydnische Fürsten mehr als 100. Meil weit jährlich eine Gesandtschafft dahin schickten / welche ihnen von dieses Affens Zahn aufs wenigist ein in Wachs abgedrucktes / und mit vielem Geld erkaufftes Contrafait überbringen mußte. 44 Nun kame dieses Götzenbild in den Gewalt und in die Händ der Portugeser zu gröstem Leid und Bestürtzung der heydnischen Fůrsten und Herren: welche inständigist anhielten / daß man ihnen ihren Abgott wiederum zuruck stellte / aber vergebens. Endlich anerbotten sie ein übergrosse Summa Geld von viel tausend Ducaten / daß sie aufs wenigist nur einen gewissen Zahn von dem besagten Affen wiederum erhalten möchten. Diese gewaltige Summa Geld stache zwar freylich die Portugeser starck in die Augen / bevorab / weilen sie damahls Mangel an Geld erlitten / und darfür hielten / daß sie mit so grosser Summa in diesen Landen so wohl den Catholischen Glauben / als die Ehr ihres Königs mercklichpromoviren kunten. Aber die PP. S.J. haben ihnen so kräfftig zugesprochen / und das Geld anzunemmen mißrathen (weilen sie nemlich glaubten / man wurde auf solche Weiß zu fernerem Götzendienst denen Heyden Ursach und Anlaß geben) daß sie sich ent schlossen haben / den teuflischen Affen-Zahn in einem Mörser zu verstossen und in das Wasser zu werffen / gäntzlich verhoffend / es werde die Göttliche Allmacht und Vorsichtigkeit ihre siegreiche Waffen mit anderwärtigen glücklichen Progressen seegnen /wie auch in der That erfolgt ist / inmassen sie so vil Land und Leuth in Indien eroberet haben.

Noch köstlicher und hochschätzbarer ist gewesen ein ausgefallener Zahn des Kayserlichen GeneralsGalas, als mit welchem er den Himmel selbsten erkaufft hat. Dann als dieser Herr Anno 1647. sich zu Lintz in Oesterreich aufhielte / da litte er grossen Zahn-Schmertzen / und wolte ihm deßwegen einen Zahn lassen ausreissen: aber der Medicus ware darwider / und mißrathete es. Als nun dieser General ein wenig eingeschlaffen / und bald wieder erwacht ware /da vermeckte er / daß der schmertzhaffte Zahn für sich selbsten ausgefallen seye / und würcklich in seinem Mund lige: er nimmt ihn herauß / und gibt ihn demMedico zu besichtigen. Dieser stehet vor Verwunderung gantz erstaunet / nicht nur / daß der Zahn so gähling für sich selber ausgefallen / und aller Schmertzen verschwunden / sondern vilmehr über die seltzame Figur / so er darauf ersehen hat. Als der General die grosse Verwunderung merckte / nimmt er den Zahn wiederum zuruck / ihne recht zu besichtigen: und siehe Wunder! er findet / daß wahrhafftig auf seinem ausgefallenen Stock-Zahn eine Todten-Bahr samt dem schwartzen Tuch und weissen Creutz gantz deutlich verzeichnet seye: er ruffte alsobald laut auf: O das ist eben das jenige Zeichen / um welches ich GOtt so offt und inständig gebetten hab! das ist ein Zeichen und Vorbott meines bald herbey nahenden Tods. Wie es dann auch im Werck erfolgt ist / indem er den 25. April zu Wien an einem gewissen Zustand gottseelig und wohl bereitet verschieden ist.

[207]
Fußnoten

1 Das Haupt ist das fürnehmste Glied des menschlichen Leibs.

2 Das menschliche Haupt bedeutet die geist- und weltliche Vorsteher / oder Regenten und Obrigkeiten.

3 Ps. 17. v. 44.

4 Wie dieselbe sollen beschaffen seyn.

5 ad Rom. c. 12 v. 15.

Prov. c. 10. v. 6.

6 Uble Beschaffenheit untugenlicher Oberen.

7 Isaiæ c. 66. v. 10.

8 Der Wohlstand der Untergebnen dependirt von denen Obrigkeiten.

9 4. Reg. c. 4.

10 Die gute Meynung wird durch das Haupt verstanden.

11 Luc. c. 21. v. 28.

12 Das menschliche Hirn zeiget an die Qualitäten /welche ein Obrigkeit haben soll.

13 Die Vorsichtigkeit bestehet in 3. Stucken.

14 Die Gleichnuß zwischen dem Hirn und einem Oberen wird weiters fortgeführt.

15 Das Angesicht des Menschen zeiget den innerlichen Stand an.

16 Die Schönheit und Austheilung des Angesichts.

17 Was die Physiognomia seye.

18 Eccli. c. 13. v. 31.

19 Das menschliche Angesicht wird mit dem Gewissen verglichen.

20 Vierfaches Angesicht des Menschen im sittlichen Verstand.

21 Tob. c. 4. v. 7.

22 Eccli. c. 7 v. 4.

23 Falsches Gesicht der Gleißner.

24 Thren. c. 4. v. 7.

25 GOtt hat ein zweyfaches Angesicht.

26 Psal. 79. v. 8.

27 Psal. 50. v. 11.

28 Jerem. c. 18. v. 17.

29 Die Wangen seynd eine Zierd des Angesichts / und Anzeigen der Gemüths-Neigungen.

30 Was das Kin bedeute.

31 Matth. c. 24. v. 13.

32 2. Reg. c. 20.

33 Jud. c. 15. v. 18.

34 Das beschauliche und würckende Leben durch die Kinbacken angedeutet.

35 Was und wie vilerley Zähn in dem Mund seyen.

36 Die Ordens-Geistliche werden mit den Zähnen verglichen in vielen Dingen.

37 S. Greg. hom. 9. in Evang.

38 Ad Rom. c. 15. v. 1.

39 1. Cor. c. 4.

40 Cant. 4. v. 2.

41 Ein schlimmer Zahn solle ausgerissen werden.

42 Ad Gal. c. 5. v. 12.

43 Psal. 56. v. 5.

44 Denckwürdige Begebenheit von einem Zahn.

IV. Von dem Mund und Zungen - von Haar und Bart
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von dem Mund des Menschen.

Os der Mund wird also genennet quasi ostium, das ist / eine Thür / weil durch den Mund / als durch eine Thür die Speisen / und der Lufft eingehen / hingegen die Stimm / die Reden und der Speichel ausgehen. 1 Sein Ampt oder Verrichtung ist vierfach: nemlich die Speiß zu sich nemmen / und selbe verkauen / den Lufft oder Athem an sich ziehen / und das Hertz dardurch abkühlen / die Wort und Red formiren / und die überflüßige Feuchtigkeiten ausspeyen / den Leib dardurch zu reinigen.

Der Mund wird in den innerlichen und äusserlichen abgetheilet: der äusserliche bestehet in denen Leffzen / die ein rothes / blaiches und subtiles Fleisch seynd /mit einem zarten Häutlein überzogen: sie bedecken und umgeben die Zähn von aussen her / und beschützen selbige vor der Kälte und rauhen Lufft. Ferners dienen die Leffzen den Lufft zu schöpffen / zu kosten / und samt der Zung die Stimm zu formiren / und die Wort herfür zu bringen. Der innere Theil bestehet neben der Zung und den Zähnen / in dem Gaumen /Palatus genannt / dessen Gestalt ist gewölbt / und bestehet in einem besonderen Fleisch / welches mit vielen Drußlen vermenget ist / deren ausführende Gänglein das Häutlein / welches den Gaumen / und gantzen inneren Mund umgiebet / als wie ein Sieb durchlöcheren: sein Ampt ist / daß er die Speisen für den Magen helffe zubereiten / und die Stimm vergrösseren und vermehren. In dem hinteren Theil des inneren Munds befindet sich die Enge / so der Rachen / fauces genennet wird / auf dessen Seiten schwammichte Drüßlen /tonsillæ, die Mandel stehen / die mit ihrer Feuchtigkeit den Schlund befeuchten und schlipferig machen. In der Mitte der Mandel hanget das Zäpflein / uvula, welches drüeßig ist und zur Sprach dienet / auch verhinderet / daß der Lufft / so hinein geschlucket wird /nicht zu starck und gäh auf die Lungel hinab dringe.


Der Mund ist gleichsam das Leben und die Vollkommenheit des menschlichen Leibs; dann ohne Stimm und Sprach wäre der Mensch sehr unvollkommen und armseelig: das Commercium humanum, das Gewerb und die Handelschafft unter den Leuthen wurde mehrentheils zu Boden ligen / wann dieses Redhauß / der Mund geschlossen wäre; massen er alleinig der beste Dollmetsch des innerlichen Gemüths und seiner Anmuthungen / seiner Concept und Vorschlägen ist. 2 Billich derowegen hat jener Weltweise zu einem gewissen Jüngling gesprochen: loquere, ut te videam, rede / damit ich dich sehe. Er wolte sagen: rede / damit ich dich aus deinem Reden können lerne /wie du beschaffen seyest: inmassen / gleichwie man aus dem Uhr-Zeiger gleich siehet / wie viel es geschlagen hat / also nimmt man aus denen Reden ab /wie der Mensch beschaffen seye: Quo enim cor abundat, os loquitur: Von wem das Hertz voll ist / von dem gehet auch der Mund über. Imago animi sermo est, qualis vir, talis oratio, sagt der weise Seneca: Die Red ist eine Abbildung des Gemüths / wie die Red / also ist auch [208] der Mensch beschaffen. Eben also Aristoteles: Qualis quisque est, talia dicit 3, wie ein jeder beschaffen ist / also redet er auch.

Durch den Mund und Leffzen des Menschen können erstlich die Prediger des Wort GOttes verstanden werden: dann von diesen stehet geschrieben: labia justi erudiunt plurimos, die Leffzen des Gerechten lehren vil. 4 Diese sittliche Leffzen thun sich bald auf bald zu / nachdem es die Zeit und Gelegenheit erforderet: bald sollen sie frey und unerschrocken die Wahrheit herauß sagen / bald auf ein Zeitlang etwas behutsam dissimuliren: sie sollen auch wie die Leffzen lind und waich / das ist / mit denen Sünderen mild und gütig seyn.

Die Prediger seynd gleichsam der Mund GOttes /durch welchen er zu uns redet / und seinen Willen andeutet. Dann gleichwie die Glieder des Leibs von der Speiß nicht ernähret und erhalten werden / sie seye dann zuvor von dem Mund eingenommen / verkäuet /und zertheilt / und zubereitet / also muß das Wort GOttes oder die geistliche Lehr durch den Mund des Predigers zubereitet und ausgelegt werden / damit es tauglich seye / die Glieder des sittlichen Leibs Christi / und der Catholischen Kirchen / das ist / die Glaubige zu ernähren und zu stärcken.

Ferners / der Mund ziehet durch das Athmen den Lufft an sich / welcher in ihm temperirt und subtilisirt / und zur Erfrischung des Hertzens durch das Lufft-Rohr hinab gelassen wird. Auch der Prediger muß sich durch das Gebett aufthun / die Gnad des Heil. Geistes an sich zu ziehen / nach denen Worten des Psalmisten: os meum aperui, & attraxi spiritum, zu erst sein eignes / hernach der Zuhörer Hertz und Gemüth zu erquicken; dann wann er selbsten im Geist dürr und trocken ist / so kan ja er andere mit keinem Safft der Andacht anfeuchten. Ein Prediger solle sich zwar befleissen / daß man ihne willig und gern / ja mit Lust und Freuden anhöre / aber dieses soll er nicht durch die Zierd der Wohlredenheit und der Concepten / sondern vilmehr durch den Eyffer des Geists /und Inbrunst des Gebetts zuwegen bringen.

Wiederum durch den Mund werden die böse und überflüßige Feuchtigkeiten / so von dem Hirn herab fallen / oder von der Lungen aufsteigen / ausgeführt: auch der Magen / wann er beschwehrt oder überladen ist / so thut er durch den Mund / was ihme schädlich oder unzertaulich ist / von sich ausstossen. Auch der Prediger solle beflissen seyn / erstlich von ihm selbsten / und hernach von anderen die böse und überflüßige Feuchtigkeiten und Cruditäten / das ist / die unnöthige Sorgen / die unordentliche Begird- und Anmuthungen etc. ausführen. Ich sage erstlich von ihm selber durch ein exemplarisches Leben oder auferbaulichen Tugend-Wandel: dann wie das Sprichwort saget: verba movent, exempla trahunt, die Wort thun zwar bewegen / aber das Exempel oder Beyspiel ziehet mit Gewalt nach sich.

Es kan auch durch den Mund verstanden werden die Tugend der Discretion, oder Unterscheidung des Guten von dem Bösen: dann / gleichwie der Mund die Speiß und Tranck nicht gleichgiltig und ohne Unterschied annimmt und hinein schlucket / sondern durch das Verkosten zuvor probirt / was zur Nahrung gut /oder gesund und nutzlich / oder hingegen ungut und schädlich seye / jenes annimmt und behaltet / dieses aber verwirfft und wiederum ausspeyet: also solle der Mensch die ihm vorkommende Gedancken und Objecta, oder Gegensätz nicht gleich durch den Consens oder Verwilligung annemmen / sondern zuvor durch Klug- und Bedachtsamkeit unterscheiden / ob sie gut und nutzlich zur Nahrung und Unterhalt der Seel oder nit / erforschen / und nachdem er sie befindet / annemmen oder verwerffen. 5

Der Gebrauch des Munds ist vilfältig und unterschiedlich: doch soll er nicht allzeit gebraucht / sondern zu Zeiten auch mit Ruhe gelassen werden. 6 Os nostrum janua nostra, 7 sagt der H. Ambrosius, unser Mund ist die Thür [209] zu unserer Seel. Nun aber ist es bekannt / daß die Thür in einem wohlgeordneten Hauß nicht immerdar offen stehe / sondern zu Nachts fleißig verschlossen bleibe. Est tempus loquendi, & tempus tacendi 8: Reden hat seine Zeit / und Schweigen hat seine Zeit / sagt der weise Ecclesiastes. Deßwegen hat David zu GOTT gebetten: HErr thue meine Leffzen auf / so wird mein Mund dein Lob verkündigen: und hingegen wiederum: HErr setze meinem Mund eine Behütung / und an meine Leffzen einen Schrancken etc. Dann / wann der Mensch seinen Mund wider den Willen GOttes eröffnet / da gehen böse und schädliche Reden von ihm aus: welches uns angedeutet wird durch jenen grossen abscheulichen Dracken / welchen der H. Evangelist Joannes in einer Erscheinung gesehen hat / aus dessen aufgesperrtem Rachen 3. unreine Frösch herfür kamen; dann der Drack / wie es die Heil. Vätter auslegen / bedeutet ein ungezäumtes Maul / die 3. geschwätzige Frösch aber die 3. fürnemliche Laster / so mit dem Mund begangen werden / nemlichen mendacium, detractio und maledictio, das Lügen / das Fluchen und Ehrabschneiden. 9

Gar zu Maul-loß / und gar zu geschwätzig seyn /ist eines so unrecht / als das andere: schweigen wann man reden soll / und reden wann man schweigen soll /ist eben gleich Scheltens werth. Die erste seynd unter jene stumme Götzen zu zehlen / von welchen der Psalmist sagt: os habent & non loquentur, 10 sie haben Mäuler / und reden nicht / wann sie nemlich GOtt loben und bitten solten / wann sie ihre Sünden beichten / der Wahrheit Zeugnuß geben / oder die Unwissende lehren / und die Sünder straffen solten /wann sie das Gesatz GOttes ausbreiten / oder die Wahrheit und Gerechtigkeit verfechten solten. Von denen anderen hingegen stehet geschrieben: in multiloquio non deerit peccatum etc. 11 wo vil Wort seynd / da gehet es ohne Sünd nicht ab: wer aber seine Leffzen mäßiget / ist sehr klug. Und wiederum: in multis sermonibus invenietur stultitia: 12 in vilen Reden wird man Thorheit finden.

Schweigen ist ein solche Kunst / die man nicht nur die Knaben in denen Schulen / sondern auch die Kinder schon in der Wiegen lehret / und dannoch kan mans offt noch im bestandenen Alter nicht. 13 Es ist ein solche Kunst / an welcher so vil H. Mönch und Einsidler in denen Clösteren und Wüsteneyen vil Jahr lang gelernet haben. Es ist ein solche Kunst / von welcher Valerius Maximus bezeuget: Qui silere non novit, is neque loqui ad modum scit: wer nicht kan still schweigen / der hat auch keine Weiß zu reden. Deßgleichen Gregorius M. Ille scit rectè loqui, qui & ordinaté novit tacere: der jenige ist ein guter Redner / der auch zu rechter Zeit weiß recht still zu schweigen. Der weise Salomon aber vergleichet einen Menschen / der nichts verschweigen kan / einer Stadt die ohne Maur ist / und folgends dem Feind zum Untergang offen stehet: hingegen sagt: Qui custodit os suum, custodit animam suam, qui autem inconsideratus est ad loquendum, sentiet mala: 14 wer seinen Mund bewahret / bewahret seine Seel: wer aber unversehen und unbedacht ist zum Reden / der wird Unglück erfahren. Ja die Natur selber weiset den Menschen zum nutzlichen Stillschweigen an: theils weil sie ihme einen so kleinen Mund gegeben hat / theils weil sie ihn ehender sehen und hören / ja auch essen und gehen / als reden lehret. Dieses hat wohl erkennet und erwogen der geistreicheThomas à Kempis serm. 4. ad Nov. da er gesprochen: In nullo statu & ordine stabit pax & disciplina, si non adest natura silentii: In keinem Stand wird die Zucht und der Fried einen Bestand haben / wo das Stillschweigen nicht wird in Obacht genommen.

Was aber sonderheitlich die Verschwigenheit geheimer Sachen anbelangt / wie nothwendig dieselbe sey / hat uns klärlich zu verstehen geben der berühmte Isocrates, da er ad Demonicum [210] geschrieben / und ihne ermahnet hat: Diligentius serva verborum, quàm pecuniarum deposita: sorgfältiger sollest du bewahren die anvertraute Wort als das anvertraute Geld. 15 Dieses hat Demostenes wohl beobachtet und vollzogen; dann als ihm einstens jemand sagte: er habe einen gar übelriechenden Athem / gabe er zur Antwort: bene dicis, multa enim in me secreta putruerunt: ja es ist wahr / aber es kommt daher / weilen in mir viel in geheim vertraute Sachen verfaulet seynd.

Auch Alexander der Grosse / als er seinem vertrautisten Hephestioni einen Brieff von wichtig- und geheimen Sachen zu lesen geben / da hat er ihme zugleich sein Sigill oder Petschafft auf den Mund gedrucket: dardurch zu verstehen gebend / daß / gleichwie das Sigill die in dem Brieff eingeschloßne Geheimnussen verborgen haltet / also soll er auch das /was er im Brieff gelesen / bey sich verborgen halten /und niemand eröffnen. Ja die alte Räth und Regenten haben das Ausschwätzen geheimer Sachen der Straff des Todts würdig geachtet. Auch die Natur selbst scheinet von uns die Verschwiegenheit zu forderen /indem sie das Hertz und den Mund in dem Menschen nicht zusammen gesetzt / sondern ein langes Rohr darzwischen gesetzet hat / damit ja nicht so leicht und geschwind alles / was im Hertzen verborgen ligt /zum Mund herauß wische. Dann os lubricum operatur ruinas, 16 ein schlipferiges / oder geschwätziges Maul richtet Verderben an.

Auch bey den Götteren / wie die Poeten dichten /ist die Offenbahrung geheimer Sachen sehr verhaßt /wie es Tantalus mit seinem grösten Schaden wohl erfahren hat: dann dieser war ein Sohn Jovis, und ein König in Phrygien / weilen er aber die Geheimnussen der Götter / die er im Discurs bey der Mahlzeit von ihnen verstanden hat / denen Menschen geoffenbahret / so haben sie ihn zur Höllen / und zu einem ewigen Hunger und Durst verdammet / also zwar / daß er bey einem annehmlichen Fluß / Eridanus genannt / biß an den Halß in dem Wasser stehen muß / auch einen schönen Apfel-Baum / mit süssen Früchten auf sein Haupt herab hangen siehet / und doch niemahl einen Bissen oder Tropffen Wasser erschnappen kan. 17 Wie Ovidius von ihme singet:


Quærit aquas in aquis, & poma fugacia captat
Tantalus, hæc illi garrula lingua dedit.
Speiß und Wasser zwar er siehet /
So doch allzeit vor ihm fliehet.
Diß ist der Lohn der Gschwätzigkeit
Die bringt vil Straff und Bitterkeit.

Dieses ist zwar nur ein Gedicht der Poeten / aber nur gar zu wahr ist es / daß unzahlbar viel Menschen wegen dem gar zu geschwätzigen und unbehutsamen Maul / mit welchem sie GOtt schwerlich beleidigen /von dem himmlischen Gastmahl ausgeschlossen werden.

Dergleichen böse und geschwätzige / ihnen selbst und anderen höchst schädliche Mäuler haben erstlich die jenige / welche sich aufs Zotten- und Possenreissen verlegen / und anderen Aergernuß dardurch geben / unehrbare Reden / oder unzüchtige Lieder singen / oder durch närrisches Fabelwerck nur immer zum Gelächter antreiben. 18 Diese solten gedencken /was der Heil. Ambrosius sagt: Si pro verbo otioso quisque rationem reddere debet, quantò magìs pro verbo impuritatis & turpitudinis, 19 wann ein jeder Mensch GOTT für alle unnütze Wort muß Rechnungschafft geben / wie vilmehr für unreine oder unzüchtige Wort.

Solche böse Mäuler haben die Lugner / Betrüger und falsche Schwörer / durch welche sie GOTT und den Menschen schwerlich verletzen / indem sie ein anderes in dem Mund / und ein anderes in dem Hertzen führen / von welchen David sagt und klagt: os dolosi super me apertum est etc. 20 Der Mund des Betrügers hat sich wider mich aufgethan / und wider mich geredt mit falscher Zungen. [211] Und der weise Salomon: simulator ore decipit amicum suum, 21 durch den Mund des Heuchlers wird sein Freund verderbet. Aber auch: os quod mentitur, occidit animam, 22 der Mund / der Lugen redet / tödtet die Seel.

Solche böse Mäuler haben die Verläumbder und Ehrabschneider / welche immerdar andere beissen und stechen / und niemand verschonen. Sie seynd gleich einem wilden Thier / Mantichora genannt / welches 3. Reyen Zähn hat / und die Menschen frisset: oder jener Art Schlangen / welche immerdar das Maul offen haben / und das Gifft ausgiessen. Von diesen sagt abermahl David: os eorum maledictione & amaritudine plenum est, 23 ihr Mund ist voller Fluch und Bitterkeit: Schlangen-Gifft ist unter ihren Leffzen.

Solche böse Mäuler haben auch die Gleißner und Schmeichler / welche zwar ein lindes / weich und zartes Maul haben / wegen den schönen und glimpffigen Worten / die sie ausgeben / aber sie schaden doch heimlich / und seynd gleich denen Blut-Aeuglen /welche durch Röhrlein / der süssen schmeichlenden Worten / so sie in dem Maul haben / ihren Neben-Menschen / an welchen sie sich anhencken / das Blut aussaugen / das ist / das Ihrige abschwätzen. Von diesen sagt abermahl der Ecclesiastes: melius est à sapiente corripi, quàm stultorum adulatione decipi: 24 es ist besser / daß man von Weisen gescholten /als von der Narren Heuchlerey betrogen werde.

Solche böse Mäuler haben ferners die hochsprechende Progler und Praller / die sich selbst über alles rühmen / und andere verschimpffen / verschmähen und verlämbden. Das eigne Lob stinckt ihnen aus dem Mund herauß / von jenen stehet geschrieben: Qui exaltat os suum, quærit ruinam, 25 wer seinen Mund erhöcht / sucht den Fall. Uber diese aber beklagt sich abermahl David / sprechend: dilataverunt super me os suum etc. 26 sie haben ihr Maul weit aufgethan wider mich / sie sperren ihren Mund auf wider mich / als wie ein brüllender und reissender Löw. Solche böse Mäuler endlich haben absonderlich die Schwörer / Flucher und Lästerer / welche aus Zorn und Haß allerhand Schmach- und Laster-Wort wider GOTT und die Menschen unverantwortlich ausstossen. Sie werden vorbeditten durch eine grimmige Besti / welche der Evangelist Joannes hat sehen aufsteigen vom Meer / die einen Mund hatte wie ein Löw: dann gleichwie der Löw mit seinem Brüllen die andere Thier erschröckt und verstöhret / also er schröckt und verstöhret ein Flucher und Lästerer mit seinem Laster-Maul die andere ehrliche Menschen. Von diesen stehet geschrieben: Posuerunt in cœlum os suum, & lingua eorum transivit in terra: 27 sie stellen ihren Mund in Himmel / und ihre Zung gehet auf der Erden: das ist / sie verschonen mit ihrem bösen Maul weder GOtt noch denen Menschen. Aus diesem allem erhellet mehr als genug / wie so nothwendig es seye / daß wir mit dem David zu GOTT / wie oben gemeldt / ruffen und bitten: Pone ori meo custodiam etc. O HErr behüte meinen Mund / und setze Schrancken meinen Leffzen etc. dann seelig ist der Mann / der mit seiner Red aus seinem Mund nicht gefehlt hat. 28

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von der menschlichen Zungen.

Die menschliche Zung bestehet in einem weichen und zarten / roth- und lebhafften Stücklein Fleisch / welches unterhalb breitlecht / oben aber / oder vornenher scharpff oder spitzig ist / als wie ein Schwerdt: sie ist gar beweglich und geschwind. 29 Ihr Dienst und Ampt ist die Speisen annetzen / und zertheilen helffen: wie auch die Aussprach oder Red formiren. Sie ist ein getreuer Dollmetsch und Auslegung des Gemüths. Es wird auch die Zung öffters für die Red selber genommen / und diese dardurch verstanden. [212] Weilen nun die Reden oder Wort bißweilen gut / bißweilen böß seynd / so ist auch die Zung bald gut und bald böß.

Gar wohl und recht derowegen hat geredt und gethan jener Weltweise / welcher / als ihme ein gewisser König / mit deme er zu Tisch sasse / befohlen hat / er solle ihme aus denen vorgesetzten Speisen das jenige vorlegen / was er selbst vor das beste hielte; da legte er dem König eine Zungen für / mit Vermelden / dieses seye ohne Zweifel das allerbeste. Als aber der König ihme wiederum befahl: er solle ihme jetzund auch das schlimmste geben / da gabe er ihme abermahl eine Zungen / und sagte / eben dieses seye auch das schlimmste. Wohl geredt und recht gethan ware dieses; dann es ist in der Wahrheit nichts bessers /und nichts schlimmers als die Zung (von der menschlichen Zung zu reden) nachdem sie nemlich wohl oder übel regiert und applicirt wird. Nichts bessers und nichts nutzlichers ist als die Zung / wann sie wohl und recht angewendet wird zu dem End / zu welchem sie uns gegeben ist / nemlich zu dem Gebett und Lob GOttes / zur Auferbauung des Nächsten / zur Zeugnuß der Wahrheit / zur Beschützung der Unschuld und Gerechtigkeit etc. hingegen aber nichts ärgers und nichts schädlichers ist als eben die menschliche Zung / wann sie ungezäumt und ausgelassen ist / wann sie mißbraucht und übel angewendet wird zum Lügen und Betrügen / zum Fluchen und Schwören / zum Ehrabschneiden / zum Zancken und Haderen / zum Zotten- und Possenreissen.

Der Heil. Isidorus und Greg. Nazianzenus nennen eine gute / und wohl im Zaum gehaltene Zungen eine lieblich- und wohlklingende Orgel / GOtt eine angenehme Music darmit anzustimmen. 30 Der Heil. Paulinus aber nennet sie einen Canal oder Rohr des lebendigen Wassers / des ewig-fliessenden Bronnens. Sie ist ein besondere Zierd und Beyhülff des menschlichen Leibs / die ihne absonderlich von denen unvernünfftigen Thieren unterscheidet. Gar ein schönes Lob gibt ihr der H. Laurentius Justin. indem er sagt: sie seye ein Zierd der Seelen / ein Spiegel des Gewissens / ein Band der Lieb / eine Erhaltung des Fridens / niemand beschwerlich / allen angenehm / alten nutzlich.

Eine gute Zung ist das beste und tauglichste Instrument / das menschliche Gemüth zu gewinnen und einzunemmen. Verbum dulce multiplicat amicos, & mitigat inimicos, 31 sagte der weise Syrach: Eine süsse Red oder gutes Wort macht vil Freund / und stillet die Feind. Und der Prophet Isaias: Dominus dedit mihi linguam eruditam, ut sciam sustentare eum, qui lapsus est verbo: 32 Der HErr hat mir eine wohlberedte Zungen geben / daß ich wisse den / der müd ist / durchs Wort zu erhalten. Durch solche beredte und von GOtt regierte Zungen seynd vil tausend bey dem Leben erhalten / und von dem Verderben zu dem Heyl gebracht worden / unzahlbar vil Gutes geschafft / und Ubels abgewendet worden. Durch die Zung werden alle Künsten und Wissenschafften gelehrt / alles Gewerb und Handelschafft getriben: durch die Zung /oder durch die Red wird der Weise von dem Thoren erkennt und unterschieden: durch die Zung oder Wohlredenheit thut man offt mehr / als durch das Schwerdt zuwegen bringen / wie vorlängsten der PoetVerinus gesungen hat:


Ancipiti eloquium longè penetrantius ense,
Hoc rabiem motam sedat, & arma movet.
Der Beredtsamkeit das Schwerdt weit weicht /
Bald bringt sie Krieg / bald d'Feind vergleicht.

Wohl billich und recht wird die Zung von dem Heil. Apostel Jacobo ein Feur genennt / & lingua ignis est, 33 sagt er; dann durch die feurige / das ist /eyfrige Zungen werden die Eisenharte Hertzen der Sünder zerschmeltzt / oder zur Reu und Buß bewegt. Durch dieses Feur oder feurige Zungen hat der Heil.Franciscus Seraphicus in einer [213] einzigen Predig 500. Jünglig bewegt / daß sie in seinen strengen H. Orden seynd eingetretten. Ja all anderes Lob der Zungen übersteiget weit / daß GOtt der Heil. Geist selber sich gewürdiget hat in Gestalt der feurigen Zungen zu erscheinen / und über die Apostel zu kommen.

Hingegen aber ist auch nichts ärgers und nichts schädlichers / als eine böse ausgelassene Zungen; sie stifftet sehr vil Ubel und Unheyl an / sie beschädiget und verletzet öffters ihrer vil auf einmal / nemlichen den / der sie hat / und die jenige / wider welche sie gebraucht wird. 34

Eine böse Zung wird billich in Heil. Schrifft genennt eine Geißel / ein schneidiges Schwerdt / oder spitziger Degen / ein Pfeil / der auch in die Weite verletzet / und von dem Heil. Jacobo ein brennendes Feur / ein unruhiges Ubel / ja ein Versammlung aller Boßheit. Auch Juvenalis sagt: Lingua mali pars pessima servi, an einem bösen Menschen ist nichts schlimmers als die Zung.

Den vilfältigen Schaden einer bösen Zungen / beschreibet trefflich wohl der H. Bernardus Senensis, indem er unter anderen also aufschreyet: O boßhaffte Zungen! du bist ein schlimme Zucht des Neid und Hasses / ein gifftiger Außsatz / so die Uneinigkeiten anstellet: Du zerrittest die Fromme / verläumdest die Gerechte / du gebährest Aergernussen / falsche Schwür und Zeugnussen / du lassest nicht nach / die böse Gelegenheit zu vermehren. 35 O wütige Zung! fahret er weiters fort / du verursachest grosses Ubel unter denen Ehleuthen / du verschreyest die Verwittibte und Jungfrauen / du machest zuschanden die Fromme und Geistliche / du beunruhigest die einfältige und ruhige Gewissen. Endlichen / du gebährest die Verräthereyen / schierest an die Feursbrunsten / begehest Todtschläg / Vatter- und Bruder-Mord / ja noch vil andere Ubel und Grausamkeiten mit deiner ungezäumten gifftigen Boßheit.

Omnis natura bestiarum domatur, linguam autem nullus hominum domare potest, 36 sagt abermahl der Heil. Jacobus / alle wilde Thier kan man endlich bändigen und zahm machen / die Zungen aber kan kein Mensch (aus eignen Kräfften) bändigen oder meisteren: sie ist ein unruhiges Ubel / voll des tödtlichen Giffts. Der Heil. Augustinus haltet es für eine grössere That / eine böse Zung zähmen / als eine veste Stadt überwältigen und einnemmen.

Also wahr ist / was geschrieben stehet: mors & vita in manibus linguæ, 37 der Todt und das Leben /das Heyl und das Verderben ist an der Zung gelegen / nachdem man sie wohl oder übel anwendet / sie ist das beste und schlimmste Ding. Derowegen ermahnet und warnet uns so getreulich der weise Mann / sprechend: verbis tuis facito stateram, & frœnos ori tuo rectos: 38 Mach deinen Worten ein Waag und deinem Mund rechte Zaum. Ja die Natur selbsten lehret uns bedachtsam reden / indem sie die Zungen in dem Mund versperret hat / und gleichsam mit einem Bollwerck und Balisaten / ich will sagen / mit Zähn und Lefzen umgeben / damit sie nicht so geh und unbedachtsam ausbreche: Es seynd auch die unbehutsame Plauderer schier bey männiglich verhaßt / man hat ein natürliches Abscheuen darab. Sapiens priusquam loquitur multa considerat, quid dicat, cui dicat, quo in loco & tempore, sagt gar merckwürdig der H. Ambrosius. Der Weise / ehe daß er was redet / bedenckt zuvor wohl / was er sage / wem er es sage /wo / und zu was für einer Zeit. 39

Ubrigens / weil die Red selber durch die Zung verstanden wird / so sollen / wie gar schön Berchorius in seinem Repert: V. lingua anmercket / unsere Wort und Reden siittlicher weiß beschaffen sein / gleichwie die Zung natürlicher weiß beschaffen ist. 40 Die menschliche Zung ist zart und weich: auch unsere Wort und Reden sollen lind oder glimpfig seyn / in dem Antworten durch die Sanfftmuth / und weich /durch das Mitleiden gegen den Betrangten in dem Straffen; dann [214] responsio mollis frangit iram, sermo durus excitat furorem. 41 Ein linde Antwort stillet den Zorn / und ein hartes Wort richtet Grimm an.

Die Zung ist scharpf und spitzig wie ein Schwerdt oder Degen: Auch die Red soll kräfftig und durchtringend seyn / wann es die Noth erfordert / mit einer mäßigen Schärpfe versehen. Die Zung ist roth / lebhafft und wohl gefärbt / wann der Mensch wohl bestelt und gesund ist / welches die Medici eben aus der Zungen abnehmen. Also sollen auch unsere Reden roth und lebhafft seyn / durch die Liebe / durch die Erbar- und Schamhafftigkeit: und die innerliche gute Beschaffenheit solle aus unseren Reden können abgenommen werden. Lingua sapientium sanitas. 42 Die Zung der Weisen ist heilsam.

Die menschliche Zung ist hurtig / beweglich auf alle Seiten / und geschmeidig. Eben also die Zung unsers Gemüths / nemlich die Red solle beweglich seyn / und geschmeidig / durch die Bescheidenheit: Und gleichwie die Zung in dem Mund sich leichtlich umkehrt / und bald hin / bald her wendet / also sollen unsere Reden weiß und bescheiden seyn / sich nach allem zuschicken und zu richten wissen / nach Beschaffenheit der Person und Umständen / in welchen wir reden: Bald sollen wir die Traurig- und Kleinmüthige trösten und stärcken / bald die Unwissende lehren / die Schuldige straffen / die Fromme loben etc.

Es wäre ja eine Schand / sagt ein gewisser Heil. Vatter / daß ein Hund solle ein so heilsame Zungen haben / daß er mit öffterem Lecken dem Menschen eine Wunden oder offnen Schaden heilen kan / und ein Mensch hingegen solte den anderen mit seiner Zung oder Red verletzen und beschädigen: das seye fern von uns! vilmehr sollen wir eine zarte und linde /eine dinne / bewegliche und geschmeidige Zungen haben / das ist / heilsame / nutzliche / dienstliche und bequeme Wort und Reden hören lassen. Endlichen /gleichwie die Zung in dem Mund eingesperret ist / mit Zähn und Leffzen umgeben / also sollen die Reden eingezogen seyn / und immer in den Schrancken der Ehrbarkeit gehalten werden.

Von denen Heil. Apostlen stehet geschrieben: variis linguis loquebantur magnalia Dei, sie redeten von grossen Thaten GOttes mit unterschiedlichen Zungen: und dieses gehet fürnemlich die Prediger an; dann diese sollen mit dreyfacher Zungen reden: nemlich mit der Zung des Munds / oder mit den Worten: mit der Zungen der Händen / das ist / der guten Wercken / und eines guten Exempels oder tugendlichen Lebens-Wandel / mit welchem sie ihren Zuhöreren vorleuchten sollen: und mit der Zung des Hertzens /das ist / mit dem eyfrigen Gebett / GOTT zu erbitten /daß er sein Zung regiere / und seinen Worten die Krafft und den Seegen gebe / daß sie seine Zuhörer bewegen / und bey ihnen fruchten; dann gewiß ist es /daß offtermahl vil mehr Sünder bekehrt werden wegen dem heimlichen Gebett einer andächtigen Seel / als wegen offentlichen und gelehrten Predigen ansehnlicher Männeren. 43

Die obgemeldte gute Eigenschafften sollen sich bey unseren Zungen befinden. 44 Aber es gibt leider gar zu vil Zungen / welche zwar weich und zart seynd /aber nur wegen der Schmeichlerey und falschem Liebkosen. Andere seynd zwar scharpff und spitzig genug / aber nur den Neben-Menschen zu stechen und zu beissen. Wiederum andere seynd zwar gantz frisch /aber durch die Frechheit und hitzigen Eyfer. Andere seynd nur gar zu hurtig / schnell / und gäh / auch sehr beweglich wegen grosser Unbeständigkeit. Sie seynd auch endlich ingehalten und gleichsam eingesperret oder angebunden / wann sie am meisten solten gelößt und beredt seyn zum Gebett und Auferbauung des Nächsten.

So sollen wir dann wider so vil Ubel und Gefahren der böß- und schädlichen Zungen mit dem königlichen Propheten David den vesten Schluß machen /und von Hertzen sprechen: dixi custodiam vias meas, & non delinquam in lingua mea, posui ori meo custodiam: 45 [215] Ich will meine Weeg bewahren / daß ich nicht sündige mit meiner Zungen. Ich will meinen Mund bewahren mit einem Schloß.

Der 3. Absatz
Anhang
Zu dem Haar von den Peruquen, und kahl- oder Glatzköpffen.

Es ist da wiederum meine Meinung gantz und gar nicht / so viel ansehnliche und gescheide Männer zutaxiren oder zu tadlen / welche aus Rath der HerrenMedicorum, wegen Schwachheit des Haupts / wegen Mangel der Haaren oder anderen erheblichen Ursachen der Peruquen sich bedienen; dann es ist freylich eine nutzliche Erfindung um das Peruquen tragen / es ist bequemlich / absonderlich bey kalter Winters-Zeit / es giebt auch einer sonst unansehnlichen Person ein Ansehen.

Aber die jenige (sie seyen geistlich- oder weltlichen Stands) welche ohne alle Noth und Nutzen / aus lauter Hoffart und Eitelkeit / unterschiedliche kostbare /und mehr als standmäßige Peruquen tragen / diese kan ich nicht gar ungerupfft und ungezupfft lassen.

Nur gar zu gewiß ist es / daß bey jetziger Zeit so vil hochtragene Pracht-Hanßen umlauffen / die mit ihren bald langen / bald kurtzen / bald Spanisch- bald Frantzösischen / bald Staats- bald anderen Peruquen ein solches Gespiel treiben / und solchen Unform verüben / dergleichen die Welt bey vorigen Zeiten niemahl gesehen hat. 61 Es will zwar / wie ich lise / Strabo behaupten / daß vorlängsten einige Weltweise auch dergleichen aufgekraußte Haar getragen. Aber dem seye nun wie ihm wolle / so ist es doch gewiß /daß nicht alle / so jetziger Zeit Peruquen tragen / lauter Weltweise seyn; dann offtermahl stechen die Esel-Ohren an dem Stroh-Kopff durch die schön gekraußte Haarlocken herauß. Nein / nein / der allzugrosse Mißbrauch der Peruquen ist keine Weißheit / sondern vilmehr eine Thorheit: dann was kunte närrischers seyn /als ihme einbilden / als wann die gröste Reputation und aller Respect oder Ansehen / Klugheit und Gravität in einer schönen Peruquen bestunde. Ein mancher Lufftschnapper und Grillenfanger tritt so pompatícc auf der Gassen daher in seiner großmächtigen Peruquen / als wann er ein anderer Pompejus, Scipio oder Hanibal wäre. Kaum gelanget ein mancher armer Schlucker / ein hungeriger Dinten-Schlecker zu einem Dienstlein / da muß gleich ein guter Theil der Besoldung auf die Haar-Kramerey / auf eine Staats-Peruquen verwendet werden / wann er schon kein Stück Brod in der Laden / und kein Geld in der Taschen hat / wann schon das Weib und Kind an dem Hunger-Tuch nagen muß / und die Katz sein bestes Stuck Vich ist. Es hat bey der bethörten Welt diese Einbildung also überhand genommen / daß man darfür haltet / es mache die Peruquen einen allererst zum rechtschaffenen Doctor / Hoffmann / Kriegsmann /Staatsmann oder Handelsmann / und deßwegen müsse man sich vor allem mit ein oder anderer schönen und wohl aufgelauffenen / wohl gekraußten und wohl gebuderten Peruquen versehen / in welcher die Anschauende das Gesicht zu Zeiten eine gute Weil suchen müssen / und vor so vil Haar-Gepräng nicht wohl finden können. In der Peruquen muß man speculiren und studiren / processiren und protocolliren / spatziren und discuriren / galanisiren und panquetiren / ja in der Peruquen muß man die Schuh butzen / und Hunger leiden.

[220] Man kan ja fast nicht mehr Haar genug auftreiben /und die Peruquenmacher nicht genug studiren / immerdar neue und frembde Arten und Gattungen der Peruquen zu erfinden und aufzubringen: auch so gar die Dieb an dem Galgen seynd nicht sicher mehr /wann sie ein wenig saubere Haar haben / werden selbige ihnen abgenommen / und auf das Haupt des Richters oder Advocaten transferirt. Bald will man lange Peruquen haben / bald kurtze / bald breite / bald schmale / bald krauße / bald glatte / bald frisirte /bald geschmierte / bald zöpffichte / bald knüffte /bald mit dem Haar-Beutel / bald mit dem Zopff. O wann an einer jeden Peruquen ein Zettul hienge / wo die Haar herkommen / wie wurde es so wunderlich in das Gesicht kommen: auch die Pferd müssen ihre Schweiff hergeben / und die Haar / mit welchen man vor Zeiten die Sättel und Madrazen ausgeschoppet hat / müssen jetziger Zeit gespalten und gekräußt werden / diesen oder jenen Esel / hätte schier gesagt / Esels-Kopff zu bedecken / und ihme ein Doctor-mäßiges Ansehen zu machen.

Anno 1129. soll es geschehen seyn / daß / weilen damahls die Mannsbilder gar zu üppig und übermüthig ihre Haar geziglet haben / so haben vilen die Haar auf dem Kopff gähling zu brinnen angefangen /welches Zweifels ohne eine Straff GOttes gewesen ist. 62

Dergleichen hat sich auch begeben zur Zeit des Kaysers Lotharii: dann als dieser die Stadt Speyr belagerte / da haben die Teutsche eine grosse Hoffart mit ihren schön aufgebutzten Haaren getrieben / welches GOTT also mißfiele / daß sehr vilen aus der Kayserlichen Armee ihr Haar durch einen Donnerstrahl ist angezündt und verbrennt worden. 63 Was wird anjetzo der Allerhöchste darzu sagen / da man weit grösseren Pracht mit denen falschen Haaren treibet / und offtermahl auf ein einzige Peruquen solchen Kosten wendet / daß man einen armen Menschen eine halbe Jahrs-Zeit darmit ernähren kunte? Ich will nichts sagen von dem wohlriechend- und kostbaren /aber so unnütz- als häuffigen Haar-Buder / mit welchem nicht nur die Peruquen selbst / sondern auch der Rucken und Schulteren so dick muß übersäet seyn /als wann einer lange Zeit unter einem Mühl-Beutel gestanden wäre. Wann GOTT solchen Haar-Pracht /wie zur Zeit des Kaysers Lotharii allzeit mit dem Strahl straffen wolte / so wurden wir wohl auch mitten im Winter ein manches Donner-Wetter haben.

Olim non sic: vor Zeiten war es nicht also. Nicht nur die Krauß-Köpff / sondern auch die kahle oder Glatz-Köpff seynd in Ehren gehalten worden. 64

Synesius Cyrenensis hat in Griechischer Sprach ein grosses und weitläuffiges Lob zu Ehren der Glatz-oder Kahlköpffen geschrieben / welches von Joanne Phrea, einem Brittanier ins Teutsche übersetzt worden. Auch Hugobaldus Elvonensis Ord. S. Benedicti, ein sinnreicher und laborioser Poet hat zu Ehren Kaysers Caroli des Anderen / mit dem Zunamen des Glatzkopffeten ein Carmen heroicum geschrieben / in 136. Versen bestehend / in welchen allen kein einziges Wörtlein ist / welches nicht von dem C. anfangt. Welches mich allzeit ein rechtes Wunder der Kunst und des Ingenii zu seyn geduncket hat. Er beweiset in demselben / daß aus den Kahl- und Glatzköpffen sehr vil berühmte und fürtreffliche Männer gewesen seyen / vil Bischöff und Prälaten / Doctores und Poeten /König und Fürsten. Einen Theil desselben Carmeus referirt Jo. Adamus Weber in seiner Arte conversandi à fol. 763. und fanget also an:


Carmina Clarisonæ Calvis Cantante Camænæ.
Comere Condigno Conabar Carmine Calvos,
Contra Cirrosi Crines Confundere Colli.
Cantica Concelebrent Callentes Clara Comænæ.
Collaudent Calvos, Concludant Carmine Cunctos,
Carpere Conantes Calvos, Crispante Cachinno.
[221]
Conscendat Cœli Calvorum Causa Cacumen.
Conticeant Cuncti Concreto Crine Comati.
Consona Conjunctim Cantentur Carmina Calvis etc.

Der Sensus oder Innhalt dieser Versen ist / daß dieMusæ eingeladen werden / zu Ehren der kahlen oder Glatzkopffeten Lob zu singen / und ihren Ruhm zu verkündigen etc.

Ja was noch mehr ist / GOTT selber scheint einPatron und Beschützer der Kahlköpffen zu seyn: dann als der Prophet Elisæus hinauf gieng nacher Bethel, da lieffen ihme die kleine Buben aus der Stadt nach / spotteten seiner und rufften: Kahlkopff komm herauff / welches GOTT also mißfallen hat / daß eilends 2. grimmige Beeren aus dem Wald daher geloffen seynd / und 42. jämmerlich erwürgt und zerrissen haben.

Aber auch da heisset es: Quot capita tot sententiæ: Vil Köpff vil Sinn. 65 Es wollen halt die Kahlköpff nicht allen gefallen. Julius Cæsar hat seinen Kahlkopff mit grosser Ungedult getragen / weilen er vermerckte / daß man ihn deßwegen zum öffteren ausrichtete. Es ist ihme auch deßwegen von dem Römischen Rath und gemeinen Volck kein grössere Ehr und Lieb erwiesen worden / als daß ihme vergunt ware den Lorber-Crantz beständig auf dem Haupt zu tragen. Wie Suetonius bezeuget.

Der Kayser Domitianus hat sich seines Glatzkopffs also geschämt / daß er es für eine grosse Schmach und Beleydigung hat gehalten / wann man auch nur einem anderen diesen Defect in Schimpff oder Ernst hat vorgeworffen. Elisabetha aber / eine Königin in Engelland / obwohlen / wann sie offentlich vor dem Volck erschienen ist / schöne krauße Haar hatte / so ware sie doch gantz kahl oder glatzkopffet: welches sie aber also verborgen und geheim gehalten / daß es niemand als ihre Cammer-Fräulein wußte. Als aber ein Hoff-Herr unversehens in ihr Zimmer kame / und sie mit entblößtem Haupt gantz kahl oder glatzkopffet antraffe / da hat sie sich also geschämt und erzürnet / daß sie alsobald diesen Hoff-Herrn aus dem Pallast / die Cammer-Fräulein aber von dem Dienst abgeschafft hat.

Die Ursach aber / warum der Mensch kahl oder glatzkopffet wird / ist der Abgang der warmen Feuchtigkeit / dann wann diese ermanglet / da verdorren die Würtzelein der Haaren: und deßwegen fallen gemeiniglich die Haar auf dem vorderen Theil des Haupts zu erst aus / weilen in selbem das kalte Hirn enthalten ist / und die Wärme verhinderet.

[222]
Fußnoten

1 Des Munds sein Ampt und Beschaffenheit.

2 Der Mund ist nothwendig das Gemüth zu erklären.

3 lib. 5. phys.

4 Die Prediger werden durch den Mund beditten / und wie sie sollen beschaffen seyn.

5 Der Mund lehret Gutes und Böses zu unterscheiden.

6 Den Mund soll man mit Behutsamkeit eröffnen.

7 S. Amb. lib. 1. de Virg.

. 8 Eccli. c. 3. v. 7.

9 Apoc. c. 17.

10 Psal. 134. v. 18.

11 Prov. c. 10. v. 19.

12 Eccli. c. 5. v. 2.

13 Schweigen ist eine sehr nutzliche Kunst.

14 Prov. c. 13. v. 3.

15 Die Verschwigenheit ist nothwendig.

16 Prov. c. 26. v. 28.

17 Fabel vom Tantalo.

18 Unterschiedliche böse Mäuler werden beschrieben.

19 lib. 2. de offic. c. 2.

20 Psal. 108. v. 1.

21 Prov. c. 11. v. 9.

22 Sap. c. 1. v. 11.

23 Psal. 13. v. 3.

24 Eccli. c. 7. v. 6.

25 Prov. c. 17. v. 19.

26 Psal. 34. v. 21. & 21. v. 14.

27 Psal. 72. v. 9.

28 Eccli. c. 14. v. 1.

29 Das Ampt und die Beschaffenheit der menschlichen Zungen.

30 Das Lob und die Krafft der Zungen.

31 Eccli. c. 6. v. 5.

32 Isa. c. 50. v. 4.

33 Ep. c. 3. v. 4.

34 Vilfältiger Schaden böser Zungen.

35 tomo 1. serm. 23. c. 3.

36 Epist. c. 3. v. 7.

37 Prov. c. 18. v. 21.

38 Eccli c. 28. v. 29.

39 lib. 1. de offic.

40 Wie unsere Reden solen beschaffen seyn.

41 Prov. c. 15. v. 1.

42 Prov. c. 12. v. 18.

43 Dreyfache Zung der Prediger.

44 Böse Eigenschafften der Zungen.

45 Psal. 38. v. 11.

46 Wie die Haar wachsen und beschaffen seyen.

47 Die Gedancken und innerliche Neigungen werden durch die Haar beditten.

48 Cassianus Coll. 2.

49 Isaiæ c. 1. v. 16.

50 2. Reg. 18.

51 Die Haar überflüßiger Reichthumen soll man abschneiden.

52 Der Bart bedeutet die männliche Stärcke und Weißheit.

53 Tugend und Weißheit solle mit dem Alter zunehmen.

54 Sap. c. 7. v. 8.

55 Haar und Bart abscheeren / ob es löblich seye oder nicht.

56 Num. c. 6 v. 5.

57 Lev. c. 19. v. 27.

58 Der Bart wird gepriesen.

59 Bart-Streit

60 Mit dem Bart soll man verlieb nemmen wie er ist.

61 Der starcke Mißbrauch der Peruquen wird getadlet.

62 Trithem. in Chron.

63 Cranz. lib. 6. Metrop.

64 Die kahle oder Glatz-Köpff seynd in Ehren gehalten / und werden gelobt.

65 Die Kahl- oder Glatzköpff seynd unangenehm.

V. Von den Aerm- und Händen - Finger und Füssen, Haut und Bein
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von den Aermen.

Die Aerm seynd die stärckiste Glieder des menschlichen Leibs / sie müssen auch die meiste und stärckiste Arbeit verrichten im Heben und Tragen / im Kämpffen und Ringen / im Schlagen und Werffen / im Beschützen und Angreiffen etc. sie beschirmen die andere Glieder / absonderlich das Haupt / wann ihm eine Gefahr bevorstehet / oder ein Streich darauf geführet wird. 1 Ja manchesmahl erretten sie den Menschen aus der Todts-Gefahr / und erhalten ihne beym Leben.

Ein Arm aber theilt sich aus in die Schulter oder Achslen / in den Elenbogen / in den vorderen Theil des Arms / und in die Händ. Die erste Biegung des Arms geschieht bey der Achsel / die andere bey dem Elenbogen / und die dritte bey der Hand. Seine Bewegungen verrichtet er vermög neunerley Musculorum oder Mäußlein / krafft deren er sich in die Höhe hebt /oder herab lasset / für sich oder hinter sich / rechtwärts oder linckwärts sich beweget etc. Er enthaltet auch in sich starcke Bein und Nerven / so ihne zum Arbeiten tauglich machen: und zur Gesundheit des gantzen Leibs lasset er ihme die Ader öffnen / und gibt das überflüßige Blut reichlich her.

In sittlichem Verstand ist der Sohn GOttes der Arm des himmlischen Vatters / durch welchen dieser alles würcket / wie geschrieben stehet in dem Evangelio:Fecit potentiam in brachio suo: 2 Er hat Gewalt erzeigt mit seinem Arm. Und wiederum / wie der Psalmist spricht: In brachio virtutis tuæ dispersisti inimicos tuos: 3 Du zerstreuest deine Feind mit deinem starcken Arm. Der Arm dependiret oder hanget ab von der Achsel / und bestehet in zwey starcken Gebeinen: Und der Sohn GOttes dependirt von dem himmlischen Vatter / und bestehet in der Göttlichen und menschlichen Natur: jene ist starck in dem Würcken /und diese in dem Leyden. Dieser Göttliche Arm strecket sich aus bald die Gottlose zu straffen: In manu forti, & brachio, & furore effuso regnabo super vos, dicit Dominus: Ich will mit starcker Hand / und ausgestrecktem Arm / und mit ausgeschüttem Grimmen über sie regieren. Bald seine Glaubige zu erlösen / gleichwie der menschliche Arm sich ausstrecket in der Aderläß / und das Blut herauß lasset zum Heyl / oder zur Gesundheit des Leibs. Also hat sich Christus ausgestreckt an dem H. Creutz / und sein Blut vergossen für das menschliche Geschlecht: wie abermahl der Psalmist sagt: Redemisti in brachio tuo populum tuum: 4 Du hast dein Volck erlöset durch deinen Arm. Bald die Schwache zu beschützen / gleichwie ihr kleines Kind die Mutter in ihren Armen beschützet: Portabam eos in brachiis meis: 5 Ich truge sie auf meinen Armen / sagt der HErr. Zu diesem allmächtigen Arm sollen wir mit den Worten des Propheten ruffen: Esto brachium nostrum in mane: 6 Seye unser Arm zu Morgens /und unser Heyl zur Zeit der Trübsaal.

[223] Ferners kan geistlicher Weiß durch die Aerm verstanden werden der menschliche Gewalt: und zwar durch den rechten Arm der geistliche Gewalt / die geistliche Jurisdiction, durch den lincken aber die weltliche: dann / gleichwie die Aerm den Leib umfangen / für ihn arbeiten / und ihne beschützen vor allem widrigen Anfall / also solle die geistliche und weltliche Obrigkeit / vermög ihres habenden Gewalts / den sittlichen Leib der Communität oder des gemeinen Wesens umgeben / versorgen und beschützen / auf daß sie mit Wahrheit zu GOTT und diesen Aermen sprechen könne: Posuisti ut arcum æreum brachia mea: 7 Du hast meine Aerm wie ein stählinen Bogen gerüstet.

Die geist- und weltliche Obrigkeit solle ihre Untergebne umfangen mit denen starcken Aermen der Lieb und Vorsichtigkeit / der Gerechtigkeit und Barmhertzigkeit. Die Aerm arbeiten einhellig und helffen einander getreulich in Versorgung und Beschützung des Leibs: Eben also solle die geistlich- und weltliche Obrigkeit zusammen sehen / und das Heyl / das Beste der Unterthanen einhellig beförderen. Wiederum /gleichwie die Aerm nutz- und tauglich seynd zum Tragen / zum Erheben / Umfangen / zum Abhalten /Angreiffen / Arbeiten etc. also sollen die geistlich-und weltliche Obere ihre Macht und Stärcke anwenden / die Schwache zu übertragen / die Demüthige zu erhöhen / die Nutzliche zu umfangen / die Schädliche abzutreiben / die Feind zu bezwingen / und denen Freunden Gutes zu erweisen.

Die Aerm setzen sich offtermahl williglich in Gefahr / und lassen sich gern verwunden / damit der übrige Leib / absonderlich das Haupt / unverletzt verbleibe / als gegen welchem sie eine absonderliche Ehrentbietung und Danckbarkeit erzeigen / weilen sie von ihm die Kräfften und Bewegnuß empfangen.

Auch die Vorgesetzte und Obere sollen sich nicht scheuen noch weigeren etwas zu leyden / und ein Ungemach auszustehen / wann es die Noth und das Beste des gemeinen Wesens erforderet. Absonderlich sollen sie sich danckbar und ehrerbietig erweisen gegen ihrem höchsten Oberhaupt / das ist Christo dem HErrn / von welchem sie all ihren Gewalt und Anse hen empfangen haben: für dessen Ehr sollen sie all ihre Kräfften anspannen / ihr Gut und Blut / wann es die Noth erforderet / aufopfferen.

Der 2. Absatz
Anhang
Anhang.
Zu den Händ und Fingeren. Von den Finger-Ringen.

Ein uralter Brauch / und schon in dem Alten Testament übliche Gewohnheit ware es / guldene Finger-Ring an der Hand zu tragen: doch ist dieses von rechtswegen nur denen Freygebohrnen / nicht aber denen Leibeignen erlaubt. 39 Schon der Egyptische König Pharao / als er den keuschen Joseph zu seinem Stadthalter oder Vice-König über gantz Egypten [228] bestellte / da hat er den Ring von seinem Finger genommen / und denselben dem Joseph zum Zeichen des ihme ertheilten Gewalts an die Hand gesteckt. 40 Auch der König Assuerus übergabe einem aus seinen fürnehmsten Hoffherren dem Aman seinen gewohnlichen Petschir-Ring: tulit Rex annulum de manu sua, & dedit illum Aman etc. 41 auf daß er im Namen des Königs die Brief oder geschriebne Befehl darmit obsigniren solte. 42 Deßgleichen der König Nabuchodonosor / als er den Propheten Daniel in die Löwen-Grub hat eingesperrt / da druckte er mit seinem Petschir-Ring ein Sigill auf das Schloß der Gruben / welches seine Ministri oder Hoffherren gleichfalls thun müßten.

Mittelst der Zeit aber hat die Gewohnheit Finger-Ring zu tragen also zugenommen / daß / wie Plutarchus glaubwürdig schreibt / der Carthaginensische Feldherr Hanibal, als er in einer Feld-Schlacht die Römer überwunden / von denen erschlagenen Soldaten vierthalb Metzen lauter Finger-Ring erbeutet hat /welche er seinen Oberherren zu Carthago überschickt / damit sie darauß ersehen möchten / was für ein grosse Victori er erhalten habe.

Ja auch jener Evangelische Hauß-Vatter / als er seinen verlohrnen Sohn wiederum zuruck bekommen /da hat er unter anderen Freudens-Zeichen befohlen:date annulum in manu ejus, 43 man soll ihme einen Ring an die Hand stecken.

Der König Pyrrhus hatte einen Ring / in welchem ein Edelgestein / auf deme der Gott Apollo mit der Cythern / und die 9. Musæ mit ihren Insignien gar zierlich und deutlich von der Natur eingeprägt oder abgebildet waren. 44

Der Kayser Octavianus truge des grossen Alexanders Bildnuß im Edelgestein seines Finger-Rings für das Muster oder Vorbild seiner Regierung / sich darbey erinnerend / daß er nicht weniger klug und tapffer seyn solle / als jener gewesen ist.

Carolus V. aber der Römische Kayser hatte einen Ring / in welchem an statt des Edelgesteins ein überaus kleines und kunstreiches Uhrlein eingesetzt war /welches alle Stunden ordentlich anzeigte.

Heliogabalus truge ein solche Freud und Neigung zu kostbaren Finger-Ringen / daß er alle Tag das Jahr hindurch andere und neue an die Finger steckte.

Sehr denck- und sehenswürdig waren jene 4. guldene / mit Edelgestein versetzte Ring / welche PabstInnocentius der III. Richardo dem König in Engelland samt einem Hand-Brief von sittlicher Auslegung hat zugesendet. Der Innhalt des aus dem Lateinischen in das Teutsche übersetzten Schreibens ist folgender:


Dem Durchleuchtigen König in Engelland.


Unter anderen irrdischen Schätzen ist nichts / nach dem die sterbliche Augen mehr und grösseres Verlangen tragen / nichts / das sie mehr lieben / dann Gold und Edelgestein. 45 Ob nun aber schon die Königliche Hochheit an diesen und dergleichen Reichthumen einen Uberfluß hat / kan ich gleichwohl nicht umgehen / vier guldene / mit verschiedenen köstlichen Steinen versetzte Ring zum Zeichen der Lieb und Gnad deiner Hochheit zu übersenden / mittelst welcher wir suchen / daß du so wohl die Form als Anzahl / wie nicht weniger die Materi und Farb geistlicher Weiß annemmen und verstehen / vilmehr das Geheimnuß /dann die Schanckung selbsten ansehen und bedencken wöllest. Allermassen die runde Form die Ewigkeit /welche weder Anfang noch End hat / anzeigt und bedeutet: hat solchem nach die Königliche Klugheit /was sie in Form und Gestalt des Rings suchen und betrachten solle / damit selbige von dem Irrdischen zum Himmlischen / von diesem Zeitlichen zu dem Ewigen aufsteigen und sich erheben möge.

Belangend die Zahl / weil sie vierecket / bedeutet solche die Beständigkeit des Gemüths / welche weder in Widerwärtigkeiten verzagen / noch im [229] Glück sich erheben / vilmehr zu Erhaltung dessen mit den vier Haupt- und Cardinal-Tugenden / nemlich der Gerechtigkeit / Stärcke / Weißheit und Mäßigkeit (welche die rechte und eigentliche Elementen der Fürsten seynd) sich zieren und schmucken sollen.

So magst du dann bey dem ersten Ring verstehen die Gerechtigkeit / die du in Gerichts-Händlen üben: bey dem anderen die Stärcke / die du in Widerwärtigkeiten erzeigen: bey dem dritten die Weißheit / die du in zweifelhafftigen Sachen beobachten: bey dem vierdten die Mäßigkeit / die du bey allem Wohlergehen nicht fahren lassen sollest.

Durch das Gold aber wird verstanden die Weißheit / weilen selbige alle Gaben / wie das Gold andere Metall übertrifft nach Zeugnuß des Prophetens / der saget: ober ihme wird bleiben und ruhen der Geist der Weißheit / weilen selbige alle Gaben / wie das Gold andere Metall / und des Verstands übertrifft. Nichts ist / das ein König mehr haben und besitzen solle: wie dann der Ursachen jener friedsame König Salomon einzig von GOtt die Weißheit begehret hat / um sein ihm anvertrautes Volck vorsichtiglich zu regieren.

So bedeutet noch über das die grüne Farb des Smaragds den Glauben: die Haitere des Saphirs die Hoffnung: die Röthe des Granats die Liebe: die Helle des Topacii die Würckung: von welcher der HERR spricht: Euer Liecht solle leuchten vor den Menschen / auf daß sie eure gute Werck sehen / und loben euren Vatter / der in den Himmlen ist. So hast du dann in dem Smaragd was du glaubest: in dem Saphir was du hoffest: in dem Granat was du liebest: in dem Topacio was du übest: von der Tugend zur Tugend aufsteigest / biß du gleichwohl GOtt aller Götter in Sion sehen mögest. Geben zu Rom bey St. Peter den 29. May 1198.

Zu wünschen wäre / daß alle König und Fürsten diese 4. Ring aus der Schatz-Kammer Richardi entlehnten / selbe an ihre Finger steckten / und sich darbey in allem ihrem Thun und Lassen der obgemeldten 4. recht fürstlichen Tugenden erinnerten und beflissen.

Ubrigens ist der Gebrauch und die Bedeutung der Finger-Ringen unterschidlich: Es geschieht vil Gutes und auch vil Böses vermittelst derselben / nachdem sie nemlich wohl angewendet / oder übel mißbraucht werden. 46 Bald braucht man sie aus eitler Hoffarth den Leib darmit zu schmucken und aufzubutzen. Bald steckt man sie an den Finger / zum Zeichen der Treu und Liebe / bevorab der ehlichen Treu und Lieb zwischen denen neuangehenden Eheleuten: deßwegen auch die Braut und der Bräutigam gemeiniglich einander einen Finger-Ring zu geben pflegen / und dardurch zur künfftigen Ehe sich verpfänden / welcher dann wohl mag genennet werden annulus fidei, ein Treu-Ring / sie dardurch zu erinneren / daß sie einander sollen Treu und Glauben halten / unzertrennlich und unabsönderlich biß in den Tod; dann ein Ring haltet vest zusammen / was er umgibt / und in sich schliesset. Disem Brauch ist auch der himmlische Bräutigam Christus JEsus selber nachkommen /indem er zu Zeiten sichtbarlicher Weiß erschienen /und einer absonderlichen lieb- und getreuen Dienerin einen Ring an den Finger gesteckt hat / und sich mit ihr gleichsam vermählet. 47 Also ist begegnet der H. Jungfrauen und Martyrin Catharinæ Alexandrinæ, und Agneti. Eben dergleichen Gnad hat ein Heil. Robertus und Edmundus von der seeligisten Jungfrauen Maria empfangen.

Wiederum pflegt man die Ring zu tragen zum beständigen Angedencken einer abwesenden geliebten Person / oder zur Erinnerung eines gewissen Dings: und diese pflegt man Denck-Ring zu nennen. 48 Einen solchen Denck-Ring hat auch in sittlichem Verstand der himmlische Gesponß seiner geistlichen Braut in den hohen Liederen an die Hand gesteckt / oder vielmehr tieff ins Hertz hinein gedrucket / da er zu ihr gesprochen hat: Pone me ut signaculum super cor tuum, ut signaculum [230] super brachium tuum: 49 Drucke mich wie ein Petschafft auf dein Hertz und auf deinen Arm / meiner niemahl zu vergessen.

Man steckt gemeiniglich die Braut- und Denck-Ring an den vierten Finger / weilen von demselben ein Aederlein biß zum Hertzen gehen solle / dardurch anzudeuten / daß man die jenige Person oder Sach /dero der Ring ein Angedencken ist / wohl zu Hertzen nemmen und zu Gemüth führen solle. Einen solchen Denck-Ring will ich hiemit all und jeden geist- und weltlichen / hoch- und niederen Stands-Personen / mit allschuldigem Respect an den Finger stecken / auf daß sie fleißig ingedenck seyen / und sich öffters erinneren dessen / was er ihnen andeutet. Der Ring aber / weil er Circul-rund ist / und folgends weder einen Anfang noch End hat / bedeutet so wohl die glückseelige als unglückseelige Ewigkeit: Derowegen macht der H. Paulus und der H. Pabst Gregorius eine Umschrifft auf diesen Ring / indem dieser sagt: Momentaneum quod delectat, æternum quod cruciat: Augenblicklich ist / was unzuläßlicher Weiß erlustiget / hingegen ewig / was peiniget. 50 Jener aber: Momentaneum & leve tribulationis æternum gloriæ pondus in nobis operatur: Unser jetzige Trübsaal / die zeitlich und leicht ist / schafft eine ewige und über alle Maaß wichtige Herrlichkeit in uns.

Ja weilen die Finger-Ring denen verliebten Personen vor anderen angenehm und eigenthumlich seynd /so will ich auch diesen einen besonderen Denck-Ring mit folgender Umschrifft præsentiren:


Quidquid amas, prudenter ames, moderatus amando.

Alles was du liebst / mit Bhutsamkeit
Lieb / mit Maaß und Bscheidenheit.

Es sollen die Alte vor Zeiten nicht nur Edelgestein /sondern auch Gifft in die Finger-Ring eingeschlossen haben / um auf allen Fall selbes gleich hinein schlucken zu können / wann sie etwan lebendig in die Händ ihrer Feinden / und in ein grosses Unglück etc. gerathen solten. Aber der obgemeldte Denck-Ring der Ewigkeit haltet gewiß kein Gifft in sich / sondern vilmehr vertreibt er das Sünden-Gifft von dem Hertzen /nach Zeugnuß des weisen Spruchs: In all deinen Wercken gedenck an deine letzte Ding / so wirst du nimmermehr sündigen. 51

Der 3. Absatz
Anhang
Anhang.
Zu den Füssen. Von dem Tantzen und Podagra.

Trefflich wohl / wirst du sagen / schicken sich diese zusammen / als wie ein Faust auf ein Aug. Ja / sage ich / gantz wohl; dann contraria juxta se posita magis elucescunt: wann man zwey widrige Ding zusammen haltet / da erkennet man sie desto besser. Es ist aber das Tantzen / wann es in gebührender Maaß geschieht / eine dem Leib nutzlich- und dem Gemüth annehmliche Bewegung / bevorab wann des Tantzenden gute Leibs-Positur, Hurtig- und Geschicklichkeit darzu kommt. Die Weiß oder Art zu tantzen ist vilfältig und ungleich: es gibt ehrbare und ernsthaffte Täntz / es gibt lustige und künstlich- oder harmonische / es gibt auch schädlich- und leichtfertige / herrische und bäurische Täntz. 67

Das fröliche Tantzen betreffend / welches bey zuläßlicher Ergötzlichkeit denen jungen und sorglosen Gemütheren gemein / ist eintweder der Kunst oder der Natur und Lands-üblicher Gewohnheit gemäß. Das erste bestehet gemeiniglich im Tantzen einiger Französischen Täntzen / die man Gavotten / Bourreen /Menuetten etc. Darbey der künstlich-Tantzende nicht nur die Hurtigkeit der Gliedmassen / und die Geschicklichkeit der Leibs-Stellung in Capriolen /Frisirungen / Schritten und Wendungen muß sehen lassen / sondern auch die Cadance bey der Music accurat zu halten wissen. Das andere bestehet in der Geschicklichkeit / so die Natur und Ubung einem gesunden wohlgemachten Cörper sich hurtig zu drehen /zu springen / und bald mit geschliffnen / bald mit aufhupffenden Schritten fortzurucken gegeben hat: worzu auch kommt die Hülffleistung und Gesellschafft des Mittantzenden nach unterschiedlicher Lands- und Stands-Art; dann anderst pflegt man zu tantzen in Franckreich / anderst in Engelland / Teutschland etc. Es varirt immer eine Nation von der anderen / was die Positur oder Stellungen / Verdrehungen und Figuren anbelangt etc.

Ob nun das Tantzen zuläßig und unsträfflich / oder aber schädlich und straffmäßig seye / darvon wird offt und vil discurirt und disputirt. 68 Gemeiniglich fallet der Schluß dahin aus: ein ehrlicher Tantz / wann er mäßig und inner den Schrancken der Ehrbarkeit geschehe / seye nichts Unrechts.


Tantzen in Ehren / kan niemand wehren.


Aber ob und wann es in Ehren / mäßig und ehrbar geschehe / das ist ein andere Frag / welche nicht so leicht und lediglich zu entscheiden ist. Meines Erachtens gehört vil darzu / daß bey dem Tantzen kein Gefahr seye / und nichts Unrechts darmit einlauffe. Die Umständ muß man wohl betrachten.


Quis? quid? ubi? quibus auxiliis? cur? quomodo? quando?


Ich will sagen 5. teutsche w.w.w.w.w. soll man fleißig in Obacht nemmen (alsdann mag man wohl tantzen) nemlichen wer? wie? wo? wann? und warum man tantze?

Es ist zwar ein uralte Gewohnheit um das Tantzen /schon in dem alten Testament war es der Brauch. 69 Der gottseelige König David selber hat vor der Arch GOttes / als sie aus dem Hauß Obededoms in seine Stadt übertragen wurde / offentlich daher getantzt und gesprungen: und dieses Tantzen hat GOtt gar wohl gefallen. 70 Es haben auch die Israeliter in Abwesenheit des Moysis um das guldene Kalb herum getantzet / aber dieses Tantzen hat GOTT gar übel gefallen. 71 Es sagt zwar der weise Salomon selber: Est tempus plangendi, & tempus saltandi, 72 es gibt eine Zeit zu trauren / und eine Zeit zu tantzen. Ich höre / daß annoch heutiges Tags in Spanien an vilen Orthen der Brauch seye / daß bey fürnehmen Proceßionen auf der Gassen / ja auch an hohen Festen [234] in der Kirchen gewisse Täntzer bestellt seyen / welche da vil seltzame Sprüng machen. Ob nun dieses Tantzen GOtt allerdings gefällig seye / das weiß ich nicht. Ländlich sittlich: aber das weiß ich wohl / daß unzahlbare Excess, Ubel und Aergernussen durch das übermäßige / frech-und ausgelassene Tantzen geschehen. 73 Es ist deßwegen leicht zu errathen / daß es (ich verstehe das unehrbar- und leichtfertige Tantzen) keinen anderen Urheber als den Teufel habe. Magister Historiæ scholasticæ schreibet / daß vor Zeiten in Egypten der böse Feind zum öffteren in Gestalt eines Stiers aus einem Fluß herfür kommen seye / und so bald die Egyptier denselben erblicket / da haben sie ihre musicalische Instrumenten ergriffen / und lustig aufgespihlt. Da aber habe dieser höllische Stier sich in die Höhe erhoben / und allerley seltzame Sprüng gemacht / welchem die Egyptier nachgefolget / und ebenfalls gesprungen und getantzet haben: mithin seye das Tantzen aufkommen.

Von diesem höllischen Tantzmeister hat gelernet die Tochter Herodiadis, eine recht üppige und freche Tantzerin / welche mit ihrem Hupffen und Springen dem König Herodes zwar gefallen / den H. Joannem Baptistam aber um das Leben und den Kopff gebracht hat. 74

Gar wohl und recht hat der Heil. Ephrem geschrieben: Wo die üppige Saiten-Spihl und freche Täntz seynd / da ist die Finsternuß der Männer / der Untergang der Weiber / die Traurigkeit der Englen / und das Fest der Teufflen. 75

Fast eben also redet Petrarcha: Choræa jam multorum dedecorum causa fuit etc. das Tantzen ist schon viler Schand und Spott ein Ursach gewesen: zum öffteren hat ein ehrliche Matron bey dem Tantzen ihr schon lang errettete Ehr verlohren / offt hat ein unglückseeliges Mägdlein bey dem Tantz erlernet /was sie nicht hätte wissen sollen. Also ist es der schönen Dina, einer Tochter des Patriarchen Jacobs ergangen; dann als sie aus Vorwitz die Sichemitische Weiber hat heimgesucht / eben als sie einen Tantz gehalten / da ist sie auch mitgehupfft und gesprungen: der Fürst desselbigen Volcks aber hat sich bey dem Tantzen in sie verliebt / und um ihre Ehr und Jungfrauschafft gebracht / worauß ein grosse Niederlag und der Untergang desselben gantzen Volcks erfolget ist. 76

Bey denen alten Römeren seynd zu unterschiedlichen Zeiten die Tantzer und Tantzerinen / als dem gemeinen Weesen nachtheilig / ab- und ausgeschafft worden.

Die Tantz-Böden seynd gefährliche Schiff-Brucken / auf welchen so manche Seelen zu Grund gehen. Deßwegen warnet der weise Ecclesiasticus alle Mannsbilder: cum saltatrice ne sis assiduus etc. 77 sie sollen nicht Gemeinschafft machen mit einer Tantzerin / damit sie nicht durch ihr schmeichlendes Liebkosen und anreitzende Gebärden verführt / und zum Untergang gebracht werden. Der gedultige Job aber schreibt hiervon also: tenent tympanum & cytharam, & gaudent ad sonitum organi, ducunt in bonis dies suos, & in puncto ad inferna descendunt: 78 sie nemmen Trummel und Harpffen / sie machen sich frölich bey der Orgel-Pfeiffen / sie bringen ihre Täg in Wohlleben zu / und im Augenblick fahren sie ins Grab / in die Höll hinab. O wohl ein erschröcklicher Sprung!

Einen solchen erbärmlichen Sprung hat gethan jene gottlose Tantzerin / von welcher Tympius folgende erschröckliche Geschicht schreibet: In dem Hertzogthum Mecklenburg wohnte ein gottloß- und ehebrecherische Tantzerin: sie hatte im Brauch die Täntz anzustellen / vorzutantzen / und offt grausam darbey zu fluchen. 79 GOtt / ihre Besserung erwartend / sahe lange Zeit zu / es wolte aber keine erfolgen / sondern vilmehr nahme sie in Lasteren zu. Einstens St. Joannis-Fest tantzte sie nach ihrer Gewohnheit vor / sie zeigte der Jugend gar ärgerliche Gebärden / und verhielte sich nicht anderst / als wann sie der höllische Feind [235] gedingt hätte die Jugend zu verführen. Es erschiene aber gählingen auf dem Tantz-Platz ein abscheulicher Teufel vor allem Volck / welcher diese gottlose Tantzerin angriffe / und sie mit Leib und Seel in die Lufft führte. Wie er sie aber empfangen und tractirt habe / das gabe ihr erbärmliches Heulen und Wehklagen genugsam an Tag; dann der böse Feind truge sie öffters rings um das Dorff / und gienge so grausam mit ihr um / daß etliche von den Anwesenden vor Schröcken halb todt zu Boden gefallen.

Endlich hat der grimmige Höllen-Hund die unseelige Tantzerin im Angesicht alles Volcks in 4. Theil zerrissen / und sie an 4. Ecken des Dorffs zum entsetzlichen Spectacul aufgehenckt. Matthæus Tympius verbo. Voluptas.

Auch unweit der Stadt Freyburg begab es sich vor Zeiten / daß die junge Bursch einstens unter dem freyen Himmel einen Tantz hielte: Es ware alles freudig und wohl auf / und die Spielleuth liessen sich tapffer hören / also / daß die Bauren-Music durch das gantze Thal erschallete. 80 Da aber wurde den Tantzenden angezeigt / daß der Pfarrherr mit dem Hochwürdigen Gut einen Krancken zu besuchen herbey nahe / und daß man schon das Glöcklein hore. Glöcklein hin /Glöcklein her / sagte ein verwegne Tantzerin / mein Vatter hat vil Vieh / welches dergleichen Glöcklein traget: worüber ein grosses Gelächter entstunde unter der muthwilligen Bursch / welche ohne Scheu den Tantz hat fortgesetzt. Aber die Göttliche Rach verweilte sich da nicht: es ware zwar der Lufft gantz haiter und rein / aber augenblicklich wurde er mit schwartz- und dicken Wolcken angefüllt / die sich mitten von einander zertrennten / und das gantze fruchtbare Thal mit einem so häuffigen Platz-Regen überschwemmeten / daß vil Menschen und Vieh / absonderlich die Tantzende / jämmerlich zu Grund gangen seynd / und nur etliche wenige auf denen Bäumen gefunden worden. Spond. in annal. Eccles. 1348.

Ja wohl / möchte mir ein Liebhaber des Tantzens sagen: Behüt mich GOtt vor so gottlosem Tantzen! ich suche nichts / als einen ehrlichen Gespaß bey dem Tantzen. Ich lasse es gelten / es ist aber da der nächste Weg von dem ehrlichen zu einem ärgerlichen Gespaß. Ein manchesmahl gehet man zum Tantzen / und gedencket an nichts Böses: man gehet aber nicht mehr darvon / biß man Böses nicht nur gedencket / sondern auch gesehen und gethan hat.

Hingegen soll ein jede Christliche Seel aus allen Kräfften nach einem unendlich glückseelig- und erfreulicheren Tantz verlangen / von welchem die Catholische Kirch in denen Tag-Zeiten einer H. Jungfrauen singet:


Quocunque pergis, virgines
Sequuntur, atque laudibus
Post te canentes cursitant,
Hymnosque dulces personant. 81
Wo immer geht das Göttlich Lamm
Jungfrauen ihm nachspringen:
Sie loben / preisen seinen Nam /
Im Reyhen lieblich singen.

Nun wollen wir den Tantz-Boden verlassen / und ein wenig zu dem Krancken-Beth oder dem Lähn-Sessel eines Podagrämischen uns begeben. 82 Aber behutsam und gemächlich; dann er schreyet schon von weitem: noli me tangere, rühre mich nicht an: inmassen das Podagra ein so verdrießlicher als schmertzhaffter Affect ist. Es ist ihme alles zuwider / warm und kalt / saur und süß / hell und dunckel: es thut ihm niemand recht / er greint mit jedermann / und mag sich selber nicht. Doch ist das Podagra in so weit discret, daß es einen nicht gleich bey dem Kopff nimmt /sondern es meldet sich zuerst gemeiniglich nur bey denen Füssen an (obwohlen es nach und nach aufsteiget) dann es bestehet in einer bösen / saltzig- oder scharpffen Feuchtigkeit / die aus denen fleischigen Theilen fliessend sich in die Gelenck der Füssen setzet / da Geschwulst und Schmertzen verursachet.

Aber was Mittels darfür? 83 von Linderungs-Mittel wissen die Herren [236] Medici vil zu sagen: aber Hülffs-Mittel wissen sie fein sauber keines.


Tollere nodosam nescit medicina podagram.
Das schmertzhaffte Podagran
Niemand recht curiren kan.

Der gelehrte Petrarcha schreibet zwar hiervon: si quid adversus Podagram auxilii est, totum à paupertate poscendum etc. 84 wann es immer ein Mittel wider das Podagran gibt / so ist es die Armuth / sie komme aus Noth und Zwang / oder aus freyem Willen her / das ist / die Mäßig- und Gesparsamkeit im Essen und Trincken. Aber / non omnes capiunt verbum hoc, dise Artzney will nicht allen schmecken: deßwegen gemeiniglich die fürnehme Herren / so einen Uberfluß an Speiß und Tranck haben / am Podagra leiden / nicht aber die arme Bauren und mühesame Handwercksleuth. Disem stimmet Cœlius bey / indem er meldet / daß einige Reiche / nachdem sie um Haab und Gut kommen / auch von dem Podagra kommen seyen; weil sie nemlich nicht vil mehr zu essen und zu trincken gehabt haben / und etwas arbeiten müssen. 85 Der heydnische Seneca schreibt von ihm selber / daß er kein anders Mittel für das Podagra gebraucht habe /als einige Salben / die Schmertzen zu linderen.

Ein kräfftig- und köstliche Salb / dise und andere Schmertzen zu linderen / ist / welche der Heil. Greg. M. vorschreibt / und aus folgenden 3. Stucken gemacht wird / nemlich aus der Erinnerung seiner Sünden / der Peinen der Höllen oder des Fegfeurs / und des bitteren Leydens Christi / absonderlich der so schmertzhafft- und grausamen Annaglung der Händ und Füssen an das Creutz. 86

Was wollen wir dann dem Patienten für einen Trost geben mit blossen Worten? Ich sorge wohl / er werde zu uns eben dergleichen sagen / was der Job in seinen Schmertzen zu denen / die ihne besucht haben / gesagt hat: nemlich / er habe dergleichen schon offt gehört /wir seyen ihme molest- und überlästige Tröster / wir haben gut sagen / und empfinden seine Schmertzen nicht etc. 87 Ja es ist nicht ohne: doch muß ich ihme erstlich jenes Sprüchlein des Poeten zu Gemüth führen:


Solatium miseris socios habuisse dolorum.
Ein Trost das Klagen zu vermeiden
Ist / weil auch andre also leiden.

Die schmertzhaffte Bruderschafft der Podagränischen ist sehr groß und adelich: es werden da nicht leicht Bauren und Handwercksleuth eingeschrieben /sondern gemeiniglich lauter Edelleuth / Fürsten und Graffen / Bischöff und Prälaten / das ist ja eine Ehr? 88 Ja auch vil hochgelehrte / und vil heiligmäßige Männer haben nicht nur starck / sondern auch starckmüthig an dem Podagran gelitten.

Nicephorus, mit dem Zunamen Botoniates, ein grosser Fürst / litte starck am Podagran / und hat dannoch von dem Studieren in freyen Künsten nicht abgelassen. Ennius, ein berühmter alter Poet / ungeacht seiner grossen Schmertzen an dem Podagran behafftet / wie er von sich selber bezeuget / und dannoch unterliesse er nichts / lage der Poeterey mit grossem Eyfer ob.

Auch Matthæus Aquilanus, ob wohl er an Händ und Füssen litte / schaffte er dannoch zu Neapel grossen Nutzen in der Philosophi und Theologi.

Der H. Gregorius M. hatte auch grosse Schmertzen wegen diesem Podagra / und dannoch unterliesse er nichts von seinem geistlichen Hirten-Amt / von seinen groß- und vilfältigen Geschäfften. Er schreibet auch /daß der Anconitanische Bischoff Marcellinus in seinem Podagran Miracul gewürcket habe.

Philemon der Sophist / da er an dergleichen Kranckheit lag / pflegte zu sagen: wann ich essen solle / da hab ich keine Händ / und wann ich gehen solle / da hab ich keine Füß / aber zum Leyden da hab ich Händ und Füß genug. 89 Aber ein Catholischer Christ solle in seinen Schmertzen sagen: wann ich schon keine gesunde Händ und Füß hab zum Gehen oder Arbeiten / so hab ich doch Kräfften genug /durch die [237] Gedult den Himmel zu gewinnen / und dem Teufel zu widerstehen; dann dises geschiehet vilmehr mit denen Kräfften des Gemüths / als der äusserlichen Glieder. Tullius Cicero lobet Possidoneum, welcher /wann dergleichen Schmertzen am stärckisten anhielten / zu sagen pflegte: du richtest nichts aus O Schmertzen! du wirst mich nicht dahin bringen / daß ich dich für ein Ubel erkenne: wie vil mehr soll die Christliche Gedult und Standhafftigkeit bey uns vermögen?


Die grosse Ubelthäter werden in die Kercker gesperret / mit eisenen Ketten an Händ und Füß gefeßlet / theils daß sie abgestrafft werden / theils daß sie die vorige Laster nicht mehr begehen können. Nun handlet GOTT gantz glimpffig und gnädig mit uns / wann er einen mit dem Podagran oder anderen Schmertzen an Händ und Füssen bindet / und an das Beth hefftet /die begangene Missethaten abzubüssen / fernere zu verhinderen / und noch darob durch die Gedult grosse Schätz der Verdiensten zu sammlen.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von der Haut des Menschen.

Die Haut / so lang sie an einem lebendigen Menschen hanget / wird Cutis genennt / wann sie aber von dem Fleisch abgezogen ist / Exuvia: sonsten auch Pellis à pellendo, weil sie die injurias aëris, als Wind /Regen und Schnee etc. vom blossen Leib abtreibet /oder abhaltet. 90 Es ist aber die Haut eigentlich die Bedeckung und Uberzug des gantzen Leibs: sie ist eine membrana mit unzahlbaren kleinen Fäßerlein gleichsam durchwürcket / zwischen welchen die kleine Schweiß-Löchlein / und auch die grosse Aus- und Eingangs-Löcher / als der Mund / Nasen etc. sich befinden. Die Haut ist am allerdickisten in dem Nacken / in dem Rucken schon etwas dinners / noch dinner in der Seiten / am allerdinnisten aber im Angesicht / und denen Leffzen.

Ein schöne zart- und weise / mit roth vermengte Haut gibt dem menschlichen Leib eine grosse Zierd /absonderlich macht sie ein schönes lebhafftes Angesicht / und ist deßwegen sehr beliebt: absonderlich wird ein solche von denen Weibsbilderen sehr starck verlangt / also daß sie zum öffteren mit der Haut / so ihnen GOTT und die Natur im Angesicht hat wachsen lassen / nicht zufrieden seynd / sondern durch Fleiß und Kunst mit vilem Waschen und Reiben / mit falschem Anstrich etc. ein schönere und zärtere Haut wollen zuwegen bringen; sie wollen halt mit Gewalt schön seyn. 91 Ja so gar lise ich von einem alten Weib zu Pariß in Franckreich / welche ihrer geruntzleten schwartzen Haut also überdrüßig / und der Schönheit so begierig ware / daß sie sich entschlossen auch so gar schinden / oder die Haut im Angesicht abziehen zu lassen / in Hoffnung / daß ihr ein schöne neue wachsen soll / und sie wiederum jung und schön aussehen werde. O wohl ein rechte Haut- ja eine Haupt-Närrin!

Aber diese zu Pariß ist nicht alleinig / dergleichen Haut- und Haupt-Närrinen gibt es noch unzahlbare in Teutschland und anderstwo / welche zwar so vil Hertz bey weitem nicht haben / daß sie ihnen die Haut im Angesicht liessen abschinden / nein / das thäte vil zu wehe / sie seynd vil zu haicklich / und können kaum einen Floh-Stich erdulten / aber mit einem falschen Anstrich wollen sie es erzwingen / und mit Gewalt schön werden / oder aufs wenigst für schön angesehen werden. 92

Ein manche zwar adeliche / aber schon alte und häßliche Runkunckel / wann sie schon ein Angesicht hat so voller Runtzlen / als wie ein Acker / auf dem man allererst gepfluget hat / wann schon ihre Augen trieffen / als wie 2. Distillir-Kolben / wann schon ihre Nasen aussiehet / als wie ein Grottenwerck von lauter Bimsen-Stein / wann schon ihre Wangen herab hangen / als wie ein eingeschnurftes Leder / wann sie schon Wartzen hat / als wann die Schermäuß hätten aufgeworffen / wann [238] schon ihr Maul aussiehet als wie ein rostiges Schloß an einer alten Keller-Thür / und die Zähn / als wie ein durchbrochner und übel zerrißner Garten-Zaun / so will sie sich doch nicht ergeben /sie will mit Gewalt aus einer schandlichen Hecuba ein schöne Helena werden / und noch einen Mann bekommen. Zu diesem End nimmt sie den Spiegel zum Gehülffen und Rathgeber / vor diesem schmuckt und butzt sie sich / sie reibet / zieret / poliret und schmieret sich / sie bemühet sich auf alle Weiß die Wunden der Häßlichkeit zu heilen / die Gruben einzufüllen /die Stirn und Wangen schön zart / glatt / weiß und weich zu machen: hernach kommt sie erst mit einem Fürneiß / mit einem Fleisch-farben Anstrich darüber /und verschmieret mehr daran / als die Haut selber werth ist / mit unterschiedlichen Pülverlein / Wässerlein / Säfftlein / Sälblein etc. Sie kommen mir vor /als wie ein altes baufälliges Hauß / wann es wiederum neu ist angestrichen worden / oder wie ein alter wurmstichiger Grimpel-Kasten / wann er von neuem ist gefürneißt worden / oder / wann ichs sagen darff / als wie s.v. ein Misthauffen / wann er mit neu-gefallnem Schnee bedeckt / O wie schön ist er! aber wann ein Regen oder Sonnenschein darüber kommt / und wascht ihne ab / da heißt es: pfui / wie stinckt er.


Ich bild mir gäntzlich ein /
Nichts närrschers könn seyn /
Als wann ein schon Alte /
Und gantz Ungestalte /
Durch falschen Anstrich
Schön machen will sich.

Ich höre / es seye in Welschland der Brauch / daß man in Fleisch-Gewölberen das Fleisch mit Rausch-Gold / Blumen und Lemoni-Blätteren ausziere / damit es denen Käufferen besser in die Augen falle / und sie Lust darzu bekommen. Fast eben also machen es die Hoffärtige Mägdlein auch von geringem Stand: wann sie die Wochen hindurch mit Spinnen oder Nehen etliche Groschen gewunnen haben / und am Sonntag zum Tantz oder in das Wirthshauß gehen wollen / da muß ein Theil von dem Geldlein auf den Anstrich verwendet werden / damit sie denen jungen Gesellen gefallen mögen.

Aber höret / was der H. Augustinus hiervon haltet:ô quanta amentia est effigiem mutare naturæ, picturam quære? was für ein Thorheit ist es / daß man das wahrhaffte Original der Natur mit Farben sucht zu veränderen! durch den Ehebruch thut man zwar die eheliche Treu und Keuschheit / aber durch den betrüglichen Anstrich die Natur selber angreiffen und verfälschen.

Ein anderer bewährter Scribent sagt: conspuunt quodammodo in Dei faciem mulieres, quæ faciem stibio liniunt, & facies adulterant, 93 die Weiber / so aus Hoffart einen falschen Anstrich brauchen / und ihre Gesichter verstellen / speyen Christo dem HErrn gleichsam in das Angesicht.

Wie sehr dieser Betrug GOtt mißfalle / das hat die stoltze Königin Jezabel nur gar zu wohl mit ihrem höchsten Schaden erfahren: indem sie auch zur Zeit der Todts-Gefahr ihr Angesicht mit dem Anstrich übermahlet / das Haupt gar eitel gezieret hat / und frech zum Fenster hinauß gesehen. Aber GOTT hat es geschickt / daß sie auf den Befehl des sieghafftenJehu auf die Gassen ist herab gestürtzt / und ihr Cörper von denen Hunden ist aufgefressen worden / das ware ein erschröckliche Straff! 94

Hingegen lächerlich und doch merckwürdig ist /was ich von einem gewissen Frauenbild / Phrinis mit Namen / lise. 95 Diese Phrinis ware von Angesicht überaus schön und wohlgestalt: als sie aber einstens in eine Gesellschafft (jetziger Zeit / wo man sich /Teutsch zu reden schämet / heißt mans Assembleé) kommen / worbey sich ein zimmliche Anzahl des Frauenzimmers eingefunden hat / welche alle stattlich aufgebutzt und zierlich geschmuckt waren: eine jede aus ihnen bildete ihr kräfftig ein / daß sie aufs wenigist um etliche Loth oder Quintlein schöner seye als die anderen. 96 Aber Phrinis, die von Natur nicht nur schön / sondern [239] auch arglistig ware / vermerckte gar bald / daß bey denen mehristen ein Betrug darhinter stecke / und ihre Schönheit nicht von der Natur / sondern nur von einem Pemsel oder falschen Anstrich herkomme. Welches / als ihr præjudicirlich / sie nicht wenig verdrosse.

Sie fanget also unter dem Schein einer Kurtzweil ein Spiel an / welches man Müssen nennt / indem der verspielende Theil unverweigerlich thun muß / was ihme der gewinnende auferlegt. Wie nun die Ordnung des Gebietens an die schöne Phrinis kommen / da sagte sie: Allo Madames, was sie mich sehen thun /das müssen sie mir alle nachmachen. Darauf liesse sie ihr in einem Gieß-Becken frisches Bronnen-Wasser reichen / sie nahme ein sauberes kleines Tuch / und fienge an das Angesicht zu reiben und zu waschen /als wann sie sich lange Zeit nie gewaschen hätte / und dieses geschahe ohne einzigen Nachtheil ihres schönen Angesichts. Als sie aber das andere gefürneißte Frauenzimmer ein gleiches zu thun anmahnte / da seynd sie gewaltig erschrocken / und wolten durchaus nicht daran; dann sie hatten ein böses Gewissen / und gedachten wohl / es wurde ihre falsche Schönheit bey diesem Gewässer einen starcken Schiffbruch leiden /oder gäntzlich zu Grund gehen: sie entschuldigten sich auf unterschiedliche Weiß / die eine / sie habe einen Catharr / die zweyte / sie habe einen Fluß in Augen / die dritte / sie habe unlängst Zahn-Schmertzen gehabt etc. das Annetzen wurde ihr schädlich seyn. Aber alles umsonst / die Phrinis wolte nicht aussetzen / es mußte bedingter massen gewaschen seyn. Kaum aber fiengen sie an das Gesicht ein wenig zu netzen und zu reiben / da verliesse die schöne Leib-Farb alsobald ihre Wangen / und bliebe an dem nassen Tüchlein hangen. O da ware es ein miserablerAspect, ein erbärmliches Aussehen! Sie stunden da mit ihren blaichen / mageren / geruntzleten / wüsten /schwartzen Gesichteren / daß es ein Elend ware. Die schöne Phrinis aber lachte ihr die Haut voll an / und truge den Sieg der Schönheit allein darvon. O wie vil besser hätten diese gethan / wann sie an statt des falschen Anstrichs in dem Angesicht / ihre Seelen mit der weissen Farb der Reinigkeit / und mit der rothen der Schamhafftigkeit gezieret hatten / welche von keinem Regen kan abgewaschen / noch von einigem Ungewitter verderbt werden.

Sonsten kan durch die menschliche Haut die äusserliche Conversation, oder der Wandel des Menschen verstanden werden: dann / gleichwie die Haut allein gesehen / die innere Theil aber des Leibs von derselben verdeckt werden / also werden offtermahl die innerliche Affect, Vorhaben und Anmuthungen durch die äusserliche Werck / welche alleinig unter die Augen fallen / verdeckt und verborgen; dann:Homo videt ea, quæ sunt in facie, Deus autem in corde: Der Mensch siehet was im Angesicht ist /GOTT aber was im Hertzen. 97

Die Klugheit der Schlangen wird in Heil. Schrifft unter anderen absonderlich in diesem gerühmt / daß /wann sie eraltet ist / durch ein enges Loch durchschliefft und durchdringt / und also die alte Haut abstreifft / auf daß ihr ein neue und frische wachse. Dieses geschieht aus Antrieb der Natur / aber aus Antrieb der Gnad soll geschehen / was der Heil. Apostel Paulus von uns haben will / wann er sagt: Expoliantes veterem hominem, induimini novum etc. 98 Ziehet aus den alten Menschen / und leget einen neuen an / schlieffet in eine neue Haut / das ist / leget ab die alte böse Gewohnheit und Sitten / und nemmet neue bessere an euch.

Die Häut der unvernünfftigen Thieren / benanntlich der Schaafen / werden auf unterschiedliche Weiß gearbeitet und zugericht; dann erstlich besprengt man sie mit Aschen / auf daß die Haar darvon lassen: alsdann werden sie in den Staub der gestampfften Baum-Rinden gelegt / und in dem Kalch eingetaucht / her nach mit Wasser [240] genetzt und geschwungen / letztlich mit scharpffen Messeren abgeschaben / und also zu unterschiedlichem Gebrauch / absonderlich zum Schreiben wichtiger Sachen applicirt / und in die Königlich- und Fürstliche Archiv hinterlegt und aufbehalten. 99 Eben also sollen wir auch die Haut unseres Leibs sittlicher Weiß mit der Aschen und dem Staub /das ist / mit der Gedächtnuß des bitteren Tods besprengen / und einäscheren: im Wasser der Zäher befeuchten / an dem Holtz des Creutzes Christi ausdähnen / und mit dem scharpffen Messer der Mortification allen Unflath der Sünd- und Lasteren abschaben /auf daß sie tauglich und würdig werden zu allerhand guten Wercken / und endlich samt der Seel in die geheime Schreib-Kammer / oder in das Archiv des himmlischen Königs gelegt zu werden.

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von denen Gebein des Menschen.

Die Gebein seynd die stärckiste und härtiste Theil des gantzen Leibs / so die andere schwächere und waiche unterstützen und aufrecht erhalten / als wie die Wänd und Balcken in einem Gebäu. 100 Die Bein haben ihre Nahrung von dem Blut / so wohl als die fleischige Theil: das Marck in den Beinen ist eben so vil als die Fette in dem Fleisch / nemlich ein Oel / so die Knochen befeuchtet und erhaltet: dero Bewegung geschieht durch die Gelenck und Zusammenfügung der Beine vermittelst der Nerven. Ubrigens seynd die Gebein von Natur weiß / dürr und unempfindlich / sie verfaulen in langer Zeit nicht / sie werden weder im Wasser erwaicht / weder im Feur gebogen: und obwohlen sie mitten im Fleisch und Blut sich befinden /so verderben sie darum nicht in demselben. Was die Menge der so wohl klein- als grossen Beiner in dem menschlichen Leib anbelangt / so seynd derselben nach glaubwürdiger Meinung der Herren Medicorum 247. und zwar 59. in dem Haupt / 68. in dem Stamm oder Rumpff des Leibs / 120. aber in denen Zusammenfügungen der Mäußlein.

Diese Eigenschafften der Gebein deuten uns gar füglich an die Qualitäten / so die Vorsteher und Regenten / absonderlich die geistliche Obere haben sollen: dann sie sollen erstlich die stärckiste / das ist /die tugend- und daurhafftiste seyn in dem sittlichen Leib einer geistlichen Communität / oder eines gemeinen Wesens (gleichwie die Bein in dem natürlichen Leib) damit sie die gemeine als schwächere unterstützen und aufrecht / das ist / in gutem Stand erhalten mögen: wie der Heil. Apostel Paulus sagt: debemus nos firmiores imbecillitatem infirmorum sustinere: wir / die etwas stärcker seynd / sollen tragen der Schwächeren Gebrechlichkeit. 101 Sie sollen auch als wie die Bein weiß seyn vermög der Reinigkeit / dürr durch die Mäßigkeit / starck und hart aber in der Standhafftigkeit / und unempfindlich durch die Gedult: sie sollen niemahl verwesen durch die Trägheit: sie sollen sich weder verzehren lassen durch das Feur der Trübsal / noch erweichen durch das Gewässer der Wollüsten und Gemächlichkeiten.

Ferners / obwohlen diese sittliche Gebein / die geistliche Vorsteher und Obere mit Fleisch und Blut /ich will sagen mit Ehren und Reichthumen gleichsam bekleidet / oder mit Fleisch und Blut / das ist / mit Blutsverwandten / mit Favoriten / Schmeichler und Aufwarteren umgeben seynd / so sollen sie doch von denselben sich nicht lassen verderben und einnemmen: wohl aber sollen sie selbst untereinander und mit ihren Untergebnen und Mitgliederen durch die Strick und Band der Lieb und Einigkeit / gleichwie die Bein durch die Nerven verknüpfft und verbunden seyn / auf daß der sittliche Leib der Communität oder Gemeind mit den Worten des Jobs zu GOtt sprechen möge: Pelle & carne vestisti me, ossibus & nervis compegisti me: Du hast mir Haut und Fleisch umgezogen / mit Bein und Aderen hast [241] du mich zusammen gefügt. Absonderlich sollen sie angefüllt seyn mit dem Marck der Milde und Gütigkeit / von welcher alle Mitglieder einen Genuß / Krafft und Stärcke empfangen: und obwohlen die Bein / wie schon gemeldt /an sich selber gantz hart / so seynd sie doch von aussen mit weichem Fleisch überzogen: also mögen auch die Geistliche wohl ihnen selbst durch ein mässige Strengheit des Lebens hart seyn / aber anderen sollen sie sich durch die Sanfftmuth gelind und glimpffig erweisen: alsdann wird man von ihnen sagen können:ossa vestra quasi herba germinabunt, eure Bein werden grünen wie das Gras.

Aber auch im Gegentheil können die gottlose und verstockte Sünder durch die Bein verstanden werden: dann sie seynd als wie die Bein / hart / wegen der Härtigkeit und Verstockung ihres Hertzens: sie lassen sich weder durch das Feur der Lieb bezwingen /weder durch das Wasser der Göttlichen Gnaden erweichen: sie seynd dürr / hohl und leer / weil sie weder einen Safft der Andacht / noch ein Marck des Mitleidens und der Gütigkeit haben: also / daß an ihnen erfüllt wird der Spruch des Psalmisten: ossa mea sicut cremium aruerunt: 102 meine Gebein seynd verdorret als wie ein dürres Holtz / und werden gar leicht von dem Feur der bösen Begierden ergriffen. Sie seynd auch umgeben und stecken mitten im Fleisch und Blut / das ist / in den fleischlichen Begierden und Wollüsten: hingegen aber seynd sie gantz unempfindlich zu denen guten Ermahnungen und Zusprüchen / oder unempfindlich / das ist / ohne Mitleiden gegen denen Bedrangten und Nothleydenden: aber gantz nicht (als wie die Gebein im menschlichen Leib) versammlet und verbunden durch die Nerven und Aderen / das ist / durch die Strick und Band der Lieb und Einigkeit / sondern vilmehr kan von ihnen gesagt werden: dispersa sunt ossa mea secus infernum, 103 unsere Bein seynd zerbrochen und zerstreuet worden bey der Höllen.

[242]
Fußnoten

1 Ampt und Beschaffenheit der Aermen.

2 Der Sohn GOttes ist der Arm des himmlischen Vaters.

Luc. c. 1. v. 51.

3 Psal. 88. v. 11.

4 Psal. 76. v. 16.

5 Oseæ c. 11. v. 3.

6 Isaiæ c. 33. v. 2.

7 Geistlich- und weltliche Obrigkeit seynd 2. sittliche Aerm.

Psal. 17. v. 35.

8 Die Händ seynd gar nutzlich- und nothwendige Glieder.

9 Durch die Händ werden unsere Werck und Vorhaben / ja der gantze innerliche Mensch angedeutet und vorgestellt.

10 Matth. c. 6. v. 3.

11 Vierfache Hand GOttes.

12 Sap. c. 11. v. 18.

13 Isaiæ c. 49. v. 2.

14 Psal. 43. v. 3.

15 Psal. 144. v. 16.

16 Psal. 94. v. 4.

17 Job. c. 30. v. 21.

18 Psal. 31. v. 4.

19 Die Händ des Menschen sollen sich auf dreyerley Weiß zeigen.

Psal. 62. v. 5.

20 1. ad Tim. c. 2.

21 Prov. c. 31. v. 20.

22 Cant. c. 5. v. 5.

23 Böse und schädliche Händ.

24 Isaiæ c. 1. v. 15.

25 Exodi c. 4. v. 6.

26 Gen. c. 27. v. 22.

27 Isaiæ c. 59. v. 3.

28 Psal. 25. v. 10.

29 Man soll ihm selber fleißig auf die Händ schauen.

30 Zach. c. 8. v. 13.

31 4. Reg. c. 10.

32 Die rechte Hand bedeutet den geistlichen / und die lincke den weltlichen Stand.

33 Matth. c. 6. v. 33.

34 Marci c. 8. v. 36.

35 Prov. c. 4. v. 27.

36 Die 5. Finger werden sittlicher Weiß ausgelegt.

37 Psal. 17. v. 45.

38 Wunderwürdige Finger gewisser Heiligen.

39 Finger-Ring tragen ist ein sehr alter Brauch.

40 Gen. c. 41. v. 42.

41 Gen. c. 41. v. 42.

42 Esther c. 3. v. 10.

43 Luc. c. 15. v. 22.

44 Unterschiedliche kostbar- und künstliche Ring.

45 Innocent. III. übersendet König Richardo 4. Ring mit sittlicher Auslegung derselben.

46 Der Gebrauch und die Bedeutung der Finger-Ringen ist unterschiedlich.

47 Braut-Ring.

48 Denck-Ring.

49 Cant. c. 8. v. 6.

50 Der Ring ist ein Anzeigen der Ewigkeit.

51 Eccli. c. 7. v. 40.

52 Das Ampt und die Beschaffenheit der Füssen.

53 Die 2. Füß bedeuten die Liebe GOttes und des Nächsten.

54 Ad. Coloss. c. 3. v. 14.

55 Greg. in homil.

56 S. Greg. in hom.

57 Durch die Füß seynd die Affectiones oder Gemüths-Neigungen zu verstehen.

58 Dan. c. 2. v. 32. etc.

59 Ezech. c. 1. v. 7.

60 Arme / Baursleuth und Unterthanen seynd die Füß des gemeinen Weesens.

61 Böse und schädliche Füß in sittlichem Verstand.

62 Isaiæ c. 3. v. 16.

Psal. 35. v. 12.

Job. c. 31. v. 5.

Dan. c. 7. v. 19.

63 Jerem. c. 38. v. 22.

64 Isaiæ c. 37. v. 25.

65 Der Willen ersetzet das Werck.

66 Luc. c. 21. v. 2.

67 Das Tantzen ist unterschidlich und vilfältig.

68 Ob das Tantzen zuläßig und unsträfflich seye oder nicht.

69 Tantzen ist ein alter Brauch.

70 2. Reg. c. 6.

71 Exodi c. 32. v. 6.

72 Eccli. c. 3. v. 4.

73 Der Mißbrauch des Tantzens wird getadlet.

74 Marci c. 6. v. 23 etc.

75 Vilfältiger Schaden des frechen Tantzens wird erwiesen.

76 Gen. c. 34.

77 Eccli. c. 9. v. 4.

78 Job. c. 21. v. 12.

79 Historia.

80 Historia.

81 Ein geistliches Täntzlein.

82 Das Podagra ist ein verdrießlich- und schmertzhafter Affect.

83 Was Mittels darfür seye.

84 lib. 6. ep. 89. de rebus famil.

85 lib. 6. lect. antiq.

86 lib. 9. ep. 2.

87 Job. c. 16. v. 1.

88 Die Gesellschafft der Podagränischen ist groß und adelich.

89 Die Gedult im Podagra ist sehr nothwendig und verdienstlich.

90 Die Beschaffenheit der Haut.

91 Ein schönes Angesicht ist angenehm.

92 Falscher Anstrich der hoffärtigen Weiber wird gescholten.

93 Aloysius Novarinus in c. 26. Matthæi.

94 4. Reg. c. 9.

95 Falsche Schönheit wird lächerlich entdeckt und zu schanden.

96 Geschicht.

97 Durch die Haut werden die äusserliche Werck verstanden.

98 Ad. Coloss. c. 3. v. 9.

99 Wie die menschliche Haut geistlicher Weiß solle zugerichtet werden.

100 Die Eigenschafften und Beschaffenheit der Gebein.

101 Geistliche Vorsteher und Regenten werden durch die Gebein beditten.

102 Psal. 101. v. 4.

103 Psal. 140. v. 7.

VI. Von dem Halß - Magen und Bauch - von Fleisch und Blut des Menschen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von dem Halß und der Gurgel.

Der Halß und Gurgel ist der jenige Theil / so das Haupt und übrigen Leib mit einander verknüpffet: an dem Halß seynd 4. Musculi oder Mäußlein zu finden /auf einer jeden Seiten 2. die zu seiner Bewegung dienen / und werden theils flexores, theils extensores genennt: von welchen ein mehrers bey denen Anatomisten zu ersehen. 1 Die Gurgel ist gleichsam ein Canal oder doppletes hohles Rohr / in einer cröspligen Materi bestehend / durch eines derselben wird die Speiß und das Tranck in den Magen hinab gelassen / durch das andere aber der Lufft zum Schnauffen an sich gezogen / und von sich gegeben. Dieser zweyfache Zugang wird von einem fleischenen Deckelein unterschieden / welches das Zäpfflein oder Athem-Zünglein genennt wird / und die Lufft-Röhre bewahret /damit im Schlucken nichts hinein falle.

Durch den Halß können erstlich verstanden werden die Prediger und geistliche Vorsteher / als welche das Mittel und Mittler seynd zwischen dem Haupt und dem sittlichen Leib der ihnen anvertrauten Kirchen oder Gemeind: und gleichwie die natürliche Speiß dem Leib durch den Halß oder die Gurgel zukommet /also kommet die geistliche Speiß des Worts GOttes von der heilsamen Lehr / von dem Haupt / das ist /Christo / denen Glaubigen zu. Derowegen / gleichwie der Halß an einem hohen Ort des Leibs gesetzt ist /und sich gerad gegen dem Haupt erhebet / also sollen auch die Prediger und geistliche Vorsteher durch die Tugend und Geschicklichkeit über die andere gemeine Glieder erhöhet seyn / und sich den geraden Weg /ohne Umschweiff auf die Seiten / das ist / auf die Creaturen / durch die Betrachtung und himmlische Begierden gegen GOTT erheben. Sie sollen gleich seyn dem Halß der geistlichen Braut in denen hohen Liederen Salomonis / wo er mit dem Thurn David und mit einem helffenbeinenen Thurn verglichen wird /das ist / hoch / gerad / starck und rein.

Der Halß / wann er wohl und recht bestellet ist /thut sich leichtlich biegen / lencken und wenden auf alle Seiten / wie es die Noth erforderet / und durch ihne gehet ein helle laute Stimm aus. Eben also sollen auch die Prediger und geistliche Vorsteher nach Gestalt der Sachen / und Erheischung der Umständen sich auf alle Seiten wenden / das ist / nach allem sich schicken und richten können / nach dem Exempel des Apostels: flere cum flentibus, & gaudere cum gaudentibus, 2 weinen mit den Weinenden / und frölich seyn mit Frölichen / auf daß sie allen alles werden / und alle Christo gewinnen. Zu dem End sollen sie auch / als wie der Halß / eine laute / helle Stimm von sich geben / das ist / keck und frey die Wahrheit sagen / im Predigen straffen und ermahnen / damit sie nicht seyen canes muti, stumme Hund / die sich nicht zu bellen trauen.

[243] Aber gleichwie / wann ein Cathar / oder die Angina, ein Halß-Geschwulst ansetzet / da wird der Halß an dem Reden / Schlinden und Athmen verhinderet /er kan die Stimm nicht wohl herauß / und die Speiß nicht wohl hinein bringen: Eben also / wann der Prediger oder geistliche Vorsteher mangel- oder tadelhafft ist / da kommen die Wort und Reden / oder vilmehr die Werck und Exempel nicht wohl herauß. Eben so hart kommet durch ihne die Speiß der Seelen / die geistliche Nahrung dem Leib und den Gliederen seiner Gemeind oder Untergebnen zu: ja er kan auch selbsten nicht wohl athmen / das ist / den Geist der himmlischen Gnaden an sich ziehen.

Ferners kan auch durch den Halß oder die Gurgel der Fraß und die Schlemmerey verstanden werden; weilen alle Speiß und Tranck durch diese Straß in den Magen eingeführt wird / ein Schlemmer aber oder gefräßiger Mensch auf nichts mehrers als auf die Zu-und Einfuhr bedacht und geflissen ist. 3 Deßwegen auch von solchen kan gesagt werden: sepulchrum patens est guttur eorum, 4 ihr Schlund oder Rachen ist ein offnes Grab. Dann / gleichwie ein offnes Grab allzeit parat stehet die Todten-Cörper auf- und einzunemmen / also ist der Schlund eines Schlemmers allzeit offen und bereit / Speiß und Tranck zu empfangen / er ruffet gleichsam immerdar laut auf: affer, affer, bring her / bring her. Es wird auch der Wollust / so man hierauß geniesset / nirgends als in dem Durchzug durch die Gurgel empfunden: deßwegen ein gewisser Schlemmer einstens einen so langen Halß /als wie ein Kranich zu haben ihm gewunschen hat /nur damit er das Kosten und den Geschmack von Speiß und Tranck länger geniessen kunte; inmassen die gefräßige Schlemmer nicht den Nutzen oder die Nothdurfft / sondern vilmehr den Wollust im Essen und Trincken suchen / von welchen der Apostel sagt:quorum Deus venter est, 5 der Bauch seye ihr Gott /deme sie nemlich die Zeit / Mittel und Kräfften aufopfferen.

Das Hinabschlinden der Speiß und des Trancks verhinderet das Athmen oder Schnauffen; dann so man würcklich etwas isset oder trinckt / da kan man nicht schnauffen oder Lufft schöpffen; weilen die obere Oeffnung des Lufft-Rohrs / welches zum Athmen oder Schnauffen gewidmet ist / zugehet und geschlossen wird / gleichwie hingegen / wann man Athem schöpfft / der Schlund / durch welchen die Speiß und das Tranck eingehet / sich zuschliesset. Daher kommt es / daß / wann ungefehr etwas von der Speiß oder dem Tranck an statt des Schlunds in das Lufft-Rohr (die gemeine Leuth heissen es in den unrechten Halß) kommet / da macht es Ungelegenheit /es nimmt den Athem / und wann es die Natur nicht alsobald mit Gewalt wiederum herauß stossen und auswerffen thäte / so müßte der Mensch versticken; dann er kan nicht wohl über den zwantzigsten Theil lang von einer Stund ohne Athem oder Schnauffen seyn. Eben eine solche Beschaffenheit hat es im sittlichen Verstand: dann die Gefräßigkeit oder wollüstige Schlemmerey verhinderet / daß der Mensch geistlicher Weiß nicht athmen oder Lufft schöpffen / daß die himmlische Tröstungen und Gnaden des H. Geistes nicht an sich ziehen kan / und folgends in dem übernatürlichen Leben nicht lang bestehen. Dann wie der Apostel bezeuget: 6 animalis homo non percipit ea, quæ sunt Spiritûs: Ein sinnlicher wollüstiger Mensch vernimmt nicht die Ding / so vom Geist GOttes seynd. Schon in unseren ersten Elteren hat das Essen der verbottenen Frucht den Geist des übernatürlichen Lebens ausgelöscht / und sie samt allen Nachkömmlingen des Tods schuldig gemacht. Ja auch dem zeitlichen Wohlstand ist die Schlemmerey zuwider / und ein Ursach viler Kranckheiten. Die beschwerliche Fettigkeit des Leibs löschet aus die natürliche Hitz / sie verstecket die Lebens-Geister / und vermehret die schädliche und überflüßige Feuchtigkeiten: sie verhinderet die nutzliche Ubungen des Leibs und des Gemüths / und [244] und machet gleichsam stumpff die Schärpffe des Verstands.

Es ist aber der Fraß und Füllerey eigentlich immoderatus appetitus cibi & potûs, wie der Heil. Thomas von Aquin und Albertus M. lehret: das ist / ein unordentlich- oder unmäßige Begierd zur Speiß und Tranck.

Das Laster der Gefräßigkeit aber wird auf fünfferley Weiß begangen / die in folgenden Verslein begriffen seynd:


Præproperè, lautè, nimis ardenter, studiosè.
Essen z'fruhe und auserlesen /
Gar zu kostbar / vil und gschwind /
Deß Fraß gewohnte Laster sind.

Auf solche Weiß hat erstlich im Essen excedirt oder zu vil gethan der Esau / indem er aus unmäßiger Begierd zum Linsen-Muß seinem jüngeren Bruder Jacob die Erstgeburt um selbes verkaufft hat. 7 Es haben excedirt die Israeliter in dem Auszug von der Egyptischen Dienstbarkeit / da sie des Manna oder Himmel-Brods überdrüßig / sich mit gebratnen Wachtlen also ageschoppet / daß sie GOTT schwerlich darbey beleydiget haben. 8

Es haben excedirt die Bœotii, welche die gefräßigiste aus allen Griechen seynd gehalten worden / die sich nach den Mahlzeiten pflegten auszuleeren / und wiederum von neuem anzufüllen: sie wurden aber billich von allen Weisen als unnutz- und thorrechte Leuth verachtet und verlachet. 9

Es hat im Essen und Trincken gewaltig excedirt ein gewisser Timocreon mit Namen / welchem man deßwegen folgende Grabschrifft gesetzt hat:


Multa bibens tum multa vorans, malè plurima dicens
Multis, hic jaceo Timocreon Rhodius.

Zu Teutsch:

Ein Vilfraß bin ich g'wesen /
Ein Weinschlauch auch darbey:
Ein Schwätzer noch darneben /
Glebt hab ich wie die Säu.

Aristoxenus ist ein solcher Schlemmer gewesen /daß er das Kräutelwerck zu Abends im Garten mit Mett getränckt und begossen hat / auf daß es häuffiger wachse / und annehmlicher zu essen sey. Ravisius. Nisæus, der Syacuser Tyrann / als er von denen Wahrsageren vernommen hat / daß er bald sterben werde / da hat er die übrige Lebens-Zeit lediglich aufs Essen und Trincken gewendet. Idem. Astidamas Milesius wurde von Persa Ariobazane zu einem reichen Gastmahl eingeladen / und hat alles / was für sammentliche Gäst zubereitet war / alleinig aufgefressen.Idem. Phago ist ein solcher Fresser und Sauffer gewesen / daß er bey der Tafel Aureliani ein gantzes Wildschwein / 100. Brod / einen Hammel und Spanfercklein in einem Tag geessen / auch ein gantzes Schlauch-Fäßlein Wein darzu getruncken hat. 10

Miltridates hat reiche Schanckungen aufgesetzt denen / so am meisten essen und trincken kunten / nur damit er mehr seines gleichen Schlemmer haben möchte: doch hat er im Trincken alle Menschen seiner Zeit weit übertroffen.

Heraclides Pyctes ware ein unmäßiger Esser und Trincker: Einige hat er zum Morgen-Essen eingeladen / andere zum Mittag- und wiederum andere zum Nacht-Essen an einem Tag / da er allzeit mitgehalten /ja anderen es weit vorgethan hat. Tyberius Nero der Kayser brachte einen Tag und zwey gantze Nächt in beständigem Essen und Trincken zu. Deßwegen er auch von seinen Soldaten Spott weiß Biberius Mero ist genennt worden.

Maximinus aber / so auf Alexandrum, Mammeæ Sohn gefolget ist / und ungemein groß und starck ware / der aß in einem Tag 40. Pfund Fleisch / und trancke einen gantzen Eymer Wein / wobey er also schwitzte / daß man mit dem aufgefangenen Schweiß einen grossen Becher anfüllen kunte. Sabell. lib. 10.c. 10. 11 Endlich in dem Laster der Schlemmerey seynd versencket alle die jenige / welche immerdar jenes verfluchte Gesänglein anstimmen / und in der That üben / nemlichen:


Ede, bibe, lude, post mortem nulla voluptas.
[245]
Nur tapffer iß / nur trinck und spihl /
Der Todt dem Lust machts End und Zihl.

Laßt uns hören / was die H. Schrifft und Vätter darzu sagen: Væ vobis, qui saturati estis, wehe euch / die ihr voll seyd / dann ihr werdet hungeren. 12 Luc. c. 6. v. 24. Filius vester, si commessationibus vacat & luxuriæ atque conviviis, lapidibus eum obruet populus: Wann euer Sohn lebt in Schwemmereyen / Unkeuschheit und Füllerey / so sollen ihn versteinigen alle Leuth derselben Stadt. Deut. c. 21. v. 20. Wann sie essen und satt und feißt werden / da werden sie sich wenden zu anderen Göt teren / und ihnen dienen / und mich lästeren / und meinen Bund fahren lassen. Deut. c. 31. v. 20. Sey nicht gefräßig in allem Schlecken / und schütte dich nicht aus auf alle Speiß: dann vil essen macht kranck / durch Füllerey seynd vil gestorben etc. Eccli. c. 37. v. 32. Lasset uns ehrbarlich wandlen / als am Tag / nicht in Fressereyen und Trunckenheiten etc. ad Rom. c. 13. v. 14.

Auf gleiche Weiß reden die HH. Vätter: Wer der Schlemmerey dienet / sagt der H. Ambrosius, der dient einer gar schlimmen Frauen: dann sie ist unersättlich / heut füllet sie sich an / Morgen will sie schon so vil wiederum haben / unterdessen saget sie aller Tugend und Ehrbarkeit ab. 13 Wann der Fraß und die Füllerey überhand nimmet / da verliehrt der Mensch alles / was er Löbliches gethan hat: und wann man diesem Laster nicht Innhalt thut / so werden alle Tugenden vertriben. Dann die Schlemmerey führet unzahlbare Laster wider die Seel in das Feld. 14 Idem. Niemand kan die hitzige Stachel der bösen Begierden hinterhalten oder zuruckhalten / der den allzugrossenAppetitt im Essen und Trincken nicht zu mäßigen weiß. Sagt Innoc. de vilit. condit. humanæ.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Magen und dem Bauch.

Der Magen ist gleichsam die Kuchel oder Speiß-Kammer / in und von welcher die Speisen für die Nahrung des Menschen zubereitet werden. 15 Dann zu wissen ist / daß / nachdem die Speiß von denen Zähnen zermahlen und verkäuet worden / da wird sie durch den Schlund in den Magen eingeführt / allda verdäuet und in den chylum oder sogenannten Milch-oder Nahrungs-Safft vewandlet / und dann ferners durch die untere Oeffnung des Magens ausgeführt: der besser- und subtilere Theil endlichen in Blut und Fleisch verwandlet / der gröbere und überflüßige aber in die Excrementa oder den Auswurff verkehrt / und durch das Gedärm von dem Leib ausgestossen.

Der Magen aber ligt gleich unter dem Zwerch- oder Brust-Fell / und wird rechter Seits an der Leber /lincks aber an dem Miltz fest gemacht. Er wird abgetheilt in den Grund oder die Hölen / und 2. Mund-Löcher: das eine wird der Magen-Mund genennt; weilen die Speisen aus der Gurgel dardurch in den Magen kommen: das andere aber Pylonus oder der Portner; weilen durch selbes / als durch ein Porten die schon verkochte und verdäute Speiß in die anhangende Därm ausgelassen wird. Oberhalb ist der Magen enger / unterhalb aber weiter / rauh und geruntzlet oder gefältlet / die Speiß besser zu behalten / als wann er glatt und schlipfferig wäre etc.

Der Magen gibt uns durch seine Beschaffenheit in sittlichem Verstand zu verstehen / wie man die geistliche Speiß / das ist / das Wort GOttes oder die geistliche Lehr auf- und annemmen solle. 16 Dann / gleichwie der Magen allzeit parat und offen stehet / die Speiß von dem Mund zu empfangen / und die empfangene aber nicht gleich wieder von sich giebt / sondern mit guter Weil verdäuet oder verkochet / und erstlich ihm selber zu Nutzen [246] macht / hernach aber auch seinen Mitgliederen austheilet / also solle der Mensch allzeit fertig und bereit stehen / das Wort GOttes von dem Mund des Predigers / der an statt GOttes redet (qui vos audit, me audit, 17 der euch anhöret / höret mich) nicht nur annemmen / sondern auch sorgsam in der Gedächtnuß behalten: si verba mea in vobis manserint, 18 wann meine Wort in euch bleiben / und durch reiffe Betrachung gleichsam verkäuen oder verkochen / ihme selber und anderen die geistliche Nahrung und Nutzen darvon zu verschaffen. Wann der Magen die eingenommene Speiß oder Artzney nicht bey sich behaltet / sondern gleich wiederum von sich gibt / da ist es ein schlimmes Zeichen einer gefährlichen Kranckheit: und wann der Mensch die gute Zusprüch und Ermahnungen alsobald so gleich ausser Acht und aus der Gedächtnuß lasset / da ist es ein Zeichen / daß die Seel geistlicher Weiß kranck und übel bestellt seye.

Wann der Magen gesund und hitzig ist / so hat er grossen Lust und Appetit zum Essen / er nimmt gern auch starck und rauhe Speisen an / und thut selbe leicht verkochen. Auch der Mensch / wann er wohl bestellt / und auf die Ehr GOttes und seiner Seelen Heyl hitzig und begierig ist / da nimmt er gern an /auch die harte Bestraffungen / er thut selbige leicht verkochen / wann ihm seine Fehler / Mängel und Verbrechen vorgehalten und verwiesen werden.

Die Verdäuung der Speisen in dem Magen / und folgends die Nahrung wird auf unterschiedliche Weiß verhinderet: benanntlich wann der Magen verkältet /wann er mit der Vile der Speisen überladen ist / wann er einen Eckel oder Unwillen ab dem Essen hat etc. auch die Verdäuung / und folgends der Frucht und Nutzen der geistlichen Speiß / des Worts GOttes wird verhinderet / wann der Mensch in der Liebe verkaltet ist / wann er von irdisch- und eitlen Freuden und Wollüsten schon überhäufft und eingenommen ist /wann er keinen Lust und geneigten Willen zu dem geistlichen Wesen hat etc.

Sonsten kan wohl auch in sensu politico durch den Magen die gemeine Cassa oder Rent-Kammer eines Lands oder Fürstenthums verstanden werden: dann /glelchwie fast alle Ständ einer Provinz oder Landschafft von ihrem Hab und Gut ein gewisses Quantum in die gemeine Cassam eintragen und liefferen müssen / und das gemeine Beste zu erhalten und zu beförderen sich bemühen: der Baursmann zwar mit seinem Feld- und Acker-Bau: der Handwercksmann mit seiner Hand-Arbeit / der Kauffmann durch seine Handelschafft / der Soldat mit Wachen und Fechten etc. da hingegen der Lands-Fürst oder regierende Herr für alle Ständ sorgen / und aus der gemeinen Cassa die gemeine Kösten bestreiten solle / als da seynd zur Sicherheit des Lands / die Kriegs-Trouppen und Vestungs-Wercker unterhalten / die gemeine Straß- und Brucken / die Wasserleitungen und offentliche Gebäu etc. im gutem Stand ehalten: Eben also / sage ich /müssen die Glieder des menschlichen Leibs alle zusammen helffen und geflissen seyn / daß die nöthige Lieferung von Speiß und Tranck in den Magen richtig geschehe. 19 Dieser aber hingegen muß auch das Seinige thun / er muß die Speiß verkochen / und die Materi præpariren / aus welcher das Fleisch und Blutformirt wird / wie auch die Lebens-Geister / worvon die Glieder ihre Krafft und Stärcke bekommen / die gewöhnliche Functiones zu verrichten etc.

Dieses alles wird durch folgendes sinn- und lehrreiches Gedicht erkläret.

Es begab sich einstens / daß die Glieder des menschlichen Leibs sich beklagten und beschwehreten wider den Magen des Menschen / mit Vermelden: daß sie alle ihre gewisse Functiones oder Geschäfft verrichten / und in Verschaffung der täglichen Nahrung / der Speiß und des Trancks sich vilfältig bemühen müssen / er aber der Magen allein / gehe müßig /lasse ihm wohl seyn / und verzehre alles in guter Ruhe: Der Kopff sagte: er müsse [247] offt speculiren und studiren / wo die nothwendige Mittel / das Essen und Trincken aufzubringen: Die Augen sagten: sie müssen in der Nähe und in der Weite umsehen / wo etwas zu bekommen / und die Ohren gleichfalls gespannet stehen: Die Händ aber sagten und klagten / sie müssen so manchen schweren Last heben und tragen / etwas zu gwinnen / und die Füß einen manchen hart- und sauren Tritt thun: deßwegen dem Magen mißgünstig und unwillig haben sie einhellig beschlossen ihme den Dienst aufzukünden / und keine Speiß noch Tranck ihme zu verschaffen. 20 Aber O wohl ein thorrecht- und und unbesonnener Rathschlag ware dieses /dann so bald der Magen nichts mehr zu essen und zu verkochen gehabt / da wurde folgends auch kein Blut mehr von der Leber gebracht / keine Lebens Geister mehr ersetzt / denen anderen Gliederen keine Krafft und Stärcke mehr mitgetheilt / sondern alles ware gantz schwach / krafftloß und erkrancket / und also mußten die Glieder mit eignem Schaden gewitziget lernen / daß ihnen an dem Wohlstand des Magens so vil als an ihrem eignen gelegen seye.

Der Bauch ist die jenige Höle des menschlichen Leibs / welche die Partes nutritias oder ernährende Theil in sich begreifft / die Nieren / die Blase / und all die jenige / so zu der Generation beyderley Geschlechts gewidmet seynd; darinn befindet sich auch das Gedärm oder Ingewaid: und daher haben gemeiniglich die fleischliche Begierd und Neigungen ihren Ursprung.

Der Bauch ist gleichsam ein Senck-Grub des Unflats in dem menschlichen Leib / in welche der Uberfluß der Speisen von dem Magen ausgestossen werde.

Es kan deßwegen wohl durch den Bauch die Unmäßig- und Unlauterkeit verstanden werden: und wann dieser Bauch der fleischlichen Begierlichkeit durch die Vernunfft / Gnad und Tugend nicht constringirt oder ingehalten / und von unzuläßlichen Dingen abgehalten wird / so thut aus ihme vil Schand und Ubels entspringen. 21 Welches der weise Mann wohl erkennt hat / da er zu GOTT gebeten: Aufer à me concupiscentias carnis: 22 Nimme hinweg von mir die Lust des Bauchs. Das Widerspiel thun die jenige / von welchen ich oben gemeldet / quorum Deus venter est, die ihren Bauch für einen Abgott halten / deme sie täglich so vil Opffer schlachten / als vil Schüßlen und Kannten sie ausleeren. Von welchen des weisen Manns Sprüch melden: Justus comedit, & replet causam suam, venter autem eorum insaturabilis est: 23 Der Gerechte isset und erfüllet sein Seel / aber der Gottlosen Bauch ist unersättlich. Wiederum der gedultige Job: Divitias, quas devoravit, evomet, & de ventre illius extrahet eas Deus: 24 Die Reichthum / so er gefressen hat / wird er wieder ausspeyen / und Gott wird sie aus seinem Bauch reissen.s

So lang das Kind noch in Mutterleib liget / und in dem Unflat stecket / weinet und trauret es nicht / weil es sein Elend noch nicht erkennet: wohl aber so bald es an des Tags Liecht kommt / und auf die Welt gebohren wird. Eben also der verblendete Sünder / so lang er in der unreinen Welt vertiefft ist / und in dem Unflat der sinnlichen Wollüsten gleichsam als wie in dem Bauch seiner Mutter stecket / da geduncket er sich vergnügt und glückseelig zu seyn: aber wann er durch die Gnad GOttes herauß gezogen und erleuchtet wird / da erkennet er es erst / und gibt GOTT die Ehr und den Danck / mit dem König David sprechend: Tu es, qui extraxisti me de utero matris meæ, 25 du hast mich aus meiner Mutter Leib gezogen.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Fleisch des Menschen.

Caro, das Fleisch wird also genennt à Carie, das ist /von der Verfaulung / dann die Faulung ist ihme also eigenthumlich / daß alles Fleisch nothwendig verfaulen muß. 26 Das [248] Fleisch ist jener so waich- und zärtliche / jener haicklich- und empfindliche Theil des Menschen / an wechem die Seel in diesem sterblichen Leben angehefft / ja gleichsam in einem lebendigen Kercker eingeschlossen ist: welches allein schon erklecken solte / den Menschen demüthig und behutsam zu machen.

Es solte zwar freylich das Fleisch dem Geist unterthänig und gehorsam seyn / aber gar zu offt thut es wider ihne rebelliren oder sich widerspenstig erzeigen / wie es der H. Apostel Paulus bezeuget / und auch an ihm selbsten erfahren hat: Caro concupiscit adversus spiritum etc. 27 Das Fleisch gelüstet wider den Geist / und der Geist wider das Fleisch / sie seynd wider einander. Und wiederum: Wo ihr nach dem Fleisch lebet / so werdet ihr sterben müssen: wo ihr aber durch den Geist die fleischliche Werck tödtet / so werdet ihr leben. 28

Das Fleisch ist gleichsam das Pferdt / und der Geist oder die Vernunfft der Reuter. 29 Aber es ist ein gar muthwilliges / reut-stättiges / und zugleich auch scheues Pferdt. Muthwillig und stättig ist es / weilen es so garn keinen Sporn / das ist / keinen Antrieb oder Anstrengung zu der Gebühr oder Tugend / zu der Mühe und Arbeit leiden will / sondern sich aus allen Kräfften widersetzet / und nur immer seinen Gelüsten und seiner Gemächlichkeit nachgehen will: Es ist träg / langsam und verdrossen zu der Arbeit / hingegen begierig auf die Wollüsten und zur Ruhe. Frustra percussi filios vestros, disciplinam non receperunt, 30 sagt GOtt bey seinem Propheten Jeremia: Es ist vergebens / daß ich eure Kinder geschlagen hab / sie haben die Straff nicht angenommen. Induraverunt faciem suam, 31 sie haben ihre Gesichter härter gemacht als ein Stein / und die Züchtigung nit wollen annemmen.

Ein scheues Pferdt aber ist das muthwillige Fleisch / weilen es gleichwie ein scheues Pferdt ob einem jeden kleinen und schlechten Ding / das ihme gählingen auf der Straß begegnet / entsetzt und erschröcken lasset / also daß es keinen Schritt mehr für sich gehen will / sondern zuruck oder auf die Seiten springet /und folgends den Reuter / wann er sich nicht wohl vorsiehet / in Gefahr setzt abgeworffen zu werden /oder in eine Grub zu stürtzen / also das heickliche und üppige Fleisch / so bald ihme auf dem Weeg der Tugend eine Beschwernuß oder Ungemach aufstosset / so bald ihm eine Trübsal oder Widerwärtigkeit begegnet / oder es zu einer Strengheit / zu einem Buß-Werck angehalten wird / da scheuet und erschricket es / es will nicht mehr fortgehen / sondern weicht abseits von dem rechten Weeg / oder gehet gar zuruck zu seinen gewöhnlichen Sünden und Lasteren: mithin setzt es den Reuter / das ist / die Seel in die gröste Gefahr abgeworffen / oder in die Grub des Verderbens gestürtzt zu werden / wann sie nicht das Fleisch bemeisteret und ernstlich mit denen Sporen der Forcht und Liebe GOttes antreibet / und gerad auf dem rechten Weeg des Heyls fortzugehen zwinget.

Der H. Einsidler und Abbt Hilarion will haben /daß man das Fleisch / den Leib nicht anderst und nicht besser als einen Esel achten und halten solle. 32 Wie man aber einen Esel tractirt / das ist bekannt /man zärtlet und schmeichlet ihme nicht / man lasset ihne nicht müßig gehen / er muß ein manche schwere Burde tragen / und mit schlechtem Futter verlieb nemmen: cibaria & virga & onus asino: panis & disciplina & opus servo, 33 sagt der weise Mann: Das Futter / der Stecken und die Burde gehört dem Esel: die Speiß / die Straff und Arbeit dem Knecht. Aber ich will noch ein wenig glimpffiger mit dem Fleisch des Menschen umgehen / und will es bey der Gleichnuß mit dem Pferd verbleiben lassen. Nun aber ist es nicht nur schädlich / sondern auch schimpfflich / wann der Reuter das Pferdt nicht zu dirigiren und zu bemeisteren weiß: aber noch schädlicher und schimpfflicher ist es / wann die Seel den Leib / die Vernunfft das Fleisch nicht regieren und bezwingen kan oder will / sondern demselben nachgibt / und ihm zu Gefallen / [249] was unrecht und schädlich ist / zulasset. Es wäre ja ein Reuter ihme selber und seinem Pferdt höchstens feind / wann er es sähe einem Præcipitio, einem tieffen Graben oder Sumpff / in welchem es zu Grund gehen wurde / zueilen / und nicht mit Gewalt ab- oder inhalten thäte / und auf einen sicheren / obwohl rauh und härteren Weeg mit dem Zaum anweisen / ja auch mit Streich und Sporen antreiben thäte.

Eben also / wann die Seel das Fleisch durch seine böse Gelüst- und Begierden dem Untergang zueilen siehet / und selbes nicht mit Ernst von dem Weeg des Verderbens abhaltet / und hingegen zur Gebühr / zur Tugend anhaltend / auf dem zwar rauhen / aber sicheren Weeg des Heyls zu wanderen zwinget / so ist sie ihrer selbst und ihres Fleisches ärgste Feindin und Verrätherin / sie ist an beyder Untergang schuldig.

Es ist auf denen Reut-Schulen an Königlich- und Fürstlichen Höfen mit Verwunderung zu sehen / was die Kunst und der Fleiß eines wohlerfahrnen Bereuters mit einem Pferdt / als einem unvernünfftigen Thier / ausrichten und zuwegen bringen kan. 34 Die Reut-Schul aber ist der jenige Platz oder Ort / allwo die Kunst zu reuten gelehrt und geübt wird: mithin der Reuter und das Pferdt zugleich unterrichtet; dann /indeme der Reuter unterwiesen wird wohl und steiff zu sitzen / mit einer freyen und wohlanständigen Positur, die Faust und Schenckel wohl zu führen etc. da setzet sich auch das Pferdt in einen solchen Stand /daß es eine besondere Hurtig- und Geschicklichkeit erzeiget / die Hülff und Anweisung des Reuters gern annimmt / die Straff förchtet den Schritt / Trab und Galopp gewohnt und erlernet / auch hernach alle Lectiones auf gegebnes Zeichen so gut machet / daß man sich dessen in denen Feld-Schlachten oder Kriegs-Gefahren / wie auch zur Parade und prächtigem Aufzug sicher und mit Ehren bedienen kan.

Wann nun der Bereut mit einem Pferdt so vil zuwegen bringen kan / so soll ja die menschliche Seel und Vernunfft / als der Reuter im sittlichen Verstand auf das Fleisch oder den Leib nicht weniger Mühe und Fleiß anwenden / daß selbige wohl zu zähmen / zu bändigen / und ihme gehorsam zu machen. Bald soll sie es von gar muthwillig- und gefährlichen Springen durch den Zügel und Zaum der Mortification in- und abhalten: bald / wann es faul und träg ist / mit dem Sporn und der Peitschen der Forcht GOttes / der Höllen / des Fegfeurs etc. antreiben / bald durch die Hoffnung der ewigen Belohnung anfrischen und aufmunteren. Sie solle es auf alle Art üben und lehren / wie es sich unerschrocken / und doch behutsam zu verhalten habe / in Glück und Unglück / in Freud und Leyd / in Gesund- und Kranckheit: auf daß sie / die Seel / ihres Pferdts / das ist / des Fleisches oder des Leibs sich im Krieg oder geistlichen Streit wider ihre Feind / ich will sagen / zur Zeit der Versuchung mit Nutzen und Vortheil / endlichen aber auch bey dem himmlischen Einzug mit Freuden und mit Ehren bedienen könne.

Das gemeiniste ist / daß man die Pferdt in derVolta herum tummelt / von einem Ring oder Circul in den andern sprengt und wendet: auch die Seel soll sich mit ihrem Pferdt dem Leib in zweyerley Ring oder Circul herum drehen / ich will sagen / in Betrachtung der glückseelig- und unglückseeligen Ewigkeit fleißig üben.

Vil unbehutsame Reuter seynd durch muthwillige Pferdt ums Leben kommen: Antiochus ein König / als er die Frantzosen geschlagen / und gleich auf das erbeutete Leib-Pferdt des Generals Contareti, so in dem Treffen gebliben ist / sich gesetzt hat / da ist das Pferdt gantz wild und tobend mit ihme durchgangen /hat sich selber und den König gestürtzt / und also den Todt seines Herrn gerochen.

Carolomannus, ein Sohn Ludovici Balbi, Königs in Franckreich / hatte das Unglück / daß ein unsinniglauffendes [250] Pferdt mit ihme durch ein enge und niedere Thür geschossen / ihme den Halß und Ruckgradt gebrochen / und erbärmlich ums Leben gebracht hat. Deßwegen auch der berühmte Sportia seinem SohnFrancisco die Lehr solle gegeben haben / daß er sich niemahl auf ein hartmauliges Pferdt / das sich nicht innhalten laßt / setzen solle / massen er selbst mit einem solchen in einen Graben gestürtzt / und kaum seinem Feind entrunnen seye.

In dem Jahr 1491. begabe es sich / daß Alphonsus, der Sohn Joannis des Anderten / Königs in Portugall / ein Fürst von grossen Qualitäten / kurtz nach seiner Vermählung mit Isabella, Konigs in Hispanien Tochter / unfern dem Fluß Tago ein hitziges Pferdt gar zu frech getummlet hat: dieses aber warffe ihn mit einem Gewalt ab / tratte ihn gar übel / und verwundete ihn schwerlich an dem Haupt / also / daß er in eines armen Fischers Häußlein getragen / da auf einem Stroh-Sack ligend / zu unbeschreiblichem Leydwesen des gantzen Königlichen Hofs den Geist aufgeben mußte. Schier ein gleiches End hat genommen Fulio, ein König zu Jerusalem / welcher / als er einem Hasen nachgejagt / von dem Pferdt gestürtzt und zertretten wurde. Mit einem Wort / vil Reuter seynd von denen muthwilligen Pferdten getödtet worden: aber noch unvergleichlich mehr Seelen seynd durch das muthwillige Fleisch zu Grund gangen / indem sie es überfütteret / und den Zigel ihm zu weit gelassen / mithin frech und unbändig gemacht haben.

Dieses alles hat gar wohl erkennt der H. Apostel Paulus / der als ein guter und wohlerfahrner Reuter /sein Fleisch als ein muthwilliges Pferdt gezäumet und gebändiget hat / wie er von sich selber bezeuget /sprechend: Corpus meum castigo, & in servitutem redigo: 35 Ich zäume meinen Leib / und bring ihn in die Dienstbarkeit. Deßgleichen auch der H. Petrus von Alcantara, der sein Fleisch / seinen Leib mit vilfältigem Fasten / Wachen und Casteyen ungemein streng und hart gehalten / ja einen Pact mit ihme gemacht hat / daß er ihm kein Ruhe in diesem zeitlichen Leben zulassen und vergonnen wolte / damit es nemlichen die ewige Ruhe und Freuden samt der Seel desto sicherer geniessen möge. Eben also vil tausend andere Heilige beyderley Geschlechts / die in immerwährender strenger Bußfertigkeit gelebt / und dardurch ihr Fleisch und ihre Anmuthungen gezäumt und gebändiget haben.

Wir sollen wohl Achtung geben / daß es uns nicht ergehe wie jenem Jüngling / mit welchem auch ein Pferdt lauffend worden und durchgangen ist; und als man / wo er so schnell hinauß wolle / ihme zuruffte /sagte er: nescio, quò equus mecum velit, ich weiß nicht / wo das Pferdt mit mir hin will. Nein / nicht also: Post concupiscentias tuas non eas, 36 rufft uns zu der weise Mann: Deinen bösen Begierden und Gelüsten gehe nicht nach / sonsten werden sie dich zum Spott deiner Feinden machen. Du wirst samt dem Pferdt / samt dem Fleisch in die Grub / in den Abgrund stürtzen.

Das eigne Fleisch ist ein einheimischer Feind / um so vil schädlich- und gefährlicher / weil es unter dem Schein eines Freunds betrügt / und der Seelen tödtliche Wunden versetzet: demnach eine Schlang in seinem Busen ernähret / wer immer seinem Fleisch schmeichlet / oder zu vil Freyheit gestattet.

Wie Aristoteles vermercket / so seynd die jenige Vögel / die einen geringen Leib oder wenig Fleisch haben / edler und tauglicher / hoch und schnell zu fliegen / als die einen schweren Leib oder vil Fleisch haben; dann diese erheben selten und nicht weit von der Erden sich in die Höh. 37 Eben also die Menschen / so sich von denen irdischen Freuden und fleischlichen Gelüsten enthalten / die seynd ringfertig und tauglich / mit dem Gemüth zu GOTT und himmlischen Dingen sich zu erheben: die aber / so denenselben anhangen / seynd träg und schwermüthig / und kleben gleichsam an dem Erdboden an: dann / wie der H. Augustinus [251] meldet: Spiritus deficit, ubi caro requiescit, & ut caro mollibus, sic anima duris nutritur: wann das Fleisch im Wolleben zunimmt / da nimmt der Geist ab / und befindet sich übel: und gleichwie jenes durch die Zärtlichkeit erhalten wird /also dieser durch Strengheit- und Räuhe.

Aber dessen allem ungeacht / so ist halt gleichwohl die fleischliche Lieb / oder die Neigung zu dem Fleisch die stärckiste und hefftigiste unter allen Anmuthungen: sie ist so tieff in dem menschlichen Hertzen eingewurtzlet / daß man sie mit harter Mühe ausreiten und vertilgen kan. 38 Nun aber weise ich an zu einer fleischlichen Lieb / welche nicht nur zuläßig und unsträfflich / sondern gantz löblich und heilig ist. Ich verstehe die Lieb zu jenem Fleisch / von welchem geschrieben stehet: Verbum caro factum est, & habitavit in nobis: 39 Das Wort ist Fleisch worden / und hat in uns gewohnet. Dann eben darum hat das Göttliche Wort das menschliche Fleisch angenommen / damit wir es lieben / damit wir es essen / und damit es für uns leiden könne. Lieben sollen wir es; weilen es uns gleich ist in der Natur: die Gleichheit aber zweyer Dingen ist ein Ursprung und Ursach der Sympathi, oder Lieb und Neigung gegen einander. Ja Christus ist unser Fleisch und unser Bruder: Caro & frater noster est. 40 Er ist das Haupt / und wir seynd Glieder seines Leibs / und von seinem Fleisch und von seinen Gebein. Niemand aber hasset sein eignes Fleisch. Lieben sollen wir es / das Fleisch / oder den Leib Christi / weilen er der alleredliste ist / herstammet aus Königlichem Geblüt / ex semine David secundùm carnem. 41 Lieben / weilen er der Schönste ist aus allen Menschen Kinderen: Lieben / weilen er gantz annehmlich und holdseelig ist / also daß seine Gemeinschafft oder Beywohnung nichts Unfreundliches noch Bitteres hat /sondern Freud und Lust. 42

Gleichwie auch hingegen sein Lust und Freud ist mit und bey uns zu wohnen / wie er von sich selber bezeuget: delitiæ meæ esse cum filiis hominum. Ja nicht nur bey uns zu wohnen / sondern auch für uns zu leyden den schmählichisten bitteren Tod / und an dem Creutz zu sterben: Caro mea est pro mundi vita: Mein Fleisch ist für das Leben der Welt. Aber nicht nur lieben / sondern auch essen aus lauter Lieb sollen wir das Fleisch Christi.

Es gibt zwar noch wilde Heyden in der Barbarey /die auf nichts begieriger seynd als Menschen-Fleisch zu fressen: Zu diesem End fangen sie die reisende Europäer auf / schlachten sie / kauffen und verkauffen sie als wie das Vieh. 43 Aber dieses Fleisch-Essen ist ein grausamer Muthwillen / und muthwillige Grausamkeit / darab sich bildlich die Natur entsetzen soll. Andere essen Menschen-Fleisch / aus bitterem Hunger und äusserster Noth gezwungen / wie es zu Jerusalem / als die Stadt von Tito und Vespasiano so hart belägeret worden / geschehen ist / da einige Mütteren ihre eigne Kinder geessen haben: und dieses Fleisch-Essen ware ein Greuel und ein Elend.

Noch andere Menschen-Fleisch-Fresser gibt es in sittlichem Verstand: nemlichen die Verläumbder und Ehrabschneider / welche mit ihren bißigen Zähnen das Fleisch / ich verstehe die Ehr und guten Namen ihres Neben-Menschen bey dem Tisch / bey denen Gastereyen jämmerlich zerbeissen und zernagen / und vil ärger als die aufgesetzte Haasen oder Copaunen transchiren. Ja sie seynd gleich jenem grausamen Thier / Hiena genannt / welches auf das Menschen-Fleisch also begierig ist / daß es die Todten-Cörper aus denen Gräberen wiederum herauß grabet und auffrißt. Eben also verschonen die Ehrabschneider auch denen Verstorbenen und längst Begrabenen nicht / sie müssen aus denen Gräberen herfür gezogen / auf die Tafel kommen und trauschirt werden. Es hilfft da nichts darfür / wann es schon heißt: jam fœtet, quadriduanus est enim, er stinckt / dann er ligt schon 4. Tag / ja wohl 4. Monath / 4. Jahr im Grab; dann diese Mist-Fincken / die Ehrabschneider gehen gern mit[252] faulem Fleisch als wie mit faulen Fischen um. Und dieses Fleisch-Fressen ist ebenfalls gottloß und ärgerlich.

Wider dise Fleisch-Fresser oder Ehrabschneider hat der H. Augustinus in seinem Speiß-Zimmer ober dem Tisch folgendes Disticum mit grossen Buchstaben lassen verzeichnen:


Quisquis amat dictis alienam rodere famam,
Hanc mensam vetitam noverit esse sibi.
Wer guten Namen und die Ehr
Dem andern pflegt abz'schneiden /
Für diesen ist da kein Platz mehr /
Er soll mein Tafel meiden.

Aber des jenigen Menschen Fleisch essen / der GOTT und Mensch zugleich / das ist ein löblich- und heilige Sach / die uns Catholischen Christen nicht nur erlaubt / sondern bey Lebens-Straff gebotten ist. Caro mea verè est cibus, & sanguis meus verè est potus, 44 sagt Christus der HErr: Mein Fleisch ist wahrhafftig ein Speiß / und mein Blut wahrhafftig ein Tranck. Wer mein Fleisch isset / hat das ewige Leben. Hingegen aber: Wahrlich / wahrlich sag ich euch / werdet ihr nicht essen von dem Fleisch des Menschen Sohns / und trincken von seinem Blut /so werdet ihr kein Leben in euch haben. Dieses Fleisch ist cibus fortium, ein Speiß der Starcken /carnes Regum, das Fleisch der Königen / wie die Schrifft redet / weilen es im Geist stärcket / die so es würdig essen / und zu Königen macht / das ist / zu Beherrscher über die sinnlich- und irrdische Begierd und Anmuthungen / gleichwie hingegen unser armseeliges sündiges Fleisch den Geist schwächet / und öfftermahl denen bösen Begierden unterligen macht.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von dem Blut des Menschen.

Das Blut ist ein fürtrefflicher rother Safft oderHumor, feucht und warm zur Nahrung der Glieder verordnet / in welchem der Lebens-Geist seinen eigenthumlichen Sitz hat. 45 Das Blut ist ausser dem Hertzen theils in denen Pulß- theils in den anderen Aderen: jenes ist dinner / wärmer und röther / dieses aber kälter / dicker und blaicher. Wann man das Blut durch die Distillir-Kunst auflöset / da ziehet man aus demselben einen flüchtigen Spiritum, der sehr penetrant ist. Das Blut wird mehrentheils von der Leber ausgekocht / und fliesset alsdann in die Aderen: wann es aber aus denen Aderen in einen anderen Theil innerhalb des Leibs sich ergiesset / da gehet es zusammen / oder wird gestocket / dann es ist mit vil Zäherlein oder zarten Fäßlein vermenget / ohne welche es nicht möchte in Fleisch verwandlet / noch der Leib darvon ernähret werden. Sonst empfangt das Blut sein mehriste Hitz von dem Hertzen / als von einem Feur-Ofen / damit es also erwärmet in die andere entfernte Theil des Leibs gelange / und ohne welche Wärme es zu seinen Verrichtungen nicht tauglich wäre.

Das Blut ist dem Menschen also nothwendig / daß er ohne dasselbe durchaus nicht leben kan: ja es ist gleichsam der Ursprung und eigentliche Wohnsitz des Lebens / wie geschrieben steht: Anima omnis carnis in sanguine est, 46 die Seel alles Fleisches / das Leben ist in dem Blut. Und eben darum kan das Blut wohl mit der Gnad GOttes verglichen werden: als welche auch die Ursach und der Ursprung des geistlichen Lebens ist / und ohne welche die menschliche Seel nothwendig geistlicher Weiß des Tods sterben muß / nach Zeugnuß des Propheten Ezechielis: Anima quæ peccavit, ipsa morietur: 47 welche Seel gesündiget / dieselbe soll sterben.

Die Effect oder Würckungen des häuffigen Bluts oder Eigenschafften eines blutreichen Menschen werden durch folgendes Verslein angezeigt:


Largus, amans, hilaris, cantans, rubeíque coloris,


Welches so vil sagen will / daß / der vil Blut hat /seye hitzig und roth von Angesicht / freygebig / fröhlich und sinnreich / [253] ein Liebhaber und gütig. Gleichwie nun das Blut in dem Leib eine Hitz verursachet /eine Röthe in dem Gesicht / in dem Würcken eine Stärcke / in dem Verstand eine Subtilität / in der Affection eine Zartigkeit / in der Hand eine Freygebigkeit / und in der Stimm eine Lieblichkeit: also und noch vilmehr verursachet die Gnad GOttes in der Seel die Hitz der Liebe in dem Angesicht / die Röthe der Schamhafftigkeit / die Krafft und den Nachdruck in denen guten Wercken / die Klarheit oder den Glantz der Bescheidenheit / die Süßigkeit der Andacht / die Willfährigkeit denen Bedürfftigen beyzuspringen /und eine annehmliche Frölichkeit. Ein gutes Geblüt bringt mit sich und verursachet eine gute Constitution, oder die Gesundheit des gantzen Leibs / sie macht ihne starck / ansehnlich / hertz- und lebhafft: und die Gnad GOttes verursachet die gute Beschaffenheit der Seel / sie zieret sie / und gibt ihr das über natürliche Leben / Schönheit / Krafft und Stärcke.

Es können auch durch das Blut die zeitliche Güter oder Habschafft- und Reichthumen verstanden werden: dann gleichwie das natürliche Leben ohne Blut nicht bestehen kan / also kan man auch nicht wohl leben ohne zeitliches Gut und Habschafft; deßwegen diese Güter insgemein Media oder Mittel / das ist /Mittel wohl zu leben genennt werden: und gleichwie die Menge des Bluts den Leib schön / frisch / munter und starck machet / also machen die zeitliche Güter und Reichthumen den Menschen ansehnlich / frölich und mächtig; durch solche Mittel kan man alles zuwegen bringen. 48 Pecuniæ obediunt omnia. 49


Das Gut und Geld regiert die Welt /
Wer keines hat / der ist Schach matt.

Aber / wann man gar zu Blut reich ist / da pflegt man Ader zu lassen / man lasset durch die Oeffnung einer Ader einen Theil des überflüßigen Bluts herauß / damit dem Hertzen Lufft gemacht werde / und das häuffige Blut dem Menschen nicht zu eng mache /oder ihne gar verstecke. Eben also der vil Gut und Geld hat / solle zu Zeiten die Aderen der Freygebigkeit eröffnen / und den Uberfluß seiner Reichthumen unter die Arme / Bedürfftige / und andere gute Freund lassen ausfliessen: dann sonsten wird das überflüßige Blut / oder vilmehr Gut und Geld ihme gar zu starck zu Hertzen dringen / ihme das Gewissen beschweren und eng machen / ja gar verstecken / und machen /daß er nicht mehr schnauffen oder athmen / das ist /keinen Lufft der Gnad GOttes / oder eines himmlischen Trosts mehr schöpffen kan: dann die überflüßige Güter und Reichthumen verursachen Mühe und Arbeit / wann man sie sammlet und zuwegen bringt /Sorg und Kummer / daß mans bewahre und erhalte /Leyd und Schmertzen aber / wann mans verliehret /und also lassen sie die Reiche und Geitzige niemahl ruhig schnauffen.

Ein anderes Mittel / das überflüssige Blut aus dem Leib zu bringen / ist / daß an der Haut einige Blut-Egel (seynd lange schwartze Würm / die sich in denen Pfützen aufhalten) ansetzet / die das Blut herauß / und sich so voll ansaugen / biß sie von selbsten herab fallen / und zu Grund gehen. 50 Solche Blut-Egel im sittlichen Verstand gibt es nur gar zu vil: dann Blut-Egel seynd all die reiche Geitzhälß / die unmilde Obrigkeit- und Herrschafften / Geld-gierige Richter und Beamte / welche dem armen Baursmann und Unterthanen das Blut biß auf den letzten Tropffen aussaugen /ich will sagen / den letzten Kreutzer von ihnen erpressen. Aber dieses geschiehet offt zu ihrem selbst eignen / auch zeitlichen Schaden und Schand; dann wann sie sich voll angesogen / das ist / wohl bereichet haben / so fallen sie offt ab von ihrer Würde / von ihrem Amt und Ehren auf den Boden herab in einen verächtlichen Stand / in welchem sie von allen / die sie vorher geplagt und gepreßt haben / verhaßt und verlacht werden.

Ein solcher Blut-Egel ist gewesen jener reiche /aber ungerechte Edelmann / welcher einen gewissen H. Bischoff [254] in sein Schloß zu Gast geladen hat: dieser / obwohlen ihme um nichts wenigers als um Gastereyen ware / kame gleichwohl (damit er nemlich keine Gelegenheit eine Seel zu gewinnen verabsaumte) und als er in dem Tafel-Zimmer vor dem Essen mit diesem Edelmann discurirte / und der Tisch schon gedeckt ware / da nahm er / der Bischoff / ein Eck oder abhangenden Theil von dem Tischtuch / wicklet und trucket dasselbige zusammen / als wie man ein gewaschne oder nasse Leinwath auszuwinden pflegt / und sihe Wunder! alsobald lieffe aus dem schneeweisen und sonst gantz trucknen Tischtuch das helle und häuffige Blut herab. 51 Aus diesem Wunder nahme der Bischoff Anlaß dem Edelmann zu verweisen / wie das meiste seiner Habschafft ein ungerechtes / von seinen Unterthanen mit Gewalt erpreßtes Gut seye etc. O wann heutiges Tags alles Servies oder kostbare Tisch-Geräth / so manche fürnemme Herren aus dem von ihren Unterthanen mit Gewalt und Unrecht erpreßten Geld haben machen lassen / so häuffiges Blut schwitzte / so wären die silberne Schüßlen und guldene Becher offt so voller Blut / als voll von Wein und Speisen.

Noch ärger / als diese Blut-Egel seynd die Blut-durstige Tyrannen / welche manchesmahl ihren Durst zu löschen grausame Blut-Bäder angestellt haben. 52

Ein solches Blut-Bad hat in gantz Judäa angestellt der König Herodes / indem er 4000. unschuldige Kindlein hat ermorden lassen. Ein solches Blut-Bad haben angestellt die Heydnische Kayser / Decius, Nero, Diocletianus etc. und vil andere / welche so vil 1000. unschuldige Christen um des Glaubens willen haben hinrichten lassen. Ein grosses Blut-Bad haben auch aus gerechter Verhängnuß GOttes zu Jerusalem 40. Jahr nach der Creutzigung Christi angestellt Titus und Vespasianus, als sie mit dem Römischen Kriegs- Heer die Stadt so hart belägeret / mit Gewalt eingenommen / und 1100000. Juden nidergemacht haben /also daß gantze Bächlein von dem Blut durch die Gassen der Stadt geloffen / auch die Menschen und Pferdt tieff im Blut gewattet seynd: und als der Weltberühmte Tempel in Brand gesteckt wurde / haben sich ihrer vil bemühet mit Zugiessung lauter Bluts /an statt des Wassers / das Feur zu löschen. Als aber die Uberwinder mit Niedermetzgen der Juden ermüdet waren / und doch noch vil der Feinden übrig waren /da haben sie dieselbige um einen Spott / nemlich 30. Juden um einen Silberling verkaufft / gleichwie sie zuvor den Sohn GOttes um 30. Silberling vom Verräther Judas Ischarioth an sich erkaufft haben. 53

Ein Blut-Bad und lauter Blut der unschuldigen Kinder ist auch von denen Artzten dem noch heydnischen Kayser Constantino zu brauchen gerathen worden / um dardurch von dem Aussatz / mit deme er behafftet ware / gereiniget zu werden. Aber die Heil. Apostel / Petrus und Paulus erschienen ihme in der Nacht / und vermahnten ihn von diesem gottlosen Vorhaben abzustehen / und vilmehr den H. Pabst Sylvestrum, der wegen der Verfolgung in einer Speluncen verborgen lag / zu beruffen / sich von demselben in dem Christlichen Glauben unterweisen und tauffen zu lassen: welches auch geschehen ist / und mithin der Kayser von dem Aussatz des Leibs und der Seel / das ist / dem Heydenthum ist gereiniget worden.

Ein grausames Blut-Bad haben die neidige Juden dem unschuldigen Heyland angerichtet / indem sie ihme theils durch den blutigen Schweiß an dem Oelberg / theils durch die Geißlung und Creutzigung das Blut biß auf den letzten Tropffen ausgepreßt haben.

In einem Blut-Bad hat das Leben müssen lassenAnneus Seneca, welcher im 114ten Jahr seines Alters / weiß nicht aus was Ursachen / von dem Kayser Nerone ist befelcht worden / ihme selbsten einen Todt zu erwählen und anzuthun. Er ließ ihm also selbst die Aderen öffnen / damit er sich gleichwohl zu todt bluten solte. Weilen [255] aber das erkaltete Blut des alten und ausgemergleten Greißen nicht recht fliessen wolte / so hat er ein Gifft eingenommen: und weilen auch dieses nicht operiren wolte / und nicht kunte zu seinem Hertzen dringen / indem die Pori oder Lufft-Löchlein seines Leibs verstopfft / und die Aderen eingestrupfft waren / da hat er sich in ein warmes Bad-Wasser gesetzt / worauf die Pori alsobald seynd eröffnet worden / das Gifft hat zum Hertzen gedrungen / und das Blut häuffig zu fliessen angefangen / mithin der Todt beschleuniget worden. 54

Attila, ein König der Hunnen / als er in Italien zuruck kehren wolte / und sich in Pannonien verheyrathete / da hat er sich die erste Nacht nach der unglück seeligen Hochzeit starck bezechet / und zu todt geblutet; weilen in dem starcken Schlaff das Blut ihme so häuffig aus der Nasen in den Mund und Halß geflossen / daß es ihne versteckt hat / ehe daß es jemand vermerckte / welches ein billiche Straff des so vilen von ihm vergoßnen Menschen-Bluts ware. 55

Athanaricus der Gothen König / nachdem er die Christen grausam verfolgt hatte / da ist ihme das Blut so häuffig aus dem gantzen Leib geflossen / daß ihme sein gottlose Seel samt dem Blut ausgangen ist. 56

Die bißher Erzehlte haben ihr eignes und frembdes Blut häuffig vergossen. Hingegen andere haben das Blut nicht gesparsam getruncken / oder mit demselben sich verschrieben und unterzeichnet bey geschwornen Verbündnussen und dergleichen: anderemahl haben auch die Todten-Cörper Blut geschwitzt in Gegenwart ihrer Todtschläger.

Das vergoßne Blut der unschuldig-Ermordeten hat ein gar starcke Stimm / es schreyet laut auf / also /daß es biß in den Himmel gehört wird / wann es Rach begehret. 57 Also hat geschryen das Blut des Abels /der von seinem Bruder Cain ist erschlagen worden: wie GOtt selber bezeuget / zu dem Cain sprechend:Was hast du gethan? die Stimm des Bluts schreyet zu mir von der Erden. 58 Wie auch das Blut des Propheten Zachariä / welcher um der Gerechtigkeit willen ist umgebracht worden zwischen dem Tempel und Altar. Also hat auch zu GOTT um Rach geschryen das Blut der unschuldigen Kindlein: usquequo non vindicas sanguinem nostrum etc. 59 Um Rach hat geschryen das Blut des H. Königs und Martyrers Ladislai wider seinen mörderischen Bruder Boleslaum, indem die Kirchen-Mäur / die von seinem Blut seynd angespritzt worden / mit keinem Fleiß noch Mühe von denen Todtschlägeren haben können abgewaschen werden / sondern die immerwährende Merckmahl des Todtschlags verbliben seynd. 60

Ja auch die truckne und dürre Todten-Beiner eines Heil. Thomæ, Herfortiensischen Bischoffs in Engelland / haben durch wunderbarliches und häuffiges Blutschwitzen um Rach geschryen / lang nach seinem Todt / in der Gegenwart des Golvernischen Grafens /der diesen gottseeligen Bischoff um des Glaubens willen aufs äusserist verfolgt hat. Dergleichen etwas hat sich auch begeben unfern von Wien in Oesterreich / da ein Messerschmidt von dem Geitz-Teuffel angetriben / seinen Reiß-Gespanen ermordet hat / und in dem Wald in einem dicken Gesträuß vergraben. 61 Nach 20. Jahren begabe es sich / daß ein adelicher Herr in derselbigen Gegend jagte / und als seine Jagdt-Hund alles Gesträuß / alle Hecken und Stauden durchsuchten / kamen sie eben auf den Platz / allwo der Todten-Cörper des Ermordeten vergraben ware /welchen sie mit den Füssen herauß schareten / und mit starckem Bellen ihrem Herrn zu verstehen gaben /daß etwas verborgen lage: diser eilet herbey / und sihet mit Verwunderung den Todten-Cörper: weilen aber er einige Beiner desselben gar schön und weiß befunden / nahm er etliche zu sich / und trug sie nacher Hauß / willens Handheffter zu Messer und Gablen darauß machen zu lassen. Als er aber selbige zu eben dem Messerschmidt / der vor 20. Jahren [256] in höchster Geheim den Todtschlag begangen hat /brachte / und dieser die Bein zu besichtigen in die Hand nahme / da / sihe Wunder! ist alsobald häuffiges Blut von ihnen geflossen / und also haben sie den Thäter verrathen / und gleichsam überlaut wider ihne um Rach geschryen / der auch seine Mordthat bekennet hat / und von der Obrigkeit ist verurtheilt worden. 62

Endlichen lise ich auch von einem leuchtenden Blut: dann ein Blut-Ampel / oder sogenannte Lebens-Kertz soll durch die Chymische Kunst aus Menschen-Blut verfertiget werden / welche nicht nur brinnet so lang der Mensch bey Leben ist / sondern auch durch ihren hellen oder duncklen Schein des Menschen Gemüths- und Geblüts-Aenderungen deutlich anzeige. 63 Dergleichen solle Oliverius Arto, ein Engelländer /und Hieronymus Reiter, Burgermeister zu Leipzig eine gehabt haben / welche auch bey erfolgtem Todt dieser beyden Männer augenblicklich verloschen seyen. Wie Jo. Hybner schreibet in seinem curieusen Natur- und Kunst-Lexico. Aber lasset uns in nachfolgendem Titul hören und sehen / wie unvergleichlich heller leuchte und läuter ruffe das auf Erden annoch wahrhafftig anwesende allerheiligste Seiten-Blut Christi Jesu.

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von dem Heil. Seiten-Blut Christi auf Erden.

Als unser Göttliche Heyland an dem H. Creutz verschiden ist / und sich bereits für die Erlösung der Welt aufgeopfferet hat / da wolte er auch noch den verborgenen Schatz seines Hertzens uns zum Besten geben. 64 Zu diesem End ließ er geschehen / daß Longinus, ein Römischer Hauptmann / ihm sein H. Seiten biß das Hertz mit einem Speer oder Lantzen durchstach / darauß alsobald Blut und Wasser geflossen ist: und als die Augen des Longini, welche gantz blöd und trüb waren / ungefähr damit berührt wurden / da wurden sie so gleich gantz hell und klar. Von diesem und anderen bey der Creutzigung Christi geschehenen Wunderwercken / ward Longinus auch innerlich erleuchtet / also daß er Christum gleich offentlich für GOttes Sohn erkennt und bekennt hat / diese Glaubens-Bekanntnuß aber zu seiner Zeit mit eigner Handschrifft / und endlich mit Vergiessung seines Bluts bekräfftiget hat.

Das abfliessende kostbare Blut aber hat er mit einem Schwammen aufgefaßt / und selben hernach in ein bleyenes Trühlein ausgedruckt / und fleißigist aufbehalten. Forthin gesellte er sich zu denen Jüngeren Christi / von welchen er in dem Glauben unterrichtet /getaufft / und samt ihnen verfolgt worden ist.

Bald hernach wurde er neben anderen Christglaubigen aus gantz Judenland vertrieben / und gelangte wunderbarlich über das Meer in Italien an / allwo er mit grossem Eyfer und Nutzen / absonderlich zu Mantua / den wahren Glauben verkündigte / und allzeit seinen kostbaren Schatz / verstehe das H. Blut / sorgsam bey sich verwahrte.

Weilen aber auch da ein hefftige Verfolgung wider die Christen entstunde / und Longinus nunmehr zur Marter-Cron beruffen wurde / so hat er den theuren Werth unserer Erlösung fürsichtig in einem bleyenen Küstlein / dieses aber in einem höltzenen / und endlich das höltzene in einem steinenen Särchlein eingeschlossen / und tieff in die Erden vergraben / mit nachfolgender in das bleyene Trühlein eingestochnen Uberschrifft: Ich Longinus, geweßter Hauptmann unterm Landpfleger Pilato, glaubend an JEsum /so von Händen unserer Soldaten gecreutziget worden / hab dieses aus seiner Seiten geronnene Blut aufgefangen / und wegen der Feind des Glaubens / so Christum lästerten / an dieses Ort vergraben / biß GOtt gefallen wird / solches seinen wahren Dieneren zu offenbahren.

Nach wohl versorgtem diesem kostbaren Schatz istLonginus endlichen [257] unter dem Landpfleger Octaviano um des Glaubens willen enthauptet / und ein glorreicher Martyrer worden. Von dessen Todt an ist dieser kostbare Schatz lange Zeit allen Menschen unbekannt und verborgen blieben / biß das Kayserthum inOccident ist eingeführt worden: bey dessen und des neuen Kaysers Caroli Magni glücklichen Eingang hat der gütige GOTT diesen urvergleichlichen Schatz durch grosse Wunderzeichen wiederum offenbahr gemacht. Der neue Kayser aber hat für gut erachtet / daß ein so wichtige Sach von dem höchsten Oberhaupt der Kirchen selbst solle untersucht und erkundiget werden. Er batte deßwegen den Pabst Leo den Dritten /daß er als ein Zeug und Richter nacher Mantua / die Wahrheit gründlich zu erfahren / kommen möchte: welches er auch gern gethan / und um das Jahr 804. nacher Mantua sich begeben hat / allwo er die grosse Wunder selbst erfahren / und mit Augen gesehen hat. Er erhebte demnach diesen unendlichen Schatz / verehrte ihn / und stellte ihn männiglich zu verehren für.

Mittler weil aber ward Italien bald von denen Saraceneren / bald von anderen Empörungen und schweren Kriegen beunruhiget / massen unterschiedliche Fürsten um das Reich gestritten haben. Deßwegen ist für nöthig erachtet worden / dieses allerheiligste Seiten-Blut Christi mit Wissen etlich weniger Personen wiederum in die Erden zu vergraben. Nachdem nun selbige Personen abgestorben seynd / da ist dieser kostbare Schatz abermahlen lange Zeit in der Erden verborgen und unbekant gebliben / biß auf die Zeit Pabsts Leo des IX. und Kayser Heinrichs des III. unter dero Regierung neue Miracul durch Erdbedem /himmlische Liechter / wunderbarlichen Geruch und andere Zeichen / als wie vor diesem Anmahnung gethan haben / den verborgnen Schatz wiederum aufzusuchen.

Es ware damahls zu Mantua ein blind-gebohrner /aber gottseeliger Mann / Adalbero mit Nahmen: diser wurde in 3. unterschiedlichen Nächten von dem Heil. Apostel Andrea / der ihme erschienen ist / ermahnt /wo und wie man das HH. Blut wiederum suchen soll /und finden werde durch Anführung eines Blinden /deme auch dardurch das Gesicht wiederum solle gegeben werden.

Als nun der blinde Adalbero auf Befehl des Apostels die Sach dem H. Martiali, damahligen Bischoffen zu Mantua hat angezeigt / ware diser voll der Freuden / und thäte es alsobald dem Pabst (der damahls in Teutschland bey dem Kayser Heinrich sich aufhielte) zu wissen: worauf beyde / der Pabst und Kayser eilends und mit Freuden neben anderen Fürsten und Herren nacher Mantua sich begaben. Allda hat Adalbero in Gegenwart dieser höchsten Häupter /viler Bischöff und Cardinälen lang gegraben / und endlich den verborgnen Schatz / welcher etlich Ellen tieff in der Erden lag / entdecket / und Pabst Leo denselben würcklich erhebt: worbey ein überaus lieblicher Geruch alle Anwesende ungemein erquickte. Es heilete auch die übernatürliche Krafft / so von dem HH. Seiten-Blut ausgienge / allerhand Krancke und Presthaffte / deren ein überaus grosse Anzahl von allen Orten herzugegen ware: unter welchen auch der blind-gebohrne Adalbero das Augen-Liecht erhalten hat.

Bey würcklicher Erhebung dieses unendlichen Schatzes / da alle Krancke / Krumme / Lahme / Blinde / Stumm- und Taube gesund wurden / schrye alles Volck mit freudigen Zäher einhellig auf: Barmhertzigkeit! Barmhertzigkeit! alle waren mit einem heiligen Trost / Schröcken und Verwunderung erfüllt. Des anwesenden Volcks ware so vil / daß gantz Mantua es nicht fassen kunte / sondern der Pabst mußte auf freyem Feld daraussen das Ampt der H. Meß halten.

Aber nachdem die höchst-feyrliche Erhebung des HH. Bluts vollendet war / da erhub sich ein starcker Streit zwischen dem Pabst und denen Mantuaneren /welchem Theil forthin diser [258] kostbare Schatz zu verwahren und zu behalten solte anvertraut und überlassen werden. Der Pabst behauptete / dieses köstliche Kleinod gebühre niemand anders als ihme / dem höchsten Haupt der gantzen Christenheit / und wolte es mit sich nacher Rom nemmen / die Mutter-Kirchen und fürhmste aus allen darmit zu zieren. Die Mantuaner hingegen samt ihrem Bischoff wolten es durchaus nicht lassen / und widersetzten sich auf alle Weiß /vorgebende / daß GOTT ja selbsten klärlich ihnen vor allen anderen Völckeren diesen Gnaden-Schatz beschehret und verlyhen habe / und selbiger ohne grosse Unbild ihnen nicht könne entzogen werden. Endlich nach langem Streit stellte man Gebett und Fasttäg an /den Göttlichen Willen hierüber einzuholen. Es gabe auch GOTT dem Kayser in Sinn / daß er dem Pabst und denen Mantuaneren den folgenden guten Rath und Einschlag gegeben hat: Es solle nemlich dieser kostbare Schatz im Frieden getheilt werden / weilen ja ein jeder auch mindiste Theil eines unendlichen Werths seye / und also möge Rom den einen Theil empfangen / und gleichwohl Mantua den anderen behalten: mithin habe weder die Haupt- und Mutter-Kirch zu Rom sich zu beklagen / daß sie von einer anderen in etwas übertroffen werde / noch die zu Mantua / daß ihr etwas ermangle. Dieser Rath und Vorschlag gefiele allen wohl / er wurde einhellig mit Freuden angenommen / und also der gefährliche Streit aufgehoben / ja auch dem Kayser / als Mittler und Schiedmann / ist ein Particul darvon verwilliget worden. Es nahme also der Pabst seinen Theil / welchen er zu Rom herrlich hat eingeführt / und solle selbiger in das Sanctum Sanctorum, wo die allerheiligste Sachen aufbehalten werden / übersetzt worden seyn. Der andere Theil wird zu Mantua annoch würdiglich aufbehalten zum Trost und Nutzen der Glaubigen in dem Gottshauß / welches mehrermeldter Pabst Leo zu Ehren des HH. Bluts Christi / und des H. Apostels Andreä hat erbauen lassen / und denen Benedictineren eingeraumt.

Der Kayser Heinrich schätzte seinen Theil / wie billich / höher als das gantze Kayserthum / und führte ihn zum Trost und zur Beyhülff all-seiner Müheseeligkeit- und Gefahren überall mit sich: Endlichen aber / da er in das Todtbeth kommen / verehrte und vermachte er selben seinem Freund Balduino, dem Marggraffen in Flandern. Unter dem Schutz und Seegen dieses HH. Bluts regierte Balduinus sein Land und Leuth gar glücklich. Er hatte auch eine Tochter /Juditha mit Nahmen / welche er Tostico, einem König in Engelland vermählet hat: Tosticus aber wurde von seinem Bruder Haraldo mit Krieg überzogen / und ist in einer Feld-Schlacht umkommen. Juditha die Wittib aber Betrübnuß-voll begab sich wiederum zu ihrem Herrn Vatter in Flanderen / von welchem sie endlich in seinem Todtbeth mit disem Hochheiligen Schatz / um den sie so inständig angehalten und gebetten hat / ist beschencket und erfreuet worden.

Nach Balduini Ableiben hat Guelfo der IV. diß Nahmens Herzog im Nordgöw gedachte Juditham zur Ehe genommen. Es war aber dieser Guelfo in gantz Teutschland sehr mächtig / auch neben Pipino (welcher des grossen Kaysers Caroli Vatter gewesen) ein Stiffter des Gottshauß Weingarten. Dieser entschlosse sich in das heilige Land nacher Jerusalem zu reisen /und GOTT für die erhaltene Sieg wider seine Feind zu dancken. Zuvor aber ist er samt seiner GemahlinJuditha in das Closter Weingarten kommen / und sich in das Gebett der Religiosen inständig befohlen / mit Begehren / daß / wann er auf seiner so schweren und weiten Reiß sterben solte / sein Leib nirgends anderstwo als zu Weingarten bey seinen lieben Vor-Elteren solte begraben werden: welches auch geschehen ist / massen er in der Insul Cypern gestorben / seine Gebein aber in das Teutschland überbracht / und in das Grab seiner Vorfahrer seynd gelegt worden.

[259] Eben / als dieser gewaltige Fürst zu Weingarten seinen Abschied nahme / hat Juditha aus Andacht den Particul des HH. Seiten-Bluts Christi / unter dem Abbt Walichone dem Gottshauß Weingarten verehrt und zugeeignet um das Jahr 1090. welches HH. Blut nicht (wie in einigen anderen Orten geschehen) aus einer consecrirten Hosti oder Crucifix-Bild entsprungen ist / sondern es ist das wahrhaffte / gewiß- und pure / mit einiger anderen Materi unvermischte Blut Christi / welches an dem Heil. Creutz aus seiner durchstochenen heiligsten Seiten geflossen ist. Diese Wahrheit ist bißhero unstreitig von unterschiedlichen Päbsten nach genauer Untersuchung erkennt / durch Zeugnuß viler Heil. Männer und bewährten Scribenten / auch durch vil Miracul und Wunderzeichen bestättiget und bekräfftiget worden.

Demnach wird da in dem Benedictinischen Reichs-Gottshauß Weingarten / Costantzer-Bistums in Ober-Schwaben gelegen / dieser kostbare Schatz / verstehe / der nahmhaffte Particul des HH. Seiten-Bluts Christi JEsu / bereits über die 600. Jahr zu allgemeinem Trost und Nutzen der Glaubigen mit höchster Ehrerbietigkeit verwahret und aufbehalten. 65 Es ist dieser Particul vor wenig Jahren aus dem alten in ein neues von Crystall und purem Gold / mit köstlichen Edelgesteinen reichlich versetztes Gefäß übersetzt worden /in welchem er zu seiner gewissen Zeit auf dem Altar offentlich zur Verehrung ausgesetzt / und cultu latriæ angebettet / das ist / mit Göttlicher Ehrbeweisung verehret wird / auch gar offt das Jahr hindurch jedermänniglich / bevorab denen Wallfahrteren und Frembden gezeigt / und jedem insonderheit vorgewiesen / und darab zu trincken gegeben / das ist / ein mit dem Heil. Blut benedicirter Wein gereicht wird. Mithin ist es billich für ein beständiges Wunder zu halten / daß dieses Heil. Blut (welches coagulirt / oder gestocket und einer länglechten Form ist) durch so vil tausendfältiges Bewegen und Schüttlen dannoch in so langer Zeit im geringsten nicht verstossen / oder zu einem Staub zermahlen wird / sondern allzeit gleich und unversehrt bleibet.

Das Festum Solemne der Erfindung des Heil. Bluts cum Missa propria & Officio Canonico wird jährlich sub ritu duplicis primæ Classis den 12. Mertzen /gleichwie zu Mantua / gehalten: an welchem Fest derConcurs des andächtigen Volcks so groß ist / daß gemeiniglich an selbem Tag etliche tausend Communicanten gezehlt werden / und der Gottsdienst mit Beichthören und Speisen biß Nachmittag um 2. Uhrcontinuirt wird.

Die anderte Festivität / so jährlich zu Ehren dieses hochheiligen Schatzes angestellt wird / bestehet in dem so genannten solemnen H. Blut-Ritt / der allzeit am Freytag nach der Himmelfahrt Christi gehalten wird / da nemlich das HH. Blut von einem Religiosen des Gottshauß / der von anderen Geistlichen begleitet wird / zu Pferd durch die umligende Felder (selbige zu benediciren) in einem Bezirck von beyläuffig 2. Stunden herumgeführt wird / an 4. bestimmten Orten der Seegen darmit gegeben / und ein langer sehr kräfftiger Exorcismus contra aereas potestates etc. gesprochen wird. Dieser Ritt geschieht an einem Vormittag / und werden etliche Stunden darmit zugebracht / inmassen ein überaus grosse Menge des andächtigen Volcks sich darbey einfindet / und gemeiniglich 4. biß 5000. Pferdt bey diesem Ritt gezehlt werden; dann fast alle benachbarte Herrschafften auf etlich Meil weit schicken ihre Unterthanen in grosser Anzahl / welche in Compagnien ausgetheilt / erscheinen / mit ihren Officier und Standarten / theils auch mit Trompeten und Paucken versehen seynd: Noch ein grössere Menge Volcks beyderley Geschlechts gehet zu Fuß mit: da dann alle so wohl Reutend- als Gehende mit beständigem Betten anhalten / und weder von der Sonnen-Hitz noch Regenwetter sich darvon abschröcken lassen.

[260] Zu der Verehrung des HH. Bluts gehöret (neben der mit Päbstlicher Authorität errichteten / und mit grossen Ablassen begabten Bruderschafft) annoch die löbliche Gewohnheit / daß / so offt zu Sommers-Zeit ein Hochgewitter sich begiebet / wann es auch mitten in der Nacht ist / oder in einer Nacht öffter als einmahl geschiehet / da versammlen sich die Religiosen in der Kirchen / allwo man mit dem HH. Blut das Wetter seegnet / und vil schöne Gebetter spricht mit so gutem Effect und augenscheinlicher Würckung /daß gemeiniglich das bedrohende Gewölck sich alsobald vertheilt oder verziehet / und denen Felderen des Gottshauses in der Nachbarschafft mit bevorstehendem Schaur oder Hagel verschonet.

Es hat auch vor Zeiten (als der Christliche Eyfer noch grösser / und der Welt-Pracht geringer ware) nicht ermangelt an grossen Fürsten und Herren / die von fern daher gereißt / dises Göttliche Liebs-Pfand zu besuchen / und gegenwärtig zu verehren. Wie dann Rudolphus I. als er das Kayserthum angetretten / persönlich mit seiner Gemahlin und Kayserlichen Kinderen auf Weingarten kommen ist / sich und all die Seinige da in den Schutz des Allerhöchsten / durch den Werth des HH. Bluts anmüthigist befohlen hat etc. Ein mehrers von diesem kostbaren ja unendlichen Schatz wird in einem hiervon eigentlich verfertigten Tractätlein zu ersehen seyn.

Ich nenne das allerheiligiste Seiten-Blut nicht ohne Ursach öffters einen kostbaren Schatz / inmassen es der so theure / ja unendliche Werth unserer Erlösung ist: habemus redemptionem per sanguinem ejus. 66 Kostbar ist es über Silber und Gold / non corruptibilibus auro vel argento, sed pretioso sanguine redempti estis. 67 Das HH. Seiten-Blut ist ein kostbarer Schatz / dieweilen ein einziges Tröpfflein desselben genug wäre aller Menschen Sünden abzuwaschen /die Schulden zu bezahlen / und den Himmel zu erkauffen: kostbarer ist es / als thesaurus infinitus hominibus, quo qui benè usi fuerint, participes facti sunt amicitiæ Dei: ein unendlicher Schatz denen Menschen / die sich dessen gebrauchen / die werden theilhafftig der Liebe und Freundschafft Got tes. Kostbarer ist es / als ein unschätzbares Edelgestein / welches der himmlische Bräutigam Christus der HERR aus der innersten Schatz-Kammer seines Göttlichen Hertzens herauß genommen / und selbes seiner Gesponß / der Catholischen Kirchen zum Angedencken / und zu einem sonderbaren Liebs-Zeichen geschenckt und hinterlassen hat. Es wolte sich nemlichen also geziemen / daß Sponsus Sanguinum, der Blut-Bräutigam seiner geliebtisten Braut / quam acquisivit sanguine suo, die er mit seinem eignen Blut erworben hat / kein andere Arrham oder Braut-Geschenck / als eben diesen Blut-Schatz auf eine unzertrennliche Ehe gebe und schencke.

Es ist auch dieses HH. Blut gleich einem kostbaren sehr wohlriechenden und heilsamen Balsam / die menschliche Seel darmit zu stärcken / und ihre tödtliche Wunden zu heilen. 68 In Judæa oder Egypten ist ein Balsam-Gärtlein zu finden / in welchem die Balsam-Bäumlein bey der Sommer-Hitz müssen mit eisenen Messerlein geschnitten und durchbohret werden /alsdann bindet man Schaalen an die Aestlein / worein der Balsam tropffnet / der unterschiedliche Kranckheiten und Wunden zu heilen tauget. Ein solcher Balsam-Baum ist Christus an dem Creutz / allwo er in der grösten Hitz der Lieb mit eisenen Näglen und Lantzen ist durchschnitten und durchbohret worden /und also ist der edliste und kostbariste Balsam des HH. Bluts aus seinen Wunden geflossen / welches /wann es in denen Schaalen der andächtigen Hertzen aufgefangen und applicirt wird / alle auch tödtliche Kranckheit- und Wunden der Seelen heilet. Also daß Christo dem Gecreutzigten gar wohl das Symbolum oder die Sinnschrifft kan zugeeignet [261] werden: vulnere vulnera sano: die Wunden heilt d'Wunden. Dann wie der Heil. Augustinus anmercket / so hat Christus also wollen sterben / daß er eben mit seinem Blut die Vergiesser seines Bluts hat heilen wollen: Und der H. Bernardus: Der Sohn GOttes wird getödtet /auf daß er mit dem kostbaren Balsam seines Bluts meine Wunden heile. 69

Wie die Naturalisten vorgeben / so werden die Schlangen unter dem Schatten des Balsam-Baums ihres Giffts beraubt / also / daß sie da niemand schaden können: aber die höllische Schlang / die mit dem tödtlichen Gifft der Sünden das menschliche Geschlecht angesteckt und vergifftet hat / wird geschwächt und aller Kräfften beraubt durch den Schatten / durch den Schutz des sittlichen Balsam-Baums /das ist / Christi des Gecreutzigten / indem er uns ein so köstlich- und kräfftiges Bewahrungs-Mittel / nemlich den Balsam seines Bluts an die Hand gibt / und dardurch von Sünden und Straff befreyet.

Ein schöne Figur oder Vorbedeutung ist dessen gewesen in dem Alten Testament / da GOtt zu dem Moysi und Israelitischen Volck gesprochen hat: Erit sanguis vobis in signum in ædibus, in quibus eritis, & videbo sanguinem, & transibo vos, nec erit in vobis plaga dispergens, quando percussero terram Ægypti: 70 Das Blut soll euch zum Zeichen seyn in denen Häuseren / darinn ihr wohnet / damit /wann ich es sihe / vorbey gehe / und die Plag euch nicht verderbe / wann ich Egypten straffen werde. Diese Wort seynd dem Buchstaben nach vermeint gewesen auf die Kinder Israel in der Egyptischen Dienstbarkeit / und geredt worden von dem Blut des Osterlamms / mit welchem die Thür-Schwellen der Häuser der Israeliter mußten bestrichen werden / dieselbige zu unterscheiden von den Wohnungen der Egyptier / die folgende Nacht von dem Engel GOttes solten getödtet werden: aber geistlicher Weiß ist es zu verstehen / und wird erfüllet an denen gottseeligen Christen; dann hic sanguis erit vobis in signum, das kostbare Blut des wahren Lamms GOttes / das HH. Seiten-Blut Christi JESU / das soll und wird euch seyn zu einem Zeichen des Heyls und der Erlösung /in domibus, in quibus eritis, wann eure Häuser / oder vilmehr eure Hertzen darmit bestrichen und gezeichnet seynd / das ist / wann ihr die schuldige Ehrerbietung darzu traget / wann der gute Geruch dieses Göttlichen Balsams in euren Hertzen sich ausgiesset / alsdann sagt GOtt der HERR: videbo sanguinem, & transibo vos, in Ansehnung des unschuldigen Bluts und der unendlichen Verdiensten meines Sohns will ich euch vorbey gehen / wann ich die Sünder straffen werde / da will ich euch verschonen: dann Christus pacificans per sanguinem crucis, sive quæ in terris, sive quæ in Cœlis sunt, 71 der durch das Blut seines Creutzes alles zufriden stellt / was auf der Erden oder im Himmel ist. Das Blut Christi rufft und redet besser und bessere Wort / als das Blut Abelis, sagt der hochgelehrte Cornelius à Lapide, dann jenes schreyet zu GOTT um Rach / dieses aber haltet unabläßlich an bey dem himmlischen Vatter um Barmhertzigkeit /Gnad und Nachlassung der Sünden. 72

Aber nicht nur ein Schatz und Balsam / sondern auch ein Gesund-Bad der Seelen ist das HH Seiten-Blut Christi. 73 Dann nach Zeugnuß des Apostels:omnia pené secundum legem in sanguine mundantur, & sine sanguinis effusione non fit remissio: 74 fast alles wird mit Blut gereiniget nach dem Gesatz / und ohne Blutvergiessen geschieht keine Vergebung. Wann aber das Blut der Böck und Ochsen die Unreine heiliget zu der leiblichen Reinigkeit /wie vilmehr wird das Blut Christi unsere Gewissen reinigen von den todten Wercken / zu dienen dem lebendigen GOtt? Christus JEsus / sagt der H. Joannes / hat uns geliebt und gewaschen [262] in seinem Blut / nemlich durch seine unendliche Verdienst / mit welchen er für unsere Sünden genug thut. 75 Auf dises Blut-Bad scheinet uns vorhinein den Finger-Zeig gegeben zu haben der Prophet Isaias / nemlichen unsere Seelen darinnen zu waschen / und von denen Macklen der Sünden zu reinigen / da er uns zuruffet: Lavamini mundi estote etc. 76 Waschet euch / reiniget euch etc.

Ein gottloses Blut-Bad / wie oben gemeldet worden / haben die aberglaubige Heyden dem Kayser Constantino, ehe daß er ein Christ worden / eingerathen /nemlich von dem Blut lauter unschuldiger Kinder: vorgebend / daß er dardurch / von dem Aussatz / mit deme er behafftet war / wurde gereiniget werden. Aber ein vil gesünder- und kräfftigeres Bad für den so höchst schädlich- als schändlichen Aussatz der Sünden / wird uns angewiesen in dem Blut des unschuldigen Lamms: wie dann auch Christus selber sein Leyden und Blutvergiessen einen Tauff nennet. In diesem Blut-Bad haben sich gewaschen all die jenige / welche der H. Evangelist Joannes in seiner heimlichen Offenbahrung gesehen hat vor dem Thron GOttes stehen in grosser Glori und Herrlichkeit / mit schneeweissen Kleideren angethan / und Palm-Zweig in ihren Händen: und als die Frag ergangen: wer diese seyen /und woher sie kommen? da ist die Antwort: Hi sunt, qui venerunt de magna tribulatione, & laverunt stolas suas, & dealbaverunt eas in sanguine Agni: 77 Diese seynd die / so kommen aus grosser Trüb saal / und haben gewaschen ihre Kleider / und weiß gemacht in dem Blut des Lamms.

Unter vil anderen Gaben der so gütigen und freygebigen Natur / seynd nicht die wenigiste so vil heilsame Wässer und Gesund-Bäder / die man hin und wieder antrifft / deren eine warm / die andere kalt / wiederum andere mittelmäßig / aus ihren verborgenen Quellen / als aus der Schoos unserer allgemeinen Mutter / das ist / der Erden / uns zum Besten herfür fliessen / deren eine für diese / andere für andere Zuständ / Kranckheiten und Gepresten gut und verhülfflich seynd: also / daß zum öffteren auch grosse Fürsten und Herren von fern mit grosser Mühe und Kösten zu lieb reisen / um von ihren beschwerlichen Zuständen / Affect- und Anligen befreyet zu werden / offt mit gutem / offt auch ohne erwünschten Effect und Erfolg: Aber was sollen alle / auch kräfftig- und berühmtiste Heil-Wässer und Gesund-Bäder seyn gegen dem alleredlisten / fürtrefflich- und köstlichisten Blut-Bad / welches uns zum Besten der Sohn GOttes durch die Lantzen des Longini aus seiner heiligisten Seiten /ja aus seinem vergötterten Hertzen hat fliessen gemacht? Dieses ist ein allgemeines und unfehlbares Hülffs-Mittel für alle Wunden / Kranckheit- und Anligen der Seelen. Es erwärmet und kühlet ab zugleich: es erwärmet die in der Liebe GOttes und des Nächsten gantz lau- und erkaltete Hertzen und Gemüther /es kühlet ab die Hitz der fleischlichen Begierd- und Anmuthungen / es stärcket die Schwache in der Tugend / es richtet auf die / so krumm und lahm seynd in Ubung der guten Wercken / es erleuchtet die Blinde /so nicht sehen / was zu thun oder zu lassen ist etc. Man kan sich da bey diesem heilsamen und heilwerthen Blut-Bad des erwünschten Effects / der guten Würckung versicheren / man darff auch ihme zu lieb nicht weit reisen / und keine Kösten machen / sondern es stehet allen zu jeder Zeit und überall offen / wer nur immer dasselbige will brauchen / und durch die Buß und Besserung des Lebens / durch die Liebe und das Vertrauen ihme selber zu Nutzen machen.

Ein Figur dieses höchst-schätzbaren Blut-Bads ist gewesen jene berühmte Piscina probatica, das Schwemm-Teich vor dem Tempel zu [263] Jerusalem / in welchem alle Kranckheiten geheilt wurden / doch nur zu gewisser Zeit (wann nemlich der Engel vom Himmel kam / und das Wasser bewegte) auch nur bey einem Menschen / der alsdann der erste in selbes Wasser kam. Piscina est Passio Christi, quinque porticus, quinque vulnera ejus, sagt der Heil. Antonius von Padua: das Schwemm-Teich seye das bittere Leyden und Sterben Christi. Die 5. Schwibbögen aber die HH. fünff Wunden / aus welchen das so edle Heil-Bad des Bluts geflossen ist / mit so vil mehr Krafft und Fürtrefflichkeit / daß es nicht nur zu Zeiten einen Krancken / wie jenes Schwemm-Teich / sondern alle und allezeit an der Seel Krancke zu heilen vermag.

Fußnoten

1 Das Ampt und die Beschaffenheit des Halß und der Gurgel.

2 Rom. c. 12. v. 15.

3 Fraß und Füllerey wird durch die Gurgel angedeutet.

4 Psal. 5. v. 11.

5 Ad Philip. c. 3. v. 19.

6 Vilfältiger Schaden der Schlemmerey.

1. Cor. c. 3.

7 Berühmt- oder verschreyte Fresser und Saufer.

8 Gen. c. 25. v. 34.

9 Alex. ab Alex. lib. 5. c. 21.

10 Flavius Vopisius.

11 Theat. vit. hum. à fol. 492.

12 Der Fraß und Füllerey wird hefftig gescholten und gestrafft.

13 Serm. de jejunio.

14 S. Greg. lib. 30. moral.

15 Des Magens sein Ampt und Beschaffenheit.

16 Wie man das Wort GOttes auf- und annemmen solle / daß es fruchte.

17 Luc. 10. v. 16.

18 Joan. c. 15. v. 7.

19 Der Magen wird mit einer gemeinen Cassa oder Rent-Kammer verglichen.

20 Fabula.

21 Der Bauch bedeutet die Unmäßig- oder Unlauterkeit.

22 Eccli. c. 23 v. 6.

23 Prov. c. 13 v. 25.

24 Job. c. 20 v. 15.

25 Psal 21 v. 10.

26 Des menschlichen Fleisches armseelige Beschaffenheit.

27 Ad Coloss. c. 5. v. 17.

28 Ad Rom. c. 8. v. 2.

29 Das Fleisch ist gleich einem muthig- und stättigen Pferdt.

30 Jerem. c. 2. v. 30.

31 Ibidem c. 5. v. 3.

32 Das Fleisch muß nothwendig wie ein Pferdt im Zaum gehalten und gebändiget werden.

33 Eccli. c. 33. v. 25.

34 Ein geistliche Reut-Schul.

35 1. Cor. c. 9.

36 Eccli. c. 18. v. 30.

37 lib. 13. de anima.

38 Eine fleischliche Lieb / welche zulässig und löblich ist.

39 Joan. c. 1. v. 14.

40 Ad Ephes. c. 5. v. 30.

41 Psal. 44. v. 3.

42 Sap. c. 8. v. 16.

Prov. c. 8. v. 30.

43 Menschen-Fleisch essen ob es giltig seye.

44 Joan. c. 6. v. 56. &. 57.

45 Beschaffenheit des Bluts.

46 Die Gnad GOttes wird durch das Blut beditten.

Lev. c. 17. v. 25.

47 Ezech. c. 18. v. 25.

48 Zeitliche Güter und Reichthumen werden mit dem Blut verglichen.

49 Eccli. c. 10. v. 19.

50 Die reiche Geitzhälß seynd gleich denen Blut-Eglen.

51 Geschicht.

52 Grausame Blut-Bäder den Durst der Tyrannen zu löschen.

53 Flav. Jof. de bello Judaico lib. 7. c. 16.

54 Tacitus lib. 15.

55 Fulgos. lib. 1. c. 12. & Paulus Diacon.

56 Theat. vitæ humanæ.

57 Laut-aufschreyendes Blut.

58 Gen. c. 4. v. 10.

59 Apoc. c. 6. v. 10.

60 Brev. Rom. 28. Sept.

61 Geschicht.

62 Beyerlinck in theat. vitæ humanæ.

63 Ein Ampel von Blut.

64 Historischer Bericht / wie der Particul des Heil. Seiten-Bluts Christi in das Gottshauß Weingarten gekommen seye.

65 Verehrung des HH. Seiten-Bluts Christi in dem Closter Weingarten.

66 Das HH. Seiten-Blut Christi ist ein kostbarer Schatz.

1. Petri. c. 1.

67 Ephes. c. 1. v. 7.

68 Ein köstlicher Balsam.

69 in Psal. 48. serm. 4. de Nat. Dom.

70 Exodi c. 12. v. 13.

71 Coloss. c. 1. v. 20.

72 Cornel. à Lap. in cap. 12. v. 22. ad Hebr.

73 Ein heilsames Bad der Seelen.

74 Hebr. c. 9. v. 22.

75 Apoc. c. 1. v. 5.

76 Isaiæ c. 1. v. 16.

77 Apoc. c. 7. v. 13. & 14.

VII. Von denen Aderen und Nerven - von dem Hertzen, von dem Miltz, der Leber und Gall des Menschen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von denen Aderen und Nerven.

Die Aderen seynd jene Röhrlein und gleichsam kleine Canäl / durch welche das Blut in unterschiedliche Theil des Leibs geführt wird. 1 Sie werden in zweyerley Gattungen abgetheilt / nemlich in Blut-Aderen /und in Pulß- oder Schlag-Aderen: jene übergeben das Blut dem Hertzen / dise aber nehmen es von dem Hertzen / und bringen es in die andere Theil des Leibs. Die Aderen entspringen theils von der Leber /und theils von dem Hertzen / als von welchen beyden auch das Blut ausgekochet wird.

Die Nerven seynd lange / hohle / weich- und bewegliche Glieder / innerhalb durch den menschlichen Leib hin und wieder ausgestreckt / sie haben ihren Ursprung von dem Hirn / zwar nicht unmittelbar / sondern vermittelst der Nucha (ist das Ort / wo des Ruckgrads Marck anfanget) sie schliessen den Spiritum animalem, das ist / den thierlichen Geist in sich /und ertheilen den Gliederen ihre Bewegnuß / Kräfften und Empfindlichkeit.

Durch die Aderen und Nerven können sittlicher Weiß verstanden werden theils die geistliche / theils weltliche Obrigkeiten / die Prediger / Lehrer und Vorsteher: dann gleichwie die Aderen das Blut von dem Hertzen oder von der Leber in sich empfangen / aber nicht für sich allein behalten / sondern allen Gliederen nach Proportion und Nothdurfft getreulich mittheilen / also sollen die Obere / Vorgesetzte und Prediger der Erleuchtungen / der Tugend- und Wissenschafften /die sie von GOTT empfangen oder erlernet haben /auch andere theilhafftig machen / und selbe nicht für sich allein behalten / nach dem Exempel des weisen Salomons / der von ihm selber bezeuget: Sapientiam, quam sine invidia communico, & honestatem illius non abscondo: 2 Wie ich die Weißheit unfalsch erlernet hab / also lehre ich sie auch andere ohne Vergunst / oder Vergelt / und verbirg ihre Würde niemand. Ja nach dem Exempel GOttes des Allerhöchsten selber / der sich oder seine Vollkommenheit allen Menschen / ja allen Geschöpffen so reichlich und freygebig ohne allen Vergelt und eignen Nutzen mittheilet: inmassen / wie das Sprüchwort bey denen Lateineren ist: omne bonum est communicativum sui, alles was gut ist / theilet sich anderen mit / und deß wegen / weilen GOTT unendlich gut ist / theilt er sich denen Creaturen auf unendliche Weiß mit. Zu einer solchen freygebigen Mittheilung [264] ermahnt uns auch Christus in dem Evangelio / sprechend: Gratis accepistis, gratis date: 3 Umsonst habt ihrs empfangen / umsonst gebts auch anderen. Wie auch der H. Apostel Petrus: Dienet einander / ein jeder mit der Gnad / die er empfangen hat. 4 Die Belohnung aber wird darfür versprochen von dem Propheten Daniele, da er sagt: Qui ad justitiam erudiunt multos, fulgebunt quasi stellæ in perpetuas æternitates: Die / so vil zur Gerechtigkeit gelehrt und gewisen haben /werden wie die Sternen scheinen immer und ewiglich.

Deßgleichen sollen auch die weltliche Obere und reiche Beamte die Güter und Reichthumen / die sie aus der gemeinen Cassa oder Rent-Kammer empfangen haben / nicht für sich allein behalten / sondern (gleichwie die Aderen das von der Leber und von dem Hertzen empfangne Blut) denen bedürfftigen Mitgliederen des sittlichen Leibs nach Nothdurfft und Proportion, nach der Maaß Justitiæ distributivæ, der austheilenden Gerechtigkeit mittheilen / selbige Glieder zu stärcken und zu erhalten.

Sie sollen seyn als wie die Flüß / welche die Felder durchlauffen / und mit dem Wasser / das sie von dem Meer empfangen haben / zur Fruchtbarkeit anfeuchten / und nicht als wie die See- oder stehende Wasser /welche immerdar nur einnemmen / und nichts mehr von sich geben.

Insonderheit die Pulß-Aderen bedeuten abermahl die geist- und weltliche Obrigkeiten: dann / gleichwie man aus dem Schlag der Pulß-Aderen die gute oder schlimme Constitution und Beschaffenheit des menschlichen Leibs kan erkennen / also kan man aus der Weiß zu handlen der Oberen den Wohl- oder Ubelstand des sittlichen Leibs / das ist / der geistlich-oder weltlichen Communität abnemmen. 5

Wann die Pulß ordentlich gehet / und gleichförmig / nicht zu geschwind / und nicht zu langsam / nicht zu starck / und nicht zu schwach / da ist es ein Zeichen einer guten Gesundheit: und wann die Weiß und Manier zu handlen und zu regieren bey der Obrigkeit recht und ordentlich / nicht zu scharpff und nicht zu mild / nicht zu langsam und nicht zu gäh / da kanst du urtheilen / daß auch der gantze Leib derselbigenCommunität wohl bestellt und eingerichtet seye: und also hingegen etc. dann es heißt da: Qualis Rex, talis grex, wie der Hirt / also die Heerd. Gleichwie der Zeiger an einer Uhr / nachdem er recht oder nicht recht gehet / die innerliche gute oder schlimme Beschaffenheit des gantzen Uhrwercks andeutet / also thut auch gemeiniglich die Regierungs-Art eines Oberen die Beschaffenheit seiner unterhabenden Gemeind andeuten.

Endlichen können auch noch füglich durch die Pulß-Aderen die Wort und Reden des Menschen verstanden werden: dieweilen / gleichwie die besagte Pulß-Aderen den innerlichen Zustand des Leibs anzeigen / also zeigen die Wort und Reden den innerlichen Zustand des Gemüths an: laut des gemeinen Sprüchworts: Quo cor abundat, os loquitur, von wem das Hertz voll ist / von dem übergeht der Mund. Und wie der weise Mann sagt: Vena vitæ os justi, der Mund des Gerechten ist ein lebendige Ader. Wann nun die Ader in rechter Zeit und Maaß geöffnet wird / da lasset sie das böse und verderbte Blut herauß / und nimmt wiederum ein frisch- und gesundes an: hingegen / wann sie lang oder gar nicht geöffnet wird / da ist es offt sehr schädlich / und bringt schwere Kranckheiten des Leibs / weilen die böse und corrumpirteHumores sich sammlen und vermehren etc. 6 Also auch / wann der Mund durch die Red zu seinen Zeiten sich aufthut / da geht das bose corrumpirte Blut der Sünden und Laster herauß / und versammlet sich ein neues gesundes Blut der Tugenden und der Gnad GOttes / wann aber die Ader des Munds oder der Red besagter massen lang oder gar nicht geöffnet wird / da verfaulet das böse Blut / das ist / die Sünd und Laster / und stecket alles in dem Menschen [265] / in der Seel mit einem gifftigen Unflat an.

Eine solche gesunde und sittliche Aderläß hat gar weißlich angestellt der reumüthige David (und alle andere bußfertige Sünder) da er von Hertzen gesprochen hat: Peccavi Domino, ich hab gesündiget wider den HErrn. Und wiederum: Confitebor adversum me injustitiam meam Domino: 7 Ich will dem HErrn meine Ungerechtigkeit bekennen wider mich: Und sihe! alsobald ist der gute Effect dieser geistlichen Aderläß erfolget / das böse Blut / ja das Gifft der Sünden ist / von dem Hertzen geflossen; dann er sagt gleich darauf: Et tu remisisti iniquitatem peccati mei, GOtt habe ihm die Boßheit seiner Sünd vergeben.

Aber es gibt vil Menschen / welche / obwohl sie sich immerdar mit vilem Essen und Trincken anfüllen / dannoch gar selten / und in langer Zeit kaum einmahl die Ader ein wenig öffnen / und nur ein kleines Löchlein machen lassen / ihnen einbildend / es seye schon genug und alles darmit ausgericht / das böse Blut und alle so lang gesammlete schädliche Feuchtigkeiten oder schädliche Hitz und Unreinigkeiten seyen jetzund schon alle herauß: aber nein / sie irren sich weit / sie solten mehr und öffters Ader lassen /sonst bleibt gemeiniglich das meiste und schlimmste Blut noch in dem Leib / und verursacht ihnen schwere Kranckheiten. Eben also ist es nicht genug / daß ein sündiger Mensch / qui iniquitatem sicuti aquam, der die Boßheit als wie das Wasser hinein schluckt / und immerdar Sünden mit Sünden häuffet / in langer Zeit /etwan das gantze Jahr nur ein- oder zweymahl ein kleine geistliche Aderläß anstelle / ich will sagen /kurtz und obenhin beichte / sondern es muß öffters und besser geschehen / sonsten bleibt noch vil schlimmes Blut dahinten / die ärgste Brocken bleiben stecken / die ihme werden das Hertz abstossen.

Hingegen / wann man gar zu offt und vil zu Unzeiten aderlasset / da ist es schädlich / die beste Lebens-Geister und das beste Blut gehen herauß / es schwächet die Natur / und schadet der Gesundheit. Also auch / wann man gar zu offt und vil / zu Unzeiten oder zu weit den Mund eröffnet / und zu vil Wort herauß lasset / da flieget der Geist der Andacht aus / man verletzt das Gewissen / und schadet der Gesundheit der Seelen. Also wahr ist / was geschrieben stehet:mors & vita in manibus linguæ, 8 das Leben und der Todt stehet in der Hand der Zungen: nachdem man sie nemlich wohl oder übel braucht und anwendet.

Was die Nerven anbelangt / so mögen auch durch diese wohl die Bischöff und geistliche Vorsteher verstanden werden / als welche in Christo von dem Römischen Pabst / als wie die Nerven von dem Hirn und von der Nuncha ausgehen / oder den Ursprung ihres Gewalts und ihrer Authorität haben. 9 Die Nerven des Leibs haben spiritum animalem, den thierlichen Geist in sich: aber diese sittliche Nerven des geistlichen Leibs der Kirchen / nemlich die Bischöff und Prälaten sollen vilmehr den Spiritum vitalem, den Lebens-Geist / ich verstehe den Geist GOttes in sich haben /von dem beseelet und regiert werden / auf daß sie ihn auch ihren geistlichen Gliederen mittheilen können.

Die Nerven geben allen Gliederen ihre Stärcke /Kräfften und Bewegnuß / und die geistliche Vorsteher sollen ihre Untergebne stärcken / und zum Guten / zur Ubung der Tugend bewegen. Ferners die Nerven / da sie vom Hirn oder Haupt ausgehen / seynd sie gantz zart / lind und weich / aber je weiter sie sich von ihm entfernen / in den Leib und in die Glieder hinab steigen / da werden sie immer gröber und härter: also gibt es auch zu Zeiten einige geistliche Vorsteher und Obrigkeiten / welche von Anfang ihrer Erhebung / da sie mit dem Haupt / mit Christo noch nahe verbunden /gantz weich / zart und lind / das ist / mitleidig / gütig und sanfft seynd: aber wann sie sich von dem Haupt in etwas absönderen oder entfernen / und in den Leib /in die Glieder sich ausstrecken / ich will sagen / in die weltliche Geschäfft / oder [266] in das Wolleben sich zu vil vertieffen / da werden sie härter und räuher / das ist /unmilder und ungedultiger. Endlichen / wann ein Nerven völlig abgeschnitten / oder abgesönderet wird / da wird sie niemahl mehr mit dem anderen anwachsen oder zusammen gehen / wohl aber die Aderen: Und also sehen wir / daß es mit einigen Schismaticis, benanntlich Griechischen Bischöffen in Orient ergangen ist / welche / nachdem sie einmahl durch ihren Irrwohn von der Römischen Kirchen / und von dem sittlichen Leib Christi / von dessen Mitgliederen seynd abgerissen und abtrünnig worden / nimmermehr mit denselben haben können oder wollen vereiniget werden.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem menschlichen Hertzen.

Das menschliche Hertz ist jenes edle und fürtreffliche / zwar klein- und enge / jedoch unermeßne und unersättliche Glied des menschlichen Leibs / welches als unerforschlich und unergründlich denen Gelehrten so vil zu schreiben und zu sagen gibt: ja welches in der Göttlichen H. Schrifft selber so offt und vil in Consideration gezogen wird. 10 Auch dieses nicht unbillich / dann das Hertz ist der Ursprung und eigenthumliche Wohnsitz des Lebens / der natürlichen Hitz und der Lebens-Geisteren / welche es durch den gantzen Leib allen Gliederen mittheilet.

Das Hertz ist gleichsam ein Proviant- und Zeughauß zugleich / aus welchem die gantze Vestung des menschlichen Leibs mit aller Nothdurfft / sich zu erhalten und zu beschützen / muß versehen werden. Es ist ein geheime Cantzley und Rathstuben / in welcher alle wichtige Sachen ausgemacht / und alle geheime Vorschläg ausgekocht werden. Es ist nichts edlers und nichts fürtrefflichers als ein frommes Hertz; dann es ist ein Schatz-Kammer / in welcher aller kostbare Vorrath der Tugenden und Vollkommenheit bewahret und aufbehalten ist / zu welcher der Eingang niemand als GOTT alleinig gebühret und offen stehet / er allein will darinn wohnen / herrschen / und als wie ein König in seinem Thron residiren. Deßwegen spricht er zu einem jeden: Fili mi! præbe cor tuum mihi: 11 Mein Sohn! gib mir dein Hertz. Hingegen aber ist auch nichts ärgers und nichts schädlichers / als ein böses sündiges Hertz. Es ist ein höllische Schmidten /in welcher die Waffen wider GOtt und die Menschen geschmidet werden: Es ist ein Senckgrub alles Unflats / aus welcher so vil schädliche und gifftige Dämpff aufsteigen; dann wie Christus im Evangelio sagt: De corde exeunt cogitationes malæ, homicidia, adulteria, fornicationes, furta, falsa testimonia, blasphemiæ: 12 Aus dem Hertzen kommen arge Gedancken / Mord / Ehbruch / Hurerey / Dieberey / falsche Zeugnuß / Lästerungen: welche Ubel alle zuvor in dem Hertzen ausgekocht werden / ehe daß sie ausbrechen / und in der That erfüllt werden.

Was aber die natürliche Beschaffenheit des menschlichen Hertzens anbelangt / so ist es fleischig /etwas hart / inwendig hohl / und in einer beständigen Bewegnuß: sein Figur gehet oben in die Runde / abwärts aber ist es langlecht und zugespitzt. 13 Es ligt schier mitten in dem Leib (doch etwas nähers gegen der lincken Seiten) damit die Spiritus vitales, oder Lebens-Geister desto füglicher von ihm in alle Glieder mögen ausgetheilt werden. Das Hertz ist die Wohnstatt der natürlichen Hitz / und der Aufenthalt des reinen Geblüts. Es befinden sich auch an dem Hertzen zwey sogenannte Oehrlein samt denen 2. Hertz-Kämmerlein. Die Auriculæ oder Oehrlein seynd auf beyden Seiten des Hertzens angehefftet / und überbringen denen Hertz-Kämmerlein das Geblüt. Der Ein- und Auslauff aber des Geblüts wird durch dieses verusachet / weilen das Hertz vermittelst seiner Fäßlein sich zusammen zieht und wieder aufthut /indem die Oehrlein und Hertz-Kämmerlein beständig abwechslen / [267] also / daß wann jene sich zusammen ziehen / diese sich ausdähnen und erweiteren (diese Auf-und Zuschliessung wird sonsten Systole und Dyastole genennt / und ist so nothwendig / daß / wann sie eine Weil aufhörte / der Mensch gar bald sterben müßte) durch diese Ausdähnung wird der frische Lufft von dem Hertzen an sich gezogen / durch die Zusammenziehung aber der warme und dämpffige Lufft von selbem ausgestossen / und mithin die Hitz des Hertzens gemäßiget etc. Nach Zeugnuß des Aristotelis, so ist das Hertz das erste Glied / welches in dem menschlichen Leib anfangt zu leben / und das letzte / welches abstirbt. Eine weitere und ausführlichere Beschreibung des Hertzens und anderer Glieder des menschlichen Leibs lasse ich denen Herren Medicis und Anathomisten über / mir aber ist genug / etwas weniges hiervon für eine kleine Notiz angezeigt zu haben.

In sittlichem Verstand kan billich Christus der HERR das Hertz seiner Catholischen Kirchen genennt werden. 14 Dann erstlich befindet er sich allzeit mitten in derselben / als wie das Hertz in dem Leib: ich sage mitten in derselben / nicht zwar sichtbarlich / sondern vermittelst seiner Allmacht / Liebe / Fürsichtigkeit etc. mitten als wie ein getreuer Hirt bey seiner Heerd /als wie ein liebreicher Vatter bey seinen Kinderen /als wie ein fleißiger Lehrmeister bey seinen Lehr-Jüngeren / als wie ein Feld-Obrister bey seinen Soldaten: gemäß seinem Versprechen / welches er gethan hat:Ubi duo vel tres sunt congregati in nomine meo, ibi in medio sum eorum: 15 Wo zwey oder drey versammlet seynd in meinem Namen / da bin ich mitten unter ihnen. Also hat er sich mitten unter seine Jünger gestellt / als er ihnen nach seiner Auferstehung erschienen ist / und gesprochen hat: Pax vobis etc. 16 Der Fried sey mit euch etc.

Wiederum / gleichwie das Hertz der Ursprung und der Sitz des natürlichen Lebens ist / also ist Christus der Ursprung des geistlichen Lebens / der Seelen: und gleichwie das Blut / die natürliche Hitz und die Lebens-Geister von dem Hertzen ausgehen / und dem gantzen Leib / allen Gliederen mitgetheilt werden /wordurch diese all ihre Stärcke / Krafft und Bewegung bekommen / also fliessen von Christo alle Gaben und Gnaden aus / welche der Catholischen Kirchen / dero Haupt und Gliederen vonnöthen seynd: also / daß diese kein anderes Leben sollen haben / als welches Christus ihr Hertz ihnen eingiesset / kein andere Hitz oder Lieb / als die von ihm herkommt / und kein andere Bewegung / als welche er ihnen ertheilet.

Gleichwie jener fürtreffliche Bronnen / so mitten in dem irrdischen Paradeys entsprungen ist / sich weit und breit ergossen hat / und die gantze Erden zur Fruchtbarkeit angefeuchtet / also ist unser sittliches Hertz / das ist / Christus / der aus der gebenedeyten Erden seiner Jungfräulichen Mutter entsprossen / mitten in dem Paradeys der Catholischen Kirchen / und thut in dieselbige seine häuffige Gnaden-Flüß ausgiessen / und sie zur Fruchtbarkeit der Verdienst und guten Wercken anfeuchten.

Christus / ein absonderlicher Liebhaber der Hertzen / wie gemeldet worden / ist auch selber ein Hertz /welches vor allem soll geliebt werden.

Von dem Adler schreiben die Naturkundige / daß er für ordinari kein Wasser trincke als wie andere Vögel / sondern Blut / wann er es immer haben kan: und es seye ihm kein Speiß / kein Raub lieber als ein Hertz / das seye ihm über alles; weilen er nemlich ein reines Blut darinnen findet / und also seinen Durst darmit löschet / und zugleich mit dem wohlgeschmackten Fleisch des Hertzens sich ersättiget. 17

Fast ein gleiches bezeugen sie von dem Falcken /daß er nemlich so begierig auf die Hertzen seye / daß /wann er mitten im schnellen und geraden Flug auf einen Raub begriffen seye / und aber der Jäger ihme von weitem ein Hertz von einem Thier zeige / da verlasse er alsobald den vorigen Raub / fliege eilends dem Hertzen zu / und gebe sich aus Lieb und Begierd zu [268] dem Hertzen dem Jäger selbst freywillig gefangen.

Nun aber Christliche Seelen / schauet auf / der himmlische Seelen-Jäger / Christus an dem Creutz /weiset uns auch ein Hertz / und zwar sein eignes vor Lieb brinnendes / sein von der Lieb verwundtes und durchstochnes Hertz. 18 Wann ihr dann würcklich in dem Flug auf einen anderen Raub / ich will sagen / in der Begierd auf ein eitle zeitliche Freud / auf einen unzuläßlichen Wollust begriffen seyd / so stehet doch ab von demselben / lasset ihn fahren / und eilet mit euren Begierd- und Anmuthungen dem Hertzen JESU zu an dem H. Creutz / oder in dem Hochwürdigen Sacrament des Altars; dann da werdet ihr beysammen finden das kostbare Fleisch und Blut des unbefleckten Lamms / den Hunger und Durst / das ist / die Begierden eurer Seelen zu stillen und zu ersättigen. Solche Hertz-begierige Adler und Falcken seynd alle die jenige GOttliebende unschuldige Seelen / die sich mit ihren Sinn und Gedancken / mit ihren Begierd- und Anmuthungen stets bey GOTT aufhalten / und in dem Hertzen JESU / als wie Tauben in denen Ritzen der Felsen / ihre Sicherheit / ihre Ruhe und Vergnügen suchen und finden.

Ja eben darum ist das Hertz von GOTT und der Natur also geartet / daß es oben weit und breit / unten aber eng und zugespitzt ist / anzuzeigen / daß der Mensch mit dem mindisten Theil seines Hertzens /und nicht mehr als höchst vonnöthen ist / auf der Welt und bey denen irrdischen Dingen sich aufhalten solle / ja sein Hertz vor der Welt / so vil es möglich ist / gäntzlich solle verschlossen haben: gegen GOtt und dem Himmel aber gantz frey und in alle Weite offen stehend / und allzeit begierig und bereit seyn /die himmlische Einflüß zu empfangen. Eben der Ursachen ist das menschliche Hertz dreyeckig gestaltet /uns zu erinneren / daß die gantze Welt / als welche rund ist / selbes nicht ausfüllen / sondern allein der Drey-Einige GOtt erfüllen und ersättigen möge.

Ein andere Gleichnuß mit dem menschlichen Hertzen gibt uns Christus der HErr selbsten in dem Evangelio / sprechend mit deutlichen Worten: daß ein gutes Hertz ein gute Erden seye / in welcher der Saamen des Worts GOttes aufgehe / und häuffige Frucht bringe: ein böses Hertz hingegen seye ein schlimme Erden / in welcher der gemeldte Saamen des Worts GOttes und der guten Ermahnungen versteckt oder sonst verderbt wird. 19 Gleichwie aber der jenige Acker oder Erden für gut und fruchtbar gehalten wird / welcher weder Dörner noch Unkraut hervor bringt /nicht steinig oder sandig / sondern luck ist / und sich leicht pflugen laßt: wann er wohl gedunget ist / auch den Regen und das Himmels-Thau gern annimmt: und endlich / wann er an einem bequemen Ort gegen der Sonnen ligt.

Eben also ist das menschliche Hertz alsdann für gut und fruchtbar zu halten / wann es weder mit Dörneren und Unkraut der Sünd und Laster besetzt und verwüstet ist / weder so hart als wie ein Stein / noch so dürr und trucken als wie der Sand ist: wann es sich leicht durchschneiden laßt mit dem Pflug der Mortification, wann er fett und wohl angefeuchtet ist von dem Dung der Demuth / und das Thau des himmlischen Trosts nicht vergebens empfangt / und auch denen heilsamen Strahlen der Göttlichen Gnaden-Sonn frey und offen stehet: alsdann / wann es also beschaffen ist / wird es vil / ja hundertfältige Früchten der Verdienst und guten Wercken herfür bringen. Hingegen ein böses unfruchtbares Hertz ist aus denen widrigen Umständen zu erkennen und abzunemmen /wann es nemlich verwachsen / dürr und Stein- oder Eisen-hart ist etc. also / daß es weder durch das Thau des Himmels / noch durch die Antrib und Bewegnussen der Göttlichen Gnad sich bewegen und erweichen laßt: ja einem Amboß gleich ist / der durch die vilfältige Hammer-Streich (mit welchen die H. Schrifft das Wort GOttes vergleichet) nur [269] immerdar härter wird. Darum sollen wir GOTT bitten / daß er von uns hinweg nemme das steinene Hertz / und uns ein fleischenes gebe. Sonsten können auch noch durch das Hertz die innerliche Gedancken / Concept und Anschläg verstanden werden / welche Art zu reden in der Heil. Schrifft nicht ungewohnlich ist. Zum öffteren wird das Hertz für die Affection oder Anmuthungen des Hertzens genommen / absonderlich für die Liebe / wie auch für die Kühnheit oder Hertzhafftigkeit / als welche ihren eigentlichen Ursprung und Wohnsitz in dem Hertzen haben. Also pflegen wir von einem Menschen / der den anderen hefftig liebt / zu sagen: jener habe diesem sein Hertz / das ist / seine Lieb geschenckt /oder dieser habe jenem das Hertz gantz eingenommen oder abgewonnen etc. 20 Dahin zihlet ab das Sprüchwort bey denen Lateineren: Amor magìs est ubi amat, quàm ubi animat: Das Hertz ist mehr wo es liebt /als wo es lebt.

Dieses hat sich klar gezeigt bey einem sehr gottseeligen Priester / der in dem Jahr 1636. zu Rom gestorben ist. 21 Dieser ware bey Lebzeit ein sehr grosserCultor und Liebhaber des Hertzens JEsu / als aber nach seinem Todt sein Cörper auf Verlangen seiner Freunden von den Artzten und Barbierer selbigen zu balsamiren / ist geöffnet / visitirt / und das Ingewaid herauß genommen worden / da hat man / auch mit genauem Nachsuchen / kein Hertz im Leib gesunden. Jederman verwunderte sich höchstens / und kunte ihm niemand einbilden / woher es komme / oder wie es solle ergangen seyn. Endlich / als einer von denen Umstehenden die Augen auf ein Crucifix-Bild warffe /welches unfern in einem Zimmer stund / da sahe er /daß wahrhafftig des verstorbnen Priesters Hertz bey denen Füssen des gecreutzigten Heylands / den er bey Lebszeiten so inniglich geliebt hatte / lige / und wie ein schöne Rosen schiene: worauf das Volck häuffig zugeloffen / und GOtt wegen dem Miracul gepriesen hat.

Ein andersmahl begabe es sich / daß ein reicher Geitzhalß und Wucherer in Welschland starbe. Seine Befreundte batten den Heil. Antonium von Padua / er möchte gleichwohl dem Verstorbenen eine Leicht-Predig halten: Er thate es zwar / aber das Laster des Geitzes und Wuchers zu straffen / nahme er zum Vorspruch seiner Predig den folgenden Text: Ubi thesaurus tuus est, ibi & cor tuum erit: 22 Wo dein Schatz ist / da ist auch dein Hertz. Wann ihr nun wollet /sagte er zu denen Zuhörern / dieser Evangelischen Wahrheit eine klare Prob und Erfahrnuß haben / so gehet hin / eröffnet und visitirt die Geld-Truhen dieses Verstorbnens / so werdet ihr wahrhafftig da mitten unter dem Geld das Hertz dieses verstorbnen Geitzhalß finden / welches auch also in der Wahrheit geschehen ist.

Dieser und vil andere / die mit ihrem Hertzen / das ist / mit ihrer Affection oder Liebe denen eitlen Creaturen also starck anhangen / sich darein verliehren und vertieffen / mögen wohl mit den Worten des Psalmisten sich beklagen und sagen: Cor meum dereliquit me: 23 Mein Hertz hat mich verlassen: ich weiß selber nicht wo es umvagirt / und bald da bald dort /ich darff nicht sagen wo oder bey wem sich aufhaltet. Derowegen sollen wir wohl in Obacht nemmen / was uns der weise Salomon zurufft und ermahnet: nemlichen omni custodiâ serva cor tuum: 24 mit allem Fleiß bewahre dein Hertz / dann aus ihme gehet herfür das Leben. Und wiederum: Wer die Reinigkeit des Hertzens liebt / der hat den König zum Freund / ich sage den König des Himmels. Darum hat David GOtt so inständig um ein reines Hertz gebetten; dann es ist ein unendlicher Schatz eines unendlichen Werths / den man vor denen offentlichen Strassenrauberen und heimlichen Dieben sorgsam verwahren soll: es ist ein kostbares Geschirr / welches mit dem unschätzbaren Balsam der Göttlichen Gnaden soll angefüllt werden. 25

[270] Dessentwegen hat die gottseelige Catharina Raconisia Christum so eyferig gebetten / er solle sich würdigen / ihr Hertz in seinem Blut von aller Mackel zu reinigen / welches er auch gethan hat / ihr das Hertz aus dem Leib genommen / und selbes reiner und heiliger wiederum heimgestellt / welches Wunder bey ihrer Lebens-Zeit zum fünfftenmahl geschehen ist. Eben ein solche Bitt hat die H. Jungfrau Catharina Senensis gethan / ja so gar hat sie gebetten / daß der himmlische Bräutigam das Hertz mit ihr vertauschen möchte: welches auch durch ein unerhörtes Wunder geschehen / inmassen Christus würcklich das Hertz ihr aus dem Leib genommen / und das seinige darfür hineingelegt hat.

Ferners wird durch das Hertz auch die hertzhaffte Kühnheit oder Großmüthigkeit verstanden: also pflegen wir von einem kühnen tapfferen Menschen zu sagen: er habe vil Hertz und Muth: hingegen von einem forchtsamen oder zaghafften / er habe wenig oder kein Hertz etc. 26 Es ist aber die Hertzhafftigkeit eine Tugend / die das Mittel hält zwischen der Forchtsamkeit und Vermessenheit / und bestehet in Unternemmung grosser Dingen / mit Verachtung oder Uberwindung der Gefahren und Beschwerden / die sich darbey ereignen. Sie übet sich so wohl in Ubertragung des Bösen als Würckung des Guten: sie ist ein Zierd und Beyhülff aller anderen Tugenden / bey welchen sich ein Beschwernuß befindet. Exemplen der hertzhafften oder großmüthigen Thaten findet man unzahlbare so wohl von alten als jetzigen Zeiten /welche sonderheitlich zu erzehlen vil zu weitläuffig wäre. Absonderlich findet die Hertzhafftigkeit und Großmuth in dem Krieg ihren Platz / als wo die tägliche Gefahren und Beschwerden grösser und vilfältiger seynd. Doch am allermeisten ist sie vonnöthen in dem geistlichen Streit wider die unsichtbarliche und wider die einheimische Feind / wider die Sünd und Laster /wider die unordentliche Begierde und Anmuthungen /in Verachtung der eitlen Ehren / Wollüsten und Reichthumen / in Uberwindung seiner selbst in Bezwingung und Bändigung seines widerspennigen Leibs und muthwilligen Fleisches: dann wie gar recht jener Poet singet:


Fortior est qui se, quàm qui fortissima vincit mœnia.

Stärcker ist der selbsten sich /
Als veste Städt bezwinget:
Der seinem Fleisch gibt Streich und Stich /
Billich dem Lob man singet.
Und wiederum wie Claudianus:
– – – Tunc omnia jure tenebis,
Cum poteris Rex esse tui. – – –
All's wird dir unterworffen seyn /
Wann deiner selbst wirst Meister seyn.
Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von der Lungel, Leber und Miltz.

Die Lungel ist ein Werckzeug der Respiration oder des Schnauffens / sie bestehet in einem hautigen schwammichten Wesen / und ist aus vileckigen Bläßlein zusammen gefügt / dardurch der Lufft oder Athem angezogen / und dann wiederum ausgelassen /und das Hertz dardurch abgekühlt wird. 27 Die Lungel umgibet das Hertz / und wird in zwey Flügel / den rechten und lincken / ein jeder Flügel wiederum in zwey Eck abgetheilt. Die Leber aber ist ein hitziges /blutiges / hohles und schlipfferiges Glied: sie ist auswendig gewölbt wie ein Bogen: ihre Substanz ist zart und weich / ihre Farb und Consistenz aber wie ein geronnenes Blut / und ist unterhalb gespalten. Sie ligt an der rechten Seiten gegen dem Magen über / und thut das Blut kochen / purificiren und verdünneren. Das Miltz endlichen ist ein luckes schwammichtes Wesen mit vilen Aderen durchbrochen / deßwegen es auch leicht kan verstopfft werden / woraus Geschwulst / Stechen und andere Zufäll erfolgen: es ligt lincker Hand in dem Leib unter dem Zwerch-Fell /zwischen denen Rippen und dem [271] Magen: es ist langlecht / und bey denen Kinderen rother Farb / bey denen gewachsenen Leuthen aber schwartzlecht. Die Kranckheiten des Miltz seynd inflammatio lienis undpunctura, die Entzündung des Miltz und Seitenstechen. Sonsten besteht das Miltz in vilen Häutlein als wie Pergament / die in besondere Blätlein / wie Immen-Häußlein zusammen gesetzt / und durch vil unterlauffende Zäserlein bevestiget seynd.

Durch die Lungel des Menschen kan füglich die Buß verstanden werden: dann gleichwie die Lungen das Hertz umgibt / und durch Anziehung des Luffts seine Hitz mäßiger und reiniget / also thut die Buß das menschliche Hertz / wann es von dem Feur der bösen Begierlichkeit / der unreinen Lieb oder des Zorns brinnt oder erhitzet ist / abkühlen / die Hitz mäßigen und reinigen / indem sie einen frischen Lufft / das ist / die Gnad des Heil. Geistes an sich ziehet. 28 Ignem ardentem extinguit aqua: das Wasser löschet aus ein brinnendes Feur / und die reumüthige Buß-Zäher löschen die Hitz der Begierlichkeit. Ferners /die Lungel hilfft die Stimm und Red formiren; dann ohne Lungel kunte man weder reden noch schnauffen: auch die Buß macht den Sünder reden / und in dem Beichtstuhl seine Missethaten bekennen. Die Lungel thut den Lufft zur Nothdurfft inner sich behalten / biß daß sie wieder einen frischen schöpffet: und deßwegen kan der Mensch oder ein Thier unter dem Wasser so lang ohne Schnauffen leben / so lang er den geschöpfften Lufft behalten kan. Eben also / so lang die büssende Seel die empfangene Gnad GOttes / und den steiffen Fürsatz nimmermehr zu sündigen bey sich behaltet / so lang kan sie geistlicher Weiß leben in oder unter dem Gewässer der Versuchung / Trübsaal und Verfolgungen dieser Welt. Endlichen / die Lungel stehet niemahl müßig / sondern ist in beständiger Bewegnuß / sie thut sich immerdar auf und zu: Also auch die wahre Buß ist niemahl müßig / sondern allzeit beschäfftiget / theils in dem Lob GOttes / theils in Abbittung und Abbüssung der Sünden etc. gemäß der Ermahnung des weisen Manns / da er sagt: Quidquid potest manus tua, instanter operare: 29 Alles /was dein Hand vermag / das thue stätiglich.

Durch die Leber werden die gerechte vollkommne Männer / und die Prediger beditten: dann gleichwie die Leber das Blut erzeuget / und das reine Geblüt von dem unreinen absönderet / und dem Magen zur Verdäuung verhülfflich ist / also müssen die Prediger und gerechte Männer durch ihre Wort und Exempel das Blut einer guten Lehr für das gemeine Volck auskochen / dieselbige von der unreinen oder von denen Irrthumen unterscheiden und absönderen / auch verdäuen oder verkochen helffen / das ist / wohl zu Gemüth führen / und im Werck erfüllen helffen. 30 Ferners muß die Leber vil Ungemach leyden / sie ist vilen Zuständen unterworffen; dann bald wird sie zu vil erhitzet / bald gehen ihre Pori oder Lufft-Löchlein zu weit auseinander / daß die Wärme zu starck ausdämpffet / und wann sie verkaltet / und kein Blut mehr kochet / da ziehet es gern ein Wassersucht nach sich. Dergleichen Gefahren und Anligen haben auch die Prediger und geistliche Lehrer zu beförchten / vor welchen sie sich fleissig hüten sollen / und Achtung geben / daß sie sich nicht erhitzen durch allzugrossen unzeitigen Eyfer / oder hingegen / daß sie nicht im Geist erkalten durch eine Trägheit / oder aufgeschwellen / daß ihre Pori, ich will sagen die äusserliche 5. Sinn sich nicht zu weit aufthun durch eine sinnliche Ausgelassenheit etc. Wann die Leber starck leydet /da wird der gantze Leib verstellt und verderbt: und wann es an denen Predigern und geistlichen Vorstehern fehlt / da fehlt es auch an dem gantzen sittlichen Leib der Christlichen Gemeind.

Das Miltz bedeutet in sittlichem Verstand die Forcht und Liebe GOttes zugleich: dann das Miltz reiniget das Blut: macht gute Verdäuung und Appetit zum Essen: es bewegt auch den Menschen zum Lachen. 31 Eben [272] also bie Forcht und Liebe GOttes reiniget und erhält das Gewissen von Sünd und Lasteren /sie bringt Lust und Begierd zur geistlichen Speiß der Seelen / zum Wort GOttes / und zur Gerechtigkeit:Beati qui esuriunt & sitiunt justitiam: 32 Seelig seynd die hungeren und dürsten nach der Ge rechtigkeit. Sie macht verdäuen und verkochen einen manchen harten Bissen / das ist / mit Gedult übertragen ein manche Trübsaal und Widerwärtigkeit: und eben darum bewegt sie zum Lachen / das ist / sie bringt eine Freud des Geistes; dann wie ein H. Vatter sagt / wann je eine wahre Freud ist auf der Erden / so besitzet selbige gewiß der Mensch / so eines reinen Gewissens ist: deßwegen auch die Ermahnung des Psalmisten ist: Lætamini in Domino, & exultate Justi: 33 Erfreuet euch im HErrn ihr Gerechte /und seyd frölich.

Es ist zwar der gemeine Wohn / daß / wann man einen jungen Menschen zum Lauffen ziglen wolle /und einen schnellen Läuffer aus ihme machen / da soll man ihm vermittelst der Chyrurgi die Seiten öffnen /und das Miltz herauß schneiden / aufs wenigist etwas darvon nemmen / als welches im Lauffen hinderlich ist / und Schmertzen oder Seitenstechen verursachet. Ob nun deme also oder nicht / das lasse ich denen Herren Medicis und Chyrurgen über und anheim gestellt: einige geduncket es ein Fabel und unmöglich zu seyn: dann / sagen sie / wann einem das Miltz solte herauß geschnitten werden / so wurde er nicht mehr weit lauffen / sondern vilmehr bald sterben; inmassen des Miltz seine grosse und weite Blut-Gefäß so vil Blut ausgiessen wurden / daß man sie nicht mehr stillen kunte: derowegen auch alle Wunden an dem Miltz tödtlich seyen. Deme seye nun wie ihm wolle / so ist doch gewiß / daß / wann man durch das Miltz geistlicher Weiß die zeitliche Güter und Wollüsten verstehen will / dises Miltz dem Lauffen gar hinderlich und schädlich seye: ich verstehe das Lauffen auf dem Weeg der Gebott GOttes / der Tugend und Vollkommenheit: und wem man dises Miltz / oder doch einen guten Theil darvon benimmt / der wird an seiner Seel deßwegen nicht nur keinen Schaden leyden / sondern vilmehr in seinem Lauff zu dem ausgesteckten Zweck der glückseeligen Ewigkeit trefflich wohl beförderet werden.

Der 4. Absatz
Anhang
Anhang
Zu denen menschlichen Gliederen ins gemein.

Obwohlen der menschliche Leib ein sonderbares und verwunderliches Kunststuck des himmlischen Werckmeisters ist: obwohlen die menschliche Glieder so viel unterschiedlich- und fürtreffliche Eigeschafften haben / wie bißhero gemeldet worden / so bleibt es halt gleichwohl darbey / daß wir den kostbaren Schatz der unsterblichen Seel in diesem Leib / als in einem zerbrächlichen irdenen Geschirr / in vasis victilibus, wie der Apostel redet / herum tragen / welches Geschirr gar leicht durch eine Kranckheit gespalten /oder durch den Todt gäntzlich zerbrochen wird / und zu Trümmeren gehet. 51 Der menschliche Leib wird uns angedeutet durch den Wasser-Krug / oder das irdene Geschirr ober dem Bronnen / von welchem der weise Ecclesiastes redet und ermahnet: Memento Creatoris in diebus juventutis tuæ etc. antequam conteratur hydria super fontem, & confringatur rota super cisternam: 52 Gedencke an deinen Schöpffer in deiner Jugend etc. ehe der Eymer an dem Brunnen / und das Rad an der Cistern verbreche. Der gottseelig- und gelehrte Franc. Titelmannus Ord. FF. Min. verstehet gar füglich durch den irdenen Hafen oder Krug den zerbrechlichen menschlichen Leib / welcher / als ein Topff oder Hafen / von GOtt durch die Scheiben seiner Allmacht aus dem Leim der Erden / das Wasser des Lebens / das ist / die menschliche Seel aufzufangen / und zu behalten ist gemacht worden: welcher gleichwohl zu seiner Zeit wiederum in die Materi / in Koth und Erden / aus welcher er ist genommen worden / solte verkehrt / und mithin der Krug oder das irdene Geschirr / das ist / der menschliche Cörper zerstossen und zertrümmeret werden: und zwar bey dem Bronnen / dann / wie der Author Catenæ Græcæ bey P. Benig. Kibler glossiret / ut hydria ad fontem fractâ aquâ rursus fontem recurrit, sic solutum corpus in terram revertitur, Opisici rerum omnium paratum, ut formetur: Gleichwie das Wasser / wann der Schöpff-Krug bey dem Bronnen verbrochen wird / wiederum in den Bronnen hinab laufft / also der Leib / wann er in die 4. Elementen /aus welchen er zusammen [278] gefügt ist / resolvirt oder aufgelößt wird / da kehrt er wiederum in die Erden /und wartet auf den allgemeinen Schöpffer / biß er ihne an dem Jüngsten Tag wieder reformire und erneuere. Das Wasser aber der unsterblichen Seel gehet nicht zu Grund / wann schon der irdene Krug des Leibs zerbricht / sondern dieses Wasser / die menschliche Seel gehet wiederum zuruck in den Bronnen /oder vilmehr in den Abgrund / aus welchem sie ist geschöpfft worden / das ist / in GOTT / wie abermahl Salomon bezeuget / indem er sagte: Der Staub kehre wiederum zu seiner Erden / darvon er ware / und der Geist zu GOTT / der ihn gegeben / und dem Leib mitgetheilt hat. 53 Der Krug zwar muß leiden /er gehet zu Trümmeren / und bleibt gleichwohl bey dem Bronnen ligen: inmassen auch der Leib nicht völlig verschwindet / oder zernichtet wird / sondern / wie gemeldet / nur aufgelößt und zertrümmeret / die Trümmer aber werden an der allgemeinen Auferstehung wieder zusammen gefügt und ergäntzet.

Es erinneret uns da auch der weise Mann / wie das Rädlein des menschlichen Lebens allgemach ablauffe / indem der Mensch von einer Schwach- oder Kranckheit in die andere verfalle / biß daß er endlich gar zu Boden ligt / er durchgehet und lustriert die meiste Theil oder Glieder des menschlichen Leibs / als wie hernach der seelige Alcuinus, oder wie Albinus gethan / indem er folgende Frag- und Antworten von sich hat vernemmen lassen. Was ist / sagt er / das Haupt des Menschen? Es ist der Spitz und Gipffel des Leibs: Was ist der Leib? Ein Herberg / ein Behausung der Seelen: Was seynd die Haar? ein Zierd und Kleid des Haupts: Was das Hirn? ein Behaltnuß und Rüst-Kammer der Gedächtnuß: Was die Augen? Wächter und Wegweiser des Leibs / ein Gefäß des Liechts /und Zeiger der Anmuthung: Was die Nasen-Löcher? Windfang und Läden des Geruchs: Was die Ohren? Richter über die Music und Stimmen: Was die Stirn? ein Sitz der Schamhafftigkeit und Abbildung des Gemüths: Was der Mund? Ein Dollmetsch der Gedancken / und Zufuhr der Lebens-Mittel: Was die Zähn und Leffzen? eine Mühle / Balisaten und Bollwerck der inneren Vestung des Leibs: Was die Händ und Füß? Tagwercker und Botten des Menschen: Was die Finger? Instrument oder Werckzeug gar unterschiedlicher Verrichtungen: Was die Lungel? ein Blaß-Balck und Abkühlung des Hertzens? Was die Leber? ein Schatz-Kammer des Bluts und der Wärme: Was das Hertz? ein Brunnquell und Aufenthalt des Lebens? Was der Magen? ein Speiß-Gewölb und Proviant-Hauß: Was die Gall? ein Lermenblaser und Waffentrager des Zorns: Was die Füß? Säul und Grundveste des Leibs: Was die Aderen? Gräben und Canäl des Geblüts: Was das Blut? ein Speiß der Glieder / und ein Oel des Lebens: Was endlichen der gantze Leib?Hydria supra fontem, wie schon gemeldet worden /ein irdener Krug / Topff oder Hafen: und wann man recht hinein schauet biß auf den Grund oder Boden /ich will sagen / biß auf das End / da heißt es: Mors in olla! Der Todt ist im Hafen! aller Menschen Ende. 54

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.

Oder

Discurs von der Gleichheit und Ubereinsstimmung der groß- und kleinen Welt.

Es pflegen zwar vil Menschen (absonderlich reich-und adeliche) vil Zeit / Mühe und Kösten anzuwenden / einen grossen Theil der Welt zu durchwanderen / vil merckwürdige Ding zu sehen und zu erfahren / bedencken aber nicht den Spruch des Poeten:


Orbis quisque sibi, ne te quæsieris extra. 55

Ein kleine Welt du selber bist /
Anders Suchen unnütz ist.

[279] Die so wohl gröste als nutzlichiste Erfahrenheit ist /nosse se ipsum, sich selber kennen. Ja vil in der grossen Welt herum vagiren / und die kleine Welt / verstehe sich selber / ausser Acht lassen / und vernachläßigen / ist eben so vil / als um ein fremdes Haußwesen sich annemmen und besorgen / sein eignes aber verabsaumen.

Wann die berühmte 7. Welt-Wunder annoch in dem Stand oder unversehrt wären / da wurde wohl ein mancher vil Land und Meer durchreisen / selbe zu besichtigen und zu bewunderen / indeme doch der menschliche Leib in seiner Structur und Beschaffenheit ein vil grösseres Wunder / und ein solches Kunst-Gebäu ist / welches alle andere gar weit übertrifft /und von keinem anderen Verstand hat können angegeben / noch von einer anderen Hand verfertiget werden / als von der unendlichen Weißheit und Allmacht GOttes selber.

Aber es ist eine dem Menschen schier allgemeine und angebohrne Untugend / daß er sich nirgends unlieber / als bey ihm selber aufhaltet / und in einem gewaltsamen Stand zu seyn vermeinet / wann er nicht ausser sich selbsten umzuschweiffen gelassen wird. Ich getrauete es mir nicht zu sagen / wann es nicht längst vor mir der weltweise Diogenes gesagt hätte /daß absonderlich dreyerley Menschen thorrecht handlen / nemlich die Geschichtschreiber / die Musicanten und Astrologi: Die erste zwar / sagt Diogenes, weilen sie vil Länder und Völcker / vil und merckwürdige Geschicht und Thaten beschreiben und erzehlen / inzwischen aber nicht wissen / was in ihrem eignen Hauß / von ihren eignen Leuthen geschieht. Die zweyte aber / weilen sie in der Music die Harmoni oder Ubereinsstimmung der Stimmen und Instrumenten so genau haben wollen / und indessen auf die grosse Dissonanz oder Zuwiderlauffung ihrer Affecten und Gemühts-Regungen kein Achtung geben. Die dritte endlichen / weil sie mit ihren Augen und Gedancken immerdar in der Höhe bey dem Himmels-Gestirn sich aufhalten / und hingegen die Schönheit der Tugend /dero Zierd und Glantz alle Sternen weit übertrifft / so wenig betrachten.

Es verwunderen sich die Menschen / spricht der H.Augustinus, über die Höhe der Bergen / über die Tieffe des Meers / den Lauff der Sternen etc. da sie doch vil mehr über sich selber zu verwunderen Ursach hätten / und ihnen vil nutzlicher wäre / sich selbst recht kennen / als die Wissenschafft von dem Himmels-Gestirn / von der Würckung der Kräuter / von der Natur und Eigenschafften der Thieren etc. zu haben. 56 Dessentwegen / als der weltweise Dæmonax einstens befragt wurde / wann er angefangen habe weiß zu werden / gab er zur Antwort: Tunc, cùm me ipsum cognoscere cœpi: Alsdann / da ich gelernt hab mich selbsten zu kennen. Diesem stimmet Plato bey /indem er sagt / daß niemand klug / tugendlich / oder glückseelig seyn könne / der sich selber nicht recht kennet.

Ja wie der H. Basilius anmercket / so ist die Erkanntnuß seiner selbst der gerade Weeg zu der Erkanntnuß GOttes; dieweilen der Mensch / indem er sich als ein zierliche kleine Welt / oder einen kurtzen Begriff aller Creaturen betrachtet / veranlasset wird /auch zugleich die Allmacht und Weißheit des Schöpffers zu betrachten: und also wird der Wunsch und Affect des H. Augustini erfüllet / mit welchem er zu GOTT geseufftzet hat: Noverim me, noverim te! 57 O daß ich mich und dich recht kenne! Dann auf solche Weiß wird der Mensch gleichsam allwissend / ohne daß er nöthig habe in einem anderen Buch / als in seiner eignen Beschaffenheit zu studiren: er selbsten ist ihm die Lehr-Schul / der Lehrmeister und Lehr-Jünger zugleich.

Die Poeten dichten / es seyen einstens aus Befehl der Göttin Minervæ alle Wissenschafften zusammen kommen / zu dem Ende / daß sie erforschen und entscheiden sollen / was der Mensch seye / oder mit wem er möge verglichen werden? 58 Sie waren aber unterschiedlicher Meinungen. Die Dialectica fienge an /und sagte: Homo est breve Enthymema, pro antecedente habens [280] ortum, pro consequente interitum: Der Mensch seye ein kurtze Schluß-Red / der Anfang ist das Aufgehen / und der Schluß das Untergehen. DieAstrologia oder Stern-Kunst widersetzte: Homo est quasi Luna mutabilis, quia nunquam in eodem statu permanet, sed semper tendit ad interitum: Der Mensch ist ein veränderlicher Mond / weilen er niemahl in einem Stand verbleibt / sondern allzeit zu dem Abnemmen zihlet. Die Physica definirte den Menschen: Animal rationale mortale: Ein vernünfftig und sterbliches Thier. Die Mathematic behauptete:Homo est veluti figura sphærica, ab eodem quo incipit puncto, in idem terminatur: Er seye gleichsam ein runde Kugel / die sich eben in dem Pünctlein endiget /in dem sie anfangt: aus der Erden kommt der Mensch herfür / und in die Erden wird er wiederum verwandlet. Die Rhetoric wolte haben: Homo est oratio, cujus exordium est nasci, narratio pati & dolere, confirmatio conqueri, & epilogus mori: Der Mensch seye ein Oration, oder Red-Verfassung / dero Exordium oder Eingang ist gebohren werden und Weinen /die Narratio oder zweyter Theil ist Leyden / die Confirmation, der dritte Theil ist Klagen / und der Epilogus oder Schluß das Sterben. Die Figuren aber oder Redens-Arten in dieser Oration seyen die unterschiedliche Affect oder Gemüths-Regungen des Menschen. Die Grammatic aber tadlete den Menschen /daß er den Todt so gar nicht decliniren könne / und die Erdẽ mit dem Himmel / die Zeit mit der Ewigkeit zu conjungiren. Der Syntax hingegen sagte / der jenige Mensch mache ein gute und zierliche Construction, der unsträfflich lebet / und keinen Bock machet wider die gute Sitten / auch keinen Fehler begehet wider die Reglen des Gewissens. Die Poësis endlichen hielte darfür / der Mensch seye ein Vers / dessen so genannte Füß oder lauffende Sylben seine Werck /die letzte Sylben aber der Todt und das Metrum, das ist / die auf- oder absteigende Maaß dieser Versen /der Menschen / seye das gute oder böse Gewissen.

Ich lasse diese Meinungen alle in ihrem Werth verbleiben: sage aber anbey / daß der Mensch füglich ein allgemeines Buch könne benahmset werden / liber de rebus omnibus, ein Buch / welches von allen Sachen handlet / und gleichsam ein kurtze Abschrifft derselben in sich begreifft. 59 Da in diesem Buch / den Menschen verstehe ich / kan man deutlich ablesen / ja einiger massen entworffen sehen die Beschaffenheit des Himmels und der Erden / der Sternen und Elementen / der Meer und Flüssen / der Thier und Gewächsen etc. ja des Erschaffers aller Dingen selber /als dessen der Mensch ein Ebenbild ist.

Vil rahre Kunststuck seynd zu unterschiedlichen Zeiten erfunden / gerühmt und bewunderet worden /weilen sie an sich selber überaus klein waren / und doch grosse Ding gar deutlich und zierlich vorgestellt haben.

Der König Pyrrhus solle einen Finger-Ring gehabt haben mit einem Achat-Stein versetzt / in welchem (und dieses zwar von der Natur) der Apollo samt allen 9. Musis deutlich entworffen zu sehen ware. 60 Dergleichen erzehlet auch Galenus gesehen zu haben /nemlich einen Edelgestein in einem Finger-Ring / auf welchem Steinlein der Phaeton mit seinem Sonnen- Wagen und 4. Pferdten also künstlich eingeschnitten ware / daß man die 16. Pferdt, Füß und Schienbein /ja auch die Zäum und Mäuler der Pferdten deutlich sehen und unterscheiden kunte. Als der kunstreicheProtogenes ein so zarte Linie gezogen hatte / daß man vermeinte / sie kunte unmöglich zärter seyn / da hat der weltberühmte Mahler Apelles auf dieselbe hin / mit einer anderen Farb / ein noch zärtere gezogen /die auch von dem schärpffisten Aug kaum hat mögen gesehen werden.

Aber nicht nur vor gar alten / sondern auch letzteren Zeiten / seynd dergleichen so klein- als rahre Kunststuck verfertiget worden. In dem vorigen Sæculo hat ein Künstler / aus dem Schweitzerland gebürtig / zu Lugdun [281] in Franckreich / König Ludovico dem XIII. ein Gutschen mit 4. Pferdten bespannt offerirt /also klein und subtil gemacht / das das gantze Wercklein nicht grösser als ein Finger-Nagel ware. Noch mehr hat dißfalls gethan ein kunstreicher Drechsler in Schwaben / Oswald Nerlinger mit Nahmen / dieser /wie in Erasmi Francisci Indisch- und Sinefischen Lust-Garten fol. 1350. zu lesen ist / hat aus einem Pfeffer-Körnlein einen Pocal oder Becherlein mit einem Fuß und Deckelein von Gold also künstlich ausgedrechslet / daß er noch sehr vil andere kleinste und subtiliste Becherlein / aus Gold gemacht / darein hat legen können. Dieses Kunststücklein solle in der Chur-Bayrischen Kunst-Kammer aufbehalten worden seyn. Etwas noch verwunderlicheres von einem anderen ausgehöhlten Pfeffer-Körnlein / und etlich / ja mehr 100. Becherlein von Helffenbein / wird in ermeldtem Buch fol. 1349. erzehlt / welches ich / weilen es unglaublich zu seyn scheinet / nicht habe hieher übersetzen mögen / ob wohl loc. cit. dessen bewährte Zeugen adducirt worden. Ferners schreibet Adrianus Junius, daß er einen Kirschen-Stein / der in Gestalt eines Körbleins ausgedrechslet ware / gesehen habe /in welchem 15. Paar Würffelein / mit ihren Augen oder Puncten deutlich verzeichnet / lagen. Es soll auch vor Zeiten ein gewisser Kayser in seinem Finger-Ring an statt des gewöhnlichen Edelgesteins ein überaus kleines / doch vollkommnes Uhrlein gehabt haben / welches an statt des Schlagens alle Stund ihne ein wenig in den Finger zu stupffen pflegte. Capocius Senensis aber / wie ich lise / hat das gantze Leyden Christi zierlich auf seinen Finger-Näglen abgebildet gehabt. Deßgleichen Franciscus, ein Alumnus zu Rom / hat das gantze Evangelium Joannis, samt dem Apostolischen Glauben / auf ein Plätzlein / welches nicht grösser als ein Groschen ware / geschrieben / zu grosser Verwunderung Clementis VII. und Caroli des V. Also wahr ist es / was Seneca gesprochen hat:Magni artificis est totum clausisse in exiguo: Grosse Künstler vermögen grosse Ding in kleine Sachen einzuschliessen.

Dieses aber hat vor allen auf ein höchste vollkommne Weiß der himmlische Werckmeister / der allmächtige GOTT gethan / totum clausit in exiguo, in Erschaffung des Menschen / in welchem er als einemMicro-Cosmo, oder kleinen Welt / den Macro-Cosmum, oder die grosse Welt / das ist / alle Geschöpff gleichsam eingeschlossen / und einiger massen vorgebildet hat.

Dann zu geschweigen / daß der Mensch mit allen Creaturen etwas Gemeinschafftliches hat / nemlich mit den leblosen Dingen die Weesenheit / mit den Kräuteren und Pflantzen das Wachsen / mit denen Thieren die Empfindlichkeit / und mit den Englen den Verstand: auch zu geschweigen / daß die menschliche Seel in vilem den Englen gleichet / die 5. äusserliche und 4. innerliche Sinn des Menschen aber durch ihre Würckungen die 9. Chör der Englen mit ihren geistliche Verrichtungen einiger massen vorstellen: So kan der menschliche Leib / als wie das grosse Welt-Gebäu (so Himmel und Erden in sich begreiffet) in 3. Haupt-Theil abgetheilt werden. 61 Dises zwar in die Elementarische Welt / oder die 4. Elementen / samt allem /was darinnen ist wird abgetheilt/ und wo die Generation und Corruption der cörperlichen Dingen geschieht: in den gestirnten Himmel / und in den feurigen oder obristen Himmel. Der Mensch aber in die Theil / die sich unter dem Hertzen / und in die / so sich ober dem Hertzen befinden / und in das Haupt: und gleichwie GOTT zwar überall sich gegenwärtig befindet / doch absonderlich in dem Himmel sein Glori und Herrlichkeit erscheinen läßt / also thut sich die menschliche Seel durch den gantzen Leib zwar ausgiessen / doch aber laßt sie sich absonderlich in dem Haupt verspühren.

Ferners / die Sonn erleuchtet mit ihren Strahlen all andere cörperliche Ding / die sich unter ihr befinden /benantlich den Mond etc. und der Verstand erleuchtet die andere Kräfften [282] der Seelen / fürnemlich den menschlischen Willen etc.

Aber jetzund auf die Elementen zu kommen / so ist es ein berühmte Frag bey denen Philosophen / wie sich die 4. Elementen in dem Menschen befinden? 62 Die gemeine Antwort hierauf ist / daß dieselbe sich in dem menschlichen Leib und anderen cörperlichen Dingen sich nicht eigentlich in ihrer Weesenheit /sondern nur in so weit befinden / weilen diese von derselben fürnehmsten Eigenschafften etwas participiren und in sich haben / nemlich etwas von der Wärme des Feurs / etwas von der Feuchtigkeit des Luffts / von der Kälte des Wassers / und von der Trückne der Erden. Doch kan man füglich sagen / daß nicht nur etwas von der Wärme des Feurs / sondern auch ein feurige Qualität / oder etwas feuriges selber in dem Leib des Menschen / und zwar absonderlich in den Augen sich befinde / welches aus dem erhellet /daß / so man in der Finstere sich ein wenig auf die Augen-Lider schlägt / gleichsam feurige Funcken herfür springen. Deßgleichen geschieht es zu Zeiten / daß / wann einer bey finsterer Nacht gähling erwachet /seine Augen ein kleine Weil lang mit einem feurigen Glantz erleuchtet werden. Ja auch nach gemeiner Redens-Art pflegen wir öffters von einem hitzigen oder entzündeten Menschen zu sagen / er habe feurige Augen.

Solche feurige Augen solle Octavius Augustus gehabt haben / welcher / wann er einen starck hat angeschaut / da hat er ihn gezwungen die Augen zu unterschlagen / oder das Gesicht abzuwenden / als wie vor der Sonnen. 63 Deßgleichen Albertus, ein Hertzog aus Oesterreich / hatte dermassen glantzende und strahlende Augen / daß er einen Kayserlichen Abgesandten durch einen starcken Anblick also verblendet und verwirrt gemacht hat / daß er ihm an statt des Kayserlichen Schreibens seine Handschuh / unwissend / was er thue / dargereicht hat. Von dem grossen Alexander, und von dem König Attila wird geschrieben / daß man zur Zeit / als sie in einem hefftigen Streit hitzig gefochten haben / da habe man von ihren Augen Feur-Funcken / oder hitzige Strahl sehen ausgehen. Eben dergleichen ist auch etwelchen Heiligen vor lauter Eyfer und inbrünstiger Andacht / wie man von ihnen liset / geschehen.

Dergleichen feurige Augen hat nach Meinung S. Hieronymi auch Christus in dem Tempel zu Jerusalem gemacht / da er mit solchem Ernst die Käuffer und Verkäuffer von selbem hat hinauß getriben. Igneum quiddam arque sidereum ex oculis ejus relucebat: 64 Etwas Feuriges / sagte er / etwas Himmlisches / und voll der Göttlichen Majestät schiene ihm zu den Augen herauß.

Aber wann der Anblick Christi annoch in seinem sterblichen Leben also feurig und erschröcklich gewesen ist / was wird es seyn / wann er zu End der Welt als ein strenger Richter in seiner Glori und Herrlichkeit erscheinen wird? Lasset uns bitten / daß er uns zuvor mit dem Feur seiner Liebe entzünde / auf daß wir das Feur seines Zorns nicht zu förchten haben.

Nach diesem sittlichen Feur der Liebe GOttes hat der H. Augustinus geseufftzet / sprechend: O Feur /welches allzeit brinnet / und niemahl erlöschet / entzünde mich! O Liecht / das allzeit leuchtet / und nie verduncklet wird / erleuchte mich! etc. 65 Nach diesem Feur / ich will sagen / nach GOtt sollen wir auch mit den Worten jenes Poeten verlangen / und von Hertzen sprechen:


O utinam
Intus agant flammæ, sic liquar ab ignibus intus,
Linquitur ut lento pinea teda foco!
O utinam mea vita! animam liquamur in unam,
Unáque vita duos jungat, amórque duos!
O daß ich gantz entzündet wär /
wie ein Feur-Fackel brennte!
(Ohn dich mir fallt das Leben schwer)
Und mit dir eins seyn könte.

Jetzund von dem Feur auf den Lufft zu kommen /der sich subtil in der Höhe [283] ausbreitet / bald in Wolcken zusammen geht / bald die aufsteigende Dämpff und Feuchtigkeiten / durch Regen oder Wasser-Güsse wiederum herab giebt / und den Erdboden fruchtbar machet / auch den Thieren und Menschen zum Athmen / den Vöglen zum Fliegen dienet etc. so wird derselbe / wie schon oben gemeldet worden / in 3. Regiones, die oberste / mittlere und unterste abgetheilt. 66

In der obersten befinden sich vil leichte / warm-und truckne Dämpff / aus welchen unterschitdlicheMeteora oder Lufft-Gesichter formirt werden. Die mittlere ist schon um vil kälter / weilen nemlich die Sonnen-Strahlen von der Erden sich nicht biß dahinreflectiren können. Und in dieser werden die Regen und Schnee / Donner und Hagel gezeuget. Die unterste und dem Erdboden nächste / ist uns sattsam bekannt / als in welcher Thier und Menschen sich befinden.

Auch in unserem Micro-Cosmo oder menschlichen Cörper gibt es etwas / so diesem Element / dem Lufft nemlichen gleichet / das Athmen oder Schnauffen beförderet / und durch seine Bewegung die Hitz des Hertzens abkühlet: und dieses ist ein leichtes / dünnes und lüfftiges Weesen in dem Menschen / ohne welches er nicht lang leben kunte / sondern nothwendig ersticken müßte / wie mit mehrerem die Herren Medici beweisen.

Ferners / gleichwie von den aufsteigenden Dämpffen der Himmel verfinsteret oder überzogen wird /Wind und Donner-Wetter entstehen / und unterschiedliche seltzame Aspect und Meteora oder Lufft-Gesichter sich præsentiren / also pflegt es auch bey dem Menschen herzugehen / daß / wann schädliche Dämpff in den Kopff aufsteigen / die den Verstand verduncklen / oder das Hirn verwirren / da giebt es wunderseltzame Einbildungen und Irrwohn ab / wie es bey Aberwitzigen / Wohnsichtigen / Schwermüthigen / auch Räuschigen / und denen / die sich hintersinnen / offt klärlich erscheinet. 67 Also ist es jenem ergangen / der ihm kräfftig einbildete / er habe gantz gläserne Füß / dessentwegen er auch schier nur immer sitzen oder ligen wolte / gar ungern stunde / und sorgsam daher gienge / damit er nemlich seine gläserne Füß nicht anstosse und verbreche.

Ein anderer glaubte kräfftiglich / er habe ein so wunder-lange Nasen / die sich gantze Ellen weit / als wie ein Elephanten-Schnirgel hinauß strecke: er wolte ihm auch diese Meinung nicht nemmen lassen / biß daß ein kluger Artzt geschicklich und behänd ein lange Bratwurst an seine Nasen angezetlet oder angehenckt hat / selbe Wurst alsdann abgeschnitten / ihme / als wäre es ein Stück von seiner langen Nasen / vorgewiesen hat / und ihm also die närrische Einbildung benommen.

Wiederum ein anderer / ein reich- und adelicher Jüngling kehrete auf seiner Reiß in einem Wirthshauß ein / er wurde von dem Wirth wohl tractirt und gehalten: als er aber zur nächtlichen Ruhe sich begeben /und eingeschlaffen hatte / da käme den Haußwirth ein grosser Lust an / die guldene Ketten / so der Jüngling bey Tag am Halß zu tragen / und zu Nacht abzulegen pflegte / zu abbreviren / und einen Extract darvon für sich zu behalten. Er hat auch den Lust gebüßt / und die Anfechtung in so weit überwunden / daß er zimmlich vil Gelaich oder guldene Ringlein von der Kette hat abgelößt und eingeschoben / die übrige aber fein ordentlich wiederum zusammen gemacht und hingelegt. Als nun am Morgen der Gast aufgestanden / sich angekleidet hatte / und nach seiner Gewohnheit die guldene Kette wiederum an den Halß legen wolte / da kunte er sie nicht mehr über den Kopff streiffen / sie war ihm vil zu eng. Er verwunderte sich darüber / und ruffte den Haußwirth herbey: diser / so bald er ankommen / schrye überlaut auf: O wie ist dem Herrn heute Nacht der Kopff so greulich aufgeschwollen / es ist kein Wunder / daß er die Kette nicht mehr an den Halß bringen kan: und in dieser Meinung ihne zu steiffen / bringt er eilends einen falschen Spiegel / der ein Ding vil grösser vorstellte / als es an ihm selbsten[284] ware / herbey / in welchem / als sich der frembde Jüngling besichtiget / ist er gewaltig erschrocken / eilends wiederum zuruck nacher Hauß gereißt / und den Seinigen wehemüthig geklagt / wie ihm der Kopff so groß worden / und greulich aufgeschwollen seye: welche Einbildung er ihme auch lange Zeit durchaus nicht hat wollen nemmen lassen. Ein anderer hingegen wolte hartnäckig behaupten / er habe gar keinen Kopff mehr: und dieses so lang / biß daß man ihme einen schweren bleyenen Hut hat aufgesetzt / der ihn gewaltig gedruckt / und gezwungen hat zu bekennen /der Kopff thue ihm weh. Ja es ist auch vor nicht vil Jahren in Brabant einer gefunden worden / der ihm eingebildet hat / er seye GOtt der Sohn / und wolte es ihm nicht nemmen lassen / es kunte mit ihm niemand was richten / biß endlich der Medicus sich für GOtt den Vatter ausgegeben hat / diesem hat er gleichwohl geglaubt und gefolget.

Hefftig und verwunderlich ist gewesen die Einbildung des jenigen / von welchem Horatius schreibet:


Qui se credebat miros audire tragœdos,
In vacuo lætus sessor, plausórque theatro.
Daß er schöne Schauspihl sehe /
Bild'te er ihm kräfftig ein /
Und hat glaubt / daß all's hergehe
(Auf lärem Schauplatz) gar fein.

Er hat ihm vestiglich emgebildet / er wohne würcklich einer gantzen Comödi bey / er sehe und höre unterschiedliche Aufzüg und Vorstellungen / Musicanten und Actores, Singen und Sprechen / da er doch gantz alleinig in seinem Zimmer sasse. O wohl hefftig- und närrische Einbildungen!

Aber wolte GOTT! daß es nicht auch in sittlichem Verstand unzahlbar vil solche einbilderische / wohnsichtige / aberwitzige Menschen gäbe / deren einige ihnen einbilden / sie haben gläserne / das ist / gar schwach- und zerbrechliche Händ und Füß / deßwegen sie nichts recht angreiffen / sich zu keiner Mühe und Arbeit schicken wollen / gleich beförchtend / es thüe ihnen an dem Leben oder Gesundheit Schaden etc. 68

Andere haben eine so langmächtige Nasen / und seynd so nasenwitzig / daß sie die Nasen in alles stecken / das ist / sich um alles annemmen / alles wissen und verstehen wollen.

Wiederum andere haben einen so groß-geschwollenen / das ist / von Hoch- und Ubermuth aufgeblasenen Kopff / als wann alle Witz und Künsten darinnen stecketen / da er doch nur mit Stroh ausgefüllet ist. Hingegen wollen etliche gar kein Haupt / das ist /kein Oberhaupt haben und erkennen / sondern gantz frey und independent leben. Sie wollen mit dem David nicht sagen und bekennen: Inmposuisti homines supra capita nostra: 69 Du hast Menschen gesetzt über unsere Häupter.

Noch andere spihlen in ihrem eitlen Hirn und Einbildungen weiß nicht was für seltzame Comödien: es traumet ihnen mit offnen Augen / bald als sie großmächtige gebietende Herren wären / schon würcklich Befehl ertheilten und Gesetz gäben / oder in dem Feld grosse Helden-Thaten verrichten / oder wegen grosser Tugend und Vollkommenheit würcklich einen Schein um den Kopff häten / da sie doch an Tugend / Verdienst und Wissenschafft gantz lär / arm und elend seynd.

Noch mehr gibt es / die mit den sittlichen Augen ihres verkehrten Verstands alles hinterfür / und gantz anderst / als es an ihm selber ist / ansehen und urthei len: die eitle und zergängliche Wollüsten / Reichthum und Ehren schätzen sie hoch / hingegen die ewige /himmlische Freuden und Güter verachten sie: das Laster sehen sie für schön / und die Tugend für häßlich an etc. Mit einem Wort: sie heissen das Böse gut /und das Gute böß. 70 Aber gleichwie ein verständiger Mann wohl weiß / daß die Meteora oder Lufft-Gesichter ein läres eitles Weesen seynd / das keinen Bestand hat / sic scit Deus cogitationes hominum, quoniam vanæ sunt, 71 also weiß GOTT [285] die Gedancken und Anschläg der Menschen / der Menschen /daß sie eitel seynd etc.

Von dem Element des Luffts und denen Meteoren oder Lufft-Gesichteren auf die Wind zu kommen / so ist bekannt / wie starck und hefftig dieselbe seyen /und wie grosse Unruhe und Ungelegenheit sie offt in der Welt zu Wasser und zu Land verursachen. 72 Auch in dem Micro-Cosmo oder kleinen Welt / nemlich dem menschlichen Leib machen die Wind vil Ungelegenheit / sie verursachen unterschiedliche Zuständ / Kranckheiten und Schmertzen: aber noch mehr Unruhe machen die sittliche Wind in dem Gemüth des Menschen.

Von Plinio werden zwölfferley Gattungen der Winden gezehlt: nemlichen der Subsolanus, Vulturanus, Euronotus, Auster, Libanotus, Africus, Favonius, Eurus, Trasceus, Septentrionalis, Æquilonaris, Celius. Eben so vil hefftige Anmuthungen oder Gemüths-Regungen gibt es in dem Gemüth des Menschen / die das Schifflein der menschlichen Seel auf dem ungestümmen Meer des zeitlichen Lebens hefftig und unaufhörlich herum treiben. Es ist die Liebe / die Begierd / der Haß / der Greuel oder das Abscheuen /die Freud oder die Belustigung / die Traurigkeit / die Hoffnung / die Verzweifflung / die Frechheit / die Forcht / der Zorn / und die Trägheit. Die Liebe reitzet den Menschen an / der Haß hingegen macht ihn abwendig / die Begierd suspendirt / macht Warthen /das Grausen verabscheuet / der Wollust erweichet /die Traurigkeit betrübt und schmertzet / die Hoffnung tröstet und animirt / die Verzweifflung macht rasend und verwirrt / die Frechheit macht gäh und verwegen /die Forcht macht verzagt und entkräfftet / der Zorn entzündet / die Trägheit verweilet und verabsaumet. O wohl hefftig- und gefährliche Wind! bey welchen das Schifflein der menschlichen Seel nothwendig müßte zu Grund gehen / wann nicht die Göttliche Gnad in den Segel blasete / und die gesunde Vernunfft und Wachtsamkeit des Menschen das Steuer-Ruder führete.

Nichts destoweniger / gleichwie die hefftige Wind den Schiffenden zu Nutz und Gutem kommen / und selbe an das erwünschte Gestatt schleunig forttreiben / wann sie sich derselben recht zu bedienen wissen /also auch die starcke Passiones oder Anmuthungen dienen dem Menschen zu seinem rechten Zihl und End / wann er selbige zu moderiren weiß.

Auch die Gerechte / sagt der Heil. Augustinus, zörnen / aber ohne Bitterkeit / sie lieben / aber ohne Unlauterkeit / sie hoffen und trauen / aber ohne Vermessenheit etc.

Ferners von den übrigen zwey Elementen / nemlich dem Wasser und der Erden zu melden / weche zusammen den Globum terr-aqueum ausmachen / so ist von selbsten klar / wie sich diese wahrhafftig in unseremMicro-Cosmo oder menschlichen Leib befinden / inmassen ja GOTT selber bald nach Erschaffung des Menschens gesprochen hat: Du bist von der Erden genommen worden / und wirst wiederum darein verkehrt werden. 73 Das Wasser begunte sich auch gleich zu zeigen / indem die kleine Kinder bald nach ihrer Geburt / und forthin zum öffteren das Elend dieses zeitlichen Lebens / mit Vergiessung häuffiger Zäher beweinen.

Neben dem / daß auch von den Herren Medicis die flüßige Humores in dem menschlichen Leib mit den Wässeren / die den Erdboden durchschneiden / verglichen werden. Die Gebein aber seynd gleichsam die Stein und Felsen / die Aderen die Bäch und Flüß / die Nerven seynd die Wurtzlen / das Haar aber das Gras etc.

Auch die 4. Jahrs-Zeiten / so in der grossen Welt miteinander wechslen / werden auch in der kleinen Welt durch die 4. Alter des menschlichen Lebens füglich vorgestellt: der blühende Frühling zwar durch die Kindheit / der hitzige Sommer durch die Jugend / der fruchtbare Herbst durch das mannliche Alter / und der [286] kalte Winter durch das hohe Alter. 74 Eben dieses kan auch von denen 4. Tags-Zeiten gesagt werden / nemlich von dem Morgen / dem Mittag / dem Abend / und der Nacht. Am allermeisten aber gleichet die Veränderlichkeit der Zeiten und des Wetters in der Welt der grossen Unbeständigkeit in dem Menschen / als welcher nie lang in einem Stand / oder einerley Beschaffenheit verbleibet. 75

Was aber die unvernünfftige Thier / so in der grossen Welt herum lauffen / anbelangt / so thut auch diese der Mensch / als eine kleine Welt / offtermahl in seinen Sitten und Gebärden nur gar zu lebhafft vorstellen. 76 Bald zeigt er sich als wie ein grimmiger Löw und zorniger Beer / bald wie ein reisender und gefräßiger Wolff / bald wie ein falscher Fuchs / ein forchtsamer Haas / ein neidiger Hund / bald wie ein hoffärtiges Pferdt / ein fauler Esel / ein geiler Bock /ein unflätiges Schwein / ein gifftig- und bißige Schlang / bald schwingt er sich durch Ubermuth in die Höhe als wie ein Vogel / bald versenckt er sich durch den Wollust in die Tieffe als wie ein Fisch etc.

Diodorus Siculus narrat. l. 3. erzehlet / daß in einer gewissen Insul / gegen Aufgang gelegen / ein Volck sich befinde / welches von Natur ein Zungen habe / die von der Wurtzel aus zertheilt oder gespalten ist / und also geschliffen / daß sie allerley Vogel-Gesang und Geschrey gantz natürlich nachmachen können. Ich lise auch von einem / der zu Antwerpen solle gewesen seyn / und mit seinem Mund aller Thieren Stimm habe imitiren oder nachmachen können /also daß er weder zum Jagen einen Hund / noch zum Vögel-fangen einen Lock-Vogel brauchte / sondern selbst singen / pfeiffen und bellen kunte.

Von den oben gemeldten viehischen Sitten ist der Spruch des Psalmisten zu verstehen / als er gesagt hat: Homo, cùm in honore esset, non intellexit, sed comparatus est jumentis insipientibus, & similis factus est illis: 77 Der Mensch / da er in Ehren war /hat er es nicht verstanden: er hat sich gehalten wie die unvernünfftige Thier / und ist ihnen gleich worden. Dieses ist dem Buchstaben nach erfüllt worden an dem hochmüthigen König Nabuchodonosor /welchen GOTT wegen seiner Hoffart gestraffet / und in einen Ochsen (verstehe der äusserlichen Gestalt nach) verwandlet hat / also / daß er 7. Jahr lang von der menschlichen Beywohnung ausgeschlossen / unter den unvernünfftigen Thieren umgangen ist / und Gras gefressen hat als wie ein Ochs. 78 Sein Leib war vom Thau des Himmels benetzt / und das Haar wuchse ihm endlich wie Adlers-Federen / und seine Nägel wurden gleich den Klauen der Vöglen / sagt der heilige Text / biß daß er sich vor GOtt gedemüthiget / und ihm die Ehr gegeben hat. 79

Auch zur Zeit des H. Patricii hat sich dergleichen was begeben. 80 Der H. Patricius hat einstens aus heiligem Eyfer GOTT gebetten / daß er einen gottlosen und lästerlichen König / Veretius mit Namen /einen falschen und grausamen Christen-Feind / anderen zur Warnung sichtbarlich straffen / und von der Welt vertilgen wolle. Es ist geschehen / GOTT hat seine Bitt erhöret / und einstens diesen gottlosen Tyrannen / als er auf offnem Platz mit vilem Volck umgeben stunde / gähling in einen Fuchsen verwandlet /und in dieser Gestalt also bald die Flucht zu nemmen gezwungen / wie er dann auch von Stund an nirgends mehr unter denen Menschen ist gesehen worden. 81 O wann jetziger Zeit alle falsche und gottlose Betrüger auf solche Weiß solten von GOTT gestraffet werden /so wurde es gewiß mehr Fuchsbälg als Schaaf-Beltz abgeben.

Aber noch verwunderlicher ist / was ermeldter Author loc. cit. auch der Erudite P. Stengelius de Divinis Judiciis schreibet. 82 In Irrland hat es sich zugetragen / daß ein Priester aus der Landschafft Ultonia oder Ulster / von einem Knaben begleitet in einem Wald übernachten mußte / da hat er unter einem Baum sich nidergelassen / [287] und ein Feurlein aufgemacht: es kame aber bald ein Wolff zu ihnen / der so gleich mit menschlicher Stimm deutlich zu reden anfieng / und sagte: seyd unerschrocken / und förchtet euch nicht / wo nichts zu förchten ist. Der Priester gleichwohl vor Verwunderung erstaunend und ertatteret / beschwure den redenden Wolff bey dem lebendigen GOtt / er solle ihm in Wahrheit sagen / wer er seye / und was es bedeute. Dieser erzehlte ihm klar und gründlich / er seye aus einem Geschlecht der Menschen / der Ossyrienser / aus welchen (wegen eines von dem Abbt Satalis über sie ergangnen Fluch) alle 7. Jahr ihrer zwey / nemlich ein Manns- und eine Weibs-Persohn der menschlichen Gestalt und Beywohnung beraubt werden / und wie die Wölff herum lauffen müssen / biß daß sie nach verfloßnen 7. Jahren / wann sie noch bey Leben / von anderen zweyen in diesem elenden Stand abgelöset werden / und wiederum die vorige menschliche Gestalt und Lebens-Art an sich nemmen. Es seye aber / sagte er weiters / nicht weit von da seine Mit-Consortin / und lige tödtlich kranck / es soll ihme doch der Priester belieben lassen zu ihr zu kommen / und um GOttes willen den letzten geistlichen Trost ertheilen. Der Priester folget dem Wolff als Weegweiser mit Forcht und Schröcken nach biß zu einem hohlen Baum / in welchem er das Weib / gleichfalls in Gestalt einer Wölffin / welche aber ein menschliche Stimm und Seuffzen von sich gegeben /angetroffen hat. Diese / so bald sie den Priester ersehen / grüssete ihn ehrenbietig / und sagte GOTT Danck / daß sie in solchem Stand und äusseristen Noth die Gnad und Gelegenheit habe / mit einem Priester ihrer Seelen Heyl halber abzuhandlen / welches auch alles recht und wohl geschehen ist. Endlich begehrte sie auch die Heil. Communion und letzte Weegzehrung von ihme: als aber der Priester sagte /es könne da nicht seyn / hat ihm der Wolff / der Mann auf ein Hand-Büchlein geditten / in welchem etlichconsecrirte Particul oder heilige Hostien enthalten waren / welche der Priester auf der Reiß nach damahligem Gebrauch an dem Halß hangend / und unter dem Kleid verborgen truge / mit inständiger Bitt / er solle diese letzte Gnad seinem Weib nicht versagen: Und allen Zweiffel ihm zu benemmen / daß sie wahrhaffte Menschen seyen / hat er mit dem Fuß an statt der Hand ihr die Wolffs-Hut über den Kopff biß auf den mittleren Leib abgestreiffet / da es sich dann gezeiget hat / daß es wahrhafftig eine Weibs-Persohn seye; worauf dann der Priester ihr auch die Heil. Communion (die sie gantz andächtig empfangen) ertheilt hat / der Mann aber in seiner Wolffs-Gestalt ihne mit gröster Danckbarkeit wiederum auf den rechten Weeg zuruck begleitet hat. Aus welcher seltzamen Begebenheit die wunderbarliche Urtheil GOttes / die mit strenger Gerechtigkeit / und mildreicher Barmhertzigkeit zugleich vermischet seyn / klärlich erscheinen.

Aber auch der böse Feind will es einiger massen GOtt nachthun / und zu Zeiten / vermög der Zauberey / die Menschen in Thier verwandlen. 83 In dem letzt-verwichenen Sæculo hat sich unter den rebellischen Bauren / in dem Land ob der Ens in Oesterreich / ein beschreyter Zauberer oder Schwartzkünstler befunden / welcher unter vil anderen Betrüg und Possen auch den folgenden gespihlt hat. Er sahe auf freyem Feld einen Glastrager mit seiner Krätzen schwer beladen /und gantz ermüdet daher gehen: er stellte sich also an den Weeg / und verwandlete sich selber durch zauberische Verblendung in einen Stock / auf welchem ein Mensch füglich nidersitzen kunte / als wäre selbiger von einem abgehauenen Baum stehen blieben. Dem guten Glastrager / weilen er gantz müd / ware dieses eben recht / er bediente sich dieser guten Gelegenheit / und setzte sich auf den vermeinten Stock / ein wenig auszurasten / samt der Krätzen nieder. Aber gar bald wurde ihm diese Ruhe verstöhrt / der Stock entwiche ihm unter [288] dem Leib / ja verschwande gantz und gar /er aber fiele samt der Krätzen zu Boden / und die mehristen Gläser zertrümmerten in 1000. Stuck. Da fienge der Glastrager an gewaltig zu lamentiren / und im Kopff zu kratzen / daß nunmehr all sein verhoffter Gewinn auf einmahl hin seye / ja daß er einen solchen Schaden leide / den er nicht mehr einzubringen wisse etc. Der Zauberer stunde schon wiederum in seiner menschlichen Gestalt vor ihm / und Anfangs lachte er ihn aus / hernach aber tröstete er ihn / und sagte: er solle nur ihm folgen / er wolle ihm einen guten Rath geben / wie er den Schaden wieder einbringen / ja noch einen guten Gewinn darzu machen möge: er wolle sich jetzund selbst zu einem Ochsen machen /als wie zuvor zum Stock / er aber soll ihn an einem Strick in das nächstgelegene Städlein führen / und auf dem Marckt denen Metzgeren feil bieten / so bald er ihn aber verkaufft und die Bezahlung empfangen habe / solle er sich alsobald mit dem Geld auf und darvon machen. Kaum hat er dieses ausgeredt / sihe! da stunde schon ein schöner grosser Ochs da / mit einem Strick um die Horn gewicklet. Der Glastrager voller Freuden führt den Ochsen in die Stadt / auf den Marckt / und bietet ihn feil: die Metzger seynd alsobald herbey geloffen / und haben einen Lust gezeigt /den schönen fetten Ochsen einzuhandlen / der meistbietende aber hat ihn erhalten / und mit Freuden heimgeführt / vermeinend / er habe einen gar guten Kauff gethan. Als er aber den Ochsen hat eingestellt / und seinem Jungen befohlen / er solle ihm ein Büschel Heu geben / da hat der neuerkauffte Ochs den Metz ger-Jung mit weit aufgesperrten Augen starr angeschaut / und als wie des Balaams Esel zu reden angefangen / und gesagt: Narr O! was gibst du mir lang Heu / ich friß kein Heu. Der Jung gantz ertattert fragt mit Schröcken: was frist du dann? / Muß / Muß röhret der Ochs / will ich haben. Der Jung voller Verwunderung laufft zu dem Meister / und sagt / was er doch für einen seltzamen Ochsen gekaufft habe / er rede als wie ein Mensch / und wolle kein Heu fressen / sondern Muß haben. Was? sagt der Metzger / wart ich will ihm das Muß einstreichen / nimmt darauf seinen Schlag-Beuel / laufft darmit dem Stall zu / willens dem Ochsen eine Visite zu geben / er findet aber keinen Ochsen mehr / er ware schon verschwunden. Der Verkäuffer ware fort / und der Zauberer lachte ihm die Haut voll / dem guten Metzger aber blieb nichts übrig als der Strick / an welchen der Ochs gebunden war /und an welchen er gleichwohl / wann es ihm beliebte /wegen des erlittenen Schaden und Betrugs sich selber hencken möchte.

Auch der Heil. Augustinus erzehlt / daß er habe von einer Landschafft gehört / in welcher die Vieh-Mägd / so der Zauberey ergeben / denen Vorbeyreisenden einen Käß zu geben pflegen / und wann sie von selbem essen / werden sie der äusserlichen Gestalt nach eine Zeit lang in Lastthier / die Saum und Päck zu tragen / verwandlet.

Olaus aber Archiep. Uspalensis schreibet / daß in Preußen / Liffland und Lithauen in der heiligen Weynacht zu Nachts böse Menschen / die ärger seynd als wilde Thier / sich selbst in Wölff verwandlen / und die Leuth grimmig anfallen / beissen und reissen ärger als die rechte natürliche Wölff / die Häuser angreiffen / in die Keller einbrechen / Wein und Bier aussauffen / und andere Gewaltthätigkeiten verüben etc. Also wahr ist es / was die heilige Vätter sagen: Peccatum mutat hominem in bestiam: Die Sünd verwandlet die Menschen in wilde Thier.


Os homini sublime dedit, cœlúmque tueri
Jussit, & erectos ad sidera tollere vultus. 84
Aufrechten Leib und Angesicht /
GOtt dir O Mensch hat geben /
Damit erkennest deine Pflicht /
Das Gmüth zu GOtt z'erheben.

[289] Aber / o curvæ in terras animæ, & cœlestium inanes! es ist denen Boßhafften nicht genug / daß sie sich mit dem Gemüth in das Irrdische vertieffen / und viehische Sitten an sich haben / sondern auch so gar die Gestalt der unvernünfftigen Thieren (gleichsam als wären sie des Ebenbilds GOttes überdrüßig) nemmen sie offt selbsten freywillig an sich.

Wann aber jemand fürwitzig fragen solte / warum der menschliche Leib unter so vil anderen Gleichheiten nicht auch nach Art der Welt-Kugel rund gestaltet seye / und ihr in diesem / als wie in vielem anderen gleiche? So gibe ich zur Antwort / weilen die runde Cörper oder Kuglen für sich selbsten keinen anderen natürlichen als circularischen Motum oder Bewegnuß haben / und in einem Circul sich herum drehen: Ein so edles Geschöpff aber / wie der Mensch ist / hat zu seinen Verrichtungen vil unterschiedliche Bewegnussen vonnöthen / anderst müssen sich bewegen die Händ und Aerm zum Arbeiten / anderst die Füß zum Gehen / anderst der Leib zu ligen / anderst zum Sitzen oder Stehen etc. bald über sich / bald unter sich / bald für sich / bald hinter sich / jetzt rechts / jetzt lincks etc.

Nichts destoweniger / wann der Mensch die Händ und Füß ausstrecket / und mit einer Linie umzogen wird / da wird es auch ein runde Figur abgeben / und abermahl an der Gleichheit zwischen dem Macro-Cosmo und Micro-Cosmo nicht ermanglen / wie Vitruvius l. 3. c. 1. sagt. Ja wie Vitruvius von der Architectur oder Bau-Kunst und fürnehmen Mathematic anmercket / so kan kein recht schönes und künstliches Hauß / Pallast oder anderes Gebäu aufgeführt werden / welches nicht eine ebenmäßige Gleichheit und Proportion mit dem Leib des Menschens habe. Die Maaß aber eines recht proportionirten und wohl gewachsenen Menschen zeiget / daß sein Angesicht sibenmahl gemessen / die Länge des gantzen Leibs seye. Deßgleichen erreichen die ausgespannte Aerm die Länge des Menschen / das Angesicht aber zweymahl gemessen / macht die Breite der Brust von einer Achsel zu der anderen etc. Mit einem Wort / die Proportion des menschlichen Leibs und der Gliederen ist verwunderlich schön und genau (zu wünschen wäre es / daß auch die innerliche Gemüths-Regungen also unter sich proportionirt wären / und übereinsstimmeten)Tympius aber in seiner Alcedonia c. 23. zehlt und unterscheidet eben so vil Glieder in dem Leib des Menschen / als Täg im Jahr / deren ein jedes vil unterschiedliche Dienst und Verrichtungen hat / die ihm von GOtt und der Natur seynd zugeeignet.

Ein andere sonderheitliche Vergleichung des menschlichen Leibs mit dem grossen Welt-Gebäu macht ein gelehrte Feder kürtzlich auf folgende Weiß: Erstlich / gleichwie in der grossen Welt der Primus Motor, und Rector universi, der oberste Regent GOtt selbsten ist / als ein Urheber der Natur / also ist in dem Menschen / als der kleinen Welt / der Regent und das Oberhaupt die vernünfftige Seel. 85 Die wachsende Krafft aber ist in dem Lebens-Geist / und die sinnliche oder empfindliche in dem Leib selbsten / die verständige aber in der Seel.

Ferners / das Haupt des Menschen ist einiger massen gestaltet als wie der Himmel / dessen 7. Planeten uns vorgestellet werden durch die 7. Vertieffungen oder Oeffnungen / die sich in dem Haupt befinden: nemlich 2. der Augen / 2. der Ohren / und 2. der Nasen / und eine des Munds. Der Magen / so die Speiß verkochet / bedeutet die Erden / und die Lungel / so die Respiration oder das Schnauffen beförderet /den Lufft / und die Hitz des Hertzens das Feur. AuchHumor bilosus, die Bilosische Feuchtigkeit gleichet dem Feur / die Phlegmatische dem Wasser / die blutreiche dem Lufft / und die Melancholische der Erden.

[290] Wiederum die Blut-Aderen seynd gleichsam die Flüß und Wasserströhm in dieser kleinen Welt / die Blasen der Oceanus oder das Meer / das Fleisch aber ist die Erden: die Gebein seynd die Berg und Felsen /das Marck in denen Beinen die Mineralia und Metallen / und das Haar ist das Gras / die Kranckheiten seynd die Meteora und Impressionès, als Regen /Hagel / Schnee etc. die schnelle Gedancken seynd die Wind / und die hefftige Passiones oder Gemüths-Regungen seynd das Ungewitter und Erdbedem.

Weiters / die 7. Irr-Stern oder Planeten können also eingetheilt werden / daß durch das Hertz die Sonn verstanden wird / durch das Hirn der Mond / und durch die Leber der Jupiter, durch das Miltz der Saturnus, durch die Gall der Mars, durch den Nieren die Venus, und durch die Lungel der Mercurius.

Gleichwie auch in der grossen Welt die Dünst und feuchte Dämpff aus der Erden und von dem Meer über sich steigen / sich in Gewölck zusammen ziehen / und dann wiederum in einen Regen solviren / und Tropffen-weiß herab fallen / also steigen die Dämpff aus dem Magen des Menschen über sich in das Haupt / da werden Haupt-Flüß und Catharren darauß / die endlich wiederum abwärts sincken.

Das Hirn des Menschens hat eine Correspondenz und Gleichheit mit dem Mond / weil es gleich demselben zu- und abnimmt: das Wachen bey einem gesunden Menschen ist gleichsam der Tag / das Schlaffen aber die Nacht / das Vergnügen aber und die Zufriedenheit ist das schöne heitere Wetter / und die Traurigkeit ist die gewölckige finstere Zeit. Endlichen /gleichwie die Sonn die gantze grosse Welt erleuchtet und überschauet / also erleuchtet und beschauet das menschliche Aug die kleine Welt / das ist / den Leib des Menschen.

Aber wann es deme also / daß ein jeglicher Mensch ein gantze kleine Welt ist / und einiger massen alles /was in der grossen Welt anzutreffen ist / in sich schliesset / so ist es ja höchstens zu bewunderen und zu bedauren / daß offt ein kleines Plätzlein der grossen Welt / ich will sagen eine Landschafft / Stadt oder Vestung zu eroberen oder zu behaupten vil 1000. Menschen ihr Leben müssen lassen und einbüssen / da doch ein jeder Mensch vil würdiger und höher zu schätzen ist / als alle Reich der Erden. 86 Sed non omnes capiunt verbum istud: das will vilen nicht eingehen.

Ubrigens ist zwar der Mensch edel und hochschätzbar wegen der bißhero erwiesenen Gleichheit und Ubereinsstimmung / die er als ein Micro-Cosmus hat mit der gantzen grossen Welt / aber noch vil edler und fürtrefflicher ist er wegen der Gleichheit / die er mit GOtt / dem Erschaffer der Welt selbsten / als dessen Ebenbild / hat: und ist nur zu bedauren / daß er diese Gleichheit / und dieses kostbare Ebenbild wohl manchesmahl durch schwere Sünden so boßhafft als unverschamt verstöhret und entunehret. Zu bedauren und zu bewunderen ist / daß / indem alle andere Geschöpff der grossen Welt / ihrem Erschaffer gehorsamen / und ihne nach ihrer Möglichkeit ehren / daß /sage ich / in der kleinen Welt von dem Menschen alleinig so vil Ungehorsam / Widerspennigkeit und Unehr ihm erwiesen wird.

Nun haben wir bißhero gesehen / daß die meiste und fürnehmste Theil des Macro-Cosmi oder der grossen Welt auch in dem Micro-Cosmo oder Menschen anzutreffen seyen. Wann wir aber die Sach noch ferners untersuchen / so werden wir sehen / daß auch die meiste und fürnehmste Ständ und Aemter der grossen Welt / samt ihren Geschäfft und Verrichtungen in einem jeden sonderheitlichen Menschen zu finden seyn.

Dann erstlich / was ein Regent / König oder Fürst in seinem Land und Reich / welches er mit Vollmacht beherrschet [291] / ist / eben das ist die menschliche Seel in dem Leib / den sie als eine suffraine Königin oder Monarchin regiert / auch allen Sinn und Kräfften ihreFunctiones oder Verrichtungen vorschreibt. 87 Der Verstand / die Gedächtnuß und Willen aber seynd die fürnehmste Ministri, geheime Räth und Coadjutores dieser Königin / verstehe der menschlichen Seel /ohne welche sie nichts thun oder disponiren solle. Die äusserliche 5. Sinn hingegen seynd ihre Referendarii, welche ihr alle vorkommende Objecta insinuiren /und von allen Dingen getreuen Bericht erstatten sollen / auf daß sie alsdann wohl und recht von der Beschaffenheit der Sachen urtheilen möge: weilen / wie diePhilosophi anmercken: Nihil est in intellectu, quod non prius fuit in aliquo sensu: Zu dem Verstand gehet nichts ein anderst als durch die Porten der Sinn: deßwegen / wann diese Referendarii, die 5. Sinn /dem Verstand die Sachen nicht wohl vorstellen /wann man übel sihet oder höret etc. da thut man auch übel urtheilen: gleichwie es in einer politischen Regierung hergehet / wann der Principal oder regierende Herr von seinen Beamten nicht wahrhafft und getreulich berichtet wird / kan er auch nicht wohl und recht urtheilen.

Ferners und insonderheit thun die Augen in dem menschlichen Leib das jenige præstiren / was die vorgesetzte Richter / Vögt und Pfleger in dem politischen Leib eines Reichs oder Landschafft. Sie müssen in die Nähe und Weite aussehen / wohin zu gehen / und wie die bevorstehende Hindernuß- und Gefahren / so dem Leib oder Mitgliederen schaden möchten / zu decliniren oder abzuwenden seyen etc. Die Ohren aber des Menschen bedeuten die jenige / welche in einem Reich oder Land verordnet seynd / die Angelegenheiten / die billiche Klagen und Beschwerden der Unterthanen anzuhören / und ihrem Principal zu hinterbringen. Die Zung des Menschen vertritt die Stell eines Redners / Procuratoris oder Advocaten / der das Wort führen / die Angelegenheiten vortragen / die Wahrheit und gerechte Sachen verfechten muß. Das Hertz zeiget an die Königliche oder Fürstliche Räth /welche von den Römeren Senatores seynd genennet worden / und alte wohlerfahrne Männer seyn müßten /die mit ihrem klugen Rath und Vorschlägen den Nutzen und das Beste des gemeinen Weesens zu beförderen wußten. Der Magen aber in dem menschlichen Leib repræsentirt den Schatz- oder Rentmeister / und die Kammer-Räth; weilen der Magen zwar die Speisen alle einnimmt / so die andere Glieder verschaffen müssen / aber selbe nicht für sich selbst alleinig behaltet / sondern selbe verkochet / und alsdann allen Gliederen des Leibs nach Proportion getreulich wiederum mittheilet: gleichwie ein Schatz- und Zahlmeister die billich-mäßige Contributiones und Anlagen von den Unterthanen zwar einsammlen kan / aber sich nicht darmit unbillich bereichen / oder eigennützig hinterschlagen / sonder nach Proportion zu dem gemeinen Besten / und zur Nothdurfft des Lands oder Reichs ausspendiren und anwenden solle. Das Miltz des Menschen hat der Kayser Trajanus nicht ungerühmt mit einem Königlichen Fiscal verglichen; dann / sagte er / gleichwie / wann das Miltz zu groß und aufgeschwollen ist / die Glieder darbey leiden /schwach und matt werden / also / wann die jenige /welche die Einkünfften zu verwalten haben / groß aufgeschwellen / das ist / zu reich werden / da seynd gemeiniglich die andere Mitglieder des politischen Leibs mager und arm.

Durch die Leber aber kan die Geistlichkeit verstanden werden: dann die Leber ligt auf der rechten Seiten in dem menschlichen Leib / sie kochet das Blut aus /und ist gleichsam die Brunnquell desselben / und gedeyet vil zur Gesundheit des gantzen Leibs. Also auch die Geistlichkeit in dem sittlichen Leib der Catholischen Kirchen [292] soll sich allzeit auf der rechten Seiten halten / das ist / die Gerechtigkeit üben / das Blut der Andacht und des guten Exempels auskochen / selbes der gantzen Gemeind mittheilen / und also derselben geistlichen Wohlstand beförderen.

Die Händ und Füß endlichen / weilen sie theils den Leib des Menschen beschützen / und ihm alle Nothdurfft verschaffen / theils aber unterstützen und herum tragen / bedeuten die Soldaten / Handwercksleuth und Bauren-Stand: weilen jene durch die Waffen das Land beschützen / diese aber theils durch ihre Hand-Arbeit / theils durch ihre Mittel dem politischen Leib des gemeinen Weesens alle Nothwendigkeit verschaffen /denselben unterstützen und aufrecht erhalten.

Mithin ist nun sattsam erwiesen / daß nicht nur die meiste und fürnehmste Theil des Macro-Cosmi, oder der grossen Welt / sondern auch die meiste und fürnehmste Ständ / Aempter und Verrichtungen / die in der grossen Welt üblich seynd / in einem jeden Menschen / als in einem Micro-Cosmo oder kleinen Welt zu finden seyen.

Wellen nun die Regiersucht dem Menschen (absonderlich die eines adelichen Geblüts und Herkommens seynd) gleichsam angebohren ist / und ein jeder gern etwas zu regieren hätte / so nimme wahr / geneigter Leser / wie du so leicht mit Göttlichem Beystand ein vollmächtiger Regent und Herrscher über ein gantze kleine Welt seyn könnest und sollest: wann du nemlich über dich selber herrschafftest / deiner selbsten Herr und Meister bist / welches dir gewißlich mehr Nutzen / und eine grössere Ehr seyn wird / als wann du über vil Land und Leuth gesetzt wärest / oder vil Schlösser und Vestungen mit dem Gewalt der Waffen einnehmest. 88 Dann: fortior est, qui se, quàm qui fortissima vincit mœnia: Vil stärcker ist der selbsten sich / als veste Städt bezwinget.

Ja zu einem solchen Herrscher und Regenten hat dich GOTT selber gesetzt / indem er gesprochen: Sub te erit appetitus, & tu dominaberis illius: 89 Die Begierd und Anmuthung wird unter dir seyn / und du sollest über sie herrschen / und selbige bändigen. Dann / wie auch der heydnische / aber weise Plato anmercket: Vinci à se ipso turpissimum & pessimum est: Es ist nichts schandlichers und nichts schädlichers / als von ihm selber überwunden werden.

Nachdeme Seneca viles von der Macht und Beherrschung des grossen Alexandri gesprochen hat / setzte er hinzu: O wie ein grosser Irrthum ist es bey den Menschen / indem sie ihre Beherrschung biß über das Meer auszubreiten suchen / und sich glückseelig schätzen / wann sie durch ihre Waffen vil Land und Leuth bezwingen: anbey aber nicht bedencken / daß es das herrlichiste Reich seye / wann man über sich selbsten herrschet. Du O Mensch / sagt der Heil. Basilius, bist zu dem Reich gebohren / warum begibest dich dann in ein so armseelige Dienstbarkeit deiner Begierd- und Anmuthungen? und wirst freywillig zu einem Leibeignen der Sünd und des Teufels? 90


Non sit alterius, qui suus esse potest.

Wann selbsten kanst dein eigen seyn /
Frembden Gwalt erkenne kein.

Ausgenommen den jenigen Gewalt und HErrn / zu welchem David gesprochen hat: Servus tuus sum ego: 91 Ich bin dein Knecht. Aber gibe wohl Achtung / ob du es mit Wahrheit sagen könnest / ob nicht deine gewöhnliche Sünd und Laster / deine unordentliche Begierden und Anmuthungen dich Lugen straffen / und einer Unwahrheit überzeigen? ob nicht dein Hoch- und Ubermuth entgegen schreye: meus es tu, du bist mein Knecht: ob nit dein Zornmuth und Ungedult sich widersetze / meus es, du bist [293] mein: ob dein Ehr- und Geld-Geitz etc. spreche / meus es, du bist mein eigen / du bist mir gäntzlich ergeben / ich hab dich gefangen und gefeßlet / ich kan dich nun führen und hinziehen wo ich will. O armseelige und schmähliche Dienstbarkeit! wann es dem also ist / so zerreisse alsobald die Strick und Band / wirffe von dir ab das Joch der Dienstbarkeit / und sage mit vestem Entschluß: Non serviam, ego regnabo: Ich will meinen unordentlichen Begierden und Anmuthungen nicht mehr dienen / sondern über sie herrschen / und durch die Vernunfft sie bezwingen: den Macro-Cosmum oder die grosse Welt will ich gleichwohl den Waffen der streitenden Partheyen überlassen / aber in demMicro-Cosmo der kleinen Welt meines eignen Leibsego regnabo, da will ich alleinig Herr und Meister seyn. Mit welcher Resolution ich auch diesen gegenwärtigen Discurs beschliesse.

[294]
Fußnoten

1 Der Aderen und Nerven Beschaffenheit.

2 Geistliche und weltliche Güter sollen getreulich anderen mitgetheilt werden.

Sap. c. 1. v. 13.

3 Matth. c. 10. v. 8.

4 1. Petr. c. 4.

5 Die Pulß-Aderen bedeuten die Obrigkeiten.

6 Die Beicht ist ein geistliche Aderläß.

7 Psal. 31. v. 5.

8 Prov. c. 18. v. 21.

9 Bischöff und Prälaten werden durch die Nerven angedeutet.

10 Was das menschliche Hertz seye.

11 Prov. c. 22. v. 26.

12 Matth. c. 15. v. 19.

13 Wie das Hertz beschaffen seye.

14 Christus ist das Hertz der Catholischen Kirchen.

15 Matth. c. 18. v. 20.

16 Joan. c. 20. v. 19.

17 Die Adler und Falcken seynd begierig auf die Hertzen.

18 Lieb und Eyfer zu dem Hertzen JESU.

19 Luc. c. 8. v. 15.

Das menschliche Hertz ist gleich einem Acker.

20 Die Lieb ziehet das Hertz nach sich.

21 Geschicht.

22 Matth. c. 6. v. 20.

23 Das Hertz soll man bewahren.

Psal. 39. v. 13.

24 Prov. c. 4. v. 23.

25 Prov. c. 22. v. 11.

26 Hertzhafftigkeit in wem sie besietze.

27 Wie die Lungel / Leber und Miltz beschaffen seye.

28 Die Buß wird durch die Lungel beditten.

29 Eccli. c. 9. v. 10.

30 Prediger und geistliche Lehrer werden durch die Leber beditten.

31 Forcht und Liebe GOttes durch das Miltz beditten.

32 Matth. c. 5. v. 6.

33 Psal. 31. v. 10.

34 Die Gall bedeutet die Trübsal und Abtödtung.

35 Was der Zorn / und wie er beschaffen seye.

36 Eccli. c. 7. v. 10.

37 Psal. 36. v. 8.

38 Groß- und vilfältiger Schaden des Zorns.

39 Eccli. c. 30. v. 26.

40 Plutarchus de cohib. irâ.

41 Der Zorn ist ein Feur.

42 S. Greg. lib. 3. moral.

43 Die Zornige begehen vil Thorheiten.

44 Den Zorn soll man bändigen und unterdrucken.

45 Im Zorn soll man niemand straffen.

Polyanth. v. Ira.

46 lib. 1. offic.

47 Matth. c. 7. v. 5.

48 Ein mäßiger und billicher Zorn ist zu Zeiten erlaubt und vonnöthen.

49 Psal. 4. v. 5.

50 Job. c. 38. v. 10.

51 Gebrächlichkeit des menschlichen Leibs.

2. Cor. c. 4.

52 Eccli. c. 12. v. 1. & 6.

53 Eccli. c. 12. v. 7.

54 4. Reg. c. 4.

55 Vil suchen äusserlich / was sie innerlich haben.

56 L. 10. Confess.

57 Serm. 12. strom.

58 Was der Mensch seye?

59 Der Mensch ist ein Buch / das von allen Sachen handlet.

60 Grosse Kunststuck in sehr kleinen Dingen.

61 Gleichheit oder Ubereinstimmung der grossen und kleinen Welt.

62 Wie sich die 4. Elementen in dem Menschen befinden?

63 Feurige Augen.

64 c. 1. in Matth.

65 Sittliches Feur der Liebe.

66 Wie der Lufft beschaffen?

67 Seltzame Einbildungen und Irrwohn.

68 Vilfältige Irrthum und grosse Bethörungen der Menschen.

69 Psal. 65. v. 12.

70 Isa. c. 5. v. 20.

71 Psal. 93. v. 11.

72 Natürlich- und sittliche Wind seynd vilerley.

73 Der Mensch aus Erden und Wasser vermischt.

Gen. c. 3. v. 19.

74 Die 4. Lebs-Zeiten des Menschen.

75 Job. c. 14. v. 2.

76 Viehische Anmuthungen des Menschen.

77 Psal. 48. v. 13.

78 Menschen werden in Thier verstaltet.

79 Dan. c. 14. v. 29. & 30.

80 Geschicht.

81 Niernbergius de Miraculis Europæ.

82 Geschicht.

83 Geschicht.

84 Die Gestalt des Menschen ist wohl gestaltet.

85 Vergleichung der menschlichen Glieder mit den fürnehmsten Theilen der Welt.

86 Hochschätzbarkeit des Menschen.

87 Unterschiedliche Ständ und Aempter werden in jedem Menschen abgebildet.

88 Ein jeder Mensch soll über sich selbsten herrschen.

89 Gen. c. 4. v. 7.

90 Hom. 10. in Hexam.

91 Psal. 118. v. 1. 25.

Der III. Theil

I. Von vierfüßigen wilden Thieren
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von dem Löwen.
Rex Leo quadrupedum est, Aquila est Regina Volucrum.
Im Wald der starcke Löw regiert /
Im Lufft der Adler Scepter führt.

Also singt der Poet / und also schreibt der H. Hieronymus: Utì leo inter bestias, ita aquila inter aves regnum tenent: 2 Dann der Löw ist das stärckiste und hertzhafftigste unter den vierfüßigen Thieren / ein Forcht und Schröcken der Menschen und Thier / wie die H. Schrifft selbst ausdrucklich bezeuget / sprechend: Leo fortissimus bestiarum, ad nullius pavebit occursum: 3 Der Löw ist der mächtigste unter den Thieren / und verschrickt vor niemand. Und wiederum: Leo rugiet, quis non timebit? 4 Wann der Löw brüllet / wer ist / der sich nicht förchten wird? dann er hat eine erschröckliche Stimm. Nichts förchtet der Löw / als das Feur / mit dem kan man ihn verjagen: und auch des Hahnen Krähen kan er nicht leiden.

[295] Der Löw befindet sich mehrentheils in dem hitzigen Welt-Theil Africa und anderen heissen Länderen /als Indien / Arabien / Syrien etc. dann er liebet die Wärme. 5 In dem Tartarischen Reich soll es die schönste und gröste Löwen geben / und selbe zur Jagd der Hirschen und Wildschwein gebraucht werden. Er ist ein sehr großmüthiges / starckes / stoltz-und freches Thier / das keine Gefahr / keine Verletzung oder Wunden achtet / und wann er gejagt und verfolgt wird / da laufft er nicht / sondern geht nur /damit es nicht das Ansehen habe / als hätte er aus Forcht die Flucht genommen. Seine Leibs-Gestalt belangend / so ist der Löw einer ansehnlichen Statur /mittelmäßiger Grösse / gelb-braun- oder dunckelrother Farb: an dem Kopff und Halß hat er lange zottete / und etwas krause Haar / ist mit einem starcken Biß und Klauen bewaffnet / sein Schweiff (in dem er ein grosse Stärcke hat) ist so lang / daß er ihn auf dem Boden nachschleifft. Er ist mit einem scharpffen Gesicht und Geruch begabet / und schlafft mit offnen Augen / ja er hat keine Augen-Lider: gehet langsam und gravitätisch / und thut mit dem Schweiff seine Fußstapffen in dem Sand wiederum verstreuen / auf daß man nicht sehen möge / wo er hingegangen seye: doch wann er einem anderen Thier nachjaget / thut er wohl auch springen.

Die Löwen werden auf unterschiedliche Weiß gefangen / in Gruben gefällt / oder mit Feur-Facklen in Strick und Garn getrieben etc. Die Löwen thun dem Menschen keinen sonderlichen Schaden / wann sie nicht der Hunger oder Zorn darzu antreibet. Sie fressen kein todt-gelegnes Fleisch / sondern nur / was sie selber erjagt und getödtet haben: sie werden alt / und fressen vil auf einmahl / hernach aber fasten sie wiederum / biß die vorige Speiß verdäuet ist. Der Löw verschluckt die Speiß gantz hinunter / und was er das erstemahl überlaßt / berührt er nicht mehr / sondern hauchet es an mit einem so bösen stinckenden Athem / daß es verfaulet / und von keinem anderen Thier kan genossen werden.

Wann der Löw alt wird / da ist er grimmiger und gefährlicher als in der Jugend / und wann er dem Gewild in den Bergen nicht mehr nachjagen kan / da näheret er sich den Städten und Dörfferen / und greifft die Wandersleuth an; dann Graß oder Kräuter frißt er nicht wie andere Thier / ausgenommen wann er kranck ist / doch werden die alte und schwache Löwen auch von ihren Jungen gespeißt und ernähret /aus welchem ja die Kinder die Treu und Danckbarkeit gegen ihren alten Elteren lernen solten: Die Löwen werden alt / aber ihr Athem / die Biß und Krätz seynd sehr schädlich und gifftig / fast eben als wie eines wütigen Hunds.

Der Löw liebt seine Junge überaus starck / traget grosse Sorg für sie / und bedauret höchstens dero Schaden oder Untergang (wolte GOtt / daß auch die Christliche Elteren allzeit solche Lieb und Sorg gegen ihren Kinderen trugen / als wie der grimmige Löw gegen seinen Jungen!) 6 Ælianus erzehlt / daß / als ein Beer in einer Löwen-Grub die Junge alleinig angetroffen hatte / tödtete er selbe / und frasse sie; alsdann machte er sich eilends darvon / und stiege auf einen hohen Baum / dem Zorn und der Rach der alten Löwen zu entgehen. 7 Als nun die abwesende alte Löwen zu ihrer Grub zuruck kommen / und den Raub und Mord ihrer Jungen sehr schmertzlich empfunden haben / da giengen sie dem Thäter fleißig auf dem Gespuhr nach / und fanden ihn auch auf einem Baum sitzend: weilen sie aber ihm mit Klimmen nicht kunten zukommen / so ist die Löwin bey dem Baum nidergelegen / und hat Wacht gehalten / daß ihr der Beer nicht entrinne. Der Löw aber ist hin und wieder in dem Wald umgeloffen / und Hülff oder Mittel gesucht / sich an dem Beeren zu rächen: und als er einen Bauren mit der Axt angetroffen / hat er sich diesem zugenäheret / gantz freundlich geschmeichlet / [296] und durch deuten gleichsam eingeladen / er solle mit ihm gehen. Der Baur / obwohlen von Anfang erschrocken / hat es gewagt / und ist ihme nachgefolgt: der Löw aber hat ihn erstlich zu seiner Grub geführt / allwo die Junge zerrissen worden / hernach aber zu dem Baum / auf welchem der Thäter / der Beer gesessen / allda deutet er dem Bauren auf die Axt und auf den Baum / gleichsam bittend / er solle ihn umhauen / damit der Beer herab müsse: und so bald dieses geschehen / haben die 2. Löwen den herabgestürtzten Beeren angegriffen und zerrissen / und also den Mord ihrer Jungen gerochen. Worauf der Löw den Bauren wiederum durch die Wildnuß begleitet / und sicher an sein Orth gelieferet hat.

Wann dieses Thier verletzt oder beleidiget wird /so dencket es lang daran / und versaumt die Zeit oder Gelegenheit sich zu rächen nicht: wie es wohl erfahren hat ein gewisser Jüngling / der einen Löwen mit einem Pfeil verletzet hat / dieser aber nach einem gantzen Jahr den Jüngling unter einer grossen Menge Volck ersehen / gekennet und angegriffen hat. Weil man einen gewachsenen Löwen nicht schlagen darff /so schlaget man einen Hund in seiner Gegenwart /und macht ihn schreyend / oder eines seiner Jungen /und also jaget man ihm eine Forcht ein / und macht /daß er pariren thut.

Man sagt zwar von dem Löwen insgemein / daß er sich besänfftigen lasse und verschone / wann man sich vor ihm niederwirfft / weinet / oder mit Gebärden demüthiget (gewiß ist es / daß er den Weiberen mehr als den Männeren / den Kinderen aber gäntzlich verschonet) laut jenes Sprüchleins des Poeten:


Corpora magnanimo satis est prostrasse leoni:
Der Löw sein Wuth und Grimm inhalt /
Wann man vor ihm zur Erden fallt.

Doch ist diese Regul nicht so gar unfehlbar und allgemein / daß sich nicht auch das Widerspiel begeben habe / wie es mit seinem Schaden wohl erfahren hat jener Löwen-Meister in Holland / so lange Zeit mit einem zahmen Löwen gantz sicher / als wie mit einem Hauß-Hund umgegangen und umgezogen ist. 8 Endlich aber / weiß nicht aus was Ursach / wurde der Löw erzürnet und ergrimmet / ergriffe seinen Meister / und warffe ihn zu Boden: und obwohl dieser voller Todts-Angst zitterend vor ihm dagelegen / und mit wehemüthigen Gebärden sich gedemüthiget / und gleichsam um Pardon gebetten hat / wolte sich doch der Löw nicht besänfftigen oder erweichen lassen /sondern liesse seine Augen wie feurige Pfeil auf ihn schiessen / er thate sein vorhin trutzige türmische Stirn noch mehr runtzlen und rumpfen / seinen Schweiff schwingen / die Mine aufrichten / und die Klauen herfür strecken / als wolte er ihn alle Augenblick zerreissen. Dieses armseelige Spectacul daurete eine lange Zeit: es warffen entzwischen die Zuschauende häuffiges Kalb- und Schaaf-Fleisch von der Höhe hinab dem Löwen zu / willens ihn zu besänfftigen / und des Menschens vergessend zu machen: aber alles umsonst / es schiene der Löw für dißmahl keinen anderen Appetit, als nach dem Menschen-Fleisch zu haben / also unbeweglich verblieb er in seinem grimmigen Anblick und Bedrohung. Endlich / weil kein anderes Mittel ware / den Löwen-Meister von dem Todt zu erlösen / befahle die Obrigkeit / man solle schnell mit der Kugel-Büchs einen starcken Schuß auf den Löwen thun / und ihn erlegen / ehe er den Menschen umbringe. Man hat es auch gethan: aber der Löw wolte nicht alleinig sterben / sondern seinen geweßten Meister im Todt zum Gefährten haben. Deßwegen in dem Augenblick / als er den Schuß empfangen hat / ergriffe und zerrisse er auch den Menschen /mit dessen Blut er das seinige vermischet hat.

Hingegen aber ist der Löw auch der Gutthaten / so ihm der Mensch erweiset (massen er in seinen Gepresten und Anligen bey dem Menschen Hülff zu suchen pflegt) fleißig ingedenck und [297] danckbar darfür. 9 Androclus, ein Leibeigner zu Rom / wurde von seinem Herrn gar streng und unbarmhertzig gehalten / deßwegen er sich mit der Flucht darvon gemacht / und gleichwohl in die Wildnuß hinauß entloffen ist / allwo er wegen der Grösse der Forcht in eine Höle sich begeben hat / in welcher ein Löw wohnete / aber damahls abwesend war. Als dieser Löw zuruck kommen / und diesen Gast in seiner Herberg antraffe / thate er ihm kein Leyd / sondern zeigte und streckte ihm wehmüthig seinen Fuß oder Bratzen dar / an welchem er eben einen grossen Dorn eingetretten hatte / und Schmertzen litte / gleichsam bittend ihme zu helffen.Androclus zieht ihm den Dorn aus / und verbindet ihm gleichwohl die Wunden mit einem Fetzen von seinem Kleid / so gut er kunte. Welche Gutthat der wilde Löw so danckbarlich erkennet hat / daß er disen Menschen lange Zeit nicht nur unverletzt in seiner Höle bey ihm hat wohnen lassen / sondern auch mit seinem Raub / mit dem Fleisch der wilden Thieren gespeiset und ernähret hat.

Nun wurde nach 3. Jahren dieser Mensch der Wildnuß überdrüßig / und begab sich wiederum gegen der Stadt Rom hinauß: er wurde aber von seinem alten Herrn ertappet / und zur Straff / daß er ihm entflohen /auf den offentlichen Schauplatz gelieferet / allwo er nach Gewohnheit derselbigen Zeit mit den wilden Thieren kämpffen / oder von ihnen zerrissen werden solte. Es ist aber inzwischen auch der obgemeldte Löw gefangen / und in das Their-Hauß nacher Rom gebracht worden / und eben dieser ist in Gegenwart einer grossen Menge des zuschauenden Volcks / auf dem Kampff-Platz wider den Androclum geführt und angehetzt worden. Dieser lieffe zwar grimmig auf ihn zu / und wolte ihn zerreissen: aber so bald er ihn in der Nähe gesehen und gerochen hat / erkennete er /daß dieses sein alter Gutthäter seye / der ihm einstens in der Wildnuß den Dorn aus dem Fuß gezogen hatte / da legte er augenblicklich allen Wuth und Grimmen ab / leckte ihm Händ und Füß / als wie ein zahmes Hündlein: und als das Volck dieses mit grosser Verwunderung gesehen / und die Ursach dessen vernommen hatte / da erhube sich ein allgemeines Freuden-Geschrey / es wurde dem leibeignen Androclo, wie auch dem Löwen zugleich mit einander die Freyheit ertheilet. Aus welcher Begebenheit die Menschen sich theils zu schämen haben / daß sie zu Zeiten grausamer seynd / als die wilde Thier / theils aber den schuldigen Danck und Erkanntlichkeit für die empfangene Gutthaten zu erlernen haben.

Dem H. Abbt Gerasimo hat auch ein Löw / dem er einen Dorn aus dem Fuß gezogen / in seinem Closter für einen Esel gedienet / und Wasser getragen.

In sittlichem Verstand kan Christus mit einem Löwen verglichen werden / was dessen löbliche Eigenschafften anbelangt; dann von ihm ist gesagt wor den: Ecce vicit Leo de tribu Juda: Sihe / es hat überwunden der Löw von dem Geschlecht Juda. 10 Gleichwie der Löw das stärckiste und hertzhafftiste / ja ein König unter allen Thieren ist / keinen Feind / keine Gefahr noch Wunden förchtet / auch für seine Junge streitet biß in den Tod / also ist Christus ein König und HErr aller Menschen / Rex Regum, & Dominus Dominantium, der sich freywillig in den Streit begeben hat / seinen Feinden / den Juden an dem Oelberg gantz unerschrocken entgegen gegangen ist / sprechend: Wen suchet ihr? und fast unzahlbare Wunden für das Heyl der Menschen williglich empfangen /ja den Todt selber ausgestanden hat: Hingegen ihn sollen alle Menschen förchten / als wie den Löwen alle Thier / wie geschrieben stehet: Domine DEus omnipotens Rex sæculorum, quis non timebit te? 11 HErr allmächtiger GOtt / du König der Heiligen /gerecht seynd deine Werck / wer soll dich nicht förchten?

Der Löw ist gar hitziger Natur / und befindet sich nur in hitzigen Länderen: [298] Er schlafft wenig / und mit offen Augen: wann er verletzt oder beleidiget wird /da strafft er zwar seinen Beleidiger / doch nicht mehr als ihn nothwendig geduncket / er laßt sich besänfftigen und vergnügen mit dem / daß er seinen Gegner zur Erden demüthige und erschröcke. Unser sittliche Löw Christus ist nicht nur hitzig / sondern selbst ein lauteres Feur / ignis consumens, und haltet sich mit seiner Gnad am liebsten auf in den hitzigen / und mit der Liebe GOttes entzündeten Hertzen: Er thut auch weder schlaffen noch schlummeren / non dormitabit neque dormiet, sondern oculi ejus semper sunt aperti: die Augen seiner Allwissenheit stehen allzeit offen / und das Ubel straffet er zwar / doch will er nicht den Todt des Sünders / sondern vilmehr / daß er sich bekehre und lebe: Ein bereutes und demüthiges Hertz wird er nicht verachten. 12

Wann der Löw hungerig ist / da begibt er sich auf einen Berg / schauet und trachtet seinem Raub / dem Gewild nach / und wann er selben ersihet / da brüllet er gewaltig / und erschröckt die andere Thier dermassen / daß sie gantz entseelet und verstaunend dastehen / vor Forcht nicht wissend / was sie thun oder wo sie hin sollen: alsdann fangt und verzehrt er sie. Doch ist er auch freygebig / er verzehrt seinen Raub nicht allein / sondern theilt auch anderen Thieren mit. Auch der sittliche Löw Christus / als es ihn so starck nach dem Heil der Seelen gehungeret / da hat er sich in die Hohe auf den Calvari-Berg begeben / er ist an das Creutz gestiegen / und hat die sündige Menschen betrachtet / und als seinem bestimmten Raub clamore valido, mit einem starcken Geschrey einen heilsamen Schröcken eingejagt / und also das Hertz berührt /daß ihrer vil gestanden seynd in dem Lauff der Sünd und Laster / und sich diesem unüberwindlichen Löwen gäntzlich ergeben haben: mithin hat er sie gefangen geführt in vinculis Charitatis, in den Banden der Liebe / nicht zu dem Todt oder Verderben / sondern zu dem Heil und dem Leben: dann er ist gleich jenem Löwen / in dessen Maul der Samson das Honig gefunden hat: ex forti dulcedo, 13 lauter Lieb und Süßigkeit. Es hat auch dieser gütige und sanfftmüthige Löw den Honig-Fladen seiner Glori und Glückseeligkeit nicht allein geessen / Buccellam gloriæ non comedi solus: sondern zu erst seinen Apostlen / hernach allen / die sich dessen fähig gemacht / getreulich und reichlich mitgetheilt. Wie man sagt / wann der junge Löw zur Welt gebohren wird / da liegt er 3. Tag lang als todt da / gantz unbeweglich und ohne Sinn: aber am dritten Tag thut ihn der alte Löw mit einem so hefftigen Geschrey / von dem gleichsam die Höhle erzitteret / aufwecken / und erst recht lebendig machen. Auch Christus ist dem Leib nach in die 3. Tag lang wahrhafftig todt in dem Grab da gelegen: aber am dritten Tag hat ihn sein himmlischer Vatter von den Todten auferwecket / und das vollkommne Leben der Glori ertheilt / mit einem so hefftigen Gewalt und Thon / daß die Höhle / das Grab darvon erbedmet oder gezitteret hat. Terræ motus sactus est magnus: 14 es ward ein grosser Erdbedem.

Jener obgemeldte Löw hat es seinem Gutthäter / so ihme einen Dorn aus dem Fuß gezogen / getreulich vergolten / und deßwegen beym Leben erhalten: aber noch vil reichlicher wird es uns mit dem ewigen Leben vergelten und belohnen der sittliche Löw Christus / wann wir ihm durch andächtige Betrachtung und danckbares Mitleiden die Dörner aus dem Haupt / und die Nägel aus den Händ- und Füssen ziehen /mit welchen er wegen unseren Sünden ist durchstochen worden.

Man schreibt / das Blut von dem Löwen gedörret und zum Pulver gemacht / heile den Krebs / wann mans darauf streuet: das Schmaltz oder die Fette von dem Löwen mit Rosen-Wasser gemischt und angestrichen / vertreibe die Fleck und Mackel in dem Angesicht / und seye ein kräfftiges Mittel wider die gifftige Schlangen-Biß etc. 15 Auch seine Gall mache helle Augen / und etwas darvon eingenommen / seye [299] gut für die hinfallende Kranckheit und das 4tägige Fieber. Noch vil grössere Krafft hat das Blut des sittlichen Löwens / der Christus ist / dann es waschet ab das Angesicht der Seelen / und reiniget sie von den Macklen der Sünden / es erleuchtet die Augen des Verstands / und ist sehr kräfftig wider die tödtliche Biß der höllischen Schlangen. Auch die Gall dieses Löwen / das ist / die Straff und Bedrohung ist ein Mittel für das Hinfallen oder Wiederfallen in die vorige Sünd und Laster / und wider das Fieber des Geitzes / der Hoffart / der Geilheit etc.

Aber die Löwin ist von Natur ein geiles Thier / sie vergnügt sich nicht mit dem Löwen / sondern vermischet sich zu Zeiten mit dem Panterthier: wann aber der Löw aus dem Geruch diese Untreu und gleichsam begangnen Ehebruch der Löwin vermercket / da erzürnet er sich hefftig / und thut sich gewaltig an ihr rächen. 16

Durch die Löwin wird angedeutet ein Christliche Seel / die an ihrem himmlischen Bräutigam / mit dem sie in dem H. Tauff ist vermählet worden / untreu wird / und einen geistlichen Ehebruch begehet / so offt sie mit dem bösen Feind zu thun hat / und sich mit ihm durch die Sünd vermischt / über welche grosse Untreu sich der Löw von dem Geschlecht Juda /der himmlische Bräutigam billich erzürnet / und selbe mit dem ewigen Todt straffet. Aber die Löwin / wann sie sich wegen begangner Untreu schuldig weißt / befleißt sich dem Zorn und der Straff des Löwens vorzukommen / und schaut / daß sie sich alsobald in frischem Wasser baden oder waschen thue / alsdann vermerckt es der Löw nicht / was sie gethan hat / und sie bleibt ungestrafft. Also soll es auch ein sündige Seel machen / nach begangener Missethat und verübter Untreu gegen ihrem himmlischen Bräutigam / soll sie sich alsobald waschen und reinigen in dem Heil-Bad der Buß / der reumüthigen Buß-Zäher / so wird er ihr verzeyhen / und ihr die Schuld nachlassen / gemäß dem Versprechen: Wann sich der Ungerechte von seinen Sünden bekehrt / und thut Buß / so will ich seiner Sünden allesamt / die er begangen hat /nicht mehr gedencken etc. 17 Derowegen heißt es da: lavamini, mundi estote: 18 Waschet euch / seyd rein etc.

Noch von einem grimmig- und grausamen Löwen sagt uns der Heil. Apostel Petrus / vor welchem wir uns fleissig hüten sollen / und dieser ist der höllische Feind / welcher die böse Eigenschafften eines grausamen Löwens an ihm hat / und herum gehet wie ein brüllender Löw / suchend wen er verschlinde. 19 Diesem sollen wir starcken Widerstand thun / aber wie?In fide, sagt der Apostel-Fürst / in dem Glauben: aber nicht nur in einem lauen todten / sondern lebhafften eyfrigen / ja feurigen Glauben / der mit dem Feur der Liebe GOttes entzündet ist; dann dieses Feur der Lieb förchtet der höllische Löw gewaltig: und auch das Krähen des Hahnens / das ist / die Nüchtere und Wachtbarkeit. Darum ermahnet uns der Apostel: Sobrii estote, & vigilate: Seyd nüchter / wachet etc. Wiederum durch das Hahnen-Geschrey / das ist /durch ein andächtiges Morgen-Gebett wird der höllische Löw von uns verjagt und abgehalten.

In sensu politico, in politischem Verstand sollen Löwen seyn (die gute Eigenschafften betreffend) die König und Fürsten / alle Regenten / Richter und Obere / ja alle gerechte und rechtschaffne Männer. 20 Sie sollen starck und großmüthig seyn in Ubertragung der Beschwerden / und Verrichtung ihrer Geschäfften / die sich bey hohen Ampts-Verwaltungen ereignen /keines wegs ihnen einbildend / als wären sie über andere erhoben und zu Ehren gesetzt / daß sie nur ihrer Kommlichkeit pflegen / dem Müßiggang und Wohlleben sich ergeben / und nicht vilmehr auf das Beste der Unterthanen / und auf den gemeinen Nutzen beflissen seyen.

Hertzhafft und unerschrocken sollen sie seyn in Uberwindung der Gefahren / in Bestreitung der Feinden / in Beschützung des Vatterlands / in [300] Handhabung der Unschuld und Gerechtigkeit / worvon sie sich durch keine Forcht / durch keinen menschlichen Respect oder eignes Interesse sollen abhalten oder abschröcken lassen. Doch sollen sie das Feur förchten als wie der Löw / ich verstehe das höllische Feur und das Zorn Feur GOttes. Wie auch das Krähen des Hahnens / ich verstehe die Straff-Wort und Ermahnungen der Prediger und Beichtvätter sollen sie respectiren /auf daß sie sich nicht übernemmen / und keine Ungerechtigkeit begehen. Dann obwohlen es heißt: Justus quasi leo confidens absque terrore erit: 21 Der Gerechte ist getröst und sicher ohne Forcht. So stehet doch auch geschrieben: Beatus vir, qui timet Dominum, in mandatis ejus volet nimis: 22 Seelig ist der Mensch / der den HErrn förchtet / er wird grossen Lust haben an seinen Gebotten.

Der Löw ist nicht so grimmig / daß er sich nicht auch besänfftigen lasse / wann er schon ist beleidiget worden / so vergnügt er sich gleichwohl / wann er nur seinen Beleidiger vor sich auf der Erden gedemüthiget und ihne förchten sihet: absonderlich thut er schwachen Weibsbilderen und jungen Kinderen verschonen / ja solche selbsten wider andere wilde Thier beschützen / und denen / die ihm einen Dienst oder Gutthat erwiesen haben / thut er sich sehr günstig und danckbar erzeigen. Auch die grosse Herrn Vorsteher und Regenten sollen sich erweichen und besänfftigen lassen / wann die Delinquenten oder Ubelthäter ihre Schuld genugsam erkennen / bereuen und abbitten /mit Versicherung einer ernstlichen Besserung.


Parcere subjectis, & debellare superbos.
Ist ein recht Königlich- und Fürstliche Tugend.
Schonen dem der sich thut ducken /
Stoltzen Hochmuth unterdrucken.

Absonderlich sollen sie sich günstig und mitleidig erweisen gegen den Schwachen und Bedrangten / die ihnen selbst nicht helffen können / die Wittwen und Waisen sollen sie beschützen wider den Gewalt der Mächtigen / welche sie oder das Ihrige unbillicher Weiß anfechten / und ihnen die Gerechtigkeit schleunig lassen angedeyen. Ferners denen getreuen Beamten / Kriegs-Leuthen / Bedienten / Künstler und Handwercksleuthen sollen sie ihren gebührenden Lohn und Besoldung ohne Aufschub und Hinterhalt fleißig entrichten / und denen bedürfftige arme Unterthanen von ihrem Reichthum und Uberfluß mittheilen / und etwas geniessen lassen / gleichwie der Löw /wann er satt ist / auch anderen Thieren von seinem Raub mittheilet. Wann sie aber dieses und dergleichen nicht thun / wann sie unerbittlich und unbarmhertzig seynd / wann sie hochmüthig und geitzig / die Arme verachten / die Unterthanen unbillich pressen und beschwehren etc. so seynd sie ärger und grimmiger als die Löwen.

Der Löw thut zwar öffters die andere Thier mit seiner gewaltigen Stimm erschröcken / aber darum nicht allzeit beissen und reissen: auch der Himmel pflegt offt und lang zu donneren / aber nicht gleich einzuschlagen: also auch ein geistlich- und weltliche Obrigkeit mag wohl zum öffteren mit ernstlichen Drohworten den Untergebnen ein heilsame Forcht einjagen / sie im Zaum und in den Schrancken der Gebühr zu halten / aber sie soll nicht zu offt und zu gäh zu der würcklichen Straff greiffen nach dem Exempel des höchsten Richters und Regenten / nemlich GOttes /von welchem David der sanfftmüthige König und kluge Regent in Israel gesprochen hat: Dedisti metuentibus te significationem, ut fugiant à facie arcûs: 23 Er deutet an denen die ihn förchten /damit sie fliehen vor seinem Pfeil und Bogen / dardurch klärlich anzuzeigen / daß er niemand zu verletzen / sondern nur die Schuldige zu verbesseren begehre. Es solle nemlich an dem Schiff des gemeinen Weesens die Strengheit und Güte / die Forcht und Liebe zugleich das Steur-Ruder führen / auf daß nicht die allzugrosse Güte den Weg zu der schädlichen Freyheit und [301] den Lasteren bahne / noch die allzugrosse Strengheit die Unterthanen zur Aufruhr und in die Verzweifflung bringe.

Der Löw / wie gemeldet worden / schlaffet selten oder wenig / und zwar mit offnen Augen / und deßwegen wird er auch schlaffend von den anderen Thieren geforchten / welche ihm deßwegen nicht trauen / weil sie nicht wissen / ob er schlaffe oder wache. Eben also sollen es auch die politische Löwen / die Fürsten / Richter und Regenten machen / sie sollen nicht offt und lang schlaffen / das ist / nicht zu vil der Ruhe pflegen und sich ergötzen: und wann sie auch ruhen oder sich erlustigen / da sollen sie gleichwohl ein offnes oder wachtbares Aug haben / die Geschäfft und Obsorg nicht gäntzlich auf die Seiten legen / und ausser Acht lassen / auf daß nicht ihre Feind oder untreue und hinläßige Uuterthanen Zeit finden und Gelegenheit nemmen / ihre böse Anschläg und Vorhaben auszuführen / sondern allzeit ihnen förchten müssen /daß / wann sie unrecht thun / erdappet und zur Straff gezogen werden.

Aber es gibt leyder vil böse Regenten / ungerechte Richter und Wucherer / die weder die Hertzhafftigkeit / Stärcke oder Wachtsamkeit / wohl aber die Grausamkeit eines zornigen oder hungerigen Löwens haben / und also Blut- oder Geld-gierig seynd / daß sie alles angreiffen / und niemand verschonen sie. 24 Der Löw ist ein so gefrässiges Thier / daß er die Speiß gar nicht verkäuet / sondern gantz hinunter schlucket: er frisset auch auf einmal so vil / daß er gantz schwermüthig wird / und darauf etliche Täg lang fasten muß. Wann er aber von den Jägeren verfolgt wird / alsdann / damit er desto besser entlauffen möge / wann er ihnen aus dem Gesicht ist (dann sonsten / wie schon gemeldet worden / nimmt er kein eilfertige Flucht) da wirfft er die überflüßige Speiß wiederum aus / oder zieht sie mit den Bratzen aus dem Rachen herauß / nemlich das Fleisch von den Thieren / die er erwürget und gefressen hat: wann ihm der Hunger aber wieder kommt / da frißt ers von neuem hinein.

Eben also machen es die ungerechte Richter /Geitzhälß und Wucherer / welche sehr Geld-hungerig und begierig zum Rauben seynd: sie verschlucken und verzehren die Substanz, das Haab und Gut der Armen und Einfältigen / ohne Verkäuen / das ist / ohne Bedencken / ohne Gewissen / mit was Fug und Recht /oder wie sie es verantworten werden. Sie füllen den Bauch ihrer Häuser an mit frembdem Gut / als wie der Löw seine Grub mit dem Raub / von dem er auch seine Junge ersättiget und rauben lehret: also thun diese mit dem ungerechten Gut ihre Weib und Kinder reichlich ernähren und stattlich halten / mithin auch die Leuth betrugen und schinden lehren. Wann sie aber von frembdem Gut feißt worden / und folgends in dem Gewissen sich beschweret befinden / alsdann halten sie zu Zeiten ein wenig ein / und wann die Jäger ihnen nachsetzen / ich will sagen / wann ein schwere Kranckheit an sie kommt / wann der Todt herbey nahet / und der Beichtvatter ihnen zuspricht /da speyen diese Löwen etwan mehrers aus Forcht als wahrer Reu / etwas von dem Raub durch die Beicht und Heimstellung des ungerechten Guts herauß: aber wann sie der Todts-Gefahr wieder entrunnen / oder aufkommen / und der Geld-Hunger / der Geitz auf ein neues ankommt / da schlucken sie es wieder hinein: mithin geben sie (als wie ein Löw / wann er sich voll angefressen hat) einen sehr übelstinckenden und vergifften Athem von sich / das ist / sie haben einen üblen Ruff / und geben Aergernuß / und verursachen vil Unmuth und Fluchens bey denen / die sie beraubt und betrogen haben.

Der Löw macht nicht nur ein grosses Geschrey /sondern hat auch eine grosse Stärcke / und deßwegen förchtet man ihn schon / so bald er sich nur hören lasset: Ein anderes ist es mit dem Esel / bey deme nichts als ein läres Geschrey ist. 25 Als einstens der [302] Löw den Esel liesse mit ihm spazieren gehen / da bildete ihm dieser nicht wenig ein: und deßwegen / als er von fern ein gantze Schaar Wölff beysammen gesehen / da fieng er überlaut an zu schreyen / und vermeinte / die Wölff sollen ab ihm erschröcken und darvon lauffen /das hätte ihm gefallen: aber nichts wenigers ist geschehen. Die Wölff stunden alle still / sie lachten ihn aus / und sprachen: Der gute Langohr hat zwar ein grosses Maul / aber ein kleines Hertz / lange Ohren /und einen kurtzen Verstand. Hingegen / so bald sie den Löwen nur erblicket haben / obwohlen er kein Maul aufgethan / da seynd sie ab ihm erschrocken /und alle eilends darvon geflohen. Dieses verdrosse den Esel / und er klagte dem Löwen seinen von den Wölffen erlittenen Schimpff: der Löw aber gabe ihm gar weißlich zur Antwort: Es heißt eben bey dir: vana sine viribus ira, mit leerem Thon / jagst keinen darvon. Du machst vil Geschrey / sonst nichts darbey /dann was ist das Geschrey anders / als ein ausgestoßner Thon aus einer leeren Brust / welcher um so vil stärcker ist / je leerer die Brust ist. Demnach sollest du wissen / daß / wer vil Geschrey macht / von den Weisen nicht hoch geachtet / noch weniger geforchten wird / sondern vilmehr verachtet: dann / weil ein solcher Schreyer gantz windig und leer ist / so wissen sie wohl / daß wenig Krafft in ihm stecke. Auch ein Soldat achtet nicht den Schall der Paucken und Trompeten des feindlichen Heers / auch nicht den Knall des Pulvers / wohl aber die Kuglen / Schwerdt und Degen. Nachdem der Löw dieses geredet hatte / giengen sie weiters fort / und kamen zu einem Sumpff oder Wasser-Teich / worinnen vil Frösch verborgen waren / die ein grosses Geschrey machten. Der Esel erschrack darüber / er spitzte die Ohren ein halbe Elen lang über den Kopff aus / und vermeinte / es seyen lauter grosse Thier: Der Löw aber lachte darzu /daß der Esel ein solche Lettfeigen / und das Quagzen der Fröschen fürchtete / da doch die Wölff sein Geschrey nicht geforchten haben; und als einige Frösch herauß hupfften / hebte er gemächlich den Fuß auf /und zertratte sie. Alsdann wendete er sich wieder zu dem Esel / und sprach: So lerne dann endlich / du tummes Hirn / daß man sich von der leeren Stimm oder blossen Worten nicht soll schröcken lassen /noch auch mit der Stimm oder Worten sich proglen oder prahlen / sondern vilmehr das Werck erwarten /und in der That / was man vermöge / zeigen.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Elephanten.

Der Elephant ist ein gewaltig groß und starckes / ja das allergröste und auch das gescheideste oder geschicklichiste unter allen vierfüßigen Thieren: Er ist gar familiar oder gemeinschafftlich mit den Menschen / er liebt sie sehr / und laßt sich von ihnen auf verwunderliche Weiß ziehen und abrichten. 26 Er hat gar vil und merckwürdige Eigenschafften / wie bey den Naturalisten und Historicis zu sehen ist / welche alle zu erzehlen mir zu weitläuffig wären / der ich mir etwas / nicht alles / von den fürnehmsten Thieren zu schreiben vorgenommen habe.

Es werden aber die Elephanten in hitzigen Länderen gefunden / in Asia und Africa / dann die Kälte ist ihnen gar nicht anständig / doch lieben sie auch sumpffige und wässerige Ort. In Indien soll es so grosse geben / daß sie biß 9. Elenbogen hoch / und 5. breit seynd. Ihre Farb ist gemeiniglich schwartz oder grau / sie haben keine Haar / sondern eine rauhe geruntzlete Haut / ihr Rucken ist gantz hart / der Bauch aber weich. Sie haben breite abhangende Ohren / ein sehr lange Nasen / oder kröspleten hohlen Schnirckel wohl etliche Elen lang / mit welchem sie doch auch kleine Sachen / als etwan das Geld fassen / und allerley Arbeit gar artig verrichten können. Mit diesem Schnirckel bringen sie Speiß und Tranck zum Maul /dann sie können ihn ausstrecken oder einziehen / [303] und schnauffen auch dardurch / sie haben eine grosse Stärcke darinnen. Für das Maul gehen 2. gar grosse / wenigist bey 2. Elen lange / und mehr als Arm-dicke Zähn herauß (und dise seynd das schöne weisse Helffenbein) die so starck seynd / daß sie grosse Aest von Bäumen darmit abhauen / ja auch gantze Bäum umfällen mögen (sie fallen ihnen zu gewissen Zeiten ab /und wachsen andere) hingegen haben sie kein gar grosses Maul / und ein kleine / doch etwas breite Zungen / sie haben sehr plumpe runde Füß / und fast kein Bein noch Geleich darinn / aber einen zimmlich langen dinnen Schweiff.

Die Elephanten seynd vor Zeiten starck im Krieg gebraucht / und zum Streiten abgerichtet worden / wie in Heil. Schrifft lib. 1. & 2. Machab. in unterschiedlichen Capitlen zu lesen ist. Man hat ihnen höltzerne Thürn aufgesetzt / worinn 10. 12. biß 20. gewaffnete Männer sich befunden / und wider den Feind gestritten haben. Wann man sie hitzig und zum Streit muthig machen will / giebt man ihnen Wein zu trincken /oder thut ihnen Blut oder einen rothen Safft vorweisen. Ihre Nahrung in den Wälderen ist von Wurtzlen /faulen Holtz / Baum-Früchten etc. und wann sie einen Raub bekommen / da ruffen sie ihre Gespanen auch darzu: wann sie aber zahm seynd / werden sie mit Gersten / Haber / Heu auch Brod gefütteret. Sie haben ein heissere und schnurrend- oder brummlende Stimm / aber einen sehr scharpffen Geruch / und werden mit wohlschmeckenden Dingen gantz zahm gemacht. Auch ein gar gute Gedächtnuß / und wann man sie beschädiget / rächen sie sich über lang. Sie trincken kein klares Wasser / sondern machens allzeit zuvor trüb /damit sie ihre häßliche Gestalt nicht darinn sehen müssen.

Es haben zwar die Elephanten auch ihre Zuständ und Kranckheiten / doch wissen sie ihnen selber zu helffen / und werden gar alt / sie leben biß anderthalb oder 200. Jahr lang: wann einer in der Jagd verwundet wird / so helffen ihme die andere mit dem Alve, und bestreichen ihm die Wunden darmit: Ihre Junge traget die Elephantin 2. Jahr lang in dem Leib / und gebähret nicht mehr als eins: sie seynd von Natur recht schamhafftige und keusche Thier.

Gefangen werden sie / wann man ihnen eine verdeckte Grub macht / worein sie fallen / oder einen Baum / an welchem sie sich zu Nacht anleinen / wann sie schlaffen wollen / halb umhauet / darmit er mit ihnen breche und niderfalle / dann niderligen thun sie nicht / weil sie vor Schwere nicht mehr kunten aufstehen. Wann sie mercken / daß sie von den Jägeren wegen der Zähnen / dem Helffenbein verfolget werden / da schlagen sie selbe ab / und lassens ligen / damit man ihnen nicht mehr nachsetze.

Sie brauchen auch diese Klugheit mit ihren grossen Zähnen / daß sie mit dem einen zwar die Wurtzlen ausgraben / reissen und beissen etc. den anderen aber spahren und schonen sie allzeit / daß er nicht stumpff werde / sondern scharpff und zum Streiten / wann es vonnöthen / tauglich bleibe.

Die Elephanten seynd für sich selber gantz zahm und fromm / wann man sie aber böß macht / und sie recht ergrimmen / da schonen sie niemand. 27 Sonsten werden sie leicht heimisch / lassen sich abrichten /und lernen allerley Arbeit und Künsten / mit verwunderlicher Hurtig- und Geschicklichkeit / mehrentheils mit ihrem langen Schnirckel zu verrichten / so wohl im Feld als zu Hauß. Sie können Holtz und Wasser zutragen / fechten / tantzen / einen Stein nach dem Zihl werffen / Paucken schlagen / Geld zehlen / Karten mischen / Reverentz machen / den Fahnen schwingen etc. und vil mehr anderes. Ja sie verstehen auch einiger massen die Sprach ihrer Meisteren / die sie gewohnet haben / also / daß sie ihrem Befehl fleißig nachkommen. Sie begraben auch ihre Todte / wann sie den Cörpel antreffen / machen sie mit dem Schnirckel ein Loch in die Erden / und schieben ihn darein / oder reissen Aest an den Bäumen / und bedecken [304] ihn. Ihre Elteren verlassen sie niemahl / sie haben selbe in Ehren / ernähren und beschützen sie auf alle Weiß (mercket es / und schämet euch ihr undanckbare Kinder) und wann ein alter in eine Grub fallet / da tragen sie Stangen zusammen / und machen ihm gleichsam eine Stiegen / daß er wieder herauß komme; und wann einer fällt / helffen ihme die andere wiederum auf / das doch die Menschen offt nicht thun: Eine sonderbare Lieb haben sie zu ihrer Heimath und Vatterland / und wann sie in frembde Länder entführt werden / da vergessen sie dessen niemahl / sondern trauren und seuffzen immer darnach / also /daß sie offt vor Unmuth sterben.

Wolte GOTT! daß auch die vernünfftige Menschen / die Catholische Christen solches Verlangen trugen nach dem himmlischen Vatterland / und desselben nicht so leichter Ding vergessen thäten!

Die Elephanten verletzen kein schwach- oder kleines Thier / ja sie geben wohl acht / daß sie keines vertretten oder verdrucken: Wolte GOtt / daß auch unter den Menschen die Schwache von den Mächtigen nicht unterdrucket wurden! Sie seynd gegen ihren Gutthäteren sehr danckbar und erkanntlich. 28 Ein Indianer hatte einen jungen Elephanten / der gantz weiß an der Farb war (das was rahres ist) den er auferzogen / ernähret und zahm gemacht hat: Er ritte auf ihm / liebte ihn sehr / und wurde von ihm geliebet. Der König des Lands wurde es innen / und verlangte von dem Indianer / er solle den Elephanten ihme geben: dieser aber weigerte sich / und flohe samt dem Thier in die Wildnuß hinauß. Der König aber schickte ihm nach / mit Befehl / das Thier mit Gewalt zu nemmen / und ihn gefänglich einzubringen: Und als die Abgeschickte ihn auf einem Berg angetroffen / da warffe dieser mit Steinen auf sie herab / und es hat auch der Elephant /seinem Meister zu helffen / und ihn zu beschützen /grossen Widerstand gethan. Als aber in solchem Streit der Indianer verwundet und getödtet von dem Berg herab gefallen ist / da hat das Thier an statt seines Herrn grausam gestritten / vil von den Feinden umgebracht / und andere in die Flucht gejagt: alsdann aber seinen geweßten Meister mit dem Schnirckel aufgefaßt / zu begraben nacher Hauß getragen. Eben dergleichen begiebt sich in dem Krieg in Persien und Medien / wann einer von den streitenden Männeren /so der Elephant auf seinem Rucken hat / von dem Feind herab gestürtzt wird / da bemühet sich das Thier aufs wenigist den todten Cörper mit seinem Schnirckel von dem Boden aufzuheben / und wiederum zu den Seinigen zu bringen.

Es hatte ein Herr einen Elephanten / deme er einen Knecht / ihn täglich und fleißig zu futteren / bestellt: dieser aber hat ihm zum öffteren einen Theil von dem verordneten Futter hinterschlagen und abgestohlen /welches der Elephant wohl gemercket hat. 29 Deßwegen / als ihm einstens der Knecht in Gegenwart des Herrn das gantze Futter gabe / da sönderte er einen Theil (so vil ihm nemlich der Knecht pflegte abzuziehen) mit dem Schnirckel darvon ab / schobe ihn dem Knecht wieder zu / und schauete seinen Herrn an / mit deuten anzeigend / und gleichsam sagend / so und so vil stehle ihm der Knecht vom Futter ab / wann es der Herr nicht sehe / und also hat er ihn gar artig wegen seiner Untreu verrathen und angeklagt. Ein anderer hingegen ware unweit von dem Pferdt-Stall entfernet /es hungerte ihn / und deßwegen / als man den Pferdten das Futter aufgeschüttet hatte / langte er mit seinem langen Schnirckel hinüber / zoge einem Pferdt einen Theil von seinem Futter hinweg zu ihm herüber / und fraß es auf; aber es hat ihn bald wieder gereuet /er gedenckte ihm / das seye ein Unrecht / er müsse es wiederum heimgeben: Deßwegen / als man ihm auch ein Futter gebracht / da schobe er einen Theil darvon /so vil er nemlich dem Pferdt genommen hatte / wiederum mit dem Schnirckel hinüber / und thäte also redlich restituiren. O Schand! daß ein wildes [305] Thier ein besseres Gewissen und mehr Redlichkeit haben soll als manche Menschen / die sich nicht scheuen fremdes Gut an sich zu ziehen / und doch an kein Heimstellen gedencken.

Wiederum ein anderer Elephant vermerckte / daß sein Herr die Ehefrau gar nicht gern habe: ja daß er /weil sie ihm zu lang gelebt / sie gar umgebracht /heimlich in seinem Stall begraben / und ein andere /die er lieber gesehen / geheyrathet habe. Als nun einstens diese neue Frau den Elephanten allein in dem Stall besuchte / da ergriffe er sie gemächlich mit dem Schnirckel bey dem Kleid / und führete sie zu der Grub / wo der Todten-Cörper der vorigen Frauen begraben lag: er scharrete die Erden auf / und zeigte ihr denselben: gleichsam als wolte er sagen / schaue /was du für einen sauberen Mann hast / und gibe Acht / daß er es dir nicht auch also mache / als wie seiner vorigen Frauen.

In Ost-Indien soll es ein solche Menge Elephanten geben / daß der König selbiger Landen alleinig etlich tausend unterhaltet / ohne was die andere grosse Herren thun / obwohlen solche Thier wegen ihrer Grösse zu verpflegen sehr vil kosten / und jedes alle Tag aufs wenigist etliche Thaler verzehret. 30 An dem Geburts-Tag des grossen Mogols werden vil Elephanten gar prächtig mit Sammet und Seiden gekleidet / mit Gold und Silber reichlich behänget / gezieret aufgeführt / ja einige auch mit Edelgesteinen geschmucket / welche alle wohl abgerichtet seynd / dem König Reverentz und andere Ceremonien zu machen. Auch zu gewissen anderen Zeiten werden in seiner Gegenwart eine Anzahl der Elephanten / die zum Streiten trefflich abgerichtet seynd / auf den Schauplatz geführt / welche nach gemachter Knyebiegung und Complementen gegen dem König / auf gegebnes Zeichen wider einander kämpffen: Da ist Wunder zu sehen / mit was für Eyfer / Ehrsucht und Hurtigkeit diese Thier streiten /und wie ein jedes in Gegenwart des Königs den Sieg darvon zu tragen sich bemuhet. Damit sie aber einander nicht umbringen / giebt man wiederum ein Zeichen zum Aufhören: alsdann lassen sie ab vom Kämpffen / umbsangen einander mit ihren Rießlen /und machen wiederum Fried.

Zur Belohnung des Streits werden ihnen etliche Büschelein von Zucker-Rohren und anderes angenehmes Futter samt einem gewissen Tranck gegeben.

In dem Königreich Siam werden die Elephanten gebraucht theils zum Streiten in denen Schlachten /theils das grobe Geschütz und Proviant zu tragen. Die weisse aber seynd sehr rahr und hoch geschätzt / und werden kostbar verpflegt.

Gewiß ist es / daß die Menschen / absonderlich die Christliche Eheleuth und Elteren vil Gutes von den Elephanten ersehen und erlernen können: dann es seynd diese Thier in Beobachtung der / also zu reden /gleichsam ehelichen Pflicht / Treu und Ehrbarkeit recht verwunderlich und genau / sie handlen nicht nur selber nichts darwider / und vermischen sich wohl ihr Lebtag nie mit einem anderen Thier / sondern sie hassen den Ehebruch sehr auch unter den Menschen. 31 Ja es hat sich begeben / daß ein Elephant / als er seines Herrn Eheweib im würcklichen Ehebruch erdappet hatte / samt dem Ehebrecher umgebracht / und es seinem Herrn angezeigt hat / wie er die Untreu an statt seiner gerochen habe. Sie vermischen sich gar selten / und nicht mehr / als es zu Erzeugung eines Jungen vonnöthen ist: alle 2. Jahr nur 5. Täg lang: alsdann stehen sie gleich wiederum darvon ab / und vermeiden allen fleischlichen Wollust. Wann sie auch miteinander zu thun gehabt / da gehen sie nicht wieder unter die andere Elephanten / sie haben sich dann zuvor fleißig im Wasser gebadet.

Es gehet und waidet auch der Elephant nicht alleinig / sondern in Gesellschafft seiner Mit-Consortin /die er inniglich liebet / und mit absonderlicher Sorgfalt beschützet / wann sie gebähren thut. Aus welchem genugsam erscheinet / [306] wie sich der Ehemann gegen seinem Eheweib verhalten solle.

Ferners ist auch die Christliche Kinder-Zucht von den Elephanten zu lernen. 32 Dann diese Thier tragen grosse Lieb und Sorg gegen ihren Jungen / sie beschützen und bewahren sie aufs fleißigist vor dem Dracken / der ihr Feind ist / und ihnen nachstellet /und wann sie in eine Grub fallen / bemühen sie sich auf alle Weiß / ihnen wiederum herauß zu helffen. Solche Lieb und Sorg sollen alle Christliche Elteten über ihre Kinder tragen / selbige durch gute Unterweisung und Anmahnung wider den höllischen Dracken /den bösen Feind / der ihnen nur gar zu starck nachstellet / beschützen und bewahren / auch wann sie würcklich in die Grub einer Sünd gefallen seynd /durch kräfftiges Zusprechen und eyfriges Gebett wiederum herauß helffen.

Die Elephanten pflegen aus natürlichem Antrieb alle Monath zur Zeit des Neumonds häuffig bey einem Wasser-Fluß zusammen zu kommen / sich zu waschen / und durch Biegen der Füssen und Neigung des Haupts den Neumond zu begrüssen und zu verehren: zur solchen Zeit und Ceremoni aber nemmen sie ihre Junge fleißig mit / und thun selbe auch zeitlich darzu gewöhnen und abrichten.

Eben also sollen auch die Christliche Elteren zu behörigen Zeiten nicht nur für sich selbsten fleißig zu dem Gnaden-Fluß der HH. Sacramenten / der Beicht und Communion gehen / ihre Seelen von aller Mackel der Sünden zu reinigen und zu waschen / GOTT den HErrn anbetten und verehren / sondern auch ihre Kinder sollen sie zeitlich und fleißig darzu gewöhnen und abrichten.

Wir haben gehört / wie die Elephanten in Indien in Gegenwart des Königs so züchtig und ehrbar sich aufführen / und ihn mit Reverentzen so höflich verehren: Wolte GOtt / daß die Christliche Kinder von ihren Elteren in der Kirchen so eingezogen und ehrerbietig sich zu verhalten / und dem höchsten König des Himmels den schuldigen Respect zu erweisen gelehret und angeführet wurden: nach dem preißwürdigen Exempel des frommen alten Tobiä / der seinen Sohn von Jugend auf gelehret GOTT förchten und von aller Sünd sich zu enthalten.

Man schreibt auch von den Elephanten / daß /wann sie einen Menschen in der Wildnuß antreffen /der sich verirret hat / und den Ausgang von einem dicken Wald nicht mehr finden kan / da geben sie ihm einen Wegweiser ab / führen ihn hinauß / und beschützen ihne von den wilden Thieren. O wie offt und wie übel verirren die junge Söhn und Töchteren in der Wildnuß dieser sündigen Welt / und weichen gar weit ab von dem rechten Weg der Tugend und Gottesforcht. Da solten nun die Elteren ihnen durch ein gutes Exempel vorgehen / durch gute Ermahnungen und Zusprechen sie auf den rechten Weg des Heils und der Seeligkeit anweisen.

Als einstens etliche muthwillige Knaben einen Elephanten lang vexirten / oder mit Werffen / mit Stupffen und Zupffen plagten / da hat er es zwar lang gedultig gelitten und nichts gemacht: endlich aber / da sie ihm es zu lang und grob machten / ergriffe er einen schnell mit seinem langen Schnirckel / er schwange den Knaben in die Höhe / und thate dergleichen / als wolte er ihn mit Gewalt auf die Erden schmeissen: da erhube sich ein erbärmliches Geschrey: der Elephant liesse sich erweichen und befriedigen / daß er den Knaben geschröckt und durch die Forcht gezüchtiget hatte / und stellte ihn sänfftiglich wiederum auf den Boden nieder. O wohl ein verwunderliche Sanfftmuth eines so gewaltigen wilden Thiers! Wo ist / O Mensch / deine Gedult / wann man dich beleidigen oder molestiren thut / der du dich wegen empfangner Beleidigung allezeit gleich nach aller Schärpffe rächen wilst? Es sollen auch die Elteren / die Zucht-und Lehrmeister von diesem Elephanten lernen / daß sie die Kinder wegen begangenen Verbrechen nicht aus Zornmuth / sondern [307] mit Glimpff und Discretion straffen oder züchtigen sollen / und zu Zeiten sich vergnügen mit Worten und Bedrohungen / wann auf solche Weiß eine Besserung zu hoffen ist / eine heilsame Forcht einzujagen.

Die Elephanten werden nicht mit dem Biß-Halffter und Zaum regiert / als wie die Pferdt oder Cameel /sondern sie folgen der blossen Stimm dessen / der darauf sitzt: wann sie aber stettig oder widerspennig seynd / da thut mans wohl auch mit Schlägen und Hunger zwingen. Eben also fromme und fleißige Kinder haben nichts als die Wort und die Ermahnungen der Lehrmeisteren / die hinläßig- und ungehorsame aber auch die Straff vonnöthen.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Panterthier, Tiger und Einhorn.

Panthera, das Panterthier hat die besondere Art / daß es aller und jeder Thieren Freund ist / und auch mit allen theilet / was es bekommt / den Dracken allein ausgenommen / den es sehr hasset. 33 Es ist vilfärbig oder geschecket / und gebähret nur einmahl / wie Isidorus schreibt; In der Grösse gleichet es einem grossen Hund / in den Füssen / Klauen und Schweiff aber einer Katzen: es hat scharpffe und starcke Zähn. Auf dem Rucken ist es schwartz und braunlecht / an dem Bauch aber Aschen-farb / und ist überall mit schwartzen Flecken besprengt.

Diese Thier werden in der Landschafft Lybia gezeuget / und werden niemahl heimisch oder zahm gemacht / sondern man muß sie halb todt schlagen /wann man sie nur von einem Ort zu dem anderen bringen will. Sie seynd sehr starck / und zerreissen grosse Hund / den kleinen thun sie nichts. Wann sie sich geduncken stärcker zu seyn / so greiffen sie dem Thier nach dem Kopff / wann sie aber schwächer seynd / so gebrauchen sie sich des Lists.

Doch wie ich lise / soll das Panterthier diese fürtreffliche Eigenschafft haben / daß / wann es die Speiß verdäuet hat / ein sehr annehmlicher Geruch aus seinem Rachen ausgehet / also / daß alle Thier mit Lust sich bey ihm einfinden / und ihm nachfolgen / den Dracken ausgenommen / der es fliehet und hasset. 34

Wegen einigen tugendlichen Eigenschafften kan das Panterthier zum Theil wohl mit der Mutter GOttes verglichen werden. 35 Dann diese ist aller Menschen Freundin / als wie das Panterthier aller Thieren: Sie ist nicht nur ein Mutter aller Gerechten / sondern auch ein Trost und Zuflucht der Sünder. Sie theilet von ihren Güteren / von denen Schätz- und Reichthumen ihrer Verdiensten / Fürbitt und Heiligkeit allen mit /die sie von GOTT empfangen hat / als wie das Panterthier / und gibt einen so edlen Geruch der Tugend und Heiligkeit von sich / daß sie alle an sich ziehet /den Dracken / das ist / den Teufel und die Ketzer ausgenommen / die sie hassen / und von ihr gehasset werden / so lang sie in ihrer Hartnäckigkeit verbleiben. Sie hat nur einmahl gebohren / und ist vilfärbig /als wie das Panterthier / das ist / mit mancherley Tugenden gezieret / laut der Wirten des Psalmisten: Regina in vestitu deaurato circumdata varietate: 36 Die Königin ist gestanden zu deiner Rechten im guldenen Gewandt / umgeben mit vilfärbigem Kleid. Billich derowegen sollen ihr alle Menschen nachfolgen / sie lieben und verehren / als wie die an dere Thier das Panterthier.

Der Tiger ist der Farb nach das schönste unter den vierfüßigen Thieren / dann er ist insgemein weiß-gelb und mit schönen schwartzen Flecken gesprecklet. 37 Er ist grösser als ein Hund / sehr starck und überaus schnell im Lauffen / grimmig und zornig; Er hat scharpffe Zähn und Klauen / und einen langen Schweiff. Die Tiger-Häut werden bey vornehmen Herren für Pferdt-Decken gebraucht.

Die Tiger werden in hitzigen Länderen / benanntlich in Indien und Armenien etc. gefunden. Sie rauben und [308] fallen alles an / was ihnen vorkommt / und kämpffen auch mit Löwen und Elephanten. Wann man ihnen ihre Junge entführt / so muß der Rauber mit schnellistem Pferdt-Lauff sich salviren; dann so bald es die Alte vermercken / gehen sie auf das Gespuhr / und verfolgen ihn mit grosser Geschwindigkeit und Grimmen. In Ost-Indien sollen die Tiger so groß seyn als ein Esel / deren Grimm und Wuth über alle andere Thier ist / und diese haben um das Kin lange Haar / welche sehr gifftig und tödtlich seynd deme / der eines bekommt darvon: Sie verfolgen die Leuth biß in ihre Häuser: Die Inwohner in Bengala werden sehr darvon geschröckt und geplagt. Es seynd aber die Tiger / absonderlich die Farb und Grösse belangend / unterschiedlich und mancherley / wie in dem Indisch- und Sinesischen Lust- und Staats-Garten fol. 1457. etc. zu ersehen ist. Anderst seynd die Mexicanische / anderst die Americanische beschaffen / einige seynd röthlecht / andere mit vilerley Flecken also unterschieden / als wann sie zierlich mit dem Pemsel gemahlt wären: die gröste und stärckiste sollen sich in America befinden / welche auch über die Löwen obsiegen / und allda für den König der Thieren gehalten werden. Wann die Tiger einen Raub ersehen / thun sie ihre gewisse schnelle Spring darauf / die ihnen selten fehlen / und wann sie ein Thier erlegt haben / saugen sie ihm das Blut aus / den Cörper aber nemmen sie auf den Rucken / und tragen ihn in ihre Gruben zu den Jungen / die sie sonsten auch fleißig auf das Rauben und Würgen abrichten.

Das Mittel / wider die Tiger sich zu schützen / ist das Feur / wann man ihnen einen Feur-Brand oder brinnende Fackel entgegen hält. Sie werden gefangen in starcken bretternen Fallen / die mit etlich Centner Stein beschwehret seynd / und ein Hund darinnen angebunden ist: oder auch von dem Jäger / der hinter einem Baum verborgen ist / mit ein und anderem starcken Schuß erlegt. Sie steigen auch hurtig auf die Bäum / und verwüsten den grossen Vöglen ihre Nester.

Es mögen die Tigerthier wegen ihres Blut-Dursts /Grimmen und Grausamkeit wohl mit den Tyrannen /ungerechten Richteren und Wucherern verglichen werden / als welche eben so grausam Blut-durstig und Geld-gierig seynd / daß sie alle die Schwächere angreiffen / aussaugen / um Haab und Gut bringen / und niemand verschonen: inmassen sie durch ihre gewisse Sprüng / falsche Ränck und Griff anderen auf den Halß kommen / ehe sie sich dessen versehen und sich auswinden können. 38

Die Tiger seynd vilfärbig oder geschecket / und halten den Raub / den sie bekommen / gar fest mit ihren Klauen und Zähnen. Auch die Wucherer und Tyrannen seynd vilfärbig / das ist / sie haben vilerleyPrætext, Titul und Vorwänd die Leuth zu betrügen /auszupressen / und um das Ihrige zu bringen: und wer ihnen einmahl unter ihre Zähn und Klauen / das ist /unter ihren Gewalt kommt / den lassen sie nimmermehr / zu solchem Rauben und Würgen richten sie auch ihre Kinder und Nachkömmling ab. Wann sie sich in etwas beleidiget befinden / oder ihrem Geitz etwas entgehen will / da suchen sie schnelle Rach /und haben keine Ruhe / biß daß sie den vermeinten Schaden eingebracht haben.

Wann ein Tiger-Haut neben anderen Thier-Häuten in eine Truhen versperrt wird / da verliehren die andere Häut ihre Haar / absonderlich die / so der Tiger-Haut zum nächsten seynd. Eben auch die neben ungerechten Wucherern und Geitzhälsen leben / und mit ihnen zu thun haben / müssen Haut und Haar / das ist / Haab und Gut lassen. Aber auch / gleichwie die Tiger-Haut andere Häut zerfrisset / also frisset das ungerechte Gut auch das andere hinweg.

Doch ist dieses an den Tigerthieren löblich / daß sie sehr grosse Lieb und Sorg zu ihren Jungen tragen /selbe eyfrigst beschützen / weder Streich noch Wunden achten / sondern für sie streiten [309] biß in Todt. 39 Aus welchem wohl die Seelsorger die Lieb / Sorg und Treu gegen ihren geistlichen Kinderen lernen mögen /mit was Fleiß und Eyfer sie selbe beschützen sollen wider den feindlichen Anfall des bösen Feinds / und von der Sorg ihrer Seelen nicht sollen sich abschröcken lassen durch die Mühe und Ungelegenheit / so sie etwan deßwegen austehen müssen / nach dem preißwürdigisten Exempel des obristen Seelen-Hirtens Christi JEsu / der seine Seel aufgesetzt hat / und sein Leben dargegeben für seine Schaaf. Dieses aber / wie man sagt / soll nur von dem Weiblein zu verstehen seyn / dann die Männlein nemmen sich nicht so vil um die Jungen an / sondern fliehen vilmehr darvon /oder gehen auf den Raub aus: Also machen es die heillose und Gewissen-lose Seelsorger / die ihre geistliche Kinder in der Gefahr im Stich / und dem höllischen Jäger überlassen / und mehr auf den zeitlichen /als der Seelen Gewinn gehen.

Das Einhorn / Unicornium, belangend / so schreiben die Authores, Plinius, Aristoteles, Ælianus und Philostratus so unterschiedlich darvon (wie zu sehen ist in dem Thier-Buch D. Gesneri Teutscher Version fol. 36.) daß es hart ist / etwas gewisses zu berichten /ausser daß dieses ein grimmiges / schnell- und starckes Thier seye / gelblechter Farb / in der Grösse und Gestalt einem Pferdt nicht vil ungleich / ausgenommen / daß es an seinen Füssen unterhalb gespaltne Klauen habe. 40

Das merckwürdigiste / und in der Artzney das kostbariste ist an diesem Thier das bey 2. oder 3. Elen lange / starcke und spitzige Horn / welches an seiner Stirn gerad hinauß gehet / deßwegen es auch Einhorn genennt wird. Wann es mit dem Elephanten streiten will / da wetzt es zuvor das Horn an einem Felsen /und schaut / daß es ihme den Bauch / welcher weich ist / darmit durchsteche und aufreisse; wann es aber fehlt / da wird er von ihm zerrissen.

Das Einhorn soll sich befinden in Mohrenland /auch Indien und Arabien. Wann es über 2. Jahr alt ist / lasset es sich nicht mehr fangen (wohl aber wann es jung ist) sondern er zerreißt alles / und lasset sich ehender umbringen / als fangen oder zahm machen /und förchtet keine Waffen: massen in H. Schrifft geschrieben stehet: Meinest du / das Einhorn werde dir dienen / und werde bleiben an deiner Krippen stehen. 41

Es wollen zwar einige behaupten / das Einhorn habe ein solche Lieb und Hochschätzung gegen der Jungfrauschafft / daß / wann ein schön-gekleidete Jungfrau mit wohlriechenden Salben und Wässeren angestrichen / in der Wildnuß sich nidersetzte / und von dem Einhorn ersehen werde / da laufft es ihr zu /werde gantz mild / lege sich in ihre Schoos / und ruhe darinnen: mithin aber werde es von denen Jägeren gefangen / und seiner Stärcke oder Gewehrs / nemlichen des Horns beraubt (fast wie der Samson in der Schoos Dalilä) Ob nun dieses eine Wahrheit oder Gedicht seye / lasse ich dahin gestellt seyn. Glaublich von dieser Meinung kommt der alte Brauch / daß man zu Zeiten die seeligiste Jungfrau Mariam mit einem Einhorn / so in ihrer Schoos liget / zu mahlen pfleget / und durch das Einhorn den Sohn GOttes selber verstehet /als welcher von der Schönheit und Reinigkeit diser HH. Jungfrauen eingenommen / seine Macht und Strengheit auf die Seiten gesetzt / und in angenommener menschlichen Natur in der Jungfräulichen Schoos Mariä geruhet hat: und also ist er von den Juden als Jägeren gefangen und gebunden worden etc.

Sonsten soll es gewiß seyn / daß das Einhorn ein von Natur keusches Thier seye / also / daß sich das Männlein des Weibleins nicht annemme / als in der Brunst / ausser welcher sie nichts miteinander zu thun haben: ja sie führen immerdar Streit / und verfolgen /ja bringen einander um: und indem sie sonst mit anderen Thieren / neben denen sie waiden / mild und freundlich seynd / so wollen sie doch ihres gleichen nicht gedulten: Daher kommt es / daß [310] es gar wenig dieser Thieren gibt / weil sie durch ihre Uneinigkeit immerdar einander selbst zu Grund richten.

Meines Erachtens können deßwegen die unfriedliche Eheleuth füglich mit den Einhörneren verglichen werden: dann auch diese seynd niemahl fridsam und einig / als wann es ihnen um den fleischlichen Wollust zu thun ist: sonsten kommen sie nicht zusammen / das eine gehet da / das andere dort hinaus / und mögen einander kaum anschauen. 42 Ja sie streiten wider einander / als wie die Einhorn / und verstossen sich also / daß offt das Weib blaue Augen / und der Mann ein verkrätztes Gesicht darvon traget / mithin kürtzen sie einander das Leben ab. Man schreibt von dem Einhorn / es habe ein erschröcklich- und grausame Stimm / die keines anderen Thiers Geschrey gleich seye. Auch ein böses Weib und toller Mann / wann sie hefftig mit einander zancken / haben ein grausame Stimm / das ist / sie hencken einander erschröckliche Schimpff- und Schmäh-Wort / ja so ärgerliche Lästerungen an / dergleichen sonst nicht leicht zu hören seynd. O schandlicher Unfrid!

Ich lise / es habe der König in Pohlen in seinem Schatz 2. Einghürn / deren jedes eines Manns lang seye: und in dem Schatz zu Venedig bey St. Marxen seynd auch 2. grosse Hörnen von den Einhornen zu sehen / welche für sehr kostbar und rahr gehalten werden. 43 Zu Straßburg aber haben vor Zeiten die Domherren in dem Schatz des Dom-Stiffts auch ein solches Einghürn gehabt / welches aber einstens ein Canonicus heimlich gestimmlet / und vornenher bey 4. Zwerfinger-lang abgeseget habe (weilen er gehört hat / daß es sehr gut für das Gifft seye) welches aber die andere Domherren so übel aufgenommen / und den Schaden so hoch empfunden haben / daß sie ihn einhellig ausgeschlossen / und des Canonicats beraubt haben / ja über dieses ein Statutum gemacht / daß von seinem Geschlecht zu ewigen Zeiten keiner mehr könne Domherr zu Straßburg werden.

Weil ich nun höre / daß ein grosses Weesen von den Einghürnen gemacht wird / und selbige in Europa für so kostbar und rahr gehalten werden / so soll ich nicht ungemeldet lassen / daß ein solches Horn würcklich in unserem Reichs-Gottshauß Weingarten zu sehen seye / und von zimmlich vielen Jahren her aufbehalten werde / welches vilen Herren Gästen das Jahr hindurch unter anderem für eine Rarität gewiesen wird. Es hat in der Länge schier 3. Elen / in der Dicke aber ist es zu hinderst 3. oder 4. Finger / zuforderst aber eines Daumen dicks. Mit diesen Hörneren aber lauffen die Einhorn auf die Menschen und Thier schnell und mit Gewalt zu / wann sie selbe erlegen und durchstechen wollen. Aber zu Zeiten mißlingt es ihnen / indem sie den vorgehabten Zweck verfehlen /und alsdann ihnen selber schaden.

Also ist es ergangen einem Einhorn / welches an den Ufer des Wassers einen Raaben sitzend gesehen hat: Es bekame Lust einen Vogel zu essen / und lieffe deßwegen schnell und gewaltig mit seinem Horn auf den Raaben zu / willens ihne zu spissen. 44 Aber der Raab dieses vermerckend / war so listig / daß / als das Einhorn zu nächst bey ihm ware / er sich vermittelst seiner Flügel geschwind ein wenig in die Höhe geschwungen hat: da fuhre das Einhorn unter ihm durch / und prällte mit dem Horn an einem Stein-Felsen also starck an / daß der Spitz darvon abgesprungen ist / es verrenckte den Leib / und fiele gantz krafftloß zu Boden. Hierauf lachte ihm der Raab die Haut voll an /und weil er seinen zu Boden ligenden Feind nichts mehr zu förchten hatte / tratte er hinzu / und sprache: Ey wie hast du einen schönen Sieg wider mich erhalten / du hoffärtiges Einhorn! wie ein gewaltige That hast du verrichtet! wo ist jetzund all deine Macht und Stärcke? weist du nicht / daß die Stärcke und Geschwindigkeit des Leibs mit der Stärcke und Hurtigkeit des Gemüths solle begleitet / und von der Vernunfft müsse regiert werden / ohne welche sie mehr Schaden als Nutzen thut. Wärest [311] du behutsamer darein gegangen / und dich nicht also übereilt / so hättest villeicht deinen Zweck erreicht / oder aufs wenigist dir selbsten nicht so vil geschadet. Auch der Ochs hat ein grosse Stärcke / aber ein tummes Hirn darbey /mithin muß er beständig das Joch auf dem Halß tragen / nur für andere arbeiten / und hat nichts darvon als Heu und Stroh. Vil Vögel in dem Lufft / und Fisch in dem Wasser schiessen schnell herum / aber desto geschwinder kommen sie in das Garn. Der jenige ist starck und geschwind genug / der seine Kräfften / sie seyen groß oder klein / zu rechter Zeit / und zu seinem Besten wohl und recht weiß anzuwenden. Nachdem der Raab dieses geredt hatte / flog er auf und darvon: das Einhorn aber mußte es geschehen lassen / ob wohl mit gröstem Unwillen / daß ihm der Raab die Wahrheit also unter die Nasen geriben / und weilen es ihm nicht anderst zukunte / hat es gleichwohl über ihn geflucht / und 1000. Strick an den Halß gewunschen. Dann es ist schon ein altes: Veritas odium parit: Die Wahrheit macht verhaßt.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von dem Beeren und Wildschwein.

Der Beer ist ein grosses / starck- und zorniges Thier /hält sich gern in grossen dicken Wälderen auf / auch hin und wieder in Teutschland / als Böhmen / Steurmarckt und Schweitzer-Gebürgen etc. die meiste und gröste aber gibt es in Pohlen und Moscau etc. deren einige wohl 12. oder 15. Schuhe lang seyn sollen. 45 Dem Kayser Maximiliano solle einstens eine Beeren-Haut præsentirt worden seyn / die wohl 20. Schuhe lang gewesen / und in der Breite die gröste Ochsen-Haut übertroffen habe. Sonsten aber seynd die / so insgemein bey uns gesehen werden / nicht halb so groß. Der Beer hat am gantzen Leib lauter zottende Haar / braun oder schwartz an der Farb / an gewissen Orten auch weisse. Sie fressen alles / was sie zur Nahrung bekommen / absonderlich seynd sie dem Hönig gefähr / welches ihnen auch über ein verdeckte Grub gesetzt wird / wann mans fangen will: Wann sie hungerig seynd / greiffen sie Menschen und Vieh an: ihre Stärcke haben sie im Drucken / indem sie ein Thier oder Menschen umbfangen und also drucken /daß ihm die Seel ausgehet / doch können sie auch durch Schläg und Hunger zahm gemacht und abgerichtet werden. Die Beeren seynd einer gar kalten und flüßigen Natur: Sie richten sich zu Zeiten gantz auf /und gehen auf den hinteren Füssen allein: sie haben starcke Klauen und Zähn / kurtze Ohren und Schweiff. Wann sie gebohren werden / gemeiniglich 4. oder 5. miteinander / seynd sie nicht nur blind /sondern schier ein lauteres unförmliches Stuck Fleisch (sie ligen nur 30. Tag in Mutterleib) also daß man kein Glied / weder Kopff noch Fuß etc. recht an ihnen erkennen oder unterscheiden kan / biß daß durch lang-und vieles Lecken der Alten / vermittelst der Zungen ihr Leib besser gestaltet wird / und sie an der Brust der Mutter gleichsam erst recht ausgebrutet werden /Der Beer hat einen schwachen Kopff und langen Rüssel / schier wie ein Schwein / ein brummlende Stimm / kurtzen Halß und blöde Augen. Ihre Bratzen seynd den Händen der Menschen nicht gar ungleich / massen sie gleichsam in 5. Finger gespalten seynd. Wann der Beer von einem verwundet wird / geht er gleich auf ihne loß / so bald aber ein anderer ihme eins versetzt / da verlaßt er den ersten / und setzt dem anderen nach: Er steigt auch auf die Bäum / das Obs oder Honig / so die Immen offt in den hohlen Bäumen anlegen / zu erhaschen / oder an seinem Feind sich zu rächen / wann er dahin geflohen ist: den Schaafställen und dem Vieh auf der Wald in den Alpen seynd die Beeren gar gefähr.

Es haben die Beeren vil schlimme und tadelhaffte Eigenschafften an ihnen / die mit unterschiedlichen bösen Sitten und Lasteren der Menschen [312] mögen verglichen werden. 46 Dann erstlich ihre Geburt belangend / gleichwie der Beer / wann er auf die Welt kommt / nichts als ein unförmliches Stuck Fleisch seyn / und noch keinem Beeren gleich sehen solle /und auch absonderlich / wann er noch jung / schandlich / plump und dölpelhafft ist / also ist an einem neugebohrnen Kind in seinen Sitten noch nichts menschliches zu sehen / es thut nichts / kan nichts /weißt nichts / und verstehet nichts / sondern es muß erst vermittelst der Zeit / viler Mühe und Fleiß von den Elteren und Lehrmeisteren in allem unterwiesen werden / es kan ihm selber nicht helffen und nicht rathen / ist auch in der Kindheit gantz unflätig und ungeschickt etc. deßwegen sagt der weise Sprach: Lehre deinen Sohn / und biege seinen Halß in der Jugend etc. 47

Wiederum / gleichwie der Beer / wann er beschädiget worden / gleich Rach suchet / also ein zorniger Mensch / wann er beleidiget wird / will er sich gleich rächen: Er bemühet sich auf die Bäum oder in die Höhe zu steigen / das ist / zu Würden und Ehren zu gelangen / theils damit er / wie der Beer / das Honig /die Süßigkeit der Ehren und Wollüsten geniessen möge / theils ihren Gegneren überlegen zu seyn / und sich an ihnen rächen zu können.

Ferners / die Beeren zeugen ihre Junge von Anfang des Winters / und alsdann verbergen sie sich vor allen anderen Thieren: ihre Grub oder Höhle aber bedecken sie mit Laub von Baum-Aesten / also daß kein Regen zukommen kan: alsdann werden sie eine lange Zeit mit einem so tieffen Schlaff überfallen / daß man sie auch mit Schlägen nicht aufwecken kan (ja die mehriste Zeit des Winters bringen sie mit Schlaffen zu) und werden faißt darbey / dann sie seynd mit überflüßiger Feuchtigkeit wegen des vorhergangnen Frasses erfüllt / die sie im Winter nach und nach verzehren.

Also machen es auch die den fleischlichen Wollüsten nachgehen / die Ehebrecher / und die / so Hurerey treiben / sie verbergen sich vor den Leuthen / und suchen finstere Schlupffwinckel / Irr-Gruben oder Höhle / ich verstehe / ihre Hertzen decken und vermachen /sie mit grünem Laub und Kräuteren / das ist / sie überschüttens und überhäuffens mit Wollüsten und sinnlichen Ergötzlichkeiten / also daß kein heilsamer Regen oder himmlisches Thau der Göttlichen Gnaden bey ihnen eindringen kan. Da schlaffen sie so tieff ein in dem Schlaff der Sünden und Unempfindlichkeit zu allem Guten / daß sie auch von Streichen nicht erwachen / das ist / weder durch die Göttliche Bedrohungen / weder durch das Zusprechen der Prediger und Beichtvätter / noch durch den Untergang und das Verderben anderer Sünder erwachen / und von ihrem verdammlichen Sünden-Schlaff aufstehen / das ist / zur Buß und Besserung gebracht werden. Ja wann die Beeren schon wachen / so sehen sie doch nicht vil /sie haben blöde Augen / weilen ihr Kopff voller Flüß und Feuchtigkeiten ist. Eben also die den fleischlichen Wollüsten ergeben seynd / sehen gar nicht wohl / nemlich die grosse Gefahr ihrer Seelen / die Häßlichkeit der Sünd / die Schwere der Straff etc. sie haben gar blöde Augen / das ist / einen gar schwachen Verstand / weil ihr Sinn voll böser Feuchtigkeiten oder Eitelkeiten ist.

Wann der Beer sich überfressen und den Magen beschwehret hat / da legt er sich auf den Weeg / wo die Ameisen häuffig hin und wieder lauffen / strecket seine vom süssen Käder feuchte schleimige Zungen aus / und stellt sich / als wann er todt seye: da lauffen die Ameisen hinzu / hängen sich häuffig an seiner Zungen an / und suchen ihre Nahrung: aber wann die Zung voller Ameisen / und mit selben gleichsam dick angesäet ist / da zieht der Beer die Zung gählingen an sich / und verschluckt sie alle auf einmahl / dann sie taugen ihm für eine Artzney / und raumen ihm den Magen aus: dann obwohl der Beer plump und dölpelhafft ist / so ist er doch tückisch oder listig / und versetzt dem Menschen oder Thier gähling [313] eins / wo er sich dessen am wenigsten versiehet.

Also machen es auch die mächtige reiche Geitzhälß und Wucherer / sie stellen sich gantz ruhig und friedlich. 48 Sie strecken ihre schlipfferige Zungen aus /das ist / sie geben gute Wort den Schwachen / Einfältig- und Arbeitsamen / welche durch die Ameisen zu verstehen seynd / biß sie sich bey ihnen versammlen und anhängig machen / in Hoffnung / von ihrem Uberfluß und Reichthum etwas zu geniessen: aber es geschieht da gerad das Widerspihl / die verstellte Beeren / die Mächtige / Reiche und Geitzige verschlucken die kleine und schwache Ameisen mit Haut und Haar / das ist / sie bringen sie um ihr Haab und Gut.

Man sagt / es greiffen die Beeren keinen Todten-Cörper an (ausser wann sie selbst allererst einen Menschen umgebracht haben) deßwegen soll man sich nur geschwind auf den Boden niderlegen und todt stellen /auf alle Weiß verhütend / daß man sich nicht rühre /und keinen Athem von sich lasse / wann man in Gefahr ist von einem Beeren angegriffen zu werden. Es hat es einer also gemacht / den Athem best-möglich verhebt / und sich nicht gerührt: der Beer ist kommen / und hat ihn fleißig visitirt / ob er nicht lebe / er hat an ihm geschmecket / und ihn hin und wieder gekehret: und als er kein Lebens-Zeichen an ihm gefunden /da hat er ihn unverletzt gelassen / und ist wiederum abgezogen. Dessen Reiß-Gespan aber hat sich gleich Anfangs / da er die Gefahr vermerckte / in Eil mit der Flucht darvon gemacht / diesen seinen Cameraden allein in dem Stich gelassen. Als aber die Gefahr vorbey ware / und sie wieder zusammen kommen / fragte er den anderen / was ihm doch der Beer so heimlich in das Ohr gesagt habe? Er hat mir gesagt / antwortete dieser / ich soll mein Lebtag keinem falschen Freund mehr trauen / wie du einer bist / dann zur Zeit der Gefahr gehen sie durch / und lassen ein alleinig in dem Stich.

Die Beeren / sage ich / greiffen die Todte nicht an: die Geitzhälß aber verschonen auch den Todten nicht / sie ziehen mit Gewalt und Unrecht ihre hinterlassene Güter an sich / sie stossen um die pia Legata, und berauben die rechtmäßige Successores ihres Erbtheils etc. und also seynd sie dißfalls ärger als die Beeren.

Endlichen / gleichwie die Beeren nicht nur den Immen das Hönig stehlen / welches sie von den Blumen und Kräuteren mühesam gesammlet haben / sondern auch die Immen-Körb selbst zerreissen / also stehlen die ungerechte Geitzhälß / wann sie mächtig genug seynd / zu Zeiten den Ordens-Geistlichen / welche durch die Immen zu verstehen seynd / nicht nur das Hönig / das ist / die zeitliche Mittel und Einkünfften ab / die sie von der Freygebigkeit ihrer Stiffter und Gutthäter eingebracht haben / sondern sie greiffen auch die Immen-Körb / das ist / die ligende Güter /Clöster und Mayerhöff selber an / sie zerreissen und verstöhren diese Immen-Körb durch unbefugte und gewaltsame An- und Eingriff dero Rechten und Eigenthum / durch Umstossung der gemachten Contract und Verglichen / durch allerhand untüchtige Prætext und Vorwänd etc. O wie wurde der Socrates nicht lachen / wann er jetziger Zeit solte von Todten auferstehen: dann als er einstens gefragt wurde / was er also lache / da gab er zur Antwort: Video magnos latrones ducentes parvum latronem ad suspendium: 49 Es kame ihm so närrisch vor / daß die grosse Dieb die kleine hencken lassen. Hingegen hat es Plinius schmertzlich bedauret / da er gesehen hat / wie die müßige Wespen den arbeitsamen Immlein das Honig wegfressen / das für sie nicht ist gemacht worden. Der H. Basilius aber klagt und sagt: ut feræ mutuo laniatu vivunt, ita quisquis potentior malo inferioris ditescit & crescit: der Mächtigere wird reich und faißt durch den Schaden des Schwächeren. Und das ist ein so alter Brauch / daß schon der Prophet Almos darüber lamentirt hat / sprechend: Nescierunt facere rectum, thesaurizantes iniquitatem & rapinas in ædibus [314] suis: 50 Sie haben nicht gewußt recht zu thun / sie häuffen in ihren Häuseren Ungerechtigkeit und Raub.

Wil milder und mitleidiger als dise / hat sich ein Beer gegen dem Hertzogen Reinhard von Lotharingen erwisen / dann als dieser um das Jahr 1476. von dem Hertzogen Carl aus Burgund zum zweytenmahl aus seinem Land vertrieben wurde / und kein zulängliche Hülff wußte / ihm genugsam Widerstand zu thun / da kame dieser vertriebne Fürst nacher Bern in die Schweitz / und nahm zu diesem mächtigen Canton seine Zuflucht / Hülffs-Völcker von ihm zu erhalten /durch welche er wiederum in sein Land möchte eingesetzt werden: Und als er auf die bestimmte Zeit vor dem gesamten Rath / seine Angelegenheit vorzutragen / auf das Rathhauß sich begabe / da folgte ihm ein zahmer Beer / welcher frey in der Stadt herum zu gehen pflegte / auf dem Fuß nach biß in die Rath-Stuben / stellte sich dem bedrangten Hertzog an die Seiten / und indem dieser sein antringende Noth wehemüthig klagte / und inständig um Hülffs-Völcker anhielte / da setzte sich der Beer auf die hintere Füß nieder / und hube die vordere Datzen auf / nicht anderst als wie ein Mensch / der in grosser Noth um eine Hülff oder Gnad bittet. 51 Aus diesem nahme der Hertzog Gelegenheit seine Bitt zu treiben und fortzusetzen / sprechend: Nun sehet ihr Herren / daß auch dieses unvernünfftige Thier sich über mein Unglück erbarmet und für mich bittet / nun werden hoffentlich eure Hertzen nicht härter seyn / sondern auch sich meiner erbarmen / und mir Hülff leisten. Es ist auch geschehen / sie haben ihm willfahret / und die nothwendige Kriegs-Völcker angeschafft. Es wolte sich der Hertzog deßwegen auch gegen dem Beeren / der ihm so trefflich an die Hand gegangen ist / danckbar erzeigen / und hat ein Stifftung gemacht / oder ein Capital angelegt / aus dessen jährlichem Zinß zu ewigen Zeiten in der Stadt Bern ein Paar Beeren solten unterhalten werden. Es solle auch diese Stadt ihr Wappen und Namen darum von den Beeren haben / weilen zur Zeit ihrer Erbauung der Hertzog Berchtold von Zeringen ihm vorgenommen hat / die Stadt nach dem Namen des jenigen Thiers zu nennen / welches ihm zum ersten begegnen wurde: dieses aber war ein Beer.

Ein Beer hat dem H. Corbiniano auf der Reiß an statt seines Esels / den er ihm umgebracht / den Pack getragen. Ein anderer Beer hat in einem Closter Holtz und Wasser getragen. Ein gottseeliger Abbt hat mit einem grimmigen und grausamen Beeren / der in der Nachbarschafft vil Menschen und Vieh umgebracht /einen Contract gemacht / und ihm versprochen die nothwendige Nahrung zu verschaffen / mit dem Beding / daß er bey leib keinem Menschen noch Thier mehr schaden thue: Der Beer hat es mit Darreichung seiner Bratzen und Neigung des Kopffs versprochen /und auch fleißig gehalten. Mithin seynd auch die Beeren nicht gar so böß / daß nicht auch der Mensch etwas Gutes von ihnen lernen möge.

Ubrigens liebet die Beerin ihre Junge hefftig / und wann ihr eines entrissen wird / da wütet sie gewaltig /wie die H. Schrifft selber bezeuget: aber wann sie vermercket / daß der Jäger ihr nachstelle / da treibt sie ihre Junge voran / und ermahnet sie zu fliehen (also solten die Christliche Elteren ihre Kinder vor dem höllischen Jäger durch Vermeidung der Sünden fliehen lernen) der Beer weiß wohl / daß er einen gar blöden Kopff hat / deßwegen / wann man einen Streich darauf führt / fangt er den Brügel mit den Datzen auf /und wann er über einen Berg abwallet / da beschützt er auch den Kopff mit Vorhaltung der Datzen. 52 Er hat einen so schlimm- und schädlichen Athem / daß /wann er etwas ankauchet / selbes nicht mehr zur Speiß anderen Thieren tauget. Hingegen ist das Beeren-Schmaltz / auch die Gall für vil unterschiedliche Anligen und Gepresten gut.

[315] Die Beeren werden auf unterschiedliche Weiß gefangen / da man ihnen etwas von Fleisch oder Hönig auf verdeckte Graben legt / oder nur unter einen Baum / worauf Obs ist / und worauf sie steigen / dergleichen Gruben macht / oder eisene Halß-Ring leget / daß sie mit dem Kopff darem kommen / oder grosse starcke Fallen richten von Balcken und Bretter etc.

Sonsten hat GOtt zu Zeiten auch die Menschen durch die Beeren gestrafft. Absonderlich / als der glatzkopffete Prophet Elisäus nacher Bethel hinauf gienge / da lieffen ihm böse Buben nach / sie lachten ihn aus und schryen: ascende calve, 53 komme herauf du Kahlkopff / komme herauf du Kahlkopff / und sihe / alsobald lieffen 2. grimmige Beeren aus dem Wald daher / und zerrissen 42. dieser Knaben. O wann jetziger Zeit alle unerzogne Kinder / die unehrenbietig gegen den Geistlichen seynd / also hart von GOTT solten gestrafft werden / wie wurde es manchesmahl hin und wieder ein grausames Würgen und Metzgen abgeben.

Was endlich den Wohn der gemeinen Leuthen /oder die so genannte Bauren-Regul anbelangt / daß /wann der Beer zu Anfang des Februarii wiederum in seine Höhle / von der er ausgegangen ist / zuruck gehet / solches ein noch bevorstehende grosse Kälte bedeute / so ist meines Erachtens nicht vil darauf zu halten: inmassen es glaubwürdig daher kommt / daß der Beer / nachdem er so lang in der finsteren Höhle gelegen ist / und geschlaffen hat / hernach aber gähling an des Tags Liecht und hellen Sonnenschein kommt / da thut ihm die Helle wehe / seine blöde Augen könnens nicht erdulten (wie auch der Mensch /wann er gähling aus der Finstere in die Helle kommt /da blendet ihn die Sonn) deßwegen gehet er wieder eine Weil zuruck in die Finstere / biß er die Helle nach und nach wieder gewohnt. 54 Also machen es auch im sittlichen Verstand die sündige Menschen /welche lange Zeit in der Finsternuß des Irrthums und der Unwissenheit gestecket / und in dem Schlaff der Sünden gelegen seynd / wann ihnen gähling ein Strahl des Göttlichen Liechts aufgehet / oder das Liecht der Wahrheit hell in die Augen leuchtet / da kan oder will es die Blödigkeit ihres Gemüths nicht ertragen: sie gehen wiederum zuruck in ihre finstere Schlupffwinckel / in welchen sie bißhero ungehinderet gesündiget haben: es wird an ihnen erfüllt / was geschrieben stehet: Homines dilexerunt tenebras magis quàm lucem: 55 Die Menschen lieben die Finsternuß mehr denn das Liecht. Die Ursach wird in dem Evangelio dise beygesetzt: Erant enim mala opera eorum: dann ihre Werck waren böß: Ein jeder der Böses thut / haßet das Liecht / und kommt nicht an das Liecht / daß seine Werck nicht gestrafft werden.

Noch eines muß ich vor dem Beschluß dieser Materi von dem Beeren erinneren: nemlich / daß man doch die Haut nicht verkauffe / ehe man den Beeren hat / man soll den Triumph vor dem Sieg nicht halten. 56 Zwey arme Schlucker hatten ein Stücklein Geld vonnöthen / sie giengen zu dem Kirschner / und botten ihm ein schöne Beeren-Haut / die (wie sie fälschlich vorgaben) zu Hauß aufgehenckt ware / zu kauffen an / sie empfiengen auch würcklich von dem Kirschner etwas Gelds vorhinein auf Abschlag: alsdann sprachen sie zu einander / jetzt müssen wir noth wendig um einen Beeren schauen / daß wir dem Kirschner die versprochne Haut liferen können / sonst werden wir selbst für Bernheiter gehalten werden. Sie giengen also auf die Beeren-Jagd in den Wald hinauß / und traffen auch bald einen grossen Beeren an / aber der ihnen so bang gemacht / und sie also in die Enge getrieben hat / daß sie schier selbsten ihr eigne Haut hätten eingebüßt / und und kümmerlich mit dem Leben darvon kommen seynd. Als nun der Kirschner den Betrug vermerckte / hat er sie mit Hülff seiner Gesellen wacker abgebrüglet. Sie protestirten zwar gewaltig wider dieses knospete Urtheil / welches ohne allen vorhergegangnen [316] Process so plötzlich auf ihren Buckel ist gefällt worden / mit Vermelden / es seye wider allen Handwercks-Brauch / daß man die Haut lideren thue / ehe sie vor getrucknet und aufgehenckt worden. Eben recht / sagte der Kirschner / drum will ich euch mit dem Brügel wohl abtrucknenen; dann es wird gewiß / wann ihr also zu betrügen fortfahret /euer Haut und Haar bald miteinander aufgehenckt werden: es wird sich aber kein Gerber darum reissen; dann die Schelmen- und Diebs-Häut / wie die Gerber zu sagen pflegen / lassen sich nicht schmirben. O /sagte der eine / das ist wohl nicht wahr: man hat unseren Richter im Dorff schon mehr als hundertmahl geschmirbt / er hat doch nicht einmahl gezuckt oder dergleichen gethan / als wann es ihm wehe thäte / er liesse sich den gantzen Tag schmirben / und lachte darzu. Dieses erzehle ich zwar nur für ein Mährlein /aber für ein Wahrheit sage ich / daß man offt den Balg verkaufft / ehe man den Fuchs gefangen hat. Offt heißt es: Capra nondum peperit, & jam saltat hircus, man macht die Zech ohne den Wirth / und theilt die Erbschafft / ehe der andere gestorben ist: da man /weiß nicht was für groß- und aber leere Concept und Anschläg führet / und Schlösser in den Lufft bauet /die keinen Grund haben. Was man mit GOTT nicht anfanget / das kan sich nicht wohl enden. Homo proponit, DEus autem disponit, ist ein alt- und wahres Sprüchwort bey den Lateineren / der Mensch nimmt ihm offt etwas vor / und vermeinet / es müsse durch aus dieses oder jenes geschehen / aber es wird in der Cantzley des Himmels nicht unterschrieben / GOtt macht einen Strich dardurch: und dieses geschiehet täglich so wohl in klein- als grossen Sachen. Ein Baurenknecht sagte am Sambstag Abend: Morgen will ich ins nächste Dorff auf die Kirchweyh und zum Tantz gehen / sag auch wills GOtt / sprach die Magd zu ihm: der Knecht vermeinte / es seye dieses nicht vonnöthen / und sagte halt noch einmahl / morgen gehe ich gewiß zum Tantz: aber den Augenblick fallet er über den Wagen ab / und bricht einen Fuß: Jetzt gehe / und tantze.

Was das Wildschwein anbelanget / so ist selbes ein so zornig-hitzig- und wütendes Thier / daß es niemahl kan zahm gemacht werden: es ist so hitzig und grimmig / daß es die Todts-Gefahr nicht achtet / ja selbst /wann es angeschryen wird / in der Furi dem Jäger entgegen laufft / und sich rächen will / ehe daß es beschädiget worden. 57 Sein gröste Wehr und Stärcke bestehet in den langen Zähnen / die ihm vor dem Rüssel im unteren Kifer herauß stehen / und Waffen genennet werden / mit welchen es gewaltig um sich hauet / und im Augenblick einem Hund oder Menschen den Bauch aufreissen kan. In der Grösse übertrifft es ins gemein etwas weniges die heimische Schwein: sein Nahrung seynd Wurtzlen und Früchten / wann es bey nächtlicher Weil in ein Acker-Feld kommt / da thut es grossen Schaden / weilen es in kurtzer Zeit alles umnuhelet / und das Getraidt und Wurtzel ausreisset / welches der arme Baursman manchesmahl mit seinem grösten Schaden erfahret und wehmüthig beklaget / wann sein unmilde Herrschafft mit gar zu grosser Strengheit ihr Jagd-Recht behaupten- und diese schädliche Thier aus denen Felderen nicht einmahl zu vertreiben und noch weniger zu schiessen gestatten will.

Das Wildschwein übertrifft in dem Gehör alle andere Thier / und hat dise sondere Eigenschafft / daß es keine andere Schwein mit ihm auf der Waid lasset /als die von ihm erzeuget seynd / wider andere aber thut es kämpffen / und sie verjagen. Wann die Wildschwein mit einander streiten / beissen und reissen /und gähling einen Wolff ersehen / so lassen sie gleich einander gehen / und fallen einhellig den Wolff an. Das Wildschwein / wie man von ihm schreibt /braucht wider den Angriff oder Nachstellung des Jägers diesen Vortheil / es reibt seine Lenden an einem Baum / hernach weltzt es sich in dem Koth um / und legt sich alsdann an die Sonn / damit die Haut [317] also überzogen und hart werde / und die Kugel oder Schweins-Spieß nicht so leicht eingehe. Wann es aber ein Thier oder Menschen angreiffen will / da wetzt es zuvor seine Waffen / das ist / die 2. grosse lange Zähn an einem Baum oder Stein.

Es kan mit diesem so schädlich- und wilden Thier füglich der böse Feind verglichen werden: dann dieser / wann er bey nächtlicher Weil / das ist / zur Zeit der Trägheit und Finsternuß des Gemüths in den Acker des menschlichen Hertzens sich eindringet / da hauset er gar übel / er kehret alles unter übersich / und verursachet in einem Augenblick durch die Sünd erschröcklichen Schaden: Er reißt die Früchten samt der Wurtzel aus / er beraubt die Seel der Verdienst und guten Wercken / und verursacht ein greuliche Confusion oder Unordnung. 58 Das Wildschwein laßt sich nit vergnügē mit deme / was es zu seiner Nahrung nothwendig hat / als wie die andere Thier / (welche /wann sie genug gefressen haben / lassen sie gleichwohl das übrige stehen) sondern es scheint seine Freud darinnen zu haben / wann es nur vil schaden und verderben kan. Eben also der böse Feind / obwohlen er keinen Nutzen darvon hat / so verlangt er doch aus Neid und Haß dem Menschen zu schaden.

Aber unser höchste Oberherr / der allmächtige GOtt verbietet uns nicht / sondern befihlt vilmehr dieses höllische Wildschwein auf alle Weiß aus dem Acker unseres Hertzens zu verjagen / und von selbem abzuhalten. Fast eben / wie es der böse Feind in dem Acker oder Weingarten des menschlichen Hertzens machet / also machen es die Urheber der Ketzereyen in dem Acker oder Weinberg der Catholischen Kirchen. Von diesen kan in der Wahrheit gesagt werden:Exterminavit eam aper de silva, & singularis ferus depastus est eam: 59 Es hat ihn zernuhlet das Wildschwein / und das sonderliche Wildthier hat ihn abgenagen.

Es kan auch durch ein solches Wildschwein der Antichrist verstanden werden / als welcher sehr grimmig und wütend seyn wird / und den Acker und Weingarten des HERRN durch seine Tyranney und Gottlosigkeit erschröcklich verwüsten.

Zweyerley Mittel seynd / sich vor der Wuth und Grimmen des Wildschweins zu schützen und unbeschädiget zu erhalten: nemlichen daß man sich eintweders auf die Erden niderwerffe (dann also kan dieses Thier mit seinen aufwärts gebognen Zähnen einem nicht zukommen) oder daß man sich geschwind in die Höhe auf einen Baum salvire. Eben also sollen wir uns schützen wider den Anfall des höllischen Wildschweins / wider die Versuchungen des höllischen Feinds / wann er uns mit Hoffart oder Eitelkeit sinnlicher Gelüsten oder Zornmuth versuchet / da sollen wir uns auf die Erden niderwerffen / das ist / demüthigen in Betrachtung unserer Sünden / unserer Schwachheit und Nichtigkeit etc. wann er aber uns zusetzt durch Zaghafftigkeit / Trägheit / Verzweifflung etc. da sollen wir durch das Gebett in die Höhe aufsteigen / zu dem Baum des Creutzes die Zuflucht nemmen / und uns mit demselben bewahren.

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von dem Wolff.

Der Wolff ist ein Land-verschreytes / rauberisches /heiß-hungerig- und gefräßiges Thier / Nachts / und absonderlich im rauhen Winter dem Vieh und Menschen schädlich und nachstellend. 60 Er ist ins gemein grösser als ein Hund / grau oder schwartz an der Farb / und hat einen langen dicken Schweiff: die Biß der Wölffen seynd etwas gifftig / und heilen nicht gern: ihre Augen seynd zu Nacht feurig / ihre Speiß ist rohes Fleisch / wann sie es haben können / welches sie fressen mit Haut und Haar. Sie haben so vil Junge auf einmahl / als wie die Hund / und diese bleiben 9. Täg blind: Sie haben gar starcke Zähn und Klauen /auch einen so starcken Geruch / daß sie den Raub von weitem schmecken / [318] und im Winter pflegen sie gewaltig zu heulen. Man sagt / wann sie in einen Schaafstall einbrechen / verwürgen sie zuvor alles / wo sie können zukommen / und alsdann fangen sie erst an zu fressen. Ihr Alter erstrecken sie biß auf 13. oder 14. Jahr. Es gibt zwar in unterschiedlichen Länderen unterschiedliche Art- und Gattungen der Wölffen / die doch in diesem übereins kommen / daß sie den kleineren und schwächeren Thieren starck nachstellen / sie angreiffen und verzehren / ja wann sie würcklich einen Raub haben / und ihnen ein anderer aufstosset /so verlassen sie den ersten / und greiffen den anderen an: doch wann sie ersättiget seynd / seynd sie eine Zeitlang ruhig und fridlich. Die Wölff werden gefangen in Gruben und mit Stricken etc. vertriben aber mit Feur / mit Zusammenschlagung der Steinen oder dergleichen Geräusch.

Es können wegen den gemeldten Eigenschafften abermahl die Tyrannen / Räuber und ungerechte Geitzhälß füglich mit den Wölffen verglichen werden / als von welchen geschrieben stehet: Principes in medio ejus quasi lupi rapaces etc. 61 Ihre Fürsten seynd in mitten unter ihnen als wie die räuberische Wölff. Und wiederum: Judices ejus lupi vespertini: 62 Ihre Richter seynd wie die Wölff am Abend / die nichts überbleiben lassen. Dann erstlich / gleichwie die Wölff die schwache und wehrlose Thier / als Schaaf / Kälber und Geisen vor anderen angreiffen / die stärckere aber / die Hörner haben und wehrhaffter seynd / greiffen sie mit List hinterwärts an; Also die ungerechte Geitzhälß / Rauber und Wucherer greiffen absonderlich die Schwache und Einfältige an / die Wittwen und Waisen / die sich nicht wehren können / bringen sie um ihr Haab und Gut: die Stärckere aber betrügen sie durch wucherischeContract, durch allerley politische Sprüng / durch falsche Ränck und Grifflein: und gleichwie die Wölff nie ärger rauben und mehr fressen / als wann sie Junge haben. Dann wie man sagt / so fressen sie sich alsdann voll an / und werffen die überflüßige Speiß in der Höhle wiederum herauß / und den Jungen vor. Also die unbarmhertzige und geitzige Herrschafften /Richter und Beamte / wann sie vil Kinder haben / da schinden und pressen sie die Unterthanen gewaltig /und was sie von ihnen erpreßt haben / theilen sie ihren Frauen und Kinderen aus / sie proper zu kleiden / und in die Frembde zu schicken etc. Wann der Wolff ein Kind erdappet / so spielt er ein Zeitlang mit ihm /und treibet Kurtzweil / aber gähling verwürgt ers /und macht ihm den Garaus.

Eben also / wann ein Wucherer oder Geitzhalß einen schwachen einfältigen Menschen / der ein Stücklein Geld hat / verwischt / da schmeichlet er ihm / gibt ihm die beste Wort / biß er selben in die Maschen bringt / da gibt er ihm einen Druck / daß er sich nicht mehr wehren kan / und muß seine Sach dahinten lassen.

Die Wölff fressen das rohe Fleisch und keine Kräuter / ausser Medicinweiß / wann sie erkrancken: Sie haben auch einen dicken stärren Halß / daß sie um und hinter sich nicht schauen können / sie kehren sich dann mit dem gantzen Leib um.

Auch die rauberische Geitzhälß fressen das rohe Fleisch hinein / das ist / frembdes ungerechtes Gut: aber das heilsame Kraut der Buß oder Pœnitenz wollen sie nicht essen / biß daß sie tödtlich erkrancken /alsdann zu Zeiten aus einer absonderlichen Gnad GOttes / nemmen sie diß Kraut auf lang- und kräfftiges Zusprechen des Beichtvatters / und speyen das rohe Fleisch / das ungerechte Gut und Geld wiederum herauß und restituiren. Aber zum öffteren haben diese politische Wölff einen so dicken und starren Halß /daß sie nicht können um- oder hinter sich schauen /das ist / sie seynd in der bösen Gewohnheit zu rauben und zu betrügen / zu schinden und zu schaben also verstarret und halßstärrig / daß sie nicht um- oder hinter sich seyen können oder wollen / wen und wie vil sie bißhero bestohlen / betrogen [319] und beschädiget haben / wann sie sich nicht mit dem gantzen Leib /oder vilmehr mit dem Leben umkehren und bekehren.

Wann vil Wölff beysammen seynd / so zertheilen sie sich / die eine streiten mit den Hund und Hirten /die andere aber greiffen die Schaaf-Heerde an: und wann sie genug geraubt und gefressen haben / da vergraben sie das übrige in die Erden / und gunnens den anderen Thieren nicht / allwo es zum öffteren verfault. Eben also die ungerechte Geitzhälß schauen / daß sie zuvor aus dem Weeg raumen / oder betrügen die Hirten und Hund / das ist / die jenige / so die schwache und wehrlose Wittwen und Waisen beschützen solten / damit sie alsdann diese ungehinderet angreiffen mögen: und wann sie genug geraubt / vil Gut und Geld zusammen gebracht haben / da vergraben oder verbergen sie es aus Geitz in ihren Küsten und Kästen / und lassens niemand geniessen. Also machen es auch die geitzige Korn-Juden / welche das Getraidt wohlfeil einkauffen / zusammen häuffen / und selbes den Bedürfftigen um einen billichen Preiß nicht wollen mittheilen / sondern immer in dem Preiß höher steigeren / biß es verdirbt / und heißt: Divitiæ vestræ putrefactæ sunt, aurum & argentum vestrum æruginavit etc. Euer Reichthum ist verfaulet / euer Gold und Silber ist verrostet / und wird euer Fleisch verfressen wie ein Feur. Ihr habt euch einen Schatz des Zorns gesammlet / des Göttlichen Zorns an den letzten Tägen / das ist / zur Zeit des Todts und des Gerichts.

Endlich / wann ein Wolff anfangt zu heulen / da heulen auch die andere alle / so mit und um ihn seynd. Also geschieht es auch zum öffteren in einer Gesellschafft oder Zusammenkunfft / wann einer anfangt aufzuschneiden / die Leuth durch die Hechel zu ziehen / zu verläumbden / oder Zotten und Possen zu reissen / oder zu schmälen etc. folgen die andere seinem Exempel nach / und machen es auch also. Wann der Mensch zu erst den Wolff ersieht / so erstaunet er /wie man sagt / und wird ihm die Red benommen: wann aber der Wolff den Menschen zuvor gesehen hat / so erstaunet und vertatteret der Wolff.

Der Wolff ist von Natur ein listiges und betrognes Thier: aber er muß seine List und Betrug auch offt mit der Haut bezahlen. 63 Also ist es ihm ergangen / als der Löw kranck lag in seiner Höhle: alle vierfüßige Thier kamen nacheinander / ihn als ihren König zu besuchen und zu condoliren / der Fuchs allein wolte zu lang nicht kommen / das ware dem Wolff eine erwünschte Gelegenheit / den Fuchsen / deme er feind ware / beym Löwen zu verklagen und zu verschwärtzen: Nun sihest du selbsten / sagte er zu dem Löwen /wie der Fuchs gegen dir so wenig Respect traget / und seine Schuldigkeit so wenig in Obacht nimmt / daß er dich in deiner Kranckheit nicht einmahl besucht / du soltest ihn ja billich deßwegen mit dem Todt straffen. Eben als der Wolff dieses geredt hatte / kam der Fuchs daher / und sagte zu ihm: Ich bedancke mich mein Herr Wolff um die schöne Recommendation, ich bin dem Herrn obligirt / es stehet zu verschulden. Darauf machte er dem Löwen sein Reverentz und Complementen: Dieser aber schauete ihn zornig an /als wolte er ihn gleich fresfen / und verweisete ihm scharpff / daß er sich nicht bälder bey ihm eingestellt habe. Ey / sagte der Fuchs / eben das ist aus meinem absonderlichen Fleiß und Sorg dir zu dienen geschehen: ich bin bey denen Herren Medicis umgeloffen /ein zulängliches Artzney- und Hülffs-Mittel für deine Kranckheit zu erfragen / nun hab ich eines erfragt /und komme dir selbes anzudeuten. Der Löw befahl /er solle es alsobald anzeigen: Für deinen Zustand /sagte der Fuchs / ist nichts bessers / als ein gantz frische / noch warm- und blutige Wolffs-Haut (da hat der Wolff gewaltig darein geschaut / dieses Recept wolte ihm gar nicht gefallen) dieses sollest du fein warm auf die Brust legen und über den Magen schlagen / auch ein par Wolffs-Augen verpulverisirt einnemmen / und darauf [320] schwitzen / so wird es gleich besser werden. Der Löw schritte alsobald zur Prob /stache dem Wolff die Augen aus / verwürgte ihn / und zoge ihm die Haut ab. Als der arme Tropff in den letzten Zügen lag / schliche der Fuchs hinzu / und sagte ihm in das Ohr: Consilium malum consultori pessimum: der dem anderen eine Grub grabet / fallet selbsten darein. Es sollen die Grössere oder Stärckere die Klein- und Schwächere bey den Herrschafften und Oberen aus Neid und Haß nicht verschwätzen und verschwärtzen / nicht zum Bösen / sondern das Beste reden; dann es stehet geschrieben: Quod tibi non vis fieri, alteti ne feceris: Was du wilt das dir nicht geschehe / sollest du auch einem anderen nicht thun. Neben dem / daß der Neid und Haß die Natur gewisser Schlangen hat / welche nicht anderst gebohren werden / als daß sie zuvor ihrer eignen Mutter den Bauch aufbeissen / sie dardurch tödten / und also herauß schlieffen. Eben also der Neid und Haß / so du in deinem Hertzen tragest / kan nicht gebohren werden /oder dem anderen schaden / biß er zuvor dir selber geschadet / und dich getödtet hat.

Eben so theur / nemlich mit der Haut und dem Leben hat ein anderer Wolff seine Untreu bezahlen müssen. 64 Dann als dieser bey nächtlicher Weil in einen Schaafstall eingeschlichen / ob dem Raub von dem Hirten erdappet worden / und sterben solte / da hat er so inniglich um Pardon gebetten / und so heilig sich zu besseren versprochen / daß man ihn hat lauffen lassen; dann er hat bey den Götteren einen Eid geschworen / er wolle hinfüran nicht mehr / als nur was sein höchste Noth erfordere / verzehren / und mit einer Nahrung nur 7. Heller werth verlieb nemmen. Aber bald darauf begegnete ihm ein fetter Hammel /und ein schönes Kalb gantz allein ohne Hirten und ohne Hund. O wie haben ihm die Zähn darnach gewässeret. Er gedachte zwar an sein Versprechen und geschwornen Eid: Nun aber / sagte er bey ihme selber: was möchte dann diser Hammel und das Kalb werth seyn? Ich will halt das eine um 3. und das andere um 4. Heller schätzen / das macht zusammen 7. Heller. Ist eben recht / auf solche Weiß thue ich ja nichts wider mein Versprechen / er legt darauf seinen Scrupel ab / greifft munter an / und frißt fein tapffer zu. Es kame aber eben der Hirt darzu / und schrye: Holla du Dieb / du treuloser Schelm! du hast die Zech ohne den Wirth gemacht / du hast nicht redlich gerechnet / das Kalb ist 2. fl. 30. kr. und der Hammel auch gewiß so vil werth. Diese Zech aber hat er ihm nicht mit der Kreiden / sondern mit einem starcken Brügel also zwischen die Ohren gemacht / daß er zu Boden gefallen ist / und das Wiederaufstehen völlig vergessen hat.

Ja wohl / sagte der Hirt / wo käme es hin / wann ein jeder Gast ihm selber die Zech ohne den Wirth machen durffte / wie wolte der Wirth bestehen können.

Wann ein Unterthan die Gebott und Satzungen der Oberen nach seinem Gefallen durffte auslegen / wie wurde es in Statu politico, in einer Republic oder Gemeind aussehen / und verwirrt hergehen? Es heisset zwar / wie ich höre / bey den Lateineren: Quilibet verborum suorum optimus interpres est: Ein jeder weiß selbst zum besten seine eigne Wort auszulegen. Ja seine eigne / das glaube ich wohl / aber nicht die Wort und die Gebott des Gesatzgebers / nein: Illius est interpretari legem, qui tulit eam: Der soll das Gesatz auslegen / der es gemacht hat. Woher kommen so vil Ketzereyen und Irrthum in der Catholischen Kirchen / als weilen bald dieser bald jener unruhige Kopff das Göttliche Wort / die H. Schrifft nach sei nem Hirn und Sinn hat wollen auslegen.

Auch dem jenigen Wolff hat die Rechnung gefehlt /welcher / als er auf einem Hügel stunde / um zu sehen / was in der Ebne herunten paßiere / da sahe er von fern / daß 2. Schäfer-Hund mit einander rauffen /beissen und reissen. 65 Eben recht / gedachte er ihm /das ist ein erwünschte Gelegenheit für mich: [321] duobus litigantibus gaudebo tertius, im trüben Wasser ist gut fischen: jetzt ist die Schaaf-Heerd wehrloß / weil die Hund selbst Händel haben / geben sie kein Achtung: ich will geschwind ein Schaaf darvon zwacken. Er hat es auch gethan / aber so bald ihn die Hund erblicket / haben sie geschwind mit einander Frid gemacht / und seynd dem Wolff nachgeloffen / ihm den Raub wieder abgejagt / und haben ihn wacker verzaußt. Als er endlich mit harter Mühe entrunnen ist /da sprach er bey ihm selbst: ich muß bekennen / obwohl mit meinem Schaden / diese Hund seynd keine Narren / sie halten fein wacker zusammen / wann es wider den dritten / so ihr allgemeiner Feind ist / gehet / und wann es um das Heyl ihrer Heerde zu thun ist /da setzen sie ihre privat-Händel auf die Seiten / und beschützen mit gesamten Kräfften ihre anvertraute Schaaf etc.

Zu wünschen wäre / daß es auch die benachbarte Herrschafften (ich darff aus Respect nicht sagen Christliche Fürsten und Potentaten) also machten /und nicht immer zu höchstem Nachtheil und Beschwerden der Unterthanen durch unnöthige Process und Strittigkeiten einander in den Haaren ligen / und dem dritten / ihrem allgemeinen Widersacher dardurch Anlaß gäben / im trüben Wasser zu fischen /und seinen Vortheil zu spihlen / da sie vilmehr mit gesamter Hand ihn abhalten und vertreiben solten.

Fußnoten

1 Unterschiedlichkeit der Thieren.

2 in c. 7. Danielis.

3 Prov. c. 30. v. 30.

4 Amos c. 5. v. 8.

5 Natur und Beschaffenheit des Löwens.

6 Rachgierigkeit des Löwen.

7 Geschicht.

8 Geschicht.

9 Danckbarkeit des Löwen.

Geschicht.

10 Christus der HErr wird mit einem Löwen verglichen.

11 Apoc. c. 51. v. 3.

12 Izech c. 33. v. 11.

Psal. 50.

13 Jud. c. 14. v. 14.

14 Matth c. 28. v. 2.

15 Artzney von dem Löwen.

16 Ein sündige Seel wird durch die Löwin beditten.

17 Izech. c. 18. v. 22.

18 Isaiæ c. 1. v. 16.

19 Der höllische Feind mit dem Löwen verglichen.

1. Petri c. 5.

20 Fürsten und Regenten seynd politische Löwen.

21 Prov. c. 28. v. 1.

22 Psal. 111. v. 1.

23 Psal. 59. v. 6.

24 Böß- und ungerechte Richter und Obere seynd einem zornigen und hungerigen Löwen gleich.

25 Sittliches Fabel-Gedicht. Man soll sich mehr im Werck als mit Worten zeigen.

26 Des Elephanten Eigenschafften und Beschaffenheit.

27 Grosse Gelienigkeit / Geschicklichkeit und Tugend der Elephanten.

28 Danckbarkeit des Elephanten.

Geschicht.

29 List und Klugheit des Elephanten.

Geschichten.

30 Wie die Elephanten in Indien unterhalten und abgerichtet werden.

31 Eheleuth sollen von den Elephanten lernen.

32 Christliche Kinder-Zucht von denen Elephanten zu erlernen.

33 Gestalt und Art des Panterthiers.

34 Ægid. Grar. in Summa Exempl. er similit.

35 Tugendliche Eigenschafften des Panterthiers auf die Mutter GOttes ausgedeutet.

36 Psal. 44.

37 Beschaffenheit und grausame Eigenschafften des Tigerthiers.

38 Tyrannen und Wucherer mit den Tigeren verglichen.

39 Seelsorger sollen für das Heyl ihrer geistlichen Kinderen streiten.

40 Wie das Einhorn beschaffen seye.

41 Job. c. 39. v. 12.

42 Unfriedliche Eheleuth seynd gleich dem Einhorn.

43 Einghürn seynd rahr und kostbar.

44 Sittliches Fabel-Gedicht.

Die Vernunfft soll die Stärcke regieren.

45 Natur / Grösse und Gestalt der Beeren.

46 Schlimme Sitten und Laster der Menschen mit bösen Eigenschafften der Beeren verglichen.

47 Eccli. c. 30. v. 11.

48 Geitzhälß machens ärger als die Beeren.

49 Valer. Max. lib. 7. in Polyanth. V. Rapina fol. 978.

50 Amos c. 3. v. 10.

51 Geschicht.

52 Fernere Eigenschafften des Beerens.

2. Reg. c. 7. & Osee c. 13. v. 8.

53 4. Reg. c. 2.

54 Die Sünder hassen das Liecht.

55 Joan. c. 3. v. 19.

56 Sittliches Fabel-Gedicht.

Man soll nicht zu frühe sich rühmen oder frolocken.

57 Die wilde Art und Gewohnheiten des Wildschweins.

58 Der Teufel mit dem Wildschwein verglichen.

59 Psal. 79. v. 14.

60 Wolffs-Art ist rauberisch und gefräßig.

61 Ungerechte Richter / Räuber und Geitzdälß werden mit den Wölffen verglichen. Ezech. c. 22. v. 27.

62 Sophiæ c. 3. v. 3.

63 Sittliches Fabel-Gedicht.

Wer dem anderen eine Grub grabet, fallet selber darein.

64 Die Zech ohne den Wirth machen / ist nicht redlich. Fabel.

65 Im Trüben ist nicht allzeit gut fischen.

Fabel.

II. Von etlich anderen vierfüßigen wilden Thieren
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.

Von dem Hirschen.


Die äusserliche Gestalt des Hirschens ist uns genugsam bekannt (doch anderst ist gestaltet der gemeine /anderst der Brand-Hirsch und Dan-Hirsch) Er ist ein ansehnliches grosses Thier / hat einen gravitätischen Gang / doch also forchtsam / daß / wann er nur von einem kleinen Hund gejagt wird / die Flucht nimmt /in dem allerschnellisten Lauff / in welchem er eben so geschwind ist / als der Vogel in dem Flug. 1 Seine gröste Zierd und Stärcke hat das Männlein in denen sich hoch und weit ausstreckenden Hörneren oder so genannten Gewichteren / welche mit mehr oder minder End oder Zincken versehen seynd / nachdem er nemlich älter oder jünger ist: und dise Geweih oder Gewicht pflegt er zu gewissen Zeiten abzustossen aus Antrieb der Natur / theils zum Nutzen und Gebrauch der Menschen (so wohl Artzney-weiß als sonsten) theils damit er des Lasts entlediget / und in dem Lauff weniger verhinderet werde. Nach diesem aber / wie man von ihm schreibt / verbirgt er sich / tritt nicht herfür / und waidet zu Nacht / biß daß die Gewichter wieder gewachsen und verhärtet seynd. Sein gemeinigliche Farb ist [322] gelblecht mit weissen Flecklein gesprengt: doch soll es auch an gewissen Orten weiß-und schwartze Hirsch geben.

Den jungen Hirschen / die man Hirsch-Kälber nennet / wachsen zu erst nur kleine Spitzen / im dritten Jahr aber kommen ihnen die Augen-Sprossen / und werden alsdann Spiß-Hirsch genennet: aber wann sich die Stangen stärcker setzen / da heißt mans jagdbare Hirsch. Im sechsten Jahr hat das Gewicht schon 14. biß 16. End / im sibenden Jahr aber bekommt er die letzte / obwohlen er ungemein lang leben kan: massen in allen Geschichten für gewiß erzehlet wird / daß einige Hirsch vil über hundert Jahr alt seynd befunden worden / welches die Jahrzahl auf den Halßbänderen /die ihnen von gewissen Fürsten und Königen / benanntlich dem grossen Alexander seynd angelegt worden / gewiesen haben.

Wann der Hirsch in die Enge getrieben wird / da wehrt er sich mit seinem Geweih so gut er kan / schlaget darmit um sich / und vermag wohl auch einen Mann darmit in die Höhe zu schutzen oder zu durchstechen. Die Hirsch halten sich mehr in der Ebne als auf den Bergen auf / sie schwimmen über die Flüß und grosse Wässer. Die stärckere vertreiben die schwächere / also daß offt harte Streit unter ihnen entstehen: doch wann ihrer mehr mit einander über einen Fluß setzen / da hencken sie sich alle an einander /also daß der hintere dem vorderen den Kopff auf den Rucken legt / der stärckiste schwimmet vor / und wann diser ermüdet ist / so wird er von einem anderen abgelößt. Sie verbergen ihre Junge / und lassens nicht unter die Augen der Menschen oder anderer Thieren kommen / biß daß ihre Füß genugsam verstarcket /und zu schnellem Lauff / zu der Flucht / wann es vonnöthen ist / tauglich seynd. Ihr Geschrey wird Brüllen genannt / welches sie meistens hören lasse / wann sie in der Brunst seynd / welches um das Fest S. Ægidii geschieht / und zur selben Zeit seynd sie sehr wild: nach der Brunst den Winter hindurch nemmen sie ab /und mägeren biß auf den Mayen. Sie gebähren nicht mehr als ein Junges / zu Zeiten zwey. Der Hirschen ihr Speiß seynd Früchten / Kräuter und Gras: wann sie die Ohren aufrecken / da haben sie ein überaus scharpffes Gehör / aber sonsten nicht.

Wann der Hirsch mit einem Pfeil geschossen wird /so sucht und isset er ein gewisses Kraut / Dictamnum, Hirsch-Kraut genannt / krafft dessen die Pfeil von seinem Leib wieder ausfallen / und er curirt wird: aber an das Ort / wo er verwundet worden / gehet er forthin nimmermehr. 2 Auch der Mensch / wann er von dem höllischen Jäger mit dem Pfeil einer starcken Versuchung ist angeschossen / oder mit dem Pfeil einer würcklichen schweren Sünd ist verwundet worden /da soll er alsobald eines zwar bitteren / aber sehr heilsamen Krauts sich bedienen / das ist / der Forcht GOttes / der Gedächtnuß deß Todts und der Höllen /der Reu und Buß / den gifftigen Pfeil der Versuchung oder würcklichen Sünd von seinem Hertzen dardurch auszutreiben / und die Gesundheit der Seel zu erhalten. An das Ort aber / oder in die Gelegenheit / worinnen er schwerlich ist versucht worden / oder sich versündiget hat / soll er sich nicht mehr einlassen / sondern nach Möglichkeit sich darvor hüten.

Wann aber der Hirsch von dem Jäger und Hunden verfolget wird / da bemühet er sich eilends zu einem Fluß oder Wasser-Teich zu kommen / in disem thut er seine Kräfften erholen / und sich mit Schwimmensalviren: oder er sucht auch bey dem Menschen seine Zuflucht / begibt sich in seine Schoos / verhoffend / er werde so gütig und barmhertzig seyn / und ihn beschützen. Eben also sollen wir auch in den Nachstellungen und Versuchungen des bössen Feinds / der Welt und des Fleisches zu dem Wasser eilen / ich will sagen / zu dem Göttlichen Gnaden-Bronnen / durch das Gebett und reumüthige Buß-Zäher / allda die Kräfften des Geists zu erholen / und den Feinden unserer Seel zu entrinnen. [323] Ja wir sollen fliehen zu einem Menschen / aber nicht zu einem puren eitlen sündigen Menschen / sondern zu dem jenigen / der uns in dem Evangelio gewiesen wird / mit diesen Worten: Ecce Homo! der GOTT und Mensch zugleich ist / dieser ist unter Erlöser / Zuflucht und Beschirmer / auf dessen milde Barmhertzigkeit haben wir uns sicher zu verlassen. Hic peccatores recipit: Dieser nimmt die Sünder auf.

Der Hirsch ist ein Ertz-Feind der Schlangen / verfolget sie gewaltig / und wann sie auch in der Erden in denen Löcheren verborgen stecken / so hat er die Krafft / selbe durch seinen Athem herauß zu ziehen /er bringt sie um / und frißt ihr Fleisch / welches ihn stärcket / reiniget / und ihm zur Gesundheit gedeyet /wann er kranck ist. Er zerbeißt / zertritt und zerknirscht sie / wie er kan und mag: obwohlen der Sieg über die Schlangen / wann vil beysammen seynd / ihn offt vil Mühe kostet / und nicht ohne Blutvergiessen abgehet. Eben also solle der Gerechte wider die höllische Schlangen / den Teuffel und die Sünden biß auf das Blut streiten / sie verfolgen durch den Geruch eines eyfrigen Gebetts / selbe in ihren Höhlen / das ist / heimlichen Nachstellungen entdecken / zu fliehen zwingen / und selbe zernichten / so werden sie ihm als überwunden zur Stärcke und Gesundheit der Seelen dienen.

Der Hirsch ist ein von Natur vorwitziges und zugleich einfältiges Thier / wann er ein wenig was Neues sieht oder höret / etwan ein schönes Pfeiffen /oder Glocken-Klang oder dergleichen etc. da thut er sich darob vergaffen oder verstaunen / er sieht oder hört so begierig zu / daß er seiner selbsten gantz vergißt / und nicht Achtung gibt / daß unterdessen der Jäger herbey schleicht / und ihme gählingen einen tödtlichen Schuß giebt / und die Hund ihm auf die Haut kommen. 3 Ja wann er auch schon fliehet / so stehet er doch bißweilen wiederum still / und schauet hinter sich. Eben also ergehet es auch einem fürwitzigen und unbehutsamen Menschen manchesmahl /wann er sich an den eitlen zeitlichen Wollüsten und Ehren / an dem eitlen Welt-Pracht / den die Reiche und Mächtige führen und geniessen / vergaffet / sich darüber verwunderet / selbe hochschätzt / sich darein verliebt / und dergleichen auch selbst gern haben und geniessen möchte / da vergißt er seiner selbst / und nimmt sich nicht in Obacht: mithin schießt der höllische Seelen-Jäger gählingen einen Pfeil der höllischen Begierden auf ihn / oder die böse Anmuthungen fallen ihn an / und verwunden ihn tödtlich. Oder wann er auch schon fliehet vor der Sünd / Versuchung und bösen Gelegenheiten / so setzt er doch die Flucht nicht eilfertig genug und nicht beständig fort / sondern stehet dann und wann eine Weil still / oder schauet um durch ein kleines Wohlgefallen ab dem /was er gehört oder gesehen hat / mithin aber gelangt er nicht in die Sicherheit. Deßwegen ermahnt und warnet uns der weise Mann / sprechend: Non zeles opes & gloriam peccatoris, non enim scis, quæ sit futura illius conversio: 4 Stelle nicht nach Ehren und Reichthum der Ungerechten / dann du weist nicht / was sie für ein End nemmen werden.

Doch aber braucht der Hirsch auch in gewissen Dingen seinen Vortheil und Behutsamkeit / indem er /wie gemeldet / jährlich seine Horn oder Geweih /wanns ihm zu schwer wird und im Lauff verhinderet /abstoßt: hernach aber / indem er sich unbewaffnet zu seyn vermerckt / gantz still und verborgen haltet / biß daß ihm seine Waffen / das ist / die Horn wieder gewachsen und verhartet seynd. In welchem Stuck wohl die Menschen den Hirschen imitiren / und den Pracht / Hochmuth und Uberfluß / als wie der Hirsch die Horn ablegen soll / damit er in seinem Lauff zu dem Endzweck der ewigen Glückseeligkeit nicht daran beschweret und verhinderet werde. Hingegen wiederum /wann er sich unbewaffnet / und der Hörner / das ist /sonderlicher Gnad und Tugenden (in welchen seine Stärcke bestehet) beraubt zu seyn vermercket / da soll er sich nicht unterstehen in gefährliche Streit [324] und Gelegenheiten einzulassen / sondern in der Ruhe und Stille / das ist / in der Demuth / in dem Gebett sich halten / biß er zu besseren geistlichen Kräfften gelanget etc.

Wann vil Hirschen mit einander über einen Fluß und einen Arm des Meers setzen / da schwimmet der stärckiste voran / und die schwächere folgen ihm ordentlich nach / einer lehnet und steuret sich auf den anderen / daß alle mögen fortkommen: und wann sie schon das Land / so darüben ist / und dessen Fruchtbarkeit nicht sehen / so suchen sie esdoch und eilen ihm zu.

Ein reissender Fluß / ja ein ungestümmes Meer ist die gegenwärtige Welt / das zeitliche Leben: über dises Gewässer müssen wir alle schwimmen / auf daß wir glücklich hinüber kommen an das Gestatt und Land der glückseeligen Ewigkeit / welches Land und seine Glückseeligkeit / obwohlen wirs nicht sehen / so riechen wirs doch vermög des Glaubens mit dem Psalmisten sprechende: Ich glaube / daß ich die Güter des HErrn sehen werde im Land der Lebendigen. 5 Christus / als der stärckiste und hertzhafftiste Hirsch ist uns vorgeschwummen / das ist /mit seiner heiligisten Lehr und Exempel vorgegangen / hernach die HH. Apostel und andere HH. Lehrer und Vätter schwimmen uns noch täglich vor / und weisen uns an: diesen sollen wir als die Schwächere nachschwimmen oder nachfolgen / und uns auf sie steuren / damit wir auch glücklich hinüber kommen etc.

Die Hundtin oder Hirschin hat auch ihre besondere Behutsamkeit und Eigenschafften. 6 Wann sie gebähren soll / welches hart und nicht ohne Schmertzen hergehet / da begibt sie sich hinweg von den Orten / wo die Beeren / Wölff und andere Raubthier sich aufhalten / wohlwissend / daß ihre Junge da gar nicht wurden sicher seyn: Sie gebähret dieselbe ehender an denen Weeg und Strassen / wo die Menschen zu wanderen pflegen. Doch wann sie ihre Junge gebohren hat / haltet sie selbe sorgsam verborgen / biß ihre Füß verstarcket / und sie zu schnellem Lauff / den Gefahren zu entrinnen / tauglich seynd. Unterdessen aber suchet sie fleißig gewisse gesunde Kräuter zu ihrer Nahrung / damit sie eine gute gesunde Milch für die Junge bekomme. Hierauß hat der Mensch zu lernen /daß / wann er die gute Vorsätz / so er im Willen empfangen hat / durch würckliche Vollziehung der Wercken gebähren will (welches nicht ohne Mühe und Arbeit geschehen kan) da soll er sich gantz absönderen von denen Weeg und Strassen / auf welchen die wilde rauberische Thier / das ist / die Gottlose wandlen / er soll sich absönderen von den bösen Gesellschafften /sonsten wird seine Geburt / das ist / seine gute Werck in gröster Gefahr stehen: Er soll sich begeben auf die Weeg und Strassen / wo die Menschen wandlen / ich will sagen / er solle sich gesellen zu den jenigen / die vernünfftig / ehrlich und gottseelig leben: und wann er gebohren oder etwas auf die Welt gebracht / das ist /ein gutes Werck geübet hat / da soll er es in geheim halten / damit er nicht durch eitle Ehr desselben beraubt werde.

Es sollen auch die Elteren von der Hirschin lernen ihre junge Söhn und Töchteren zu Hauß zu behalten /und nicht zu fruhe unter die Leuth in die Gesellschafften zu lassen / biß daß sie den Verstand und die Fähigkeit haben / vor den Gefahren ihrer Seel und Nachstellungen des bösen Feinds zu fliehen: unterdessen aber für sie aus der Predig / aus der Kinderlehr und aus den Schulen heilsame Kräuter einer guten Lehr und Sitten für ihre geistliche Nahrung sammlen.

Was die Hirsch-Jagdten anbelangt / so seynd selbige bey jetziger Zeit nicht nur den fürnehmen Herren geistlich- und weltlichen Stands / sondern öffters auch den armen Baursleuthen nur gar zu wohl bekannt: wann sie nemlich ihren ungütigen Herrschafften so mühesam / mit Verabsaumung ihrer eignen Arbeit und Haußgeschäfft / ohne allen Entgelt darzu helffen müssen / also daß man zu Zeiten wohl zweifflen möchte / ob man Hirschen oder Bauren jage / nachdem diese Thier schon [325] Schaden genug gethan / und dem armen Landmann die liebe Früchten auf dem Feld / mithin dem Weib und Kind das Brod von dem Maul hinweg gefressen haben / ohne daß sie wegen so scharpffem als ungerechtem Verbott haben wehren dörffen. 7 O quàm indignum est inter Christianos propter animalia perire vel pati animas! O wie so unbillich / was für ein Greuel ist es / schreyet ein gewisser Scribent auf / daß auch unter denen Christen die Menschen wegen Thieren so vil leiden müssen!

Zu wünschen wäre es / daß alle Herrschafften jetziger Zeit beschaffen und so löblich gesinnet wären /als wie Ludovicus der Pfaltzgraff gewesen ist: dann als ihm gesagt wurde / seine Unterthanen beklagen sich / und seyen unwillig / daß sie in ihren Felderen so vil Schaden von dem Gewild leiden müssen: da gabe er zur Antwort: wann dem also / so wolle er lieber alles Wildprät manglen / als die Willigkeit seiner lieben Unterthanen verliehren: es seye fern von ihme /daß er seinen Lust im Jagen mit dem Schaden der Unterthanen geniesse / und sie wegen denen Hirschen leiden lasse. Er gab auch unverzüglich Befehl / die mehriste wegzuschiessen.

Weit anderst ist der allerhöchste König und Oberherr / nemlich GOtt beschaffen / er hat den Menschen zum öffteren durch die Hirschen auch miraculoser Weiß grosse Gutthaten erwiesen: als benanntlich dem H. Ægidio, welcher vil Jahr lang in der Wildnuß mit der Milch einer Hirschin / die täglich zu gewisser Zeit ihn besucht hat / ist erhalten worden. 8 Dem H. Eustachio, dem Christus zwischen den Gewichteren eines sehr grossen Hirschen sichtbarlich erschienen ist / ihn angeredet und zum Christlichen Glauben bekehret hat. Der H. Iddæ hat alle Nacht ein Hirsch mit vil aufhabenden Liechteren in die Kirchen gezunden.Clodovæo dem König in Franckreich / als er mit seinem Volck nicht wußte über den Fluß Vincennam zu kommen / ist ein Hirsch vorher gegangen / und hat ihm den Weeg gezeigt. Auch Abido, als ein unmündiges und gantz verlaßnes Kind / hernach ein König /ist von einem Hirschen in seine Höle getragen / und neben seinen Jungen von der Hundin oder Hirschin mit der Milch auferzogen worden. Ja den gantzen Hirsch gibt uns GOTT und die Natur zum Besten: die Haut zur Kleidung / das Fleisch zur Speiß / das Horn und Marck zur Artzney etc.

Ubrigens / ob wohl das Geweih oder die Horn die gröste Zierd des Hirschen seynd / so seynd sie doch nicht allzeit sein Nutzen / sondern vilmehr Schaden. 9 Als einstens ein Hirsch bey einem klaren Wasser-Bächlein getruncken / und in demselben sein groß-und schönes Gestämm oder Geweih ersehen und betrachtet hatte / da schöpffte er ein grosses Wohlgefallen darab / er prangte und proglete sich darmit / sprechend / man solte ja billich ihn und nicht den Löwen für den König der Thieren halten / als welchen die Natur selber mit einer so schönen Haupt-Zierde gekrönt habe. 10 Als er aber auch seine lange / ungestalte und dünne Lauff oder Füß gesehen hat / empfieng er ein grosses Mißfallen und Verdruß darob: er gedachte / wann nur auch seine Füß dicker und ansehnlicher wären. Indem er aber mit diesen Gedancken umgieng / da kam ein Jäger mit 2. Hunden daher /und so bald der Hirsch dieses ersehen hat / da flohe er darvon / und gienge durch so geschwind als wie der Wind: die Hund setzen ihm nach / kunten ihne aber nicht erreichen / deßwegen stunde er ein wenig still /und sagte bey ihm selber: Behüte mir GOtt meine lange dünne Lauff oder Füß / O wie kommen sie mir jetzunder so wohl! wann ich nicht also lauffen kunte /was wurde mich mein schön- und grosses Gehörn nutzen / ich wäre des Todts eigen. Entzwischen nähereten sich die Hund herbey / und er setzte seine Flucht wieder eilends fort: aber er kame in ein dickes Gesträuß / da hat er sich mit den Hörneren verwicklet /ist hangen geblieben / von den Hunden erdappet und gefangen worden. Da fieng er zu lamentiren an über seine groß- und schöne [326] Hörner / als die einzige Ursach seines Unglücks zu klagen und zu sagen |: Wohl wahr ist es: Non omne quod splendet aurum est: Nicht alles was glantzet ist Gold: und nicht alles was schön ist / ist nutzlich. Hätte der Absolon nicht so schöne lang- und fliegende Haar gehabt / so wäre er nicht mit denselben an dem Eichbaum hangen blieben / und von dem Joab mit der Lantzen durchstochen worden.

Eben also ist es jetzund auch mir ergangen / hätte ich kein so groß- und ansehnliche Haupt-Zierd / so wäre ich nicht daran behangen bliben / und in den Gewalt meiner Feinden gerathen. Wohl unweißlich derowegen thun die jenige (sie solten sich billich ab meinem Unglück spieglen) welche aus Ehrgeitz und Regiersucht / nach einer grossen Haup-Zierd / nach Infulen und Cronen trachten (wann sie schon von GOtt nicht darzu beruffen seynd) sie solten gedencken das /was der Symbolist meinen Hörneren hat zugeschrieben / auch den Infulen und Cronen solle zugeschrieben werden: nemlich ornant & onerant:


Ein Last und Zier
Am Haupt ich fuhr.

Infulen und Cronen seynd ein beschwerlicher und gefährlicher Last: beschwerlich zwar / weilen sie vil Mühe und Sorgen mit sich bringen / also / daß denselben schon mancher unterlegen und zu Boden gedruckt worden ist / da er aufs höchste zu steigen vermeint hat. Gefährlich aber seynd sie / weil man nicht selten gar zu starck an der Welt darmit behängen bleibt /und den Nachstellungen des Feinds nicht mehr entrinnen kan etc.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von den Gämbsen.

Sowohl die Gämbsen / Damæ oder Hinnuli, als Steinböck (welche unter die wilde Geißen gezehlt werden) halten sich auf bey den höchsten Gebürgen in dem Teutschland: beyde seynd verwunderlich hurtig oder geschwind: sie machen fast unglaublich starck- oder weite Sprüng von einem Berg oder Felsen auf den anderen. 11

Die Steinböck seynd grosser Kälte gewohnt / wo alles mit Schnee und Eiß überzogen ist: sie haben gespaltene spitzige Klauen / die ihnen zum Ansetzen /und alles zu überspringen dienen. Und das kostbariste in der Artzney ist an ihnen die zimmlich groß- und schwere Hörner / die ihnen hinterwärts schier über den gantzen Rucken gehen etc.

Die Gämbs aber / so in der Gestalt und Grösse den heimischen Geißen nit gar ungleich seynd / haben kleine schwartze und ruckwärts gebogene Hörnlein /mit welchen sie sich in Besteigung der Schroffen und Felsen anhencken: ihre Farb ist braun-roth: sie haben ein sehr scharpffes Gesicht / daß sie den Jäger von fern wahrnemmen: und wann sie von ihm so weit getrieben werden (welches eben auch durch mühesam-und gefährliches Klimmen geschehen muß) daß sie nicht mehr höher steigen oder sonst entrinnen können / da stürtzen sie sich selbst über die Berg und Felsen ab / doch also / daß sie gemeiniglich von dem Fall /durch ihre Hörnlein geschützet / nicht vil leiden: offt aber thut sie auch gantz zerfallen: zu Zeiten aber lassen sie sich auch in die untere Alpen herab. Um Jacobi fangen sie an in die Höhe zu steigen / damit sie nach und nach die Kälte gewohnen.

Gleich denen Gämbsen in der Höhe / das ist / in dem beschaulichen Leben / oder der Betrachtung Göttlich- und himmlischer Dingen / halten sich die Fromme und Gerechte auf: doch aber begeben sie sich auch zu Zeiten in die Ebne / in die Tieffe herab /durch die Demuth / und durch die Ubung des würckenden Lebens. 12 Sie haben auch ein scharpffes Gesicht der Discretion oder Bescheidenheit / und einer klugen Vorsichtigkeit / krafft deren sie den höllischen Jäger von weitem sehen / das ist / seine Nachstellungen erkennen und entdecken / um denselbigen entgehen zu können. Wann sie durch schwere [327] Versuchungen verfolget werden / da hencken sie sich mit ihren Hörneren / das ist / durch die Hoffnung und Standhafftigkeit vest an dem Felsen an: Petra autem erat Christus, dieser Felß aber ist Christus. Oder wann sie sich je stürtzen / so fallen sie in das Thal der Demuth / und werden durch die 2. Hörnlein der Gedult und Abtödtung beschützet und unverletzt erhalten.

Die Gämbs seynd schnell im Lauffen / ringfertig im Springen / klug oder behutsam im Waiden / dann sie klauben die beste oder ihnen gesundiste Kräuter aus: sie seynd auch zart und annehmlich am Fleisch.

Also auch ein gerechter und gottseeliger Mensch ist schnell und geschwind in Vollziehung des Gehorsams / und Ubung der guten Wercken / ringfertig zum Springen von einem hohen Berg zum anderen / das ist / von einer hohen Tugend und Vollkommenheit zu der anderen. Geschlacht und lieblich in seiner Conversation, fürsichtig und bescheiden in der Lehr und guten Erkanntnuß / wie geschrieben stehet: Ihr solt den Unterschied wissen / was rein oder nicht rein ist /und was ihr essen oder nicht essen möcht. 13

Endlichen / gleichwie die Gämbsen ein forchtsames / und schwach- oder wehrloses Thier ist / und nicht anderst / als mit der Flucht auf die hohe Berg sich salvirt: also seelig ist der Mensch / der ihm allzeit förchtet / und in allen Gefahren durch das Gebett seine Hülff und Zuflucht in der Höhe / das ist / bey GOTT und seinen Heiligen suchet.

Hingegen können auch zum Theil die Hoffärtige mit den Gämbsen verglichen werden. 14 Dann diese wohnen auch gern auf den hohen Bergen der Ehren und Würden / da hinauf schwingen sie sich mit den 2. Hörneren des Ehrgeitzes und der Regiersucht. Sie haben ein scharpffes Gesicht als wie die Gämbsen /sie seynd sorgfaltig und geflissen / alles aus dem Weeg abzuleinen / zu raumen / das ist / alle Hindernuß ihres Vorhabens / und hingegen keine Gelegenheit zu versaumen / einen Progress zu machen / und immer zu höheren Aemter und Ehren-Stellen promovirt zu werden. Aber wann sie durch den Todt von der Höhe der Würden und Ehren gestürtzet werden / da können ihre Hörner / das ist / ihr Pracht und Macht sie in dem Fall nicht beschützen; dann diese verstossen sich gewaltig / ja sie werden gäntzlich zerbrochen und zernichtet.

Es geschieht zu Zeiten / daß die Jäger den Gämbsen so lang und so weit auf den Bergen nachsteigen und nachklimmen / biß daß sie selbst in die gröste Gefahr zu stürtzen und zu verfallen kommen.

Also ist es Maximiliano dem I. einem Hertzogen in Oesterreich selbst ergangen / als er in dem Tyrolischen Hochgebürg / nicht gar weit von Insprug / den Gämbsen nachgejaget / und gar zu eyfrig nachgesetzt hat: dann er ist von den Seinigen abgesönderet worden / und von einem Schroffen oder Stein-Klippen auf die andere so lang und so hoch kommen / biß daß er nicht mehr hinter sich noch für sich hat können / es war ihm unmöglich wieder von dem so ungeheuren hohen Felsen herab zu kommen / ohne augenscheinliche Gefahr zu stürtzen / und in vil Stuck zu verfallen. 15 Es ware ein erbärmliches Spectacul: der Fürst sahe die Seinige wohl in der Tieffe herunten stehen /und sie sahen oder hörten ihn auch von fern in der Höhe / und kunte ihm doch niemand helffen: es ware unmöglich ihme beyzukommen. In dieser äussersten Noth und grösten Lebens-Gefahr hat er schon ein und anderen Tag und Nacht zugebracht / nichts als den bittersten Todt vor Augen habend / vor Hunger und Durst zu verschmachten. Man hat unterdessen gleichwohl von der nächsten Pfarr-Kirchen das Hochwürdige Gut hinauß getragen / seldes ihm von weitem gezeigt / und darmit den Seegen gegeben. Endlich aber hat sich GOTT auf inständiges Anflehen seiner und der Seinigen über ihn erbarmet / und ihm einen Engel in Gestalt eines Jägers zugeschickt / der ihn bey [328] der Hand ergriffen / und durch unbekannte Weeg sicher wiederum zu den Seinigen herab geführt. Der Hertzog sagte diesem seinem Erlöser nach GOTT unendlichen Danck / und ladete ihn ein nacher Insprug in seine Residentz zu kommen / und ein ansehnliche Recompenz zu empfangen: er ist aber forthin nimmermehr gesehen worden / und also Zweifels ohne niemand anders als sein H. Schutz-Engel gewesen.

Es steigen auch öffters die eitle Welt-Menschen den Ehren und Würden so lang und so hoch nach /daß sie in die äusserste Gefahr gerathen von der Höhe zu stürtzen. Sie werden aber öffters nicht von einem guten Engel wiederum in die Sicherheit geführet /sondern vilmehr von dem bösen Engel in die Tieffe gestürtzet.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Fuchsen.

Der Fuchs ist wegen seinem schönen / gelind- und warmen Balg / der uns im Winter so gute Dienst leistet / jedermänniglich genugsam bekannt: wegen dem Fleisch aber wäre es nicht der Mühe werth ihme nachzujagen / dann es nicht gut zu essen. 16 Es ist aber der Fuchs von Natur ein gar arglistig- und falsches Thier /das fast alle andere Thier zu hintergehen und zu betrügen weiß: absonderlich ist er den Hüneren und allem Geflügel sehr gefähr und schädlich / wie auch den jungen Haasen und Rehen.

Die Füchs werffen ihre Junge in dem Mayen 2. biß 6. an der Zahl / und um Jacobi-Fest lauffen sie schon mit den Alten auf den Raub aus. Sie essen allerley Speiß / Fleisch / Fisch und Obs etc. Sie werden blind gebohren / als wie die Hund / mit denen sie auch zu Zeiten brunsten / und bellen als wie die Hund: Um Martini kommt ihr Balg in vollkommnen Stand / im Sommer aber ist er nicht gut / er laßt die Haar. Der Fuchs laufft niemahl den geraden Weeg / sondern macht vil krumme Ränck und Umschweiff / damit ihn die Jäger und Hund destoweniger verwischen. Im anderten Jahr in dem Herbst machen ihnen die junge Füchs neue Bäu oder Höhlen mit unterschiedlichen Löcheren oder Aus- und Eingängen wegen Nachstellung der Jäger und Hunden: wann sie aber einen Dachs-Bau oder Höhle finden / da vertreiben sie den Dachsen darauß / und thun sich selbst darinn einquartiren; dann sie besudlen den Eingang der Höhle mit ihrem stinckenden Unrath / ab welchem der Dachs /so er nach seiner Abwesenheit wieder zuruck kommt /einen Grausen hat / und seine alte Wohnung verlasset. Wann der Fuchs gern Vögel fangen thäte / da besudlet er sich mit Koth / legt sich auf dem Feld nieder /und stellt sich / als wann er todt wäre / biß daß die Vögel ihme gantz nahe kommen / die er dann in Eil erschnappet und frißt.

Wegen diesen und dergleichen Eigenschafften ist der Fuchs jederzeit billich für ein lebhaffte Abbildung der Arglistigen / der Falschen und Gleißneren gehalten worden / also / daß man nach gemeiner Redens-Art / oder zu einem solchen zu sagen pflegt: Er seye ein arger Fuchs: dann diese thun auf unterschiedliche Weiß die Menschen / als wie der Fuchs die Thier / betrügen und beschädigen: Sie haben in ihrem Lauff /das ist / in ihrem Umgang und Lebens-Art tausenderley falsche Sprüng und Ränck / Vortheil und Ausflüchten / auf die man ihnen nicht leicht kommen kan. 17 Sie vertreiben auch öffters / als wie die Füchs den Dachsen / andere aus ihrem Eigenthum / von Hauß und Hoff / und dringen sich mit List oder mit Gewalt daselbsten ein. Offt stellen sie sich todt / das ist / gantz friedlich / still und ruhig / inzwischen aber lausteren sie nur auf eine Gelegenheit / die Unfürsichtige ins Garn zu fällen / und um das Ihrige zu bringen. Es ist ein Brauch / der gar gemein / betrügen durch den Freundschaffts-Schein. Die Füchs haben scharpffe Zähn und spitzige Klauen / aber einen stinckenden Athem / und ihre Biß heilen ungern. Auch [329] die falsche Gleißner und Betrüger versetzen einem Menschen gar schädliche Biß / das ist / verursachen grossen Schaden / ich will sagen einen schlimmen Ruff. Sie seynd bey Ehr-liebenden und aufrichtigen Leuthen verhaßt. Christus der HErr selbsten hat den schalckhafften Herodem einen Fuchs genennet / sprechend: Ite & dicite vulpi illi: 18 Gehet hin und saget dem Fuchsen etc.

Die Füchs schleichen auch in die Weingärten ein /sie verderben selbe / und fressen die Trauben ab / wie in den hohen Liederen Salomonis gemeldet wird. 19 Solche diebische Füchs seynd in sittlichem Verstand die Ketzer und Irrglaubige / welche in den Weingarten des HErrn / das ist / die Catholische Kirchen sich eindringen / selbe verwüsten / und ihre Früchten zu Grund richten.

Solche schädliche Füchslein seynd die Laxitäten und Mißbräuch / die bey denen Ordens-Geistlichen /und in den Gottshäuseren / als sittlichen Weingärten einschleichen / und die süsse Trauben / oder die Früchten des Gehorsams und der Clösterlichen Disciplin hinweg fressen.

Solche schlimme Füchs endlichen seynd die falsche Politici, Schmeichler und Gleißner / die interessirte Beamte und Finanz-Räth / die bey geistlich- und weltlichen Höfen der Fürsten und Herren sich eindringen / und die beste Früchten und Intraden des Lands /des Ærarii publici oder der gemeinen Cassa verzehren / verderliche Maximen und Grundsätz einführen etc.

Der Fuchs weiß vortrefflich wohl mit seinem Schweiff umzuspringen / und manche Possen darmit zu spihlen. 20 Er isset gar gern Wespen (villeicht weil sie etwas süß seynd / wann sie den Immen das Honig gestohlen haben) aber er laßt sich nicht gern stechen. Was thut er dann / wann er ein Wespen-Nest findet /wo sie hundert-weiß beysammen seynd? Steckt er etwan die Datzen oder Nasen darein? Nein / das laßt er wohl bleiben / so einfältig ist er nicht: sondern er legt sich nider / verdecket den Kopff und gantzen Leib im Laub oder Graß / so gut er kan / den Schweiff allein laßt er sehen: da sitzen die Wespen häuffig darauf / und wann der Fuchs vermercket / daß sein Schweiff mit Wespen angefüllt ist / da springt er gähling auf / und schlaget den Schweiff wacker an einem Stein oder harten Baum herum / also / daß die Wespen zerknirscht werden und todt herab fallen / hernach klaubt er sie zusammen / und frißt sie auf.

Wann er aber fischen will / da henckt er seinen Schweiff in das Wasser / und so bald ein Fisch aus Fürwitz nach selbem schnappet und darein beißt / so schwingt er ihn augenblicklich in die Höhe / und schlengt den Fisch aufs Land herauß etc.

Auch die politische Füchs / die arglistige Gleißner / Schmeichler und Betrüger wissen gar wohl mit dem Fuchs-Schwantz umzugehen. Auf waidmännisch heisset man den Fuchs-Schwantz die Ruthen: ja eben recht; dann er taugt ihnen für ein Glücks-Ruthen / so ihnen die verborgne Schätz eröffnet: dann mit Fuchsschwäntzlen / das ist / mit Flatiren und Schmeichlen locken sie manchem das Geld aus dem Beutel und aus der Truhen herauß. Der Fuchsschwantz / obwohlen er keinen Bart hat / so hat er doch gar linde Haar / und taugt einem manchen für einen Haupt-Schlüssel / er gehet überall ein / und eröffnet allen Zugang bey den Höfen / auch der Fürsten und grosser Herren ihre Zimmer / ja mit solchen Schlüßlen / mit den Fuchsschwäntzen kan man ihnen den Hertz-Kasten leicht eröffnen / das ist / das Hertz abgewinnen.

Andere machen eine Laiter von lauter Fuchsschwäntzen / auf welcher sie fein satt und sanfft zu fürnehmen Aemteren und hohen Ehren-Stellen hinauf steigen etc.

Der starcke Samson hat einstens bey 300. lebendige Füchs lassen zusammen fangen / allzeit zwey und zwey bey den Schweiffen zusammen gebunden / und überall ein brinnende Fackel darzwischen / und also hat er die Füchs hin und wieder in die Felder der Philistäer seiner Feinden / alles dardurch [330] anzuzünden /lassen auslauffen. O wan jetziger Zeit alle politische Füchs / ich will sagen / alle arglistige Gleißner /Schmeichler und Betrüger feurige Schweiff hätten /und alles anzündeten / wo sie hinkommen / wie mancher Hof und Residentz-Stadt wurde in völligem Brand stehen!

Der Fuchs hat auch noch diese besondere Art und Behutsamkeit / daß / wann er über ein gefrohrnes Wasser gehen will / da trauet er nicht gleich den Augen allein / sondern er hebt das eine Ohr auf das Eiß nider / zu probieren / ob er das Wasser unter dem Eiß rauschen höre / oder nicht: wann er es hört / so denckt er holla / das Eiß ist zu dünn / es wird mich nicht tragen / sondern mit mir brechen / und ich versauffen / gehet also wieder zuruck. Hört er aber von dem Wasser nichts / so gehet er auf dem Eiß kecklich fort. Dises ist ein löbliche Sorgfalt und Fürsichtigkeit / in welcher die Menschen billich dem Fuchsen solten nachfolgen / und nicht so unbehutsam auf das Eiß sich hinein wagen / sondern zuvor erforschen / ob es tragen thue. Ein Eiß aber / ein dünnes Eiß / welches die Menschen nicht traget / ja gar bald wieder gäntzlich verschmeltzt und vergehet / ist die zeitliche Wohlfahrt / Ehren / Wollüst- und Reichthumen / die Gunst und Gewogenheit grosser Herren etc. Die Menschen / so auf dieses Eiß gehen / und sich darauf verlassen / setzen keinen sicheren Fuß-Tritt / sie haben gar keinen vesten Grund / und seynd nie sicher / wann dieses Eiß bricht / oder gar zerschmeltzt / mithin seynd sie immerdar in der Gefahr / zu versincken und zu ertrincken. Der Königliche Prophet David warnet uns / daß wir nicht sollen auf das Eiß gehen / und diesem Eiß nicht trauen / indem er sagt: Nolite confidere in Principibus, in filiis hominum, in quibus non est falus: 21 Hoffet nicht / verlasset euch nicht auf die Fürsten und Herren / auf Menschen Kinder / bey welchen weder Heyl noch Sicherheit zu finden ist; dann wann sie sagen / es seye Frid / es ist kein Gefahr / da wird sie das Verderben schnell überfallen. 22

Ubrigens hat sich der Arglist und die Falschheit des Fuchsen absonderlich in nachfolgender Begebenheit erwiesen. 23 Ein Fuchs und ein Geißbock sprangen vor Durst mit einander in einen Brunnen / damit sie ihnen genug trincken möchten / es ist auch geschehen: aber nach diesem sagte der Bock zu dem Fuchsen / den Durst haben wir zwar gelöscht / aber wie kommen wir jetzund wieder aus dem Brunnen hinauß? Ja / sagte der Fuchs / das ist ein andere Frag / es wird Studierens brauchen. Doch weiß ich einen anderen Rath / stehe du mir Bock / richte dich auf die hintere Füß / spreize dich mit den vorderen Füssen an der Maur an / und lasse mich dir auf den Kopff sitzen / so kan ich schon hinauf springen / und wann ich draussen bin / will ich dir ein Laiteren bringen / daß du auch hinauf steigen kanst. Der Bock ware nichts als froh / er machte es also / und der Fuchs nimmt einen Sprung / und kommt glücklich hinauß. Der Bock wartete mit Verlangen / biß ihm der Fuchs die Laiteren bringe / aber ja wohl Laiteren bringen / er sprange /tantzte vor Freuden um den Brunnen herum / den Bock aber liesse er gleichwohl darunten sitzen / und lachte ihn aus. Dieser fluchte über ihn / hiesse ihn einen treulosen Betrüger / der sein Parolen nicht gehalten / und sprach: ich sihe wohl /


Wo nichts als Redlichkeit soll seyn /
Da ist die Untreu gantz gemein.

Der Fuchs aber sagte zum Bock: Du einfältiger Tropff / wann du so vil Hirn im Kopff als Haar im Bart hättest / so wurdest du dich niemahl in Brunnen hinab gelassen haben / wann du dir nicht getrauest wiederum herauf zu kommen / so hättest du zuvor sollen herauß bleiben: gleich bey dem Eingang soll man schon an den Ausgang dencken / und sich jenes Sprüchleins des Poeten erinneren:


Quidquid agis, prudenter agas, & respice finem.
All's was du thust / thu mit Bedacht /
Und das End fein wohl betracht.

[331] Aber was ist es Wunder / fahret er weiters fort / es machen es die eitle Welt-Menschen selber nicht besser / sie plumpffen unbedacht in tieffe Wasser-Sümpff der irrdischen Wollüsten hinein / sie begeben sich in die gröste Gefahren und böse Gelegenheiten / und gedencken nichts wenigers / als wie sie wieder herauß kommen und dem Untergang mögen entgehen. Ich hab es / sagte er weiters / wohl gescheider angestellt /als mich der Löw / so sich kranck stellte / in seine Höhle zu kommen eingeladen hat / mich versicherend / es soll mir kein Leyd geschehen / es seyen vil andere Thier auch zu ihm kommen / da hab ich zuvor alles fleissig ausgespähet / und aus den Fußstapffen anderer Thieren betrachtet / daß zwar viel zu ihm in die Höhle hinein gegangen / aber keines mehr herauß kommen seye. Vestigia nulla retrorsum. Ich excusirte mich also gantz höflich gegen ihm / mit Vermelden /ich hätte etwas in geheim mit ihm allein zu reden /und wolle warten / biß andere wieder hinweg gegangen seyen. Es wolte aber keines mehr zuruck kom men: dann wie ich wohl vermerckt / hat er alle umgebracht und gefressen. Deßwegen sagte ich: Nein nein /es ist da nicht zu trauen / ich machte mich aus dem Staub / und gedachte bey mir selbst:


Felix quem faciunt aliena pericula cautum.
Glückselig ist / den frembde Gfahr
Lehrt / daß er sich vom Fall bewahr.

Aber so arg und listig der Fuchs immer ist / so gehet ihm doch nicht alles an / bißweilen muß er auch seine Falschheit mit dem Balg bezahlen. 24 Er hat einstens mit dem Esel Bruderschafft getruncken / und einen Contract geschlossen / sie wollen hinfüran mit einander auf den Raub ausgehen / und was sie bekommen / brüderlich theilen / er bekomme so vil Hennen und Eyer / Gänß und Enten etc. daß er offt wünschte /wann er nur einen hätte / der ihms helffe nacher Hauß tragen. Der einfältige Esel ware wohl zufrieden / und vermeinte es gut getroffen zu haben. Aber als sie das erstemahl ausgiengen / da hat der Fuchs einen Löwen ersehen: er truge alsobald Sorg für seinen Balg / und lieff gleich selbst dem Löwen zu / ihne bittend / er solle ihm doch verschonen / und ihn nicht fressen / es komme da gleich ein Esel hernach / den wolle er ihm ins Garn lieferen / wann er ihm das Leben schencke. Der Löw sagte ja / und der Fuchs hat den guten Langohr unter falschem Vorwand und Versicherung dem Löwen den geraden Weeg ins Garn geführt: Dieser aber / der Löw / gedachte / nun ist mir die Esels-Haut gantz gewiß / aber den Fuchs-Balg muß ich auch haben: spricht also zu dem Fuchs / der Winter ist vor der Thür / und ich hab keine Beltzhauben mehr / du must mir eben deinen Balg hergeben / mithin ergreifft er ihn / und ziehet ihm noch vor dem Esel die Haut über die Ohren ab. Da fieng er mit spater Reu zu lamentiren an / und zu sagen: O wie wahr ist es: die Untreu schlagt ihren eignen Herrn! O wie wahr ist es: es bleibt nichts ungerochen / der dem anderen eine Grub grabet / fallet offt selbst darein! hätte ich den armen Esel nicht so treuloß verrathen / so wären wir villeicht beyde etc. Ein mehrers kunte er nicht sagen /dann / ehe daß er gar ausgeredet / hat ihm der Löw seinen verlognen Halß umgeriben.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von dem Haasen.

Der Haas ist ein sehr forchtsames und gantz wehrloses Thier / aber im Lauff überaus schnell. 25 Es heißt bey ihme: In pedibus falus: Mit schneller Flucht /sein Hülff er sucht. Er ist das unschuldigste unter den wilden Thieren / und begehrt kein Thier noch Menschen zu beschädigen; aber er ist sehr fruchtbar / hat offt und vil Junge. Wobey zu mercken / daß die Thier / so zur Speiß des Menschen erschaffen seynd / gemeiniglich fruchtbarer seynd als andere / damit nemlich durch täglichen Raub ihr Geschlecht [332] nicht gäntzlich abgehe. Er schlafft mit offnen Augen / hat ein blödes Gesicht / aber ein scharpffes Gehör. Seine äusserliche Gestalt ist genugsam bekannt: Sein Balg muß zu unterschidlichem Gebrauch dienen / das Fleisch aber thut er auf die Tafel her spendiren. Es ist zwar das Haasen-Fleisch hart zu verdäuen / macht dick / kalt und melancholisch Geblüt. Sonsten ist auch nicht wenig von dem Haasen in der Artzney zu gebrauchen: welches / gleichwie vil anderes dergleichen zu erörteren / ich denen Herren Medicis überlasse / und fürnehmlich nur die jenige Eigenschafften der Thier anmercke / welche füglich auf die Sitten der Menschen mögen ausgedeutet werden. Bey Tag hält sich der Haas gern still und im Gebüsch verborgen /zu Nachts aber streifft er herum / und sucht seine Nahrung in gewissen Kräuteren. Der Haas wird niemahl recht zahm oder heimlich gemacht / nicht daß er so wild seye / sondern weilen er so scheu und forchtsam ist.

Es können die arme / gemeine und einfältige Leuth wohl mit denen Haasen verglichen werden: dann dise seynd gemeiniglich schwach / forchtsam und wehrloß / als wie die Haasen / sie müssen immerdar vor den Stärckeren / das ist / vor den Reichen und Mächtigen fliehen oder nachgeben / sie dörffen sich an dem Tag schier nicht sehen lassen / aus Forcht angepackt zu werden / müssen sie gleichsam nur zu Nacht ihre Nahrung suchen / das ist / in widrigen und verächtlichen Dingen sich beschäfftigen / und ihr Stuck Brod gewinnen. 26 Sie haben auch gemeiniglich blöde Augen / ich will sagen einen schwachen Verstand /seynd weder spitzfindig noch gelehrt: doch haben sie ein gutes Gehör / sie hören gern und willig das Wort GOttes / und geistlichen Zuspruch in der Predig und in dem Beichtstuhl an.

Der Haas hat vil Feind / die ihn überwältigen und überlistigen / also / daß er offt Haut und Haar muß lassen: bald wird er mit Hunden gehetzt / bald erschossen / bald mit Strick und Garn gefangen: Er wird von allen Seiten angefochten / von grossen Raub-Vöglen / von Hunden / Wolff und Füchsen etc. und hat weder spitzige Horn / weder scharpffe Zähn noch Klauen. Eben also die verlassene Wittwen und Waisen / wann sie noch etwas von Mittlen haben / da leiden sie gar vile theils offentlich-theils heimliche Nachstellungen von den Raub-Vöglen / das ist / geldgierigen Obrigkeiten und ungerechten Richteren / von den Hunden und neidigen Nachbaren / von den Füchsen / Fallstricken falscher Freunden / von intereßirten und Geld-hungerigen Advocaten und Procuratoren etc. Und also müssen sie offt Haut und Haar / Haab und Gut dahinten lassen.

Aber weilen der Haas je so schwach und forchtsam ist / so hat es ihm die gütige Natur in anderem ersetzt / nemlich mit der Geschwindigkeit des Lauffs / zu welchem End sie ihm rauhe und gantz haarige Füß (oder Sprüng / wie es die Jäger nennen) gegeben hat /damit sie durch vil- und schnelles Lauffen weniger beschädiget werden: es seynd die hintere länger als die vordere / daß sie füglicher und schneller auf die Berg lauffen und fliehen können. Es ist auch der Haas (seine Schwachheit und Gefahr wohl erkennend) von Natur gar fürsichtig und behutsam in vilen Dingen: wann er ein Nest will machen / so vertraget er zuvor seine Junge in unterschiedliche Ort / damit / wann die Thier oder Menschen ihnen nachstellen / sie wenigist nicht alle auf einmahl gefunden und geraubet werden. 27 Er fliehet auch für sich selber von weitem die Gefahren / so bald er ein kleines Geräusch hört / da spitzt er seine lange Ohren / und wann er glaubt / es komme etwas daher / saumet er sich nicht / sonder fliehet alsobald / weil er noch Zeit hat.

Ja die Haasen (und zwar die kleinere / die Künele oder Küllhäslein insgemein genennet) werden von dem weisen Salomon selber unter die 4. gescheidiste Thier gerechnet: Quatuor sunt minima terræ, sagt er / & ipia sunt sapientiora sapientibus: 28 Vier seynd klein auf Erden / und kluger dann [333] die Weisen: Lepusculus plebs invalida, qui collocat in petra cubile suum: Die Künlein ein schwaches Volck / aber es legt sein Hauß in Felsen / damit nemlich weder Lufft noch Regen seine Wohnung zerstöhren möge. Mercke es wohl du schwacher und gebrechlicher Mensch / setze auch deine Wohnung oder Ruhestatt in jenen Felsen / von welchem geschrieben stehet:Petra autem erat Christus, der Felß aber war Christus; damit du so wohl bey dem sanfften Regen der Wohlfahrt / als bey dem hefftigen Wind der Trübsal und Verfolgung aufrecht und unbeschädiget verbleiben mögest. Folge nach der Behutsamkeit des Häsleins / fliehe beyzeiten und von weitem die Feind und Gefahren deiner Seel / da dir der Weeg noch frey und offen stehet / auf daß du nicht mit spater Reu müssest hören: Dum potuisti, noluisti, dum autem volueris, non poteris: da du hättest können / hast du nicht wollen: und wann du wirst wollen / wirst du nimmer können.

Alle Behutsam- und Fürsichtigkeit des Haasens kommt aus seiner Forchtsamkeit her / die Forcht aber aus Erkanntnuß seiner Schwachheit: und eben darum wird er von dem weisen Salomon als klug gepriesen. Eben also soll auch der Mensch aus so vilfältiger Erfahrnuß seiner Schwachheit erkennen und ihm förchten / dise Forcht aber wird ein Anfang seyn der Weißheit / und ein Ursach des Heyls: dann es stehet geschrieben: Initium sapientiæ timor Domini. 29 Und wiederum: Seelig ist / der sich allweg förchtet. 30

Noch mehr andere Lobens- und Nachfolgens-würdige Eigenschafften hat das Häslein: es laufft lieber und eilfertiger Berg-auf / als Berg-ab / es weißt sich nach der Jahrs-Zeit und nach dem Wind trefflich wohl zu schicken und zu richten / bald da bald dort seine Wohnung zu nemmen / und wann es auf dem Feld zu seiner Höle zuruck kommt / da gehet es nicht gleich hinein / sondern laufft zuvor vilmahl rum und rum /und endlich nimmt es einen Sprung hinein / damit man nemlich seine Tritt oder Fußstapffen nicht leicht erkennen möge / und ihm folgends auf das Gespuhr komme / wo es verborgen lige. Doch thut es sich in allem nur defensivè, nicht offensivè halten / das ist /es begehrt nur sich zu salviren und zu schützen / niemand aber zu schaden oder zu verfolgen.

Aber wann der Haas ein so gutes / unschuldig- und unschädliches Thier ist / warum wird er dann also verfolgt / und ihme vor anderen Thieren zugesetzt /bald von den Menschen / bald von den Hunden / bald von den wilden Thieren / alles will das Häslein todt haben? 31 Warum? Antwort: weil er sich nicht wehrt /eben darum / weil er gut ist und niemand beschädiget: wann er böß wäre / sich tapffer wehren / braff beissen und reissen thäte / oder kunte thun / so liesse man ihn vil ehender gehen: so aber verlasset man sich auf seine Güte / und mißbraucht dieselbe / wohlwissend /daß man sich vor ihm nichts zu beförchten hat. Hingegen einen bißigen Wolff / einen grimmigen Beeren etc. greifft man so leicht nicht an / man ist froh / wann er nicht angreifft.

Dat veniam corvis, vexat censura columbas: auch dem schönen unschuldigen Täublein reibt man den Kragen um / dem singenden Lerchlein druckt man den Kopff oder die Ripplein ein / nicht weil es böß / sondern weil es gut zu essen ist / da hingegen der verstohlne Raab und diebische Habich unangefochten bleibt. Eben also gehet es in Statu politico, in dem gemeinen Welt-Lauff bey den Menschen zu. Die Mächtige / Reiche / Neidige und Arglistige fechten an und verfolgen die Schwache / Fromme / Unschuldige: Impius prævalet adversus justum: Der Gottlose überwältiget den Gerechten / nicht als wären sie böß oder thäten sie ihnen Schaden / sondern weil sie gut seynd und gern nachgeben / weil sie aus Lieb des Friedens nicht streiten und proceßiren mögen / oder weilen sie in Mittlen und Erfahrenheit zu schwach /sich nicht wehren können / und folgends nicht zu förchten seynd / darum thut man sie ohne Scheu angreiffen und verfolgen. Die Wehr- [334] oder Boßhaffte aber / die Reiche und Arglistige förchtet man / und lasset sie ungekräncket und unangefochten gehen.

Ubrigens seynd halt bey den Leuthen / absonderlich bey den Edelleuthen / Kriegs-Leuthen die forchtsame Haasen oder Haasen-Hertz veracht und verlacht / als welche / wie Salomon sagt / lauffen / wann sie schon niemand jagt / oder wie David redet / die ihn förchten / wo doch kein Forcht ist. 32 Auch der siegreiche Gedeon hat aus Befehl GOttes die Forchtsam- und Erschrockne heissen abweichen / und vor der Schlacht mit seinen Feinden zuruck kehren aus seinem Kriegs-Heer.

Ein solcher Haasen-Held oder Haasen-Hertz ist gewesen Heliogabalus der sonst stoltze Kayser / der bey Anruckung des Feinds sich samt seiner Mutter in ein heimliches Gemach verschlossen hat / und allda elend ums Leben kommen ist. Deßgleichen KayserCalligula, der / so bald es angefangen hat zu donneren / zitterte er an allen Gliederen / versteckte sich in das Beth / und verstopffte die Ohren. Auch Commodus der Kayser getraute sich nicht von einem anderen balbieren zu lassen / sondern hat ihme selbst mit einer glüenden Kohlen den Bart abgebrennt. Antemon ist ein solcher forchtsamer Haas gewesen / daß immerdar 2. Diener haben müssen einen Schild über ihn heben /damit ihm nicht gähling etwas auf den Kopff fallen möchte. Pisander aber der Phantast hat ihm vor ihm selber geforchten / daß nicht gähling sein eigne Seel oder sein Geist ihm begegne / oder sich vor ihm sehen lasse.

Es ist zwar nicht ohne / wann der Mensch mit leiblichen Augen seine eigne Seel / wann sie in einer schweren Sünd ist / sehen solte / wie abscheulich sie ist / so wurde er vor Schröcken gewiß in Ohnmacht fallen oder gar sterben. Etliche hertzhaffte Haasen oder Haasen-Hertz waren einstens bey nächtlicher Weil zu Winters-Zeit in einem Zimmer beysammen /unwissend / daß ein Knab ein paar Aepffel in das heisse Ofen-Rohr gelegt habe / welche dann zu braten und praschlen oder zu pfeiffen und zu sutteren angefangen haben: worüber diese Helden gantz erblaßt einander angesehen haben / vermeinend es seye ein Gespenst hinter dem Ofen / und in solche Forcht seynd gesetzt worden / daß sie bey nahend zum Fenster hinauß gesprungen wären.

Höret noch von einem Kriegs-Helden / Aristophiton mit Namen / ein adelicher Athenienser / war einer ungemeinen Leibs-Stärcke / und proglete sich zum öffteren / daß er alleinig eine gantze Compagni Soldaten erlegen und verjagen wolte etc. Als er aber würcklich hätte sollen in das Feld ziehen / da hat er ihm also geforchten / daß er sich eilends beyde Füß verbunden / und erbärmlich gehuncken hat / nur daß man ihm verschonen und zu Hauß lassen thue. Ein solche Forcht und Zaghafftigkeit aber kommt gemeiniglich von einem bösen Gewissen her / sagt der Heil. Chrysostomus: Mala conscientia pavidum facit & timidum. 33

Doch aber / wer hätte es gemeint / auch in dem Krieg kan der Haas gute Dienst leisten / auch in der würcklichen Feldschlacht kan man ihn brauchen. 34 Dieses hat sich gezeigt / als einstens der Löw samt anderen Thieren wider den Adler und andere Vögel einen Krieg geführt hat / und willens ihme eine Schlacht zu lieferen / die vierfüssige Thier als seine Soldaten in die Schlacht-Ordnung stellte / da vermeinten die andere Thier / er solte den Haasen und den Esel aus dem Lager hinweg schaffen / sie haben ja keine Courage / kein Hertz / und taugen gar nicht zum Fechten / sie seyen forchtsame Lettfeigen / und werden gleich darvon fliehen / wann der Streit angehe. Aber nein / sagte der Löw / ihr seyd nicht recht daran / sie taugen mir gantz wohl / und werden schon auch das ihrige thun / gebt ihr nur auf euch selber Achtung: dann erstlich der Esel soll mit seiner starcken Stimm das Feld-Geschrey machen / mir für einen Feld-Trompeter dienen / und euch zum Streit aufmunteren. Fürs andere / so werdet ihr als tapffere Soldaten [335] verhoffentlich den Sieg erhalten / und grosse Beuth machen: alsdann werdet ihr froh seyn / wann ihrs dem Esel könnet aufladen / daß er euchs heimtrage. Was aber den Haasen anbelangt / obwohlen er ein schlechter Soldat ist / so taugt er mir doch wegen seiner Geschwindigkeit für einen Currier: wie er dann auch deßwegen lepus quasi levipes, das ist / ringfüßig genennt wird. Wann nun / sagte er weiters / ihr meine Befehl / die ich euch durch diesen Currier / den Haasen werde zuschicken / so hurtig und fleißig vollziehet / als geschwind er euch selbe überbringen wird /so werden wir gewiß von unseren Feinden den Sieg erhalten. Auf solche Weiß hat der Löw die andere Thier sinnreich corrigirt / ihren Unfug ihnen zu verstehen geben / und zugleich auch die Menschen erinneret / daß die Stärcker- und Weisere die Schwächer-und Unweisere nicht als unnützlich verachten sollen: dann der jenige thut genug und vil / der thut was er kan / es mögen gleich seine Kräfften groß oder klein seyn. Non omnia possumus omnes: Nicht alle können alles / gleichwie auch nicht ein jede Erden oder jedes Land alle Früchten traget / sondern die eine das / und ein andere was anders. Eben dieses ist / was der Apostel Paulus geschrieben hat / daß wir / nemlich alle glaubige Glieder eines Leibs seyen / aber nicht alle Glieder einerley / sondern unterschiedliche Verrichtungen haben / und dem einen diese Gaab von GOTT seye ertheilt worden / und dem anderen eine andere etc.

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von dem Dachs und Igel.

Taxus, der Dachs ist ein kleines / doch zimmlich dickes und sehr wehrhafftes Thier / er hat gar kurtze Füß und ein starckes Biß / mit welchem er den Hunden /so ihn angreiffen / vil zu schaffen gibt: er ist auch wider dero Biß mit einer harten / starck- und rauhen Haut oder Balg zimmlich wohl versehen. 35

Es gibt aber zweyerley Arten der Dachsen / nemlich Hund-Dachsen und Schwein-Dachsen (die aber nie beysammen wohnen) jene haben kürtzere Mäuler und gespaltene Dappen wie die Hund: diese aber haben ein langes Maul oder Rüssel / schier wie die Schwein / und gespaltene Klauen: auf dem Kopff und Rucken seynd sie zimmlich schwartz / sonsten grauer Farb / mit einem kurtz- aber dicken Schweiff.

Die Dachs machen ihre Höhle (auf waidmännisch Dachsen-Bau genannt) unter der Erden mit grossem Vortheil / wohin sie allerley Nahrung schleppen / und auf den bevorstehenden Winter sich versehen: wann aber die Nahrung zu frühe ausgehet / so schlaffen sie die übrige Zeit an statt dessen / und nähren sich durch die Verzehrung der innerlichen Fettigkeit ihres Leibs. Wann sie ihre Junge erzogen haben / so vertreiben sie selbe aus ihrer Höhle / auf daß sie ihnen selbst eigne Wohnungen verschaffen sollen. Im anderen Jahr bekommen sie ihre vollkommne Grösse / und leben zimmlich vil Jahr lang. Man schreibt von ihnen / daß / wann sie eine Höhle ausgraben / da lege sich einer auf den Rucken / die andere aber beladen ihn mit der ausgegrabnen Erden / und ziehen ihn bey den Füssen mit dem Maul herauß / und brauchen ihn also für ein Wägelein so offt und lang / biß daß die Höhle weit genug und ausgeraumt ist.

Es thut sich auch der Dachs klüglich vorsehen wider den Wind und das Ungewitter: dann er macht 2. Löcher oder Ein- und Ausgäng in seiner Höhle: und wann der Sud- oder Mittag-Wind wehet / da vermacht und verstopfft er die Thür oder Eingang gegen Mittag / und läßt die andere gegen Nord oder Mitternacht offen stehen. 36 Hingegen / wann der Nord- oder Mitternacht-Wind blaset / da vermacht er den Eingang gegen der Nord-Seiten / und lasset die andere gegen West offen: und zwar nicht anderst / als mit seinem dicken zotteten Schweiff pflegt er die Löcher oder Eingäng seiner Höhle zu verstopffen. Dise Fürsichtig-und Behutsamkeit des [336] Dachsen ist wohl würdig / daß der Mensch dieselbe imitire / und die Wohnung seines Hertzens durch Betrachtung der 4. letzten Ding so fleißig verwahre / als wie der Dachs seine Höhle / so wohl wann der sanffte Mittag- oder Sud-Wind der zeitlichen Wohlfahrt blaset durch Erinnerung der ewigen Unglückseeligkeit / als wann der rauhe Nord-oder Mitternacht-Wind der Trübsal oder Widerwärtigkeiten blaset durch das Angedencken der ewigen Freuden / damit man nicht zu muthwillig werde in der Freud / noch zu kleinmüthig in dem Leid: dann omnis fortuna timenda est prospera & adversa, wie der H.Gregorius sagt / so wohl in dem Glück als Unglück soll man sich förchten und behutsam seyn. Die Thüren aber / die Ein- und Ausgäng des menschlichen Hertzens seynd die Affectiones oder Anmuthungen /und diese sollen weder der unordentlichen Freud /noch der unmäßigen Traurigkeit gar zu frey und offen stehen.

Daß aber der Dachs in dem Sommer sich mit dem Proviant oder nothwendigen Nahrung versihet auf den Winter / das lehret und ermahnet uns gute Werck zu üben in dem Leben / auf daß wir derselben Früchten geniessen mögen in dem Todt.

Was aber den Igel / Herinaceum anbelangt / so gibt es derselben auch zweyerley / nemlich Hund-Igel und Schwein-Igel. 37 Diese haben einen kleinen Rüssel / als wie die Schwein / jene aber seynd dem Maul nach den Hunden ähnlicher.

Es ist aber der Igel ein zwar klein- und unansehnliches / doch von der Natur wohl bewaffnetes / und mit viel spitzigen Stachlen / als eben so vil Spieß und Degen versehenes Thierlein: welche Spitz und Stachlen er nach Belieben einziehen oder ausstrecken kan. Wann die Menschen oder Thier ihn angreiffen wollen / so stechen sie sich an ihm / und tragen blutige Händ oder Mäuler darvon; massen er sich in eine Kugel zusammen zieht / daß man weder Kopff noch Füß / sondern nur einen Balg / dick mit lauter spitzigen Stachlen eines Zoll langs / angesteckt sihet.

Die Igel wohnen in dicken Hecken und in den Weingärten / sonderlich zur Herbst-Zeit: im Winter aber verschlieffen sie sich in ihre Löcher oder Höhlen / die sie eben so vortheilhafftig als wie die Dachsen machen / und mit 2. Eingäng versehen / den aber / so gegen dem Wind stehet / vermachen: wohin sie auch ihre Nahrung für den Winter eintragen: dann der Igel ist ein listiges Thier / wann er Obs oder dergleichen auf dem Boden findet / da weltzt er sich darauf / und wann seine Stachlen voll darmit angestecket seynd /da traget ers in seine Höhle. Die Fürsichtigkeit des Igels in Erbauung seiner Höhle und in Verschaffung der Nahrung ist zwar löblich und wohl Nachfolgens-würdig / aber sein immerwährendes Stechen ist nicht löblich. Wann er sich nur wehren thäte / wann man ihn schlaget oder verfolget / so wäre es ein anders: aber er sticht / wann man ihn nur anrühret etc. Solche stechende Igel seynd in sittlichem Verstand die ungedultigzornig- und bißige Menschen / welche gar nichts leiden können / sondern immerdar auf alle Seiten stechen und beissen: man kan sie nicht anrühren /daß man unbeschädiget darvon komme: so vil Wort von ihrem bösen Maul ausgehen / so vil Stich und Stachel empfindet der jenige / so mit ihnen muß umgehen. 38

Die Schlang und der Igel tragen von Natur ein grosse Feindschafft gegen einander / wann sie zusammen kommen / da streckt der Igel seine Stachel aus / und die Schlang thut ihn umwicklen / und will ihn verwürgen / je stärcker aber sie ihn drucket / je stärcker sticht er sie / und will dannoch kein Theil nachgeben /also daß bißweilen beyde todt auf dem Platz bleiben. Fast also gehet es her / wann zwey böse zanckerische Mäuler zusammen kommen / und keines dem anderen nachgeben will / da stechen und beissen sie einander so lang und hart / daß beyde Theil durch den Neid und Haß schwerlich an der Seel verwundet werden.

[337] Der Igel ist ein schlimmer unfriedlicher Gast oder Nachbar / es ist gar nicht gut neben oder bey ihm wohnen / wie es wohl erfahren hat jener Dachs / zu dessen Höhle bey anbrechender Nacht und starckem Ungewitter ein Igel kommen ist / und ihn gar schön gebetten hat / er solle ihn einlassen und ihm die Nacht-Herberg vergonnen. 39 Der Dachs entschuldigte sich / mit Vermelden / es könne einmahl nicht seyn / die Höhle seye zu eng / sie haben nicht beyde Platz darinnen / und er habe gar ein stechendes Wammes an / wann er nur zuvor selbes thäte ausziehen. Der Igel aber wolte nicht nachlassen / und sagte / er brauche gar keinen grossen Platz / nur ein kleines Winckelein soll er ihm gestatten / er wolle sich ducken und schmucken / und gantz klein zusammen ziehen etc. Der Dachs liesse sich endlich überreden / und gestattete dem Igel den Eingang in seine Höhle. Dieser aber ist kaum ein wenig darinnen verwarmet / da hat er sich also gespreitzt / aufgelassen / und also unnütz gemacht / als wann er einzig und allein Herr und Meister im Hauß wäre / ja er hat den Dachsen auf allen Seiten gestupfft und gestochen / daß er unwillig worden / und sich gegen ihm beklagt / das seye ein schlechte Manier / ein schlechter Danck / er habe zwar einen starcken Balg / und seye nicht kützlig /aber seine Stich-Reden / die er ihm gebe / gehen gar zu starck ein / er könne es nicht mehr leiden / er habe ihm gantz ein anders versprochen. Ja / sagte der Igel /du must wissen / da ich noch vor deiner Höhle daraussen war / da hab ich gethan / was mich die Noth zu thun gezwungen hat / jetzund thue ich / was ich gewohnt bin / und was mir gelegen ist. Wolte nun der Dachs einen Fried und Ruhe haben / so mußte er sein eignes Hauß raumen / und dem Igel überlassen. Er traffe aber bald ein altes Weiblein an / disem erzehlte und klagte er / wie es ihm mit dem Igel ergangen seye. Ja / sagte das alte Weiblein / ich kans dir wohl glauben / es gehet mir eben auch also: dann mein grosser Bub der Pflegel hat ein Weib genommen / und hatte kein Herberg darzu / sie wußten nicht wo sie solten über Nacht seyn / darum hat mich des Sohns Weib so gebetten / ich soll sie doch zu mir ins Häußle lassen /sie wollen mir gar keine Ungelegenheit machen: und jetzund seynd sie so böß / und plagen mich / daß sie mich aus dem Hauß vertreiben etc.

Also ist es: Zwungne Demuth thut kein gut / wanns nicht von Hertzen gehet / so dauret es nicht lang. Die menschliche Anmuthungen seynd gleich den reissenden Wasser-Bächen / die man zwar wohl eine Zeit lang kan zuruck halten / aber hernach setzen sie ihren gewöhnlichen Lauff wiederum mit desto grösserer Hefftigkeit fort. Was man einmahl gewohnt hat / das laßt man so leicht nicht mehr etc. Neben dem / daß es ein alter Brauch / und der gemeine Welt-Danck ist: Gutes mit Bösem vergelten.

Der 6. Absatz
Anhang
Zu den wilden Thieren. Von der Jägerey und dem Jagen.

Das Jagen oder die Jägerey ist ein bey jetziger Zeit den fürnehmen Herren geistlich- und weltlichen Stands sehr gewohnte und angenehme Lust und Ubung / welche nicht nur zur Gesundheit des Leibs sehr dienlich ist / sondern auch den tapfferen Kriegs-Ubungen in vilen Stucken zimmlich gleichförmig /und deßwegen den weltlichen Personen anständiger ist als den geistlichen. 52 Man lernet in dem Jagen das Gewehr zu Pferdt und Fuß hurtig und geschickt zu führen / das Gewild fürsichtig auszuspuhren / schnell zu verfolgen / hertzhafft anzugreiffen und vortheilhafftig zu erlegen. Man gewohnet in dem Jagen Hitz und Kälte zu ertragen / Wind und Regen auszustehen / Durst und Mattigkeit zu erdulten / und alle aufstossende Fatiquen und Strapazen zu übertragen. Man thut durch das Jagen die Sorgen minderen / die Melancholi oder den Schwermuth vertreiben / das Gemüth ergötzen / die Glieder stärcken / den Leib verhärten und daurhafft machen. Es ist aber das Jagen unterschiedlich / und mit oder ohne [342] Garn nach unterschiedlicher Art und Gattung der Thieren so gejagt werden; dann einige seynd mehr oder minder flüchtig / mehr oder minder wehrhafft als andere / frech oder listig etc.

Das Parforce-Jagen bestehet in dem / daß man ein Wild zu Pferdt mit Hunden allein ohne umgestecktes Garn oder Plancken so lang verfolgt und herum treibt / biß es gantz abgemattet erligen / und sich dem Jäger ergeben muß / zu welchem End an denen Gräntzen des ausgesteckten Jagd-Platzes in gewissen Intervallis frische Pferdt und Jagd-Hund ausgetheilt / auch wohlerfahrne Jäger nebst den Jagd-Hunden und Knechten darzu bestellt und angeordnet werden /damit das Wild nicht aus der Fahr gehe und entrinne. Das Parforce-Jagen (absonderlich der Hirschen zu ihrer Brunst-Zeit) ist künstlich und curiös oder ergötzlich / aber auch kostbar und gefährlich / massen vil Hund und Pferdt darauf gehen / und solte ein grosser oder regierender Herr billich Bedencken tragen /seine Person darauf zu hazardiren und in Gefahr zu setzen. Es lasset auch diese Art zu jagen nicht ein jede Gegend oder Lands-Gelegenheit zu.

Was die Jäger und Waid-Leuth belangt / so werden die jenige dardurch verstanden / welche eine Jagd klug oder vortheilhafft und vergnüglich wissen anzustellen und auszuführen. 53 Es wird aber zu einem vollkommnen Jäger erforderet / daß er wachtbar / mühesam und unverdrossen seye bey Tag und bey Nacht / in Hitz und Kälte etc. hurtig und hertzhafft / in dem Waid-Wesen wohl geübt und erfahren / gesund und starck. Er muß alles Lists und Vortheils / deren sich das Gewild braucht / kundig seyn: Er soll haben ein scharpffes Gesicht / und leises Gehör: auch listig und anschlägig / sorgfältig und begierig seyn / das Gewild auszuspuhren / zu verfolgen und zu erhaschen. Ferners soll ein vollkommner Jäger wohl und behend lauffen / springen / reiten und schwimmen können /auf all begebenden Fall dem Wild nachsetzen zu können. Er muß forderist ein guter Schütz und Hirschgerecht seyn / seine Hund und anderen Zeug fleißig in Obacht nemmrn / mit guter Kugel-Büchs / Hirschfänger und Schweins-Spieß wohl versehen seyn. Ja er muß auch des Monds Wechsel / des Winds und Wetters Veränderung wohl verstehen.

Dem Grad und der Würde nach ist an Fürstlichen Höfen der Oberist-Jägermeister das Haupt von ihnen /der commandirt sie alle / der stellt die Jagdten an /und verordnet alles / was darzu gehörig ist. Unter ihm stehet der Unter-Jägermeister / gemeine Jäger / Forst-Knecht und Jagd-Bediente. Bey den alten Römeren seynd die Jäger unter die Künstler und militarische Personen gezehlt / und ihnen gleiche Freyheiten ertheilt worden.

Die Jagd-Hund betreffend / seynd derselben unterschiedliche Arten / nemlich Spuhr-Hund / Schweiß-Hund / Leith-Hund / Windspihl / Englische Dogues, und Dachs-Hund etc. welche alle unterschiedliche Dienst thun müssen. Die Leith-Hund seynd die jenige / deren sich die Jäger bedienen dem Wild nachzuspuhren / sie führen selbe an einem Riemen / an ihrem Leib-Gehenck / und lassen sich von ihnen auf die Fahr hinziehen / daß sie wissen können / wo sich das Wild aufhalte / und wie es beschaffen seye. Der Spuhr-Hund ist gleicher Art / gehet aber loß / und hat neben dem Leith-Hund solchen guten Geruch / daß er demselben Wild nachsetzet / welches er zum ersten aufgetrieben hat / wann schon vil andere darzwischen geloffen seynd. Der Schweiß-Hund verfolget das angeschoßne Wild / und stellet es / daß man ihm noch einen Schuß beybringen / oder wann es schon gefallen ist / es finden kan. Die Windspihl taugen einen Fuchsen oder Haasen im freyen Feld zu fangen: sie werden also genennt wegen dem überaus schnellen Lauff; dann es ist schier nichts an ihnen als Haut und Bein /[343] und lange Füß. Die Englische Dogues braucht man Wildschwein und Beeren zu stellen / dann sie seynd sehr groß und starck. Die Dachs-Hund aber müssen in Dachs-Höhlen schlieffen / und selbe herauß treiben. Des Wasser- und Wachtel-Hunds / welche auf gantz besondere Art müssen abgerichtet werden / zu geschweigen.

Sonsten seynd die beste Jagd-Hund die jenige /welche einen mittelmäßigen langlechten Kopff haben / weit- offne Nasen Löcher / breite / dicke / abhangende Ohren / braune / frischglantzende Augen / gute weise Fang-Zähn / starcke gerade Füß / eingebognen Schweiff und schwartze Klauen etc. Ein mehrers von der Jägerey / von dem Jagd-Zeug / von den Jäger-Häuseren und Thier-Gärten etc. zu melden / lasse ich den Waid-Leuthen über / und wende mich zu einer sittlichen Seelen-Jagd.

Gleichwie der Job in seinem 7. Capitel gesprochen hat: Militia est vita hominis super terram: Des Menschen Leben ist ein Streit auf der Erden: also geduncket mich könne mit gleichem Fug gesagt werden: Venatio est vita hominis supet terram: Des Menschen Leben ist eine Jagd auf der Erden. 54 Ja lauter Jäger seynd die Menschen: ihre Jagd-Hund aber seynd ihre Affectiones und Desideria, Begierd- und Anmuthungen: wohl hitzige / schnell- und begierige Jagd-Hund / aber zum öffteren seynd sie gar unbändig und übel abgericht. Das Wild / dem diese Jäger nachsetzen / ist unterschiedlich / nachdem nemlich die sittliche Jagd-Hund / das ist / die menschliche Begierd-und Anmuthungen auf etwas abzihlen. Der eine jagt den Reichthumen / dem Gut und Geld nach / der andere den hohen Würden und Ehren / der dritte den fleischlichen Wollüsten / der vierdte den Künsten und Wissenschafften / der fünffte endlich jagt der Tugend und guten Wercken nach.

Seelen-Jäger aber seynd die Apostel und Apostolische Männer / die Glaubens-Sendling und eyferige Seelsorger / welche in dem Wald diser Welt den sündigen Seelen gleichsam als wilden Thieren nachjagen / und selbe zahm machen / zu bekehren suchen. Zu diesem End thun sie in ferne Land biß übers Meer in die neue Welt auslauffen / und den Unglaubigen das Evangelium predigen. Von diesen allen kan gesagt werden / was geschrieben stehet bey dem ProphetenJerem. c. 16. v. 16. Mittam eis multos venatores, & venabuntur eos etc. Ich will ihnen vil Jäger schicken / die sie jagen werden von allen Bergen und Büheln / und Stein-Ritzen. Diligit nos DEus, si virtutum venatotes nos intuebitur, sagt der H. Cyrillus Alex. 55 GOtt wird uns lieben / wann er wird sehen /daß wir Seelen-Jäger abgeben: Und Petrus Blessensis von geistlichen Stands-Personen redend: Illud venationis genus incumbit nobis ex officio, in qua subjectorum est salus, & gloria Præsidendentis: Jene Gattung und Art zu jagen stehet uns zu / an welcher das Heyl der Untergebnen und die Ehr des Vorstehers gelegen ist.


Der Obrist-Jägermeister aller Seelen-Jäger ist Christus der HERR selbsten / welcher von dem hohen Himmel in die Wildnuß dieser Welt herab kommen ist / und den sündigen Seelen nachgejagt hat / deren er auch unzahlbare in sein Garn gebracht / und selbige gefangen genommen hat / in vinculis Charitatis, in den Strick und Banden der Liebe / aber dieselbe eben darum in wahre Freyheit gesetzt und ewig glückseelig gemacht. Ader auch der höllische Feind ist ein sehr listiger und begieriger Seelen-Jäger / denen er unabläßlich nachstellt / und in sein Garn / mithin in die ewige Gefangenschafft / und in das Verderben zu bringen sucht: er fangt und feßlet auch unzahlbare mit den Strick und Banden der Sünd und Laster / des Irrthums und der Verzweifflung. Ja vil thun sich leider selbst freywillig aus lauter Muthwillen ihm gefangen geben.

[344] Aber indem ich diese Materi zu beschliessen gedachte / reitzet mich die Jagd-Lust noch einmahl von neuem an mit der Feder zu der Jägerey und dem Waidwesen mich umzuwenden. Sage also / und wiederhole es / daß das Jagen an ihm selber nicht böß und straffmäßig / sondern ein ehrliche / schön- und löbliche Ubung (absonderlich für adeliche Herren) seye / die so wohl vor alten als bey jetzigen Zeiten /auch von gerecht- und gottsförchtigen Männeren öffters ist vorgenommen worden. 56

Wer nun der erste Jäger gewesen seye / ist eigentlich nicht bekannt: daß aber das Jagen eines sehr alten Herkommens seye / das ist gewiß / massen die Heil. Schrifft von dem Lamech sagt / daß er dem Gewild nachgejagt habe / und dieses schon im sechsten Jahr hundert nach Erschaffung der Welt. Mittelst der Zeit aber hat es unzahlbar vil hohe Stands-Personen biß auf heutigen Tag abgeben / die sich alle gar starck auf das Jagen verlegt haben. Wann wir die Poeten um den Ursprung des Jagens befragen / so werden sie uns sagen / Apollo und Diana haben den Chironem zu erst wegen seiner Justiz mit etlich Jagd-Hunden beschencket etc. Aber mit solchen erdichteten Jagd-Hunden wären die jetzige Jäger nicht zufrieden; dann sie wurden ihnen wenig Wildprät in die Kuchel jagen.

Es giebt aber gute und schlimme Jäger: Höchst-löbliche Jäger seynd gewesen Ferdinandus II. Römischer Kyser / und Ferdinandus V. König in Spanien /die sich zum öfftern unter der Jagd in dicken Wälderen von ihrer Hofstatt eine Weil haben abgesönderet /und die Bildnuß der Mutter GOttes / die sie bey ihnen getragen / an einen Baum gehängt / und darvor mit gebognen Knyen ihre Andacht verrichtet. 57 Deßgleichen Carolus M. und Maximilianus der Kayser / hat sich zwar starck auf das Jagen / aber noch stärcker auf die Tugend und Frommkeit begeben etc.

Es muß das Jagen dem himmlischen Seelen-Jäger Christo dem HERRN selbsten nicht mißfallen / massen er vil so wilde Sünder mitten unter dem Jagen gefangen / und in sein Garn gebracht / das ist / wunderbarlicher Weiß an sich gezogen und bekehret hat: benanntlich einen Heil. Eustachium, Isacium Commenum, einen Orientalischen Kayser / Eleotherium, einen adelichen Jüngling / Hugonem, den Toscanischen Marggraffen / und andere mehr.

Aber es giebt auch vil närrische / oder in das Jagen allzu starck verliebte und vernarrete Jäger / welche schier Tag und Nacht in den Wälderen sich aufhalten / und mit Jagen die mehriste Zeit zubringen / und dannoch öffters mit Petro bekennen müssen: Nihil cepimus: Wir haben nichts gefangen. 58

Ein gefährliches / rauh und strenges / ein gar mühesames Leben ist es um das Jäger-Leben / gar vil Mühe / Gefahren und Ungemach müssen sie ausstehen / und das thun sie mit beharrlicher Gedult: hingegen ihrer Seelen Heyl / die ewige Glückseeligkeit zu erjagen / bewegen sie keine Hand noch Fuß. O wohl thorrechte Jäger! Solche thorrechte Jäger seynd die jenige / welche sich zwar fleißig hüten / daß sie sich im Reden wider die gewöhnliche Waidmanns-Sprüch nicht verfehlen / inzwischen aber gar keine Sorg tragen / daß sie sich wider GOtt und den Nächsten mit Fluchen und Ehrabschneiden nicht versündigen. Thorrechte Jäger seynd die jenige / die zwar wohl mit dem Garn und Stricken wissen umzugehen / das Gewild darein zu bringen und zu hinterlisten / aber anbey kein Achtung geben / daß sie nicht selber dem Teuffel in das Garn fallen / oder seinen Fallstricken entgehen. Thorrecht seynd / die sich so offt und vil in dem Gehöltz oder Waldung aufhalten / und aber indessen nie gedencken / daß Christus für sie an dem Holtz des Creutzes gestorben seye. Thorrecht / die zwar den Füchs und Wölffen luderen / aber [345] darbey auch selbst ein lauteres Luder-Leben führen. Ich will geschweigen / daß sie ein einzige gute Sitten-Lehr schöpffen aus so vil löblichen Eigenschafften der wilden Thieren / die ich bißhero erklärt und ausgelegt habe.

Sehr unweißlich thun auch die jenige grosse Herren / die dem excessiven Jagen also starck ergeben seynd /daß sie ihr eignes Leben dardurch in Gefahr setzen: dann da heißt es eigentlich: Qui amat periculum, peribit in illo: Wer die Gefahr liebt / geht endlich in der Gefahr zu Grund. 59 Wie mancher grosser Herr ist frisch und frölich auf das Jagen ausgeritten / aber traurig oder todt nach Hauß gebracht worden. Membricius, ein König in Britannien / als er auf der Jagd sich von den Seinigen zu weit entfernet hat / ist er den Wölffen zum Raub worden.

Guilelmus Rufus, auch König in Engelland / wurde von seinen eignen Bedienten auf der Jagd / da er eben auf ein Wildschwein zihlte / erschossen. Henricus ex Guelfonibus, Graf zu Altdorff / ward auf dem Jagen von einem Wildschwein tödtlich verwundet / worvon er auch gestorben ist. Deßgleichen Aristulphus, ein König der Longobarder. Fulco, ein König zu Jerusalem / als er einem Haasen nachgejagt / ist er mit dem Pferdt gestürtzt / und hat den Halß gebrochen. Basilius, der Orientalische Kayser / ist auf der Jagd von einem Hirsch gespißt worden. Der Eheherr / der Heil.Pharaildis, als er gar zu hitzig einem Wildstuck nacheilte / hat einen solchen Fall gethan / daß er ein gantzes Jahr lang kranck gelegen. Der berühmte GrafNiclos Serini, ein Schröcken der Türcken / solle ebenfalls auf der Jagd von einem Wildschwein tödtlich verwundet / und in seinen besten Jahren gestorben seyn.

Eben so übel / oder noch übler thun die jenige / so aus unmäßiger Begierd zum Hetzen und Jagen die Sonn- und Feyrtäg entheiligen / und die H. Meß verabsaumen. 60 Ein solcher ist gewesen jener teutsche Edelmann / der also starck in das Jagen verliebt ware / daß er öffters auch an den Sonn- und Feyrtägen kein H. Meß gehört hat. Sein gottseelige Ehefrau hat ihm es öffters vorgehalten und verwiesen / auch mit Bedrohung der bevorstehenden Göttlichen Straff / von diesem Excess abzuhalten sich bemühet: aber alles umsonst. Es begab sich also aus gerechter Verhängnuß GOttes / daß ihm seine schwangere Ehefrau einMonstrum gebohren / nemlich ein Kind / welches ein Maul und Ohren hatte als wie ein Jagd-Hund / über welches das gantze Hauß / auch der von der Jagd zuruck kehrende Edelmann von Hertzen erschrocken ist / und auf wiederholte ernstliche Vorstellung seines bißher in dem Jagen begangnen grossen Excess, endlich in sich selber gegangen / seinen Fehler bereuet und gebesseret hat. An einem anderen gewissen Ort stellte ein Graf an dem H. Pfingsttag eine Jagd an. Es begegnete ihm aber der Teuffel in Gestalt eines Jägermeisters / der stiesse mit dem Pferdt auf ihn also zu /daß er in wenig Tag darauf hat sterben müssen etc.

Das Jagen ist offt nicht ohne groß- und billiches Klagen. Das Waidwesen bringt viles Leidwesen; dann durch das Jagen und Hetzen werden öffters die Felder und Aecker also verwüstet / der Saamen zertreten /und die Früchten verderbt / daß der arme Baursmann kein Traid / sondern nur lauter Leid einzusammlen hat. Was schwere Verantwortung aber dieses nach sich ziehe / das ist leichtlich zu erachten. Es hat es erachtet und betrachtet / zwar zimmlich spat / Philippus II. König in Spanien / der in seinem Todt-Beth nichts mehrers bedauret / als dergleichen verderbliche / und denen Unterthanen höchst-schädliche Jagdten.

Barnabas, ein Hertzog zu Mayland / hat vor Zeiten 200. Hund gehabt / die er auf den Dörfferen verlegt hat / und die Bauren selbe zu erhalten genöthiget. Einstens aber liesse er eine gantze Haußhaltung aufhencken / [346] weilen selbe ein einziges Wildschwein gefället hat. Aber der gerechte GOTT hat nachmahlens über ihn verhängt / daß er elendiglich in der Gefangenschafft hat sterben müssen / seine 7. Söhn aber alle an Bettelstab gerathen seynd. Die gemeldte Begebenheiten erzehlet der erudite Scribent Joseph. Albert. Loncin in seinem Christlichen Weltweisen im dritten Theil à fol. 324.

An vilen Orten höret man zu gewissen Zeiten bey nächtlicher Weil ein erschröckliches Getümmel von Gespensteren / so da gleichsam hetzen und jagen. Dieses aber kommt her von denen bey Lebs-Zeiten durch das Jagen verübte Excessen / und dem anderen hierdurch zugefügten Schaden.

Es seynd vor Zeiten von gottseeligen Fürsten und Herren aus Gelegenheit des Jagens (wann ihnen da etwas sonderbares begegnet ist) unterschiedliche Clöster und Gottshäuser gestifftet worden. Jetziger Zeit aber thut man zwar auch bey dem Jagen vil stifften /aber gemeiniglich nicht vil Gutes: wohl gewiß keine Clöster und Gottshäuser / wohl aber werden zu Zeiten / die schon gestifftet seynd / durch das Jagen angefochten und beunruhiget etc. Ja so weit gehet zu Zeiten die unmäßige Jagd-Begierd / daß wegen der Jagdbarkeit und den wilden Thieren auch die Menschen das Blut vergiessen / und das Leben lassen müssen. Mit einem Wort:


Das Jagen ist ein schöne Lust /
Doch ist der Mißbrauch auch bewußt:
Dann offt ein klein und schlechtes Wild
Deß Unterthanen Acker gilt.
Der Leib darbey in G'fahr wird g'setzt /
Ja auch die Seel offt hart verletzt.
Fußnoten

1 Art und Beschaffenheit der Hirschen.

2 Theils der Gerecht- und theils Büssende mit dem Hirschen verglichen.

3 Fernere Eigenschafften der Hirschen auf die Sitten der Menschen gezogen.

4 Eccli. c. 9. v. 16.

5 Psal. 26. v. 13.

6 Was von der Hirschin Gutes zu erlernen seye.

7 Hirsch-Jagd ist gar gemein.

8 Wunderbarliche Hirschen.

Geschicht.

9 Nicht alles was schön / ist nutzlich.

10 Sittliches Fabel-Gedicht.

11 Gämbsen und Steinböck steigen hoch und springen starck.

12 Die Gerechts werden mit den Gämbsen verglichen.

13 Levit. c. 11. v. 7.

14 Die Hoffärtige seynd gleich den Gämbsen.

15 Historia.

16 Art und List des Fuchsen.

17 Die arglistige Betrüger und Gleißner seynd den Füchsen gleich.

18 Luc. 13. v. 32.

19 Schädliche Füchs.

Cant. c. 2. v. 15.

20 Fuchs-Schwäntz zu was sie gut seyen.

21 Psal. 145. v. 3.

22 Thess. c. 5. v. 3.

23 Sittliche Fabel-Gedicht. Gehe nicht hinein / wo du nicht weist wieder herauß zu kommen.

24 Gedicht. Untreu schlaget ihren eignen Herrn.

25 Der Haas ist forchtsam und flüchtig.

26 Gemeine / arme und einfältige Leuth mit denen Haasen verglichen.

27 Der Haasen Fürsichtig- und Behutsamkeit soll man imitiren.

28 Prov. c. 30. v. 24. & 25.

29 Eccli. c. 16.

30 Prov. c. 28. v. 14.

31 Die Schwache und Fromme werden verfolgt.

32 Haasen-Helden werden verlacht.

Prov. c. 28. v. 1.

Psal. 13. v. 5.

Jud. c. 7. v. 3.

33 Hom. 8. ad Pag.

34 Sittliches Fabel-Gedicht. Man soll niemand als gantz unnütz verachten.

35 Wie der Dachs beschaffen und geartet seye.

36 Die Fürsichtigkeit des Dachsen ist Nachfolgenswürdig.

37 Wie der Igel von Natur bewaffnet seye.

38 Ein ungedultig und unfriedlicher Mensch mit dem Igel verglichen.

39 Sittliches Fabel-Gedicht.

Gezwungne Demuth thut nicht lang gut.

40 Der Aff ist ein wunderliches / dem Menschen zimmlich gleiches und gespäßiges Thier.

41 Gar zu groß- und närrische Kinder-Lieb ist gleich der Affen-Lieb.

42 Gleißner und Ehrgeitzige seynd gleich den Affen.

43 Matth. c. 23. v. 27.

44 Matth. c. 6. v. 3.

45 Seltzame Affen-Spihl.

46 Indisch- und Sinesischer Lust-Garten f. 385.

47 Der Teuffel ist ein Aff.

48 Isaiæ c. 14. v. 14.

49 Historia.

50 Wie die Affen gefangen werden.

51 Sittliches Fabel-Gedicht.

Nicht alles was glantzet ist Gold.

52 Wie die Jägerey beschaffen seye / und in wem sie bestehe.

53 Wie die Jäger und Jagd-Hund sollen beschaffen seyn.

54 Sittliche Seelen-Jagd.

55 lib. 9. in Gen. Epist. 56.

56 Das Jagen ist sehr gemein und eines gar alten Herkommens.

57 Gottseelige Jäger.

Atlas Marian.

58 Vil thorrechte Jäger gibt es.

59 Vil haben auf der Jagd das Leben eingebüsset.

60 Unmäßiges Jagen wird gestrafft als unverantlich.

Geschichten.

III. Von vierfüßigen heimischen Thieren
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von dem Cameelthier.

Das Cameel ist ein groß- und starckes / zwar ungestaltes / aber sehr nutzliches Thier / und leistet so wohl im Krieg / als auf langwürigen schweren Reisen / durch rauhe Gebürg und öde Wüsteneyen / benanntlich in Egypten / sehr gute Dienst: massen es einen Last von 15. oder 18. Centner schwer tragen kan (dann es ist vil grösser als ein Pferdt) und nimmt mit schlechtem rauhen Futter vorlieb / kan auch 5. oder 6. Täg lang ungetruncken seyn: doch lasset es sich nicht überladen und übertreiben / sondern gehet seinen gewissen gewöhnlichen Schritt ordentlich fort: zum Reiten aber ist es eines schnellen Lauffs: wann man darauf sitzen oder es beladen will / da lasset es sich mit den vorderen Füssen auf die Knye nieder / und nimmt also den Last auf. 1

In Asia und Africa gibt es der Cameelen sehr vil: Sie haben einen gar langen gebognen Halß / einen kleinen Kopff / sehr kurtze Ohren und Schweiff / auf dem Rucken aber einen sehr grossen Buckel (die Arabische haben zwey) sie haben gar knospete Füß (die aber sehr gleichig seynd) und gespaltene Klauen daran. Ihre Farb ist ins gemein gelb-braun / und aus ihren Haaren macht man einen sauberen starcken Zeug. Ihr Fleisch ist nicht gut zu essen / aber die Cameel-Milch solle sehr gut und gesund seyn. Die Cameel werden 50. und mehr Jahr alt.

Die Dromedari seynd ein besondere Gattung der Cameelthieren / so etwas kleiners / aber im Lauffen über die massen schnell / also daß sie in wenig Stunden zimmlich vil Meil weit lauffen. [347] Dieser Thieren sollen sich die Heil. drey König zum Reiten bedient haben / und darmit in 13. Tagen einen so weiten Weeg bey oder über 200. Meil aus ihren Länderen biß nacher Jerusalem und Bethlehem gemacht haben.

Das Cameel bedeutet einen mühe- und arbeitsamen gedultigen Menschen / der den Halß der Bürde / der Arbeit und dem Joch des Gehorsams gern und willig unterziehet / schnell dahin lauffet auf dem Weeg der Gebott GOttes und der Oberen / und doch sich der Mäßigkeit befleissend / mit einer schlechten Nahrung / die zur Nothdurfft erforderlich / und nicht zum Wollust erklecklich ist / befriedigen lasset. 2

Löblich und verwunderlich ist es an dem Cameel /daß ein so starckes Thier sich auch von einem Knaben mit einem Strick / so man ihm an die Nasen legt / lasset umführen / und nachfolget / wo mans hin haben will. Ein schönes Ebenbild des blinden Gehorsams /krafft dessen sich ein Ordens-Geistlicher / wann er schon groß und starck / gelehrt / adelich und erfahren ist etc. von einem jeden Oberen sich ohne Widerred soll führen und leiten lassen.

Die Göttliche Vorsichtigkeit / die alles höchst-weißlich verordnet / hat es also angestellt / daß es in unseren Europäischen Landen / wo man überall mit Pferdten häuffig versehen ist / keine Cameel giebt /wohl aber in den sehr hitzig-dürr- und trocknen Orientalischen Länderen / allwo die Pferdt nicht dauren /und nicht so gute Dienst thun könnten. Deßwegen hat der Erschaffer dem Cameel ein solche Natur geben /daß es für sein Grösse nicht vil isset / und lange Zeit ohne Trincken seyn kan / und dannoch seine Dienst leisten / und grosse Tagreisen von 12. biß 15. Teutsche Meil machen kan. 3 Doch wann es endlich zum Wasser kommt / da trincket es vil auf einmahl / nicht nur für den gegenwärtigen / sondern auch zukünfftigen Durst / massen es ein grosse Menge Wasser in seinen Bauch fort tragen kan / welche Fürsichtigkeit wohl würdig ist / daß sie so von den Hauß-Vätteren und Hauß-Mütteren imitirt werde / welche nicht nur auf das Gegenwärtige / sondern auch auf das Zukünfftige mit einer mäßigen Sorgfalt sollen bedacht seyn /für sich und die Ihrige die Nothdurfft zu verschaffen: dann es heißt da: Kaufft in der Zeit / so habt ihr in der Noth.

Noch mehr ist dieses in dem sittlichen Weesen vonnöthen / welches die 5. thorrechte Jungfrauen mit ihrem unersetzlichen Schaden wohl erfahren haben; dann hätten sie bey guter Zeit und Gelegenheit sich mit dem Oel der Verdienst und guten Wercken versehen / so wären sie nicht auf ewig von der himmlischen Hochzeit ausgeschlossen worden.

Aber es hat das Cameel diese Art an sich / daß es nicht gern klar- und helles Wasser trinckt / sondern selbes mit dem Fuß zuvor trüb machet. Dises geschieht aus einem Antrieb der Natur: warum aber ist unbekannt. Villeicht weilen es sein häßliche Gestalt im klaren Wasser nicht sehen mag / und sich seiner selbsten schämet / gleichwie ein Mensch / der ein wüstes Angesicht hat / nicht gern in Spiegel schauet. Oder villeicht / weil sie öffters zum trüben als klaren Wasser kommen / und es also besser gewohnt seynd. Deme seye nun wie ihm wolle / lasse das Cameel gleichwohl sein trübes Wasser trincken / du aber / geneigter Leser / folge der Teutschen Regul / welche sagt: Trincke was klar ist / und rede was wahr ist: Ich will sagen: befleisse dich auf ein rein- und haiteres Gewissen / auf die Wahrheit und Redlichkeit / und meide das trübe Wasser das böse Gewissen und die Falschheit. 4

Die Camelthier lieben einander also / daß / wann eines kranck ist / und nicht essen kan / da haben die andere ein solches Mitleiden mit ihm / daß sie auch nicht essen / wann sie schon gern möchten; deßwegen muß man die gesunde von den krancken absönderen /sonsten wurden sie sich selber durch den Hunger zu Grund richten. 5 Da solten billich die Menschen von[348] diesem unvernünfftigen Thier lernen mit den betrangten oder nothleydenden Neben-Menschen Mitleiden und Erbärmnuß zu tragen / und sich nicht befriedigen mit dem / wann es nur ihnen wohl ist / ohne Sorg /wie es anderen gehe. Gantz anderst ware beschaffen der Lieb- und Eyfer-volle Apostel Paulus / der von ihm selber gesagt hat: Quis infirmatur, & ego non infirmor? etc. 6 Wer wird schwach / und ich werde nicht schwach? Wer wird geärgeret / und ich brenne nicht? Und wiederum: Man solle frölich seyn mit den Frölichen / und trauren mit den Traurigen /weilen wir nemlich alle Mitglieder seynd eines Leibs.

Das Cameel hat ein scharpffes Gehör / und liebet die Music oder klingende Spihl / obwohlen es keine Ohren hat / oder doch so kleine / daß man kaum was darvon siehet. 7 Aber wie kommt es dann? wer hat ihms abgeschnitten? Der oberste Gott Jupiter hat es gethan: dann als das Cameel gesehen hat / wie die Hirsch / Kühe und Ochsen so schöne grosse Horn haben / da ist es ihnen deßwegen neidig gewesen /und hat bey dem Jupiter angehalten: er solle ihm doch auch solche Horn lassen wachsen: Aber er sagte nein /es solle zufrieden seyn mit der Grösse und Stärcke /die es habe / die Horn seyen ihme nicht anständig. Aber das Cameel aus Neid und Hoffart wolte sich nicht zur Ruhe begeben / und nicht nachlassen / sondern durchaus Hörner haben: Es kame mit einer Supplication nach der anderen / und ware dem Jupiter überlästig / biß daß er unwillig worden ist / und es zur Straff seiner Hartnäckigkeit der Ohren beraubet hat / und verordnet / daß ihm forthin keine Ohren mehr wachsen sollen. Also gehet es / sagte das Cameel zu ihm selber mit spater Reu / wann man zu vil will / kommt man zu wenig über / hätte ich keine Hörner zu haben begehret / so hätte ich die Ohren noch. Also ergehet es auch zu Zeiten den grossen Herren / Fürsten und Regenten / wann sie schon Landschafften / Land und Leuth genug haben / und dannoch nicht darmit zufrieden seynd / sondern des Nachbaren sein Gebieth und Eigenthum mit scheelen Augen ansehen / und das Ihrige durch den Gewalt der Waffen zu vermehren und erweiteren suchen / wann ein Fürst gern eine Cron hätte / oder ein König gern 2. hätte / da verliehrt man zu Zeiten das Alte / und bekommet das Neue nicht etc.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Pferdt.

Das Pferdt ist der ansehnlichsten / schön-schnell- und stärckisten Thieren eines. Es ist ein von Natur generos- oder hertzhafftes / muthig- und frisches / getreues und daurhafftes Thier / welches dem Menschen sehr gute Dienst leistet in dem Krieg und auf den Reisen /in dem Reiten und Fahren / in dem Feldbau und in dem Jagen etc. 8 Dann ihren Dienst betreffend / so werden einige gebraucht als Zug-Pferdt / Gutschen-Pferdt / Artiglerie-Pferdt / Last-Pferdt / andere als Reit-Pferdt / Post-Pferdt / Jagdt-Pferdt / Parade-Pferdt / Hand-Pferdt etc. Die 4. Haupt-Farben der Pferdten seynd schwartz / weiß / liecht onckel-braun /oder roth / von denen sie auch genennet werden der Rapp / der Schimmel / der Braun oder Fuchs: die übrige aber seynd von gemengten Farben / als wie die Schecken /die Grau-Schwartz-Roth-Schimmel / der Berlin / die Mohren-Köpff etc. welche Farben ins gemein auch in ihrem Temperament und Complexion Anzeigung geben. Was die Lands-Art betrifft / so seynd anderst beschaffen die Teutsche / Englische /Türckische / Pohlnische / anderst Dänische / Spanische / Ungarische / Sibenbürgische / Neapolitanische etc.

Die Leibs-Gestalt belangend / so werden sie in dreyerley Gattungen abgetheilt: die erste nennt man Hirsch-Hälß / die den Kopff allzeit in der Höhe tragen / diese seynd munter und muthig: die andere heißt man Schwein-Hälß / welche den Kopff gerad hinauß[349] strecken / und bißweilen sincken lassen / und diese seynd von Natur schlechter Art / träg / verdrossen /und ermüden bald. Die dritte Gattung seynd die Schwanen-Hälß / die den Kopff nicht zu hoch und nicht zu nieder tragen / deren Halß weder unten noch oben zu dick / sondern gleich ist / und diese Pferdt seynd eines guten Temperaments / nicht zu hitzig und nicht zu kaltsinnig / auch leicht zu dirigiren.

Der Gang und Lauff der Pferdten ist auch unterschiedlich / nachdem sie von dem Reuter darzu angehalten werden / bald gehen sie einen Schritt / bald einen Paß / bald lauffen sie einen Trab / bald einen Galopp etc. Zur Schönheit der Pferdten dienen absonderlich ein kleiner Kopff / kleine spitzige Ohren / grosse Augen / weite Nasen-Löcher / ein aufrechter Halß / grosse Mäne / dick- und langer Schweiff / ein breite Brust etc. Ihr Alter aber erstreckt sich biß 20. Jahr /zu Zeiten etwas darüber: im fünfften Jahr beyläuffig seynd sie vollkommen ausgewachsen und verstarcket.

Das Pferdt / so von Natur ein edles und fürtreffliches Thier ist / wird noch vil edler und fürtrefflicher durch die Kunst und den Fleiß des Bereuters / wie es an Fürstlichen Höfen und auf den Reut-Schulen mit Verwunderung zu sehen ist / allwo die Pferdt also geschicklich abgerichtet werden / als wann sie einen Verstand hätten. 9 Sihe was hiervon oben gemeldet worden in dem anderten Theil dritten Absatz.

Man möchte offt nicht unbillich zweifflen / ob sich mehr über die Geschicklichkeit / Kunst und Hurtigkeit des adelichen Scholaren / der in der Reut-Schulexercirt wird / oder des tollen Pferdts / welches zugleich mit unterwiesen und abgerichtet wird / zu verwunderen seye. Ein solch Schul-gerechtes Pferdt wird alsdann sehr hoch geschätzt / und um einen grossen Preiß verkaufft / massen sie in Feldschlachten und Tournieren oder Ritter-Spihlen sehr gute Dienst leisten können / so wohl zum Lust als Nutzen ihrer Herren. Gewiß ist / daß die Pferdt die Stimm ihres Herrn kennen / und ihne lieben / auf sein Bestes und seine Sicherheit geflissen seynd / ja auch seinen Todt rächen und bedauren etc.

Daher kommt es / daß so vil und grosse Liebhaber der Pferdten gefunden werden / welche überaus grosse Mühe und Kösten auf rahre Pferdt verwenden. 10 Ein solcher ist gewesen der grosse Alexander mit seinem Weltberühmten Leib-Pferdt Bucephalo, welches keinen anderen Reuter / als den König seinen Herrn allein hat aufsitzen lassen / und welches er / als es sterben solte / in einen guldenen Schragen hat legen / und mit möglichster Sorg verpflegen lassen / ja so gar zu seiner Gedächtnuß eine Stadt erbaut / und von seinem Namen Bucephalam benahmset. Ein solcher ist auch gewesen der Kayser Caligula, der sein Leib-Pferdt aus Silber-Geschirr hat speisen lassen / und wann er hoch schwören wolte / bey seinem Pferdt geschworen hat. Ein anderer gewisser sonst kluger Monarch /ware also närrisch in sein Pferdt verliebt / daß er dessen guldene Bildnuß beständig bey ihm truge. Adrianus aber der Kayser liesse seinem Leib-Pferdt ein kostbare Begräbnuß machen etc.

Durch solche übermäßig- und thorrechte Liebhaber der Pferdten werden uns füglich angeditten die sinnliche und wollüstige Menschen / welche ihr Fleisch /ihren Leib / der gleichsam das Pferdt ist / so von der Seel / als dem Reuter solle regiert werden / allzu starck und unmäßig lieben / ihm zu vil anhencken /allen Muthwillen zulassen / und ihm zu Gefallen viles thun / was der Vernunfft und Billichkeit zuwider ist. 11 Das Pferdt ist von Natur ein stoltzes / hochmüthiges Thier / es liebet den Pracht / und mercket es gleich / wann es stattlich aufgebutzt / oder mit schön-und kostbarem Sattel und Zeug ausstaffiert wird / da thut es sich gewaltig spreitzen / hupffen und springen / es weiß nicht wie es hochmüthig genug herein tretten soll.

Eben also ein üppiger sinnlicher Mensch ist von Natur hochmüthig / er liebet den Pracht / und wann er [350] stattlich gekleidet ist / da zeigt er sich stoltz und hoffärtig.

Wann das Pferdt häuffig und überflüßig gefütteret wird / da ist es muthig und unbändig / zur Arbeit aber / oder zum Lauffen / Streiten etc. untauglich etc. Auch das Fleisch / der Leib / wann er zu wohl verpflegt und stattlich gehalten wird in Speiß und Tranck / da wird er muthwillig und dem Geist widerspennig / untauglich zu streiten und zu arbeiten. Vil Reuter seynd durch den Muthwillen hitziger Pferdten zu Grund gangen / und um das Leben kommen: aber noch unzahlbar mehr Seelen seynd durch den Muthwillen des unbändigen Fleisches zu Grund gangen / ins ewige Verderben gestürtzt worden.

Das Pferdt ist ein hertzhafftes und streitbares Thier / es zeigt sich frölich und muthig / wann der Streit solle angehen / es wird von den Trompeten und Paucken animirt / setzt hertzhafft in die Feind / und lasset sich durch die Waffen / ja auch durch die Wunden nicht abschröcken oder hintertreiben / dann es ist daurhafft / seinem Herrn getreu / und begierig des Siegs: wann es aber überwunden wird / da ist es betrübt / begierig sich zu rächen / und den Schaden wiederum einzubringen. 12 Also seynd auch beschaffen die Pferdt GOttes / das ist / die getreue und eyserige Catholische Christen / und absonderlich die Heil. Martyrer / welche keinen anderen lassen aufsitzen /das ist / von keinem sich lassen regieren / als von GOTT ihrem rechtmäßigen Oberherrn. 13 Diese sittliche Pferdt GOttes / sage ich / seynd hertzhafft und unerschrocken / ja begierig und frölich zum geistlichen Streit wider die Versuchungen / wider die Feind GOttes und ihrer Seel: Sie werden aufgemunteret durch den Paucken- und Trompeten-Schall / das ist / durch die ruffende starcke Stimm der Heil. Schrifft / der Propheten und Apostlen: Sie lassen sich nicht abschröcken von den Gefahren / Beschwernuß- und Verfolgungen / die sie müssen ausstehen / sie bieten dem Feind den Trutz / mit dem Apostel sprechend: Quis nos separabit à Charitate Christi? 14 Gewißlich nichts. Sie seynd allzeit treu und beständig: oder wann sie je aus Schwachheit fallen / so stehen sie doch durch die Reu und Buß bald wiederum auf / verdopplen die Kräfften und den Eyfer / den erlittenen Schaden wiederum einzubringen und zu ersetzen.

O si nos essemus equi Dei! schreyet auf der H.Hieronymus: O daß wir alle Pferdt GOttes wären! O si Deus dignaretur super nos ascendere! 15 O daß GOTT sich würdigte auf uns zu steigen! uns nach seinem Wohlgefallen dirigirte / und nicht nach unseren Gelüsten ins Verderben lauffen lasse.

Daß auch GOTT seine Pferdt und Reuterey habe /das wird in unterschiedlichen Orten der H. Schrifft angedeutet. Der Prophet Habacuc c. 3. v. 8. sagt von GOTT: Qui ascendes super equos: 16 Der du auf deine Pferdt aufsitzest. Viam fecisti in mari equis tuis, ibidem: Du hast deinen Pferdten einen Weg durch das Meer gemacht etc. Aber gleich wie die natürliche Pferdt / wann sie gut und wohl geartet seynd / Dominum sessorémque suum accipiunt, wie ein vornehmer Scribent sagt / neque ex sua libidine, sed ex ejus arbitrio flectuntur, sie lassen ihren Herrn und Reuter aufsitzen / sie gehen und wenden sich nicht nach ihrem Lust und Belieben / sondern nach dem Willen des Reuters lassen sie sich lencken und leiten auf alle Seiten / schlagen und sporen etc. ohne Widersetzen. 17 Also auch die sittliche Pferdt GOttes / die Menschen / sollen in ihrem Lebens-Lauff nicht ihren Begierden und Anmuthungen / sondern dem Göttlichen Befehl und Willen nachgehen / sich von ihme dirigiren und züchtigen lassen ohne Widerred: Das Pferdt wolte offt gern dort hinauß und nicht da/also auch der Mensch etc. darum hat Christus Petro gesagt: Ducet te alius, quò tu non vis: Ein anderer wird dich führen / wo du / dem Fleisch oder der Sinnlichkeit nach / nicht hin wilst. Den Pferdten wirfft man den Zaum ins Maul / damit sie thun / was [351] man haben will / und also wendet man ihren gantzen Leib herum / frœna equis in ora mittimus etc. 18 wie der Heil. Jacobus anmercket. Aber / quid prodest equum regere, & cursum ejus frœno temperare, affectibus autem effrœnatissimis abstrahi? 19 sagt der weise Seneca. Was hilfft es das Pferdt regieren / und seinen Lauff mit dem Zaum innhalten und mäßigen / wann dich inzwischen deine ungezämbtiste Anmuthungen weiß nicht wohin führen und reissen? Ein mancher proglet sich / er seye in wenig Stunden so und so vil Meil weit geritten (wol närzisch / 4. Füß und 3. Sporn villeicht haben es gethan) da er hingegen in langer Zeit auf dem Weg der Tugend nicht etlich Schritt weit kommen ist / das ist / keinen Fortgang gemacht hat.

Ein gutes Pferdt lasset sich gern auf die Reut-Schul führen und abrichten / es lasset willig aufsitzen / sich innhalten und beschlagen / es ist nicht stettig und nicht scheu. Auch ein Christ soll sich gern in der Reut-Schul der Christlichen Tugenden unterweisen /sich mit wenigem beschlagen oder befriedigen lassen /gern lassen aufsitzen / das ist / die Obere über ihn herrschen lassen / nicht reutstettig oder widerspennig seyn / und die Disciplin, die Correction oder Bestraffung / die Mühe und Arbeit nicht scheuen und fliehen.

Das Pferdt hat auch noch diese Tugend / daß es sich zu allem brauchen lasset / es thut unterschiedliche Dienst / und ist indifferent zu dieser oder jener Arbeit / es lasset sich sattlen und reuten vom Herrn und Knecht / vom Bauren und Edelmann / es traget die ihm auferlegte Bürde / es lasset sich anspannen an eine Gutschen / Karren oder Pflug. Also soll auch ein Mensch / absonderlich ein Religios indifferent sich brauchen lassen / bereit und gleichgültig seyn zu allen Verrichtungen / Dienst und Aemteren / sie seyen verächtlich oder ansehnlich / zu denen ihn der Gehorsam und Willen der Oberen verordnet.

Endlichen / wann schon ein Fürstliches Leib-Pferdt einen sammeten / mit Gold bordirt- oder gestickten Sattel und Schabracken hat aufgehabt / wann es schon mit einem vergoldeten Zaum / mit silbernem Biß und Stangen ist geziert gewesen / oder mit kostbarem Geschirr und seidenen Quasten an dem Fürstlichen Leib-Wagen gepranget hat / hernach aber ausgespannt oder abgesattlet wird / und all dieser Zierd beraubt /gleichsam nackend und bloß da stehet / so ist es gleichwohl zufrieden / es nimmt mit der Halffter und einer gemeinen Roß-Decke vorlieb; weilen nemlich all der vorige Ornat nicht sein eigen / sondern nur geliehen gewesen ist. Auf gleiche Weiß soll ein sittliches Pferdt GOttes / ein guter Christ beschaffen seyn /wann er schon stattlich ist versehen und geziert gewesen mit hohen Ehren-Aemteren / mit Reichthum und Ansehen / mit guter Gesundheit / Stärcke und schöner Leibs-Gestalt / dessen allem aber beraubt wird durch Mißgunst / durch Unglück und Kranckheiten etc. so soll er gleichwohl zufrieden seyn / und gedencken /daß dieses alles kein Eigenthum / sondern nur von GOTT geliehene Güter gewesen seyen / mit dem gedultigen Job sprechend: Dominus dedit, Dominus abstulit etc. 20 Der HERR hats gegeben / der HERR hats genommen: wie es dem HERRN gefallen hat / also ist es geschehen: der Name des HERRN sey gebenedeyet.

Das Pferdt ist von Natur gleichwohl ein hochmüthig- und stoltzes Thier / es verachtet den Ochsen und Esel / wie es sich klar gezeiget hat / als ein schön-aufgebutztes Pferdt gantz muthig in der Stadt auf der Gassen herum gesprungen / und ihm ein schwerbeladener Esel begegnet ist. 21 Dieser buckete sich demüthig vor dem Pferdt / und grüßte es / so gut er kunte: das Pferdt aber würdigte sich nicht ihme zu antworten / sondern sprach nur gantz hochmüthig: was darffst du mich anreden / du ungeschickter/ langsamer und fauler Tropff / gehe mir aus [352] dem Gesicht /oder ich tritt dich mit Füssen etc. Der gute Langohr durffte kein Wörtlein sagen / und machte sich aus dem Weeg / so gut er kunt. Gleich darauf ist diesem stoltzen Pferdt ein Ochs begegnet und diesen hat es auch also verachtet und ausgemacht / einen plumpen unverständigen Dölpel gescholten. Weil aber das Pferdt so muthig herum gesprungen / da hat es einen Fuß starck verräncket / und übel zu hincken angefangen. Als nun sein Herr dieses gesehen / da hat er ihm den schönen Sattel und Zeug abgenommen / und selbes einem armen Karrer um einen Spott verkaufft: diser aber hat es alsobald in Karren gespannt und braf zu ziehen angetrieben. Da hernach der Ochs und Esel ihme wieder begegnet seynd / und das hoffärtige Pferdt in diesem neuen Ehren-Stand / nemlich in dem Karren gesehen haben / da hat es sich greulich geschämt: sie aber haben es ihm gar wohl gegunnet /selbes ausgespöttlet / und gesagt: Ey wie machest du nicht so schöne Sprüng / wie stehet dir das kostbare Gutschen-Geschirr so wohl an / du führest gewiß deine Herrschafft nacher Hoff etc. gelt die Hoffart kommt vor dem Fall / und wer sich erhöhet / der wird erniedriget: du hast uns neulich so verachtet / jetzt bist du selbst verachtet / und aus einem stoltzen Leib-Pferdt ein armer Karren-Gaul worden. Du hättest sollen gedencken / wie sich das Blätlein so bald wenden / und das Glücks-Rad umkehren kan; dann:


Das Glück allzeit unb'ständig ist /
Dessen du jetzt ein Zeugnuß bist:
Bald gibts was / bald nimmt es wieder /
Jetzt erhöchts / jetzt druckts ein nieder.
Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Esel.

Der Eßlen gibt es dreyerley: nemlich Maul-Esel /Wald-Esel / und gemeine Esel. 22 Der Wald-Esel ist ein schnelles / aber unwehrhafftes Thier / seine Nahrung sucht er in den hohen Gebürgen / und wann er sie gefunden hat / da fangt er an laut zu schreyen / und lasset sich nicht mehr von der Waid / biß daß er verjagt und verfolgt wird; Er fliehet die Gesellschafft der Menschen / und liebet die Einöde: er kan sehr lang den Durst ausstehen / wie die H. Schrifft von ihm bezeuget: Exspectabunt onagri in siti sua. 23 Man schreibt auch von dem Wald-Esel / er lasse sich hören alle Stund des Tags / und aus solchem Geschrey können die Africaner die Zeit abnemmen. Er soll auch einen gar starcken Geruch haben / und deßwegen /wann er das Weiblein verlohren hat / und selbes gern hätte / da begibt er sich auf einen hohen Berg / ziehet durch die Nasen-Löcher den Lufft an sich / und erkennet also / wo das Weiblein seye etc.

Die Maul-Esel oder Maulthier seynd grösser /schöner und stärcker als die gemeine Esel: sie werden von einem Mutter-Pferdt und einem Esel gezeuget /und seynd einem Pferdt zimmlich gleich / aber unfruchtbar. Sie werden von den Griechen und Welschen starck zum Reiten an statt der Pferdt auch von fürnemmen Herren gebraucht. In der H. Schrifft an unterschiedlichen Orten geschieht Meldung von den Maul-Eßlen: Der König Salomon ist auf einem Maul-Esel reitend zur Crönung geführt worden etc. 24

Die gemeine Esel aber betreffend / so ist und bleibt der Esel eben ein armes und verächtliches Thier: Er ist verschreyt wegen seinem schandlichen Geschrey /wegen der langen Ohren und der Faulkeit: er ist von Natur träg / langsam / einfältig / vergeßlich und sorgloß: doch ist er nutzlich / mühsam und gedultig / muß aber immerdar zur Arbeit oder zum Fortgehen mit Stupffen und Schlagen angetrieben werden. 25 Er hat ein rauhe dicke Häut / und mag deßwegen die Prügel und das Ungewitter zimmlich wohl leiden / nimmt auch mit schlechterem Futter als ein Pferdt vorlieb /und mag gleichwohl ein schwere Bürde [353] tragen / und rauhe Straffen und steinige Weeg wanderen; dann er ist von der Natur zu einem Lastthier verordnet. Wann der Esel noch jung ist / da ist er nicht gar ungestaltet: aber je älter er wird / je schandlicher wird er.

Der Esel hat einen grossen dicken Kopff / lange breite Ohren / blöde Augen / aber ein sehr gutes Gehör / einen starcken Halß / breite Lenden / dinnen Schweiff / und ungespaltne Huff. Er gehet sehr ungern ins Wasser und über Brucken / und wann er einmahl auf dem Eiß gefallen ist / da bringt man ihn nicht mehr darauf. Und wann ihm auf dem Weeg was begegnet / da ist er nicht so witzig / daß er ausweiche: doch kennet er die Stimm seines Herrn oder Meisters /und den Weeg / so er öffters gangen ist: wann er aber sich niderlegen will / braucht er einen grossen Raum /in der Enge legt er sich nicht / dann er pflegt in dem Schlaff auszuschlagen: Der Esel wird biß 30. Jahr alt / und liebet seine Junge also sehr / daß er sich wegen ihnen in die gröste Gefahr gibt. Die Esel-Milch ist für unterschiedliche Zuständ ein bewährtes Mittel.

Gar denckwürdige Begebenheiten haben sich öffters mit den Eßlen zugetragen / so wohl im Alten als Neuen Testament: als daß der Esel Balaams mit menschlicher Stimm zu ihm geredet hat / da er den Engel gesehen / welchen Balaam nicht sehen kunte. 26 Daß ein Esel bey dem Löwen unverletzt auf der Straß ist gefunden worden. 27 Daß der Samson mit des Esels Kinbacken 1000. Philistäer erschlagen hat / und hernach aus einem Zahn desselben frisches Wasser geflossen ist. 28 Daß der Esel den Sohn GOttes bey der Krippen zu Bethlehem erkennet und angebettet hat. 29 Daß Christus der HERR sich gewürdiget hat an dem Palmtag auf dem Esel zu reiten. Daß ein hungeriger Esel auf Verordnung des H. Antonii vonPadua das Futter unberührt hat stehen lassen / und vor dem Hochwürdigen Gut auf seine vordere Füß nidergefallen ist / und selbiges angebettet hat / einen unglaubigen Ketzer dardurch der wesentlichen Gegenwart Christi unter den consecrirten Gestalten des Brods und Weins zu überweisen. Daß ein verreckter Esel auf die Wort des H. Bischoffs Germani: stehe auf / und laß uns wiederum in die Herberg gehen /wieder lebendig worden ist. Daß ein Esel zu Villa nova Anno 1613. einem Calvinischen Notario mit der Leich / und dreymahl um das Grab gangen ist / sich nicht hat abtreiben lassen / und ein greuliches Geschrey verführt hat / hernach aber verschwunden ist /dieses aber ist geschehen / weilen selbiger Notarius bey Lebszeiten der Catholischen Leich-Begängnussen gespottet / und das gewöhnliche geistliche Gesang einem Esel-Geschrey verglichen hat.

Ubrigens ist gleichwohl der Esel jederzeit für ein Ebenbild eines faul- und trägen Menschens gehalten worden / massen es die gewohnte Art der Faullentzer ist / daß sie / gleichwie die Esel / nichts ungezwungen und ungenöthiget thun: immerdar muß man sie stupffen / treiben und ansporen / als wie die Esel / sonst wurden sie immerdar still stehen / auf ihrer faulen Esels-Haut still ligen / ungeacht das Laster der Trägheit und Müßiggangs über die massen verhaßt ist vor GOTT und ehrlichen Leuthen / auch die H. Schrifft gewaltig darwider redet / dann es stehet geschrieben:Homo nascitur ad laborem, & avis ad volandum. 30 Der Mensch wird zur Arbeit gebohren / und der Vogel zum Fliegen. Qui non vult operari, non manducet: 31 So jemand nicht arbeiten will / soll er auch nicht essen. Wiederum: Multam malitiam docuit otiositas: Der Müßiggang bringt und lehrt viles Ubel. 32 Qui sectatur otium, replebitur egestatè: 33 Der dem Müßiggang nachgehet / wird Armuth genug haben. 34

Der H. Basilius sagt: Arbeiten seye dem Menschen also eigenthumlich / daß der Müßiggang gleichsam unnatürlich seye. Chrysostomus aber: der Müßiggang seye ein Ursprung und Lehrmeistern aller Laster / ein Senck-Grub [354] böser Gedancken und Versuchungen: Und Bernardus: Der Müssiggang ist ein Ursach vil unnützer Possen / ein Stief-Mutter oder Zerstöhrerin aller Tugenden etc. Auch der welweise Seneca: Otium emollit vires sicut rubigo ferrum: Gleichwie der Rost das Eisen / also verzehret der Müßiggang die Kräfften des Leibs und der Seelen: und wiederum: Otiosus non sibi vivit, sed quod turpissimum est ventri & somno: 35 Ein müssiger Mensch nutzt weder ihm selbst noch anderen Leuthen / sondern (das ja eine Schand ist) er dient nur dem Bauch und dem Schlaff: und widerum: es kan nichts ärgers und lasterhaffters seyn / als die kostbariste Zeit mit Müßiggang zubringen: Von den Müßiggängeren solte man nicht sagen /daß sie leben wie die Menschen / sondern nur / daß sie schnauffen / als wie etlich unvernunfftige und unnütze Thier. Themistocles hat die Trägheit das Grab eines lebendigen Menschen genennet. Ja Christus selber sagt in dem Evangelio: Ein unnütz-unfruchtbarer Baum / das ist / ein müßig- und unnützer Mensch solle umgehauen / oder ausgerottet und in das Feur geworffen werden. Dann gleichwie ein Wasser / das lang unbeweglich stehet / verfaulet und schädlich ist /einen üblen Gestanck von sich gibt / und unreine gifftige Thier / als Frösch und Krotten etc. zeuget / also ist ein müßiger Faullentzer ihme selber schädlich /und anderen unnütz / er gibt einen bösen Geruch von sich / das ist / er hat einen bösen Nahmen / wird ein fauler Esel genennet (ist schon genug gescholten) und erzeuget böse Begierden und fleischliche Gelüsten in ihm selber.

Ein Faullentzer / der die mehriste Zeit mit Schlaffen und müßig-gehen zubrachte / ist von guten Mittlen in zimmliche Armuth / und schier gar an Bettelstab gerathen / sein Beutel litte gewaltig an der Schwindsucht / und all sein Haußwesen hat den Krebsgang genommen. 36 Er klagte es einem alten Mütterlein / und fragte um einen guten Rath: dieses merckte wohl / wo es fehle / daß er nemlich seine Sach verschlaffen habe / und seinem Haußwesen nicht nachgehe und nachsehe / sondern gemeiniglich in dem Beth lige / biß ihm die Sonn in den Augen wehe thut. Es gabe ihm derowegen das alte Weiblein folgenden Rath: er solle alle Tag am Morgen fruhe / und Abends spat fleissig horchen oder auflosen / was ihm die Schwalben sagen / und selbem soll er fleißig nachkommen / so werde es bald besser werden. Er hat es gethan / und als er in etlich Tägen wieder gefragt wurde / was die Schwalben gesagt haben / gab er zur Antwort: Sie haben halt immerdar dißdi daßdi kiri miri gemacht / er habs nicht können verstehen / was sie sagen wollen. Gantz recht / sagte das gute alte Mütterle / ich verstehe ihre Sprach gantz wohl / sie haben dir sagen wollen:


Steh frühe auf / und geh der letzte nieder /
Arbeit / so kommst zun Mittlen wieder.

Sihe / diese Vögelein bemühen sich vom Morgen fruhe an biß Abend spat mit Nestlein bauen / und mit Sammlung der Nahrung / also sollest du es auch machen: dann gewißlich:


Faule Aepffel / faule Biren /
Faule Mägd und faule Diren /
Faule Rettich / faule Ruben /
Faule Knecht und faule Buben /
Faule Roß und faule Leuth /
Seynd nichts nutz zu jeder Zeit.

Aber / nachdem der Esel wegen seiner angebohrnen Faulkeit genugsam ausgescholten worden / muß man ihm doch auch dieses Lob geben / daß er gedultig /demüthig und gehorsam seye. 37 Er lasset sich leiten /wohin man will: er lasset ihm willig aufladen / was /und wann man will / von wem man will / und wie vil man will: es gilt ihm alles gleich / was und warum er trage oder arbeite / ob es Silber oder Eisen / Holtz oder Stein / Spreuer oder Körnen seyen etc. Er nimmt auch mit schlechtem Futter vorlieb / er verletzt und beleidiget niemand / er ist nicht zornig [355] und nicht rachgierig / gleich als hätte er es verstanden / was von ihm geschrieben stehet / nemlich: cibaria, & virga, onus asino: 38 das Futter / der Stecken und die Bürde gehört dem Esel. Eben also solte ein jeder frommer Christ / und absonderlich ein guter Ordens-Geistlicher beschaffen seyn: Er solle sich willig lassen dirigiren oder anweisen von einem jeden Oberen / gern und gedultig annemmen / was ihm der Gehorsam aufleget /ohne sich zu widersetzen / oder vil nachzuforschen /warum dieses oder jenes geschehe: Er soll auch friedlich oder zufrieden seyn mit der nothwendigen Nahrung / Kleidung und Wohnung ohne wollüstigen Uberfluß / oder überflüßigen Wollust / und keinen aus seinen Mitbrüderen beleidigen oder belästigen etc. Einen solche Vorsatz und solche Rechnung hat ihm selbsten gemacht ein eyferiger Diener GOttes /der von ihm selber bezeuget / daß er von dem ersten Tag an seines Eintritts in das Closter bey ihm selber diesen vesten Schluß gemacht / und beständig datbey verharret seye: nemlichen: Ego & asinus unum sumus: sagte und gedenckete er in allen Begebenheiten bey sich selbsten / ich und der Esel seynd eines: und auf diese Weiß ist er zu einer grossen Heiligkeit gelanget; dann er hat alles gedultig übertragen / als wie ein Esel / sich nichts verdrüssen / und nichts verschmachen lassen / allen sich gehorsam unterworffen /und mit dem allerschlechtisten vorlieb genommen etc. Eben also pflegte der Heil. Franciscus Seraphicus seinen Leib nicht anderst / als Bruder Esel zu nennen / und ihn auch oder nicht besser als einen Esel zu halten / nemlich schlecht / hart und rauh / in der Nahrung / in der Arbeit / und in den Schlägen.

Obwohlen der Esel von Natur / wie gemeldt /sanfftmüthig und gedultig ist / so ist ihm doch einstens auch die Gedult ausgangen / und er ist sehr unwillig worden: dann als er ein Stündlein von der Arbeit frey ware / ist er in dem Hauß seines Herrn herum gangen / und in den Pferdt-Stall kommen: und als er gesehen hat / wie daß man seines Herrn Reit-Pferdt so sauber aufbutze und so wohl futtere / und wie dieses Pferdt so wohl auf / so frisch und muthig seye / da ist er ihm neidig gewesen / und hat gesagt: O hätte ich es auch so gut! wie muß ich so üble Zeit haben / und werde so schlecht gefutteret / hätte ich nur das übrige Heu / so das Pferdt nicht essen mag etc. hernach gieng er weiters fort / und kam in den Ochsen-Stall / da sahe er einen etlich Centner schweren Mast-Ochsen / der hatte das beste Futter übrig genug / der stunde müßig da / und fraß den gantzen Tag / was ihm nur in die Haut möchte: das hat dem armen Esel so wehe gethan / daß er hätte vor Zorn zerspringen mögen: Er hat geschmält über seinen Herrn / und gewaltig gemurret /daß er den gantzen Tag so üble Zeit habe / so manchen schweren Last tragen / und noch so vil Schläg darzu einnemmen müsse etc. da hingegen der Ochs nichts zu thun / und doch das beste Leben habe. 39 Er gienge voller Unwillen fort / und bey dem Schweinstall fürüber / da sahe er abermahl zu seinem grösten Verdruß ein so fettes Schwein im Stroh müssig da ligen / welches gar nicht aufstehen möchte / man hatte ihm eben ein laues Träncklein gebracht / und zimmlich gute Brocken darinn / ja man hat es noch darzu gelocket und angereitzet / daß es nur braf fressen thue. O mich unglücklich- und armseeligen Esel! schrye der arme Langohr überlaut auf / was ist das für ein unbilliche Sach! dieses Schwein gehet immer müßig / nutzt und thut das geringste nicht / und ich herentgegen muß so harte Arbeit verrichten / und habe nicht einmahl Haber-Stroh genug zu essen! O ungerechte Götter / wie habt ihr die Sach so ungleich ausgetheilt! das Schwein hat Speck drey Finger dick /und ich bin so mager / als wann man mich mit lauter Laiteren gemästet hätte / man kan mir ja alle Sprossen zehlen / und was noch mehr ist / so wird man / wie ich höre / mich nicht einmahl mit der Haut vergraben. O ungütige Natur! du bist ja mir ein rechte Stieff-Mutter gewesen! [356] O warum bin ich ein Esel / und nicht auch ein Pferdt / Mast-Ochs oder Mast-Schwein worden! Also lamentirte für dißmahl der Esel.

Aber bald hernach begab es sich / daß sein Herr einer Feldschlacht beywohnen mußte / in welcher das Pferdt übel verwundet worden / vil Blut vergossen hat / und gestorben ist / welches / als es der Esel erzehlen gehört / da hat er gewaltig seine lange Ohren gespitzet / und gedacht / jetzt wolte ich nicht / daß ich das Pferdt gewesen wäre.

Kurtz hernach hat er gesehen / wie man den Mast-Ochsen mit einem Beiel so gewaltig für den Kopff geschlagen / daß er unmächtig zu Boden gesuncken ist; und bald darauf / wie man dem Mast-Schwein das Messer so gewaltig durch die Gurgel gestochen hat. O / sagte er / wie bin ich so froh / daß ich kein Ochs oder Mast-Schwein worden bin / wie ein übles End haben ihre gute Täg genommen / wie theur mußten sie es büssen / ich will gern hinfüran mit meinem Haber-Stroh vorlieb nemmen und arbeiten / wann man mich nur leben lasset / und nicht so grausam tödtet. Ja er ist eilends in den Tempel geloffen / und hat dem Gott Jupiter Danck gesagt / daß er ihn zu einem Esel / und nicht zu einem Pferdt / Mast-Schwein oder Ochsen gemacht hat.

Fast eben also ergehet es manchem armen Dienstbotten / arbeitsamen Handwercksmann oder mühesamen Baursmann. O / sagen sie: wie ist es auf dieser Welt so ungleich getheilt! wie ist denen reichen und adelichen Herren so wohl! sie haben alles genug / und leben in lauter Freuden. Wir arme Leuth hingegen haben den gantzen Tag so üble Zeit und schlecht zu essen / O wann uns auch einmahl so wohl wäre! etc. Aber sie irren sich weit / und wissen nicht / was sie sagen. Sie wissen und bedencken nicht / was unter dem Schein der zeitlichen Glückseeligkeit / so die Fürnehme und Reiche geniessen / heimlich für Sorgen und Gefahren verborgen ligen / was für einen gefährlichen Ausgang die zeitliche Freuden und Ehren nehmen / was für schwere Verantwortungen sie nach sich ziehen etc. Wann sie dieses alles wußten und erkenneten / so wurden sie weit anderst reden / sie wurden mit ihrem niderträchtig- und müheseeligen Stand gar wohl zufrieden und vergnügt seyn / und andere nicht beneiden / sondern vilmehr GOTT dancken / daß er sie zu keinen reichen oder fürnehmen Herren gemacht hat /wohl vorsehend / daß es zu ihrer Seelen ewigem Heyl gar nicht ersprießlich / sondern vilmehr schädlich seyn wurde etc. Einem stoltzen muthwilligen Pferdt ist gleich gewesen jener reiche Prasser in dem Evangelio. Hingegen einem demüthigen arbeitsamen Esel der arme Lazarus. 40 Jener ist in der Höll begraben: dieser aber von den Englen in die Schoos Abrahä getragen worden.

Der 4. Absatz
Anhang
Anhang
Zu der Kuhe. Von der Milch.

Die Milch ist ein sehr gut- und nutzliches Ding / sie ist ein absonderlich fürtreffliche Gaab der Natur / die erste und nothwendigiste Nahrung der Menschen und Thier / so bald sie auf die Welt gebohren werden. 52 Sie wird auch in H. Schrifft vilfältig angezogen. Es ist aber die Milch ein weisser / süsser Humor oder Safft /der aus den Brüsten der Menschen / und aus dem Eyter der Thieren gezogen wird.

Durch die Milch kan erstlich sittlicher Weiß verstanden werden die Christliche Lehr und Weißheit /die von denen Glaubigen aus den Brüsten und aus dem Mund der Catholischen Kirchen / das ist / von den Catholischen Predigeren und Lehreren gezogen /und allen wahren Kinderen mitgetheilt wird: wie der Apostel Paulus anmercket / zu seinen Corintheren sprechend: Lac vobis potum dedi. etc. 53 Als jungen Kinderen in Christo [359] hab ich euch Milch zu trincken gegeben etc. 54 Und wiederum: Als neugebohrne vernünfftige Kinder begehret die Milch /daß ihr durch selbe aufwachset zur Seeligkeit. Dann gleichwie die Hundin oder Hirschin heilsam-und gute Kräuter zum essen sucht / damit sie ihren Jungen desto bessere Milch geben könne / also soll ein Prediger oder geistlicher Lehrer auserlesene Text /oder Sprüch und Lehrsätz aus der Schrifft und Heil. Vätteren zusammen klauben / selbe seinen Zuhöreren vorzutragen und einzuflössen / auf daß erfolge / was der Psalmist hat geweissaget: Aus dem Mund der jungen Kinder und geistlichen Säuglingen hast du O GOTT dein Lob vollkommen gemacht. Die Milch ist weiß und süß: auch die Christliche Lehr ist weiß wegen der unverfälschten Reinigkeit des wahren Glaubens / und süß wegen des himmlischen Trosts /den sie mit sich bringt.

Es kan auch die zeitliche Glückseeligkeit und fleischlicher Wollust durch die Milch verstanden werden. 55 Dann / gleichwie die Milch wegen ihrer Süsse und Annehmlichkeit lieblich zu trincken ist / aber wann man selbe zu begierig und häuffig / absonderlich in der Hitz hinein schlucket / da ist sie schädlich /sie verursachet die Flatus, oder Wind und böse Dämpff: ja sie kan auch die Pulmones oder Lufft-Röhr verstecken / oder die Lungel überschwemmen /und machen / daß der Mensch ersticken muß. Eben eine solche Beschaffenheit hat es in sittlichem Verstand mit den zeitlichen Freuden und Glückseeligkeiten / wann man zu hitzig und begierig darauf ist / und selbe mißbrauchet / da machen sie aufgeblasen / das ist / hochmüthig / sie verursachen böse und höchst- schädliche Bewegnuß- und Anmuthungen: ja sie verstecken die Seel / und benemmen ihr den Athem / also / daß sie durch das Gebett den Geist der Gnaden nicht mehr an sich ziehen kan. Dessen ist im Alten Testament ein Figur gewesen der Feldherr Sisara / welchem die Jahel / als er auf der Flucht sehr durstig ware /Milch zu trincken gegeben / ihn mit einem Mantel zugedeckt und eingeschläfferet / in dem Schlaff aber umgebracht hat. 56 Durch den Sisaram verstehe die menschliche Seel / durch die Jahel mit der Milch die Welt mit der zeitlichen Glückseeligkeit und Wollust /durch den Schlaff und Todt aber die Sünd etc.

Ferners kan füglich in sittlichem und politischem Verstand zugleich durch die Milch verstanden werden die Education oder Auferziehung der adelichen Jugend / absonderlich eines Fürstlichen Printzen / welche von auserlesenen / verständigen / getreu- und fleißigen Informatoribus oder Hof- und Lehrmeisteren mit möglichster Klugheit und Sorgfalt geschehen solle: als von welcher Information und Auferziehung nicht nur die persönliche Wohlfart eines Fürsten /sondern auch der zukünfftige Wohlstand des gemeinen Wesens / und die glückliche Regierung des Lands und der Unterthanen zum grossen Theil dependirt. 57 Dann gleichwie die Kinder gemeiniglich ihren Säugamen / mit dero Milch sie auferzogen worden / nachschlagen oder nacharten / und ihre gute oder böse Neigung und Gewohnheiten mit einsaugen / also nemmen die junge Printzen von Kindheit an die gute oder böse Sitten / Lebens-Art und Beschaffenheit ihrer Informatoren / Hof und Lehrmeisteren an. Dieses hat gar wohl erkennet und klüglich erwogen der Macedonische König Philippus, der Kayser Theodosius, und vil andere König und Fürsten: deßwegen hat jener seinen Sohn Alexandrum, nachmahlen den grossen Welt-Herrscher / dem Aristoteli, diser aber seine Sohn dem weltberühmten Arsenio zum Auferziehen übergeben / und so wohl in Wissenschafften / als Fürstlichen Sitten und guter Policey zu unterweisen sorgfältigist anbefohlen. Es bekennete auch der Alexander selbsten / daß er Aristoteli seinem Lehrmeister mehr obligirt oder verpflichtet seye / als Philippo seinem Vatter; weilen / sagte er / ich von meinem Vatter zwar das natürliche Leben empfangen habe /von dem Aristotele aber das sittliche und politische /das ist / die Wissenschafften / Tugend und [360] Regier-Kunst erlernet habe. Daher nemlich / von der Instruction oder Auferziehung kommt es / daß dieser oder jener Fürst und Regent mehr oder minder gottseelig oder gottloß ist / kriegerisch oder friedsam / mild oder unmild / eines auferbäulich- und eingezognen / oder ausgelaßnen und ärgerlichen Wandels ist: dann /gleichwie die dem weichē Wachs eingedruckte Figur leicht bleibt / und von allen erkennet wird / also wird die der zarten Jugend eingeflößte Lebens-Art / die gegebne Maximen, oder Grund- und Lehrsätz bey anwachsendem Alter verbleiben / und sich jedermänniglich zu erkennen geben.

Fürsten und grosse Herren seynd sehr geflissen und sorgfältig / daß ihre Kinder in der Wiegen mit einer gesunden / sauberen und wohl constituirten Säugame versehen werden / und ein reine / gesund- und kräfftige Milch saugen / wie billich und recht / dann es nicht wenig daran gelegen. Hernach aber / wann der Printz oder junge Herr in etwas erwachsen / da ist wiederum die gröste Sorg der hochadelichen Elteren / daß man ihm einen netten / galanten und politischen Hofmeister bestelle / der ihn fleißig unterweise / wie er sich in der Leibs-Stellung oder Gebärden / im Reden und in der Kleidung nett / galant / proper / polit und zierlich solle aufführen und verhalten. Mann ist ferners besorgt / daß er die ausländische Sprachen wohl erlerne / daß er in denen adelichen Exercitiis, als Reuten /Fechten und Tantzen fleißig geübt werde: ja auch daß er in der Assamble oder in den Gesellschafften die junge Dames wohl zu tractiren und höflich zu bedienen wisse. Mit einem Wort / allen Fleiß / Sorg und Kosten wendet man an / daß der junge Sohn vor der Welt für einen ausgemachten / höflichen / geschickten und politen Cavalier oder Printzen paßire. Ist alles recht (wann nur nicht ein oder anderes gar zu fruhe geschieht) Aber wolte GOTT! daß man auch für die Seel und den innerlichen Wohlstand des Printzens oder jungen Herrn solche Sorg truge / und solchen Fleiß anwendete / daß man auch zu der Forcht und Liebe GOttes ihn gewöhnete / ihm die Schönheit der Tugend / und Häßlichkeit der Laster vorbildete / und die unordentliche Gemüths-Regungen zähmen und bändigen lehrete! dann wie wolte es möglich seyn /daß ein Fürst oder Herr sein Land und Leuth wohl und glücklich nach den Satzungen einer Christlichen Policey regiere / wann er nicht auch zuvor sich selbsten zu regieren gelernet und gewohnet hat?

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von dem Schaaf oder Lamm.

Das Schaaf ist ein gantz schwach- oder wehrloses und einfältiges / aber auch recht unschuldiges / sanfftmüthig- und gedultiges Thier / fruchtbar / und nutzlich zu dem menschlichen Gebrauch. 58 Schwach und wehrloß ist es / weilen es weder Hörner hat zum Stossen / weder scharpffe Zähn oder scharpffe Klauen zum Beissen und Reissen / noch starcke Huff zum Schlagen. Es wird zwar mit 2. vorderen Zähnen gebohren / deßwegen es auch bidens, das ist / zweyzähnig genennet wird / aber diese seynd zu nichts / als das Gras abzufretzen von der Natur gewidmet: aber eben darum wird es ins gemein ein unschuldiges Thier / ein unschuldiges Lämmlein genennet / weil es nemlich niemand / weder Thier noch Menschen schadet. Es ist gar nicht arglistig als wie vil andere Thier / und trauet allen / die sich freundlich gegen ihm stellen. Die Gedult und Sanfftmuth aber des Lamms oder Schäfleins belangend / so ist selbe nicht nur Welt-bekannt / sondern auch in H. Schrifft höchst gepriesen /indem der Sohn GOttes selber mit einem gedultigen Lämmlein mehrmahlen verglichen wird: Ecce Agnus Dei etc. 59 Sehet das Lamm GOttes etc. Ego quasi Agnus mansuetus etc. 60 Ich ward zur Schlachtbanck geführt wie ein zahmes Lämmlein etc. Und wiederum: quasi Agnus coram tondente se etc. 61 wie ein Lamm vor seinem Scherer etc. Es wolte auch [361] Christus haben / daß seine Apostel sollen gedultig und sanfftmüthig seyn in der Trübsal und Verfolgung. Ego mitto vos sicut oves etc. 62 Ich sende euch als wie die Lämmer unter die Wölff.

Nutzlich aber seynd die Schaaf / weil sie nicht nur nach dem Todt ihre Haut und Fleisch zum Nutzen und Gebrauch der Menschen dargeben / sondern auch in dem Leben ihre Woll / so offt man will / und so reichlich her spendiren. Es ist auch das Schaaf von Natur gar forchtsam / seine Schwachheit wohl erkennend: deßwegen will es in allweg bey der Heerd seyn / und wann es darvon abgesönderet ist / gibt es mit Schreyen oder Blären seine Begierd zu verstehen / als dessen gantzes Heyl in der Hand und in dem Schutz des Hirten gelegen ist / dessen Stimm es auch kennet / und derselben fleißig nachfolget. Von dem Wolff aber hat es ein natürliches Abscheuen und angebohrnen Greuel / wann es auch sonsten in keiner Gefahr ist. So bald das Lämmlein gebohren ist / fangt es an um die Mutter herum zu springen / und will in allweg bey ihr seyn / und kennet sie aus allen anderen Schaafen /deßwegen es auch Agnus genennet wird ab agnoscendo, vom Erkennen: Es wird auch von keiner anderen /wann es schon hungerig oder durstig ist / als von seiner Mutter saugen.

Das Schäflein ist in allweg ein lebhafftes Ebenbild eines guten frommen Christen (wie dann auch Christus der Göttliche Seelen-Hirt selber die Glaubige und Auserwählte seine Schaaf oder Lämmer zu nennen pflegte) weil ein solcher allzeit solle friedsam / sanfftmüthig und gedultig seyn in der Trübsal und Verfolgung / keinen Neben-Menschen beleidigen und beschädigen / weder mit den Hörneren eines Hoch- oder Zornmuths / weder mit denen Zähn- und Klauen bissiger Wort und Stichreden etc. 63 Er solle auch fruchtbar seyn in Ubung der guten Wercken und reichlichen Verdiensten: nutzlich aber der Kirchen GOttes und dem gemeinen Weesen / durch fleißige Vollziehung der Schuldigkeit seines Amts / und in Verrichtung seiner Geschäfften: oder aufs wenigist (wann sich seine Kräfften nicht weiter erstrecken) soll er durch sein eyferiges Gebett einen glücklichen Fortgang denen anderen / die etwas mehrers præstiren können / von GOTT erbitten.

Ferners / ein sittliches Schaaf / ein frommer Christ höret an und erkennet die Stimm seines Hirten / und folget ihm nach (aber keinem anderen) vocem ejus audiunt, & sequuntur eum etc. 64 das ist / forderist Christo dem HErrn / seinem Statthalter auf Erden /dem Römischen Pabst / und dann ferners anderen geistlichen Seelen-Hirten und Oberen. Diesen ergibet und überlasset sich das Schäflein / auf daß sie es von dem höllischen Wolff (den es über alles hasset und fliehet) beschütze. Es erkennet seine Mutter / die Catholische Kirch / und nimmt durchaus kein andere Milch / das ist / kein andere Lehr / als von dieser an: es lasset sich auch auf keine Weiß von der Heerd /verstehe von der Catholischen Gemeind abführen oder absönderen.

In dem Alten Testament mußte aus Göttlicher Verordnung täglich am Morgen in der Fruhe / und zu Abends in dem Tempel zu Jerusalem ein unbeflecktes Lamm mit gewissen Ceremonien geopfferet werden /und dieses ware GOtt das angenehmste Opffer. 65 Auch ein frommer Christ solle täglich in der Fruhe vor allem aus reiner Meinung und mit reinem Hertzen sich selbsten / und all sein Thun und Lassen GOTT aufopfferen / und mit dem jenigen Opffer vereinigen /welches das unbefleckte Lamm GOttes selber auf dem Altar des Creutzes verrichtet hat.

Aber gleichwie die Sanfftmuth und Gedult des Lämmleins die fürnehmste Eigenschafften / und zugleich auch einem Ordens-Geistlichen absonderlich anständige und nothwendige Tugenden seynd / also scheinet / daß durch die Lämmer vor anderen Catholischen Christen in sittlichem Verstand die [362] Ordens-Geistliche zu verstehen seyen / und mit selben in vilen Dingen übereins kommen sollen. 66

Ein Lamm ist leicht zu unterhalten / es kostet nicht vil / und nimmt mit wenigem / mit einer spären oder dürren Waid / oder Büschelein Heu fürlieb / ja wann die Waid gar zu gut und fett ist / da ist sie ihm mehr schädlich als nutzlich / und dannoch hat eine Haußhaltung grossen Nutzen von ihm / alles was an ihm ist / kan man brauchen / die Milch / wann es ein Doggen oder Weiblein ist / die Woll zur Kleidung / die Kälte von dem Leib abzuhalten / das zarte und wohlgeschmacke Fleisch zum Essen / auch seine Haut tauget zu unterschiedlichen Dingen / so man daraus machen kan. Eben also ein guter Religios macht keine grosse Kösten mit seiner Unterhaltung / er lasset sich mit wenig- und schlechtem befriedigen und vergnügen /mit gemeiner Speiß und Tranck / Kleidung und Wohnung: ja ein kostbare und gar zu bequeme Verpflegung wäre ihm nicht nutzlich und anständig / sondern vilmehr schädlich / und der geschwornen Armuth zuwider. Hingegen, aber schafft er gleichwohl grossen Nutzen in dem Hauß GOttes mit Singen / Betten und Betrachten / mit Studiren und Laboriren / mit guten Wercken und Exemplen etc. all sein Thun und Lassen ist ihm und anderen nutzlich.

In dem Sommer / wann das Lamm ein grosse Wollen hat / da lasset es sich gar gern und willig scheren /ja wann man es nicht scheren thäte / so wurde es von der Wollen sehr beschwehret / oder endlich gar versteckt werden. Auch ein Ordens-Geistlicher / wann er zur Sommers-Zeit / das ist / in der zeitlichen Wohlfahrt einen Uberfluß an Kommlichkeit genüsset / da soll er ihm diese überflüßige Wollen willig und gern benemmen lassen / dann sonsten wurde dieselbige sein Gewissen beschwehren / oder gar den Geist der Gnaden in ihm erstecken.

Es hat auch das Lamm diese Art an sich / daß /wann es schon den gantzen Tag auf der Waid gewesen ist / so isset es ihm dannoch nicht genug / sondern erst zu Hauß will es wiederum geessen haben / und ersättiget werden / es eilet nacher Hauß / und liebt seinen Stall / den es gewohnt ist. Eben also das sittliche Lamm / ein guter Religios, wann er schon ausser dem Closter unter den weltlichen Leuthen wohl bewirthet und gehalten wird / wann er schon einen Uberfluß und alle Ehren genüsset / so ist er dannoch nicht ersättiget oder vergnügt darbey / sondern er trachtet immerdar wiederum nacher Hauß in sein Closter / da sucht er seine Zufriedenheit und geistliche Nahrung in der stillen Ruhe und in der geliebten Einsamkeit. Das Schaaf liebet das Saltz / und wann es selbes haben kan / so wird es fett und fruchtbar. Auch ein guter Religios liebet das Saltz der Weißheit / und wann er diese erlangt / so wird er fett / das ist / er nimmt zu in dem Geist / und wird fruchtbar in Fürbringung oder Ubung der guten Wercken. Endlichen /obwohl das Saaf oder Lamm ein einfältiges Thier ist /so weiß es doch gar wohl das Gute von dem Bösen zu unterscheiden: wann vil unterschiedliche Kräuter beysammen oder untereinander stehen / da weiß es die /so ihm gesund und nutzlich seynd / von den schädlichen zu unterscheiden und auszuklauben. Diese Tugend der Discretion oder Unterscheidungs-Krafft ist auch den Ordens-Geistlichen sehr nothwendig / krafft welcher sie die gute und reine Affect oder Anmuthungen und Begierden / von den schädlichen und unordentlichen zu unterscheiden wissen etc.

Noch eines haben die Schaaf oder Lämmer an sich: Sie hören die Music gern / und wann der Hirt mit der Sack-Pfeiffen aufspihlet / da hören sie ihm mit Lust und Freuden zu: aber sie unterlassen darum das Waiden nicht / ja sie essen eben darum desto begieriger zu. Eben also die gute Religiosen lieben und üben die Music / ich verstehe nicht die üppige eitle Welt-Music / sonder das Göttliche Lob- und geistliche Chor-Gesang: unter diesem thun sie ihre Seelen und Gemüther mit himmlischen Anmuthungen waiden etc.

[363] Es möchte einer wohl zweifflen / ob nicht das Lamm sich billich wider die Natur als eine Stieff-Mutter zu beklagen hätte / weil sie es Witz- und wehrloß gemacht hat / daß es ins gemein animal stolidum, imbelle, ein närrisches / ein schwaches Thier genennt wird. 67 Aber nein / es hat sich gar nicht zu beklagen: dann was ihm an der Witz und Stärcke abgehet / das ist ihm in anderen Stucken reichlich ersetzt / nemlichen mit seiner Fruchtbarkeit und Holdseeligkeit: inmassen alles / was an dem Schaaf oder Lamm ist / nutzlich und wohl zu brauchen ist / wie schon gemeldet worden.


Carne juvat, pelle, vellere, lacte, fimo.

Das Fleisch und d'Milch des Lamms gut ist /
Die Woll / das Fell / und auch der Mist.

Es ist auch das Lämmlein von Natur ein so holdseelig- und angenehmes Thierlein / daß es jederman liebt und charisirt / man thut ihm schön / und schmeichlet ihm schier wie einem lieben Kind.

Von einem solchen lieben Schäflein erzehlte einstens der Prophet Nathan dem König David: Es ware ein Mann / der hate ein Schäflein ernährt und erzogen neben seinen Kinderen / es aß / sagte er / von seinem Brod / und tranck aus seinem Becher / und schlieff in seiner Schoos etc. 68 Als er aber hinzu setzte / ein anderer habe es muthwilliger Weiß umgebracht / da hat sich David also darüber ereyferet und erzürnet / daß er deme / so es gethan / den Todt geschworen hat. Auch der Heil. Franciscus Seraphicus hat ein so grosse Lieb zu einem Lämmlein gezeigt / daß / als er es hat sehen zur Schlachtbanck oder in die Metzg führen / da hat er mit Bitten und Bezahlen angehalten / selbes von dem Todt erlößt und erkaufft / mit sich in sein Closter genommen / und gantz liebreich ernährt und auferzogen. Ja GOTT selbsten hat jederzeit ein Wohlgefallen ab denen Lämmeren gezeigt / indem er vor Zeiten hat verordnet / daß ein Lamm solle das Versöhnungs-Opffer seyn für die Sünd der Menschen / und der Sohn GOttes so wohl sich selbsten öffters mit einem Lamm verglichen / als auch von seinem Vorlauffer und Evangelisten ein Lamm hat nennen lassen. Billichist derowegen sollen wir uns befleissen / die Eigenschafften eines Lamms / absonderlich die Sanfftmuth an uns zu nemmen / auf daß wir auch verdienen von GOTT geliebt / und seinen auserwählten Schäflein beygezehlt zu werden.

Obwohlen das Lamm ein einfältiges Thier ist / so weiß es doch auch von der Gefahr sich zu hüten. 69 Dieses hat sich gezeigt / als es mit einem starcken Bock über Feld gegangen / und ihm ein Wolff begegnet ist. 70 Diesem haben zwar gleich die Zähn nach dem Schaaf-Fleisch gewässeret / er aber verbarge seinen Schalck / redete es gantz freundlich an / und sprach zu ihm: wo wilst du hin mein guldenes Schätzlein? warum hast du deine liebe Mutter verlassen /und folgest diesem stinckenden Bock nach? kehre wieder um / und komme mit mir / ich will dich schon tragen / wann du müd bist / und dich deiner Mutter wieder bringen: ich weiß wohl / sie hat das Eyter gantz voller Milch / da kanst du nach deinem Belieben saugen. Dieses hat der Wolff gesagt / willens das Lamm / so bald er es alleinig hätte auf die Seiten gebracht / zu verreissen und aufzufressen. Aber / nein sagte das Lamm (den Betrug wohl merckend) du weist wohl / daß man Vatter und Mutter folgen soll. Meine Mutter aber hat mich dem Bock recommendirt / und mir befohlen / ich soll mich von ihm nicht absönderen / sondern ihm nachfolgen / du aber bist ein falscher Freund und ein Betrüger / es ist dir nicht zu trauen etc. Wohl geredt / und recht gethan / den betrüglichen Schmeichel-Worten falscher Freunden soll man niemahl trauen / noch selben einiges Gehör geben: und weilen unser allgemeine Mutter uns dem geistlichen Seelen-Hirten anbefohlen hat / so sollen[364] wir demselben getreulich nachfolgen / und von dem höllischen Wolff durchaus nicht lassen abwendig machen / sonsten seynd wir des Verderbens eigen.

Aber ein andersmahl hat das Schäflein seiner gewöhnlichen Sanfftmuth und aller Behutsamkeit schandlich vergessen / und solches theur genug büssen müssen. 71 Dann als es in einem wohlversperrten Hauß zum Fenster hinauß sahe / und auf der Gassen darunten ein Wolff vorbey gieng / da hat es (auf seine Sicherheit sich verlassend) dem Wolff gar böse Wort gegeben / über ihn geschändet und geschmähet / also daß sich die Leuth verwunderet haben. Der Wolff aber sagte: dein böses Maul und böse Wort thäten mich wenig bekümmeren / aber daß die Haußthür so wohl verschlossen ist / das schmertzet mich übel: und eben das macht dich ein so zaghaffte Letfeigen so frech und vermessen. Mithin / weil er je keine Hoffnung hatte das Schaaf zu bekommen / gienge er fort. Das Schäflein aber ist hierdurch noch frecher worden / und hat ihm von neuem vil Schimpff- und Schmachreden angehenckt. Auf welches der Wolff also ergrimmet ist / daß er wieder zuruck / mit grossem Gewalt die Haußthür hat aufgesprengt / und in aller Furi die Stiegen hinauf geloffen ist / das Schäflein aber / als es dieses gesehen / ist es vor Schröcken zum Fenster hinab gesprungen / hat einen Fuß abgebrochen / und gesagt: O wäre ich nicht so gar zu sicher gewesen /so wäre ich sicher bliben! Ja also ist es: Nimia securitas periculosa: Die gar zu grosse Sicherheit ist gefährlich: und der Feind schadet niemahl mehr / als wann man ihn verachtet. Der sich gar zu sicher gedunckt / mißbraucht die Sicherheit / wird frech dardurch und vermessen: ein mäßige Forcht hingegen ist nutzlich / und macht behutsam: deßwegen stehet geschrieben: Beatus homo, qui semper est pavidus, qui autem mentis est duræ, corruet in malum: Seelig ist / der sich allweg förchtet: wer aber hartnäckig ist / wird in Unglück fallen.

Der 6. Absatz
Der 6. Absatz.
Von dem Schwein.

So sauber und angenehm das Lamm ist /so unflätig und häßlich hingegen ist das Schwein: Es ist auch in dem Mosaischen Gesatz für unrein gehalten worden /von dem Opffer ausgeschlossen / und zu essen verbotten gewesen. 72 Man sagt zwar / daß aus allen vierfüßigen Thieren keines / was die innerliche Theil des Leibs anbelangt / dem Menschen so gleich seye / als eben das Schwein. Sonsten aber ist das Schwein ein gar unflätiges Thier / welches wider die Gewohnheit aller vierfüßigen Thieren sein Lust und Freud im Koth und Unflat hat / in dem es sich / wie bekannt /gern umweltzet. Seinen Rüssel / so ihm die Natur gegeben / braucht es meistentheils die Erden umzuwuhlen / umzugraben und Wurtzlen zu suchen. Das gantze Thun des Schweins ist nichts anders / als Fressen /Schlaffen / müßig im Stroh da ligen / und offt so fett werden / daß es vor Schwehr- und Faulkeit nicht mehr stehen und gehen mag. Man sagt: wann die Sau so vil Junge habe / daß sie selbe nicht ernähren kan / da fresse sie selbe nach einander / ausgenommen das erste / welches sie lieber hat / und feißt machet.

Man schreibt auch für gewiß / daß die Schwein zu Zeiten also fett werden / daß ihnen die Mäuß aus dem Speck fressen / ja so gar darinnen nisten / ohne daß es auf das lebendige Fleisch hinein gehet. Die Schwein haben ein wunderliches Geschrey oder Rüchlen / und gute Verständnuß unter einander / also daß wann eines Noth leidet und schreyet / da lauffen alle zusammen / als hätten sie Mitleiden / oder wolten ihm helffen. Sie kennen auch wohl die Stimm ihres Hirten /und dessen / der sie gemeiniglich futteret / und folgen derselben [365] nach. Hiervon schreibet Ælianus folgende Begebenheit.

Als einstens ein Schiff voll Rauber an dem Thyrenischen Gestatt angeländet hatten / deß Willens auf dem Land zu rauben und gute Beuth zu machen / da haben sie sich in der Nacht über die Schweinställ gemacht / wo die Hirten vil Schwein zusammen gesperret hatten / und haben eine grosse Anzahl derselben auf ihr Schiff gebracht / und sich bemühet / bey anbrechendem Tag eilends darmit darvon zu fahren. 73 Als aber die Schwein-Hirten diesen Raub vermerckt /haben sie sich gantz still gehalten / und nichts dergleichen gethan / biß daß die Rauber ein gutes Stuck weit hinein ins Wasser gefahren seynd: alsdann haben sie einhellig auf ihr gewöhnlich- und bekannte Art den Schweinen überlaut zugeschryen / geruffen und gelocket. Worauf die Schwein / dieses hörend / allesamt augenblicklich / ohne den Schiff-Lohn zu bezahlen /ins Wasser hinauß gesprungen seynd / mithin aber das Schiff auf der einen Seiten also beschwehret haben / daß es umgestürtzt ist / und die Schiffer oder Rauber samt ihnen ins Wasser gefallen seynd. Die Schwein zwar seynd eilends wiederum dem Gestatt und ihren Hirten zugeschwummen / die Rauber aber glaublich mehrentheils ersoffen.

Ubrigens seynd die unflätige Schwein eine Abbildung der Sünder / bevorab der jenigen / die sich dem Fraß und der Füllerey / der Unlauterkeit und dem Müßiggang ergeben; dann diese alle suchen ihre Freud in stinckenden Pfützen und Kothlachen / das ist / in unreinen Welt-Freuden / in diesen thun sie sich umweltzen / als wie das Schwein im Koth / in diesem seynd sie gäntzlich versenckt und vertiefft. 74 Gleichwie die Schwein gar keine Liebhaber / ja gar nicht fähig seynd einer Sauberkeit / und eines reinen ehrbaren Wollusts / als zum Exempel: Es wäre nicht nur sehr ungereimt und unanständig / sondern auch dem Schwein selber nicht lieb und zuwider / wann man es in ein sauberes Zimmer oder schönen Blumen-Garten führen thäte / nein / das wäre ihm gar nicht recht /sondern es will vil lieber in einem kothigen Acker /oder bey einem s.v. stinckenden Misthauffen umnuhlen / und seinen Rüssel hinein stecken. Eben also die in Sünden vertieffte Menschen trachten nicht nach himmlischen Tröstungen und wahrer Hertzens-Freud /die seynd derselben ungewohnt und untüchtig / sie thun vil lieber in dem Koth der Erden oder irrdischen Dingen sich aufhalten und ergötzen. Deßwegen hat auch Christus in dem Evangelio seine Apostel ermahnt: Nolite dare Sanctum canibus, neque mittatis margaritas vestras ante porcos etc. 75 Sie sollen das Heiligthum nicht geben den Hunden / und die Perlein nicht für die Schwein werffen / auf daß sie nicht selbige aus Verachtung mit Füssen zertretten. Nein / die Säu fragen den Perlen und Edelgesteinen nichts nach /sie haben lieber Kleyen und Eichelen: und die sinnliche Welt-Menschen achten die geistliche Schätz und himmlische Gaben wenig / das Essen und Trincken und die fleischliche Wollüsten genüssen / ist ihnen vil angenehmer.

Es haben die Schwein auch diese Untugend / daß sie niemahl / absonderlich wann sie essen / den Kopff übersich richten / niemahl schauen sie den Himmel an (auch nicht den Baum / von welchem ihnen der Hirt die Eichelen herab schlaget) sondern nur immer den Boden. Ingleichem die irrdische sinnliche Menschen erheben ihr Hertz und Gemüth nicht zu GOtt und dem Himmel / sie geben kein Achtung / wo auch die zeitliche Güter und Gaben / die sie geniessen / herkommen / sie erstatten keinen Danck darfür / sondern sie seynd nur immer in das Irrdische / oder in die Erden vertiefft.

Mich gedunckt / es könne auch nicht ungereimt ein reicher Geitzhalß mit dem Schwein verglichen werden / und eines solchen / die Wahrheit zu bekennen / hab ich mich öffters bey der Mastung und bey dem Schlachten eines Schweins erinneret. 76 Dann / gedachte ich / gleichwie ein Mast-Schwein / so lang es lebt / gar keinen Nutzen bringt / [366] sondern immer nur kostet / und wohl will verpflegt seyn / da es doch nicht arbeitet / als wie ein Pferdt oder Ochs / es gibt kein Milch / als wie die Kuhe / es traget keine Woll /als wie die Schaaf etc. aber wann es todt ist / da ist alles gut daran und wohl zu brauchen / das Fleisch /der Speck / die Haut und Haar etc. so lang es lebt /hat man nichts als Mühe und Verdruß darmit / man muß ihm immerdar zutragen und zuschieben: aber wann es feißt ist genug und wohl gemästet / da thut man es mit Lust und Freuden metzgen / jedermänniglich erfreuet sich darab / nicht nur der Herr und Frau im Hauß / sondern auch Knecht und Mägd / ja Hund und Katz seynd wohl auf darbey / weilen sie auch ihren Theil darvon bekommen. Fast eben ein solche Beschaffenheit (wann es also zu reden erlaubt ist) hat es mit einem reichen Geitzhalß: So lang er lebt / bekommt niemand nichts von ihm / er will nur immer haben und einnemmen / und gibt nichts mehr herauß /als wie ein unersättlicher Meer-Schlund / es heißt allzeit nur affer, affer: man muß ihm fleißig dienen und aufwarten / vil Mühe und Verdruß mit ihm ausstehen etc. Aber / wann er die Augen zu thut und nicht mehr auf / da erfreuen sich die lachende Erben / die schon lang mit Ungedult auf seinen Todt gewartet haben. Da theilt man das Erbgut / und macht sich lustig darbey /man zehlt das hinterlaßne Geld / man misset das Korn und den Wein aus etc. und sagt: O wie hat der Alte gehauset! sehet nur / was hat er für Gut und Geld zusammen gebracht!

Wann das Mast-Schwein abgestochen wird / da zeigt es sich klar / daß es den Speck nicht für sich /sondern für das Hauß-Gesind gesammlet hat / es hat nichts mehr darvon / muß alles hergeben / Haut und Haar. Auch wann ein reicher Geitzhalß stirbt / da zeigt es sich klar / daß er nicht ihm selbsten / sondern nur anderen Leuthen / er weiß nicht wem / gehauset /oder das Gut und Geld gesammlet habe. Darum hat GOTT selber im Evangelio zu einem solchen gesprochen: Stulte, quæ parasti, cujus erunt? 77 Du Thorrechter / wessen wird es seyn / was du bereitet oder gesammlet hast? Wem wird es zukommen? Etwan einem ungerathnen Sohn / der es in kurtzer Zeit leichtsinniger Weiß verzehret und verschwendet / was der närrische geitzige Vatter in vil Jahren mit grosser Mühe und Sorg zusammen gespahret und gescharret /geschunden und geschaben hat. Dergleichen Exemplen kunten unschwer vilerley beygebracht werden /ohne daß man sich deßwegen übers Meer begeben müste. Das Mast-Schwein hat gleichwohl gute Täg gehabt / und ihm lassen wohl seyn / so lang es gelebt hat: aber der Geitzige auch dieses nicht / er hat ihm nicht getrauet etwas Guts oder genug zu essen / vilweniger anderen zu geben. Neben dem / daß er jetzund alles muß dahinten lassen: nihil secum auferet de labore suo: 78 er nimmt nichts mit von seiner Arbeit. O Thor- und Blindheit eines reichen Geitzhalß!

Der 7. Absatz
Der 7. Absatz.
Von dem Hund.

Unter allen vierfüßigen Thieren ist keines von Natur so zahm und heimisch / als wie der Hund / er ist lediglich zu dem Dienst / und auch zu dem Lust des Menschen verordnet. 79 Seine fürnehmste Eigenschafften seynd die Wachtsamkeit / Treu und Danckbarkeit gegen seinen Herrn und Nährer / den er gar wohl / auch nach langer Abwesenheit kennet und liebet / selbem unabsönderlich anhanget (wann er auch schon öffters hart und übel von ihm tractirt oder gehalten wird) sein Bestes beförderet / und den Schaden von ihm abwendet / ja auch zu Zeiten das Leben für ihn lasset. Er ist gar gelirnig / er lernet vil wunderliche Künsten / und lasset sich in der Jugend abrichten und gewöhnen auf gar unterschiedliche Weiß und Art / er stehet allzeit fertig / nicht nur auf ein jedes Wort /sondern auch auf einen jeden Wincker seines Herrn. Hingegen [367] aber ist er sehr neidig und gehäßig wider andere Hund / wann er vermeint / daß sie ihm etwas nachtheilig seyen / oder einen Abtrag thun: ja offt auch ohne Ursach thut er andere Hund verfolgen /beissen und reissen: offt auch aus Neid mehr essen /als er mag / nur damit es der andere nicht bekomme.

Daß die Hund blind auf die Welt kommen / das ist gewiß / aber eben der jenige / der zum letzten sehen wird / der soll der beste seyn: hingegen / der zum letzten geworffen wird / seinem Vatter zum gleichisten sehen. Wann sie noch jung seynd / haben sie weisse und scharpffe Zähn / schwartzlechte aber / wann sie alt werden; sie können biß 20. Jahr oder darüber alt werden.

Der Dienst und die Verrichtung der Hunden ist unterschiedlich; dann ein anders haben zu thun die Hauß-Hund / ein anders die Jagd-Hund / die Schaaf-Hund / und die Wasser-Hund etc. Was aber die vilfältig- und unterschiedliche Gestalt / Farb und Grösse der Hunden anbelangt / so ist selbe jedermänniglich genugsam bekannt / massen uns ja die Hund täglich unter den Augen und unter den Füssen häuffig umlauffen / nicht nur auf der Gassen und in den Häuseren / sondern offt auch bey dem Gottesdienst in der Kirchen / welches zwar freylich nicht seyn solte / sondern ein grosser Mißbrauch und Ungebühr ist. 80 Gewiß ist es / wann jemand sich unterstunde einen Hund in einen heydnischen Tempel oder in ein Türckische Moschea mit sich zu bringen / so wurde er sich einer schweren Straff schuldig machen / oder villeicht gar beym Kopff genommen werden. Ein Wunder-Ding! daß die Heyden bey ihrem falschen Götzendienst die Hund als ein unreines / unflätiges / unruhiges Thier nicht leiden können / und hingegen die Catholische Christen können sie bey ihrem wahren Gottesdienst nicht nur leiden / sondern vil Herren und Frauen wollen keine halbe Stund lang in der Kirchen ohne Hund seyn. Was wurde man darvon halten und sagen / wann ein Supplicant, so zur Königlich- oder Fürstlichen Audienz, um eine Gnad anzuhalten / vorgelassen wird / einen Hund mit sich in des Königs oder des Fürsten Zimmer nehme / oder unter währender Audienz mit demselben schertzen thäte? und für den Gnaden-Thron des Königs aller Königen thut man mit Hunden kommen / und mit selben schertzen /die offtermahl den Priester an dem Altar / oder den Prediger auf der Cantzel molestiren oder belästigen /das gegenwärtige Volck aber von der Andacht und von dem Gebett verhinderen / und hingegen zu der Ausschweiffung und zu dem Gelächter veranlassen. Es stehet ja ausdrucklich geschrieben: Foris canes: 81 Hinauß mit den Hunden.

Ja / wann alle Hund so beschaffen / so fromm und eingezogen wären / als wie der jenige / von welchemIsidor. in Brev. rerum memor. schreibt / so kunten sie gar wohl in der Kirchen gedultet werden. 82 Dann derselbige / so offt man das Zeichen zu der H. Meß gegeben hat / da ist er gleich der Kirchen zugeloffen /aber gantz züchtig und langsam hinein gangen / er hat sich vor dem Hoch-Altar nidergelassen / bey dem Evangelio aber ist er aufgestanden: wann man das Hochwürdige Gut hat aufgehebt / da hat er sich mit dem gantzen Leib nider geworffen / und aus Ehrerbietung das Maul hart auf den Boden gedrucket. Endlich zuletzt / wann der Priester den Seegen gab / da hat er sich abermahl nider geworffen / und ist hernach gantz züchtig wiederum davon gangen. Meistens aber ware an diesem Hund zu verwunderen / daß er keinen anderen in der Kirchen gelitten / noch weniger einen unruhig darinn umlauffen / oder Ungelegenheit hat machen lassen / sondern er gieng gantz still hinzu / und führte ihn bey dem Halß zur Kirchen hinauß / und wann er nicht gehen wolte / oder sich widersetzte / da legte er Gewalt an / und bisse ihn hinauß. Solche Hund gehören in die Kirchen / auf daß die unehrerbietige Menschen die schuldige Ehrerbietigkeit von ihnen erlernen mögen etc.

[368] Gewiß ist es / daß die Hund offtermahl theils aus Antrieb der Natur / theils aus absonderlicher Schickung GOttes lobwürdig- und verwunderliche Thaten geübt / fürnemlich aber ungemeine Zeichen der Treu und Danckbarkeit gegen ihre Herren und Gutthäter erwiesen haben / wegen welchen sie wohl Liebens- und Lobenswerth waren. 83

Tiberius der Kayser liesse / weiß nicht aus was für Ursachen / Titium, einen adelichen Römer / aufhencken / dessen Hund aber legte sich unter seine Füß /heulte und winselte vor Leid erbärmlich: man wolte ihm zu essen geben / und darmit hinweg locken / aber er nahme durchaus nichts an: sondern als man den Todten-Cörper in den Tyber-Fluß geworffen hat / da sprang der Hund auch ins Wasser / schwame so lang er kunte dem Todten unter dem Kopff / und vermeinend ihne also in die Höhe zu heben / und vom Untergehen zu erretten / biß daß er auch selbst ertruncken ist / und also mit Verwunderung der Zuschauenden gewisen hat / daß er seinen Herrn mehr als sein eignes Leben liebe. 84

An dem Königlichen Hof in Franckreich (wie unter anderen der berühmt- und gelehrte Schrifftsteller Procopius erzehlet) war ein Cavalier von seinem Feind heimlich entleibt / und in dem Feld an einem verborgnen Ort verscharret worden / es wußte niemand darum / als nur der Thäter. 85 Des Entleibten grosser Hund aber suchte und fande seinen Herrn / er legte sich auf das Grab / und gienge nicht darvon / biß ihn der grosse Hunger nöthigte: alsdann lieff er zwar nacher Hauß / aber so bald er etwas geessen / kehrte er wiederum zu dem Grab seines Herrn zuruck / und dieses zum öffteren / biß man da nachgesucht / den Cörper des ermordeten Cavaliers gefunden und ausgegraben hat: der Thäter aber verbliebe gantz unbekannt. Uber ein geraume Zeit ersahe der Hund den Todtschläger seines Herrn bey Hof / da fienge er an gewaltig zu bellen und wüthen / und wolte ihn grimmig anfallen /also daß mans kaum verwehren kunte. Er wurde dardurch verdächtig / dann der Hund liesse nicht nach mit Bellen und Toben / ihn gleichsam anzuklagen /und an der Mordthat schuldig zu seyn verrathen. Der König liesse ihn darüber examiniren / er aber laugnete es beständig / wohl wissend / daß er von keinem Menschen kunte überzeugt werden: Man hatte doch starcke Indicia und Muthmassungē / die Sach kame dahin / daß der König das Urthel fällte / der Suspecte müsse seine Sach durch ein Duell ausmachen / und mit dem grossen starcken Hund / als seinem Ankläger um Leib und Leben streiten. Man machte Anstalt /und tratte auf den Kampff-Platz: der Hund zeigte sich muthig und freudig den Todt seines Herrn zu rächen /er wetzte seine Zähn / der heimliche Mörder aber seinen Degen. Sie giengen auf einander loß / und griffen hitzig an: der Hund aber / weil er ein gerechte Sachdefendirte / wurde Meister / er risse seinen Gegner zu Boden / er erwürgte und zerbisse ihn. Diese Geschicht hat der König abmahlen / und zur Gedächtnuß in dem Ritter-Saal aufhencken lassen. Und auf solche Art hat es dem gerechten GOtt / die heimliche Mordthat zu straffen / beliebt. In Ansehung aber solcher Treu und Danckbarkeit der Hunden solle sich der Mensch billich schämen / GOtt und seinen Gutthäteren undanckbar zu seyn.

Lobwürdig und getreu seynd gewesen jene 50. Hund in der Insul Rhodus, welche die Inwohner vor den Mauren zu Nacht wachen liessen / damit sie vor den Türcken möchten sicher seyn: dann diese wußten die Türcken von den Christen gar wohl zu unterscheiden: wann einer von den Christen ihnen begegnete /pflegten sie ihm zu schmeichlen / wann sie aber einen Türcken antraffen / da thaten sie bellen und ihn anfallen. Wie Sabellius erzehlet.

Lobwürdig ware jener Hund / welcher / obwohlen er hungerig war / dannoch von den Händen Ottonis des Hertzogen von Brandenburg (welcher schweren Verbrechens halber von [369] dem Bischoff Landulpho excommunicirt ware) kein Fleisch annemmen wolte. Dann als der Hertzog zur Tafel sasse / und aus derExcommunication nur das Gespött tribe / sprechend: er habe gehört / daß die Hund von einem Excommunicirten keine Speiß annemmen / nun wolle er es probiren: Er warffe also den Hunden etlich gute Brocken Fleisch vor / aber es thäte keiner was darvon anrühren: Der Hertzog vermeinte / die Hund haben etwan schon vorhin genug gefressen / und liesse derowegen einen 3. Täg lang einsperren / und ihm nichts zu essen geben / alsdann liesse er ihn wiederum zur Tafel führen / und gab ihm Fleisch genug / aber er wolte so wenig von ihm was annemmen / als zuvor: über welches Wunder der Hertzog erstaunet und in sich selber gegangen ist / seinen Fehler erkennet / und sich der Kirchen gehorsam unterworffen hat. Lieb- und lobwürdig war der jenige / der täglich von seines Herrn Tafel ein Stuck Brod genommen hat / selbes aber dem H. Rocho, der in der Wildnuß verborgen war / zugetragen / und ihn ein geraume Zeit darmit ernähret hat.In vita.

Auch das jenige Hündlein ware Lobens werth /welches Margaritham de Cortona, als einen verbuhlten Schleppsack bey dem Rock gezogen / und sie zimmlich weit an das Ort geführt / allwo ihr geweßter Galan ermordet / und als ein stinckendes / mit Würmen erfülltes Aaas gelegen ist: durch welchen erbärmlichen Anblick sie also ist bewegt worden / daß sie sich ernstlich bekehrt und strenge Buß gewürcket hat / auch in die Zahl der Seeligen eingeschrieben worden ist. 86

All die erzehlte Hund seynd nutzlich und lobwürdig gewesen. 87 Aber es gibt auch vil andere Hund und Hündlein / welche gar nichts nutzen / weder Lobens- noch Liebens-werth seynd / und dannoch von vilen / absonderlich von dem adelichen Frauenzimmer ungemein und unmäßig geliebt werden.

Ich will da gantz nicht taxiren oder tadlen die jenige Personen beyderley Geschlechts / welche ein mäßige Affection zu den Hunden haben / selbige wohl leiden mögen / und zu Zeiten ein Kurtzweil oder unschuldige Freud darmit treiben / absonderlich wann sie sonsten wenig Freud / und keine grosse Geschäfft zu verrichten haben. 88 Aber die jenige / welche gar zu starck in die Hund verliebt seynd / ihnen gleichsam ihr Hertz schencken / die mehriste Zeit / und auch zimmliche Kösten darauf wenden / selben in Uberfluß zuschieben die beste Schleckerbißlein: bey dem Tisch und in der Kirchen immerdar täschlen und charisiren etc. Die jenige / sage ich / thut Abert. Joseph Conlin in seinem fürtrefflichen Werck / der Christliche Weltweise genannt / gar wohl und recht mit dem Titul der Hunds-Narren oder Hunds-Närrinen beehren. Dann was kunte wohl närrischers und unbillichers seyn / als ein unnützes Hündlein / als da seynd die Boloneser-und Melitter-Hündlein / die Schoos-Hündlein / die Polster-Hündlein / die Gutschen-Hündlein so übermäßig charisiren / küssen und trucken? so offt / lang und vil darmit parliren / schertzen und schwätzen? auf dem Arm herum tragen? auf den Tisch und in das Beth nemmen? die beste Bißlein aus dem Mund geben? ja so gar (so weit erstreckt sich zu Zeiten die Thorheit des adelichen Frauenzimmers) das Hündlein mein Schatzerle / mein Hertzlein / das Cammer-Mensch hingegen ein Vieh / einen Hund / eine Besti nennen? dem Bella Morell einen Kuß / und der armen Dienst-Magd eine Maultaschen geben? etc.

Ein solche Hunds-Närrin / sagt ermeldter Author, ist unter vilen anderen gewesen jene vornehme Edel-Frau / die also in ihr Hündlein verliebt gewesen / daß sie es allzeit aus silbernen Schüsselein bey der Tafel gespeiset / und von einem Cammer-Menschen aufs fleißigist hat bedienen lassen. Als es aber kranck worden / liesse diese Dam einen berühmten alten Medicum aus der Nachbarschafft beruffen: Dieser / als er in das Zimmer geführt wurde / wo der Patient auf einem sammeten Polster lag / entrüstete sich nicht[370] wenig / hielte es für einen Affront, und beklagte sich /daß man einen Hunds-Doctor aus ihm machen wolte: aber man bemühete sich mit den besten Worten ihn zu besänfftigen / und druckte ihm 2. Species Dublonen in die Hand / mit Bitt / möglichisten Fleiß anzuwenden / und das krancke Hündlein zu curieren. Es hat sich der Unwillen so gleich in ein grosses Mitleiden /aufs wenigist dem Schein nach / veränderet: Er griffe dem Patienten die Pulß / und befande / daß er nicht lang mehr leben kunte / wolte aber gleichwohl sein Bestes thun / und keinen Kosten spahren / er gab dem Hündlein ein köstliches Pulver und Träncklein ein / er præparirte ein kräfftiges Sälblein und Uberschläg etc. aber es wolte alles nichts verfassen / das Hündlein ist gleichwohl verreckt. Da ware Leid über Leid in dem Schloß / die Dam kunte den Todtfall dieses Thierleins nicht genug bedauren: ja sie ließ allen Bedienten schwartze Traur-Kleider machen / und befahle einem /das verreckte Thierlein mit aller Ehrerbietigkeit in einem geweyhten Ort zu begraben / weilen aber diesen unsinnigen Befehl niemand vollziehen wolte / so hat sie den verreckten Hund mit eignen Händen (wie für gewiß erzehlt wird) zur Erden bestattet. O grosse Thorheit einer unmäßigen Hunds-Lieb!

Von einer anderen dergleichen wird ebenfalls gelesen / daß sie in ihr Boloneser-Hündlein dermassen verliebt und vernarret gewesen / daß sie ihm nicht genug wußte zu schmeichlen und liebkosen. Als es aber verrecket ware / da ware sie gar sorgfältig / daß es gleichwohl mit allen Ehren möchte begraben werden. Sie ware von der närrischen Hunds-Lieb also eingenommen / daß sie persönlich zu dem Burgermeister gegangen ist / und selben inständig ersucht hat /er möchte doch ihr liebstes Hündlein in dem Rathhauß begraben lassen. Ey was gedencket sie / sagte der Burgermeister / das kan nicht seyn / es wäre eine Schand / ein Narren-Stuck etc. Ja / replicirte sie / es ist aber ein überaus geschickt- und gescheides Hündlein gewesen etc. Mit einem Wort / sie certirten so lang / biß daß sie mit Darreichung 30. Thaler (O Geld was vermagst du nicht!) den Burgermeister dahin gebracht hat / daß er in der Nacht hat lassen einen Stein aufheben / eine Grub machen / und das Hündlein im Rathhauß vergraben.

Ein andere adeliche und reiche Wittib ware auch also in ihre Hund verliebt / daß sie ihnen die holdseeligiste Nähmen hat geben / nicht nur schleckerhafft gespeiset / sondern auch selbsten gewaschen / gekräußt / gekamplet etc. und am Morgen in der Fruhe zu erst gegrüßt und gekußt etc. Als sie aber tödtlich erkrancket / hat sie mit Schmertzen von ihren Hunden Abschied genommen / und damit ihnen auch nach ihrem Todt wohl solte gewartet werden / hat sie einem jeden ein gewisses Stuck Geld vermacht / darbey aber ihrer selbst und ihrer Seel vergessen.

Es bezeugt auch ein bewährt- und glaubwürdiger Mann / daß er bey dem Todt einer sterbenden Edelfrauen gestanden / welche in ihrem letzten End die Augen scheulich hin und wieder geworffen / und zum öffteren mit halbgebrochner Stimm wehemüthig O Hund Hund gesprochen habe / zu nicht geringem Schröcken der Anwesenden / die gar wohl wußten /wie unmäßig sie zu Lebszeiten die Hund geliebt habe.

Es ist der Brauch / oder vilmehr ein grosser Mißbrauch bey der hochmüthigen Welt / daß man die arme Leuth offt pflegt nur Bettel-Hund zu nennen: Nun aber wäre höchstens zu wünschen / daß alle Cavalier und Damesen an statt der so thorrechten Lieb und unmäßigen Kösten / die sie zum öffteren auf ihre so häuffig- und überflüßige Jagd-Hund und Schoos-Hündlein wenden / darfür die Bettel-Hund (wann sie doch so heissen müssen) die arme Bettler / absonderlich die arme Unterthanen / lieben / favoriren / speisen und träncken thäten /das wäre Christlich / das wäre vernünfftig / das wäre generos und recht [371] Cavalierisch / das ist / edel und Ritter-mäßig: dann wahrhafftig weder mit ihren Spuhr- noch Schweiß-Hunden / weder mit Windspihlen noch Englischen Docken etc. werden sie die Seeligkeit erjagen: wohl aber vermittelst der Bettel-Hunden / der armen Bettler / wann sie selbe wohl halten / sich ihnen günstig und freygebig erweisen / sich erinnerend / daß Christus im Evangelio gesagt hat: Es ist nicht gut / daß man den Kinderen das Brod nemme / und werffe es für die Hund. 89 Kinder GOttes aber seynd die Bettler so wohl / als die Reiche und Edelleuth / ja offt GOtt liebere Kinder. Dieses hat gar wohl erkennet und bedencket der gottseelige Hertzog in Savoyen / Amadæus mit Nahmen; dann als ihn einstens ein anderer Fürst besuchte / und fragte: ob er auch ein Liebhaber des Waidwesens seye / ob er auch gute Jagd-Hund habe /er möchte dieselbe wohl sehen. Ja / sagte Amadæus, er habe deren zimmlich vil / und wolle ihm selbe gleich nach der Tafel weisen. Er führte alsdann seinen Fürstlichen Gast in den Vorhoff seiner Residentz /und zeigte ihm da 200. Bettler beysammen / die er täglich zu speisen und zu erhalten pflegte / dieses /sagte der fromme Fürst / seynd zugleich meine Jäger und Jagd-Hund / mit welchen ich den Himmel zu erjagen hoffe. In vita. O wie wenig hat Amadæus Nachfolger unter den Fürsten und Herren bey jetziger Zeit!

Was aber die Wachtbarkeit der Hunden anbelangt /so ist selbe sehr groß / mit welcher sie offt gar gute Dienst thun / indem sie nicht nur das Hauß / und die Schaaf auf der Waid hüten / sondern auch in dem Krieg wider den Feind dienen; massen sie von unterschiedlichen Völckeren seynd gebraucht und abgerichtet worden / daß sie mit grossem Grimmen in die feindliche Trouppen gesetzt und selbige angegriffen haben. 90 Als von den Römeren / auch von den Frantzosen / wie Strabo bezeuget / seynd Britannische Hund beschickt / und im Krieg wider ihre Feind gebraucht worden: Deßgleichen von den Spanieren in den Peruanischen Insulen etc. Ja erst im letzt-verwichenen Sæculo, soll der commandirende Graff und General Esseccius in seinem Kriegsheer etlich hundert grosse Englische Hund gehabt haben / als er aus Befehl der Königin Elisabeth wider die rebellische Hyberner angezogen ist / mit welchen er die Feind in Wälder und Höhlen aufgesucht und verfolget hat. Auch noch jetziger Zeit werden in der Gegend von Dalmatien und Croatien wider die Streiffereyen der Türcken Wacht-Hund gehalten: und also geben auch die Hund Soldaten ab. 91

Plinius schreibt / daß ein Garamanter König in einer Schlacht von dem Feind gefangen und fortgeführt wurde / da seyen ihm 200. seiner Hunden nachgefolgt / die haben ihn wiederum erlöset / und zuruck in sein Land gebracht. Auch wird für gewiß erzehlt /daß noch zu jetziger Zeit ein gewisser Africanischer König 200. Hund für seine Leibwacht halte.

Den Fleiß und die Wachtsamkeit mögen die Prediger und Seelsorger füglich von den Hunden ersehen: dann sie sollen Sorg tragen und wachtbar seyn / als wie die gute Hund über die ihnen anvertraute Heerd und Häuser / die Wölff und Nacht-Dieb / das ist / den höllischen Feind und verführerische Gesellen sollen sie darvon abtreiben und abhalten. 92 Absonderlich wann die Leuth schlaffen / ist es nothwendig / daß die Hund wachen / und auch absonderlich / wann die Menschen in dem Sünden-Schlaff vertiefft seynd /oder in der Trägheit oder Hinläßigkeit schlummeren /da ist es nothwendig / daß die Prediger und geistliche Obere wachtbar und fleißig seyen mit dem Gebett /und mit der Lehr über sie Sorg tragen / sie beschützen / von dem Schlaff aufwecken / und verhüten / daß nicht ferners der böse Feind das Unkraut unter den Waitzen säe / das ist / die / so noch gerecht seynd /auch verführe / zu diesen hat der Apostel gesprochen:Tu vigila, in omnibus labora: 93 Sie sollen wachtbar seyn / und [372] arbeiten für das Heyl ihrer anvertrauten Schäflein.

In Norwegen seynd grosse und starcke Hund bestellt und abgericht / die Tag und Nacht Ley den Waaren der Kauffleuthen unter dem freyen Himmel ligen und selbe hüten. Sie seynd also gewohnt / daß /wann ein Frembder kommt / und die Waaren nur zu beschauen verlangt / da lassen sie es geschehen / absonderlich bey dem Tag / wann aber jemand etwas wegrauben wolte / da setzen sie sich darwider / und greiffen ihn an. Die geistliche Waaren der Glaubigen seynd Christliche Tugenden / Verdienst und gute Sitten / diese müssen nothwendig von denen Seelsorgeren und geistlichen Oberen beschützt und bewahret werden / damit sie die höllische Rauber und Seelen-Feind nicht weg stehlen. Aber wann der Hauß- oder Wacht-Hund zu Nacht bellen thut / da soll der Haußherr dencken / es geschehe nicht umsonst / es müsse ein Dieb oder sonst ein Gefahr vorhanden seyn: mithin soll er ihm die Ruhe nicht lassen zu lieb seyn /den Schlaff ausschlagen / eilends zu seiner Sach sehen / oder auch / wann es vonnöthen ist / zum Gewehr greiffen. Eben also / wann der sittliche Wacht- oder Hauß-Hund / das ist / der Prediger oder Seelsorger zu bellen / ich will sagen / wider die Sünd und Laster zu predigen / zu straffen / zu drohen anfangt / oder zuzusprechen / zur Buß / Tugend und Besserung zu ermahnen / da sollen die Untergebne glauben und gedencken / daß es grosse Zeit seye / die Ruhe / die Trägheit zu verlassen / eilends von dem Sünden- Schlaff aufzustehen / ihr Seelen-Heyl in Obacht zu nemmen / die geistliche Waffen ergreiffen / und sich zur Gegenwehr stellen. Die Prediger aber sollen sich hüten / daß sie nicht seyen canes muti, non valentes latrare, stumme Hund / wie der Prophet redet / die nicht bellen mögen / das ist / die aus Zaghafftigkeit oder menschlichem Respect die Wahrheit nicht reden / oder die Laster nicht straffen mögen.

Es gibt noch ein besondere Art der Britannischen Hunden / so man Englische Blut-Hund nennet / sie sollen nicht gar groß seyn / aber diese Tugend und Eigenschafft haben / daß / wann ihrem Herrn etwas gestohlen wird / da gehen sie alsobald auf das Gespuhr loß / verfolgen den Dieb über Wasser und Land / mit Lauffen und Schwimmen lassen sie nicht nach / biß daß sie den Dieb eingehohlet / gestellt und genöthiget haben / das gestohlne Gut wiederum herzugeben. Eben also sollen auch die eyferige Seelsorger beschaffen seyn / wann sie vermercken / daß der höllische Rauber ihrem Herrn / das ist / Christo durch ein schwere Sünd eine Seel geraubt oder entführt haben /da sollen sie mit Bitten und Betten nicht nachlassen /mit Straffen und Ermahnen anhalten / biß daß sie dem höllischen Feind die entführte Seel wieder abjagen /und selbe Christo zuruck bringen etc.

Ubrigens / obwohlen die Hund vil Gutes und löbliche Eigenschafften an ihnen haben / so seynd sie doch von Natur sehr neidig und häßig gegen einander: Es heißt da:


Dum canis os rodit, socium quem diligit, odit.
Niemahl zwey Hund bey einem Bein /
Können wohl zufrieden seyn.

Sie mißgonnen einander das Essen und andere Kommlichkeiten / sie können es nicht leiden / wann einer mehr bey seinem Herrn gilt / und mehr bekommt als der andere / sie fressen auch / wie oben gemeldt /offt mehr hinein / als sie mögen und ertragen können /was der eine bekommt / das meint der andere / es gehe ihm ab / wann er es schon nicht vonnöthen hat. 94 Eben also machen es auch die neidig- und häßige Menschen: sie sehen des anderen Glück und Wohlfahrt nicht anderst / als mit scheelen Augen und bitterem Hertzen an: es ist ihnen nur darum übel / weilen anderen wohl ist / was einem anderen zugelegt wird /das meynen sie / werde ihnen entzogen / [373] und des Nächsten Ehr oder Erhöhung seye ihr Schimpff und Unterdruckung. Eben deßwegen verlangen sie auch jene Güter zu haben / welche ihnen weder nothwendig noch anständig seynd / nur damit selbe kein anderer bekomme.

Es ist aber der Neid eigentlich / wie Augustinus und andere lehren: Dolor ex aliena felicitate conceptus: Ein Leid oder Schmertzen wegen des anderen Wohlfahrt. 95 Von den Poeten aber wird der Neid sinnreich abgebildet in der Gestalt eines häßlichen /alten / gantz bleich- und mageren Weibs mit Schlangen umgeben: in Gestalt eines Weibs zwar / weilen dieses Laster ein Anzeigen ist eines schwach- und weichen / gar nicht aber eines mannlichen starcken Gemüths: eines bleich- und mageren Weibs / weilen der Neid dem Menschen das Hertz abnaget / keine Ruhe lasset / und ihn / als wie der Rost das Eisen verzehrt: eines alten Weibs aber / weilen der Neid eines aus den ältisten Lasteren ist / dann schon der Cain bald nach Erschaffung der Welt / hat den Abel aus Neid todt geschlagen: ja die höllische Schlang hat in dem Paradeiß den Adam und Evam aus Neid betrogen und verführt: Invidiâ diaboli mors intravit in orbem terrarum: 96 Endlich mit Schlangen umgeben / weilen / gleichwie die Schlangen (aufs wenigist eine gewisse Art derselben) nicht anderst auf die Welt kommen /ehe sie zuvor ihrer eignen Mutter den Bauch aufgebissen / und sie getödtet haben / also der Neid und Haß schadet zum allerersten / ja auch zum allermeisten dem jenigen / der ihn im Hertzen traget / und hernach thut er sich erst ausgiessen / auch anderen zu schaden.

Deßwegen gar füglich ein gewisser Symbolist in seiner Idæa hominis Christiano-Politici den Neid durch einen Hund / der auf einen starck-gestachleten Igel beisset / entworffen hat / mit beygefügter Sinnschrifft: Lædendo læditur ipse: Der da verletzt / wird selbst verletzt. Weilen nemlich der Hund dem Igel keinen Biß zubringen kan / ohne daß er zuvor sein eignes Maul wacker versteche. Also gewiß ist es:


Invidus invidiâ læditur ipse suâ.
Der Neidig nur ihm selber schadt /
Und doch von frembdem Gut nichts hat.

Gleichwie hingegen / der dem Nächsten die von GOTT ihm ertheilte Gaben und Gnaden gönnet / und sich darab erfreuet / der macht sich frembder Glückseeligkeit theilhafftig.

Aber gleichwie der Neid das ältiste Laster auf der Welt ist / also ist er auch das allergemeiniste: Er ist ein schier allgemeine Pest / mit der fast jederman angesteckt ist / alle Ständ und Alter seynd mit dieser Kranckheit behafft: zu allen Zeiten / und bey allen Leuthen / an allen Orten / und bey allen Porten klopfft er an / und wird schier überall eingelassen. Auch in dem Apostolischen Collegio ist ein Streit entstanden:quis eorum major esset, 97 welcher unter ihnen der Gröste wäre.

Der Neid ist gleich einer Nachteul / so das Sonnen- Liecht hasset / er kan den Glantz des frembden Lobs /der frembden Tugend und Wohlfahrt nicht gedulten /und gleichwie das Unkraut den Waitzen erstecket /damit er nicht höher aufwachse / als es ist / also sucht der Neid den Wachsthum oder Aufnahm frembder Wohlfahrt zu hemmen und zu unterdrucken.

Der König Saul ware dem David so neidig / daß er ihn suchte ums Leben zu bringen / nur dessentwegen /weilen das Israelitische Frauen-Volck diesem siegreichen Uberwinder frohlockend hat zugeruffen: Percussit Saul mille, David autem decem millia: 98 Saul hat tausend / David aber zehen tausend erschlagen. Dieser Lobspruch hat in den Ohren des Sauls so übel gelautet / daß es ihm ist unerträglich gewesen. Der Neid hat den Daniel in die Löwen-Grub / den unschuldigen Joseph in die Gefangenschafft / und vil tausend andere um Haab und Gut / um die Ehr und um [374] das Leben gebracht. Der Neid ist fera pessima, jenes böse grimmige Thier / welches schon unzahlbar vil nicht nur gebissen / sondern zerrissen und gäntzlich verzehret hat.

Soliman, ein Türckischer Kayser / hat Mustapham seinen ältisten Sohn / als er nach überwundenen Persianeren sigreich ist zuruck gekehret / und von den Byzantineren mit einem herrlichen Triumph empfangen worden / in seinem Zimmer erwürgen lassen / nur weil er ihm die Ehr des Triumphs mißgunte / wie er dann auch seinen Cörper den Soldaten hat vorgeworffen / und gesprochen: Unus in terris Deus, & unus Solymannus. Er wolte sagen: Gleichwie man nur einen GOtt / also man auch nur einen Solyman, nemlich ihn alleinig verehren soll.

Unbeschreiblich groß und vilfältig ist der Schaden /welchen der Neid verursachet / so wohl in gemeinem als Privat-Weesen / in sittlichen und politischen Sachen: so wohl das Tugend-Gebäu der Christlichen Vollkommenheit / als den Staat einer guten Policey thut er untergraben und über einen Hauffen werffen. 99 Unter Fürnehmen und Gemeinen stifftet er vil Unglück an / unter Frembden und Einheimischen /unter Brüder und Schwesteren / Edlen und Unedlen /Geistlichen und Weltlichen / Gelehrt- und Ungelehrten.

Aus lauter Neid seynd (wie ich im Theatro vitæ humanæ tit. Invidia lise) vil Bücher Greg. M. von seinen Mißgönneren verbrennt worden / weilen sie ihm die Ehr bey der Nachwelt mißgunnt haben. Absonderlich thut der Neid als wie die Storcken gern an hohen Orten / ich will sagen / bey grossen Höfen / ja gar unter den Königlichen Cronen einnisten.

Ein scheinbares / aber ärgerliches Exempel dessen hat die Welt an dem Kayser Hadriano, dieser kunte den hinterlassenen Ruhm seines Vorfahrers / des Kaysers Trajani so gar nicht erdulten / daß er auf alle Weiß trachtete denselben gäntzlich auszutilgen. Weilen dann Trajanus der vorige Kayser durch seinen Fleiß und Tapfferkeit gantze Landschafften eroberet /und zum Römischen Reich gebracht hatte / nemlichArmeniam, Assyriam und Mesopotamiam etc. So hatAdrianus aus lauter Neid und Haß diese zum Reich erworbne / und ihm zugehörige Landschafften selbsten wiederum vergeben / nur daß man nicht mehr kunte oder solte sagen / er habe eine Landschafft unter ihm / welche Trajanus durch seine Tapfferkeit erworben hat. Ja der verfluchte Neid hat diesen thorrechten Regenten also eingenommen / daß er so gar auch ein ansehnlich- und herrliche Bruck / welche sein Vorfahrer aus lauter gehauenen Steinen über die Donau mit grossen Kösten hat bauen lassen / befohlen hat zu zerstöhren und niderzureissen: Es seynd noch heutiges Tags unter Belgrad einige Zeichen / wie man sagt / darvon zu sehen.

Wann nun der Neid bey dem Haupt / bey dem Regenten selbst so vil vermag / wie wird er nicht unter den Gliederen / unter den Hofleuthen grassiren? Ja /da ist er gar gemein und starck. Nichts gewöhnlichers ist bey Hof / als daß ein Minister oder Beambter aus Neid den anderen aus dem Sattel hebe / durch Verläumdung oder falsche Inzüchten verschwärtze und hintertreibe. Wann ein einträgliche Charge, Beamtung oder Ehren-Stell vacirend ist / und der regierende Herr eine Promotion vornehmen will / oder würcklich ein taugliches Subjectum darzu erkisen hat / da blaset alsobald der Neid das Horn / er rührt die Trummel /und bringt alle Æmulos, Competenten und Mißgönner in den Harnisch / sie bemühen sich auf alle Weiß /sie sinnen Tag und Nacht / wie sie die Sach hintertreiben / den Principal auf andere Gedancken bringen /und das Wasser auf ihre eigne Mühle richten mögen: dieses gibt ihnen gar vil zu schaffen und zu sorgen. Da heißt es eigentlich / wie der Poet singt:


[375]
Curia dat curas, ergo si vivere curas
Et benè securè, non sit tibi curia curæ.
Bey Hof ist alles Sorgen voll /
Wann man nach Ehr thut trachten.
Darum wann du wilst leben wohl /
Des Hofs Ehr thu verachten.

Sehr vil / wie bißhero gemeldet worden / schadet der Neid in dem sittlich- oder geistlichen Weesen /auch vil in dem politischen Weesen und guter Staats-Ordnung / aber gewißlich nicht weniger in dem Kriegs-Weesen / in den Kriegs-Räthen und Feldschlachten. O da ist es gar gefährlich / ja höchst schädlich / wann der Neid und Eyfersucht unter den commandirenden Herren Officieren regieret / wann selbe nicht zusammen sehen / einer dem anderen die Ehr nicht gunnet / desselben guten Rath oder Vorschlag nicht secundirt / das vorhabende Dessein nicht getreulich ausführen hilfft / oder gar in würcklichem Treffen / bey andringender Noth und Gefahr nicht in Zeiten dem anderen succurrirt und ihn secundirt /sondern zum grösten Schaden und Nachtheil seines hohen Principals stecken lasse etc. welches alsdann Land und Leuth büssen und entgelten müssen: Dieses und vil mehr anders seynd lauter schlimme Folgereyen des verfluchten Neids.

Was der Neid im Krieg vermöge / hat unter tausend anderen nur gar zu wohl erfahren der weltberühmte Held und Feld-Obriste Bellisarius, welcher / nachdem er durch seine Klug- und Tapfferkeit so vil Land und Leuth bezwungen und eroberet hat / auch deßwegen in höchsten Glücks- und Ehren-Stand gesetzt worden / mit einem Wort / nachdem er auch die mächtigiste Feind überwunden / da hat er doch den Neid nicht überwinden können / sondern ist von demselben überwunden und gestürtzt worden: Seine Mißgönner haben nicht nachgelassen / biß daß sie dem Kayser das Hertz von dem Bellisario also abgewendet / ja also wider ihn verbitteret haben / daß er ihn aller Ehren und Güter beraubt / an den Bettelstab gebracht / und beyde Augen hat ausstechen lassen / damit er ja sein Unglück mit blutigen Zähren beweinen möchte.

Was endlich die Burger und Bauren anbetrifft / die Kauff- und Handels-Leuth / ja auch die Arme und Bettel-Leuth / so ist es abermahl von täglicher Erfahrung mehr als genug bekannt / wie daß der Neid unter ihnen so starck grassire / wie einer des anderen Glück und Aufnahm mit so scheelen Augen ansiehet / und zu hintertreiben suchet: ja selbst gern ein Aug gibet /wann nur der andere gar blind ist / ich will sagen /gern einen einfachen Schaden erdultet / wann nur der andere einen doppleten leidet. Aus welchem allem gar klar erscheinet / wie so billich der H. Cyprianus gesprochen hat: Der Neid seye ein Wurtzel aller Ubel / ein Brunnquell der Todtschlägen und Ungerechtigkeit / und eine Versammlung der Laster. 100 Hingegen sagt Augustinus in Joan. Tolle invidiam, & tuum est, quod habeo, tollam invidiam, & meum est, quod habes. Lege ab den Neid / so ist dein / was ich habe / und wann ich ablege den Neid / so ist mein / was du hast.

Der 8. Absatz
Der 8. Absatz.
Von der Katzen.

Die Katz ist ein gemeines Hauß-Thier (ich rede da nicht von den wilden Katzen / die sich in den Wälderen aufhalten) dero Dienst und Verrichtung bestehet eigentlich in dem Mäuß- und Ratzen-fangen / welche sonst vil Getraid fressen und vertragen / die Kleider und Bücher etc. zernagen wurden. 101 Sie haben auch deßwegen ein scharpffes Gesicht / und sehen wohl bey der Nacht / ein grosses Maul / ein lange weiche Zungen / spitzige Zähn und Klauen / einen stillen Gang und behenden Sprung. Die Katz ist von Natur gar säuberlich / und thut sich zum öffteren durch das Lecken mit der Zungen butzen / [376] doch scheuet und hasset sie das Wasser und üblen Geschmack / liebet hingegen die Wärme und wohlriechende Ding. Sie schmeichlet dem Menschen sehr / und sucht sich zuzumachen / doch ist sie heimlich falsch / und wann man ihr zu vil trauet / thut sie unvermerckt Schaden /und ist auch dem Stehlen ergeben / absonderlich wann sie alt ist. Die Katzen lieben ihre Junge sehr / und seynd geflissen für dero Sicherheit: wann sie jung / da seynd sie gespäßig / und schertzen gern. Sie lieben sehr die alte Herberg / die sie gewohnt haben / diese suchen und erkennen sie wiederum / auch wann sie schon zimmlich weit seynd vertragen worden. Die Gestalt / Farb und Grösse der Katzen ist genugsam bekannt: sie werden blind gebohren / und bleiben 8. Tag blind. Sie leben ins gemein nicht vil über etlich Jahr lang / weil sie geil und gefräßig seynd.

Es gibt nicht wenig Menschen / welche von Natur die Katzen nicht leiden können / also / daß ihnen gantz übel wird / wann eine Katz nah bey ihnen ist /wann sie schon nichts von ihr sehen oder wissen /welches kein leere Einbildung ist / sondern es kommt solches her von einer heimlichen Antipathi oder natürlichen Widerwärtigkeit / so zwey Ding gegen einander haben / die gantz ungleich constituirt oder beschaffen seynd.

Ein bewährter Scribent stellt die Frag an / warum die Hund und Katzen erschaffen seyen? 102 Die allgemeine Antwort ist: ad decorem universi, das ist / zu der Zierd der Welt / welche Zierd eben in dem bestehet / daß es so vil unterschiedliche Creaturen darinnen gibt. Ferners aber und insonderheit ist der Hund verordnet / dem Menschen seinem Herrn bey Tag und Nacht aufzuwarten / zu Hauß und daraussen / wo er geht und steht / ihne zu begleiten / und als ein getreue Leibwacht zu beschützen. Die Katz aber solle des Haußherrn gleichsam Kämmerling seyn / fleißig daheim bleiben / und in allen Zimmeren des gantzen Hauß fleißige Obsicht haben / damit die einheimische Dieb / die Mäuß und Ratzen nicht einnisten / und keinen Schaden thun / nichts zerbeissen und zernagen /und wann sie eine antrifft / solle sie selbe gefangen nemmen.

Es verrichten auch beyde ihre Dienst aus Antrieb der Natur gar fleißig / der Hund macht seinem Herrn zu Gefallen tausend krumme Sprüng: er laufft den Weeg dopplet oder dreyfach: Das Katzel macht sich bey ihm zu / und in der Nacht visitirt sie alles aus /von dem Keller an biß unter das Dach hinauf.

Es kan deßwegen nicht unfüglich der Mann und das Weib im Hauß zum Theil mit dem Hund und der Katzen verglichen werden. 103 Ich sage nur zum Theil / damit ich bey dem löblichen Frauenzimmer keinen Verschmach aufhebe / dann gleichwie der Hund vilfältig auslaufft / in Wälder und Felder / und sich bemühet etwas in die Kuchel zu bringen / nicht so vil für sich selbsten / sondern vilmehr für das gantze Hauß: hingegen die Katz bleibt zu Hauß / sie visitirt zum öffteren alles aus / sie laßt sich nicht weit hinweg / und liebt die Säuberlichkeit. Also solle der Mann zwar denen Geschäfften nachgehen / die Feld-Arbeit verrichten / und suchen das tägliche Brod zu gewinnen / und die Nothdurfft in das Hauß zu verschaffen: Das Weib hingegen soll nicht vil auslauffen / sondern gern zu Hauß bleiben / die Kuchel / die Speiß-Ge wölb und Keller öffters visitiren / nichts lassen zu Grund gehen oder verderben / den Haußrath sauber halten etc. auf solche Weiß wird die Haußwirthschafft wohl geführt / wann Weib und Mann zusammen helffen / und ein jedes das Seinige thut.

Aber es hat die Katz auch gewisse Untugenden an ihr / von denen sich ein Hauß-Mutter wohl hüten soll. Die Katz fangt und strafft zwar die kleine Dieb / die Mäuß und Ratzen / sie stihlt aber selbsten vil mehr als sie: Also gibt es auch böse und liederliche Weiber / wann sie ein Kind oder armen Ehhalten erdappen /daß sie nur etwas weniges entzogen haben / da straffen sie selbe hart / inzwischen thun [377] sie selber vil mehr veruntreuen / heimlich dem Mann entziehen / und überflüßig verzehren. Das seynd keine gute Hauß-Katzen / die also mausen / und gar zu gern Wein trincken etc. Die Katz soll man nicht zum Schmeer setzen / ist ein gemeines Sprüchwort bey den Teutschen: man solle sie auch nicht zur Vogel-Warterin oder Fisch-Hüterin bestellen / dann das wäre gar übel gethan. Aber eben so wenig tauget ein versoffnes und schleckerhafftes Weib zur Keller- oder Kuchelmeisterin etc.

Die Katzen schmeichlen zwar / so lang man ihnen schön thut und auch schmeichlet: aber so bald man sie beleidiget / oder ihnen wehe thut / da ist im Augenblick alle Freundschafft aufgehebt / sie vergessen aller Gutthaten / und versetzen einem geschwind einen Biß oder Krätzen: es seynd auch ihre Biß und ihr Krätzen gleichsam vergifft / und heilen ungern: ja auch ihr Athem und ihre Haar seynd ungesund und schädlich / wann man gähling eines hinein schlucket. 104 Deßwegen solle man den Katzen niemahl zu vil trauen: absonderlich aber zur Zeit einer grassirenden Pest selbe fleißig fliehen und meiden (deßgleichen auch die Hund und Tauben) die Ursach dessen ist / weil diese Thier überall hinkommen / in die von der Sucht angesteckte Häuser / und also gar leicht etwas vergifftes in ihren Haaren hangen bleibt / welches sie mit sich nacher Hauß bringen / und den Leuthen anhencken. Ja es ist auch einstens geschehen /daß zur Zeit der Pest jemand von einer Fliegen (die vorher auf einem mit der Pest behaffteten Cörper gesessen) ist vergifftet und angestecket worden.

Auch die falsche böse Weiber schmeichlen ihren Männeren / so lang sei ihnen gute Wort geben / und thun was sie wollen: aber wann sie selbe erzürnen /da pfutzgen sie als wie die Katzen / das ist / sie geben die schlimmste Stich- und Biß-Reden aus / welche bitterlich schmertzen.

Wann die Katz eine Mauß gefangen / und würcklich in ihren Klauen hat / da spihlt und schertzt sie ein Zeitlang gar kurtzweilig mit ihr / aber wie gut und aufrichtig sie es gemeint habe / das zeigt der leidige Ausgang / dann gählingen versetzt sie ihr einen tödlichen Biß / und frißt sie mit Haut und Haar. Fast eben also ein leichtfertig- und verführerisches Weibsbild /wann sie einen ehrlichen jungen Gesellen mit ihrem betrüglichen falschen Liebkosen gefangen / und gleichsam in ihr Garn gebracht hat / da spihlt und schertzt sie ein Zeitlang mit ihm / aber gähling / wann sie ihren Vortheil ersihet / da gibt sie ihm einen tödtlichen Stich / und bringt ihne zum Fall etc.

Sonsten können auch füglich mit denen natürlichen Katzen wegen ihres Schmeichlens und ihrer Falschheit die politische Hof-Katzen und falsche Schmeichler verglichen werden. 105 Solche Schmeichler aber seynd die jenige / welche anderen zu Gefallen nur immerdar reden / was man gern hört / wann es schon nicht wahr ist / und thun was man gern sieht / wann es schon nicht recht ist / die Gunst und Huld grosser Herren dardurch zu erwerben / und einen Gewinn zu machen. Wann die Schmeichlereyen nur auf den eignen Nutzen allein abzihleten / und sich mit dem vergnügten / daß sie einem armen Schlucker etwas eintrugen / da wäre es noch zu erdulten: aber wann sie zu grossem Schaden und Nachtheil des Nächsten gereichen / da ist es so unerträglich als unverantwortlich.

Ein solcher schädlicher Schmeichler und politische Hof-Katz ist gewesen jener Gewissen-lose Finanz-Rath zu Paris / als er einstens seinen König und Herrn wegen Mangel des Gelds etwas contristirt oder unmuthig sahe / da erbotte er sich einen guten Rath zu geben: Die Bauren / sagte er / seynd Lauren / man muß sie scheeren als wie die Katzen in Calabrien /man muß sie stutzen als wie die Felben-Bäum / man muß sie beschneiden als wie die Weinstöck / man muß sie rupfen als wie die Gänß. 106 Ihro Majestät thun eins / Sie machen eine Auflag / und schlagen einen gewissen [378] Tax, ein Extra-Mauth auf alle und jede Victualien oder Eß-Waaren / so die Unterthanen in die Stadt zu verkauffen bringen / da werden Sie bald sehen / wie die Königliche Rent-Kammer sich vermehren wird. Dictum factum, es ist geschehen (ja es geschicht noch vil öffters / ich erzehle nichts neues) obwohl nicht ohne Klagen und Fluchen der bedrangten Unterthanen: es hat auch ein Nahmhafftes eingetragen. Aber es hat bald darauf geheissen: Consilium malum consultori pessimum: Der verfluchte Rath hat dem Schmeichler / dem Rathgeber so bang gemacht /daß er in seinem Todt-Beth verzweifflet ist / und selber ernstlich verbotten hat / seinen Leib an einem geweyhten Ort zu vergraben. Beyerl. Tom. 1. Diese schmeichlende Hof-Katz hat zwar ihrem König dasPlacebo gesungen / welches aber in den Ohren GOttes sehr übel gelautet hat / und ist in dem La mi erbärmlich ausgegangen.

Ein Schmeichler kommt mir für als wie der Echo oder Widerhall / er schlaget allzeit in den Thon ein /in dem man ihm vorgesungen hat / es mag so falsch gehen als es will. 107 Wann ein Fürst oder regierender Herr sagt: Ich muß einmahl Geld haben / ich kan sonst meinen Staat nicht führen: da sagt der Schmeichler gleich: Sie seynd ja Herr und Meister /Sie haben ja die Unterthanen darum / daß sie mit ihnen befehlen etc. Wann der Fürst und Herr sagt: Ich muß meine Recreation haben / ich muß da oder dort jagen / ich werde die Bauren nicht um Erlaubnuß fragen / ob ich in ihren Aeckeren und Wiesen darff durchtreiben lassen. Da ist der Echo gleich wieder da / und sagt: das Jus venandi auf Teutsch (das Jagd-Recht / damit es auch die Bauren verstehen / sie verstehen oder empfinden es zwar nur gar zu wohl) dasJus venandi gehört Ihnen ja in der gantzen Herrschafft undisputirlich / des kan niemand was darwider haben. Wann der Fürst oder Herr sagt: Die Clöster und Pfaffen seynd jetziger Zeit vil zu reich / die weltliche Herrschafften können so nicht mehr bestehen: da sagt die schmeichlende Hof-Katz: Ja / es ist wahr / die Clöster und Pfaffen ziehen alles an sich / man solte es nicht leiden. Wann der Fürst oder Herr sagt: Die Prediger machen den Teufel auch gar zu schwartz / ich glaube nicht / daß es also seye. Da sagt der Schmeichler / der Echo: Ey der Himmel ist ja nicht für die Gänß gebaut. Wann der Fürst oder Herr sagt: Ich kan nicht fasten / ich habe nicht Zeit zu betten etc. da sagt der Schmeichler: Sie seynd es nicht schuldig / Sie müssen ihrer Gesundheit pflegen / und sich conserviren / man hat die Pfaffen darum / das ist für sie angesehen etc.

Aber wie gehet es / wann ein solcher Fürst oder Herr in dem Todt-Beth mit halb-gebrochner Stimm sagt: O weh! hätte ich nur die Unterthanen nicht so hart gepresset / keinen so grossen und übermäßigen Pracht geführt / die geistliche Güter nicht angegriffen! etc. da lasset sich kein Echo mehr hören / der auf den vorigen Thon einschlaget: Nein / die politische Hof-Katz schleichet darvon / als wann sie nie gestohlen hätte: der falsche Schmeichler / der Minister oder Beambte schupfft die Achsel / und sagt: es geht mich nichts an (aber zuvor hat es ihn gar vil angegangen) ich hab mir nichts zu sagen oder zu widersprechen getraut / ich hätte eingebüsset / wäre in Ungnad oder um den Dienst kommen etc. Also / sage ich / machen es die politische Hof-Katzen / die vornen lecken und hinten kratzen. Aber was sagt die H. Schrifft darzu? was haltet sie von ihnen? Sie sagt: Qui dicunt impio justus es, maledicent ei populi etc. 108 Wer zum Gottlosen sagt: du bist fromm oder recht daran /den verfluchen die Leuth / und hasset das Volck. Sie sagt: Meliora sunt vulnera diligentis, quàm fraudulenta oscula blandientis: Die Streich oder Wunden eines wahren Freunds seyen besser als ein falscher Kuß / das falsche Lob des Schmeichlers. Sie sagt:Melius est à sapiente corripi, quàm stultorum adulationibus decipi: 109 Es ist besser / [379] daß man von den Weisen gescholten / als von der Narren Heuchlerey betrogen werde. Sie sagt: Laudatur peccator in desiderio animæ suæ, & iniquus benedicitur: 110 Der Sünder wird gelobt.

Ich hab gemeldet / daß vil Leuth von Natur die Katzen in der Nähe nicht leiden können: der Königliche Prophet David aber hat die politische Katzen / die schmeichlende Hof-Katzen nicht leiden können / er hat gesagt / sie thuen grossen Schaden / er möge sie an seinem Hof gar nicht haben: darum hat er gebetten / der Gerechte soll ihn straffen in Barmhertzigkeit:Oleum autem peccatoris non impinguet caput meum: Das Oel des Sünders aber soll mein Haupt nicht feißt machen. 111 Durch das Oel des Sünders aber / wie Berchorius und andere anmercken / seynd die süsse Wort des Schmeichlers zu verstehen / dann gleichwie das Oel gar gelind und glimpffig ist / und leicht eindringet / also auch die Schmeichlerey.

Auch die Heil. Vätter können dise politische Hof-Katzen / die Schmeichler gar nicht erdulten. Der H.Augustinus sagt: Adulantium linguæ ligant homines in peccatis etc. 112 Die Zungen der Schmeichlenden verknüpffen die Menschen in Sünden / dann man thut gar gern das jenige / wegen dem man verhofft gelobt zu werden. Wiederum: Malo à quolibet reprehendi, quàm ab adulante laudari: Ich will lieber von einem jeden gestrafft / als von dem Schmeichler gelobt werden etc. Adulatio fallax & crudelis est, 113 das Schmeichlen ist betrüglich und grausam. Der H. Hieronymus aber: Beata mens, quæ nec adulatur nec adulanti credit: 114 Glückseelig ist der Mensch / der weder einem anderen schmeichlet / noch ihme schmeichlen laßt. Wiederum: Nihil est, quod tam facilè corrumpat mentes hominum, quàm adulatio etc. 115 Nichts verderbt den Menschen mehr als das Schmeichlen: die Zung des Schmeichlers ist schädlicher als das Schwerdt des Verfolgers. Chrysostomus aber: virtutis inimicus est, 116 der Schmeichler ist ein Feind aller Tugend: dann wie Cassiodorus anmercket / so nennt er einem anderen zu Gefallen die Tugenden Laster / und die Laster Tugenden. Den Pracht und Hochmuth seines Herrn nennt er ein standmäßige und reputirliche Aufführung: das Schinden und Pressen der Unterthanen eine gute Domestication: den Betrug eine Klugheit: die Leichtfertigkeit eine Freundlichkeit: die Verschwendung eine Freygebigkeit: den Zorn und die Rach eine Hertzhafftigkeit: das verdammliche Duelliren eine Generosität: die Hartnäckigkeit eine Standhafftigkeit. Aber es stehet geschrieben: Væ vobis, qui dicitis bonum malum, & malum bonum etc. 117 Wehe euch / die ihr das Gute böß / und das Böse gut heisset / aus Liecht Finsternuß / und aus Finsternuß Liecht machet etc.

Ja auch die heydnische Weltweise haben die Schmeichler nicht leiden können: dann Democritus hat gesprochen: Rectè facta collaudare honestum est, mala verò adulterini animi & impostoris: Was recht und gut ist / loben / ist billich: aber das Böse gut heissen / ist ein Betrug und Falschheit. Seneca aber schreibet: Das Schmeichlen wird mit offnen und günstigen Ohren angehört / es dringet ein biß zum Innersten des Hertzens / und also schleicht ein an statt eines Freunds ein annehmlicher Feind. Endlichen sagt Plutarchus, die Schmeichler seyen ärger als die Raaben / dann diese bicken nur den Todten die Augen aus / jene aber verblenden die Lebendige.

Der Kayser Fridericus hat einstens seine Hofherren und Räth zu sich beruffen / selbige aber / ehe daß sie in den Pallast eingetretten / auf folgende Weiß angeredet: Wolte GOtt! daß ihr zuvor 2. Stuck ablegen thätet / nemlich simulationem & dissimulationem, das Schmeichlen und die Gleißnerey / alsdann wurdet ihr mir wohl rathen / und ich recht urtheilen. Der König Sigismundus aber / als ihn einer seiner Hofherren über die massen [380] gelobt und lang geschmeichlet hatte / vermeinend / er wolte ihm das Placebo Domino nur fein recht singen / da gab ihm der König ein gute Maultaschen / sprechend: cur me mordes adulator? warum beissest du mich also Schmeichler. Ich glaube zwar nicht / daß dieser König ein Musicant gewesen seye / doch hat er meines Erachtens den Tact zu diesem Gesang gar wohl gegeben. Alphonsus endlich / der König der Arragonier / hat nichts mehrs als die Gleißner und Schmeichler gehasset / er hat sie gar recht eine Pest der Fürsten genennt: dann sie thun den grösten Schaden / sie bringen zu Zeiten die regierende Herren um Land und Leuth / dessen eine Prob zu weisen / darff man nicht zu dem König Roboam ins alte Testament zuruck gehen / man kans bey Manns-Gedencken im Teutschland haben etc.

Ein Wunder-Ding / all die obgemeldte haben die politische Hof-Katzen oder Schmeichler / wie billich /so gar nicht leiden können / hingegen vil Fürsten und Herren jetziger Zeit können sie nur gar zu wohl leiden / sie wollen selbe immerdar zu nächst bey ihnen haben / bey der Tafel / oder hinter dem Sessel / auf dem Jagen und auf den Reisen / in dem Audienz-Zimmer und in der Rathstuben / da heißt es immerdar nur: Loquimini nobis placentia: 118 Sagt uns etwas Wohlgefälliges / .

Es gehet einem manchen bey Hof / als wie jenem Hund und der Katzen ergangen ist / die wider alle Gewohnheit Cameradschafft mit einander gemacht haben / und über Feld gereißt seynd. 119 Sie kamen in eine Herberg / wo eben die Affen versammlet waren / und einen Rath hielten. Der gröste und stärckiste Aff / so mit grosser Gravität præsidirte / befahle der Katz /sie solle alsobald sagen / wie er ihr gefalle und vorkomme. Die Katz gedenckete gleich / holla / ich muß den Mantel nach dem Wind hencken / und das Placebo singen / oder reden / was man gern hört / sonst möchte wohl mein Balg müssen die Haar lassen. Sie machte also ein tieffes Reverentz / und fienge an nach ihre Gewohnheit zu schmeichlen / sprechend: Gnädiger Herr / sie kommen mir nicht anderst vor / als wie ein großmüthiger Löw / und all die herum sitzende Herren Affen / als wie lauter junge Löwen: oder sie kommen mir vor / als wie ein König / der mit seinen Hofherren und Räthen umgeben ist. Ja sie seynd so schön (ey so lüg) als wie die Sonn mit hellglantzenden Strahlen umgeben. Nun / sagte der oberste Aff /das ist recht / das ist ein gescheide Katz: er liesse ihr ein gutes Trinckgeld geben. Hernach aber fragte er auch den Hund / wie er ihm gefalle und vorkomme? Der Hund war ein guter redlich- und einfältiger Tropff / er hat nicht mögen lügen und schmeichlen / als wie die Katz / sondern hat rund und glatt die Wahrheit herauß gesagt / sprechend: Du kommst mir halt vor als wie ein Aff / und die andere alle auch wie Affen /ich sihe nichts / das einem Löwen oder König gleich sehe. Hierauf haben sich die Affen erzürnt / seynd über den guten Hund hergewischt / und haben ihn verzaußt und zerraufft / also daß er kümmerlich mit dem Leben darvon kommen ist / und mit der Flucht sich salvirt hat. Als er der Gefahr entrunnen war / hat er von weitem noch einmahl umgeschaut / und nichts anders gesagt / als: So gehet es einem / wann er nicht schmeichlen kan / und die Wahrheit sagt: Also wahr ist der Spruch bey den Lateineren:


Veritas odium parit.

Die Wahrheit macht ein sehr verhaßt /
Drum ein mancher sie verlaßt:
Hingegen Schmeichlen bringt vil Gunst /
Das ist bey Hof die gröste Kunst.
[381]
Fußnoten

1 Das Cameel ist ein starckdaurhafft- und williges Thier.

2 Das Cameel ist ein Sinnbild des Gehorsams / und der Mühe und Arbeit.

3 Fürsichtigkeit des Cameels im Trincken ist zuimitiren.

4 Trincke was klar ist / und rede was wahr ist.

5 Mitleiden ist von dem Cameel zu erlernen.

6 1. Cor. c. 11.

7 Sittliches Fabel-Gedicht.

Mann soll nicht zu vil begehren.

8 Unterschiedlich-Nutzbar- und Fürtrefflichkeit der Pferdten.

9 Geschicklich- oder Gelirnigkeit der Pferdten.

10 Grosse Liebhaber der Pferdten.

11 Eigne Lieb ist schädlich.

12 Eigenschafften des Pferdts auf die menschliche Sitten gezogen.

13 Gute Christen seynd sittliche Pferdt GOttes.

14 Ep. ad Rom. c. 8. v. 35.

15 In Psal. 75.

16 Habacuc c. 3. v. 8. & 15.

17 Fromme Christen mit guten Pferdten verglichen.

18 Jacobi c. 3. v. 5.

19 Ep. 88.

20 Job. c. 11. v. 22.

21 Sittliches Fabel-Gedicht. Hoffart kommt vor dem Fall.

22 Der Esel seynd dreyerley.

23 Psal. 103. v. 11.

24 3. Reg. c. 1.

25 Der Esel ist ein verächtliches / doch gut- und nutzliches Thier.

26 Merckwürdige Geschichten haben sich mit den Eßlen zugetragen.

Num. c. 22. v. 28.

3. Reg. c. 13.

27 Jud. c. 15. v. 15.

28 Isaiæ c. 1. v. 3.

29 Matth. c. 21. v. 2.

30 Job. c. 5. v. 7.

31 ad Thess. c. 3. v. 10.

32 Der höchstschädliche Müßiggang wird gescholten.

33 Eccli. 13. v. 29.

34 Proverb. c. 28. v. 19.

35 In Isaiæ c. 1. v. 14.

Lib. de clem.

36 Wachen schaffts Brod / vil schlaffen bringt Noth. Geschicht.

37 Ein gehorsam- und gedultiger Mensch mit dem Esel verglichen.

38 Eccli. c. 33. v. 25.

39 Sittliches Fabel-Gedicht.

Ein jeder soll mit seinem Stand zufrieden seyn.

40 Luc. c. 16. v. 22.

41 Der Ochs war vor Zeiten ein berühmt- oder hochangesehenes Thier.

42 Varrø lib. 2. c. 25.

43 Lev. c. 17. v. 3.

44 Deutr. c. 25. v. 4.

45 Der Ochs ist dem Menschen gar dienstbar und nutzlich.

46 3. Reg. c. 31.

47 In wem der Mensch dem Ochsen nachfolgen soll.

48 Matth. c. 11. v. 30.

49 Prov. c. 4. v. 25.

50 1. Reg. c. 6.

51 Böse Weiber seynd gleich den Kühen.

52 Die Christliche Lehr wird durch die Milch angedeutet.

53 1. Cor. c. 3.

54 1. Petri 2. c.

55 Zeitliche Glückseeligkeit und Wollüsten werden durch die Milch verstanden.

56 Jud. c. 4.

57 Sittlich- und politische Milch eines jungen Printzen ist dessen Fürstliche Auferziehung.

58 Löbliche Eigenschafften und Beschaffenheit des Schaafs.

59 Isaiæ c. 1. v. 29.

60 Jerem. c. 11. v. 13.

61 Act. c. 8. v. 32.

62 Luc. c. 10. v. 3.

63 Ein frommer Christ mit dem Schäflein verglichen.

64 Joan. c. 10. v. 3. & 5.

65 Exodi c. 29. v. 38.

66 Die Ordens-Geistliche sollen gleich seynd den Lämmeren.

67 Das Lämmlein ist ein liebreich- und angenehmes Thier.

68 2. Reg. c. 12.

69 Sittliches Fabel-Gedicht.

70 Falschen Freunden soll man nicht trauen.

71 Gar zu grosse Sicherheit ist gefährlich.

72 Das Schwein ein unflätiges müßiges Thier.

73 Geschicht.

74 Sündige Menschen lieben wie die Schwein unreine Wollust.

75 Matth. c. 7. v. 6.

76 Ein reicher Geitzhalß mit dem Schwein verglichen.

77 Luc. c. 12. v. 20.

78 Eccli. c. 5. v. 14.

79 Unterschiedliche Art und Gattungen der Hunden.

80 Die Hund gehören nicht in die Kirchen.

81 Apoc. c. 22. v. 15.

82 Geschicht.

83 Treu und Danckbarkeit der Hunden.

84 Geschichten.

85 Procop. in Encæniali. Conc. 26. n. 5.

86 Chron. Magdeburg.

87 Gar zu groß- und närrische Hunds-Lieb wird gestrafft.

88 Geschichten.

89 Die Bettler seynd geistliche Jagd-Hund.

90 Wachtbar- und Streitbarkeit der Hunden.

91 Adam Weber in arte discurr. fol. 770.

92 Prediger und Seelsorger mit wachtbaren Hunden verglichen.

93 2. Timoth. c. 4.

94 Die Neidige seynd gleich den Hunden.

95 Des Neids üble Beschaffenheit und Würckung.

96 Sep. c. 2. v. 24.

97 Joan. c. 9. v. 33.

98 1. Reg. c. 18.

99 Vilfältig- und grosser Schaden des Neids.

100 Serm. de Zel. & liv.

101 Art und Beschaffenheit der Katzen.

102 Warum die Hund und Katzen erschaffen seyen.

103 Mann und Weib mit Hund und Katzen verglichen.

104 Den Katzen und bösen Weiberen ist nicht zu trauen.

105 Politische Hof-Katzen seynd die falsche Schmeichler.

106 Geschicht.

107 Der Schmeichler ist ein Echo.

108 Prov. c. 24. v. 24. c. 27. v. 6.

109 Eccli. c. 7. v. 6.

110 Psal. 140. v. 5.

111 Die Schmeichler seynd schädlich / und billich zu hassen.

112 S. Aug. super Psal. 59.

113 Lib. 9. de Trinit.

114 In op. ad demetria.

115 Idem super Psal.

116 In Quadrag. epist.

117 Isaiæ c. 5. v. 20.

118 Isaiæ c. 30. v. 10.

119 Sittliches Fabel-Gedicht.

Die Wahrheit macht verhaßt.

IV. Von den Meer-Fischen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von den Fischen insgemein.

Bey Erschaffung der Welt hat GOtt die Wasser versammlet / und die Versammlung der Wassern Meer genennt: Alsdann hat er auch die Fisch erschaffen /sie gesegnet und gesprochen: Seyd fruchtbar und mehret euch / und erfüllet das Wasser des Meers. 1

Gleichwie nun das Meer den grösten und fürnehmsten Theil an dem Element deß Wassers ausmachet /also seynd auch Zweifels ohne die mehriste und gröste Fisch in dem Meer befindlich / obwohlen zwar selbe mehrentheils in unsern Landen unbekannt seynd / und schwer ist etwas gründlich- und ausführliches darvon zu schreiben / so will ich doch von einigen derselben in den nachfolgenden Absätzen (zuvor aber von den Fischen insgemein) auch etwas weniges melden.

Die Substanz der Fischen kommt aus dem Wasser her / sie seynd ein wässerriges Wesen: Der Unterschid aber derselben kommt her von den unterschidlichen Wasseren / in welchen sie gezeugt werden / von der Nahrung / mit welcher sie gespeißt werden / und von der unterschiedlichen Grösse / Gestalt und Eigenschafften / welche so vielfältig und mancherley seynd / daß sie fast unzahlbare Species oder Gattungen der Fischen bestellen: doch haben alle mit dem Wasser /von dem sie herkommen / eine so genaue Verbündnuß / daß die mehriste derselben ausser dem Wasser gar nicht lang leben können / wie auch in H. Schrifft gemeldt wird. Computrescent pisces sine aqua, & in siti sua morientur. 2 Die Fisch werden für Mangel des Wassers faulen und für Durst sterben.

Es können aber in einem weitläufftigen Verstand durch die Fisch alle Geschöpff / die in dem Wasser ein empfindliches Leben haben / verstanden werden /dergleichen auch die Krebs / Austeren etc. seynd. Dann die Fisch / wie Herrn D. Hybners Natur- und Kunst-Lexicon anmercket / können füglich in die Meer-Fisch / in Fluß- und See-Fisch / mit oder ohne Schuepen / und in die Fischwerck mit Schaalen abgetheilet werden. 3 Ferners die Meer-Fisch seynd entweders so genannte Pelagij, Tieff-Fisch / die sich in dem Grund oder in der Tieffe des Pelagi des Meers aufhalten / und weilen sie nie von der Sonnen beschienen werden / so haben sie ein gar hartes Fleisch / und seynd ungut und ungesund zu essen: Oder Littorales Strand-Fisch / die zwar von dem Auswurff des Meers sich nähren / aber weil sie von der Sonnen bescheint werden / auch sich selber vielfältig bewegen / so werden sie von der Unsauberkeit der Nahrung wiederum gereiniget / und seynd besser auch gesunder zu essen als die vorgehende: Oder es seynd Saxatiles, Felßen und Klippen-Fisch / die in den Meer-Felßen und Stein-Klippen / wo das Meer immerdar anschlägt /sich aufhalten / und wegen solcher steten Bewegung für die beste gehalten werden.

Andere Fisch / die sich ausser dem Meer und bitterm Salß-Wasser / in den Flüssen / Seen / Bächen /Teichen / oder süssen Wasseren aufhalten / werden wiederum abgetheilet in Squammos & Leves, daß ist in die [382] Schupige und Glatte / oder ohne Schupen. Fischwerck aber mit Schaalen seynd theils Crustacea, das ist / dinnschälige / theils Testacea, mit dickeren Schaalen wie Krebs und Austeren auch Schildkrotten etc.

Gleichwie nun die Fisch unterschidlich und mancherley seynd / also ist auch die Weiß und Art zu Fischen unterschiedlich / nach Gelegenheit des Orts des Wassers und der fischen / mit groß- oder kleinem Garn oder Netzen / mit Reussen oder Anglen / an dem Ufer oder Wasser etc.

Aber im sittlichen Verstand wird gemeiniglich die Welt mit dem Meer verglichen / und die Menschen können füglich mit den Fischen verglichen werden /als welche auf der Welt herum schweiffen / gleichwie die Fisch im Wasser schwimmen. 4 Es sagt auch der weisse Ecclesiastes: Sicut pisces capiuntur hamo, sic homines capiuntur in Tempore malo, 5 wie die Fisch gefangen werden mit dem Angel / so werden auch die Menschen gefangen zur bösen Zeit. Wiederum der Prophet Habacuc: Facis homines sicut pisces maris. 6 Du lässest die Menschen gehen / wie die Fisch im Wasser. Ja Christus selbst sagt ausdrücklich im Evangelio seinen Apostlen. Ich will euch zu Menschen Fischern machen. 7

Es können aber durch die Fisch wegen ihren unterschiedlichen Eigenschafften theils die Gerechte /theils die Sünder verstanden werden. Dann Erstlich gleichwie ein Theil Fisch in dem bitteren Meer-Wasser sich aufhalten / andere hingegen in dem süssen Wasser der See / und Flüssen / also halten sich die Gerechte und Gottseelige gern auf in dem bitteren Meer-Wasser der Bußfertigkeit / der Trübsal / Mühe und Arbeit: Die Sünder und Gottlose hingegen wollen nur immer in dem süssen Wasser der Sinnlichkeit und Wollüsten herum schwimmen.

Alle Fisch kommen von dem Wasser her / sie halten sich in dem Wasser auf / und werden in dem Wasser ernährt / und ausser dem Wasser können sie nicht leben. Auch alle Christen kommen von dem Heil. Tauff-Wasser her / durch das Wasser der Göttlichen Gnad und der Andacht / werden sie erhalten / ausser oder ohne diesem Wasser können sie geistlicher Weiß nicht leben. Von den sinnlichen oder denen Wollüsten ergebenen Menschen kan gesagt werden. Pisces qui sunt in Fluvio, morientur & aquæ computrescent, 8 die Fisch / so im Fluß seynd / werden umkommen / und die Wässer werden stincken oder verfaulen / das ist / die Menschen / die sich den Wollüsten ergeben / werden zu Grund gehen / und ihre Freuden ein trauriges End nehmen.

Die Fisch wohnen zwar alle beysammen in dem Wasser / doch nicht allzeit einig / die Stärckere verfolgen und verschlucken zu Zeiten die Kleinere. Auch die Catholische Christen wohnen beysammen in der Schoos ihrer allgemeinen Mutter der Catholischen Kirchen / doch verfolgen und verschlucken gleichsam zu Zeiten die Stärckere die Schwächere. Die Fisch seynd sehr wachsam und behutsam / wann sich in der Nähe nur was rührt / wann sie die gernigste Gefahr vermercken / da fliehen sie augenblicklich darvon. Insonderheit fürchten die Meer-Fisch das Crocodill /und verbergen sich vor demselben unter dem grossen Wallfisch / von dem sie auch beschützet werden.

Dieses ist ein löbliche Eigenschafft und Behutsamkeit / wohl würdig / daß die Menschen selbe imitiren /und auch vor den Gefahren / absonderlich vor den Nachstellungen des höllischen Crocodills sorgsam und eilends fliehen / sich unter den mächtigen Schutz Christi des HErren begeben.

Die Fisch seynd von Natur begierig / gefräßig / einander nachstellend und bißig etc. 9 Auch in dem grossen Welt-Meer giebt es viel sittliche Fisch / oder Menschen / die also beschaffen seynd / begierig / gefräßig / bißig / und nachstellich / nemlich die Wucherer und Geitz-Hälß / die Verläumbder und Ehrenrührerische. Ein Wallfisch hat den Jonas verschlucket: Jonas aber heist so viel als Columba, [383] ein Tauben: Also werden die Arme Unschuldig- und Einfältige von den Ungerechten und Mächtigen verschlucket und unterdruckt.

Wie Seneca apud Berch. 10 schreibet / so gibt es einige Fisch / die immerdar in den Höhlen und Felßen-Löcher unter dem Wasser sich aufhalten / niemahl an den frischen Lufft / oder an das Sonnen-Liecht kommen / und deßwegen seynd sie sehr ungut /oder ungesund zu essen. Wie dann einstens ein Berg oder Felßen (etwan durch ein hefftigen Erdbedem) sich hat zerspalten und aufgethan / von welchem ein reissender Fluß herfür geschossen ist / und viel grosse Fisch mitgeführt hat / welche aber vergifft waren; dann viel Menschen / so darvon gegessen haben /seynd daran gestorben. Solche schädliche / in und unter dem Wasser der Reichthumen und irrdischen Wollüsten immerdar steckende und vertieffte Fisch /seynd die reiche Geitzhälß und wollüstige sinnliche Menschen / die nie von dem frischen reinen Lufft der geistlichen Freuden angewehet / noch an das Liecht der Göttlichen Gnaden-Sonnen kommen / und deßwegen seynd sie sehr ungesund und schädlich denen / so sie essen / das ist / die ihnen nachfolgen.

Hingegen / wie ich in dem Indisch- und Sinesischen Lust- und Staats-Garten fol. 31. lise / so gibt es auch an gewissen Orten auf dem Meer vil geflüglete Fisch / welche Flügel haben von einem dünnen zarten Häutlein / mit vil Fälten und zarten Gräten der Länge nach durchstrichen (schier wie die Fledermäuß) welche zum öffteren über das Wasser sich in die Höhe schwingen und auffliegen / absonderlich / wann sie von den grossen Raub-Fischen verfolgt werden. Solche geflüglete Fisch seynd die Seelen der Gerechten und Gottseeligen / welche nicht lang in dem Wasser der irrdischen Dingen sich aufhalten / sondern zum öffteren sich / vermittelst der Betrachtung und guter Anmuthungen / die gleichsam ihre Flügel seynd / in die Höhe aufschwingen / das ist / zu GOTT und himmlischen Dingen erheben: sonderlich / wann sie von den höllischen Raub-Fischen durch schwere Versuchungen angefochten und verfolget werden.

Diese beyderley Gattungen der gut- und bösen Fischen oder Menschen hat Christus im Evangelio angezeigt durch die Parabel oder Gleichnuß des Fisch- Netzes / das in das Meer geworffen wird / allerley Fisch zu fangen / und wann es voll ist / da zieht mans herauß an das Ufer / die gute behaltet man auf in den Gefäßen / die böse aber wirfft man hinweg. 11 Also wird es auch zum End der Welt gehen / sagt Christus / da die Engel die Böse werden aus dem Mittel der Gerechten scheiden. Noch eins ist zu wissen / daß zwar die Fisch auch zu Zeiten ruhen und schlaffen /aber nicht offt / und nicht lang / und zwar mit offenen Augen. Ubrigens / es mag der Fisch still stehen oder schwimmen / so rührt er immerdar den Schweiff /diser ist sein Gubernaculum, und gleichsam das Steur-Ruder / mit welchem er sich selbst und seinen Lauff dirigirt. Aus dieser Eigenschafft hat der Mensch die Wachtbar- und Behutsamkeit zu erlernen. Er soll auch seinen Lebens-Lauff mit dem Schweiff / ich will sagen / mit dem letzten Theil des Lebens dirigiren durch Betrachtung des Todts. Respice finem, nach dem Rath des weisen Manns / in omnibus operibus tuis memento novissima tua, & in æternum non peccabis: 12 In allen deinen Wercken bedencke deine letzte Ding / so wirst du nimmermehr sündigen. Fast eben wie ein Steurmann immerdar auf dem hintersten Theil des Schiffs Achtung gibet / damit er selbes recht zu dem Port / wohin er zihlet / richten thue.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Delphin.

Was der Löw unter den Thieren auf Erden / und der Adler in dem Lufft / das ist der Delphin in dem Wasser / nemlich der fürnehmste und [384] gleichsam ein König der Fischen: dann er ist ein grosser / sehr schneller /listig- und starcker Meer-Fisch. 13 Er wird in jedem Meer / doch meistens und häuffig in Ponto Euxino, und mitternächtigem Meer gesehen und gefangen: sein Fleisch ist gut zu essen / aufs wenigist / wann es eingesaltzen und wohl præparirt wird: Er streicht zu Zeiten auch denen süssen Wässeren nach / als in Fluß Nilum und andere / speisen und nähren aber thut er sich mit Fischen / die er durch sein unvergleichliche Geschwindigkeit erhaschet; dann er ist geschwinder im Schwimmen als der Vogel im Lufft.

Der Delphin wird von den Teutschen auch das Meer-Schwein genennet / als dem er / seine innerliche Glieder belangend / zimmlich gleich ist. Er hat ein glatte Haut ohne Schupen / kleine scharpffe Zähn / ein stumpffes Maul und fleischige Zungen wie ein Schwein / die beweglich ist / wider die Gewohnheit anderer Fischen (deren keiner die Zung regen kan) Er hat grosse Augen / und ein scharpffes Gesicht (also daß er die Fisch auch in Felsen-Löcheren stecken sihet) doch seynd sie also bedeckt / daß man nichts als das schwartze darvon sihet: Er hat auch einen breiten gespaltenen Schweiff / einen schwartzen Rucken / weissen Bauch / und eine dicke starcke Haut /doch weich wegen der Fette oder dem Schmaltz. Ferners hat der Delphin ein weites Maul / an statt der Ohren gar kleine Löchlein gleich hinter den Augen /er hört und rüchet auch unter dem Wasser sehr wohl /in dem Kopff aber hat er ein Loch / mit dem er den Lufft vom Wasser schöpffen thut.

Der Delphin ist allzeit lustig und frölich / er spihlt / hupfft und springt immerdar / absonderlich wann das Meer gantz ungestümm ist / zu Zeiten schwingt er sich zimmlich hoch über das Wasser auf: wann die Wind und Wellen wüten und toben / da hat er die gröste Kurtzweil darbey. Wann er ober dem Wasser schwimmt / da scheinet er grün / und gibt dem Wasser gleichsam einen grünen Glantz. Fürnemlich ist an dem Delphin zu mercken / daß er ein sehr grosse Lieb und Neigung zu den Menschen hat / absonderlich zu den Kinderen: er thut ihnen wohl kein Leid / sondernfovirt sie / er dient ihnen / und beschützet sie / so gut er kan. 14 Wann er ein Schiff auf dem Meer sieht daher fahren / schwimmt er ihm eilends mit Freuden zu / er schweifft herum / und macht den Leuthen gleichsam seine Charessen. Absonderlich ist er ein grosser Liebhaber der Music / er hört überaus gern das Gesang und musicalische Instrumenten / worvon wunderbarliche Begebenheiten erzehlt werden.

Als der berühmte Harpffenschlager Arion zu Corintho ein geraume Zeit gewesen / und mit seiner Kunst ein grosses Stuck Geld und vil Kleinodien erworben hat / kame ihm der Lust an / wiederum in Italien und Sicilien zu schiffen / da hat er sich seinen Landsleuthen / den Corintheren anvertraut / und ist zu Schiff gangen: dise aber waren an ihm untreu / und aus Begierd seines Schatzes habhafft zu werden /haben sie sich vestiglich entschlossen / ihn umzubringen / welches / als er es gesehen / bate er / daß sie ihm nur sollen so vil Zeit und Weil zulassen / daß er zur Letzte noch eines auf seiner Harpffen aufspihlen möge: Und als ihm dieses vergunnet worden / da stellte er sich auf den hinteren Theil des Schiffs / fienge an auf der Cither oder Harpffen zu schlagen / und den Meer-Götteren ein Lobgesang zu singen. 15 So bald aber die Delphinen diese Music gehört / da seynd sie eilends herbey geschwummen / und sich dem Schiff zugesellet: Arion hat seinen Vortheil ersehen / ist ins Meer hinauß gesprungen / und ein Delphin hat ihn alsobald williglich auf seinen Rucken genommen / und unversehrt zu Tænarum hinauß geführt etc. Ja als einstens ein Lerchlein / die Kälte zu fliehen / über Meer geflogen / da soll sich ein Delphin in sein Gesang also verliebt haben / daß er es ihme auf den Rucken hat sitzen lassen / und hinüber getragen.

Plutarchus erzehlet / der berühmte Ulysses habe in seinem Wappen-Schild einen Delphin aus dieser Ursach [385] geführt / weilen / als sein Söhnlein an dem Ufer des Meers spihlte / und ins Wasser fiel / auch unfehlbar hätte ertrincken müssen / da seye alsobald ein Delphin daher geschossen / das Kind aufgefangen /und wiederum ans Gestatt hinauß gebracht. Ermeldter Author schreibet ferners / daß einstens etliche Delphinen den Fischeren ins Garn gerathen seyen / und diese wolten sie umbringen: da kame einer / mit NamenCeran, von Farin gebürtig / darzu / der truge Mitleiden mit ihnen / erkauffte sie von den Fischeren / und liesse sie frey wiederum ins Meer hinauß schwimmen. Uber eine Zeit lang begab es sich / daß dieser Ceran neben vil anderen auf dem Meer fuhre / und wegen hefftigem Sturmwind Schiffbruch litte: die Delphinen aber ihn erkannten als ihren Gutthäter / da er mit dem Todt und Wellen ringete / sie nahmen ihn auf / und trugen ihne sicher an das Land hinauß. Bey der StadtJasso in Babylonien hat ein Delphin einen wohlgestalteten Knaben an dem Ufer des Meers spihlen sehen / und sich also in ihn verliebt / daß er mit grossem Gewalt und Schnelle biß auf das Land zu ihm herauß geschossen ist. Ja ein anderer solcher Fisch hat eben in dem Meer selbiger Gegend öffters einen Knaben auf ihme lassen gleichsam herum reiten: als aber endlich dieser Knab von den starcken Wellen ist erschlagen worden / da hat der Dalphin seinen Cörper eilends an das Land getragen / und so grosses Leid darüber gezeigt / daß er nicht mehr hat wollen ins Wasser gehen / sondern ehender gestorben ist.

Es soll auch einstens bey der Stadt Flerosel ein junger Delphin von einer alten Frauen neben ihrem jungen Sohn täglich am Ufer gespeiset worden seyn /welcher ein so verwunderliche grosse Lieb und Neigung gegen dem jungen Menschen gezeiget hat / daß /wann er ihm von oben herab zugeruffen hat / da ist er eilends daher geschossen / vor ihm herum geschwummen / geschertzt und aufgesprungen. Ja / als der Fisch groß und starck worden / und selbst auf den Fisch-Raub gegangen / da hat er sich gar danckbar gegen seiner Nähr-Frauen eingestellt / und offt vil Fisch in seinem Maul ihr an das Gestatt zugetragen: als aber der Sohn gestorben / da ist der Fisch auch nicht mehr erschienen.

Aber nicht weniger haben die Delphinen auch unter ihnen selbst eine grosse Lieb und Freundschafft / kein Streit oder Uneinigkeit ist unter ihnen / sondern vilmehr Einig- und Verträulichkeit: sie helffen und beschützen einander / sie tragen Mitleiden / und verlassen einander nicht in Gefahr und Nöthen. 16

Als der König von Caria einstens einen Delphin gefangen / selben an das Land gezogen hat / und anbinden lassen / da seynd die andere seines gleichen häuffig zugeschwummen / haben geheulet und geseuffzet (dann sie seynd nicht stumm wie andere Fisch) sondern sie haben eine Stimm / wie Doct. Gäßner / ein berühmter Naturalist, in seinem Fisch-Buch schreibet / Teutscher Version f. 94. Sie haben nicht nachgelassen gleichsam bittlich anzuhalten / biß daß er ihren Gespanen wieder hat loß gelassen / alsdann seynd sie freudig mit einander fortgeschwummen.

Als bey der Stadt Ænos in Thracia ein Delphin von den Fischeren wund geschlagen und gefangen wurde / da seynd die andere / als sie dieses vermercket haben / mit grossem Gewalt auf sie dargeschossen /und haben sie gezwungen / den Gefangnen wieder loß zu geben. Ja man hat auch gesehen / daß 2. Delphin einen Todten biß an das Ufer getragen oder geschoben haben / damit er allda von dem Sand überschüttet /begraben / und nicht von anderen grossen Fischen gefressen wurde / andere aber seynd gleichsam klagend und traurend nachgeschwummen / und haben den Todten-Cörper begleitet.

Was aber die Lieb / den Fleiß und Sorg der alten Delphinen gegen ihre Junge anbelangt / so ist selbe Wunder-groß / Leib und Leben setzen sie für ihr Bestes auf / und geben sich ihren Jungen zu lieb / wann nemlich die Junge gefangen werden / auch selbst [386] gefangen. Nicht geringer ist die Treu und der Danck der Jungen gegen den Alten / wann sie nicht mehr recht fortkommen können / da helffen sie ihnen / und ernähren sie.

Aber was sollen jetzund die gegen GOTT und gegen den Gutthäteren so undanckbare / gegen anderen Nächsten aber so neidig- und häßige Menschen darzu sagen oder gedencken? 17 Sollen sie sich nicht von Hertzen schämen / wann sie sehen / daß die unvernünfftige Thier aus blossem Antrieb der Natur gegen ihren Gutthäteren so danckbar und treu / gegen anderen ihres gleichen aber so gutwillig und mitleidig seynd? und dieses zwar ohne Hoffnung der Belohnung / und ohne Forcht der Straff? da wir hingegen den ernstlichen und ausdrucklichen Befehl von GOtt haben: Hoc est præceptum meum, ut diligatis invicem, sicut dilexi vos: 18 Das ist mein Gebott / daß ihr euch unter einander liebet / gleichwie ich euch geliebet hab. Und wiederum sagt Christus: Was ihr gethan habt einem unter den geringsten meiner Brüderen /das habt ihr mir gethan. Was sollen die Menschen sagen oder gedencken / wann sie sehen / wie die sonst grimmige Thier einander helffen / lieben und beschützen / sie aber einander hassen / verschreyen und verfolgen? daß jene gegen einander grosses Mitleiden haben / sie aber zu frembdem Unglück helffen und lachen? daß jene ihre Todte mit Leid und Trauren begraben / sie aber bey Christlichen Leich-Begängnussen lachen und schwätzen etc. Ja es ist glaublich / daß GOtt den unvernünfftigen Thieren eben darum solche wunderlich- und löbliche Eigenschafften ertheilt habe / daß sich die Menschen in Ansehung derselben schämen sollen / wann sie weniger oder gar das Widerspihl thun.

Der Delphin schlafft zwar auch zu Zeiten: aber er hat einen müheseeligen und unruhigen Schlaff; dann er streckt den Rucken und Kopff über das Wasser herauß / er fallet aber wegen seiner Schwere bald auf den Boden hinab / wann er schlafft / und stoßt sich / worvon er erwacht / und schnell wiederum herauf in die Höhe schießt / Lufft zu schöpffen / und dieses geschicht zum öffteren nach einander / mithin ist er nie ruhig / auch wann er schlafft. Dieses ist ein Ebenbild des Sünders / dann wann der Mensch in den Sünden einschlafft / da hat er auch keine Ruhe / er sinckt wegen dem schweren Sünden-Last in die Tieffe / er verstoßt und verletzt sich übel in diesem Fall: aber er soll sich schnell wiederum aus der Tieffe herauf machen / durch die Reu und Buß in die Höhe schwingen / frischen Lufft der Gnaden zu schöpffen.

Ferners / wann der Delphin gefangen wird / da ist er sehr betrübt / er führet grosses Leidwesen / und lasset nicht nach mit Seuffzen und Klagen / um die Freyheit gleichsam bittlich anzuhalten / biß daß er entweders ledig gelassen oder getödtet wird: und wann er in einem Garn gefangen ist / so bemühet er sich mit seinen scharpffen Zähnen das Garn zu zerbeissen / und ihme also selbst den Weeg zur Freyheit zu eröffnen. Nun aber ist gewiß / daß der Mensch durch die Sünden in die so scheulich- als schwere Gefangenschafft des bösen Feinds verfallet / und mit den Strick- und Banden seiner Sünd und Laster gar übel verwicklet ist / darumen soll er trauren und weinen /und bey GOtt um die Freyheit seiner Seel bittlich und inständig anhalten: er soll das Garn der Sünden mit den scharpffen Zähnen der Reu und Buß zerbeissen und zerreissen / und sich also wiederum in die Freyheit der Kinder GOttes setzen.

Aber so traurig der Delphin ist / wann er gefangen /so frisch und fröhlich hingegen ist er / wann er die Freyheit genießt / auch zur Zeit / wie schon gemeldt /ja absonderlich alsdann / wann das Meer / die Wind und Wellen zum ärgsten wüten und toben / da ist bey ihm nichts als Spihlen / Hupffen und Springen. Dises ist ein eigentlicher Entwurff des Gerechten / der ein gutes Gewissen hat / und allzeit frölich ist / wie ihne der König David selbst darzu ermahnet / sprechend:[387] Lætamini in Domino & exultate Justi: 19 Freuet euch im HErren ihr Gerechte / und seyd frölich. Wann schon die Wind und Wellen der Trübsal und Verfolgung saussen und braussen / so läst sich doch der sittliche Delphin / daß ist der Gerechten nichts irren und hindern: Non contristabit Justum, quidquid ei acciderit: 20 Den Gerechten beleydiget nichts /was ihm Unglücks zufällt: Dann Justus quasi leo confidens absque terrore erit: Er ist getröst ohne alle Furcht wie ein Löw. Wie es sich offtermahl bey den Heil. Martyrer krärlich erwiessen hat / welche in den schweristen Verfolgungen allzeit frölich und wohl getröst gewesen seynd.

Endlichen der Delphin liebet die Music: auch der Mensch / sonderlich die Geistliche sollen die Music, daß ist / daß Lob GOttes lieben und selbes fleißig und mit freuden anstimmen.

Ubrigens kan auch füglich Christus der HErr selbsten einigermassen mit dem Delphin verglichen werden / weilen er nemlich die Menschen als wie der Delphin / über die massen liebt / und sich ab ihrer Bewohnung oder Gemeinschafft erfreuet / wie er von sich selbsten bezeuget / Deliciæ meæ esse cum Filiis hominum: 21 Mein Lust ware bey den Menschen Kindern; Ihnen zu Lieb hat er sich von dem hohen Himmel in dieses ungestümme Welt-Meer herab begeben / die Schiffbrüchige Menschen von dem ewigen Untergang zu erretten: Diesen zum guten hat er sich (gleichwie der Delphin für seine Junge) selbst willig in die Gefangenschafft und in den Todt gegeben.

Der Delphin / wie gesagt worden / hat grosse Lieb und Neigung zu den Kindern / auch Christus zu den kleinen / das ist / zu den Unschuldigen: Sinite parvulos venire ad me, 22 sagte er in dem Evangelio: Lasset die Kinder zu mir kommen: Und er legt die Hand auf sie etc.

Aber zu mercken / wann viel Delphinen beysammen seynd / so thun sie den grösten / und stärckisten hertzhafftisten für ihren Herren und Obristen erkennen / sie folgen ihm nach / und gehorsamen ihm: Er aber streittet für sie / und beschützet sie wieder andere ungeheure Meer-Fisch. Eben also sollen ihm auch wir Christen thun: Ehristum als den stärckisten / heiligsten und weißisten für unseren König und HErren mit Mund und Hertzen bekennen / ihme nachfolgen und gehorsamen / so wird er auch allzeit für uns streiten und in aller Gefahr uns beschützen.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Wallfisch.

An dem Wallfisch / Cetus oder Balena, ist fürnehmlich die ungeheure Grösse zu bewunderen / wegen welcher er auch das grosse Meer-Thier genennt wird /inmassen auf dem Meer öffters Wallfisch wie gantze Häusser / oder kleine Berg daher fahren gesehen werden: Und ob es zwar nicht wohl möglich ist / von den allergrösten einen zufangen / so ist doch Anno 1672. bey Bristol in Engeland einer gefunden worden / der 24. Englische Elen lang ware / sein Maul aber beyläufftig 12. Elen weit oder breit. 23

In dem Meer bey Portugal ist einer gefangen worden / dessen Zung allein so groß ware / daß als man sie in Stucke zerhackte / etlich kleine Schifflein darmit angefüllt und beladen waren: Ein anderer aber / in dessen ausgegrabner Höle des Augs wohl 20. Mann haben stehen können. Gewiß ist es / daß von einem jeden Wallfisch gar viel Wägen mit seinem Fleisch (welches zwar ein zimmlich hart und starckes Essen ist) beladen / mit dem Schmaltz / oder Fette aber /gantze Fässer angefüllt / und unterschiedliche Landschafften darmit ptoviantirt werden.

Einige Wallfisch / wie ich lise / sollen 30 auch 50. Schritt lang seyn / die grosse Schiff nicht nur umstürtzen / sondern auch sambt den Leuthen verschlucken mögen. D. Forer schreibt / [388] es werde zu Montpelir inSt. Peters Kirchen ein Ripp von einem Wall-Fisch gezeigt / welche 28. Schuhe lang seye.

Albertus M. lib. de anim: schreibt / der Gröste /den er gesehen / habe 300. Kärren mit Fleisch und Bein / als er zerstucket ware / beladen. In dem Indianischen Meer sollen die Wall-Fisch 4. oder 5. mahl so groß seyn / als die gröste Elephanten. Was Plinius und andere von noch grösseren schreiben / thue ich mit stillschweigen umgehen.

Es gibt aber der Wallfischen gar viel unterschidliche Gattungen / die an der Gestalt / Farb und Grösse sehr von einander unterschiden seynd. In dem Fisch-Buch des Doctor-Gäßners à fol. 89. Teutscher Version seynd bey zwantzigerley Gattungen der Wallfischen beschrieben / theils in Figuren abgebildet /neben anderen Meer-Wunder und schwimmenden Abentheuer / welche auch zu denen Wallfischen können gezogen werden.

Was aber die Menge und den Unterschid der Meer-Fischen anbetrifft / so seynd deren unzahlbar viel /wie einiger maßen in H. Schrifft selber angedeutet wird. 24 Ein guter Theil derselben werden in ermeltem Fischbuch beygefügt: Als allerley Stein-Fisch / Breit-Fisch / Lang-Fisch (die der Gestalt nach den Schlangen gleichen) unterschidliche Flach- oder Flat-Fisch /breite und lange Kröspel-Fisch / Kugel- und Rund-Fisch etc.

Ihre Speiß oder Nahrung belangend / so ist selbe unterschiedlich / theils der Raub von den Fischen und anderem / was sie im Meer bekommen / theils auch der Meerschaum / das Kraut und Graß / so in dem Grund des Meers wachset etc.

Die Wallfisch haben einige Gleichheit mit den irrdischen Thieren / wie dann auch eine Meer-Hund /Meer-Roß / Meer-Ochs / Meer-Kalb / Meer-Schwein genennt werden etc. 25 Sie werden gleicher weiß empfangen und gebohren / sie haben ein Lungen / Nieren und Blattern etc. Auf dem Kopf haben sie (zwar nicht alle Arten) zwey Löcher und Röhren / durch welche sie theils den Lufft schöpfen (dann weil sie Lungen haben / schnauffen sie) theils daß sie das eingeschluckte Wasser mit Gewalt / wie gantze Ström wieder ausspeyen / und in die Höhe sprizen / ja wohl ein Schiff darmit anfüllen und versencken können. Die Wallfisch haben keine Schupen / sondern eine glatte dicke Haut / etliche haben gar lange starcke / andere haben kleine Zähn / aber viel: Einige haben ober den Augen lange Striemen wie Hörner / bey 8. Schuhe lang / mit welchen sie zur Zeit des Ungewitters die Augen bedecken / 250. an der Zahl: Sie lassen sich auf keine flache und enge Ort ein / wohl erkennend /daß sie wegen ihrer ungeheuren Größ- und Schwere wurden stecken bleiben / sondern in dem tieffen und weiten Meer halten sie sich auf. Sie geben auch zu zeiten ein so starcke Stimm oder grosses Geschrey von sich / das mans bey stillem Wetter ein Meil weit hören kan / obwohlen sonst die Fisch insgemein stumm seynd.

Ælianus schreibt / es haben die Wallfisch in allweg einen Führer unter ihnen / der ihnen den Raub / so vorhanden ist / und die Gefahr oder Nachstellungen der Fischer andeute: Sie sollen auch in der Gefahr ihre Junge / wann sie noch nicht sonderlich groß / in ihr Maul nehmen / und hernach wiederum ausspeyen.

Ubrigens werden die Wallfisch ersckröcket von grossem Geschrey und Getümmel des Schiessens und dergleichen: Es ist von den Wallfischen schier alles gut zu brauchen / das Fleisch / die Haut / Bein und Schmaltz etc. Aus den Zähnen werden schöne Messe-und Degenhefft etc. bereitet / dann sie seynd weiß und gläntzend.

Albertus M. schreibt / zu seiner Zeit seye in Frießland bey dem Ort / so Staiuria genennt wird / ein Wallfisch gefangen worden / dessen Kopff / als er bey dem Aug mit einem Spieß durchstochen worden / eilff Krüg (an deren [389] jedem ein Mann genug zu tragen gehabt) voller Schmaltz oder Feißte gegeben habe.

Es mag zum Theil nicht ungereimt der böse Feind mit einem Wallfisch verglichen werden; inmassen /gleichwie der Wallfisch auf dem Meer wütet und tobet / zum Schaden und Schröcken der Fisch und Menschen alles verschlucket oder zu Grund richtet /was ihm vorkommt / also tyrannisiret der Teuffel / so vil ihm GOTT den Gewalt laßt / unter den Menschen auf der Welt / er verschlucket unzahlbar vil Seelen als ein unersättlicher Schlauch: er versencket vil Schiff /das ist / vil Seelen in den Abgrund / indem er sie / als wie der Wallfisch / überschwemmet und anfüllet mit den schädlichen Wässeren der bösen Gelüst- und Begierden. 26

Es begab sich einstens / daß ein Kriegs-Schiff / so von Portugall nach Indien seglete / bey nächtlicher Weil in seinem völligen Lauff gähling also gehemmet und gestellt wurde / daß es im geringsten nicht mehr für sich oder hinter sich kunte: jedermann erschrack und verwunderte sich / woher dieses komme / ob sie etwan auf einem Felsen aufgefahren / oder auf einem so genannten Sand-Banck gestrandet seyen? 27 Aber nein / der Senckel oder Bley-Schnur zeigte an / daß das Wasser übrig genug tieff seye. Man machte Feur auf / zündete Wind-Liechter an / zu sehen / wo es doch fehle: und da wurde man gewahr / daß ein Wallfisch unter das grosse Schiff / welches 105. Schuhe lang ware / sich gestellt habe / und vornenher den Kopff mit aufgesperrtem Rachen / hintenher aber den Schweiff herfür reckte / mit den überaus grossen Flössen oder Flüglen aber schlug er an beyden Seiten des Schiffs herum. Die Schiffende waren in äusserster Noth / Forcht und Gefahr / sie probierten alles / von dieser grausamen Besti loß zu werden: es wolte aber kein Fleiß und Mühe erklecken. Sie nahmen also durch das Gebett die Zuflucht zu GOtt / der Schiff-Caplon mit dem Chor-Rock / Stoll und Crucifix versehen / exocirte oder beschwörete das ungeheure Thier aus allen Kräfften: es hat auch GOTT das Gebett erhört / und verschafft / daß der Wallfisch ohne ferneren Schaden abgewichen ist / und die Schiffende befreyet worden.

Auch schon zu Zeiten des Grossen Alexandri, als seine Soldaten auf dem Meer schiffeten / seynd sie unter die Wallfisch gerathen / und als sie sorgten / es wäre um ihr Leben geschehen / da haben sie noch dieses Mittel erdacht / sie schryen alle zusammen / sie schlugen die Trummel und Paucken / und blaseten die Trompeten aus allen Kräfften / worvon diese Unthier erschröckt worden / und die Flucht genommen haben. Dergleichen etwas begibt sich auch in der Schiffahrt des menschlichen Lebens: wann das Schifflein der Seel / von dem Wind der Gnad GOttes getrieben / in vollem Lauff ist / und dem Port der ewigen Glückseeligkeit zueilet / da bemühen sich die höllische Wallfisch selbes zu stellen / und von seinem Lauff zu verhinderen: diese aber können und sollen vertrieben werden durch eyferiges Gebett / durch Seuffzen und Ruffen zu GOTT / daß er das Schifflein der menschlichen Seel von dem Gewalt des höllischen Feinds wieder loß mache / und in seinem Lauff secundire.

Den Wallfisch-Fang belangend / finde ich selben unterschiedlich beschrieben. 28 Die mehriste Wallfisch sollen sich zwar in dem mitternächtigen Meer befinden: doch geschicht der Haupt-Fang dieser ungeheuren Thier unter Grönland bey Nova Zembla, wohin sich die Engelländisch-Holländisch- auch Frantzösische Schiff etc. Sommers-Zeit hinbegeben /und dem Wallfisch-Fang obligen: zu Zeiten bekommen sie etliche in einem Sommer / welches dann ihnen ein grosses eintraget / obwohlen auch ein einziger alle Mühe und Kösten ersetzen kan. Die Sach wird also angestellt: wann die Fischer vermercken /daß ein Wallfisch unweit von ihren Schiffen sich spühren lasse (welches sie abnemmen aus dem Schaumen und Brausen des Wassers / [390] oder aus dem / daß der Fisch den Rucken und Schweiff über das Wasser herauß recket / und aus den Naß-Löcheren vil Wasser herauß spritzt) alsdann stellen sie sich in Bereitschafft / in jeder Chalouppe oder kleinen Schiff seynd 6. Mann / dise fahren auf den Fisch mit unterschiedlichen Waffen zu / und wann sie ihm zimmlich nah kommen / da wirfft einer / den man Harponierer nennt / den so genannten Harponen / das ist / einen 3. Schuh langen / mit 2. Widerhaggen versehenen Wurff-Pfeil dem Wallfisch mit Gewalt in den Leib (oder stoßt ihm einen scharpffen eisenen Haggen an einer langen Stangen hinein) so bald er nun die Wunden empfindt /da schießt er in die tieffe biß auf den Grund des Meer hinab (das Eisen aber ist an einem Sail fest gemacht /und dieses wird aus dem Schiff schnell nachgelassen) da übet und reibt er sich / und vermeint das Eisen wieder heraus zubringen / er treibt es aber nur immer tieffer in Leib hinein / und weilen das rösse Meer-Wasser ihm in die Wunden hinein laufft / da kan er den Schmertzen nicht ertragen / schüsset derowegen wiederum mit großem Gewalt und Getümmel / daß es hefftig Wind-Wellen gibt / in die Höhe über das Wasser herauf: Da wird ihm nochmahlen ein solcher eisener Widerhaggen in Leib geworffen oder gestossen: Die Besti sincket abermahl unter / und kommt wieder herfür. Alsdann hauet / stost und sticht man auf ihn /biß ein Haupt Viscus getroffen wird (welches sich zeiget / wann so viel Blut/ wie gantze Stömm / von dem Thier ausfleist / daß das Meer-Wasser um ihn herum entfärbt wird) mithin thut sich die Besti mit Wüten und Toben abmatten / ja zu Todt zaplen / wird alsdann mit viel grossen Sailer und Ketten ans Ufer gezogen / zerstucket / und der Raub getheilt. Solte aber der Wallfisch mit den eisenen Waffen / so ihm in Leib getriben worden / darvon und der Weite zuschwimmen / da wäre alle Mühe und Kosten umsonst.

Ein andere Art die Wallfisch zufangen ist / daß man einen großmächtigen starcken Angel oder Widerhaggen (an welchem ein grosses stuck Fleisch oder ein gantzes Thier angesteckt ist) an einer eisernen Ketten ins Meer last / diese aber an grossen langen Seilern / woran viel aufgeblassene Geiß-Häut / die ober dem Wasser schwimmen / angemacht seynd: wann nun der Fisch der Angel begierig hinein geschluckt hat / und selber starck in seinem Rachen hafftet / da thut er sich daran vertoben und also abmatten / daß er vollends von den Fischeren durchhauen / stechen / und schlagen mit allerley Waffen kan getödtet werden etc.

Es begibt sich auch zu Zeiten / daß / wann sich die Wallfisch zuweit an das Ufer heraus lassen / und von dem gewohnlichen Ablauff des Meers übereilt werden / nicht mehr zuruck schwimmen können / sondern auf dem Sand sitzen bleiben / und sich müssen gefangen geben. Endlich pflegt man auch mit Stuck-Kugeln darauf zuschiessen / und sich also ihrer zubemeisteren.

Es ist sich gewißlich nicht wenig zu bewundern über den Fleiß und List der Menschen / mit welchem sie so ungeheure Thier in dem Meer zubezwingen und übermeisteren wissen. 29 Aber noch viel mehr ist zu bewundern / und zu preissen die liebreiche Weiß und Art / auf welche der Obriste Seelen Fischer Christus JEsus / die gröste Wallfisch / ich will sagen / die gröste Sünder in sein Garn oder seinen Gewalt bringet / und aus dem verderblichen Meer der boßhafften Welt / an das erwünschte und sichere Gestadt der ewigen Glückseeligkeit ziehet. Der hauptsächliche Unterschid aber zwischen den natürlichen Fischeren und geistlichen Seelen Fischeren besteht in dem / daß wann jene einem Fisch nachstellen / und selben in ihren Gewalt bringen / da ist es gemeiniglich auf ihren Gewinn und Nutzen / auf des Fischs aber Todt und Verderben angesehen: Venimus perdere & interire facere quod salvum erat, müssen [391] alle Fischer und Jäger sagen / wann sie wolten die Wahrheit bekennen / wir seynd kommen zu fangen und zu tödten die Thier / welche frey und wohl auf waren; dann ihreSubstanz muß uns bereichen / ihr Verderben ist unser Aufkommen / und ihr Todt muß uns beym Leben erhalten. Hingegen Christus und andere geistliche Seelen-Fischer oder Apostolische Männer seynd gantz anderst beschaffen / sie suchen gantz nicht ihren eigenen Nutzen / gantz nicht das Verderben oder Untergang der Fischen / das ist / der Menschen / die sie fangen / sondern vilmehr ihre wahre Freyheit des Geists / ihren geistlichen Nutzen / ihr zeitlich- und ewige Wohlfahrt: also / daß sie können in der Wahrheit mit Christo sagen: Venimus quærere & salvum facere quod perierat: 30 Wir seynd kommen zu suchen und seelig zu machen was verlohren war.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von dem Stockfisch und Häring.

Der Stockfisch ist ein beyläuffig Arm-langer Meer-Fisch ohne Schupen (doch gibt es auch eine Art / die Schupen hat) sein Rucken ist Esel-grau oder Aschen-farb (er wird auch Asellus marinus, Meer-Esel genennt) der Bauch aber weißlecht. 31 Er hat einen langen grossen Kopff / grosse Augen / und ein weites Maul / dessen unterer Theil länger und breiter ist als der obere: seine Kinbacken seynd voller Zähn / gegen den Rachen gekrümmt. Die Stockfisch werden häuffig unter Norwegen gefangen / aufgedörrt / und also meistens aus Holland von den Kauffleuthen in unsere Länder gebracht / ohne Kopff / die man ihnen zuvor abhauet / weilen selbe nicht so füglich könnten gedörrt / eingepackt und fortgebracht werden. Der Stockfisch ist ein gefräßiger raubischer Fisch / als wie unsere Hecht: doch ist er langsam und träg (schier auf Esel-Art) und wie Aristoteles schreibt / so ligt er ein lange Zeit das Jahr hindurch / sonderlich im Sommer /in der Tieffe des Meers in dem Sand verborgen / wann er aber den Kopff über das Wasser herauß streckt /oder an Lufft kommt / da stirbt er bald.

Der Stockfisch hat ein gutes / weiß- und gesundes Fleisch (die Leber / wann sie frisch ist / soll delicat seyn) abgedörrter / wie er uns zukommt / kan er vor Zähe und Härte nicht wohl gekocht und genossen werden / wann er nicht zuvor mit grossen Hämmeren und Schläglen wohl ist gebleut oder geschlagen / und noch über dieses in einer Laugen von Wasser und Aschen eine geraume Zeit eingeweichet worden ist.

Deßwegen seynd denen Stockfischen gleich alle liederliche Pursch / faul- und träge / widerspennig- und halßstärrige Buben / Knecht und Mägd / die nichts thun oder arbeiten wollen / was ihre Schuldigkeit und Pflicht ausweiset / wann man sie nicht immer mit Schläg und Streichen darzu antreibet / und als wie einen Stockfisch bleuet: Sie ligen müßig / oder stecken die mehriste Zeit / als wie die Stockfisch / in dem Sand oder Letten der Trägheit / und seynd nicht zu gebrauchen / wann sie nicht öffters und wohl begossen werden mit einer guten räsen Laug / die von einer ungebrannten Aschen / das ist / mit einem guten Stecken angemacht ist. 32 Eben daher kommt auch die Gewohnheit bey uns Teutschen / daß / wann man einen liederlichen und ungeschickten Menschen schelten will / da heißt es gemeiniglich: du bist ein rechter Stockfisch.

Ja alle in der Boßheit verstockte und verhartete Sünder seynd solche Stockfisch / die sich zur Liebe /zur Buß und Besserung nicht erweichen lassen / sie werden dann von der schweren Hand GOttes berührt /und mit Trübsal / Armuth und Kranckheiten geschlagen / oder mit selben / wie mit einer scharpffen Laug begossen.

Was aber den Häring / Harengum anbelangt / so ist selber ein kleiner zarter Meer-Fisch / der so wohl frisch als eingesaltzen appetitlich zu essen ist. 33 Die Häring werden absonderlich in der Nord-See bey der Englischen [392] Landschafft Nordfolck und Zarmund gar häuffig gefangen / und zwar vom August-Monat an /meistens nach der herbstlichen Sonnen-Wend / da sie so häuffig und unzahlbar zusammen schwimmen / daß man sie vor Vile mit dem Garn nicht kan herauß ziehen. Von den Holländeren aber / welche auf den Engell- und Schottländischen Meer-Küsten (gegen gewisser Geld-Summa / so sie an Engelland deßwegen zu bezahlen haben) dem Häring-Fang obligen / werden deren unzahlbar vil eingesaltzen / und in ferne Länder verschickt. Ausser ihrer gewissen Zeit aber lassen sich die Häring nicht sehen / sondern halten sich in der Tieffe des Meers verborgen etc.

Die Nahrung der Häring ist das gesaltzene Meer-Wasser / ausser welchem sie kein Minuten lang leben können. Sie haben auch in ihrem Leib kein Gedärm oder Ingewaid / wie andere Fisch / und seynd von allem Unflat rein und leer. Sie kommen niemahl in das süsse Wasser hinauß / als welches sie gar nicht leiden können. Wann sie zu Nacht Schaaren-weiß in dem Meer daher schwimmen / da glantzen sie / und geben einen starcken Schein von sich / welches ihrem Silber-weissen Bauch (den sie zu Nacht über sich gegen der oberen Meer-Fläche wenden) zuzuschreiben ist: an dem Rucken aber seynd sie Wasser-blau geschupet: durch eben diesen Schein und Glantz aber verrathen sie sich selbst den Fischeren / und geben ihnen das gewisse Anzeigen / wo sie gegenwärtig seyen: dieser weise Glantz vergehet ihnen / wann sie ausser dem Wasser kommen.

Ferners schreibt man von den Häringen / daß /wann sie auf dem Meer ein Feur oder Liecht sehen /da schöpffen sie einen Lust darab / und schwimmen ihm alle zu / und durch dieses Mittel thun die Fischer gantze grosse Schaaren derselben in ihr Netz oder Garn locken.

Den Häring-Fang betreffend / so seynd fürnemlich 2. Stuck höchstens darbey zu bewunderen: nemlich die unbeschreibliche Menge derselben / und der erstaunliche Gewinn / so hierauß geschöpfft wird; inmassen ich für gewiß lise / daß selbe in kurtzer Zeit nur auf dem Brittanischen Meer Millionen-weiß gefangen worden: nur von den Holländeren allein werden etlich tausend klein- und grosse Schiff oder Fahrzeug / und zimmlich vil tausend Menschen darzu applicirt oder angewendet. 34 Ja es fangen die Holländer innerhalb 26. Wochen mit 200. Schiffen bey 300000. Läst / jeden Last zu 12. Tonnen Häring gerechnet /ein Tonnen aber haltet 1000. Fisch: Die Losung oder den Preiß / den sie herauß ziehen / belaufft sich auf etlich Millionen / ein Million aber ist 1000000. Viler Städt und gantzer Landschafften Glück oder Unglück ist an einem jährlichen reichen oder armen Häring-Fang gelegen / und vil Königreich und Fürstenthümer werden mit diesen Fischen von den Holländeren versehen. Welches alles und noch mehr ausführlich specificirter zu finden und zu lesen ist in dem Indisch-und Sinesischen Lust- und Staats-Garten Erasmi Franc. à fol. 27. & seq.

Merckwürdig ist / was D. Gesnerus lib. de aquat. erzehlt / daß nemlich auf einer gewissen Insul des Teutschen Meers Anno 1530. bey 2000. Personen sich allein von dem Häring-Fang völlig haben erhalten und ernähren können. Als aber dieselbige Innwohner einstens aus Muthwillen einen Häring mit Ruthen geschlagen / da haben sie von Stund an keinen glücklichen Fang mehr gethan / sondern die Häring haben sich vil Jahr lang also verlohren / daß an statt 2000. kaum 200. Menschen darvon leben können.

In den Ost-Länderen verkauffen die Holländer jährlich über die 100000. Läst. Nah an dem Ufer zu Clawertykey hat sich einstens ein solche Menge Häring eingefunden / und seynd von dem Volck so viel an das Land gezogen worden / daß für 5. Schilling ein gantze Tonnen / das ist / 1000. Fisch seynd verkaufft worden: die übrige aber / weil man nicht genug Fäßlein und Saltz hat aufbringen können / theils den Schweinen zu fressen gegeben / [393] theils in die Erden vergraben worden.

Mit dem Häring können füglich die Ordens-Geistliche verstanden werden: dann diese sollen im sittlichen Verstand kleine / zarte und reine Meer-Fisch seyn /als wie die Häring; klein zwar durch die Demuth und Niderträchtigkeit / zart und rein aber wegen Zärte des Gewissens / und Reinigkeit des Lebens und der Sitten. 35 Sie sollen sich gern in dem bitteren Meer-Wasser der Abtödtung und der Clösterlichen Disciplin aufhalten / und nicht nach den süssen Wässeren der zeitlichen Freuden / Ehren und Reichthumen trachten / als welche ihnen gar schädlich und unanständig seynd; dann wann sie dem Glantz der zeitlichen Glückseeligkeit nachgehen oder nachtrachten / da gerathen sie leichtlich in das Garn / und werden gefangen als wie die Häring / wann sie dem Schein des Liechts nachschwimmen / da heißt es offtermahl: Exspectavimus lucem, & ecce tenebræ: 36 Wir haben gewartet auf das Liecht / und sihe Finsternuß. Die Häring / wie gemeldet / geben in dem Wasser einen Silber-weissen Glantz von sich / aber wann sie aus dem Wasser kommen / da vergeht er nach und nach /sie seynd nicht mehr so schön / als wie zuvor. Auch die Ordens-Geistliche beyderley Geschlechts seynd nirgends schöner als in dem Closter: da geben sie einen Glantz der Tugend und eines exemplarischen Lebens von sich: aber wann sie ohne Noth und Ursach vil darauß unter den Welt-Leuthen umvagiren /da verliehren sie gemeiniglich den Silber-weissen Schein der Unschuld und Reinigkeit / es vergehet ihnen der Glantz der Auferbaulichkeit und des guten Nahmens / sie werden rußig / und beschmutzen sich mit eitlen Welt-Händel etc. darum sagt ihnen GOTT durch den Propheten: Vade populus meus, intra in cubicula tua, abscondere: Gehe mein Volck hinein in dein Kämmerlein / und bleib darinn verborgen.

Endlich / wann der Häring eingesaltzen wird / da bleibt er von der Verfäulung befreyet: Eben also die Geistliche / ja alle Christen / wann sie mit dem Saltz der Christlichen Weißheit und der heylsamen Mortification besprengt werden / da bleiben sie befreyt von der Verderbung der Sünden / und von der Verfaulung der bösen sinnlichen Gelüsten etc.

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von etlich anderen Meer-Fischen.

Serra, ein Meer-Fisch / hat seinen Nahmen von der That / dann Serra heißt ein Sägen: der Fisch aber solle auf dem Rucken so scharpffe Stachlen haben /daß / wann er unter einem Schiff herschwimmt / und sich an selbem sehr starck reibet / es durchschneiden möge. 37 Welches folgends mit Wasser angefüllt und versencket wird / die Schiffleuth aber den Fischen zutheil werden.

Doctor Gesner nennet den Sägfisch Scolopax, oder Meer-Schnepff wegen seinem langen Schnabel / den er hat / und sagt / hintenher oder dem Schweiff gehe ihm ein langer Spitz herauß / wie ein Sägen: sonsten seye es ein schöner rother Fisch / habe starcke Schupen / und sein Fleisch seye gut zu essen / aber rahr zu bekommen. Dem seye nun wie ihm wolle / so kan durch den Sägfisch der Todt verstanden werden: durch sein Sägen aber die vorhergehende Kranckheiten / und durch das Schiff das menschliche Leben /welches durch die Kranckheiten immer angefochten und angegriffen wird / biß daß der Mensch gar ins Grab versinckt / und zur Speiß der Würmen wird. Es heißt da / wie der Psalmist sagt: Mors depascet eos: 38 Der Todt wird sie nagen.

Torpedo, der Zitter- oder Krampfffisch / ist dem äusserlichen Ansehen nach nicht vil schön- oder besonders / er ist roth oberhalb oder gelblecht / untenher weiß / und hat auf dem Rucken etliche Fleck / als wie Augen. 39 Aber er hat diese wunderliche Krafft und Würckung / daß / wann er angerührt / [394] oder sonst gantz nahe ist / da macht er den Menschen zitterend oder krämpfig oder gleichsam verstarret. Auf solche weiß sagt man / thue er sich beschützen vor den Fischern / daß sie ihn nicht ergreiffen oder fangen können / hingegen andere aber kleine Fisch thue er bestellen / daß sie vor ihm nicht fliehen können / und daß er sich mit selben ersättigen möge. Wie nun dieses seyn könne / ist schwer zuergründen / doch glaublich kommt es daher / daß ein so schädliche Qualität von diesem Fisch ausgehet / und durch die Lufft / oder durch das Wasser biß an den Menschen oder an einen andern Fisch gebracht werde / und diesen Effect verursache.

Aber noch verwunderlicher ist / was von einem anderen kleinen Meer-Fisch / Remora genannt / insgemein geschrieben wird / daß er nemlich die verwunderliche Krafft habe / ein grosses Schiff / wann es auch mit ausgespanten Segel in vollem lauff ist /wann er sich daran hencket / also zustellen / und gleichsam anzuhefften / daß es kein Handbreit mehr hintersich oder fürsich könne. 40 Woher aber dieses kommen solle / ist unbekannt.

Torpedo heist und bedeutet die Trägheit / und diese thut den Menschen gleichsam krämpfig und Lahm machen in Ubung der guten Wercken / in Verrichtung seines Diensts und Vollziehung seiner Schuldigkeit.

Gillius bezeuget von eigner Erfahrnuß / daß er aus Fürwitz es probirt / und einen solchen Fisch angerührt habe: Es sey ihm zwar die Hand in etwas verstarret oder verlahmet / aber nicht gar lang (fast eben also wie wann einem der Fuß entschlaff) wann man aber ein wenig Gedult trage / da vergehe es wiederum /und alsdann könne man diesen Fisch wohl fangen.

Remora aber heist so viel als ein Aufhaltung oder Verhindernuß / und ein solche Torpedo und Remora ist ein sittlichem Verstand eine böse Gewohn- oder Gelegenheit / ein böse Anmuthung / ein Menschlicher Respect oder zeitliches Interesse etc. Welches alles genugsam ist / das Schifflein der Menschlichen Seel auf zu halten / und mitten in dem Lauff zu stellen /also daß es nicht mehr ungehindert fortfahren kan zu dem erwünschten Port der ewigen Glückseeligkeit. Man sagt auch / dieser Fisch Remora erkenne das bevorstehende Ungewitter / deßwegen er alsdann sich an einem Stein / als an einem Ancker fest halte / damit er von den hefftigen Wellen nicht zerschlagen oder aus dem Meer geworffen werde. Wann nun die Schiff- Leuth dieses mercken / da thun sie sich gleichfalls beyzeiten versehen / und ihre Schiff mit dem Ancker befestigen.

Nach dem Exempel dieses Fischs soll auch der Mensch das bevorstehende Ungewitter / das ist / die Gefahren / Versuchung- und Trübsalen klüglich / so viel möglich ist / vorsehen und erwegen / um heilsame Mittel wieder selbe zuergreiffen / und absonderlich durch den Glauben / Hoffnung und Liebe an dem Eckstein / welcher Christus ist / sich fest anhalten /daß er in dem Ungewitter der Versuchung- und Verfolgungen nicht zu Grund gericht werde.

Scaurus ist ein Edler Meer-Fisch / aus den Stein-Fischen einer / dann er hält sich auf in den Löcher und Hölen der Steinfelßen / und ist gut zu essen. 41 Er hat grosse dinne Schupen / an der Farb ist er schwartz blau / an dem Bauch weiß / er hat unten und oben breite Zähn / als wie die Menschen Zähn / und grosse Augen: Sein Art ist / daß er wieder die Gewohnheit anderer Fischen ruminirt / das ist / die Speiß verkeuen thut als wie die Kühe und Ochsen: Sein Speiß aber ist das Mieß und Gras / so auf dem Grund des Meers wachset.

Man schreibt von diesem Fisch / daß / wann er an einem Angel gefangen werde / da thun die andere seines gleichen die Schnur abbeissen oder abnagen / und ihn also los machen / wann er aber in einen Fischkorb oder Reussen eingehe / da bemühe er sich [395] nicht mit Gewalt den graden Weg wiederum herauszutringen /damit er den Kopf und die Augen nicht verstosse und verletze / sondern er gehe ruckwerts / und schlage so lang mit dem Schwaiff an dem Loch des Korbs herum / biß er ihm selbst den Ausgang eröffnet / kommet aber ein anderer Scaurus darzu / und sieht / daß sein Gespan gefangen ist / da ergreifft er ihn mit seinem Maul bey dem Schwaiff / und ziehet ihn ruckwerts heraus.

Die Klug- oder Fürsichtigkeit dieses Fischs Scauri ist wohl würdig / daß sie von dem Menschen auf seine gewisse Art imitirt werde: Dann wann der Mensch in ein Gefahr oder Unglück gerathen oder verfallen ist / da ist es nicht allzeit gut und rathsam /daß er gleich mit Gewalt sich aushalffteren oder los machen wolle / dann er möcht sich verstossen / oder noch mehr verwicklen: sondern er solle behutsam und gemächlich darein gehen / und den ruckweg suchen. Wann aber ein Mensch dem höllischen Seelen Fischer durch die Versuchung ins Netz gangen ist / oder an seinem Angel angebissen hat / und gefangen ist / da soll ein anderer absonderlich ein Seelsorger / der seine Gefahr sihet / ihme nach Art dieser Fischen getreulich zu Hülff kommen / und ihn mit dem Mund /das ist / mit dem Predigen oder Zusprechen wiederum heraus ziehen oder zuruck und aus der Gefahr / von der Sünd und Gefangenschafft der Seel erledigen.

Die Thonnen seynd grosse Meer-Fisch / ihr Fleisch ist schier als wie das Rindfleisch zu essen. 42 Sie schwimmen gern der Wärme nach an die Sandächtige Ufer heraus und zu oberst in dem Wasser / zur Winters-Zeit aber begeben sie sich in die Tieffe / und werden nur im Sommer gefangen. Ihr Speiß seynd kleine Fisch / Meerschnecken / und was in dem Grund des Meers wachset. Sie schlaffen starck / also daß sie offt im Schlaf aus Land gezogen werden: mit dem rechten Aug sehen sie besser als mit dem lincken / sie erkennen aus Eingebung der Natur die Enderung des Gestirns und der Jahrzeiten / aber seynd so gefräßig /daß sie ihrem eignen Rogen nicht schonen: Bißweilen werden sie so feist / daß sie zerspalten: Sie haben ein grosses Maul und Augen / unterschidliche Flossen /und einen breiten Elenweit nach der Zwerch sich ausstreckenden Schweif.

Ubrigens sind sie so fürwitzig / daß wann sie auf dem Meer ein Schiff sehen daher seglen / da verschauen sie sich daran / wollen wissen / was es seye / und schwimmen ihm so lang nach / biß daß man ihnen ein dreyeckiges Eisen in den Leib wirfft / und also werden sie gefangen.

In diesem Stuck (anders kurtze halber zugeschweigen) mögen wohl die fürwitzige Jung-Gesellen und Jungfrauen mit den Thonnen oder Thun-Fischen verglichen werden / welche wann sie auf diesem grossen Welt-Meer etwas rares oder neues sehen oder hören /da wollen sie wissen / was es seye / sie lauffen ihm nach / sie wollen bey allen Schauspihl und Comödien / auf allen Märck- und Tantz-Plätzen seyn: aber bey solcher Gelegenheit wird ihnen offt gehlingen ein dreyeckiges Eisen in den Leib / oder vielmehr in das Hertz geworffen / durch welches sie tödtlich verwundt und gefangen werden. 43 Dieses dreyeckiges Eisen aber oder dieser Wurff-Pfeil ist / von welchem der Heil. Johannes sagt: Alles alles / was in der Welt ist / das ist entweders Wollust des Fleischs / oder Lust der Augen / oder Hoffart des Lebens. 44 Es kan gewißlich von dem Fürwitz eben das gesagt werden / was der weisse Mann von dem Müßiggang gesagt hat / nemlichen? Multam malitiam docuit: 45 Er bringt vieles Ubel.

Der Chelon oder Meer-Alet ist nicht gar groß / von dem Kopf an gegen den Schwaiff hat er schwartze Linien / in gleicher weite von einander gesetzt: Seine Augen stehen ihm vor dem Kopf heraus / seine Lefftzen aber seynd dick und weit ausgestreckt. 46 Dieser Fisch wohnet in lettigen Orten bey den Meerpfützen /er lebt und [396] nähret sich allein von seinem Schleim und seiner Feuchtigkeit / die von seinem Leib ausgehet; deßwegen ist er gar nüchter / aber dannoch frisch und starck.

Deßwegen deutet er uns an die / so der Mäßigkeit und dem Fasten ergeben seynd; dann diese speisen und nähren sich geistlicher Weiß von ihrer innerlichen Feuchtigkeit / das ist / von den Buß-Zäheren und von der Andacht: inmassen der reumüthige David gesprochen hat: Feuerunt mihi lacrymæ panes die ac nocte: 47 Meine Thränen seynd mein Speiß Tag und Nacht. Diese / obwohlen sie wenig leibliche Speiß geniessen / und gesparsam leben / so seynd sie doch starck und hurtig im Geist / wie der Apostel Paulus selbst von ihm bezeuget: cum infirmor, tunc potens sum, 48 wann ich schwach bin / verstehe dem Leib nach / so bin ich starck in dem Geist.

Der Schwerdt-Fisch hat den Nahmen von seiner Gestalt / inmassen der obere Theil seines Mauls so lang / scharpff und spitzig ist als wie ein Schwerdt. 49 Es ist ein ansehnlicher / groß- und starcker Fisch / zu Zeiten bey 20. Schuhe / oder gegen 10. Ellen lang /und in der Breite 3. Schuhe / sein Schwerdt aber oder Schnabel biß 7. Schuhe lang / und so hart als wie ein Bein. Seine Haut ist glatt und ohne Schupen: auf dem Rucken ist er schwartz wie ein Sammet / an dem Bauch aber Silber-weiß: er hat vil Feißte / und einen breiten sich auf beyde Seiten zwerchs-weit ausstreckenden Schweiff. Mit ermeldtem seinem Schwerdt oder langen spitzigen Maul verursacht er den Schiffenden grossen Schröcken und Schaden / massen er fähig ist / mit selbem auch grosse Schiff zu durchstechen oder zu durchbohren und zu versencken: ja auch den Wallfischen kan er darmit den Bauch aufreissen. Diese Fisch wohnen gemeiniglich in der Tieffe des Englischen und Teutschen Meers / sie begeben sich aber auch zu Zeiten aus dem sauren Meer in das süsse Fluß-Wasser herauß. Die gröste aber sollen sich in dem Indianischen Meer befinden / und wann sie auch den Fischeren in das Garn gerathen / thun sie öffters mit grossem Gewalt alles zerreissen / doch werden sie auch zu Zeiten auf die Art schier wie die Wallfisch gefangen.

Durch diesen Schwerdt-Fisch können meines Erachtens füglich die böse und ehrenrührische Mäuler verstanden werden; dann eben diese seynd denen auf dem grossen Welt-Meer herumschiffenden Menschen sehr gefähr- und schädlich / sie zerlöcheren und zerschneiden mit dem scharpff-schneidenden Schwerdt ihrer bösen und gifftigen Zungen die Ehr und den guten Nahmen ihrer Neben-Menschen also / daß sie offt wegen solcher Verläumbdung in dem Meer der Trübsal / Armuth oder Verfolgung jammerlich müssen zu Grund gehen. Auch den grossen Wallfischen /ich will sagen / den grossen Herren / geistlich- und weltlichen Obrigkeiten verschonen sie nicht / sondern beschädigen selbe mit dem scharpffen Schwerdt ihrer Zungen: wie es der Königliche Prophet David nur gar zu wohl erfahren / und deßwegen über diese Schwerd-Fisch sich beklaget hat / sprechend: Filii hominum dentes eorum arma & sagittæ, & linguæ eorum gladius acutus: Der Menschen-Kinder ihre Zähn seynd Spieß und Pfeil / und ihre Zungen scharpffe Schwerdter.

Aber man schreibt auch von dem Schwerdt-Fisch /daß er zur heissen Sommers-Zeit von einem kleinen Thierlein / Asilus genannt / welches sich zwischen seine Ohren anhängt / dermassen geplagt werde / daß er vor Schmertzen sich selber auf das Land oder in ein Schiff werffen thue / ja auch zu Zeiten gar darvon sterben müsse. Eben also werden auch die Ehrabschneider zu seiner Zeit / nemlich in dem Todtbeth /von einem kleinen / aber sehr bösen und gifftigen Thierlein / nemlich dem nagenden Gewissens-Wurm erbärmlich gepeiniget und tödtlich verwundet.

Die Lampret oder Prücken ist an ihrer Gestalt zimmlich gleich einem [397] Meer-Aal / doch vil kleiner. 50 Sie ist ein langer / rund- und schlüpfferiger Fisch: Eigentlich werden sie von den Lateineren Lampetra, vom Steinlecken genennt; dann sie pflegen mit dem Maul (welches rund und ausgehöhlt ist / und mit gelben Zähnlein besetzt) starck an denen Stein-Felsen zu hangen oder anzukleben / und gleichsam daran zu saugen / von welchen man sie mit einem kleinen Gewalt abreissen muß. Ihre Haut oder Farb ist schwartzlecht / mit Flecken besprengt / und zuvorderst auf dem Kopff hat sie einen weißlechten Fleck / darbey ein Löchlein ist / durch welches sie den Lufft und das Wasser an sich zieht / deßwegen sie auch nur oben auf dem Wasser her schwimmet: Die Prücke hat keine Zungen / aber runde tieffe Augen / sie bewegt sich und schwimmet mit keinen Flossen / sondern durch vil Krümmungen des Leibs / als wie die Aal und Otteren / sie lebt von dem Schleim / und ihr Fleisch ist zäh / doch annehmlich zu essen / aber nicht gar gesund / wann es nicht wohl gewürtzet wird. Die Prücken kan man nicht wohl mit den Händen halten / sie schlüpffern gleich aus / und wann man sie anrührt /krümmen und winden sie sich gleich zusammen. Sie bleiben nicht in dem Meer / sondern im Frühling streichen sie zum Laichen in die Flüß und süsse Wasser herauß.

Es können dißfalls durch diese Lampreten die haicklich- oder ungedultige Menschen verstanden werden / bey welchen es immerdar heißt: Noli me tangere: wann man sie nur ein wenig hart anrührt oder saur anschauet / da ist es gleich Jammer und Noth /sie winden und krümmen sich / als wann ihnen weiß nicht was und wie vil übel geschehen thäte: sie lassen sich auch nicht heben / und halten gar keinen Stand /sondern gehen oder schleichen gleich durch / wann man sie zu der Gebühr anstrengen will. Sie bleiben auch gar nicht gern in dem bitteren Meer-Wasser derMortification oder des Creutzes und Leidens / sondern zur Frühlings-Zeit / das ist / wann die zeitliche Wohlfahrt sie anscheinet / da schwimmen sie als wie die Lampreten / dem süssen Wasser der irrdischen Freud und sinnlichen Gelüsten nach / in welchem sie aber zum öffteren gefangen werden.

Fußnoten

1 Viel und Unterschiedlichkeit der Fischen.

Gen. c. 1. v. 2.

2 Esai. c. 50. v. 2.

3 Dreyfache Abtheilung der Fischen.

4 Die Menschen mit den Fischen verglichen.

5 Eccle. c. 9. v. 12.

6 Habac. c. 1. v. 14.

7 Matth. c. 4. v. 19.

8 Exod. c. 7. v. 18.

9 Theils Sünder theils Gerechte durch unterschiedliche Fisch angedeuttet.

10 Seneca lib. de nat. Quælt.

11 Matth. c. 13. v. 47.

12 Eccli. c. 7. v. 40.

13 Natur und Beschaffenheit des Delphins.

14 Grosse Lieb und Dienstbarkeit gegen dem Menschen.

15 Geschichten.

16 Lieb und Treu der Delphinen gegen einander.

17 Eigenschafften des Delphins auf die menschliche Sitten gezogen.

18 Joan. c. 15. v. 12.

Matth. c. 25. v. 40.

19 Psal. 31. v. 11.

20 Prov. c. 28. v. 1.

21 Christus der HErr mit dem Delphin verglichen.

Prov. c. 8. v. 31.

22 Matth. c. 10. v. 14.

23 Wallfisch seynd wunder Groß und vielerley.

24 Psal. 25. v. 26.

25 Fernere Beschaffenheit und Eigenschafft der Wallfischen.

26 Der böse Feind mit dem Wallfisch verglichen.

27 Geschicht.

28 Der Wallfisch-Fang wird beschrieben.

29 Christus ist ein fürtrefflicher Seelen Fischer.

30 Luc. c. 19. v. 10.

31 Beschaffenheit des Stockfisches.

32 Liederliche Leuth seynd gleich dem Stockfisch.

33 Natur und Eigenschafft der Häring.

34 Häring-Fang wie häuffig und einträglich er seye.

35 Die Ordens-Geistliche mit dem Häring verglichen.

36 Isaiæ c. 59. v. 9.

37 Serra, ein Meer-Fisch / bedeutet den Todt.

38 Psal. 48. v. 15.

39 Torpedo, der Zitter- oder Krampfffisch.

40 Remora ein Meer-Fisch.

41 Scaurus ein Meer-Fisch.

42 Thonen oder Thun-Fisch.

43 Fürwitz ist schädlich.

44 Joan. c. 1. v. 2.

45 Eccli. c. 33. v. 29.

46 Chelon oder Meer-Alet.

47 Psal. 41. v. 4.

48 Schwerdt-Fisch.

49 Böse Mäuler und Zungen seynd sehr schädlich.

50 Die Lampret oder Prücken.

V. Von den Flüß- und See-Fischen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von dem Hecht und Karpffen.

Die anderte Abtheilung der Fischen geschieht in die jenige / die sich ausser dem Meer in den süssen Wässeren / das ist / in den Flüß- und Seen / in Bächen und Weyeren befinden. Dergleichen seynd erstlich die Hecht und Karpffen.

Der Hecht / Lucius oder Lupus, ist unter den Fischen in dem Wasser eben was der Wolff unter den irrdischen Thieren / nemlich ein grausamer und gefräßiger Rauber: Lucius est piscis, Rex atque tyrannus aquarum. 1 Mit einem Wort / ein Wasser-Wolff / ein ansehnlicher starcker Fisch / mit scharpff- und spitzigen Zähnen / zu Zeiten / wann er lang nicht gefangen wird / so groß / daß er Fisch / die auch etlich Pfund schwer / verschlucken kan / sonsten aber und ins gemein ist er selbst nur etlich Pfund schwer. Er greifft alles an / und frißt es / wann ihn hungeret / was er im Wasser bekommen kan / auch die kleinere Hecht selbsten / Frösch und Krotten.

Ein Hecht kan überaus lang leben: Man schreibt von dem Kayser Friderico dem Anderen / daß er einem Hecht einen kupffernen oder ährinen Ring mit der Jahrzahl um die Ohren habe [398] anlegen lassen / und denselben in einen See bey der Reichs-Stadt Hailbronn gethan / welcher Fisch nachmahls erst Anno 1447. wieder seye gefangen worden / und also habe es sich gewissen / daß er 267. Jahr lang in selbem Wasser gestanden seye: Selbiger Ring sambt seiner Griechischen Uberschrifft ist in dem Fischbuch D. Conrads Forer fol. 175. abgebildet zusehen: Es soll die Haut des Fisches darüber gewachsen gewesen sein. Daher kommt es vielleicht / daß mann von einem Menschen / der gantz wohl auf ist / zusagen pflegt: Er sey so gesund als wie ein Hecht: Es ist auch sein Fleisch gesund / doch wann er groß ist / etwas hart zu essen.

Die Biß der Hechten seynd zimmlich schädlich /und heilen ungern: Sie verbeissen sich auch also starck / wann sie etwas erhaschen / daß man ihnen das Maul mit einem Gewalt muß aufbrechen.

Durch den Hecht können sittlich- und politischer weiß verstanden werden die ungerechte und unbarmhertzige Obrigkeiten / die Wucherer und geldgierige Beambte / die also gefräßig oder geitzig und grausam seynd / daß sie als wie der Hecht alles / was kleiner oder schwächer ist als sie / verschlucken und auffressen / das ist / frembdes Gut angreiffen und verzehren /auch ihren eignen so wohl Befreunden als Unterthanen nicht verschonen. 2 Sie fressen Fisch und Krotten / Fromme und Böse / schuldig- und unschuldige /straffen und berauben sie / pressen und saugen sie aus: und wann sie einen Raub / ein ungerechtes Gut erwischt und ergriffen haben / da fassen und halten sie es so starck mit den Zähnen des Geitzes und der Ungerechtigkeit / daß mans nicht mehr kan von ihnen bringen / wann ihnen nicht mit Gewalt der Mund aufgebrochen wird / und sie von dem Todt / oder einer anderen höheren Obrigkeit gezwungen werden / das ungerecht erpreste Gut und Geld wiederum heraus zuspeyen.

Man sagt auch von dem Hecht / daß wann er einen Fisch fange / der ihm zu groß ist / und er selben auf einmahl nicht verschlucken kan / da halt er ihn so lang in seinem Maul und Rachen / biß daß der vorder Theil in seinem Magen verzehrt oder verkeuet ist /hernach schluckt er gleichwohl den übrigen Theil hinab: Wie man dann auch würcklich zu zeiten Hecht fangt und findet / denen ein Fischschwantz noch zum Maul heraus gehet. Eben also machen es die ungerechte Obrigkeiten / die Geitzhälß und Wucherer /wann sie einen ehrlichen Mann / der ihnen zu groß /das ist / zu klug ist / nicht auf einmahl ermeistern können / oder über ein Hauffen werffen / und um alles das seinige bringen / wann sie ein geistliches Gut nicht auf einmahl können verschlucken / weilen etwann der Brocken zu groß ist / und förchten / sie möchten daran versticken / da thuen sie es nach und nach / sie verschlucken zu erst die Helfte / oder den dritten Theil / sie greiffen jetzt dieses Eigenthum /diese Einkünfften des Nachbahren / oder des Unterthanen an / und wann sie solches verdäuet haben (welches bald geschehen ist / dann sie haben einen so guten Magen / ja einen Straussen Magen / der auch das Eisen / das ist / Eisen feste Gegenrecht und Beweißthümen verkochen kan) alsdann sage ich / verschlucken sie auch das übrige: und mithin vermeinen diese politische Hecht oder Raubfisch / sie seyen noch höfflich genug / daß sie nicht den gantzen Fisch auf einmahl verschluckt und aufgefressen haben.

Aber gleichwie der Hecht offtermahl seinem eignen Herren / der ihn in seinen Weyer gesetzt hat / viel Schaden thut / indem er die junge Karpfen-Bruth offt wacker zusammen raumbt (also daß wann der Herr des Weyers Karpfen auf sein Tafel haben will / offt schier keine mehr da seynd / sondern die meiste von einem grossen Hecht gefressen worden) eben also /sage ich / ist ein interessirter geldgieriger Minister oder Beambte seinem Principal in dem Gebiet oder in der Herrschafft / welcher er vorgesetzt ist / sehr schädlich / dann wann der [399] Oberherr von seinen Unterthanen die jährliche Zinß und Renten haben will / da seynd sie bißweilen von denen Geld-hungerigen Beambten schon vorher also erpreßt und ausgesogen /daß sie ihrem Oberherrn das Seinige zu geben nicht mehr fähig seynd.

Den Bersich oder Stichlingen gewinnt der Hecht nicht vil ab / dann obwohlen sie klein / so seynd sie doch mit spitzigen stechenden Flossen auf dem Rucken und an dem Schweiff wohl gewaffnet und bewahrt: selbe / wann sie der Hecht verschlucken will /strecket er selbein die Weite aus / damit der Hecht das Maul daran versteche / und ihn müsse gehen lassen: aber wann er ihn beym Kopff verwischt / da muß er halt auch daran. 3 Fast eben ein solche Beschaffenheit hat es mit dem höllischen Raub-Fisch und dem Menschen: wann jener diesen verschlucken / das ist /durch die Versuchung in die Sünd stürtzen will / da solle der Mensch das Raube herfür kehren / die spitzige Stachel der Buß-Werck oder Abtödtung und Strengheit des Lebens / wie auch den stechenden Schweiff / das ist / die Gedächtnuß des Tods entgegen halten / so wird er sich leicht vor ihm verwehren. Aber auch das Haupt muß er wohl verwahren / ich will sagen die Intention, die Meinung / welches die Haupt-Sach ist in allen menschlichen Wercken / muß gut und rein seyn / sonsten / wann ihn der höllische Raub-Fisch bey dem Haupt nimmt / oder findet / daß die Meinung nicht gut ist / da thut er den Fisch / den Menschen leicht übermeisteren und verschlinden.

Der Karpff / Carpio oder Cyprinus, ist ein unseren Landen gar wohl bekannter Fisch / und also unnöthig / selben vil zu beschreiben. 4 Sage nur / daß die jenige die beste seyen / die einen gelben harten Bauch / und einen kurtzen rundlechten Kopff haben / und über den Leib her schwartzlecht aussehen. Wann sie aber grosse und weiche Bäuch haben / und ein Grüblein darinn behalten / wann man mit dem Finger darauf druckt / da seynd sie nicht so gut. Ihre Art oder Eigenschafft betreffend / so wohnen sie zwar in unterschiedlichen Wässeren; dann es gibt Strom-Karpffen /See-Karpffen und Fluß-Karpffen / doch lieber im stehenden und etwas trüb- als fliessenden und gar zu klaren: Sie halten sich gern auf / wo ein lettiger Boden ist. Karpffen-Stein / so in den Karpffen gefunden werden / dienen in der Apotheck / und werden wider die Colic und den Stein præparirt. Ubrigens (anderes zu geschweigen / inmassen meine Intention nicht ist / eigenthumlich einen Fischer oder Jäger etc. abzugeben / sondern nur einige merckwürdige Eigenschafften der Thieren anzufügen / und darüber zu moralisiren / oder ein nutzliche Sitten-Lehr darauß zu ziehen) übrigens / sage ich / wird an denen Karpffen ein sonderer List oder Fürsichtigkeit verspührt; dann wann sie mercken / daß man ihnen mit dem Netz oder Fisch-Garn zusetzt / und sie fangen will / da suchen sie allerley Vortheil und Ausflüchten: bald begeben sie sich zu oberst des Wassers / schwingen sich in die Höhe / und werffen sich also über das Garn hinauß: bald hingegen sencken sie sich in die Tieffe / und graben unter dem Garn ein Loch / und schlieffen durch /oder stecken den Kopff biß in den lettigen Boden hinein / damit also das Garn / wann man es zieht / über sie her streiffe / und sie nicht ergreiffen oder mitnemmen kan etc. 5

Dieses ist ein Vortheil für den Karpffen / daß er nicht so leicht gefangen wird: aber noch ein grösserer Nutzen und Vortheil wäre es für den Menschen / daß er nit dem bösen Feind vermög der Versuchung in das Garn gerathe / wann er allzeit gleich solche Ausflüchten suchte / und eintweders in die Höhe sich aufschwingte / das ist / durch das Gebett und Erhebung des Gemüths zu GOTT und den Heiligen die Zuflucht nemme: oder aber in die Tieffe sich begebe / und durch die Demuth / durch Betrachtung seines Nichts /des Tods und der Höllen in den Boden grabete etc. so wurde er leicht dem Garn entgehen.

[400] Die Karpffen halten sich gern im Letten auf: auch der Mensch soll sich gern im Leim oder Letten / von dem er herkommt / aufhalten durch die Demuth oder Niderträchtigkeit in Erwegung seines schlechten Herkommens: massen auch der Prophet David gesprochen hat: Infixus sum in limo profundi: 6 Ich bin versuncken im tieffen Schleim. Aber nicht soll er im Koth oder Letten stecken durch die irrdische Begierd- und Anmuthungen / sondern vilmehr mit denselben sich herauß schwingen / und sich empor heben etc.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von noch etlich anderen Fischen.

Der Aal / Anguilla, ist ein an der Gestalt den Schlangen gleichender / langer / runder / schlüpfferig- und sehr beweglicher Fisch / der nicht wohl mit blossen Händen kan gehalten werden / daß er nicht ausschlüpffe: Er hat ein sehr starckes Leben / und wann ihm schon die Haut abgezogen / ja wann er schon in Stuck zertheilt ist / da rührt er sich noch. 7 Der Aal befindet sich in unterschiedlichen frischen See und Flüssen / und wird auf unterschiedliche Weiß gezeugt und gefangen. Sein Fleisch ist lieblich zu essen / aber wegen der Fette nicht gesund. In trüben Wässeren ersticken die Aal bald / hingegen können sie ausser dem Wasser eine gute Weil an dem Lufft leben / absonderlich auf kühlem schattichtem Gras-Boden. Bey der Nacht waiden sie sich / bey Tag aber verschlieffen sie sich in die Löcher des Grunds: sie fressen unterschiedliche Ding / die sie im Wasser bekommen /auch Schleim / und wie man sagt / den Saamen der anderen Fischen. Der Donner-Knall erschröckt die Aal-Fisch offt also / daß sie sich aus der Tieffe zu oberst auf das Wasser herauf begeben / und man sie alsdann leicht fangen kan. Von dem Kopff und Schweiff der Aalen hat man ein Abscheuen: ihr Blut oder Schweiß ist sehr schädlich / wann einem etwas darvon in die Augen kommt.

Durch den Aal-Fisch können die listige / boßhafft-und betrügliche Leuth verstanden werden / welche bey ihren Worten und Versprechen nicht können gehalten und bezwungen werden; dann sie schleichen durch oder schlüpffen aus durch allerhand falsche Sprüng und Ränck: und wann man vermeint / man habe sie schon bemeisteret und bezwungen / so geben sie sich doch nicht zur Ruhe / sondern wehren sich noch immer als wie der schon verstuckte Aal sich krümmet und windet. 8 Und wie die Aal-Fisch den Schlangen gleich sehen / also seynd auch die boßhaffte Betrüger den Schlangen gleich / theils wegen der Arglistigkeit /theils wegen dem Gifft ihrer Falschheit. Sie haben offt ein langes starckes Leben (wann es doch ein Leben zu nennen ist) Impius multo vivit tempore in malitia sua, sagt der weise Ecclesiastes: 9 Es ist ein Gottloser / der lang lebt in seiner Boßheit.

Die Aal-Fisch seynd gar annehmlich und wohlgeschmack zu essen / aber hart zu verdäuen und ungesund / wie Hippocrates schreibt: Anguillæ habent pinguedinem hominis naturæ maximè contrariam: 10 Die Aal haben eine Fettigkeit / welche der Natur der Menschen sehr zuwider ist. Auch die listig- und schlauhe Betrüger seynd lieblich und angenehm wegen ihren schmeichlenden Worten und Gebärden /aber doch in der Sach selbsten sehr schädlich / und dem gemeinen Nutzen zuwider.

Absonderlich kommen die listige Betrüger mit den Aal-Fischen in diesem übereins / daß / gleichwie die Aal den anderen Fischen den Laich oder Saamen wegfressen / und ihnen die Brut oder Junge verderben /also thun diese betrüglicher Weiß anderen Leuthen den Rogen / das ist / die zeitliche Mittel hinweg rauben / und dardurch ihre Kinder und Erben ins Verderben stecken. Ein todter Aal / wie man schreibt /schwimmt niemahl oben auf dem Wasser / sondern fallet zu Boden / und bleibt da ligen / da wird man ihn verfaulter [401] finden / wann etwan das Wasser ablaufft. Eben also die listig- und boshaffte Betrüger / wann sie in Sünden gestorben und verdorben seynd / fallen sie in den Abgrund / und werden nimmermehr sich in die Höhe schwingen / oder zur Gnad und Glori auferstehen: An dem Jüngsten Tag / wann das große Welt-Meer biß auf den Grund ablauffet / da wird man sie in der Tieffe verfault oder verdorben liegen sehen.

Der Lachs oder Salm (wird insgemein für eins genommen / obwohlen etliche wiedersprechen) kommt urspringlich aus dem teutschen Meer her / und gehet auch öffters wieder dahin / doch thut er sich auch viel in starck- und fischreichen Flüssen auch gewissen Seen aufhalten / absonderlich in Nider-Sachsen / in der Elbe / in der Oder etc. und dergleichen Flüssen /die ins Meer fliessen. 11 Es ist ein edler schöner delicater Fisch: sein Gestalt und Anmuthungen aber finde ich so unterschidlich beschrieben (wie es auch bey viel andern / absonderlich Meerfischen gehet) daß ich hiervon nicht viel für gewiß ausgeben mag. Dieses soll richtig seyn / daß er vielfältig und gewaltig wieder den Strom aufwerts schwimme / auch sich in die Höhe schwinge / oder überspringe / wann ihm mit dem Garn zugesetzt wird / oder sonsten was im Weg stehet: aber bey diesem aufsteigen oder aufwerts streichen wird er öffters und leichter gefangen: zu Zeiten treibt ihn auch der Gewalt des Stroms wieder zurück hinab / und also kommt er öffters in die gelegte Fischkörb.

Der Ursachen können durch diesen Fisch verstanden werden die jenige eigenstinnig- oder hartneckige Menschen / die in ihrem gefasten Wahn nimmer wollen nachgeben / sonder sich auf ihr Stärcke / Witz und Kunst verlassend wieder allen Beweißthum und Einrathen ein Ding gewaltsam wollen durchtringen / und also gleichsam wieder den Strom / das ist / wieder die Natur und Verordnung GOttes gehen / indem sie fast unmöglicher Dingen / oder ihre Kräfften übertreffender Geschäfft und Künsten / als zum Exempel Gold zumachen und dergleichen etc. sich unterfangen. Aber sie werden öffters von dem Strom zuruck getrieben /das ist / sie müssen unverrichter Sachen von ihrem Vorhaben abstehen / sie gehen in den Korb ein / als wie der Salm oder Lachsfisch / oder bleiben an einem Stricklein hangen etc. Diesen soll man mit den Worten Exodi. c. 8. v. 8. in die Ohren schreyen: Stulto labore consumeris, ultra vires tuas est negotium: 12 Du thust unweißlich / das Geschäfft ist über dein Vermögen? Und wiederum: noli resistere contra faciem potentis, & ne coneris contra ictum Fluvii: Wiederstrebe nicht dem Gewaltigen / und strebe nicht mit Gewalt wieder den Strom.

Auch die Forellen seynd herrliche / gesunde und stattliche Fisch: Der gelehrte Griechische Atheneus nennet sie ein wohlnährenden Fisch: Es gibt zwar unterschidliche Gattungen derselben / welche unterschidlich gefärbt / und gesprecklet seynd. 13 Die Forellen halten sich gern auf in mineralischen Wasseren / die aus den Bergen fliessen / und etwas weniges von Metallen vermengtes mit sich führen / und wann sie nur ein solches kleines Bächlein antreffen / so verlassen sie gleich andere Fluß und See / halten sich da auf / und vermehren sich starck: sie gehen auch gegen dem Wasser und immerdar höher / seynd starck und schnell. Ihr Speiß seynd Wassermucken / Wasserwurm und Schnacklein / auch kleine Fischlein etc.

Von einem starcken Donnerklapf sollen die Forellen also erschröcken und erstaunen / daß sie unbeweglich stehen bleiben / also daß sie zur selben Zeit /wann man gleich darbey ist / wohl mögen mit Händen gefangen werden.

Diesen Fischen seynd diejenige Menschen gleich /welche immerdar gantz begierig und starck den Mineralischen Wasseren / das ist / den jenigen Gelegenheiten nachgehen / welche etwas von Metall / von Silber und Gold mit sich führen / wo sie einen Profit oder Gewinn machen können / da halten [402] sie sich gar gern auf / in ein solches Wasser / in ein solche Gelegenheit seynd sie gäntzlich verliebt und vertieffet: Aber diese geitzige und Geldgierige Menschen schwimmen offt als wie die Forellen / mit Gewalt wieder das Wasser /wieder den Strom / und zwar immerdar höher / ich will sagen / wieder Recht und Billichkeit / wieder GOtt und das Gewissen wollen sie mit Gewalt reich und hochangesehen werden / biß daß etwan gehling ein starcker Donnerklapf / das ist / ein grosses Unglück / ein schwere Straff GOttes über sie kommt /selbe erschröckt / erstaunend und stillstehen / oder in dem Lauff der Ungerechtigkeit abstehen machet / also daß sie sich gefangen geben und bändigen lassen etc.

Die Felchen seynd wohl bekante Seefisch / die zu gewissen Zeiten in unterschidlichen Seen des Teutschlands in grosser Menge gefangen / doch nach Zunahm des Alters und Wachsthums unterschidlich benamset werden / als nemlich zu erst / da sie noch klein seynd / Gangfisch / hernach Rencken / und letzlich Felchen /eine zwar weiß-andere aber blaue Felchen. 14 Ihr Art solle seyn / daß sie begierig den Rogen anderer Fischen wegfressen / und deßwegen in der Gemeinschafft anderer Fischen schädlich seyen: Gewiß ist es / daß sie ausser dem Wasser nicht leben können / und wann man sie nicht einsaltzet / faulen sie bald: Also die unnütz- und müßige Menschen fressen den Rogen / oder verzehren die Früchten und Mittel / die Mühe und Arbeit der anderen / und deßwegen seynd sie schädlich in einer Communität oder gemeinem Wesen.

Sie haben auch die Schärpfe des Saltzs nothwendig / das ist / sie müssen mit Ernst und Strengheit zur Gebühr und zur Arbeit angehalten werden / sonsten verfaulen oder verderben sie vor Trägheit etc.

Noch viel andere Fische thue ich theils Kürtze halber mit stillschweigen umgehen / theils der Ursachen /weilen ich keine sonders merckwürdige Eigenschafften an ihnen finde / welche füglich auf die Sitten der Menschen möchten ausgedeutet werden.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.

oder

Anhang
Zu den Fischen von der Fischerey.
Et juvat, & licitum est piscando fallere tempus,
Omne tamen tempus perdere pisce nocet.
Das Fischen niemand schadt noch irrt /
Wann Maaß und Zihl gehalten wird. 15
GOtt gibt die Fisch zur Menschen Speiß /
Brauch sie nur nicht verkerter weiß. 16

Ein schönes / lustig- und nützliches Ding ist es um das Fischen: Ein altes Herkommen ist es um daß Fischen.


Das Fischen / Voglen und Wilfdang /
Ist schier von der Welt Anfang.

Schier bey allen Völckeren und in allen Ländern (wo es fischreiche Wasser gibt) gehet das Fischen in dem Schwang: deßwegen seynd auch gemeiniglich an den fischreichen Wässeren so viel Städt und Flecken erbauet worden. An dem Galilæischen Meer ware Capharnaum, Tyberias, Bethsaida, Magdalum, und andere Städt mehr gelegen. Auch an dem Rhein / Mosel / Donaufluß etc. sehen wir herrlich- und Volckreiche Städt gebauet: deßgleichen an grossen Seen und Meeren liegen die Städt / Flecken und Dörffer in grosser Anzahl herum. Dann die Fisch seynd gewißlich ein sehr fruchtbar- und nutzliches Ding / sie thun sich sehr vermehren / sie werden bald groß und zahlreich /Krafft des Göttlichen Seegens / den sie bey Erschaffung der Welt empfangen haben / als GOtt gesprochen hat: Crescite & multiplicamini etc. 17 Seyd fruchtbar und mehret euch / und erfüllet [403] die Wässer. Die alte Römer haben vor Zeiten gar viel auf die Fisch gewendt / und selbe mit grossen Kösten in ihren Lustgärten und Weyeren gehalten.

Viel tausend thun sich nur mit dem Fischfang hin und wieder ernähren und erhalten / absonderlich in Holl- und Engelland / in Dännemarck / Preussen etc. Wo die Fisch nicht nur in überaus grosser Menge gefangen / sonder auch von dort aus weit und breit gar in andere Länder häuffig verschicket werden.

Gleichwie aber die Fisch gar vielfältig und unterschiden seynd (ja fast unzahlbare Art und Gattungen derselben) also ist auch das Fischen gar unterschidlich / nicht nur mit Garn / Anglen / Körben / Stechstangen und Händen / sonder in gewissen Länderen thut man auch Fisch mit Fischen fangen / welche als wie die Jag-Hund abgericht seynd: ja auch mit gewissen Stoß- oder Raubvöglen / die aus dem Lufft auf die Fisch hinab schiessen / selbe einhohlen und ihren Herren lifferen. 18

Man schreibt von gewissen Meer-Fischen / welche durch die Music gefangen werden / massen sie den Klang oder Thon eines jeden Instruments oder Gesangs also lieben / daß sie ihm gantz nahe zuschwimmen: Die Portugaller und Brasilianer zerstossen die Rinden eines gewissen Baums / Anda genannt / und werffen dieselbe in den Strom / welche alsdann die Krafft hat / die Fisch / so in selber Gegend seynd / unkräfftig oder ohnmächtig zumachen / und mithin werden sie leichtlich gefangen: In gewissen Americanischen Wässeren / wo etwan die Gegend unbewohnt ist / sollen sich die Fisch so häufig befinden / daß man sie leicht mit blossen Händen ergreiffen mag.

Das Fischen wird von allen Waydverständigen zu der Jägerey gezogen / und für ein Wasser-Jagen gehalten (gleichwie das Beitzen ein Jagen in dem Lufft ist) deßwegen soll ein guter und vollkommner Fischer nicht weniger als der Jäger ein fleißig-verschmitzt-oder listiger und wohl erfahrner Mann seyn: Er muß munter / hurtig und aufgeraumt seyn / damit er kein gute Gelegenheit versaume: Er muß starck und arbeitsam seyn / Hitz und Kälte wohl übertragen mögen /die Natur und Eigenschafften / das Röder / den List und die Geschwindigkeit der Fischen / die Zeit und das Ort ihres Leichs / ja auch die Witterung und Aenderung des Monds wohl erkennen / und wissen / wo diese oder jene Fisch sich gern aufhalten / in fliessendem oder stillem / im tieffen oder seichten Wasser. 19 Ferners muß er auch mit gutem Fischer-Zeig wohl versehen seyn / als nemlich mit Kahnen oder Schifflein / Ruder / unterschidlichem Garn / Reussen / Anglen etc. und solche Ding wohl in obacht nemmen.

Wer der erste Fischer solle gewesen seyn / weiß ich für gewiß nicht zu sagen: Tribullus schreibt / das erste Fischen oder Schiffen denen Tyriis zu / indem er sagt: Prima remos ventis credere docta Tyrus: Gewiß ist / es daß es nach dem Sündfluß eines sehr alten Herkommens seye.

Christus der HErr selbsten hat das Fischen æstimirt und Gut geheissen / welches genugsam erscheint aus dem / daß er nicht nur seine Jünger Petrum undAndream etc. von dem Fischen zu dem Apostolat beruffen hat / sonder auch nach ihrem Beruff wiederum dem Fischen hat obligen lassen / bey dem Fischen nach seiner glorreichen Aufferstehung ihnen erschinen ist / mit ihnen geredt und geessen / auch selbst zum Fischen angewissen hat / mittite in dextram navigii rete.: Werfft zur rechten des Schiffleins das Netz aus. 20 Er hat die Seelsorg / die Bekehrung der Sünder mit dem Fischfang verglichen / zu den Apostlen sprechend: Kommt! ich will euch zu Menschen-Fischer machen. 21

Gleichwie nun die natürliche Fisch und Fischereyen gar vielfältig und unterschidlich seynd / welche ein guter Fischer wohl verstehen muß / also seynd auch die sittliche Fisch und Fischfang in diesem grossen Welt-Meer / nemlich [404] die Menschen und der Seelen Gewinn unterschiedlich beschaffen / welches ein guter Seelen-Hirt wohl verstehen soll. Die eine muß man so / die andere anderst gewinnen und einnemmen / bald mit Glimpff und Trost / bald mit Ernst und Droh-oder Straff-Worten. Deßwegen der H. Apostel Paulus / als ein terfflich wohl erfahrner Seelen-Fischer seinem Timotheo zuschreibend / ihne unterrichtet hat /wie er fischen soll: Argue, inerepa, sagt er / obsecra in omni patentia & doctrina: 22 Straffe / ermahne /bitte und schelte in aller Gedult und Lehr.

Ein Seelsorger muß wie die Fischer mühe- und wachtsam seyn / fürsichtig und verständig / daurhafft und gedultig im Ungewitter / in Trübsal und Verfolgung: Er muß die Sitten / Inclination und Gewohnheit der jenigen / die er zu gewinnen oder zu bekehren verlangt / fleißig in Obacht nemmen / ihren nichtigen Ausflüchten vorbiegen / ihre Zweiffel auflösen / und Beschwernussen überwinden helffen etc. Zu diesem End soll er auch mit geistlichem Handwerckszeug /also zu reden / wohl versehen seyn / das ist / mit Erfahrenheit in der H. Schrifft und Heil. Vätteren / mit Antrieb und Beweg-Ursachen die Laster zu meiden /die Tugend zu üben etc. und dieses alles wohl anzuwenden wissen. Auf solche Weiß wird er einen glücklichen Fischfang thun / oder einen reichlichen Seelen-Gewinn machen.


Berühmt ist in dem Evangelio der Fischzug / welchen Petrus mit seinen Gesellen auf den Befehl Christi gethan hat; dann sie haben auf einmahl 153. grosse Fisch gefangen / und diese bedeuteten alle Völcker /die in der Schoos der Catholischen Kirchen solten versammlet werden. 23 Aber zu mercken ist / daß Christus seinen Jüngeren ausdrucklich befohlen hat /das Netz auf die rechte Seiten des Schiffs auszuwerffen / und also haben sie einen reichlichen Zug gethan: Durch dieses wird den sittlichen Seelen-Fischeren angezeigt / daß / wann sie einen guten Fang thun wollen / da müssen sie das Netz nothwendig auf der rechten Seiten / ja niemahl auf der lincken auswerffen / das ist / sie müssen all ihre Mühe und Arbeit der Seelsorg aus rechter gut- und reiner Meinung anwenden und verrichten / nicht aus einem zeitlichen Absehen des menschlichen Respects / eines Gewinns und dergleichen etc.

Fußnoten

1 Art und Beschaffenheit des Hechts.

2 Ungerechte und Geitzhälß seynd gleich den Hechten.

3 Wie dem höllischen Raubfisch zu begegnen.

4 Des Karpffen Beschaffenheit.

5 Listigkeit des Karpffens ist zu imitiren.

6 Psal. 68. v. 3.

7 Art und Eigenschafft des Aals.

8 Listige Betrüger seynd gleich den Aal-Fischen.

9 Eccli. c. 7. v. 16.

10 lib. de intern affect.

11 Wie der Lachs oder Salm beschaffen sey.

12 Exodi. c. 8. v. 8.

13 Die Forellen.

14 Die Felchen deuten die Müßiggänger an.

15 Petrarca lib. 1. c. 63.

16 Fischen ist ein allgemeine und bewehrte Ubung.

17 Gen. c. 2. v. 22.

18 Das Fischen ist unterschidlich.

19 Wie ein rechter Fischer soll beschaffen seyn.

20 Sittlicher Fischfang oder Seelen-Fischer.

Joann. c. 21.

21 Marci. c. 1. v. 17.

22 2. Tim. c. 4.

23 Joan. c. 21. v. 11.

VI. Von unterschiedlichen Raub-Vöglen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von den Vöglen insgemein.

Die Vögel seynd meines Erachtens unter den cörperlichen Dingen nach dem Menschen die edliste und fürnehmste Geschöpff. 1 Zu dieser Meinung werde ich bewegt / weilen GOtt und die Natur die mehriste Vögel mit sehr fürtrefflichen Eigenschafften begabt hat: einige zwar mit den schönsten vilfärbigen Federen / andere mit einer schönen lieblichen Stimm / mit einer sehr grossen Geschwindigkeit / mit einer sonderbaren Fürsichtigkeit / die Gefahren zu fliehen / und die Nahrung zu sammlen / mit einer verwunderlichen Geschicklichkeit so bequeme Nester zu bauen etc. absonderlich aber / weilen ihnen bey Erschaffung der Welt der oberste Platz zu ihrer Wohnung und Aufenthalt ist angewiesen worden / nemlich der Lufft / so das fürnehmste oder reiniste unter den bewohnten Elementen ist / da indessen die vierfüßige Thier / ja die Menschen selber auf der kothigen Erden umlauffen /die Fisch aber in der Tieffe des Wassers sich aufhalten müssen / über [405] welche alle die Vögel / vermittelst ihrer Flügel und Ringfertigkeit sich weit erheben und aufschwingen. Sie werden auch in H. Schrifft mit einem besonderen Ehren-Titul geehret / und zum öffteren volucres cœli, Vögel des Himmels / zum Unterschied von den irrdischen Thieren / genennet.

Was aber die Menge und den Unterschied der Vöglen anbelangt / so seynd derselben schier unzahlbare Art- und Gattungen in unterschiedlichen Länderen anzutreffen / deren schier die meiste uns unbekannt seynd. 2 Ein grosser Theil derselben ist beschrieben und abgebildet in dem Vogel-Buch D. Conradi Geßners / noch ausführlicher und weitläuffiger aber bey dem berühmten Naturalisten Ulysse Aldrovando in seiner fürtrefflichen Ornithologia oder Historia de avibus. Von etlichen derselben will ich auch in den nachfolgenden Titlen etwas weniges schreiben / und aus dero fürnehmsten Eigenschafften nach meiner Gewohnheit einige Moralia oder Sitten-Lehren ziehen.

Die Ab- oder Austheilung der Vöglen geschieht auf unterschiedliche Weiß: sie kan füglich gemacht werden in die Raub- oder Fleisch-fressende Vögel / in die / so dem Menschen zur Speiß oder mit dem Gesang dienen / und in die Wasser-Vögel.

Gleichwie nun der Vöglen gar vil und unterschiedliche seynd / also ist auch der Vogel-Fang und ihre Nahrung vilfältig und ungleich: dann einige essen das Fleisch oder Aas der Thieren / als wie der Adler / Habich / Falcken / Raaben etc. andere Würm / Mucken /Fisch etc. Aus denen / die zur menschlichen Speiß dienen / seynd die jenige besser und gesunder / die sich mit Früchten und Gewächs / als die sich mit Fischen und Unzifer nähren. Die Fleisch-fressende Vögel aber finden in den Teutschen Kuchen und Mägen gar keinen Platz. Gefangen aber werden die Vögel / wie bekannt / gleichfalls auf unterschiedliche Arten / mit Garn / mit Schlauffen oder Stricklein / mit Kleb- oder Leim-Ruthen / durch Schiessen / mit Vöglen / nemlich abgerichteten Falcken / und auch mit Hunden / als wie die Rebhüner / Wachtlen etc.

Ubrigens mögen wohl die Menschen in vilen Dingen mit den Vöglen verglichen werden. 3 Dann erstlich wird der Vogel auf Lateinisch avis, von a und via genennt / das ist / so vil als vom Weeg oder abweegs / weilen ja der Vogel in dem Lufft so gar keine richtige Straß hat / und keinen gewissen Weeg nimmt / sondern gantz frey / wie es ihm beliebet / umvagirt /bald auf / bald ab / bald rum / bald num flieget / also /daß man niemahl richtig weiß / oder sicher sagen kan / wo er sich aufhalte / oder daran seye; dann er ist gar unbeständig / und schier niemahl ruhig / bald da /bald dort / avis à via, er hat keinen richtigen Weeg. Eben also muß der unbeständige Mensch / absonderlich in seiner Jugend / ein solcher avis à via, vom Weeg oder abweegs seyn: Nunquam in eodem statu permanet: 4 Er bleibt nimmer auf einer Straß / in einem Stand; bald geht er für sich / bald hinter sich /das ist / jetzt nimmt er zu / jetzt wiederum ab / bald auf die rechte / bald auf die lincke Seiten / jetzt folgt er der Tugend / jetzt wiederum dem Laster nach. Es stehet zwar geschrieben: Semita Justi recta est etc. Recht ist der Weeg des Gerechten: aber sie bleiben nicht darauf. Semitæ eorum incurvatæ sunt, 5 ihre Strassen haben sich mit ihnen verkehrt. Und wiederum: Claudicaverunt à semitis suis: 6 Sie haben gehuncken von ihren Weegen. Welches der König David wohl erkennend GOtt inständig gebetten hat:Perfice gressus meos in semitis tuis: 7 Erhalte meine Gäng auf deinen Fußsteigen / daß meine Tritt nicht schlüpfferen / richte mich auf die rechte Bahn.

Ferners / gleichwie die Vögel 2. Flügel haben / und 2. Füß / vermittelst deren sie sich in dem Lufft und auf der Erden von einem Ort zu dem anderen / wohin sie ihr Lust und Begierd anreitzet / verfügen / also haben die Menschen 4. Haupt-Passiones oder Anmuthungen / nemlich die Forcht [406] und Hoffnung / den Haß und Liebe / durch welche Anmuthungen ihr Hertz und Gemüth immerdar umgetrieben wird: mit der Hoffnung und Liebe zwar / als mit sittlichen Flüglen /solte der Mensch sich in die Höhe aufschwingen / auf GOtt und den Himmel abzihlen: mit dem Haß und der Forcht aber die irrdische Eitelkeiten / und die höllische Peyn betrachten.

Gleichwie aber die Vögel (sonderlich / wann sie sich auf die Erden herab lassen / oder in dem Wasser sich aufhalten) allerley Gefahren unterworffen seynd /und vilfältige Nachstellungen leiden von den Menschen und Thieren / ja auch von anderen Vöglen selbst / indem sie bald geraubt / bald gefangen / bald geschossen werden / also auch die Menschen / sie mögen hochmüthig in dem Lufft herum fliegen / oder mit ihren Begierd- und Anmuthungen der Erden oder irrdischen Dingen anhangen / in den Wässeren der zeitlichen Freuden und Wollüsten herum schwimmen / als wie die Wasser-Vögel / so leiden sie überall theils vil heimliche / oder theils offenbahre Nachstellungen / sie seynd vilen Leibs- und Seelen-Gefahren unterworffen: dann bald werden sie gefangen mit dem Kleb oder Leim der Geilheit / bald mit dem Garn und Stricken des Neids und der Begierlichkeit / bald geschossen mit dem Pfeil des Neids und Hasses etc. 8 Aber die gerechte und gottseelige Menschen haben insonderheit ein mehrere Gleichnuß mit den Vöglen: dann gleichwie die mehriste und fürnehmste Vögel klar- und scharpffe Augen haben / einen schnellen Flug oder grosse Geschwindigkeit / und die mehriste Zeit in dem Lufft oder in der Höhe sich aufhalten: also seynd die tugendsame und gottseelige Menschen mit einem guten scharpffen Gesicht / das ist / mit einer guten Erkanntnuß GOttes und himmlischer Dingen / mit der Discretion oder Entscheidungs-Krafft und Fürsichtigkeit begabt: sie seynd auch in Ubung der guten Wercken / in Vollziehung der Gebott GOttes hurtig und schnell / sie lauffen eilends fort auf dem Weeg der Vollkommenheit. Sie halten sich wie die Vögel gern in der Höhe auf / nemlich mit dem Sinn und Gedancken / mit Begierd- und Anmuthungen /auf der Erden aber oder bey irrdischen Dingen nicht mehr / als es die Noth erforderet.

Die Vögel mehrentheils sitzen auf den Bäumen /und bringen die Zeit mit Singen zu / gemeiniglich zwar nur im Sommer. Sie machen auf den Bäumen die Nester / und bruten ihre Jungen aus: so lang sie auf den Bäumen bleiben / seynd sie sicher / daß sie mit dem Garn oder Vogel-Kleb nicht gefangen werden. Auch die andächtige Seelen halten sich gern und vil durch die Betrachtung und das Mitleiden bey dem Creutz-Baum / bey dem Leiden Christi auf / da bleiben sie sicher vor dem Garn oder Nachstellung des höllischen Jägers: sie bringen vil Zeit mit Singen /das ist / mit der Dancksagung und mit dem Lob GOttes zu / und zwar nicht nur im Sommer / das ist / zur Zeit des Trosts und der Wohlfahrt / sondern auch im Winter der Trübsal / des Creutz und Leidens: da bruten sie gleichsam aus ihre gute Vorsätz / und bringen ihre Jungen / das ist / ihre gute Werck herfür.

Die natürliche Vögel suchen mehrentheils ihre Nahrung auf den Bäumen / sie führen ein reines nüchteres Leben / und seynd frölich darbey. Eben also die sittliche Vögel / die fromme Seelen / suchen und finden ihr geistliche Speiß der Andacht / und die Früchten der Vollkommenheit auf dem Creutz-Baum bey dem gecreutzigten Heyland / der sie ersättiget ohne End: von ihnen kan verstanden werden / was geschrieben stehet: Ascendam in palmam, & apprehendam fructus ejus: 9 Ich will auf den Palm-Baum steigen / und seine Frucht ergreiffen. Und gleichwie das Thau von den Bäumen herunter tropffnet / also fleißt von dem Baum des Creutzes das Thau der Andacht und der Gnaden herab. Da führen sie ein reines unschuldiges Leben / und erfreuen sich in dem HErrn.

[407] Nachdem die Vögel von Natur beschaffen und geartet seynd / nachdem lieben / und suchen sie auch unterschidliche Wohnungen: die / so von Natur dirr und trucken seynd / wohnen gern auf den Bergen und in den Wälderen / andere hingegen gemeinschäfftlich unter den Leuthen / und wiederum andere / die einer feuchten Natur seynd / in den Wässeren / nemlich die Wasser-Vögel.

Also auch die Menschen / die unterschidlich gesinnt und beschaffen seynd / haben unterschidliche Wohnungen: welche dirr und trucken / das ist / mortificirt und angetödtet / eines strengen bußfertigen Lebens / die wohnen gern auf den Bergen / verstehe in der Höhe der Betrachtung / und des beschaulichen Lebens oder in den Wälderen der Einsamkeit / als wie die Eremiten oder Einsidler: Andere hingegen die feuchter Natur seynd / ich will sagen / die ein fleichliche Natur oder fleischliche Begirden haben / die gehen den Wässeren der irrdischen Freuden und Wollüsten nach / und halten sich darinn auf.

Gewisse Arten der Vöglen leben gemeinschäfftlich / und fliegen Scharenweiß mit einander / sie halten einen für ihren König oder Oberen / und folgen ihm nach / der dann fürsichtig und wachbar ist / überall herum schauet / und wann er ein Gefahr vermerckt /da gibt er ein Zeichen / daß sich die andere in obacht nemmen / und der Gefahr zeitlich entgehen mögen.

Diese Vögel deuten uns an die Ordens-Geistliche /welche einig und in Gemeinschafft mit einander leben sollen / auch der Anführung ihres Oberen fleißig nachfolgen / dieser aber solle wachbar und fürsichtig seyn / und die bevorstehende Gefahren zeitlich entdecken / und seine Untergebene darvor beschützen.

Ubrigens ist es gewiß / daß die Vögel von GOtt zu sonderer Lust / Nutzbarkeit und Ergötzlichkeit des Menschens erschaffen seyen / und daß die Menschen viel nutzlich- und gutes von denen Vöglen erlernen können: Als zum Exempel von den Kranichen die Klugheit oder Fürsichtigkeit / von den Alsteren die Häußlichkeit / von den Nachtigallen die Singkunst /von den Schwalben die Baukunst / von den Wasser-Vöglen die Schiffart / von unterschidlichen anderen aber die zukünfftige Witterung abnemmen etc. 10 Ja Christus der HErr selbst / ein Vertrauen zu seiner Fürsichtigkeit zuerwecken / weiset die Menschen zu den Vöglen an / wahrzunehmen / wie daß sie von seinem himmlischen Vatter ernährt und erhalten werden: Hingegen macht er auch die sorglose und unbußfertige Sünder mit der Behutsam- oder Fürsichtigkeit der Vöglen zuschanden / in dem er durch seinen Propheten also spricht: Milvus in Gælo cognovit tempus suum, turtur & hirundo, & ciconia custodierunt tempus adventûs sui etc. 11 Ein Weihe im Lufft erkennt sein Zeit / ein Turteltaub / die Schwalb und der Storck halten die Zeit ihrer Zukunfft: Aber mein Volck hat nicht erkennet das Gericht des HErren.

Aber es können nicht nur die Menschen von den Vöglen / sonder auch einige Vögel von denen Menschen etwas lernen / nemlich auf gewisse Art und ordentlich zu singen / oder zu pfeiffen: ja auch einige /nemlich die Papagey mit deutlicher Stimm / und gleichsam wie die Menschen / zu reden / welches dann wiederum nicht zu geringer Belüstigung der Menschen dient.

Dieses seye genug von den Vöglen insgemein: Nun wollen wir jetzund einige derselben insonderheit betrachten.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Adler.
Rex Leo Quadrupedum est, Aquila est Regina Volucrum.
Im Wald der starcke Löw regirt /
Im Lufft der Adler Scepter führt.

Der Adler ist gleichsam ein König unter den Vöglen /oder ein Königlicher Vogel / der so wohl in Heil. 12 Schrifft als in weltlichen Geschichten [408] berühmt und angesehen ist. Von ihm steht geschrieben: Flieget der Adler so hoch auf dein Befehl / daß er sein Nest in der Höhe macht? in Felßen wohnt er / und bleibt auf den Klüfften an Felßen / und in festen Orten /zu deren niemand kommen kan: Von dannen schaut er nach der Speiß / und seine Augen sehen fern / und wo ein Aas ist / da ist er bald. 13 Von dem Propheten Isaia werden die / so auf GOtt vertrauen / den hochfliegenden Adleren verglichen: Assument pennas sicut Aquilæ. 14 Auch in der heimlichen Offenbahrung Johannis seynd einem Geheimnus-reichen Weib 2. grosse Adlers-Flügel geben worden /damit sie sich salviren kunte vor dem Drachen. Neben dem / daß der Adler dem Heil. Evangelisten Johanni /als der von den Göttlichen Geheimnussen am höchsten und subtilisten geschrieben hat / zugeeignet wird: More volans Aquilæ verbo petit astra Joannes.


Er fliegt als wie ein Adler hoch /
So weit kommen kein Lehrer noch.

Es haben auch vor uralten Zeiten viel mächtige König und Potentaten bey unterschidlichen Völckeren in ihren Schilden und Wappen / Fahnen und Standarten etc. mit dem Adler als recht Königlichem Vogel gepranget / absonderlich die alte Römer / deßwegen er auch der Römische Adler genennt wird / und annoch heutigen Tags die Ehr hat / in des Römischen Kaysers und des H. Röm. Reichs Wappen zu erscheinen: daß also der Adler bey allen Völcker und Ländern ein berühmter Vogel ist oder seynd.

Einen dopleten oder zweyköpfigen Adler aber führet der Römische Kayser / wie einige wollen / darum in seinem Wappen / weilen seines Ambts ist so wohl die geistliche als weltliche Jura oder Recht zu defendiren: Oder / wie andere wollen / weil ein Römischer Kayser von rechts wegen über Orient und Occident herrschen solle.

Es seynd auch vor alten Zeiten unterschidliche berühmte Männer und Helden / als wie Aiax, Pindarus etc. Städt oder Landschafften von den Adleren benamset worden / oder haben ihren Zunahmen vomAquila oder Adler bekommen: Zugeschweigen der aberglaubischen Opfer und Wahrsagereyen / zu welchen die Adler der alten Heydenschafft vielfältig gedient haben.

Was die Leibs-Gestalt des Adlers anbetrifft / so gibt es zwar dessen unterschidliche Gattungen / wie bey Aldrovando Ornitologiæ lib. 2. à fol. 61. und inD. Gesneri Vogel-Buch à. fol. 8. weitläuffitig zusehen ist / doch ist er insgemein ein ansehnlich grosser (doch nicht der gröste) und starcker Vogel / 5. Spannen / oder anderthalb Elen lang / und schier eben so hoch: Die Flügel der Adler seynd sehr groß / in welchen die gröste Federen bey 3. Spannen lang seynd: Die Farb des Adlers ist unterschidlich / nemlich schwartz / braun-roth oder graulicht. 15 Alle Adler haben einen starcken krumen theils gelb / theils schwartzen Schnabel / dessen unterer Theil hohl / und kürtzer ist als der obere / auch scharpfe / krumme /schwartze Klauen / schier wie die Löwen: einen langen Halß und kurtzen Schweiff: Die Augen der fürnemsten Adler seynd mittelmäßig groß / einer lebhafften Röthe / tieff und hohl (welche Beschaffenheit ihr Gesicht so sehr schärpfet) daß (wie man insgemein von ihnen schreibt) sie die hellgläntzende Sonn mit unverwendeten Augen können anschauen / und auch zu höchst in dem Lufft die kleine Fischlein in dem Meer schwimmen sehen / auf die er alsdann alswie ein Pfeil herab schiesset: Ihre Bein / Füß dick mit Federen biß auf die Zähen hinab (welche gelb und wie geschupet seynd) besetzt.

Die Wohnung der Adler betreffend / so haben sie dieselbe auf den höchsten Berg- und Felßen / auch des Teutschlands / benanntlich in dem Hochgebürg des Schweitzerlands und Pündens / sonderlich aber und häuffig auf dem Berg Tauro und Caucaso: Doch machen sie auch ihre Nester auf den höchst- und grösten Bäumen (selten aber lassen sie sich in die Tieffe oder Fläche herab / ausgenommen [409] wegen des Raubs) und dieses aus Fürsichtigkeit / damit ihre Jungen vor den Jägern / wilden Thier und Schlangen sicher bleiben. Von solcher Höhe aus betrachten sie die umligende Gegend / wo sie etwas rauben mögen / und zur Speiß oder Nahrung mit ihren Klauen erhaschen / es seyen gleich vierfüßige Thier / als Haasen / Lämmer /Fisch oder Vögel etc. Ihre gewohnte Wohnplätz und Nester verlassen oder veränderen sie niemahl / sie trincken nicht / sonder löschen den Durst mit dem Blut des Raubs / können auch zimlich lang ohne Speiß seyn / und werden alt darbey.

Auch der Geruch ist bey dem Adler also starck /daß er / wie die Naturkündige sagen / etwas auf viel Meil weit riechen kan: Sein Stimm oder Geräusch solle anderen Vöglen erschröcklich vorkommen (obwohlen einige / wie bey Aldrovando fol. 19. zu lesen / denen Adleren alle Stimm ablaugnen / und sagen: sie seyen gantz stumm) also daß wann sie selbe hören / darab erstaunen / und sich gantz still halten. Der Flug endlich des Adlers ist so schnell / daurhafft oder langwürig und hoch / daß ihm hierinnen bey weitem kein anderer Vogel gleichet; dann er fliegt so hoch /daß ihne das menschliche Aug nicht mehr erreichen mag.

Albertus M. schreibt: Er habe einen Adler mit einem anderen grossen Vogel im Lufft kämpfen gesehen / welche nach und nach so hoch geflogen / daß selbe niemand mehr habe sehen können / und seyen beyde erst nach 2. Stunden ermüdet wieder herab gefallen.

Der Adler ist von Natur ein sehr listig- und arger /aber auch starck- und hertzhaffter Vogel / also daß ihm nicht leicht ein Raub entrinnt / den er einmahl ersehen hat / da man hingegen ihme nicht leicht zukommen / ihne hintergehen und ermeisteren kan / er aber thut auch groß- und starcke Thier / zum Exempel Hirschen oder Gämbs etc. mit List und Vortheil überwinden / dann er treibt ihn zu äufferst eines Berg oder Felßens / da sitzt er auf ihn / hencket sich mit seinen scharpfen Klauen ein / und schlägt dem Thier so lang mit seinen Flüglen in die Augen / wirfft ihm Staub und Aschen / so er mit den Flüglen gefast / darein /oder pickt und beißt ihne so lang und hart / biß daß er vor Ungemach sich selbsten in die Tieffe stürtzt / und verfällt / alsdann frißt ihm der Adler genug daran. 16 Die Adler geben auch immerdar fleißig Achtung auf ihre Klauen (als die beste Waffen und Werckzeug zum Rauben) daß selbe nicht verletzt / abgebrochen oder stumpf werden / und wann sie etwan stumpf oder unbrauchbar worden / da thun sie selbige wiederum mit dem Schnabel schärpfen / oder an den Steinen wetzen etc.

Durch die und dergleichen List und Vortheil deuten uns die Adler an die schlaue und arglistige Menschen / welche frech und vermessen darneben seynd / und ohne Scheu andere angreiffen / überlisten und verblenden / beissen und stechen als wie der Adler den Hirschen so lang und hart / biß daß sie dieselbe in ein solche Tieffe stürtzen / woraus sie nicht mehr kommen mögen / sonder ungehindert von diesen rauberischen Adleren ihr substanz, ihr Haab und Gut verzehrt wird.

Wann Adlers-Federen zu den Federen von anderen Vöglen gelegt werden / so thun sie diese verderben /und werden verzehrt: eben also / wann die Schwache und Einfältige in die Gesellschafft der Starcken und Arglistigen kommen / so werden sie von ihnen gäntzlich verderbt und verzehrt.

Was die Bruth der Adler anbelangt / so wird unterschidlich darvon gesprochen. 17 Die meiste behaupten / daß sie insgemein nicht mehr als 3. Eyer legen / 2. Junge ausbruthen / und nur eines auferziehen / theils weilen die Adler von Natur so dürr und hitzig seynd /daß sie die Eyer im Bruthen halb sieden oder kochen: Theils weil sie der Aufferziehung bald überdrüßig werden / und diese ihnen zu beschwärlich ist; dann zur Zeit der Bruth nehmen ihre Federen und Klauen ab / [410] sie werden geschwächt / und zum Rauben untüchtig.

Dieses solle gewiß seyn / daß die Adler ihre Junge beyzeiten zum Fliegen und Rauben gewöhnen oder anführen / und wann sie zu rechter Zeit nicht hinauß wollen und ausfliegen / so treiben sie selbe mit Gewalt hinauß / oder führen sie weit vom Nest hinweg /und leiden sie nicht mehr in der Nähe / auf daß sie den Alten nicht überlästig seyen / und sie von dem Rauben verhinderen.

Es legen auch die Aldler 2. Stein / Oetites genannt / in ihre Nester / weil diese ihre Geburt beförderen /und die Hitz mäßigen sollen: wann aber die Junge kranck und schwach seynd / so thun sie die Alte mit dem Blut der geraubten Thieren nähren / laut der H. Schrifft: Pulli ejus sanguinem lambent. 18

Auch die Christliche Elteren sollen bey Auferziehung ihrer Kinder in ein und anderem Stuck denen Adleren nachfolgen: die Mühe und Arbeit zwar / so hierzu erfordert wird / sollen sie sich nicht reuen lassen / doch selbe beyzeiten zum Fliegen / das ist / zum Arbeiten anweisen und anführen / und wann sie anfangen ihre Schwingfederen zu haben / ich will sagen / wann sie ein freye Kunst oder Handthierung gelernet / und ihr Stuck Brod gewinnen können / da sollen sie selbe nicht mehr lassen müßig zu Hauß sitzen / sondern hinauß schaffen / ihre Nahrung selbst zu suchen. Bey Auferziehung der Kinder aber sollen die Elteren auch 2. gewisse köstlich- und kräfftige Stein in dem Nest / in dem vätterlichen Hauß parat oder in Bereitschafft haben: diese 2. Stein seynd Timor & Amor, Forcht und Liebe: diese beförderen gewaltig die gute Auferziehung der Kinder / und mäßigen die grosse Hitz / ich will sagen / den allzu grossen Eyfer oder Strengheit / und die gar zu groß- und närrische Kinder-Lieb.

Obwohlen der Adler von Natur böß und grausam ist / so hat er doch auch eine Lieb gegen den Menschen / und stellt sich danckbar ein gegen seinem Gutthäter / wie aus folgenden Geschichten erhellet. 19

Ælianus schreibt / daß einstens bey grosser Sommer-Hitz etlich Männer in einer Scheur das Korn getroschen haben / und weil sie grossen Durst litten /schickten sie einen Knecht mit einem grossen Geschirr / beym nächsten Bronnen frisches Wasser zu hohlen: als aber der Knecht in der Hand ein Sichel /und auf der Achsel einen Wasser-Krug tragend zum Bronnen kam / traff er daselbst einen Adler an / welcher mit einer großmächtigen Schlangen / auf die er zugeflogen war / kämpffete / und der von selber also umwicklet und gefeßlet war / daß er sich unmöglich von ihr können loß machen / und gewiß wäre erwürgt worden / wann nicht dieser Knecht sich seiner erbarmend das Hertz gefaßt / und mit seiner Sichel die Schlang entzwey gehauen / und den Adler erlediget hätte. 20 Hierauf begab er sich mit seinem Wasser in die Scheur zuruck / und überbrachte den Trescheren den Trunck. Diese trancken mit grosser Begierd / und löschten ihren Durst mit Freuden. Als aber der Knecht / so das Wasser gehohlet / zuletzt auch trincken wolte / sihe / da kam der Adler eilends daher geflogen / und stossete mit Gewalt auf das Trinck-Geschirr / also /daß es ihme aus der Hand gefallen / zerbrochen / und das Wasser alles verschüttet wurde. Der Knecht erzürnte sich hierüber / dann er ware durstig / und sprach mit Unwillen zu dem Adler: du boßhafft- und treuloser Vogel! ist das der Danck / daß ich dich allererst von dem Todt errettet habe? Als er aber kaum dieses geredet hatte / da sahe er mit Verwunderung /wie daß die andere Männer alle / die von dem Wasser getruncken / gantz erbleicht und erzitterend / unmächtig dahin fallen / und auf der Stell alle dahin sterben. Aus welchem er hat abnemmen und urtheilen können /daß wahrhafftig das Wasser von jener Schlang müsse vergifftet gewesen seyn / und der Adler / dieses vermerckend / ihme wohlmeinend / ihne [411] habe warnen /und von dem gifftigen Trunck bewahren wollen.

Lerne hierauß / Christlicher Leser / daß du dich nicht erzürnen / sondern vilmehr bedancken sollest /wann man dich wohlmeinend von einem vergiffteten Trunck / ich will sagen / von einer unzuläßlich- oder sündhafften Freud oder Lustbarkeit abhaltet und verhinderet / in Bedencken / daß ein solcher gifftiger und höchst-schädlicher Trunck deinen Leib zwar kürtzlich ergötzen / die Seel aber ewiglich tödten wurde.

Einem Knaben ward ein junger Adler geschencket /mit dem er eine grosse Freud hatte / ihn sehr liebte /und mit unterschiedlicher Nahrung fleißig speisete /und als der Vogel erkranckete / thate er ihm gar embsig pflegen und abwarten / als wann er sein Bruder wäre. Hingegen liebte auch der Adler den Knaben sehr / und sie wuchsen miteinander auf. Als aber auch der junge Mensch erkranckte / da stunde ihm der Adler unabläßlich bey / und wann der Krancke nicht essen kunte / da wolte auch der Vogel nicht essen. Als er aber gestorben / und sein Leib zum Grab getragen /und nach dem Gebrauch derselbigen Zeiten zu Aschen verbrennt wurde / da ist ihm der Adler nicht nur nachgefolgt / und hat die Leich begleitet / sondern sich auch selbsten auf den Scheitterhauffen in die Flammen begeben / und samt dem Todten-Cörper verbrennt. 21

Ein gleiches hat sich mit einem anderen Adler und einer Jungfrauen begeben / die ihn auch ernährt und auferzogen hat / dieser aber hingegen Vögel und andere Thier / so er gefangen / ihr zugebracht: als man ihren verblichenen Cörper eingeäscheret / sich selbsten gleichfalls samt ihr verbrennt hat. Diese Exempel lehren uns / daß wir unsere Gutthäter nicht nur bey Lebens-Zeiten mit leeren Worten und Complimenten /mit Dancksagung- und Contestirungen / sondern auch / ja absonderlich nach ihrem Ableiben biß in das Feur / das ist / in das Fegfeur mit unserem Gebett und Andachten begleiten sollen / allwo sie unserer Hülff am meisten bedürfftig seynd / und uns wehmüthig zuruffen: Miseremini mei etc. 22 Erbarmet euch meiner etc.

Was GOTT zum öffteren durch die Adler seinen treuen Dieneren zu Gefallen für Wunder gewürcket habe / das ist hin und wieder in den Leben der Heiligen zu lesen. Laurentius Surius schreibt von einem gewissen H. Benedicto, daß sein von den Mörderen entseelter / und in einen Fluß versenckter Leib / nachdem er lang vergebens gesucht worden / von einem Adler seye entdeckt oder angezeigt worden / indem der Adler ein gantzes Jahr lang bey dem Fluß ist sitzen bliben / gleichsam als wann er etwas hüten thäte.

Von dem H. Stanislao, Bischoffen zu Cracau (der von dem Pohlnischen König Boleslao in der Kirchen ist erschlagen worden) wird gelesen / daß nach geschehener Mordthat 4. Adler einer ungemeinen Grösse sich haben eingefunden / und den Heil. Leichnam / biß er ist begraben worden / vor den Hunden und Rauben-Vögeln bewahret.

Dem H. Bischoff Cuthberto und seinem Reiß-Gespanen / als sie nichts zu essen hatten / hat ein Adler einen grossen Fisch aus dem Fluß zugetragen. 23

In sittlichem Verstand aber kan absonderlich Christus der HErr füglich mit einem Adler verglichen werden. 24 Von ihm kan gesagt und verstanden werden /was geschrieben stehet: Sicut Aquila provocans pullos suos ad volandum etc. expandit alas suas, & portavit eum etc. 25 Wie ein Adler aufweckt seine Junge zum Fliegen / und über seine Junge schwebet / er streckt seine Flügel aus / er nahm ihn und trug ihn auf seinen Achslen. Dann der Adler pflegt seine Jungen beyzeiten zum Ausfliegen aufzumunteren und anzumahnen / ihnen vorzufliegen / den Weeg und die Weiß zu zeigen / wie und wohin sie fliegen /und ihre Nahrung suchen sollen: wann sie aber ihm nicht folgen wollen / sondern müßig im Nest sitzen bleiben / da lasset er sie ein Zeitlang Hunger leiden /und wann auch dieses nicht helffen will / da schlaget[412] er sie mit den Flüglen / und verkrätzt sie mit den Klauen / er treibt sie mit Gewalt zum Hinaußfliegen an. Fast eben also macht es Christus der HErr mit seinen Glaubigen und Auserwählten: er treibt und frischet sie an zum Fliegen / das ist / zum Arbeiten und Gutes zu würcken / er zeigt ihnen / wo und wie sie die Speiß ihrer Seelen / das ist / die Gnad GOttes und himmlische Gaaben suchen und finden mögen: Er geht ihnen mit dem guten Exempel vor (wie ein Adler seine Junge zur Nachfolg anreitzend) mit der Lehr und That / mit Worten und Wercken: er strecket die Flügel seiner Göttlichen Protection, seines Schutzes über sie aus: expandit alas suas: ja er traget sie auf seinen Schulteren / wann sie schwach seynd / portavit eum, als wie der gute Hirt das verlohrne Schaaf. Wann sie ihm aber nicht folgen und Gutes thun wollen / da lasset er sie Hunger leiden / das ist / er entzieht ihnen die geistliche Nahrung des himmlischen Trosts und absonderlichen Gnaden: ja er schlaget und sticht sie auch gleichsam durch Trübsal und Widerwärtigkeiten / auf daß sie zur Gebühr angehalten /und auf den rechten Weeg des Heyls gebracht werden.

Ferners / gleichwie der einzige Adler unter allen Vöglen / ja unter allen Thieren ein so scharpffes Gesicht hat / daß er mit unverwendeten und unverletzten Augen die Sonn anschauen kan / und hoch in dem Lufft die kleine Fischlein in dem Meer schwimmen sihet / also hat Christus über alle Menschen den allerschärpffisten oder den hocherleuchtisten Verstand /also daß er die Göttliche Gnaden-Sonn in ihrem vollen Glantz betrachten kan / und auch von dem hohen Himmel aus die kleinste Fischlein in dem tieffen Welt-Meer herum schwimmen sihet / das ist / die mindiste und innerste Gedancken des menschlichen Hertzens erkennet: Scrutans corda & renes DEus: 26 Er durch forschet die Hertzen und Nieren. Oder die kleine Fischlein / das ist / die demüthige Menschen. Humilia respicit in cœlo & in terra. Seine Augen seynd so scharpff / seine Weißheit so allwissend / daß er das Zukünfftig- und Vergangne als wie das Gegenwärtige betrachtet: Omnia nuda sunt & aperta oculis ejus: 27 Nichts ist seinen Augen verborgen. Intuetur abyssos: Er durchdringet den Abgrund etc.

Aber der Adler will haben / daß auch seine Jungen die Sonn mit unverwendeten Augen lernen anschauen / zu diesem End führet er sie in die Höhe / und haltet sie gerad gegen der Sonnen: wann sie aber dieses nicht thun wollen oder können / so erkennt er sie nicht für seine rechtmäßige Jungen / er verwirfft sie / er laßt sie in die Tieffe fallen. Auch der himmlische Adler Christus will haben / daß seine Kinder und Nachfolger ihre Augen und Hertzen auf und nach der Sonnen der Göttlichen Gerechtigkeit richten / ùt filii lucis ambulate, ruffet er ihnen durch den Apostel zu / wandlet als Kinder des Liechts / und wann sie sich von dieser Sonnen ab / und zu den eitlen Geschöpffen / zu denen verbottenen Wollüsten wenden / da erkennet er sie nicht für seine rechtmäßige Nachfolger / er wirfft sie aus dem Nest / von der Schoos seiner Lieb oder seiner Gnad / und lasset sie in die Tieffe fallen.

Der Adler ist einer hitzigen und trucknen Natur /aber starck / und fliegt so hoch / daß ihn das menschliche Aug nicht mehr erreichen kan: Ebenfalls unser Göttliche Adler Christus / als er auf dieser Welt wandlete / war hitzig und brennend vor Liebe / und trocken wegen Strengheit des Lebens und freywilliger Armuth: aber starck ja unüberwindlich / und in seiner Himmelfahrt ist er so hoch geflogen / daß ihn die Apostel nicht mehr sehen kunten: Nubes suscepit eum ab oculis eorum: 28 Eine Wolck nahme ihn auf von ihren Augen / nemlich biß zur Rechten GOtt des Vatters / über alle Himmel und Engel.

Der irrdische Adler ist des Raubs sehr begierig / er setzt ihm mit grossem Eyfer und schnell nach / und wann er ihn erhaschet / lasset er ihn nicht mehr [413] aus seinen Klauen / sondern zerreißt und frißt ihn / er theilt ihn mit seinen Jungen / die er auch mit dem Blut der Thieren speiset / wann sie kranck seynd und nicht essen können. Ihm aber ist nichts über das Hertz der Thieren / das ist sein liebst- und bestes Bißlein. Auch der himmlische Adler der Sohn GOttes / ist in sittlichem Verstand des Raubs begierig: ja aus Begierd des Raubs ist er aus dem hohen Himmel in die Wildnuß dieser Welt herab gestiegen: er jaget und raubet gleichsam gantz begierig / aber zu einem gantz anderen Zihl und End / als der irrdische Adler; dann dieser raubet die Thier zu tödten / zu zerreissen und aufzufressen mit ihrem Fleisch und Blut / sich und seine Jungen zu ersättigen: Christus hingegen jaget den Menschen nach nicht selbe zu verderben und aufzureiben / sondern vilmehr zu salviren / in die wahre Freyheit und Sicherheit zu übersetzen. Venit quærere & salvum facete quod perierat: 29 Er ist kommen seelig zu machen was da verlohren war. Absonderlich liebet er das Hertz seines Raubs / das will er vor allem haben: darum ruffet er einem jeden Menschen insonderheit zu: Præbe fili cor tuum mihi: Gib mir mein Sohn / meine Tochter / dein Hertz. Hingegen gibt er uns nicht frembdes / wie der Adler seinen Jungen / sondern sein eignes Blut darfür zum Besten /das er bereits an dem H. Creutz für uns vergossen hat.

Endlichen führet der natürliche Adler immerdar Krieg und Feindschafft wider die Schlangen und Dracken / mit diesen kämpfft er biß in den Todt (dann sie fressen ihm seine Eyer und Jungen) bald wird er überwunden / bald überwindet er / sie streiten um einen Raub. Auch Christus der himmlische Adler streitet mit der höllischen Schlangen und Dracken um den Raub / das ist / um die Seelen der Menschen / ein jeder will sie haben. Der Drack oder die höllische Schlang hat den Raub / die menschliche Seel bekommen / und ihr eigen gemacht / vermittelst der Erbsünd / gleich Anfangs der Welt in dem irrdischen Paradeys. Ja sie hat auch einiger massen und im gesunden Verstand wider den himmlischen Adler obgesiget / wie gar recht der geistreich- und gelehrte P. Procopius anmercket / nemlichen zur Zeit des Leidens Christi / da der Streit zwischen dem Sohn GOttes und dem höllischen Feind zum hefftigsten war: da hat der Teufel Christum (dem sterblichen Leib nach mit seiner selbsteignen Verwilligung) überwunden / und auf das äusserste / nemlich in die bitterste Peyn und Marter /in den grösten Hohn und Spott / in den schmählichen Todt gebracht: Hæc est hora vestra & potestas tenebrarum, 30 hat Christus selbsten an dem Oelberg zu den Juden gesagt: Diß ist euer Stund und der Gewalt der Finsternussen / das ist / der Höllen. Aber als es die rechte Zeit ware / hat Christus der himmlische Adler der höllischen Schlangen mit dem Stab des H. Creutzes den Kopff also zerschmetteret und zerknirscht / daß sie alle Krafft oder Stärcke verlohren hat / und forthin keinen einzigen Raub mehr / das ist /keine Seel mehr bekommen kan / wann nicht der Mensch sich selbsten freywillig gefangen gibt.

Die Schlangen förchten die Adler sehr / absonderlich wann sie einmahl von ihnen seynd überwunden oder beschädiget worden / so bald sie nur das Geräusch von ihrem Flug hören / so fliehen sie schon und verkriechen sich. Noch vilmehr förchtet die höllische Schlang Christum den himmlischen Adler / von welchem sie hauptsächlich und gäntzlich ist überwunden und geschlagen worden: wann sie nur seinen Namen von Hertzen höret anruffen / oder sein Creutz sihet / da wird sie schon entkräfftet / und muß eilends darvon fliehen.

Aber die edliste und fürtrefflichste Tugenden oder natürliche Eigenschafften des Adlers seynd seine Großmüthigkeit / seine Leibs- und Gemüths-Stärcke /sein ungemein scharpffes Gesicht / und höchster Flug / wie auch sein Mäßig- und Freygebigkeit. Dieses seynd recht königliche Qualitäten [414] oder Tugend- und Eigenschafften: wegen diesen wird er insgemein für einen königlichen Vogel gehalten: und wegen diesen können auch füglich die König und Fürsten mit einem Adler verglichen / oder politische Adler genennet werden. 31 Großmüthig / starck und hertzhafft ist der Adler / also daß er keinen anderen Vogel förchtet / die Gefahren nicht achtet / kühnlich angreifft / und des Siegs begierig ist: um klein- und schlechte Ding nimmt er sich nicht an / sondern will nur mit rechtschaffnen Sachen zu thun haben: deßwegen achtet er es auch nicht vil / und erzürnet sich nicht leicht /wann schon die Krähe ihn bißweilen vexiren / oder zwicken und rupffen / er verachtet sie / und würdiget sich nicht mit ihnen zu streiten / sondern schwinget sich hoch mit seinem Flug über sie aus / doch wann sie es zu lang treiben / oder ihm zu grob machen / da wischt er wohl auch über sie her / und zerreißt sie. Aus solcher Großmüthigkeit thut er sich auch nicht würdigen von einem Raub oder Aas zu essen / welches schon faul oder stinckend ist (er leidet lieber Hunger) er ißt auch von keinem Thier / welches von einem anderen Vogel ist gefangen oder getödtet worden / sondern nur / was er selbsten erjaget und erlegt hat / das geniesset er / und lasset ihms schmecken. Eben also halten es ihnen die König und Potentaten für eine Großmuth und Hertzhafftigkeit / wann sie sich in einem solchen Stand befinden / daß sie niemand förchten / wohl aber von anderen geforchten werden / niemand um etwas bitten oder betten dörffen / wohl aber jederman zu befehlen haben / und gebetten werden: wann sie die Gefahren verachten / sich an die Spitz ihrer Kriegsheer stellen / den Feind hertzhafft angreiffen / heldenmüthig streiten und grosse Sieg erwerben: wann sie sich mit geringen Leuthen oder Privat-Persohnen nicht gemein machen / mit kleinen Sachen sich nicht beschäfftigen / sondern nur groß- und wichtige Geschäfft ausführen. Aus Generosität achten sie es nicht / wann schon der gemeine und unverständige Pövel übel von ihnen redet oder urtheilet. Wann schon ein Unterthan oder Bedienter aus Unbedachtsamkeit oder Unverstand einen Fehler wider den schuldigen Respect oder Unehrenbietigkeit begehet / nemmen sie es nicht so übel auf / daß sie ihn gleich den gantzen Last ihres Zorns empfinden lassen / welches mehr tyrannisch als königlich ist. Dann die jenige König und Fürsten seynd in der Wahrheit sehr großmüthig zu halten / welche nicht nur durch Gewalt Land und Leuth zu bezwingen / sondern auch durch die Vernunfft ihre eigne Passiones oder Anmuthungen zu bemeisteren wissen: die nicht nur mit den Waffen Städt und Vestungen / sondern auch durch Sanfftmuth und Milde die Hertzen und Gemüther der Menschen einzunemmen vermögen. Doch aber / wann man ihrem Respect und Authorität gar zu nah tritt /und ihre Ehr und Stärcke verletzet / da sollen sie auch wohl ihren Gewalt brauchen / und mit Ernst das Ubel abstraffen: dann einem Regenten stehet es zu / dieClemenz oder Milde mit dem Ernst und der Schärpffe also zu temperiren / daß jene von den Vermessenen nicht mißbraucht / und ihnen zum Muthwillen oder Ungehorsam der Weeg gebahnt und die Thür eröffnet werde.


Ein großmüthiger Regent oder Potentat soll auch die unziemliche Freuden und fleischliche Wollüsten verachten / als wie der Adler das faule Aas / und frembdes Gut / so andere mit ihrer Mühe und Arbeit erworben haben / unberührt lassen / und nicht zu geniessen oder zu verzehren begehren. Ferners / gleichwie der Adler alle andere Vögel in der Schärpffe des Gesichts gar weit übertrifft / und hoch über andere ausfliegt / also solle ein König oder Regent ein vil schärpfferes Gesicht haben / das ist / einen vil grösseren Verstand / und vil weiter aussehen / oder fürsichtiger seyn als die gemeine Leuth: er solle hoch über diese ausfliegen oder sich erheben / nicht durch Hochmuth und übermässigen [415] Pracht / sondern vilmehr durch Fürstliche Tugenden und herrliche Thaten etc.

Es wird endlich an dem Adler auch ein gewisse Freygebigkeit vermercket; dann wann er satt ist / so lasset er den übrigen Raub / den er nicht verzehren oder fortbringen kan / gleichwohl den anderen Raub-Vögeln / die ihn gemeiniglich deßwegen begleiten /zukommen / und sich darmit ersättigen.

Die Tugend der Freygebigkeit ist absonderlich denen König und Fürsten anständig: sie sollen die grosse Renten und Einkünfften ihrer Land- und Reichen nicht alleinig verzehren / nicht gar zu starck geflissen seyn / von dem Haab und Gut der Unterthanen grosse Schätz und Reichthumen zu hinterlegen / sondern zum Besten des gemeinen Weesens anwenden /und auch die arme Unterthanen etwas geniessen lassen. Nichts macht die Hochheit / das Ansehen und die Sicherheit der König und Fürsten besser bestehen /als wann sie sich gegen ihren Bedienten und Unterthanen gnädig und freygebig erzeigen / da hingegen die allzu grosse Strenge und Gesparsamkeit sie bey jedermänniglich verachtet und verhaßt machet. Die gute Affection, die Treu und Neigung der Unterthanen ist der Fürsten gröste und kostbarste Schatz / der über alles hoch zu schätzen ist / dieser thut den Thron der Königen bevestigen / und sie ihren Feinden erschröcklich machen.

Aber / obwohlen schon vil Schön- und Löbliches von dem Adler gesagt worden / so ist und bleibt er halt gleichwohl nichts anders als ein Raub-Vogel: Rauben / Würgen und Stehlen ist sein gröste Kunst /ja es ist sein Natur (wessentwegen er auch von den mehristen Thieren verhaßt ist) er ist niemands Freund / biß daß er satt ist: und obwohl er anderen Vögeln mittheilt / so ist es doch nichts anders als ein lauteres gestohlnes Gut / nemlich das Fleisch von anderen Thieren und Vögeln / die er gefangen und getödtet hat. In diesem Stuck sollen die König und Fürsten ihm nicht nachfolgen / sie mögen wohl reichlich ihren Beambten und Bedienten / als wie der Adler den kleineren Vögeln / mittheilen / aber von ihrem eignen /nicht von frembdem Gut: dann wie der Heil. Ambrosius sagt: Illa liberalitas non probatur, ubi ab altero extorquetur, ut alteri largiatur: Jene Freygebigkeit ist nicht zu loben / wann man dem einen nimmt / daß man es dem anderen geben könne.

Albertus M. schreibt / daß man einstens in einem einzigen Adler-Nest 300. Enten-Köpff / 100. Gäns-Köpff / 40. Haasen-Köpff / und ein gar grosse Menge Fisch-Köpff gefunden habe. Das heißt gestohlen! Aber wann man in manchem politischen Adler-Nest /ich will sagen / in mancher grosser Herren Schatz-Kammer visitiren dörffte / da wurde man zwar keine Haasen-Gäns- oder Fisch-Köpff finden / wohl aber vil guldene und silberne Eyer / die von anderen Vögeln seynd gelegt / von dem Adler ihnen weggenommen /und in sein Nest getragen worden / das ist / vil Beutel Thaler und Ducaten / welche den Unterthanen mit Gewalt und Unrecht seynd abgepreßt worden. Der rauberische Adler speiset mit den gestohlnen Eyeren seine Jungen / und die ungerechte Reiche speisen und kleiden kostbar mit dem ungerechten Gut ihre Frauen und Kinder etc.

Aber so starck und listig der Adler immer ist / so wird er gleichwohl zu Zeiten von einem schlechten Thierlein überwunden oder übervortheilt. 32 Das hat sich gewiesen / als er einstens junge Füchslein gestohlen / und mit seinen Klauen selbe durch den Lufft in sein Adler-Nest geführet hat / da nun der alte Fuchs solches vermercket hat / lieff er ihm nach biß zu einem hoch- und grossen Baum / worauf der Adler sein Nest hatte / er veführte ein wehmüthiges Leidweesen und jämmerliches Geschrey: er bate inständig / er solle ihm doch seine junge Füchslein wiederum loß geben / der Adler aber wolte nicht / vorgebend /seine Jungen haben auf den Winter einen Beltz vonnöthen. 33 Weil dann der Fuchs mit [416] Bitten und Betten nichts ausrichten kunte / hat er sich zu seiner gewöhnlichen Arglistigkeit gewendt / er hat rings um den Baum herum vil Stroh / Reiß und Spähn zusammen getragen: hernach ist er in das nechste Bauren Hauß geloffen / hat einen Stroh-Wisch angezindt / Willens die besagte Materi samt dem Baum und Adler-Nest in Brand zustecken. Als der Adler diß gesehen / und die Gefahr vermercket / hat er dem Fuchsen die beste Wort geben / und durch alle Götter gebetten / er solle nur von disem Mord-Brand abstehen / er wolle ihm gerne seine junge Füchslein wider geben / auch zugleich / allen Reichen und Mächtigen zur Wahrnung dienen / daß sie die Schwächere und Mindere niemahlen unbillicher Weiß beleydigen sollen / weil sie nicht wissen / wo sich gehlingen eine Gelegenheit ereignet /daß sich die Beleydigte an ihnen rächen mögen.

Noch besser ist der hochmüthige Adler ausgezahlt worden / als er ein Häßlein verfolgte / welches sich in ein Höhle retirirt hatte / vor welcher Höhle ein Mist-oder Roß-Käfer Wacht gestanden / und den Adler für das Häßlein demüthig gebetten hat / er möcht ihm verschonen und das Leben schencken. Aber der Adler verachtete diese Fürbitt / er schmisse den Roß-Käfer zu Boden und zerrisse das Häßlein. Dieses hat den Käfer so übel verdrossen / daß er ihm vest hat vorgenommen / sich nach Möglichkeit an dem Adler zu rächen. Er trachtete also / wie er möchte dem Adler in sein Nest hinauf kommen / und als es ihm gelungen /da hat er ihm seine Eyer zum Nest heraus geworffen und verbrochen / welches ihn freylich sehr schmertzte. Er baute deßwegen sein Nest noch höher / und legte neue Eyer / der Käfer aber hat ihm es wiederum gemacht als wie zuvor. Der Adler wuste vor Wehmuth nicht mehr was er thun solte. Endlichen legte er seine Eyer dem obristen Gott Jupiter selbsten in sein Schooß / und batte ihn selbe zu bewahren: er sagte ihm es zu: und aber sihe der arglistige und rachgierige Koth- oder Roß-Käfer practicirte sich heimlich über den Gott Jupiter hinauf / und ließ ihm ein Kügelein Koth in die Schooß fallen. Jupiter kunte diese Unfläterey nicht leiden (welches der Koth-Käfer wohl vorsahe) er stunde also eilends auf / wolte das Koth von seiner Schooß ausschütten / mithin aber hat er aus Vergessenheit auch die Adlers Eyer zugleich ausgeschütt / und also seynd diese abermahl zu Grund gangen. Der Käfer lachte ihm die Haut voll / daß er sich so meisterlich gerochen hatte / und als ihn der Adler zerreissen wolte / flohe er in ein enges Loch / streckte nur den Kopf heraus / und sagte zum Adler nichts anders / als Hostis contemptus nocet. Ein Feind / so verachtet wird / schadet: hättest du mich nicht so verachtet / und meine Bitt erhöret / so wären dir deine Eyer gantz geblieben.

Ja also ist es: Hostis contemptus nocet. Keine Feind und keine Gefahren seynd grösser / als die man verachtet / als wann sie nichts zu schaden vermöchten: dann auf solche Weiß thut man sie nicht flühen /noch sich vor ihnen hütten: mithin gibt man ihnen Gelegenheit / daß sie sich unvermerckt desto sicherer einschleichen und biß auf das Innerste eindringen /und erkennt man erst alsdann den Fehler wann das Ubel überhand genommen hat / und die Wunden unheilsam ist.

Besser hat es dem Adler gelungen (er hat es auch kluger angestellt) als ihm an dem Ufer des Meers eine Schildkrott begegnete / da er eben einen grossenAppetit hatte Schildkroten-Fleisch zu essen / er kunte es aber nicht bekommen wegen der harten Schaalen /in welcher die Schildkrott / als wie in einem Harnisch stecket / diese redet ihn an zu ihrem Unglück und sprach: O wie glückseelig bist du / und von den Götteren mit so starcken Flüglen begabt / mit welchen du so hoch fliegen kanst / da ich armselige Schildkrot hingegen mein Lebtag nur in dem Wasser und Koth umkrichen muß! ich möchte so gern auch etwas [417] was sehen. 34 Dises war dem Adler eben recht / er sagte ja / ich will dir gern disen Gefallen thun. Er nimmt sie also in feine Klauen / führt sie hoch in dem Lufft auf /und lasset sie ein Weil mit Lust und Verwunderung umschauen. Als sie aber grad einen harten Stein-Felsen unter ihnen hatten / da laßt der Adler die Schildkrott mit Fleiß auf den Stein herab fallen / also daß ihr harte Schalen zerschmetteret / und in Stucke zersprungen ist: im würcklichen Herabfallen hat die Schildkrott geruffen: O wäre ich in der Niedere bliben! O wie theuer muß ich meinen Fürwitz bezahlen! jetzt erkenn ichs wohl / aber zu spat / daß ich vielmehr zum kriechen als zum fliegen erschaffen bin! der Adler aber ist eilends auf sie herab geschossen / und hat sie sauber aufgefressen.

Vast eben also ergehet es einem manchen bey Hof /der mit seinem geringeren Amt / zu dem er fähig und bestellet / nicht zu frieden ist / sondern immerdar höher trachtet / und oben daran seyn will. Er ligt seinem hohen Principal / seinem König / oder Fürsten immerdar in den Ohren / er haltet mit Bitten und Schmeichlen an / als wie die Schildkrott bey dem Adler / daß er ihn doch erhöhen und zu einem fürnemmeren Dienst promoviren wolle. Es geschicht endlichen / er geniesset ein Weil die Freud: aber gehlingen laßt ihn der Adler auf einen harten Stein herab fallen /das ist / er fallt in die Ungnad seines Königs oder Fürstens und bricht den Hals: da greifft dieser politische Adler alsobald auf die Schildkrott / auf den Minister oder Beamten zu / und verzehrt seine Substanz, das ist / sein Haab und Gut wird dem Fisco, der Königlichen Rent-Kammer zugesprochen / unter dem Vorwand / daß er sein Amt nicht getreulich verwaltet / oder seine Rechnungen nicht richtig gestellt habe etc. Ja ein gewisser Heydnischer Kayser eines unersättlichen Geitzes / hat mit allem Fleiß gantz Untaugliche und Lasterhaffte zu den fürnehmsten Aemtern erhoben / (wohlwissend / daß sie selbe übel verwalten werden) nur damit er Ursach finde / sie um Haab und Gut zu straffen / und sich damit zu bereichen. Also wahr ist / was der Poet gesungen hat:


– – tolluntur in altum.
ut lapsu graviore ruant etc.
Die grosses Glück hoch hat erhoben /
Wirfft das Unglück bald zu Boden.
Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Habich und Sperber.

Von den Habich und Falcken wäre so viel zu melden /daß gantze Büchlein davon kundten geschrieben werden / wie dann auch bereits besondere Tractätlein darvon ausgangen seynd: benahmentlich in dem Fürst-Adelichen Jagd-Lust anderten Theil / von der Auferziehung / Unterhalt- und Abrichtung der Habich und Falcken auf das Beizen oder zur Vogel-Jagt. Es gibt aber viel unterschidliche Art und Gattungen der Habichen und Falcken / wohl 10. oder 12erley / wie in dem Vogel-Buch D. Gesners und in Aldrovandi Ortinologia lib. 3tio & sequentibus weitläuffig zu ersehen ist; allwo dero Eigenschafften und andere zur Vogelbeitz gehörige Ding weitläuffig beschrieben werden. Ich will Kürtze halber nur etwas weniges von disen Raub-Vögeln melden / und das mehriste denen Naturalisten und Waid-Leuthen / absonderlich den Falckonirern überlassen.

Der Habich aber ist ein Genus oder gemeines Geschlecht / welches / wie schon gemeldt / viel Species oder sonderheitliche Gattungen unter sich hat. 35 Seinen Nahmen hat der Habich vom Haben / auf lateinisch Accipiter, ist so viel als accipere nemmen oder empfangen: weilen er schnell / starck und listig ist zum Nemmen / oder Ergreiffen / und was er in seine Klauen bekommt / das halt er fest. Er nimmt oder fangt unterschidliche Vögel / klein und grosse / Dauben und Hennen / Rebhüner / auch Haasen und Königlein etc. und dises zwar theils von Natur / theils weil er mit Fleiß und Kunst darzu abgericht wird / so wohl als der Falck / [418] mithin seynd und præstiren dise Vögel in dem Lufft eben das / was die Jagdhund in den Wäldern: deßwegen sie auch von den andern Vöglen sehr geforchten werden (als wie die Hund von dem Gewild) dann sie seynd starck und frech / sie greiffen alles an / die kleinere werden für die Männlein gehalten / die grössere und stärckere / so zum Rauben tauglicher / für die Weiblein.

Der Habich ist von Natur hitzig und trucken / hat wenig Fleisch / ist schön von Federn vielfärbig / von mittelmäßiger Grösse. Er hat einen starcken krummen Schnabel und lange spitzige Klauen (wie die Raub-Vögel insgemein) ein scharpffes Gesicht / starcke Füß und langen Schweiff / auch einen schnellen und sehr hohen Flug. Die Habich verändern sich nach Unterschied des Lands / Orts oder Waldung / wo sie sich aufhalten.

Der Habich ist sehr listig und verschlagen / wann er zu Abend einen Vogel fangt / so hält er ihn / wie ich von ihm lise / die gantze Nacht in seinen Klauen /biß der Tag anbricht: was er aber in seinem ersten Stoß oder Anflug nicht erhaschet / das laßt er gemeiniglich fahren / und setzt ihm weiter nicht nach. Die Habich fliegen zu Zeiten den Reigern so hoch nach /daß man sie nicht mehr siehet / wohl biß zun Wolcken hinauf. Sonsten halten sie sich gern in hohen Gebürgen unterschidlicher Ländern auf: sie essen keine Früchten / und trincken insgemein kein Wasser / wie man von ihnen schreibt / sondern das Fleisch und Blut der geraubten Thieren. Ein anders ist es / wann sie zahm gemacht und eingesperrt werden.

Die Habich leben sehr lang / und so sie alt werden /wie S. Gregorius von Gesnero Teutscher Version fol. 120. citirt / schreibet / und vom Gefider sich beschwert finden / setzen sie sich beym warmen Sudwind an die heisse Sonnen / da werden ihnen die Pori oder Schweiß-Löcher von der Hitz eröffnet / und alsdann schwingen sie sich so lang / biß ihnen die alte Federn ausfallen / und neue wachsen / mithin werden sie zum fliegen und rauben widerum tauglich und starck.

Glaublich begibt es sich auch mit dem Adler etwas dergleichen / worauf der Psalmist scheinet geditten zu haben / als er gesprochen: Renovabitur ut Aquilæ juventus tua. 36 Daß dein Jugend erneueret werde / wie eines Adlers. Wann der Habich vor älte blind wird /da sollen ihn / wie man sagt / die Junge mit ihrem Raub ernähren: der Habich und die Nacht-Eulen unter den Vöglen haben die Eigenschafft / daß sie in dem Lufft sich umkehren / und gleichsam auf dem Rucken ligen können / indem sie den Bauch gegen den Himmel / den Rucken aber gegen die Erden wenden / die Flügel aber und den Schweiff abwärts hencken. So man aber das lange Bein aus dem Fuß eines Habichs zu Gold legt / da ziehet es durch ein heimliche Krafft das Gold an sich / wie Ælianus lib. 4. c. 43. bezeuget.

Ubrigens ist der Habich ein kühner und kriegerischer Vogel / der ein grössers Gemüth als Cörper /und mehr Hertz als Kräfften hat: deßwegen er auch grosse Vögel frey in dem Lufft angreifft / nicht so viel aus Hunger / oder Nothgezwungen / als aus Hochmuth und Begierd des Siegs darzu angetriben. Wann der Habich einen Haasen sangt / so thut er ihm vor allem die Angen auskratzen / auf daß er ihm also allen Weeg zur Flucht abschneide.

Plinius, Aristoteles und Ælianus sagen / der Habich esse das Hertz nicht von den Thieren / sonderlich der Vöglen / die er gefangen hat: hingegen Albertus M. sagt / sie essen es / und Aldrovandus bezeuget / er habe es mit Augen gesehen / daß sie es essen. Also unrichtig und ungleich seynd zum öfftern von einem Ding die Bericht und Zeugnussen auch der fürnehmsten Scribenten / wie ich schon mehrmahlen in den Beschreibungen der vierfüßigen Thieren / der Fischen / der Edelgestein / und anderen Sachen beobachtet habe.

Daß verwunderlichiste an dem Habich ist / daß wann seine Augen schwach und trüb werden / da nimt er aus Antrieb [419] der Natur ein gewisses ihm bekantes Kraut / trucket es aus / und bestreicht mit dem Safft seine Augen / worvon sie wiederum gestärcket und klar werden.

Was die Habich und andere Raub-Vögel in dem Lufft seynd unter den Vöglen / das seynd in sittlichem Verstand die Ungerechte / Reiche / Geitzhälß und Wucherer unter den Menschen auf der Erden / nehmlichen unersättliche und unbarmhertzige Rauber / von welchen allen der H. Gregorius M. gesprochen hat:Quid vetus & carnalis homo noverat, nisi sua retinere, aliena rapere, si posset. 37 Was thäte der sundige und fleischliche Mensch anders / als sein eignes Gut zusammen halten / fremdes Gut aber an sich ziehen oder darnach trachten / wann er es kunte. Es förchten und hassen den Habich schier alle Vögel /weil sie nie sicher seynd / daß sie nicht unversehens von ihme angegriffen werden / und zwar / wie gemeldt worden / offt mehr aus Muthwillen und Ehrsucht / als aus Hunger oder Noth gezwungen. Eben also seind die Geldgierige Geitzhälß von jederman verhaßt / weilen niemand von ihnen sicher ist / daß er nicht um sein Haab und Gut gebracht werde / nach welchem denen Wucheren und unersätlichen Geitzhälsen die Zähn wässeren / und das Hetz Verlangen tragt / sich und die Ihrige dardurch zu bereichern und zu erhöhen / wann sie gleich sonst zu leben hätten: und gleich wie die Habich frech seynd / auf ihren Schnabel und Klauen sich verlassend groß und kleine Vögel angreiffen / also gibt es interessirte Geld-HungerigeAdvocaten / Vögt und Beambte / die sich auf ihren Schnabel und Klauen / das ist / auf ihre Beredsamkeit / auf ihre falsche Griff und Renck verlassend / Groß und Kleine / Edle / und Unedle / Geistlich- und Weltliche angreiffen / oder das Ihrige anfechten und streitig machen. Auch die Wucherer haben Augen so scharff als wie die Habich auf alle Gelegenheit / wo sie (es seye gleich mit Recht oder Unrecht) einen Gewinn machen / und einen Vortheil spihlen können / da seynd sie darauf als wie der Habich auf die Hennen: wann sie einen einfälltigen erwischen / da reissen sie ihm die Augen aus / als wie der Habich dem Haasen /das ist / sie verblenden / betrügen / daß er ihren Klauen nicht mehr entgehen kan. Dise Raub-Vögel fliegen gern allein / und wollen kein Gesellschafft um sich haben / damit ihnen nemlich der Raub alleinig bleibe: auch die Wucherer und andere Geitzhälß haben ihr Sach gern in der Still und allein / damit man ihnen nicht auf ihre falsche Sprüng und Ränck komme /oder sie den Gewin mit einem anderen theilen müssen.

Das Bein aus dem Fuß des Habichs soll die Krafft haben das Gold an sich zu ziehen: aber die Händ der Wucherer haben nur gar zu grosse Krafft ander Leuthen Silber und Gold an sich zu ziehen.

So lang der Habich frisch und gesund ist / wann er auf das Beitzen wohl abgericht ist / und gute Dienst thut / da ist er lieb und werth / man trägt ihn auf den Händen und auf dem Arm herum / man speist ihn wohl / er gilt alles bey seinem Herren / weilen er ihm nemlich nützlich und einträglich ist / er jagt ihm offt ein manchen Vogel / ein Rebhun oder Haasen in die Kuchel: aber wann er alt / blind oder schwach wird /und dem Raub nicht mehr nachkommen kan / da ist er unwehrt und verachtet / und wann er stirbt / da wirfft man ihn gar hin / man gibt ihn den Hunden oder Katzen zufressen.

Hingegen ein arme Henn / Dauben / oder Rebhun wird bey Lebs-Zeiten nicht vil geachtet / sie muß mit wenig und schlechter Speiß und Nahrung verlieb nehmen / aber wann sie getödtet worden / da hat man sie erst in Ehren / sie wird offt in silbernen Schüßlen auf Fürstliche Taflen gesetz.

Schier ein gleiche Beschaffenheit hat es mit demPolitischen Habichen / das ist / mit einigen / ich sag nur einigen / Beamten / Befehlshaberen und Finanz-Räthen der Fürsten und Hrn. [420] Hrn. so lang sie gute Dienst præstiren können / und ihren Principalen einen Raub in die Kuchel / oder vilmehr in die Schatz-Kammer jagen / da seynd sie gar lieb und werth; dann diese Habich seynd also abgerichtet / daß sie nicht für sich selbst alleinig stehlen / sie thun die Unterthanen ihrer Hrn. Hrn. schinden und pressen /doch ihrer selbst auch gar nicht vergessen. 38 Aber wann sie alt und untauglich werden / oder ihre Dienst nicht mehr versehen können / da seynd sie unwerth: wann sie aber sterben / da wirfft man den Leib in das Grab / und die Seel fahrt / weiß nicht wohin. Mit einem Wort / der Politische Habich hat ausgedient /er ist nichts mehr nutz. Hingegen die arme Henn oder Dauben / ich will sagen / der arme Baursmann oder Unterthan / der bey Lebs-Zeiten von den Politischen Habichen also starck ist verfolgt worden / wann er sein Elend mit Gedult übertragen / auch sonsten ehrlich gelebt hat / da wird er zu Ehren gesetzt / und zur Tafel des himmlischen Königs selber gelassen.

Es werden zweyerley Gattungen der Habich gefunden / edle und unedle / die eine fangen keinen Vogel anderst / als in dem Flug oder in dem Lufft: die andere hingegen rauben und jagen auf der Erden. 39 Die Daub aber aus Antrib der Natur erkennet beyde gar wohl / und weiß ein Unterschied zumachen: wann ihr der edle Habich in der Höhe / in dem Lufft zusetzet /da verbirgt sie sich vor ihm auf der Erden: wann aber der unedle auf der Erden sie verfolgt / da flieget sie schnell in die Höhe auf.

Der böse Feind macht es mit der menschlichen Seel / als wie diese beyderley Habich mit den Dauben: bald setzt er ihr zu in der Höhe / das ist / zur Zeit der Wohlfahrt und des zeitlichen Glücks / durch Hoffart und Ubermuth / und alsdan soll die Daub / die Christliche Seel durch die Demuth auf die Erd sich begeben / und sich in dem Staub und Aschen ihres schlechten Herkommens / ihrer Nichtigkeit und Sterblichkeit verbergen. Bald verfolgt der höllische Raub-Vogel die sittliche Daub / die geistliche Seel / in der Nidere /das ist / in dem Stand der Trübsal durch Kleinmüthigkeit / oder durch Anreitzung zu irdischen Lasteren der Geilheit / des Geitzes etc. und alsdann soll sich die Daub mit denen Flüglen ihrer Anmuthungen in die Höhe zu GOtt und himmlischen Dingen aufschwingen / und sich also vor dem höllischen Habich salviren mit dem David zu GOTT ruffend: Quis dabit mihi pennas sicut columbæ, o hätte ich Flügel wie Dauben / daß ich fliege und etwa ruhe. Ja es hat sich auch begeben / daß sich der böse Feind würcklich und sichbarlich in einen Habich verstellet hat. 40 Eudo, ein gottloser Mensch in Britannien / ersahe seines Erachtens einen überaus schönen Habich; (er ward aber von dem Teufel verblendt) diesen wolt er durchaus haben: als er ihn aber bekommen / und mit Freuden nach Hauß tragen wolte / hat ihn sein Herr / so voran gangen / und den Betrug erkennet hat / gemahnet und gewahrnet / er solle geschwind hinweg werffen was er trage / dann es seye kein Vogel / wie er vermeine /sondern der Teufel in Gestalt eines Habichs. Der unglückseelige Mensch aber wolte nicht folgen / und nicht glauben: er beklagte sich zwar / der Habich thue ihm mit seinen Klauen die Hand so starck drucken oder kiemmen: aber bald darauf hat der höllische Raub Vogel diesen Galgen-Vogel mit sich in den Lufft geführt / und ist nicht mehr gesehen worden.

Die Sperber seynd den Habichen vast gleich und kommen in vielem übereins (ausser daß sie kleiner seynd) sie haben ein überaus scharpfes Gesicht / und seynd begierig auf die Rebhüner / Wachtlen und Dauben etc. die Sperber seynd gern bey den Menschen /und lassen sich leicht zahm oder heimisch machen /wann man ihnen schön thut / und wohl wartet. 41 Sie lassen sich trefflich auf die Vögel-Jagt abrichten / und gehen dißfalls den Jägern gar wohl an die Hand; dann in gewissen Ländern / wann die Jäger in den Wäldern[421] die Vögel aufjagen / da halten sich die Sperber in der Höhe in Bereitschafft / und kommen ihnen vor / daß sie nicht entfliegen können: sie treiben sie in die Niedere herab / wo sie dann leicht können gefangen werden / doch muß man ihnen auch ihren Theil darvon geben. 42 Wegen dises und dergleichen Eigenschafften mögen wohl die häußliche und friedsame Ehefrauen ihnen verglichen werden; dann sie thun gern den Leuten / das ist / ihren Ehemännern und Kindern beywohnen / sie lassen sich von ihren Ehemännern auf das Jagen / ich will sagen / auf das Hausen abrichten /und helffen ihnen das tägliche Brod gewinnen / die Kinder verhalten / doch muß man ihnen schön thun /und sie glimpflich tractiren / dann sie seynd gar empfindlich. Ein zahmer Sperber richtet sich nach dem Sinn und Willen des Voglers seines Herrn / eines andern aber nimmt er sich nicht an: und ein friedsames Eheweib solle sich nach dem Kopff oder Humor des Manns / wann er gut ist / richten. Die Habich und Sperber haben / wider die Art der andern Thieren /dise besondere Eigenschafft / daß die Weiblein grösser / stärcker und besser seynd zum jagen als die Männlein. Eben also geschicht es nicht selten / daß die Weiber grösser und stärcker seynd an Tugend /nüchterer / ehrbarer / bescheidner / fleißiger und frömmer als die Männer / und besser zum jagen oder hausen geübt und abgericht. Wie es sich wohl unter viel anderen bey dem dollen und unverständigenNabal und seiner tugendsamen und verständigen Ehefrauen Abigail gewisen hat / inmassen jener grob und ungeschlachte Mann sein Haab und Gut / ja Leib und Leben verlohren hätte / wann nicht die kluge Abigail das Ubel abgewendt und mit ihrer Bescheidenheit den David besänfftiget / und ihres Ehemanns groben Fehler verbesseret hätte. 43

Albertus M. schreibet / er habe von alten Waid-Leuten für gewiß erzehlen hören / daß als sie einstens in einen Wald kommen / Sperber zu fangen / da haben sie einen grossen Sperber auf einem Baum sitzend angetroffen / welcher vor Alter gantz weiß ware: sie schliechen hinzu gantz gemächlich und besichtigten ihn genau / und fanden / daß er Alters halber gantz blind ware / und deßwegen sie nicht fliehe oder scheue / weil er sie nicht sahe. Die Jäger waren begierig den Ausgang der Sach zu sehen / und als sie sich ein Weil still und verborgen hielten / da kamen 2. junge Sperber daher / und brachten ihme Fleisch von ihrem Raub / das zerrissen sie in kleine Stücklein /und speißten ihn darmit. Aus welchem ja billich die junge Leut kindliche Treu und Danckbarkeit gegen ihren Eltern erlernen / und selbige willig ernähren sollen / wann sie etwan Altershalber entkräfftet / und von Mittlen entblößt / ihr Brod nicht mehr gewinnen können / nach der Ermahnung des weisen Syrach: Fili suscipe senectam Patris tui etc. & ne spernas eum etc. 44 Mein Kind / aufenthalt das Alter deines Vatters / und betrüb ihn nicht in seinem Leben /und wann er am Verstand abnimmt und kindisch wird / so hab Gedult mit ihm / und veracht ihn nicht. Und wiederum: Honora Patrem tuum, & gemitus matris tuæ ne obliviscaris etc. 45 Ehre deinen Vatter / und vergiß nimmer des Schmertzens deiner Mutter / und vergelte ihnen / nachdem sie dir gethan haben.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von dem Geyer.

Der Geyer ist ein grosser starcker / Raub-Vogel / zu Zeiten grösser als der Adler: Plinius will / der Geyer komme von dem Adler her (etwan als ein Bastart) dem er auch in vilem an der Gestalt gleichet / und villeicht deßwegen auch Geyer-Adler genennt wird. 46 Er hat einige sonderbare fürtreffliche Eigenschafften / ab welchen ihme von der alten und blinden Heydenschafft eben so wohl als dem Adler Göttliche Ehren seynd erwiesen worden: In Welschland ware vor Zeiten hoch verbotten / disem Vogel etwas Leids zu[422] thun. Die alte Römer pflegten zu sagen: der Geyer seye der gerechtist- und unschuldigste unter den Raub-Vögeln; der Ursachen / weilen er kein lebendiges Thier verletze / und auch keine Früchten / noch was anders / so zu dem menschlichen Gebrauch dienet / esse / sondern nur mit dem todten Aas sich befriedige / welches er mit seinem überaus scharpfen Geruch auf viel 1000. Schritt weit / ja auch gar über das Meer riechet / wie Isidorus und der Heil. Thomas Aquin bezeugen. Auf was Weiß aber dises geschehen möge /ist unter den Gelehrten ein nicht geringer Streit. Die Geyer haben einen langen Hals / und seynd sehr gefräßig / schier immerdar hungerig: sie fliegen auch überaus hoch / aber so bald sie ein Aas auf der Erden ersehen / da schiessen sie schnell darauf herab. Deßwegen thun sie uns wohl die listige und witzige Menschen andeuten / welche gar weit hinaus sehen / alles durchgründen und gleich darauf seynd / wo sie vermeinen / daß ihnen etwas taugen thue. Dise Raub-Vögel pflegen sich gern aufzuhalten / wo eine Armee in dem Feld zu stehen kommt / weilen sie wohl vermercken / das es an einem solchen Ort viel Todten-Cörper und Aas von Menschen und Pferden abgebe: sonsten aber wohnen sie in den höchsten Bergen / und man findet gar selten ihre Junge und Nester.

Ubrigens seynd die Geyer wegen Grösse des Leibs langsam / schwer und träg in ihrer Bewegung / also daß sie sich nicht ohne Mühe von der Erden aufschwingen können / absonderlich / wann sie sich satt geessen haben: sie müssen 2. oder 3. mahl einen Schwung oder Anrang nemmen: und deßwegen werden sie zu Zeiten von den Jägern gefangen / ehe daß sie sich durch den Flug in die Höhe salviren können.

Durch den großfüßigen / unflätigen Geyer / der sich so gern bey dem todten Aas aufhaltet / und hart von der Erden aufschwingt / werden füglich angedeutet die irrdische fleischliche Menschen / die mit den sinnlichen Lastern der Geilheit / dem Fraß und Völlerey /dem Geitz und der Trägheit ergeben / und mithin also schwer oder beschwert seynd / daß sie hart von der Erden auffliegen / das ist / sich hart mit dem Hertzen und Gemüth zu GOtt und himmlischen Dingen aufschwingen mögen wegen dem Last ihrer bösen Neigungen / es braucht einen grossen Gewalt bey ihnen /daß sie sich über das irrdische erheben: und wann es auch endlich geschiehet / so begeben sie sich bald und leichter Dingen wiederum in die Tieffe herab / wann sie von irrdischen Freuden und Wollüsten angereitzt werden (als wie der Geyer / wann er von der Höhe ein Aas siehet / gleich darrauf herab schiesset) mithin werden sie leicht von dem höllischen Jäger verstrickt und gefangen / ehe daß sie sich mit dem Gemüth wiederum in die Höhe aufschwingen. 47

Hingegen aber ist dises an den Geyeren zu loben /daß / wie man von ihnen schreibt / sie die mehriste Zeit mit Erzeugung und Auferziehung ihrer Jungen zubringen / und den grösten Fleiß / Mühe und Sorg darauf wenden / auch biß selbe genugsam erwachsen und gefiederet seynd / schier nie verlassen. 48

Zu wünschen wäre es / daß die Christliche Elteren /die so höchstnothwendige Kinder-Zucht von disen Raub-Vöglen erlerneten! billichster mossen sollen sie sich von Hertzen schämen / daß sie bey weitem keinen so grossen Fleiß und Sorg auf die gute Sitten und Ehrbarkeit ihrer Kinder wenden / als wie die Geyer auf die Erziehung ihrer Jungen / sondern selbe so unachtsam und sorglos in bösen verführischen Gelegenheiten lassen umlauffen / als wann selbe sie nichts angiengen / sie weder zum Guten anhalten / noch das Böse abstraffen / ja von närrischer Kinder-Lieb verblendt offt gar nicht zugeben oder leiden wollen / daß ihre ungezogene und ausgelaßne Kinder von andern Leuthen / von Zucht und Lehrmeisteren recht gezogen / und wegen ihren begangnen Fehler und Verbrechen abgestrafft werden. O Schand und Thorheit an Catholischen Elteren! die gewiß bey vil Türcken / und Heyden nicht geduldet wurden! was grosse Verantwortung und schwere [423] Straff von GOtt haben solche Vätter und Mütter (wann sie doch den Nahmen eines Vatter oder Mutters verdienen) ja auch die Obrigkeiten / die es zulassen / zugewarten! zugeschweigen / daß offtermahl die Elteren selbst anstatt der nothwendigen Corection oder Abstraffung / anstatt der unterweisung in Gaubens-Sachen / der Anmahnung zur Tugend und Erbarkeit / ihren Kinderen selbst höchststräfflich mit gar bösen Exempel vorangehen / und durch Fluchen und Schwören / durch Zanck und Haderen / durch Vollsauffen / Ehrabschneiden / unverschämte Zotten und Possen reissen etc. ihren Kinderen zu eben solchen Lasteren gleichsam den Weeg zeigen / und den grösten Anlaß geben. Es kann kein Seegen GOttes seyn in einem Hauß oder in einer Gemeind / wo keine Kinder-Zucht ist: keine Pest ist so schädlich in einem Land / in einer Stadt oder Dorff / als der Muthwillen und die Ausgelassenheit der Kinder / wann selbe ungestrafft und unverbesseret bleibet / es kommen zum öffteren gantze Gemeinden deßwegen in den Untergang / und in das Verderben / weilen so böse Sitten und gewohnte Laster mit den Kinderen aufwachsen. Erschröcklich seynd die Donnerkeil / ich will sagen /die scharffe Sentenz und Betrohungen / mit welchen die Heil. Schrifft und Vätter wider solche heillose und gewissenlose Elteren ausbrechen: erschrecklich auch die Exemplen oder Straffen / mit welchen GOtt öffters auch sichbarlich auf dieser Welt die schwere Verabsaumung der Kinder-Zucht gestrafft hat. Ja neben dem ist es gewiß / daß vil tausend verdammte Kinder in der Höllen ihre gleichfalls verdammte Elteren auf ewig verfluchen / weilen sie ihnen in der Jugend so vil übersehen / und so vil Unrechts zugelassen haben /welches alles wohl zubedencken und zubehertzigen /ich alle Vätter und Mütter getreulich will ermahnet und inständig gebetten haben:

Ubrigens ist der Geyer ein fürsichtiger Vogel / der sich wohl in Obacht zunehmen weiß; dann er fliegt nicht alleinig / sondern wider die Gewohnheit der Raub-Vöglen in Gesellschaft mehrerer anderen /damit er nemlich desto sicherer seye von den Nachstellungen der Menschen und Thieren: er weiß auch gar wohl zu temporisiren und nach dem Wetter sich zuschicken; deßwegen wann er die bevorstehende grosse Kälte an einem Ort vermercket / verlaßt er dasselbige / und begibt sich zeitlich in ein wärmeres Land gleichwie die Storcken. 49 Er ist ferners ein guter Hauß-Mann; dann wann er sich bey einem Aas satt geessen hat / da legt er das Ubrige auf die Seiten / und behalt es auf: wann es ihn aber auf ein neues hungert /komt er fleißig wieder dahin. Endlichen weiß er auch seiner Gesundheit zu pflegen / und sich zucuriren /wann er kranck ist. Solche Fürsichtigkeit des Geyers ist löblich und wohl würdig / daß wir Menschen ihr nachfolgen. Ja es thut uns die Heil. Schrifft selbsten hierzu anweisen; dann sie sagt von der Gesellschafft:Melius est duos esse simul quàm unum etc. væ soli, quia cum ceciderit, non habet sublevantem se etc. 50 Es ist besser / daß zween beysammen seyen dann einer / dann die genüssen ihr Gesellschafft wohl: fallt ihr einer / so hillft ihm sein Gesell auf. Weh dem der allein ist / wann er fallt / da ist keiner /der ihm aufhelff. Einer mag übergewaltiget werden / aber zween mögen widerstehen. Von dem Winter aber sagt das Evangelium in sittlichem Verstand: Orate, ut fuga vestra non fiat in hyeme. 51 Bettet / daß euer Flucht nicht geschehe im Winter: sondern vor der einfallenden Kälte. Ferners zu der Häußlichkeit werden wir angemahnet durch die Klugheit des Egyptischen Königs / des Josephs, der in den 7. feisten oder fruchtbahren Jahren das überflüßige Getrayd gesammlet und aufbehalten hat auf die 7. magere oder unfruchtbare Jahr. 52 Da heißt es: kaufft in der Zeit / so habt ihr in der Noth. Endlich die Gesundheit der Seelen zubewahren / werden wir vilfältig in der H. Schrifft ermahnet: ja auch den Schein des[424] Bösen zufliehen. Ab omni specie mala abstinete vos. 53 Sagt der Apostel.

Endlichen scheinet der Geyer auch ein guter und verständiger Politicus zu seyn: dann wann er hoch auffliegen will / da thut er sich nicht übereylen / den Flug nicht schnell und gehlingen vornehmen / sondern nach und nach / er thut gemeiniglich zuvor 3. mahl von der Erden aufhupfen / und gleichsam seine Kräfften probiren / ob er fortkommen möge / er geht gemächlich und bedachtsam darein: Endlichen aber wann er vermeint im Stand zu seyn / da begibt er sich im völligen Flug / er setzt ihn mit allen Kräften fort /und lasset nicht nach / biß daß er seinen Endzweck erreicht hat. 54 Eben also soll ein guter Politicus, absonderlich ein grosser regirender Herr / wann er einen hohen Flug thun / das ist / ein hohes Concept, ein grosses Vorhaben ausführen will / da / sage ich / soll er sich nicht übereilen / sondern gemach und wohlbedacht in die Sach gehen / selbe öffters und wohl mit gutem Rath erwegen oder überlegen / und mit seinen Kräfften oder Vermögen abwegen; dann præcipitantia est Mater pœnitentiæ: die Ubereilung bringt spate Reu / die Bedachtsamkeit bringt reiffe und reichliche Früchten. Hingegen tardè incedens non facilè cespitat, der langsam geht / stolperet oder strauchlet nicht leicht. Aristoteles von den Sitten der Regenten redend sagt: Magnanimi motus tardus esse debet, vox gravis & locutio tarda. Die Bewegung / Stimm und Red eines großmüthigen solle langsam und gravitätisch seyn. Aber nicht nur in den Sitten / sondern auch / ja noch mehr / in ihrem Befelch und Decreten sollen die grosse regirende Herrn wohl bedacht und langsam seyn. Sehr löblich derowegen ist in den Kayserlichen Rechten jene Constitution gemacht worden / welche also lautet: Si vindicari in aliquo severiùs contra nostram consuetudinem pro causæ intuitu jusserimus, nolumus statim eos subire pœnam, aut excipere sententiam, sed per triginta dies super statu eorum, sors & fortuna eorum suspensa sit. Die KayserlicheConstitution will sagen / daß wann schon über einenDelinquenten wegen seines Verbrechens ein strenges Urtheil ergangen ist / so solle doch selbes nicht so leicht vollzogen / und die würckliche Straff vorgenommen werden / sondern man solle 30. Tag lang darmit verziehen / die Sach wohl und genugsam zu untersuchen: damit nemlichen niemand zu hart / oder ein Unrecht geschehe.

Die Spannische Monarchen rühmen sich / daß sie nichts füreilend / sondern alles langsam und wohlbedacht schliessen und abhandlen mit seiner rechten Maaß und Gewicht: dann / sagen sie / die Eilfertigkeit hat eine Gleichnuß mit der Unbehutsame und Vermessenheit / die Langsamkeit aber ist eine Gattung der klugen Fürsichtigkeit. Absonderlich findet dieseMaxim, und politische Grunsatz in dem Kriegs-Wesen statt und Platz / wo gar bald etwas mit unersetzlichen Schaden übereilt oder übersehen ist. Es hat manchesmahl ein hitziger Hanibal aus Ubereilung auf einen Streich vil Land und Leuth verlohren / da hingegen ein klug- und behutsamer Fabius cunctando restituit rem, mit zuwarten und temperiren das Erworbne erhalten / oder das Verlohrne wiederum erworben hat: dann gleichwie die tobende Meer-Wellen sich an den stillen und unbeweglichen Felsen abstossen / und nach und nach zu Ruhe begeben und besänfftigen /wann man mit Langmuth ihnen zuwartet / als wann man so gleich mit allem Ernst und Gewalt sich widersetzet. Bald seynd auch grosse Sachen / und wichtigeDessein angefangen / aber nicht so leicht und glücklich ausgeführt: deßwegen gar weißlich der weise Seneca, als ein ausgemachter Politicus gesprochen hat:diu delibera, citò facito, berathschlage lang und wohl / alsdann beschleunige die Vollziehung. Nichtweniger / ja am allermeisten solle die Bedachtsamkeit und reiffe Berathschlagung in geistlichen Sachen in Obacht genommen werden. Der einen hohen Flug thun /das ist / auf das beschauliche Leben / in einen geistlichen [425] Ordens-Stand sich begeben will / oder auf die Seel-Sorg / zu einer geistlichen Würde / zu dem Ambt eines Vorstehers sich einlassen will / der solle nicht schnell und gehlingen dahin auffliegen / oder aufsteigen / sondern nach und nach / er solle zuvor seine Flügel / das ist / seine Kräfften / seinen Ernst und Eyfer wohl probiren / ob sie starck genug seyen / ihn zutragen / und über das Irrdische zu erheben.

Im Auffliegen ist zwar der Geyer / wie gemeldet worden / langsam und wohlbedacht / aber wann es auf den Raub losgehet / da besinnt er sich gar nicht lang /er schießt schnell auf ihn herab. Als einstens dieser gefräßige Raub-Vogel sich überessen / und den Magen beschwert hatte / auch sich deßwegen starck erbrechen muste / und die Speiß wiederum heraus geben / da hat er sich gegen einem anderen Vogel beklagt / und gesagt: er meyne / er müsse alles Ingeweid / auch die Lung und Leber heraus werffen. Aber nein /nein sagte der andere Vogel / du darffest dich nicht sorgen / es geht dir noch nichts von dem Deinigen hinweg / sondern was du heraus geben must / daß seynd nur lauter gestohlne Brocken von dem Aas /welches du jüngstens geraubt hast. Eben also kunte man manchem Ungerechten Geitzhals und Wucher sagen / wann er etwann von der Obrigkeit gezwungen wird / das ungerechte Gut wiederum heraus zugeben: förchte dir nicht / beklage dich nicht / daß dir etwas von dem Deinigen hinweggehe / es ist nur lauter fremdes / nur gestohlnes Gut / was du herauß speyen must. Es ist auch ein Gedicht der Poëten / daß Titius von den Götteren zu dieser Pein verdammt seye worden /daß er nemlich an einem Felsen in dem Meer solle angeschmidet bleiben / auch ihme alle Tag ein Geyer die Leber aus dem Leib reissen / und auffressen thue /selbe aber alle Nacht ihm auf ein neues wieder wachse. 55 Aber in Warheit ist es / daß der Neid und Haß nicht nur die Leber / sondern das Hertz selbsten dem Menschen gleichsam abnage / und zerfresse / und dieses zwar so offt von neuem / als offt er die Wohlfart seines Nechsten mit mißgünstigen Augen ansihet.

Der H. Basilius machet dise Gleichnuß und sagt:sicut vultures per multa quidem prata amæna & odorifera transvolant, ad tabida autem & fœtulenta feruntur etc. 56 Gleichwie die Geyer bey vil schönen und wohlriechenden Wiesen und Garten vorbey fliegen / ohne daß sie sich darbey aufhalten / oder ein Freud darob haben / hingegen wo sie ein faules Aas ersehen / da bleiben sie gern / und ergötzen sie sich /also geben die Neidige kein Achtung auf das / was gut und löblich / sondern nur was mangel- und tadelhafft an ihrem Neben-Menschen ist.

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von dem Falcken.

Der Falcke ist ein edler / und behertzter Raub-Vogel /etwas grösser und stärcker als der Habich / mit dem er sonst in vilen übereins kommt: sein Auferziehung und Abrichtung ist zwar mühsam und kostbar / aber wan er auf den Vogel-Fang wohl und fleissig abgericht ist / da macht er den grossen Herren als König- und Fürsten manche schöne Recreation: wie dann auch zu diesem End an führnehmen Höfen eigne Falconirer /oder Falcken-Meister gehalten werden / welche diese Vögel mit unermüdetem Fleiß müssen abrichten / und geschickt machen / andere groß- und kleine Vögel zufangen / wie aber / und auf was Weiß dieses geschehen müsse / und was alles darzu erforderet werde /wie auch der vilfältige Unterschied der Falcken / ist nicht meines thuns zuberichten / sondern es gibt eigenthümliche und weitläuffige Beschreibungen hiervon. 57 Die Farb des Falcken belangend / so ist selbe insgemein graulecht / mit schwartzen Fleck- oder Düpflein untermenget: die Augen und Fuß aber /wann er von guter Art / sollen gelb seyn. Der Falck hat einen kurtzen dicken Kopf [426] und Halß / einen krummen Schnabel / scharffe Klauen / lange Flügel / und kurtzen Schweiff.

Der Falck ist ein Wahr-Zeichen oder Andeutung des Siegs wegen seiner Geschwinde und Tapferkeit; dann er unterfanget sich grosser Ding / und greiffet die Vögel in dem Lufft / ja auch die kleinere Thier auf der Erden / als wie die Haasen / Küniglein / und dergleichen hertzhafft an. Sein Begird auf den Raub ist über die massen groß: So bald er in dem Lufft einen Vogel sihet / da macht er seine Rundell oder Rädlein /biß er ihn im Flug überstigen hat / hernach zieht er die Flügel ein / schießt auf ihn herab als wie ein Pfeil / und setzt mit seinen Klauen und Schnabel ihme so hefftig zu / biß daß er schwerlich verwundet auf die Erden herab fallet. Wann er aber einen Haasen oder Küniglein fangt / da halt er sich selbst mit dem einen Fuß vest auf der Erden an / und mit dem anderen faßt er das Thier / und bringt es mit dem Schnabel um. So begierig ist der Falck auf den Raub / daß er selben offt nicht aus Noth oder Hunger gezwungen / sondern nur aus Muthwillen / oder Grausamkeit verfolget. Die beste und stärckeste Falcken halten sich in mitternächtigen Länderen auf: sonst gibt es derselben auch in den höchsten Gebürgen in Italia, Franckreich und Teutschland.

Aber im sittlichem Verstand gibt es an vilen Orthen dergleichen grausame Raub-Vögel / welche unter den Menschen so übel hausen / als die natürliche Falcken unter denen Vöglen: man muß sie zwar edle Falcken / und gnädige Herren heissen / obwohl sie nur gar zustreng / und rechte Blut-Egel seynd / die denen Unterthanen das Blut biß auf den letzten Tropfen aussaugen / das ist / das Geld biß auf den letzten Pfenning auspressen. 58 Sie leben offt von dem Schweiß der Unterthanen / als wie die Falcken von dem Fleisch und Blut der Vöglen / und dieses zwar offtermahls nicht aus Nothdurfft / sondern zum Pracht und Ubermuth / stattliche Mahlzeiten zuhalten / prächtige Gebäu zuführen / kostbahre Kleider zuverschaffen etc. Dise verstehen oder verkehren die Heil. Schrifft gar übel; dann GOtt hat zu dem Menschen gesprochen: im Schweiß deines Angesichts sollt du dein Brot essen. 59 Aber vil Herren wollen nur immer vom Bauren-Schweiß wohl leben / und sich selber nichts bemühen. Der Falck hat gleichwohl noch diese Tugend an ihm / wie Olaus Magnus schreibt / daß er bey grosser Kälte zu Nacht einen Vogel fangt / und denselben die gantze Nacht hindurch vest an seine Brust haltet / damit er ihn erwärme: am Morgen in der Frühe aber / obwohlen es ihn hungeret / und der gefangne Vogel ihm trefflich für ein Frühestück taugte /so thut er ihm doch kein Leyd / sondern last ihn frey wiederum darvon fliegen / und da ist der Falck erkantlich / und zufriden / daß ihn der Vogel erwärmet hat. Also sollen es auch die Herren und Herrschafften ma chen / wann sie sich an den Bauren und Unterthanen gewärmt / das ist / ihre billige Zinß und Gildten empfangen haben / da sollen sie selbige im übrigen unangefochten gehen / oder hausen lassen / und nicht die Federen alle ausrupfen / oder gar die Haut abziehen /das ist / aller Mittel berauben.

Der Heil. Apostel Paulus ist zwar vor seiner Bekehrung auch ein Falck gewesen / er hat die neuglaubige Christen gewaltig verfolgt / als wie der Falck die andere Vögel / er hat sie in die Gefängnus und um alles gebracht / wie er selbst aufrichtig bekennt / persecutus sum Ecclesiam DEI, 60 aber er hat sich gewaltig gebessert / und bekehrt. Matthäus und Zachäus seynd vor ihrem Beruff auch Falcken gewesen / jener bey seiner Mauth / oder Zollbanck / und dieser in seiner Schreib-Stuben bey seiner Geld-Truhen / sie haben immerdar gepaßt / wo sie einen Gewinn erhaschen mögen: aber sie haben es redlich ersetzt / und eingebracht / jener hat auf einmahl alles verlassen /und ist Christo nachgefolgt: dieser aber hat sich anerbotten vierfach heimzustellen / [427] wann er jemand übernommen / oder unrecht gethan habe / Reddo quadruplum etc. 61 O wann andere Falcken und sittliche Raub-Vögel nur einfach heimstelleten / was sie unbillicher Weiß geraubt haben! wann sie aber dieses nicht thun / sondern ihr Schinden und Schaben / ihr Schachern und Wuchern immer fort treiben biß an das End / so werden sie gewiß mit spater Reu hören müssen /væ qui prædaris, nonné & ipse prædaberis? 62 Weh dir / du Berauber und Verheerer / wirst du nicht auch beraubt und verheeret werden?

Ja es ergeht ihnen offt auch noch in disem Leben /als wie jenem Falcken / welcher als er einen Vogel gefangen hatte / und vermeinte wohl darob zu leben /da kam ein Adler daher / und nahm ihm selben mit Gewalt hinweg: der Falck aber wehrte sich aus allen Kräfften / und sie haben einander also herum gebissen und gerissen / daß beyde unkräfftig auf die Erden herab gefallen seynd / und von einem Jäger gefangen worden / mithin aber der Vogel beyden entrunnen ist. Also sage ich / geht es offt / wann zwey ungerechte Geitzhäls um das Gut und Gelt des dritten streiten /da matten sich beyde ab / und richten einander zu Grund / biß / daß sie dem dritten / das ist / dem Tod /ja dem Teuffel selbst zum Raub werden.

Löblich ist an denen Falcken / daß sie mit einander friedlich leben / einander beschützen / ja auch ehren: dann man hat beobachtet / daß als der Falckenmeister sie gespeiset / da seynd sie nicht so begierig / und zugleich darein gefallen / als wie die Schwein in Troch /sie haben auch nicht um das Essen gebissen und gerissen / als wie die neidige Hund / welcher den grösseren Brocken bekomm / nein / sondern sie haben einander die Ehr geben / die jüngere haben sich enthalten / biß die ältere zuvor ihren Theil genommen /und erst hernach haben sie auch zugrieffen. 63

Æneas Sylvius schreibt: Es habe sich unsern der Stadt Lüttich begeben / daß ein Falck in seinem Nest seye von den Raben angegriffen und darvon vertriben worden: dise haben ihm seine Eyer zerbrochen und aufgefressen / welches der Falck / indem er übermannt ware / muste geschehen lassen. 64 Aber den folgenden Tag kame ein unzahlbare Menge Raben und Falcken in derselben Gegend zusammen / diese haben sich in dem Lufft gleichsam in Schlacht-Ordnung ausgetheilt / die eine gegen Mittag / und die andere gegen Mitternacht in unterschidliche Trouppen abgetheilet: alsdann giengen sie einhellig auf einander loß / und kämpften hitzig / also daß diese / bald jene Parthey die Oberhand erhielte / oder zuruck getrieben wurde /und also das Feld mit ausgerupfften Federn und mit Todten-Cörper der Vögeln gleichsam übersäet ware. Endlich erhielten die Falcken den völligen Sieg / und trieben die Raben alle in die Flucht. Dieses aber geschahe / wie man glaubwürdig darfür halt / aus sonderbarer Schickung GOttes / zur Vorbedeutung einer bald hierauf erfolgten blutigen Schlacht / die in selbiger Gegend ist gehalten worden / in welcher gar viel Menschen geblieben. Zu wünschen wäre / daß auch die Menschen einer Gemeind einander also wie die Falcken liebten / ehrten und beschützten.

Noch etwas lobwürdiges hat der Falck an ihm / daß er nemlich sich gern abrichten und heimisch machen /und seinem Herrn oder Falckenmeister so gehorsam ist / daß er ihm auf der Hand sitzen bleibt / darauf isset / und nach Belieben hin und wider tragen laßt: wann er auch hoch in den Lufft aufgeflogen ist / so kommt er wider zuruck / er verlaßt die Freyheit / und stellt sich gehorsam bey seinem Herren ein / wann er ihm pfeiffen oder ruffen thut. 65 Einen solchen Gehorsam sollen auch wir GOtt erweisen / seiner Stimm oder seinem Befelch folgen / und unser Freyheit oder eignen Willen ihme zu Gefallen verlassen.

Aber der Falck muß richtig und ordentlich gespeiset werden / damit er gute Dienst leiste / und im Beitzen / oder auf der Vogel-Jagt sich brauchen lasse. Man muß ihm nicht zu vil geben / und [428] ihn nicht zu haicklich ziehen / sonst thut er kein gut / und fragt dem Raub nichts nach: man muß auch nicht zu gesparsam seyn / und ihn zu schlecht halten / sonst wird er Krafft-loß und verdrüßig. Eben also soll ein Oberer und Hauß-Vatter mit seinen Untergebnen / Dienstbotten und Kindern machen: Er solle sie nicht zu haicklich ziehen / oder zum Uberfluß gewöhnen / damit sie nicht muthwillig / oder ungehorsam werden: er solle auch nicht zu karg / und gesparsam seyn / damit sie nicht aus Verdruß sich der Arbeit entschlagen. Deßwegen hat gar weißlich der Salomon zu GOtt gebetten: Divitias & mendicitatem ne dederis mihi, sed tantùm victui meo tribue necessaria: 66 Armuth und Reichthum gib mir nicht / gib mir allein meiner Nahrung Nothdurfft.

Der 6. Absatz
Der 6. Absatz.
Von der Nacht-Eul.

Unter den Nacht-Vögeln / deren es unterschidliche Arten gibt / ist die Nacht-Eul / Bubo oder Noctua die fürnehmste / gröst- und stärckiste. 67 Sie ist zwar mit einem dicken Feder-Peltz versehen (insgemein braun und grau von Farb / und etwas gesprecklet) aber einer häßlichen Gestalt / sie hat einen grossen breiten Kopf / schier wie ein Katzenkopf / desgleichen auch die Augen / einen krummen Schnabel und scharpfe Klauen / kurtze rauhe Füß und einen buckleten Leib / und was sie einmahl in ihre Klauen bekommt / das haltet sie fest. Sie hat gar einen kurtzen Hals / an dem sie doch den Kopf auf alle Seiten kan herum drehen: Bey hellem Tag sihet die Nacht-Eul wenig oder gar nichts (dann das Sonnen-Licht ist ihr zu starck und verblendet sie) bey finsterer Nacht aber um so vil besser: Da gehet sie auf den Raub aus / und fanget Mäuß oder Ratzen / Fledermäuß / auch junge Haasen / Küniglein / und Vögel / die sie auf den Bäumen sitzend und schlaffend antrifft. Die andere Vögel seynd ihr alle feind / sie verfolgen / rupfen und zupfen sie / wann sie sich gehlingen bey dem Tag sehen laßt. Doch weist sich die Nacht-Eul wohl zu defendiren; dann sie legt sich zu Zeiten auf den Rucken / und wehret sich mit dem Schnabel und Klauen. Ihre Wohnung haben sie gern in den Hölen der Berg und Felsen / oder auch in hohlen Bäumen / in alten Schlössern und Thürnen: Sie kommen auch zu Zeiten in die Kirchen / und trincken das Oel in den Amplen aus. Ihr Flug ist schwach und schwermüthig / die Stimm aber scheulich und unangenehm.

In sittlichem Verstand kan füglich der Teufel mit einer schandlichen und schädlichen Nacht-Eul verglichen werden (wie gar wohl der mehr gerühmte P. Procopius anmercket). 68 Dann gleichwie die Nacht-Eul ein Lichtscheuender Nacht-Vogel ist; und den Nacht-Thieren / als Mäuß und Ratzen nachstellet / sie fangt und auf frißt / also ist der Teufel Princeps tenebrarum, ein Fürst der Finsternuß / der den Ubelthäteren / die eben auch Filii tenebrarum, Kinder der Finsternus seynd / nachstellet / und sie gefangen nimmt /biß daß er sie gar in die äusserste / das ist / in die höllische Finsternus mit sich ziehet.

Ferners die Nacht-Eul suchet bey nächtlicher Weil durch die Fenster den Eingang in die Kirchen / nicht aus Andacht / sonderen das Oel zu stehlen / welches zu der Ehr GOttes in der Ampel brinnen solte / selbes thut sie mit ihrem Koth verunreinigen. Auch der höllische Feind sucht bey Tag und Nacht durch die Fenster und Thüren / das ist / durch die 5. Sinn des Menschen / durch die Augen / Ohren etc. in den sittlichen Tempel GOttes / verstehe in die menschliche Seel sich ein zutringen / nicht aus Lieb gegen demselben / sonder durch den Unflath der Sünden den Tempel zu bemacklen / und das kostbare Oel der Lieb / der Andacht / und der Gnad GOttes daraus hinweg zu stehlen. Ja dise höllische Nacht-Eul kommt auch vilfältig in den materialischen sichbarlichen Tempel oder Kirchen / offt biß zu dem Altar und [429] zu dem Beicht-Stuhl / die Menschen von dem Gebett und von der Andacht zuverhinderen / distract oder unwillig zumachen / und also des Oels der Verdiensten zuberauben.

Die Nacht-Eul ist ein gar häßlicher Vogel / ein Schrecken der Kinder / und ein Greuel oder Abscheuen der Tag-Vöglen: eben also der böse Feind ist durch seinen Fall abscheulich verstaltet worden: er ist ein Greuel / vor deme sich die wahre Kinder GOttes förchten und entsetzen / als welche sein Boßheit / und vilfältige List und Schaden wohl erkennen.

Die einfältig- und gemeine Leuth (ja auch vor Zeiten die verblendte Heyden) halten dafür / es bedeute nichts Guts / sondern ein bevorstehendes Unglück /als etwann ein Feurs-Brunst / ein Tod-Fall etc. oder dergleichen / wann ein Nacht-Eul sich hören / oder sehen läßt / deßwegen wurde sie einstens Avis luctifera, das ist / ein Leyd bringender Vogel genennt: aber daß ist ein lehre Einbildung / und Irr-Wohn des Pövels: wohl aber soll man sich vor Unglück hütten /und durch Anruffung des göttlichen Beystands fleißig bewahren / wann die höllische Nacht-Eul durch ihre Versuchungen sich hören oder sehen laßt / dann diese sucht nichts anders als Todschläg der Seelen anzustifften / und schädliche Brünst der Geilheit / des Zorns / des Neid und Hasses bey den Menschen zuerwecken. 69

Als einstens die Römer zu oberst auf dem Capitolio, oder dem Haupt-Schloß der Stadt Rom eine Nacht-Eul haben sitzen sehen / da seynd sie alle in Forcht und Schrecken gesetzt worden / und vermeinten / es thue der Stadt Rom / weiß nicht / was für ein grosses / und allgemeines Unglück bevorstehen. Hingegen die Tartaren seynd einer gantz anderen Meinung / sie halten die Nacht-Eul für einen Glücks-Vogel / oder für ein gutes Zeichen / sie tragen auch deßwegen die Federen von einer Nacht-Eul für ein Ehren-Zeichen auf ihren Hauben und Kappen / als wie die teutsche Cavalier, die Plumagi oder Strauffen-Federen auf den Hütten. Diser Wohn solle daher seinen Ursprung haben / weilen / als einstens ihr König / Changi, oder Tartar-Cham eine grosse Niederlag erlitten / und die Schlacht verlohren hatte / da begab er sich in die Flucht: der Feind setzte ihm eilends nach / er aber hat sich in ein dickes Gesträuß verkrochen / und eine Nacht-Eul hat sich oben darauf gesetzt. 70 Als nun die nachsetzende Feind diesen Vogel auf dem Gesträuß sitzen gesehen / da glaubten sie nichts wenigers / als daß ein Mensch da solte verborgen seyn / und suchten weiters nicht nach: mithin ist der flüchtige Tartar-König durch die Nacht-Eul bey dem Leben / und bey der Freyhet erhalten worden. Um dieser Gutthat willen / thut das Tartarische Volck die Nacht-Eulen noch immerdar lieb und werth halten.

Es erzehlet auch der jüdische Geschicht-SchreiberJosephus folgende merckwürdige Begebenheit / daß nemlich der Kayser Tiberius den König Herodem Agripam habe lassen gefänglich nacher Rom bringen / und alldort / nicht weit von seiner Residenz, zum Spott an einen Baum binden (vast eben / wie man einen Ubelthäter auf den Pranger stellt) ein Teutscher / der sich für einen Wahrsager ausgab / befand sich auch da gegenwärtig / und als er den gefangenen König so gebunden da stehen / ob er ihm aber auf dem Baum eine Nacht-Eul sitzen sahe / da batt er die Wacht / man solt ihn mit diesem gefangenen Herrn ein par Wort reden lassen: und als es ihm gestattet worden / tratte er hinzu / reichte dem König einen frischen Trunck Wasser / und sprach: er solle nur gut Hertz haben / der Kayser werde den wider ihn gefaßten Zorn bald wieder fallen lassen / ihn auff freyen Fuß stellen / und sein Königreich ihm wiederum heimstellen. 71 Das nimme ich aus diesem ab / setzte der Wahrsager hinzu / weilen ein glückbringender Vogel / nemlich eine Eul sich über dich auf den Baum gesetzt hat. Der König bedanckte sich unterdessen /und sagte / wann der Effect sich zeigen / und [430] erfolgen werde / da woll er sich gewißlich danckbar einstellen. Aber noch eins sagte der Wahrsager / must du o König wissen: gibe Achtung / wann noch ein anderes mahl ein solche Nacht-Eul sich oben dir nidersetzen wird / so ist es ein gewisses Zeichen / daß dein End nah seye / dann du wirst über 5. Täg nicht mehr zu leben haben / doch wirst du dein Reich frey deinen Erben hinterlassen. Es hat sich auch alles hernach so begeben / wie zum Theil in den Apostel-Geschichten zulesen ist. Der gemelte Josephus aber thut diesen Umstand beyfügen / daß eben als der hochmüthigeHerodes auf einem prächtigen Sitz kostbar gekleidet sasse / und zu dem Volck ein Red hielte / kam wiederum ein Nacht-Eul / die setzte sich oben auf denBaldachin seines Throns / und eben damahls percussit eum Angelus Dommi sagt der Heil. Text, der Engel GOttes hat ihn geschlagen / nemlich mit einer tödlichen Kranckheit / an welcher er etlich Tag lang schmertzlich gelitten / er hat zufaulen angefangen /und haben ihn die Würm oder Läuß lebendig gefressen. 72

Dieses alles / sage ich / ist zwar erfolgt / aber nicht wegen der richtigen Wahrsagung / oder einer Vorbedeuttung der Nacht-Eul / sondern als ein Begebenheit / die lediglich von der Anordnung GOttes dependirte und herrührte. Welches ich darum anmercke / daß man sehe / wie daß bald Glück bald Unglick erfolge /nachdem die Nacht-Eul sich hat sehen oder hören lassen / und folgends gar nichts darauf zuhalten seye. Ja wer vest darauf glauben und verharren wolte / daß die Nacht-Eul dieses oder jenes gewiß vorbedeute / der wurde sich eines sehr sträfflichen Aberglaubens schuldig machen. Die Heil. Schrifft ist solchen eitlen Wahrsagern / so von den Vöglen hergenommen werden / sehr zuwider / wie an unterschiedlichen Stellen zusehen ist: wie so gar nichts auf den Flug oder das Geschrey der Vöglen / des Raaben / der Nacht-Eulen /des Guggu etc. zuhalten seye / zukünfftige Glücks-oder Unglücks-Fälle betreffend (ein anders ist es mit der Vorbedeutung des zukünfftigen Wetters) daß haben unter vil anderen mit ihrem Schaden wohl erfahren jene 2. gute Freund / welche gar vil und aberglaubisch auf das Vogel-Geschrey gehalten haben; dann als sie miteinander über Feld giengen / da hat sich unterwegs ein Guggu auf den Baum gesetzt / und sein liebliche Stimm vor ihnen hören lassen. 73 Der eine sagt mit Freuden zu dem anderen: Bruder das geht mich an / es wird mir ein Glück zustehen: Nein sagt der andere / es geht dich nichts an / er hat mir gugguget: es ist nicht wahr / widersetzt jener gantz eyferig. Mit einem Wort / sie haben so lang mit einander ober dem Gugger gestritten und gezanckt / biß daß sie einander geschlagen / und zimmlich verwundet haben / also daß sie genöthiget gewesen in das negst-gelegene Dorff zugehen / sich von dem Barbirer zuverbinden und curiren zulassen. Hernach haben sie erst einander vor dem Richter des Orths verklagt und gestritten / welchem der Gugger gugget und ein bevorstehendes Glück angekündet habe. Der Richter hat den Handel ziemlich lang aufgezogen / endlich aber den Ausspruch gethan: der Guggu habe weder dem einen noch dem anderen / sondern ihme selbst (das Geld nemlich in Beutel) gugguget: er hat einen jeden um etlich Thaler gestrafft / weil sie in seinem Gericht gefreflet haben / mithin haben sie von dem schönen Glücks Vogel nichts als die empfangene Schläg / und den leeren Beuttel darvon getragen.

Noch über diß ist ein anderer von disem Vogel-Geschrey / auf welches er seinen Aberglauben gesteifft hat / betrogen worden / oder hat sich vilmehr selbsten betrogen. Dann indem er ihn 22. mahl nacheinander hat schreyen hören / hat er ihm vermessentlich / und mit Freuden selbst die Rechnung aber ohne den Wirth gemacht / er werde noch 22. Jahr lang leben. Nun /das ist gut / gedenckt er ihm: ich will noch 20. Jahr lang mich lustig machen / und mir lassen wohl seyn /die letzte 2. Jahr aber wiederum Gutes [431] würcken / und Buß thun. Aber er hat es gar übel getroffen / die Rechnung hat ihm weit gefehlt; dann er ist gleich nach 2. Jahren unglückseelig gestorben / und verdorben.

Ubrigens ist doch auch was Guts von der Nacht-Eul zuerlernen: dann obwohl sie das helle Tag-Licht /die klare Sonn / wegen Blöde ihrer Augen nicht anschauen kan / als wie die Tag Vögel / absonderlich die Adler / und deßwegen sich beym Tag in die finstere Löcher versteckt und schlafft / so hat sie doch ein grosse Freud zu Nachts ab dem Mond / und thut ihn mit Lust beschauen. 74 Eben also / obwohlen wir Menschen auf dieser Welt GOtt selbsten / als ein klare Sonn / wegen unserem blöden Gesicht / oder schwachen Verstand nicht beschauen / oder betrachten und erkennen mögen / als wie die himmlische Adler / das ist / die Engel / und Heilige in dem Himmel / so können und sollen wir doch den Mond / ich will sagen / die heiligste Menschheit Christi / in dem hochwürdigen Altars-Geheimnuß unter den Gestalten / des Wein und Brods / mit Andacht und Ehrerbiethung beschauen und betrachten.

Es können abermahlen auch die ungerechte Geitzhälß und Wucherer / mit den Nacht-Eulen / und zwar fürnemlich / in diesem Stück verglichen werden / daß / gleichwie man mit der Nacht-Eul / die man gefangen hat / leichtlich auch andere Vögel fangen kan; dann sie fliegen häuffig auf sie zu / sie seynd ihr häßig /und wollen an ihr rupfen und zupfen / mithin aber kommen sie dem Vogler selbsten in Kleb oder ins Garn / und werden gefangen. 75 Also wann der Teufel einen ungerechten Wucherer / oder reichen Geitzhalß gefangen hat / da fangt er vil andere Menschen damit: dann einige versündigen sich an dem Wucherer / oder Geitzhalß durch Neid und Haß / indem sie wünschē /daß sie dieser Nacht-Eul alle Federen könnten ausrupfen / oder gar die Augen auskratzen / das ist / um sein Gut und Geld bringen / oder gar das Lebens-Licht auslöschen. Andere die etwann unbillich seynd beschwert / geprest / oder betrogen worden / versündigen sich durch Zorn und Fluchen wider ihn. Noch andere / weilen sie sich etwann von dem Wucherer haben schmirben oder bestechen / und seinen Wucher / oder Ungerechtigkeit treiben lassen / da sie doch solches Ambts halber wohl verhinderen kunten und solten. Deßwegen ist ein solche Nacht-Eul / das ist / ein Wucherer oder Geitzhalß / dem höllischen Jäger oder Vogler gar angenehm / weilen er vil andere Vögel /oder Seelen darmit fangen kan.

Wiederum die Nacht-Eulen fliehen das Licht / und pflegen nur bey finsterer Nacht dem Raub nachzujagen: wann sie aber gehlingen bey dem Tag von anderen Vöglen verdapt / und angegriffen werden / da legen sie sich auf den Rucken / sie kratzen und beissen gewaltig um sich; Also auch die Wucherer und Ungerechte machen ihre Contract und Bündnußen nicht offentlich bey dem Licht / und der Warheit und Aufrichtigkeit / sondern nur in der Finstere des Betrugs / unter der Decke der Arglistigkeit etc. wann sie aber etwan von den Tag-Vöglen / das ist / von der Obrigkeit oder ehrlichen Pactisten / von Interessenten / an einem Betrug / oder Schelmen-Stücklein verwischt werden / da wollen sie durchaus nicht schuldig seyn / sondern sie wehren sich auf das Aeusserste gegen ihnen mit dem Schnabel ihres geschwätzigen Mauls / und mit den Klauen ihrer falschen Streich und Grifflein.

Endlichen können dißfalls alle Gottlose und Sünder durch die Nacht-Eulen verstanden werden: dann wie Christus selbst in dem Evangelio sagt / omnis, qui malè agit, odit lucem, & non venit ad lucem, nè manifestentur opera ejus. 76 Ein jeglicher der da Böses thut / der hasset das Licht / und kommt nicht an das Licht / auf daß seine Wercke nicht gestrafft werden. Sie suchen verborgne Schlupf-Winckel / als wie die Nacht-Eulen: und bey finsterer Nacht werden die gröste Laster begangen / da geschehen die Ehebrüch / [432] die Diebstähl / die Mordthaten etc. gleich als solte die Nacht selber / unter dem schwartzen Deck-Mantel ihrer Finsternuß / den Greuel der Sünden verbergen. Unterdessen seynd gleichwohl diese Nacht-Vögel in der Finstere ihres Irrthums / und ihrer Boßheit nur gar zu scharfsichtig auf ihr zeitliches Interesse, auf ihren Vortheil / und spitzfindig ihre Fehler / und Verbrechen zuverthätigen. Dann die Kinder dieser Welt seynd klüger / als die Kinder des Lichts in ihrem Geschlecht / obwohl sie hingegen stockblind seynd in dem / was ihrer Seelen Heyl betrifft; Sie haben Augen / und sehen doch nicht; sie wandlen in der Finsternuß.

Doch muß man der Nacht-Eul auch das Lob geben / und die Ehr lassen / daß sie jederzeit von den Alten für ein Sinn-Bild und Wahr-Zeichen der Weißheit ist gehalten worden: Auch Palladi, oder Minervæ der Göttin der freyen Künsten / als eigenthumlich von der abgöttischen Heydenschafft / ist geheiliget und zugeeignet worden. 77 Dises aber ist geschehen / wegen ihrer nächtlichen Wachtsamkeit; dann bey Tag / wann alles in Bewegnus und unruhig ist / da hält sie sich gantz still / ruhig und einsam: hingegen zu Nachts /wann Thier und Menschen schlaffen und müßig gehen / da ist sie wachbar und emsig. Dieses aber ist der Weißheit eigenthümlich: zu Nacht bey stiller Ruhespeculiren und studiren macht gelehrte Leuth; deßwegen gar weißlich die weise Athenienser vor Zeiten in ihren Wappen / und auf ihren Geld-Müntzen ein Nacht-Eul geführt haben / wie Plutarchus schreibt /weilen nemlichen daselbst die Hohe-Schulen und folgends die Weißheit und Wissenschafften in höchstemFlor waren. Es wolte nemlich der kluge Magistrat zu Athen durch Vorstellung der Nacht-Eulen derstudirenden Jugend zuverstehen geben / daß / wer die Weißheit und Wissenschafft wohl ergreiffen und erlernen wolle / ihme den Schlaff nicht lassen zu lieb seyn / sondern mühsame und wachtbare Nächt daran spannen müsse.

Es wird auch an der großkopfeten Nacht-Eul verspühret / daß sie nicht wenig Witz und Hirn im Kopf haben müsse / weilen sie zu Zeiten den anderen Vöglen einen manchen guten Rath gegeben hat: als unter anderen / sie sollen keinen Eich-Baum aufwachsen lassen / sondern alle Eichen bey Zeit untertreiben /dann selbe werden mit der Zeit etwas herfür bringen /aus welchem man den Vogel-Leim præparirt / der dem gantzen Feder-Geschlecht zu grossem Nachtheil gereichen möge. 78 Eben der Ursachen / sagte die Nacht-Eul / sollen sie keinen Flachs oder Hanff-Saamen lassen aufwachsen / sondern denselben fleißig aufbicken / wo sie immer können; dann er seye nicht nur auf die Leinwath / sondern auch auf das Vogel-Garn / und Stricklein / sie darmit zu fangen / angesehen / etc. Zu wünschen wäre es / daß auch die Menschen so behutsam und vorsichtig wären / daß sie die jenige Ding oder Gelegenheiten bey Zeiten flieheten /aus welchen ihnen grosse Gefahren und Ubel mit der Zeit erwachsen mögen.

Der 7. Absatz
Der 7. Absatz.
Von dem Raaben.

Der Raab ist / wie bekandt / ein zimlich grosser Kohl-schwartzer Fleisch-fräßiger unreiner Vogel / der von dem Aas der Menschen und Thier und auch von gifftigen Sachen isset: Er fanget und verzehret auch zu Zeiten lebendige Vögelein / als Lerchen / Spatzen / und wird billich den Raub-Vöglen beygezehlt. 79 Er ist ein listig- und boßhaffter Vogel / hat einen gar starcken Schnabel / und insgemein schändliches Geschrey. Das Weiblein sitzt 20. oder 30. Täg lang beständig auf den Eyeren / und das Männlein tragt ihm das Essen zu. Die Junge verlasset der Raab / biß daß sie schwartze Federen bekommen / unterdessen aber stracken sie die Schnäbel auf / und werden von dem Himmels-Thau ernehret und gespeiset. Er nistet gern in dem hohen Gebürg / oder auf den höchsten Thürnen und Bäumen / [433] und wann er zu viel Junge hat / da wirfft er eine / aus Verdruß sie zu erziehen / zum Nest hinaus. Der Raab ist ein diebischer Vogel / er stihlt gar gern was glantzet / als guldene und silberne Müntzen / die tragt er in sein Nest / und hat ein Freud darab / wann er solche nur sihet / obwohl er selbe nit brauchen kan: als wie die reiche Geitzhälß ihnen Schätz von Gold und Silber sammlen / und ihnen doch dieselbe nicht zu brauchen getrauen.

In einigen mitternächtigen Länderen werden wol auch zu Zeiten weisse Raaben gesehen. Aristoteles thut auch die Krähen und Thulen zu dem Geschlecht der Raaben ziehen. Die Raaben werden sehr alt biß 30. oder 40. Jahr. Der Raab ist dem Ochsen und Esel feind / er verfolget und plaget sie; dann er sitzet ihnen auf den Rucken / beisset und krätzet sie mit dem Schnabel und Klauen: des Fuchsen aber ist er ein guter Freund / villeicht weilen er öffters von seinem Raub etwas geniesset. Der Haas förchtet den Raaben so sehr / daß er sich vor seiner Stimm verbirgt und verschliefft.

Wann man die Raaben / da sie noch jung seynd /fängt / da werden sie zahm / und lassen sich leicht auf unterschidliche Weis / auch zum Vogelfang abrichten. Der Raab hat eine breite und dicke Zung / und wann man sie ihm lößt / da nimmt er der anderen Vöglen /Thier und Menschen Stimm an sich / und lernet deutliche Wort aussprechen / wie Aristoteles bezeuget /also daß er die Stimm auf vil unterschiedliche Weiß veränderen kan. 80

Als der Kayser Augustus ein grosse Feld-Schlacht gewonnen / und siegreich widerum zu Rom eingezogen ist / da kame ihm unter anderen Glückwünschenden einer entgegen / der einen Raaben gelehrt und abgericht hat / daß er dem Kayser gantz deutlich zu geruffen und gesprochen hat: Ave Cæsar Victor Imperator, sey gegrüßt O Kayser / du Obsieger! 81 Dises hat dem Kayser so wol gefallen / daß er den Raaben an sich gekauft hat / und seinem Lehrmeister ein grosses Stuck Geld darfür bezahlen lassen. Eben also wol ist es auch noch einem und anderem gerathen / der auch einen Vogel also abgericht hat / und den Kayser grüssen gelehrt. Als dises ein armer Schuhmacher gesehen und erfahren hat / da gedencket er ihm / wann er nur auch das Glück hätte / und ein so schönes Stuck Geld von dem Kayser bekommen kunte. Er bemühete sich also mit möglichistem Fleiß auch einen Raaben ab zurichten / und ihn die obgemeldte Wort zu lehren. Aber der Vogel wolte es gar lang nicht fassen: Deßwegen ist der Schuster offt verdrüßig worden / und hat mit Unwillen gesaget: Oleum & operam perdidi: Es ist alle Mühe und Arbeit umsonst. Endlichen hat gleichwol der Raab den Spruch erlernt / und als der Kayser einstens auf offentlicher Gassen vorbey gezogen / da hat sich der Schuster mit seinem Vogel auf den Weeg gestellt / und ihm ein Zeichen geben / welcher dann auch seinen Spruch ordentlich gemacht /und deutlich gesprochen hat: Ave Cæsar victor Imperator! Sey gegrüßt O Kayser / du Obsieger! Aber weilen es eben nichts Neues mehr ware / so hat der Kayser kein grosses Wohlgefallen darob gezeigt /sonderen gesprochen: Er hab dergleichen theure Gruß schon genug gehöret: So bald er dises geredt hat / da seynd dem Raaben zu allem Glück auch die andere Wort / die er zum öffteren von seinem Lehrmeister gehört hat / eingefallen / und hat gantz deutlich gesagt: Oleum & operam perdidi, es ist alle Mühe und Arbeit umsonst / welches dann treflich à propos ware / und sich überaus wohl geschicket / auch dem Kayser so wol gefallen hat / daß er dem armen Schuster mehr als den anderen für den Vogel den Raaben hat bezahlen lassen. Plinius schreibet: Es seye zu Rom ein Raab erzogen und also gewöhnet worden / daß er alle Morgen aus dem Hauß auf den offentlichen Marckt-Platz geflogen / und sich auf die Cantzel / worauf die Römische Oratores oder Redner zu dem Volck gesprochen haben / gesetzt. Da habe er erstlich den Kayser Tiberium, den er auch mit Namen genennt habe / gegrüsset / [434] wann er sich in den Rath erhoben: Nach disem habe er auch Germanicum einen fürnehmen Kriegs-Obristen / alsdann Drusum des Kaysers Bruder / und endlich das gantze anwesende Römische Volck gegrüßt / und seye widerum nacher Hauß geflogen.

Es haben auch die Raaben ein gar gute Gedächtnus / und seynd sehr listig oder vortheilhafftig. Sie nehmen ihren Platz oder Wohnung an keinem Ort wo sie nicht sehen / daß für sich und ihre Junge genugsame Nahrung zu finden seye: Auf einen fruchtbaren Acker fliegen sie hauffenweis / auf einen unfruchtbarem Acker nur par und par / wie Ælianus lib. 12. anmercket. Wann sie aber ein Aas oder Todten-Cörper antreffen / der mit der Pest oder einer vergifften Sucht ist angesteckt gewesen / da werden sie ihn wol nicht anrühren / noch weniger etwas darvon essen / wann sie schon hungerig seynd / sie wollen den Gelust nicht so theur büssen / und mit dem Leben bezahlen: Da hingegen wir thorrechte Menschen so manches mal eines kurtzen sündigen Gelusts uns nicht enthalten /wann wir schon wissen daß selbiger uns höchst-schädlich seyn werde.

Ferners hat Plutarchus und Ælianus beobachtet /daß / wann die Raaben Durst haben / und ein Wasser-Geschirr antreffen / welches nicht voll genug ist / und sie das Wasser nicht erreichen können / da tragen sie mit dem Schnabel oder mit den Klauen Steinlein zu /und werffen so vil derselben in das Geschirr hinein /biß daß sich das Wasser aufgeschwellet oder erhebt /also daß sie es mit dem Schnabel erreichen können. Es kan auch dises einer sonderbaren Fürsichtigkeit zugeschrieben werden / daß die Raaben zu Zeiten einige Junge aus dem Nest werffen oder vertreiben (wann sie schon anfangen fliegen können) weil sie nemlich wohl vorsehen / daß sie nicht alle wurden erhalten oder ernähren können / mithin für besser erachten / daß sie selbige bey Zeiten fort treiben / und sie selber um das Essen zu schauen anstrengen.

Daß aber die junge Raaben / wann sie noch keine schwartze Federn haben / sondern vilmehr noch weiß seynd / von den Alten ein Zeit lang verlassen und nicht geätzt werden / das rühret daher / weilen die Alte / in dem ihnen die Junge nicht gleich sehen / vermeinen es sey nicht ihr eigne und rechtmäßige Zucht /und also tragen sie auch kein Lieb oder Neigung zu ihnen. Endzwischen aber schreyen die Junge und strecken die Schnäbel gegen Himmel auf / da dann das Himmels-Tau ihnen darein fallt / von welchem sie auch erhalten und ernähret werden wie einige wollen /oder es kommen ihnen auch Mucken und Würmlein zu / wie andere meynen: Und dises ist ein absonderliche Verordnung der göttlichen Vorsichtigkeit / von welcher der König David redet / wann er sagt: Qui dat jumentis escam ipsorum & pullis corvorum invocantibus eum. 82 Der dem Vieh Speiß gibt / und den jungen Raaben / die ihn anruffen. In sittlichem Verstand aber gibt uns das zu verstehen / wie daß die menschliche Seel so lang sie weis / das ist /von Sünden rein und unschuldig ist / und den Mund im Gebett zu GOTT eröffnet / so lang haben die höllische Raaben ein Abscheuen ab ihr / sie nehmen sich nichts um sie an / sondern sie wird von GOTT mit dem himmlischen Gnaden-Thau ernähret und ergötzet / laut göttlicher Verheissung bey dem Psalmisten: Dilata os tuum & implebo illud. 83 Thue deinen Mund weit auf / und ich will ihn füllen. Das ist / begehre nur reichlich / so will ich dir häufig geben. Aber wann die menschliche Seel schwartze Federen bekommt / das ist / wann sie von Sünd und Lasteren verschwärtzet und vergstaltet wird / da kommen alsobald die höllische Raaben / und speisen sie mit faulen Aas der weltlichen Freuden und fleischlichen Wollüsten / sie haben ein Wohlgefallen ob ihr / und erkennen sie gleichsam für ihr eigenthumliche Zucht / weilen sie ihnen gleich sihet. Hingegen wird ein solche [435] verschwärtzte oder sündige Seel des himmlisches Thaus /das ist / der göttlichen Gaaben und Gnaden beraubt /sie fliegt als wie die Raaben auf den Raub / sie geht dem Luder nach etc.

Der Raab ist wegen seiner diebischen Art ein verschreyter Vogel / das Stehlen ist ihm angebohren / er muß gestohlen haben / wann er es schon nicht brauchen kan. 84 Zu Erfurt hat es sich begeben / daß ein zahmer Hauß-Raab / in dem er auf dem Tisch zum öffteren hat Geld ligen sehen / nach und nach so vil darvon gestohlen hat / und zwar an lauter Groschen /daß es 5. oder 6. fl. ausgemacht: Dises Geld aber hat er in dem nechst-gelegenen Garten alles ordentlich unter einem Stein vergraben / nicht anderst als wolt er ihm einen verborgnen Schatz sammlen.

In einem Kloster hat man auch einen Raaben auferzogen und gantz zahm gemacht / doch kundte er das Stehlen nicht lassen / er nahme hinweg / was er heimlich verwischen kunt. Einstens hat er dem Abbt desselben Closters einen Finger-Ring gestohlen und heimlich vertragen: Diser fragte und suchte dem Ring fleißig nach / er ermahnte alle seine Untergebne und Haußgenossen ernstlich / wer immer den Ring entfrembdet habe / solle doch in sich selber gehen / und ihn wieder heim stellen. Weil sich aber niemand wolte schuldig geben / noch schuldig wissen / da hat der Abbt die Schärffe gebraucht / und würcklich die Excommunication wider den heimlichen Dieb ausgesprochen / er möge seyn / wer er immer wolle: Und siehe Wunder! Die Excommunication oder der geistliche Bann hat auch in das unvernünfftige Thier ein solche Krafft und Würckung gehabt / daß der Vogel von Stund an gantz kranck und krafftlos ist worden /als wolte er gleich verrecken / er wolte nichts mehr essen / und wuste doch niemand / wo es ihm fehlte. Endlich aber wurde im Auskehren der Ring wieder gefunden / und da sahe man erst / daß ihn der Raab vertragen habe: Der Abbt hube die Excommunication wieder auf / und der Vogel wurde auch alsobald widerum frisch und gesund. Aus welchem die Irrglaubige lernen und erkennen sollen / daß die geistliche Censuren ja nicht zu verachten / sondern vilmehr billich zu förchten seyen. Was für ein grosses Unheil jener Raab angestifft habe / welcher der Heil. Iddæ einer Gräfin von Toggenburg ihren Braut-Ring gestohlen /und in sein Nest getragen hat / selbiger aber von einem Jäger gefunden worden etc. das ist in unserem Teutschland ein wohlbekannte Histori.

Wann aber der Raab ein Thier angreifft / es seye groß oder klein / so bemühet er sich vor allem / daß er ihm die Augen ausbicken oder auskratzen thue: dann hernach thut er es leichtlich gar ermeisteren. Eben also macht es in sittlichem Verstand der höllische Raab / der böse Feind / wann er den Menschen durch die Versuchung angreifft / und in schwere Sünden stürtzen will / da bemühet er sich vorderist / daß er ihm die Augen ausreiße / und um das Gesicht bringe /das ist / den Verstand verblende oder verwirre / oder daß er ihm das Licht des wahren und lebhafften Glaubens auslösche: Dann wann er dises zuwegen gebracht hat / da führet er ihn leicht in der Blindheit herum von einem Irrthum in den anderen / ja er stürtzet ihn von einem Abgrund der Gottlosigkeit in den anderen. Deßwegen wohl meynend der geistreichePoet alle mit folgenden Verslein ermahnet.


Omnia si perdas, fidem servare memento,
Hâc semel amissâ postea nullus eris.
Wann alles auch zu Grund solt gehen /
So b'halt gleichwol den Glauben:
Dann ohne dem kein Christ kan b'stehen
Drum sucht ihn d'Höll zu rauben.

Ubrigens ist der Raab in Geist- und weltlichen Geschichten in so weit berühmt / daß sich aus sonderbarer [436] Schickung GOttes vil merckwürdige Begebenheiten mit ihme ereignet haben. 85 Schon zur Zeit des allgemeinen Sünd-Fluß hat der Noë zu erst einen Raaben von der Archen ausfliegen lassen / und auszukundschafften gesandt / ob das Gewässer etwas nachgelassen habe oder nicht? ob oder wann ein Hoffnung seye / daß die Menschen und Thier wiederum von der Arch möchten ausgehen etc. Aber dieser unrichtige Bott ist nicht mehr zurück kommen / sondern er ist ausgeblieben / und hat seiner Gelegenheit gepfleget: er ist auf die häuffigherumschwimmende Todten-Cörper oder Aas gesessen / und hat ihm die Haut voll gefressen. 86 Besser und fleißiger hat er sich eingestellt /als er aus Göttlichem Befehl dem Propheten Eliæ in der langwürigen und grossen Hungers-Noth gedient /und alle Morgen und Abend ein Brod und Fleisch gebracht hat. 87 Auch dem ersten Eremiten dem H.Paulo hat 60. Jahr lang ein Raab täglich ein halbes Brod in dem Schnabel zugetragen / als ihne aber einstens der H. Antonius auch ein Einsiedler in der Wüsten hat heimgesucht / da brachte er ihme ein gantzes Laiblein. Meinem H. Vatter Benedicto hat auch ein Raab einen guten Dienst geleistet: dann ein Mißgönner in der Nachbarschafft schickte Benedicto unter dem Schein der Freundschafft ein Brod / welches aber vergifft ware / ihm darmit zuvergeben. Der H. Vatter nahme es zwar mit Danck an / er erkannte aber bald aus Göttlicher Eingebung den verborgnen Schalck und die Gefahr: er befahle derowegen einem Raaben /er solle das vergifftete Brod in seinem Schnabel weit hinweg / und an ein solches ödes Orth tragen / wo es kein Mensch finden / und ihm selbst darmit schaden möge / welches der Raab auch gehorsamlich vollzogen / mit dem Brod in die Wildnuß geflogen / und erst nach 3. Stunden wiederum zuruck gekommen ist. Jene 2. Mörder aber / welche den Heil. Meinradum in der Wüsten ermordet haben / seynd von denen Raaben /die der H. bey Lebs-Zeiten zuspeisen pflegte / beständig mit Fliegen und Schreyen verfolgt worden.

Nichtweniger merckwürdig ist in weltlichen Geschichten / was Plutarchus und Valerius Max. vonCicerone dem Römischen Wohl-Redner schreiben. 88 Dieser gewaltige Mann hatte einen gar starcken Feind / nemlich den Marcum Antonium, einen mächtigen Römischen Feld-Herren / der ihm nach dem Leben strebte / und ihn aufzureiben suchte. Nun begabe sich einstens Cicero ausser Rom auf sein Lust-Hauß / oder Land-Gut hinaus / um frischen Lufft zuschöpffen /sich von Geschäfften ein wenig zuergötzen. Da hat ihn aber sein Widersacher der Marcus Antonius verkundschafftet / und ist auf ihn loß gangen. Cicero, weilen es heisse Sommers-Zeit ware / hatte sich auf ein Ruhe-Bettlein niedergelegt / und das Angesicht mit einem Kleid oder Mantel zugedeckt / willens ein Schläfflein zu thun / welches auch geschehen ist. Aber unter wehrendem solchem Schlaff kamen etliche Raben in sein Zimmer hineingeflogen / diese machten ein grosses Geschrey und Gerausch: Cicero kehrte sich nichts daran / und liesse sich nichts hindern: da floge ein Rab gar zu ihm / zupffte und rupffte ihn: ja er zoge ihm mit dem Schnabel den Mantel von dem Gesicht hinweg / er wolte ihn gleichsam zwingen aufzustehen / und in die Ohren schreyen / als seye nicht Zeit zuschlaffen / sondern eilends zufliehen / wann dir dein Leben lieb ist. Aber alles umsonst. Cicero ließ ihm nichts Böses traumen / er zog den Mantel wiederum über das Gesicht / und schlieffe fort. Es war ein Uhrwerck (oder etwas dergleichen nach dem Gebrauch derselbigen Zeiten) in dem Zimmer / ein Raab machte sich auch darüber / bewegte sie / und machte ein groß Geräusch / daß doch Cicero einmahl von dem Schlaff aufstehen und sich salviren solte / aber auch dieses umsonst. Seine Bediente hingegen vermerckten / daß es nicht richtig seye / es gienge ihnen nichts Gutes vor / sie besorgten ein groß Unglück. Sie rissen also mit Gewalt ihren [437] Herrn aus dem Bett /setzten ihn eilend in den Wagen / und wolten flüchtig mit ihm dem Meer zueilen. Aber es ware zuspath /seine Feind / die Soldaten des Marci Antonii setzten ihm zu Pferd eilend nach / sie erhaschten und ermordeten ihn in seinem Wagen. Hätte nun Cicero der getreuen Wahrnung der Raaben gefolgt / so wäre er nicht so elendiglich um das Leben kommen. O wie offt schicket uns GOTT solche getreue Wahrnung-und Ermahnungen / nicht kohlschwartze Raaben als wie dem Ciceroni, sondern vilmehr schneeweisse Tauben / das ist / die himmlische Geister / die Heil. Schutz-Engel / oder andere gute Freund / die uns gleichsam in die Ohren schreyen und an die Seiten stossen sprechend: Surge velociter, stehe eilends auf /und verlasse das Bett deiner Trägheit / mache dich aus der Gefahr / meide die böse Gelegenheit / widerstehe der Versuchung / und rette dein Seel / der Feind ist vor der Thür / und geht dir auf das Leben. Aber o Blindheit und Verstockung des menschlischen Hertzens! wir seynd in dem Sünden-Schlaf offt also vertiefft / daß wir solchen Zusprüch und Vermahnungen kein Gehör geben / und also unversehens von dem Feind unserer Seelen überfallen / und des Lebens der Gnad beraubt werden.

Besser hat ihm den erwiesenen Dienst und Beystand eines Raaben zu Nutzen gemacht / Valerius ein Römischer Zunfft-Meister / so hernach deßwegen mit dem Zunahmen Corvinus à Corvo vom Raaben ist genannt worden. 89 Dann als ein mächtiges Kriegs-Heer der Frantzosen wider die Römer in Italien angezogen ware / und diese wegen der Macht und Menge des feindlichen Kriegs-Heers in Sorgen stunden / dapræsentirt sich der Feld-Obrist oder Heer-Führer der Frantzosen / ein sehr groß- und ansehnlicher / auch hertzhafft- und streitbarer Mann / dieser tratte den Römern muthig unter die Augen mit von Gold glantzenden Waffen / er schwunge sein Schwerdt oder Lantzen gegen ihnen / er proglete sich seiner Künheit und Stärcke / und botte ihnen den Trutz / sie alle herausforderend (vast eben als wie einstens der hochmüthige Goliath) ob einer das Hetz habe sich mit ihm Handgemein zumachen / und in einen Duell oder Zwey-Kampf einzulassen. Das Römische Kriegs-Heer stutzte darüber / und stunde in Sorgen: Valerius aber der Zunfft-Meister anerbotte sich / mit diesem hochmüthigen Praller eines zuwagen / in Hoffnung ihne zuüberwinden / und die Ehr der Römer zuretten. Als er nun die Bewilligung seiner Feld-Herren hierzu erhalten / zog er seinem Feind hertzhafft entgegen; jedermann ware begierig und besorgt / wie der Streit ablauffen werde. Sie giengen hitzig aufeinander loß /und griffen an: da sihe Wunder! es kam eilends ein Raab daher geflogen / diser setzte sich dem Römischen Kämpfer auf den Kopf / auf den Helm oder Peckel-Hauben / da halff er ihm aus allen Kräfften wider den Frantzosen streiten / er schluge ihn mit den Flüglen in das Angesicht / er bisse ihn mit dem Schnabel /er kretzte ihn mit den Klauen auf die Händ / mit einem Wort / dieser Vogel setzte so starck in den Feind / daß er sich seiner nicht genugsam erwehren kunte / mithin hat Valerius der edle Römer theils durch eignen Heldenmuth / theils durch Hülff und Beystand des Raaben den gewaltig- und stoltzen Feld-Herrn der Frantzosen im Angesicht beyder Kriegs-Heeren glücklich überwunden / und auf die Haut gelegt. Es ist ihm auch zu einem ewigen Angedencken dieser seltsamen Begebenheit der Zunahmen Corvinus gegeben / und zu Rom ein Statua mit einem Raaben auf dem Haupt zu Ehren aufgerichtet worden. GOtt aber hat dieses geschehen lassen den Hoch- und Ubermuth des Frantzösischen Feld-Herrens / der alle Römer verachtet hat / durch diesen Vogel zu demüthigen und zuschanden zumachen. 90

Es ist zwar der gemeine Wohn / daß die Raaben nicht vil Gutes / sondern gemeiniglich ein Unglück vorbedeuten: [438] was aber hierauf zuhalten seye / hab ich schon oben gemeldt / nemlich für ordinari wenig oder gar nichts. 91 Sie bedeuten für sich selber weder Guts noch Böses / inmassen sie gar keine Connexion oder nothwendige Verbindnuß mit den zukünfftigen Glücks- oder Unglücks-Fällen haben / sondern nur zu Zeiten werden sie von GOtt diesen oder jenen Zufall anzudeuten verordnet. Weißlich derowegen hat geredt und gethan jener Feld-Obriste Papirius mit Nahmen /welcher als er ein gute Occasion oder vortheilhafftige Gelegenheit ersahe mit seinem Feind zuschlagen; da liessen sich Raaben in dem Lufft ob seinem Kriegs-Heer sehen / und machten ein greuliches Geschrey. Man wolte ihn bereden: das bedeute nichts Gutes / es sey ein schlimmes Zeichen / er solle sich für dißmahl in kein Treffen einlassen: aber / ja wohl sagte er: Raaben hin / Raaben her / mein Glück dependirt nicht von den Raaben sondern von GOtt allein der Himmel und Erden regiert. Er hat darauf seinen Soldaten tapfer zugesprochen / ritterlich gestritten / und einen herrlichen Sieg erhalten. Eben also solle auch sagen und gedencken ein Christlicher Kämpfer / wann er mit Trübsal und Versuchung zustreiten hat / und die höllische Raaben ihne schrecken und verstöhren wollen: er soll sich nicht lassen verhinderen oder verwürren /sondern sprechen: Dominus adjutor & liberator meus, non timebo, der HErr ist mein Beschützer und mein Erretter / ich will mir nicht förchten. Qui habitat in adjutorio altissimi etc. Der unter dem Schutz und Schirm des Allerhöchsten wohnet / und sich seiner Göttlichen Providenz gäntzlich überlasset / der dependirt von keiner Fortun, und hat keinen Glücks- oder unglücks-Fall zu achten / sondern mit dem David soll er sagen: In manibus tuis sortes meæ. 92 Zu dir O GOtt steht all mein Hoffnung / all mein Glück stehet in deinen Händen.

Man liesse den Raaben schon für einen nahmhafften und ansehnlichen Vogel gelten / wann er nur stillschweigen thäte / und sein schandliches Raaben Geschrey sein / cras cras nicht hören liesse. 93 Aber er will eben auch singen können als wie andere Vögel: sein Stimm gefalt ihm wohl / er vermeint / sie seye schön. Einem jeden Lappen gefällt seine Kappen /also geht es auch dem Raaben. Als er einstens ein gutes Stuck Käß gestohlen hatte / und selbes in dem Schnabel haltend mit Freuden seinem Nest zufloge /da setzt er sich unter Weegs auf einem Baum ein wenig nieder. Ein hungeriger Fuchs / der es gesehen /hätte überaus gern dem Raaben den Käß abgeschwätzt. Was macht er dann? er fangt ihn an zuloben und zurühmen im höchsten Grad / wie daß er ein so schöner / starcker / klug- und heroischer Vogel seye: das gefiele dem schwartzen Dieb überaus wohl. Aber eines / sagt weiters der Fuchs / eines geht dir ab / es ist wohl schad für dich / daß du kein Stimm hast / und nicht auch singen kanst. Was sagt der hoffärthige Raab / ich soll kein Stimm haben / ich soll nicht singen können? und den Fuchsen also auf der Stell zu überweisen / fangt er überlaut sein gewohnliches Liedlein anzustimmen / und sein schönes cras cras herab zuschreyen. Kaum aber hat er den Schnabel rechtaufgethan / da ist ihm der Käß auf die Erden herabgefallen / auf welches der Fuchs eben mit Verlangen gewartet hat / denselben hat er aufgefangen und ist eilends darmit seiner Höhlen zugeloffen. Da fieng der Raab mit spater Reu an zu klagen und sagen; jetzt erfahre ich es / daß die eitle Ehr / das Schmeichlen und Loben zwar wohl thue in den Ohren / aber übel in dem Bauch: wär ich nicht so ruhmsüchtig gewesen /so hätte ich jetzt Käß zuessen. Ja also ist es / wann man aus Ehr-Geitz ihm selbsten zueignet was man nicht hat (als wie der Raab die schöne Stimm) da verlihrt man auch dasjenige was man hat: und der falsche Schmeichler oder Lobssprecher sucht nichts mehr und nichts anders als seinen eigenen Nutzen / und zwar öffters auch mit bem Schaden des Gelobten.

[439]
Fußnoten

1 Die Vögel seynd edle Geschöpff.

2 Der Vögeln seynd vil und unterschidliche.

3 Die Menschen mit den Vöglen verglichen.

4 Job. c. 14. v. 2.

5 Isaiæ c. 26. v. 6.

6 c. 59. v. 8.

7 Ps. 17. v. 46. 16. v. 5.

8 Die Gerechte und Gottseelige insonderheit seynd den Vöglen gleich.

9 Cant. c. 7. v. 8.

10 Nutzbarkeit der Vöglen.

11 Matth. c. 6. v. 27.

Jerem. c. 8. v. 7.

12 Der Adler ist ein fürnemm- und berühmter Vogel.

13 Job. c. 39. v. 30.

14 Apoc. c. 12. v. 14.

15 Gestalt uns Beschaffenheit des Adlers.

16 Sonderbare Eigenschafften des Adlers auf die Menschen appliciert.

Sein Arglistigkeit.

17 Auferziehung der jungen Adler.

18 Job. c. 39. v. 30.

19 Danckbarkeit des Adlers.

20 Geschichten.

21 Athenæus ex Philarcho.

22 Job. c. 19. v. 21.

23 Vener. Beda in vita.

24 Christus ist ein sittlicher Adler.

25 Deut. c. 32. v. 11.

26 Psal. 7. v. 10.

27 Hebr. c. 4. v. 13.

28 Act. c. 1. v. 9.

29 Matth. c. 18. v. 11.

30 Luc. c. 22. v. 53.

31 König und Regenten seynd politische Adler.

32 Sittliche Fabel-Gedicht.

33 Ein Feind der verachtet wird / ist schädlich.

34 Wer zu hoch steigt / fallt tief.

Gedicht.

35 Von der Natur und Beschaffenheit des Habich.

36 Psal. 102. v. 5.

37 Ungerechte Wucherern und Geitzhälß mit den Habichen verglichen.

S. Greg. M. hom. 30. in Evangelia.

38 Politische Habich wer sie seyen.

39 Der Teufel gleichet einem Habich.

40 Geschicht.

41 Wie die Sperber beschaffen seyen.

42 Fromme und häußliche Ehweiber mit dem Sperber verglichen.

43 1. Reg. c. 25.

44 Eccli. c. 8. v. 14.

45 c. 7. v. 29.

46 Art und Eigenschafft des Geyers.

47 Sinnlich- und fleischliche Menschen seynd gleich den Geyeren.

48 Kinderzucht wird recomendirt.

49 Fürsichtigkeit des Geyers ist zu imitiren.

50 Eccl. 4. v. 9. & 10.

51 Matth. c. 24. v. 20.

52 Gen. c. 46. v. 48.

53 Ad Thesial. c. 5. v. 22.

54 Ein guter Politicus solle langsam und bedacht in die Sach gehen.

55 Der Geyer ist ein Sinnbild der Neidigen.

56 Hom. 11. de Invid.

57 Des Falcken Gestalt / Art und Eigenschafft.

58 Falcken in sittlich- und politischem Verstand wer sie seyen / und wie sie sich verhalten.

59 Gen. c. 1. v. 19.

60 1. Cor. c. 15.

61 Luc. 19. v. 9.

62 Isai. c. 33. v. 1.

63 Lieb und Einigkeit ist von den Falcken zu erkennen.

64 Apud Aldrov. lib. 12. fol. 357.

65 Gehorsam der Falcken.

66 Prov. c. 30. v. 8.

67 Gestalt und Beschaffenheit der Nacht-Eul.

68 Der Teufel wird mit einer Nacht-Eul verglichen.

69 Ob die Nacht-Eul Guts oder Böses vorbedeute.

70 Geschichten.

Aldrov. lib. 8. f. 272.

71 Lib. 18. Antiq. c. 13.

72 Act. c. 12. v. 21. etc.

Lib. 9. Antiq. c. 7.

73 Geschicht.

74 Was Guts von der Nacht-Eul zuerlernen.

75 Wucherer und Geitzhälß seynd gleich einer Nacht-Eul.

76 Joan. c. 3. v. 20.

77 Die Nacht-Eul ist ein Sinn-Bild der Weißheit.

78 Gedicht.

79 Natur und Eigenschafft des Raaben.

80 Lib. de part. animal.

81 Geschicklichkeit und Witz der Raaben.

Geschichten.

82 Psal. 146. v. 9.

83 Die unschuldige Seelen seynd gleich denen noch gantz jungen Raaben.

Ps. 8. v. 11.

84 Das Stehlen ist dem Raaben angebohren.

Geschichten.

85 Seltzame Begebenheiten haben sich mit den Raaben zugetragen.

86 Gen. c. 8. v. 6. 7.

87 3. Reg. c. 17.

88 Die Wahrnung vor der Gefahr soll man annehmen.

89 Hochmuth wird zuschanden gemacht.

Historia.

90 Gellius apud Aldrov. lib. 12. c. 1.

91 Was die Raaben bedeuten.

92 Psal. 30. v. 6.

93 Sittliches Fabel-Gedicht.

Eitles Lob und Wohlgefallen ist schädlich.

VII. Von Vöglen - welche theils zum Singen - theils zur Speiß des Menschen tauglich seynd
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von der Nachtigall / und dem Canari-Vogel.

Unter allen singenden Vöglen gebührt der Vorzug ohne Wider-Red der Nachtigall / die wegen Zärte und Lieblichkeit der Stimm ein weltberühmtes Vögelein ist / von ihr hat längst der Poët gesungen. 1


Tu Philomela potes vocum discrimina mille
Mille potes varios ipsa referre sonos.
Nam quamvis aliæ volucres modilamina tentent,
Nulla potest modulis æquivalere tuis.
Du edle Nachtigall allein
Vil Arten hast und Stimmen /
Gar künstlich du schlagest und rein /
Kein Vogel kan so singen.

Es ist gewißlich zuverwunderen / wie von einem so klein und schwachen Thierlein ein so helle lieblich-und durchdringende Stimm könne ausgehen / wie es einen so langen Athem habe / und so künstlich die Stimm zu moduliren wisse / bald in einem Thon so lang aushalten / bald mit unterbrochnem Gesang so vil zierliche Arten exprimiren / bald hoch bald nieder singen könne etc. ohne das es müd werde. Man hat beobachtet / daß zu Zeiten sich 2. Nachtigallen gegeneinander setzen und mit Singen in die Wett streiten / eine will es der anderen vorthun / und höher treiben / und solten sie sich auch todt singen / welches dann auch nicht selten geschiehet. Die Zeiten ihres Gesang betreffend / so fangen sie es an / wann die Bäum mit frischem Laub sich bekleiden / und treiben es sowohl zu Abend spath / als am Morgen in der höchsten Frühe vor der Sonnen-Aufgang / und vor allen anderen Vöglen. Der H. Bonaventura hat ein solches Wohlgefallen / ab der Nachtigall / daß er auch selbst ihr zu Ehren ein schönes Gesang componirt hat / welches er die geistliche Nachtigall titulirt / und fanget an: Philomela nuncia temporis amæni etc. O Nachtigall dein edler Schall ist ein gewisses Zeichen /daß der Sommer bald einfalle / der Winter muß abweichen etc. deßwegen ist es kein Wunder / daß vil Menschen so grosse Freud und Lust haben der Nachtigall zuzuhören / und vil darauf spendiren. Unter solchen Liebhaberen ware ein gewisser König in Pohlen / der bey einer gar kühlen Nacht so lang und begierig einer Nachtigall hat zugehört / daß er sich darbey verkältet hat / deßwegen ein Fieber bekommen / und daran gestorben ist. Die Römer hielten vor Zeiten auch so vil auf die Nachtigallen / daß sie ein solches Vögelein eben in dem Preiß als wie einen Sclaven /das ist / einen leibeignen Menschen gekaufft und verkaufft haben.

Aber nicht weniger thun auch sie / die Nachtigallen selber / ihr eignes Gesang [440] lieben und hoch schätzen. Ja sie seynd also darein verliebt / daß sie schier die gantze Zeit mit singen zu bringen / und ihnen kaum der Weil nehmen etwas Weniges zu essen / oder die Nahrung zu suchen / und ein kurtze Zeit zu schlaffen. Sie befleißen sich und dichten oder studiren gleichsam auf das Singen / damit sie allerley neue und schöne Manieren erfinden und auf die Bahn bringen mögen / deßwegen haben sie nicht einerley Gesang /sondern die eine singt so / die andere anderst / ja einige wollen / daß die Music aus Gelegenheit des Gesangs der Nachtigallen seye erfunden worden.

Die Nachtigall liebet auch und höret gern andere Music / das menschliche Gesang und klingende Instrumenten oder Saitenspihl: Sie lassen sich leicht darmit fangen und hinlocken / wo man will.

In sittlichem Verstand können füglich die gottseelig- und andächtige Seelen durch die Nachtigall verstanden / und mit selben verglichen werden. 2 Dann die Nachtigall wird auf Lateinisch genennet / Luscinia, quasi ante lucem, das ist / vor Tag / und widerum Philomela, das heißt so vil als amans cantûs, ein Liebhaberin des Gesangs. Nun aber lieben und üben die gottseelig- und andächtige Seelen nichts mehrers als das Gesang / das Lob GOttes / welches sie immerdar absingen vor Tag in aller Frühe und auch bey Mitternacht / wie es in unterschiedlichen Religionen und wohlgeordneten GOtts-Häusseren zu sehen und zu hören ist. Dise geistliche Nachtigallen haben nicht einerley / sondern unterschidliche Stimmen und Melodeyen / das ist / unterschiedliche Gebett und Gesänger / unterschidliche Ceremonien oder Gebräuch bey ihrem Gottsdienst. Wann die Nachtigallen nicht würcklich singen / so dichten sie doch bey ihnen selber auf neue Gesänger: Eben also die fromme Seelen /wann sie nicht würcklich und äusserlich singen oder betten mit dem Mund / so thun sie es doch innerlich mit dem Hertzen: Und gleichwie die Nachtigallen kurtz oder wenig essen und schlaffen / und sich gleich widerum auf das Singen begeben / das Singen ist ihnen über alles. Also die fromme Seelen wenden nicht mehr Zeit auf das Schlaffen / Essen und Trincken / als die Nothdurfft erforderet / die Leibs-Kräfften widerum zu ergäntzen oder zu erhalten / im Ubrigen aber seynd sie immerdar mit dem Dienst und Lob GOttes beschäfftiget.

Ein solche GOtt-lobende Nachtigall ist gewesen der königliche Prophet David / der mit seinem Psalmen-Gesang und Harpfen-Klang bey Tag und bey Nacht GOtt Lob gesungen und gepriesen hat / wie er von sich selber bezeugt: Septies in die laudem dixi tibi. Media nocte surgebam ad confitendum tibi: 3 Sibenmal des Tags hab ich dich gelobt. Zu Mitternacht bin ich aufgestanden dich zu loben.

Aber gleichwie die Nachtigallen nicht nur für sich selber schön und gern singen / sondern auch gern singen hören / und die Music lieben / und sich bey derselben mit Lust einfinden: also auch die fromme und andächtige Seelen thun nicht nur für sich selber GOtt loben und ehren / sondern sie wollen haben /daß es auch andere thun / und wo das geschihet / da finden sie sich gern ein / und halten sich mit Freuden auf. Deßwegen haben jene 3. Nachtigallen die 3. Knaben in dem babylonischen Feur-Ofen nicht nur für sich selber GOtt Lob gesungen / sondern auch alle Creaturen nach einander in ihrem Benedicite darzu eingeladen und aufgemunderet. Die Nachtigallen streiten mit einander in die Wett / welche besser und höher singen oder schlagen könne / und die eyferige Diener GOttes streiten auch gleichsam in die Wett /welcher GOTT mehr dienen und ehren möge. Ja in disem übertreffen sie noch die Nachtigallen / daß dise Vögelein nur im Sommer singen / ja so bald der Tag abnimmt / da lassen sie schon nach / und im Winter suchen sie warme Orth / und verbergen sich / sie können die Kälte nicht leyden. Aber die sittliche Nachtigallen / die fromme und gottseelige Seelen die singen[441] und loben GOTT das gantze Jahr / im Sommer und Winter / das ist / in Freud und Leyd / in Trost und Trübsal / Glück und Unglück / es mag der Tag der zeitlichen Wohlfahrt zu- oder abnehmen / es ist ihnen alles gleich. Ein solche beständig-singende Nachtigall ist gewesen der gedultige Job / welcher mitten in dem kältisten Winter / das ist / mitten in der grösten Trübsal / Schmertzen und Beraubung aller Gütter GOTT freudiges Lob gesungen hat / sprechend: Der HERR hats geben / der HERR hats genommen / der Nam des HErren sey gesegnet. 4 Und widerum:Haben wir Guts empfangen von GOTT: warum sollen wir das Bös nicht auch leiden? Und solches Gesänglein diser sittlichen Nachtigall hat GOtt also wohl gefallen / daß er dem Job alles / was er durch zeitliches Unglück verlohren / wiederum häufig ersetzet hat.

Aber kein Nachtigall hat jemahl schöner und lieblicher gesungen in dem Himmel und auf Erden / als die seeligste Jungfrau Maria / bevorab als sie das so kräfftige und demüthige Ecce Ancilla Domini etc. 5 Siehe ich bin ein Dienerin des HErrn etc. und wiederum / das Magnificat etc. angestimmet hat. Die Stimm / die Andacht / und Liebs-Seuftzer diser marianischen Nachtigall haben GOtt also wohl gefallen / daß er sich von dem hohen Himmel in ihr Schoos herab begeben hat: Dann gleichwie die Nachtigall alle Vögel gar weit übertrifft in der Stimm und in dem Singen /also übertrifft Maria alle Heilige und Engel in der Tugend und Vollkommenheit. Dise Nachtigall hat uns /wie der Heil. Bernardus anmercket / mit ihrem Gesang den wahren Tag angekündet / den Tag des Heyls und der Gnaden / das ist / die Ankunfft des Sohns GOTTES auf diese Welt.

Wie Plinius und andere Naturkündige anmercken /so pflegen die alte Nachtigallen ihre Junge mit grossem Fleiß in dem Singen zu unterrichten: es ist ihnen nicht genug selbe zu erzogen haben / sondern sie wollen / daß sie auch vor der Welt als gute Musicanten sich dapfer hören lassen. 6 Es thun auch die Junge emsig sich darauf begeben / fleißig zu hören / wie ihnen die Alte vorsingen / und sich bemühen selbes nach zu machen. Wann sie es aber nicht recht machen / so werden sie von den Alten corrigirt / biß daß sie es ergreiffen. Ein schöne Lehr / so wohl für die Kinder als Elteren ist hieraus zu schöpfen: Den Elteren soll es nicht genug seyn / ihre Kinder erzeugt zu haben / sonderen sie sollen auch beflissen seyn / selbige gute Sitten und Wissenschafften nach Stands-Gebühr zu lehren. Absonderlich aber sollen sie ihnen fleißig vorsingen / oder vilmehr vor betten / die Christliche Lehr vortragen / und mit gutem Exempel vorgehen / zu der Tugend und Forcht GOttes sie anweisen / und nicht nachlassen / biß daß sie es recht nachmachen. Die Kinder aber sollen gleich den jungen Nachtigallen ihre Elteren gern und willig anhören / die vorgetragene gute Lehr zu ergreiffen / und im Werck selbe zu vollziehen sich befleissen.

Man sagt / so man wissen wolle / wo die Nachtigallen ihre Nester und Junge haben / da dörffe man nur Achtung geben / wo sie singen und sitzen / oder wo sie auf- und abfliegen / dann da wird man gemeiniglich auch ihre Junge finden / als welche sie fleißig hüten / und nicht leichter Dings verlassen. Das stehet abermahl den Elteren sehr wohl an / daß man ihre noch unerzogne Kinder bey ihnen suchen und finden möge. Aber wann der Vatter die mehriste Zeit des Tags in dem Wirths-Haus zu bringt / und die Mutter bey dem Schwätz-Marckt auf der Gassen / da wäre es nicht gut / wann man auch ihre Kinder allzeit bey ihnen finden thäte.

Es hat die Nachtigall auch von Natur dises an sich / daß wann sie vermercket / daß jemand verhanden seye / der ihr mit Lust zuhöret / da befleißt sie sich /und singet vil besser / als wann sie alleinig daraussen in der Wildnus wäre: ja je mehr Leuth um sie seynd /[442] je eyferiger und munterer singet sie: wann man aber ihr kein Achtung gebe / oder ihr nicht zu hören thue /da thue sie sich nicht mehr befleissen und bemühen /sie lasse nach vom Gesang. Fast eben also ergehet es zu Zeiten einem Christlichen Prediger: Wann ein Prediger oder Pfarrherr sihet / daß seine Pfarr-Kinder gern in die Predig gehen / selbe willig und aufmercksam anhören / da spahrt er kein Fleiß noch Mühe / er spannt alle Kräfften an / seinen Zuhöreren ein Vergnügen zu thun / gute und nützliche Lehren vor zu tragen / und ein zu flösen. 7 Wann er aber sehen muß /daß es nicht angewendet ist / daß alle Mühe und Arbeit umsonst / weilen nemlich die laue und liederliche Pfarrkinder nicht in die Predig kommen / oder wann sie kommen / doch nicht aufmercken / sondern nur schwätzen und lachen etc. Da ist es ja kein Wunder /wann ihm der Eyfer vergeht / wann er den Lust zum Predigen verliehret: dann es ist ein altes Sprüchwort bey den Lateinern: Ubi non est auditusfrustra funditur sermo, wo man kein Gehör gibt / da ist das Reden umsonst. Doch soll sich der Prediger nicht zu vil um die Menge der Zuhörer besorgen (es heißt auch in disem Fall: Wenig und gut) massen Christus dem Cananœischen Weiblein bey dem Bronnen allein eben so wohl geprediget hat / als einer gantzen Menge Volcks in dem Tempel zu Jerusalem.

Man sagt / daß wann die Nachtigall zu singen anfange / da schweigen alle andere Vögel / die in der Nähe seynd / alsobald still / gleichsam aus Respect lassen sie ihr die Ehr allein / und bekennen / daß sie weit besser als all andere Vögel singen könne / deßwegen heißt es in dem Vogel-Gesang:


O Nachtigall dein edler Schall
Bringt uns sehr grosse Freud:
Dein Stimm durchdringet Berg und Thal
Bey schöner Frühlings-Zeit.
Wann du anfangst zuschlagen
All Vögel schweigen still:
Keiner darff es mehr wagen /
Keiner mehr singen will etc.

Aber O Schand! die Vögel in dem Wald aus natürlichem Antrib schweigen still / seynd ruhig und hören zu / wann die Nachtigall ein Gesänglein singet / und die Catholische Christen in der Kirchen hören offt nicht zu / sonder schwätzen und lachen / wann der Priester auf dem Altar das Lob GOttes singt / oder der Prediger auf der Cantzel das Wort GOttes verkündt. Ja sie hören die himmlische die göttliche Nachtigall Christum selber nit an; dann er sagt von denen Prediger und Priesteren: Qui vos audit, me audit, wer euch hört / hört mich / und folgends auch hingegen: wer euch nit anhört / hört mich nit an.

Ausser der Stimm ist an der Nachtigall weiter nichts sonderlichs zurühmen / sie ist nicht groß noch sonderlich schön / einer Graßmucken nicht vil ungleich: wohl geredt hat deßwegen und ihr Lob in wenig Wort begriffen der Lacon, wie Plutarchus von ihm schreibt / welcher da er ein Nachtigall gerupfft /und einen so schlechten Leib an ihr gefunden / gesprochen hat: Vox prætereáque nihil.


Ein Stimm und Melodey
Sonst weiter nichts darbey.

Deßwegen wo die Stimm oder das Gesang nichtæstimiret wird / da ist die Nachtigall nicht werth / und wird wenig geachtet / wie sie es wohl erfahren hat /als einstens der liederliche Guggu (ist ein Raub-Vogel dem Habich nicht vil ungleich den Schnabel und die Füß ausgenommen / mit welchen er einer Tauben gleichet) also sage ich / der Guggu ihr wegen des Singens hat dörffen die Præcedenz strittig machen / und sie heraus forderen / welches aus ihnen beyden besser singen könne. 8 Die Nachtigall war wohl zufrieden; dann sie getraute ihr den Handel / auf ihre schöne Stimm sich verlassend / leicht zugewinnen. Nun wäre es um das zuthun / daß sie beyde einen unpartheyischen Richter oder Schidt-Mann erwähleten / der hierinn den Ausspruch thäte: sie sahen aber auf der nächsten Wieß einen Esel waiden / und weilen sie wahr nahmen / daß er so grosse lange Ohren hatte /glaubten sie / er [443] werde nicht übel von der Stimm und von dem Gesang urtheilen können; sie reden ihn also deßwegen an / und bestellen ihn vor ihren Richter. Dem ungeschickten Lang-Ohr gefiel es wohl / daß er solte zwischen den Vöglen ein Richter abgeben / und verlangt so wohl von dem Guggu als der Nachtigall ein Prob-Stuck des Gesangs zuvernehmen. Der Gugger macht den Anfang / und schreyt mit vollem Halß ein paar Tutzent Guggu herab / dann sonsten kann er nichts / und dieses hat dem Esel wohlgefallen. Hernach aber fangt auch die Nachtigall an ein und anderes zierlich- und liebliches Stücklein nach aller Kunst zusingen: daß aber war dem Esel vil zu hoch / verstunde es nicht: und deßwegen hat er den Ausspruch gethan: der Guggu singe schöner und besser als die Nachtigall. O du ungeschickter Esel / was sagest du? wo gedenckest du hin? es erscheint ja freylich wohl /daß du so lange Ohren hast / als kurtzen Verstand. Also geht es nemlich / wann der Blinde von der Farb thut urtheilen. Daß ungerechte Urtheil hat die Nachtigall billich verdrossen (sie hat auch deßwegen zu dem Menschen appellirt) der Guggu aber ist darbey hoffärtig worden.

Also geht es / sage ich / wann der Blinde von den Farben urtheilt / wann man nicht den Vernunfft und Billichkeit sondern nur der Sinnlichkeit oder eignem Nutzen nachgehet. Wehe dem der einem unverständigen Richter unter die Hand kommt. Judex ineptus peste pejor pessima, sagt Achilles Bocchius. Ein ungeschickter Richter ist ärger als die ärgste Pest; dann was hat man von einem solchen anders zugewarten als ein thorrechtes Urtheil: Er ist auch um so vil schädlicher / weilen sein Fehler von niemand gestrafft noch gebessert / sondern vilmehr durch das offentliche Ansehen des Richters beschönt und bekräfftiget wird.

Aber über den närrischen Ausspruch oder das Urthel / so der Esel da gefällt hat / dürffen wir uns nicht so starck verwunderen und erzürnen; dann es gibt wohl öffter dergleichen torrichte Meynungen auch bey den Menschen / wann sie nehmlich das Pley dem Gold / das Glaß dem Diemant / die Nacht dem Tag und die Erden dem Himmel vorziehen / das ist / die schnöde Freuden und zeitliche Wollust höher schätzen / als die ewige himmlische Güter etc.

Den Nachtigallen thuen meines Erachtens die Canari-Vögel mit der Stimm am nechsten beykommen /diese seynd in der Grösse und Farb den Zeißlein nicht vil ungleich / doch seynd einige gantz weiß / oder schweffel-gelb. 9 Sie werden Canari-Vögel genennt von den Canarischen Insulen / die zur Lincken desMauritanischen Meers gelegen seynd / aus welchen sie ursprunglich herkommen / obwohlen sie jetziger Zeit auch in unseren Landen vilfältig gezüglet / und in den Häußlein auferzogen / und zum Singen gewöhnt werden / man muß ihnen aber fleißig abwarten / dann sie seynd subtil und heicklich: Sie haben ein hoch-und zarte doch starck- und sehr durchdringende Stimm (auch einen langen Athem) die sie auf vil unterschiedliche Weiß zu moduliren wissen. Je kleiner ihr Leib / und je länger der Schwaif ist / je besser seynd sie zum Singen. Sie seynd Liebhaber des Zuckers / als welcher in den Canarischen Insulen fürtrefflich und häuffig ist. Diese Vögelein stellen uns einen von der Natur ausgemachten Musicanten vor / einen guten Vocalisten / als welche nicht nur mit der Schönheit der Stimm das Gehör erfüllen / sondern auch wegen so vil unterschiedlichen Expressionen Art- und Maniren zusingen verwunderlich seynd. 10 Aber es heist bey dem Canari-Vogel eben auch wie bey der Nachtigell / vox prætereáque nihil; ein schöne Stimm und Melodey sonst weiters nicht dabey: Man will sich eben mit der Stimm allein nicht abspeisen lassen: wie es sich wohl gewiesen hat / als ein solches wohlklingendes Vögelein einem Raub-Vogel in die Klauen gerathen ist / der es aufzufressen sich bereit hat. Da hat es gebetten / ihm das Leben zuschencken / es wolle ihm dafür singen so [444] schön es könne / und so lang er wolle. Aber der Raub-Vogel hat geantwortet: nein /nein / non mihi aures pruriunt, sed stomachus latrat, du magst mir wohl mit deinem Singen die Ohren füllen / aber nicht den Hunger stillen. Also nemlich werden die Künsten und Wissenschafften von denen Ungelehrt- und Unverständigen wenig geliebt und æstimirt. Eben so wenig in den jenigen / welche nur den sinnlichen Wollüsten nachtrachten / und wenig achten / was den Verstand schärffet / und den Geist erhebt und erleuchtet.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Distel-Vogel, Zeißlein, Fincken, Meißen, und Zaunschlupfferlein.

Der Distel-Vogel oder Distel-Finck / Carduelis also genannt / weilen er sich vil bey den spitzigen Distlen aufhaltet / ist / wie bekannt / ein kleines schönes Vögelein von hohen Farbē und einer kleinen durchdringenden Stimm: wird sonsten auch Stigelitz genennt. 11 Er nährt sich mehrentheils von dem Saamen der Distlen / auch von Hanff und Mag-Saamen: aber allen Saamen / den er isset / schelt er zuvor / wirfft die Hülsen oder schelfen darvon / damit er das reine Körnlein alleinig genüssen möge. Wann der Distel-Vogel in dem Kefig erzogen oder genährt wird / da laßt er sich nicht nur zum Singen sondern auch sonsten artig abrichten / daß er nemlich das Essen und Trincken ihme selber mit dem Schnabel untenheraufziehet / und mit den Füßlein haltet / biß daß er daraus geeßen und getruncken / wann man ihm 2. Geschirrlein an einen Faden oder Spaget anknünpfft / fast eben wie man das Wasser aus einem Galg-Bronnen schöpfet. Sie lassen sich leicht fangen / und werden bald heimisch oder zam / leben auch ziemlich vil Jahr; ja wie Aldrovandus bezeuget / biß 2. Jahr lang. Platina sagt: es seye schad / wann man diese Vögelein tödte / dann sie dienen dem Menschen besser mit ihrer Stimm in dem Kefig / als mit ihrem Fleisch in der Schüssel.

Von dem Distel-Vogel können die Ordens-Geistliche ein gute Sitten-Lehr schöpfen / wann sie sich selbsten einsperren / oder freywillig einschliessen lassen in die Clausur des Closters / und abrichten / das Lob GOttes mit Freuden zusingen. Da sollen sie sich geistlicher Weiß nähren von den spitzig- und stechenden Distlen / das ist / ihr Seel speisen mit den Früchten der Buß-Werck und Abtödtung: auch nichts als den puren reinen Saamen guter und heilsamer Lehr aus den Bücheren schöpfen / die Hilsen eitler und unnützer Dingen aber darvon absönderen und auf die Seiten werffen.

Der Distel-Vogel ist so behutsam / daß wann er einmahl dem Kleb oder dem Garn entrunnen ist / so geht er sein Lebtag nicht mehr dahin / er denckt fleißig an die Gefahr. Also sollen auch die Menschen behutsam seyn / und die Gefahren des Leibs und der Seelen / in die sie einmahl eingangen seynd / hinfüran nach Möglichkeit fliehen und meiden.

Zu dem Geschlecht der Distel-Vögel werden von den Natur-Kündiger auch die Zeißlein oder Fincken als eine Gattung derselben gezogen / wie sie dann auch in vilen / benantlich in der Speiß / ja die Zeißlein vast in allem mit den Distel-Vöglen übereins kommen.

Das Zeißlein Spinus oder Ligurinus ist ein gemein-und wohlbekantes Vögelein / ist schön grün und gelb / und hat eine annemliche zarte Stimm: es kan aber die Stimm auch unterschiedlicher anderer kleinen Vöglen imitiren Dises Vögelein hat die sonderbare Tugend oder Eigenschafft / wie Aldrovandus von ihm schreibt / daß es niemahl weder mit seines gleichen /noch mit anderen Vöglen streitet / oder uneinig ist /sondern so sanfftmüthig und fridsam / daß es lieber auch dem kleinen und schwachen weicht und nachgibt. 12 Der Ursachen ist dieses Vögelein ein lebhaffte Abbildung eines friedsamen und sanfftmüthigen Menschen / der allen Zanck und Streit fliehet [445] und meidet /und aus Lieb des Friedens ehender / auch dem schwächeren oder minderen weicht und nachgibt / als daß er sein Recht mit Gewalt und mit Zerstöhrung des Friedens behauptet / nach dem Rath Christi im Evangelio / allwo er sagt: So jemand mit dir vor Gericht rechten oder haderen will / und dein Rock nehmen / dem lasse auch den Mantel. 13 Sed non omnes capiunt verbum hoc. Aber nicht alle / ja gar wenig wollen es verstehen. Doch ist ein solches Fried-liebendes Vögelein in sittlichem Verstand gewesen der preißwürdige König Eduardus, der von ihm selber bezeuget hat: Er wolle lieber des Reichs (das ihm rechtmässig gebührte) beraubt seyn / wann er es ohne Mord und Blutvergiessen nicht haben könne. 14 O wie ein rares Exempel der Friedsamkeit!

Aber dise Untugend hat das Zeißlein an sich / daß wann es schon von dem Vogelkleb oder Garn sich loß gemacht hat / und entrunnen ist / doch der Gefahr gleich widerum vergist / und auf ein Neues dahin fliegt / oder eingeht / in disem soll ihm der Mensch nicht nachfolgen / sondern behutsamer seyn. Hingegen seynd die Zeißlein in anderen Stucken behutsamer und fürsichtig: Dann wann sie die bevorstehende Kälte vermercken / da retiriren sie sich zeitlich in die dicke Waldungen / damit sie von dem einfallenden Schnee nicht unversehens überfallen werden: Sie machen auch ihre Nester / und bruthen ihre Junge aus (deren sie vil haben / dann sie seynd sehr fruchtbar) an so entlegnen Oertheren / auf den höchsten Bergen /und in den dickisten Wälderen / wo sie vor Menschen und Thier sicher seynd / also daß man gar selten / ja schier nie ein Zeislein-Nest finden / oder antreffen wird. Also soll es auch der Mensch machen / wann er fruchtbar ist / und vil gute Werck hat herfür gebracht /oder reichliche Verdienst gesammlet / da soll er selbe in Geheim halten / und vor den Augen der Menschen verbergen / damit er nicht derselben durch die eitle Ehr beraubt werde / nach dem Rath Christi in dem Evangelio; sehet / daß ihr euer Gerechtigkeit nicht thut vor den Menschen / auf daß ihr von ihnen gesehen werdet etc. 15 Und wiederum: Wann du Allmosen giebst / so laß dein lincke Hand nicht wissen /was dein rechte thut: Und dein Vatter / der in das Verborgne siht / wird dir es vergelten.

Ubrigens haben die Zeislein auch das an ihnen /daß sie denen Lock-Vöglen ihres Geschlechts eilends und eyferig zu fliegen / und ihnen zu Lieb auch sich selbsten in Gefahr geben / sich gefangen zu geben: ja wann auch zu Zeiten einige fort fliegen / so kehren sie doch alsobald wieder um / wann ihnen der gefangne Lock-Vogel ruffet / sie wollen bey ihm seyn / und wollen ihm zu Hülff kommen: mithin wird offt ein gantzer Flug gefangen.

In sittlichem Verstand ist es zwar nicht allzeit gut /wann man den Lock-Vöglen folget: nemlich denen /die keine Federen haben / als etwan hinter den Ohren / (dann dise seynd offt schlimme Vögel) das ist / den bösen Gesellen. Nein disen Lock-Vöglen / wann sie zum Bösen anreitzen / soll man durch aus nicht folgen / und kein Gehör geben / sonst kommt man in den Kleb / ja dem höllischen Jäger selbsten in das Garn etc. Doch aber lehren uns dise Vögelein mit ihrem Exempel die brüderliche Lieb / wie man dem Nechsten / wann er in Gefahr oder Nöthen stecket / solle beyspringen / ihme helffen / und ihn nicht verlassen /wann man schon deßwegen ein Beschwernus oder Ungelegenheit leiden muß.

Der Finck ist auch diser Orten ein gemein- und wohlbekannter Vogel / sein Stimm oder Gesang ist starck und hoch / aber währet nicht so lang und ohnunterbrochen / als wie der Zeislein / oder Canari-Vöglen das ihrige. 16 Einige nennt man dann Fincken / Buch-Fincken / Flachs-Fincken / die in der Farb etwas unterschieden seynd. Sie seynd so arg und listig / daß sie nie lang auf einem Plätzlein sitzen bleiben / wann sie ein wenig argwohnen / daß ein Gefahr oder Nachstellung vorhanden [446] seye und müssen deßwegen mit grossem Fleiß oder Behutsamkeit gefangen werden. Wann sie in ein Keffig eingespert werden / seynd sie ein lange Zeit wild und ungedultig über ihr Gefangenschafft / also daß sie auch bißweilen des Essen sich weigeren / und ehender Hunger sterben / als daß sie wollen gefangen seyn. Mithin deuten diese Vögelein theils die Behutsamkeit an in Vermeidung der Gefahren / theils aber die unmäßige Liebe der Freyheit. Ihre Nester machen sie / die Fincken nicht gar zu hoch und nicht gar zu nieder / sondern insgemein auf mittelmäßigen Bäumen: wodurch sie den Menschen lehren / daß die mittlere Art die beste und sicherste Stellen seyen; dann die unterste seynd verächtlich / die oberste aber gefährlich.

Die Meißen haben wir zur Herbst-Zeit in fast unzahlbarer Menge im Angesicht: ihr Art ist / daß sie gern Schaaren-Weiß fliegen und sich mit ihren Kläulein überall anhencken / wo sie wollen: sie machen ihre Nestlein in ausgehöhlten Bäumen / und seynd sehr fruchtbar / sie legen viel Eyer auf einmal. 17 Die Meißen sitzen gar selten auf dem Boden auf / und seynd zu ihrer Kleine keck und wehrhafft: ihr Nahrung / Gestalt und Stimm ist jedermänniglich sattsam bekant. Dieses wird sonderlich an diesen Vögelein beobachtet / daß sie gar fürwitzig seynd / und alles wissen oder sehen wollen / aber eben darum werden sie leicht und häuffig gefangen / und wo eine dem Vogler eingeht / da folgen leichtlich andere nach. Eben also geht es vil jungen fürwitzigen Leuthen / die alles wissen / hören oder sehen wollen / was sie auch nicht angehet / mithin gerathen sie in mancherley Gefahren und Unglück / und bleiben hangen in dem Kleb ihrer bösen Gelüsten / oder werden verstrickt in dem Garn / oder Fallstricken des bösen Feinds.

Drochilus das Zaunschlupferlein oder Regulus das Königlein (dann dise werden von Aristotele und Plinio bey Aldrovando für eins genommen) ist das kleinste unter allen Vöglen / doch muß man sich desto mehr über sein Natur oder Anmuthung verwunderen: dann erstlich / wie der versor Gesneri schreibt / wann es eingesaltzen oder rauch geessen wird / so soll es ein kräfftiges Mittel seyn wider den Stein. 18 Es hat ein zart liebliche Stimm / und halt sich gemeiniglich in Häcken und Stauden auf / und nährt sich von Mucken / Würmlein und Spinlein / die es an den Mauren sucht / in deren Löcher es auch sein Nestlein machet: es legt 2. mahl Eyer in dem Jahr und zwar wohl 7. oder 8. Es ist auch gar frühe und spat / das erste munter unter den Vöglen / und das letzte zum Schlaffen /die Nachtigall ausgenommen. Nichtweniger ist es auch listig und einer ungemeinen Hurtigkeit / laßt sich nicht leicht fangen / wann man es schon in Händen zuhaben vermeint / da wüscht es in einem Augenblick wiederum aus. Im Winter schlieffen vil dieser Vögelein in ein Loch oder Höhle zusammen / damit sie einander erwärmen. Dieses Vögelein wegen seiner Wachtbarkeit deutet uns einen fleißigen und emsigen Menschen an; dann der Fleiß und Wachbarkeit bringt häuffige Früchten. Sein List und Geschwindigkeit aber zeigt an diejenige / so in ihrem Thun und Lassen behänd und vortheilhafftig seynd / also daß man ihnen nicht zukommen kan. Daß es aber ein Königlein genennt wird / hat daher seinen Ursprung / weilen einstens alle Vögel einen König zuerwählen zusammen kommen seynd / und geschlossen haben / daß derjenige solle ihr König seyn / der am allerhöchsten fliegen könne / da ist das Zaunschlupfferlein (sein Schwachheit zum hohen fliegen wohl erkennend) so arglistig gewesen / daß es sich heimlich unter des Adlers Flügel (welcher ohne Zweifel das Præ darvon getragen hätte) verstecket und verborgen hat / und also ist es durch fremde Hülf gar hoch in den Lufft hinauf getragen worden. 19 Als nun der Adler auch selbsten nicht mehr höher fliegen kunte / da hat sich das Vögelein erst herfür gemacht / und ist noch höher über ihn aufgeflogen / [447] und also hat es laut gemachter Bedingnuß den Titul eines Königs / oder auf wenigst / weil es so klein / eines Königleins erworben. Also thut nemlich öffters die Witz und Klugheit den Mangel und Abgang der Stärcke oder der Kräfften reichlich ersetzen /und bringt man mit jener mehr als mit diesen zuwegen. Absonderlich hat diese Warheit statt und Platz in civilibus & militaribus in Staats- und Kriegs-Geschäfften: manchesmahl thut ein klug- und guter Rath eines eintzigen Ministers zum Besten des gemeinen Wesens effectuiren was man sonst mit viler Zeit /Mühe und Kösten nicht hätte zuwegen bringen können. Manchesmahl ist auch durch ein Stratagema oder Kriegs-List in einem Tag oder wenig Stunden ausgericht worden (etwann ein Vestung eroberet oder dergleichen) was ein Armèe in einem gantzen Feld-Zug kaum hätte zuwegen gebracht / wie es mit vilenExemplen oder Begebenheiten / sowohl von alten als unserigen Zeiten leichtlich kunte erwiesen werden.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Schwalben und Spatzen.

Der Schwalb ist ein aller Orthen gar wohlbekanter Vogel / der uns zur Sommers-Zeit täglich vor Augen schwebet / und also unnöthig ist seine Gestalt zubeschreiben. 20 Er ist in vilen Häuseren / wo er sich einquartirt ein ungeladner Gast / offt auch ein nicht geringe Uberlast wegen seiner geschwätzigen Zungen und Geschnaders / mit dem er einem die Ohren voll anschreyt / am Morgen ehe die Sonn aufgehet / fangt er zu schwätzen an: zu Abends wann sie niedergeht /noch nicht aufhören kan. Er ist auch so scheu und wild / daß er sich nicht lasset zam oder heimisch machen / und zu nichts abrichten als wie andere Vögel. Doch ist er auch in so weit angenehm / weilen er durch seine Ankunfft uns den Frühling verkündet /und den verdrüßlichen Winter gleichsam ausbietet: (doch ist den ersten nicht zu vil zutrauen) dann die Kälte können sie nicht leiden / sondern wann diese herbey nahet / da begeben sie sich / wie bekant / von uns hinweg / obwohlen es nicht recht bewust ist wohin: zu Zeiten hat man vil derselben beysammen gefunden in faulen / hohlen Aeich-Bäumen / oder zwischen den Bergen / wo der Schnee und kalte Lufft nicht zukommen kan / oder auch zwischen dicken Wasser-Röhren / wohin sie sich über Winter retirirt haben / und aber gantz krafftlos gewesen seynd. Sonsten ist der gemeine Wohn / daß sie in andere warme Länder abfliegen.

Es werden aber insgemein dreyerley Art- oder Gattungen der Schwalben gezehlt in der Gestalt etwas unterschieden / nemlichen die gemeine Hauß-Schwalben / die in den Häuseren nisten / Spyren oder Maur-Schwalben / und Wasser oder Rhein-Schwalben / das ist / die auf der Erden an hohlen Wasser-Uferen / sonderlich in gewissen Orthen an dem Rhein nisten: und zu diesen werden auch die Meer-Schwalben gezogen. 21 Es werden auch einige Schwalben Apodes, das ist / ohnfüßig genennt / nicht daß sie gar keine Füß haben / sondern weil selbe so kurtz und schwach seynd / daß sie auf dem Boden nicht fortkommen und nicht gehen können / auch sich nicht von dem Boden aufschwingen: deßwegen lassen sie sich nicht auf die Erden herab / sondern fliegen und sitzen immer in der Höhe / oder hencken sich mit den Kläulein an den Bäumen / Gebäu oder Bergen an.

Aber so schlecht die Schwalben in den Füssen und in dem Gehen seynd / so gut seynd sie hingegen in dem Fliegen / dann sie seynd gar ringfertig in dem Lufft / sie haben einen starcken / schnellen und daurhafften Flug / also daß sie nicht müd werden / und auch von den Raub-Vöglen nicht gefangen / weilen sie nicht grad sondern krumm oder hin und wieder fliegen / und also ihnen ausweichen. 22 Auch auf dem weit- und breiten Meer können sie sich ein lange Zeit mit fliegen aufhalten / welches [448] ches ihnen nicht leicht ein anderer Vogel nachthut. Sie empfangen und genießen auch ihre Nahrung nicht auf der Erden / sondern in dem Flug oder in der Höhe essen sie / was sie bekommen haben.

Ubrigens wird an den Schwalben absonderlich in 2. Stucken ein sonderbare Klug- und Fürsichtigkeit verspührt / nemlich in Erbauung ihrer Nester und in Auferziehung ihrer Jungen: dann die Nester bauen sie so nett oder ordentlich vest und Commod, daß es kein Bau-Meister besser machen kunt: ja man hält billich darfür / daß die Menschen die Kunst oder Weiß Häuser zu bauen von den Schwalben abgesehen und erlernt haben. Die Bau-Materialia tragen sie gar emsig in den Schnäbelein zu / nemlich den Letten / oder wann sie keinen haben können / Koth oder angenetzte Erden / Sand und Stroh oder Spreuer / mit welchen Dingen sie den Letten oder Koth untermengen und bevestigen: innerhalb aber thun sie das Nest gleichsam ausfütteren mit etwas lindes / mit Woll / Haar oder Mieß von den Bäumen etc. Ja wie Ælianus bezeugt /so sitzen sie auch zu Zeiten den Schaafen auf den Rucken / und rupfen ihnen einige Flocken-Woll aus /ihren Jungen ein warm- und lindes Bettlein darvon zumachen. 23 In ein baufälliges Hauß machen sie wohl kein Nest aus Antrib der Natur / vermerckend /daß auch ihr Häußlein oder Nest da nicht sicher stehen wurde.

Die Aetzung aber ihrer Jungen belangend / stellen sie selbe also fürsichtig an / daß keines mehr oder öffter als das andere / keines zu vil oder zu wenig bekommt. 24 Zu disem End setzen sie selbige in dem Nest nach der Ordnung ihrer Geburth / und also geben sie ihnen auch zu essen / zu erst dem Aeltisten oder Erstgebohrnen / hernach dem Anderten / Dritten etc. und wann das Letzte bekommen hat / da fangen sie widerum beym Ersten an: Wann aber eines seine Stell veränderen thäte / daß es zweymal bekomm / so wurden sie ihm nichts geben / biß es widerum in seinem gehörigen Oertlein ist.

Durch dise Art zu handlen / erinneren dise Vögelein die Hauß-Vätter und Obrigkeiten / wie sie gegen ihre Kinder / Haußgenossen und Untergebnen die Justitiam distributivam, das ist / die Gerechtigkeit im Austheilen halten / und einem jeden / was ihm gebührt / geben sollen. Die Elteren sollen die Erbschafft ihren Kinderen / und die Obere ihren Untergebnen die tägliche Favores oder Günsten (nach Proportion und Erheischung der Umständ) fein gleich austheilen / und nicht aus Privat-Affection oder Parteylichkeit (ohne andere billiche Ursach) dem einen vil / und dem anderen wenig geben. Sie sollen beobachten die Weiß / so die HH. Apostel in der ersten Christenheit beobachtet haben / von welchen geschrieben steht: Dividebatur singulis prout cuique opus fuerat: 25 Man theilte aus / und gab einem jeglichen / was ihm noth ware. Eben dise Justitiam distributivam, oder austheilende Gerechtigkeiten haben die Ægyptier vor Zeiten in ihren Hierogliphicis durch die Abbildung einer Schwalbenvorgestellt.

Ferners die junge Schwalben werden blind gebohren / oder erblinden auch sonst zu Zeiten: da wissen aber die Alte trefflich wohl zu helffen; dann sie thun ihnen mit der so genannten Schell-Wurtz oder Schwalben-Kraut zum öffteren die Augen schmieren /und also werden sie sehend. 26 Widerum wie Ælianus schreibt: Wann die Schaben oder Motten in die Schwalben-Nester kommen / und ihre Eyer oder Junge beschädigen wollen / da nimmt die Mutter etliche Blätter von Eppich oder Epheu / und legt selbe in das Nest / wordurch dise schädliche Thierlein darvon vertrieben und abgehalten werden. (Mercke Christlicher Leser / wie GOtt / als ein Urheber der Natur so wunderbarlich würcket in disen und anderen kleinen Geschöpfen) Endlich thun auch die alte Schwalben ihre Junge sorgsam zum Fliegen anweisen und lehren: und wann sie noch schwach / mitten im Flug verliegen wollen / thun sie ihnen [449] gleichsam unter die Arm greiffen und fort helffen.

Dergleichen Fleiß und Fürsichtigkeit sollen auch die Elteren in Auferziehung ihrer Kinder / und die Obere in Besorgung ihrer Untergebnen anwenden: Alle Menschen werden sittlicher Weiß blind zur Welt gebohren / das ist / gantz unwissend und unerfahren: Nun sollen die Elteren und Seelsorger derselben Augen / das ist / ihren Verstand zum öffteren mit dem Kraut heilsamer Lehr und Unterweisung bestreichen /und ihnen also das Gesicht geben / daß sie sehen was recht oder unrecht ist / was sie zu thun oder zu lassen haben. Sie sollen auch die Schaben oder Motten / ich will sagen / die böse Begierden und schädliche Gewohnheiten aus dem Nest / das ist / aus dem Hertzen der ihrigen vertreiben und abhalten durch den Eppich oder Epheu der guten Ermahnung und Bestraffung. Endlichen auch sie zu dem Fliegen gewöhnen und anweisen / das ist / zu GOTT und himmlischen Dingen sich erheben und aufschwingen lehrnen: oder zum Fliegen / das ist / zum Arbeiten / zum Studiren etc. anweisen / und wann sie erliegen wollen / ihnen fort helffen / mit Rath und That an die Hand gehen.

Was aber oben ist gemeldet worden / daß einige so kurtze / ja schier keine Füß haben / nemlich die Apodes oder Speir-Schwalben / und im Gehen nicht fortkönnen / aber desto besser fliegen können / durch dises werden uns angedeutet die gottseelige und geistreiche Männer / die schier keine Füß / das ist / schier keine irrdische Anmuthungen haben / und auf der Erden nicht wohl fort kommen / das ist / in weltlichen Händlen und Geschäfften wenig geübt und erfahren seynd: aber sie können desto stärcker und schneller fliegen / sie verstehen sich desto besser auf die himmlische Ding und göttliche Sachen. 27 Deßwegen halten sie sich gar nicht gern auf der Erden / oder bey irrdischen Dingen auf / sondern sie schwingen sich in die Höhe mit den 2. Flüglen der Reinigkeit und Liebe GOTTES: Ihre Nahrung suchen sie in dem Lufft / als wie die Schwalben. Ihren Trost und Hertzens-Freud haben sie in der Höhe / und gantz nicht bey den irdischen Wollüsten. Dise sittliche Schwalben nisten wohl nicht ein in den baufälligen Häuseren / das ist /die steiffen und steuren sich gar nicht auf das unbeständige Glück / auf die Gunst und Gewogenheit grosser Herren / oder auf Guth und Geld / wohlwissend / daß dises alles ein zerbrechliches baufälliges Weesen ist.

Die Schwalben thun keinem anderen Vogel kein Leyd / und bleiben auch selbst von den Raub-Vöglen befreyt / sie wissen ihnen also aus zu weichen / daß sie von ihnen nicht erdappet werden. Eben also fromme Seelen beleidigen und beschädigen niemand / sie fangen keinen Streit an. Von den Raub-Vöglen den Teuflen und Bösen werden sie zwar angefochten und verfolgt / aber sie können ihnen nicht zu / und in der That nicht schaden. Dise geistliche Schwalben halten sich auch gern auf / wo es warm ist / ich will sagen /bey denjenigen / bey denen sie ein Inbrunst und Eyfer / ein Hitz der Lieb GOTTES und des Nechsten verspühren. Widerum die natürliche Schwalben seynd schwartz und weiß: Auch die Sittliche seynd schwartz wegen der Reu und Demuth / weiß aber / wegen der Unschuld und Reinigkeit.

Absonderlich ist noch an den Schwalben zu bemercken und zu bewunderen / daß sie aus Antrieb der Natur ihr Nest so sauber halten / und ihr Excrement, ihr Koth alles fleißig übers Nest hinaus werffen: Und durch dises erinneren sie uns / wie daß wir allen Koth oder Unflath der Sünden durch die Beicht und Buß von dem Nest unsers Hertzens und Gewissens sollen auswerffen / selbes rein und sauber zu halten. Billich wird das menschliche Hertz mit einem Vogel-Nest verglichen; dann gleichwie in disem die Eyer geleget /und junge Vögel ausgebrutet werden / also werden in jenem die gute und böse Gedancken und Vorsätz empfangen und ausgekochet etc.

[450] Der Heil. Chrysostomus macht ein Gleichnus zwischen den Prediger und Schwalben / und sagt: Gleichwie die alte Schwalben mit ihrem Mund die Speiß den Jungen in den Mund legen / also legt der Prediger mit seinem Mund die geistliche Lehr in die Ohren und in die Hertzen seiner Zuhörer: Jene speissen den Leib /diser die Seel / jene Speiß ist zerstöhrlich / dise unzerstöhrlich. Es werden auch unterschidliche Artzneyen von den Schwalben præparirt: absonderlich solle der so genannte Schwalben-Stein / den man zu gewissen Zeiten in ihnen findet / ein grosse Krafft haben.

Bißher hab ich Löbliches von den Schwalben gemeldt / doch ist es auch gewiß / daß die unnütze müßige Schwätzer und Plauderer / die jederman ein Klämperlein anhencken / die Leut ausrichten / und andere mit ihrem unruhig und geschwätzigen Maul vom Guten verhinderen / den Kopf und die Ohren anfüllen etc. daß / sage ich / dise füglich durch die Schwalben verstanden werden / als welche auch so manche Zeit müßig auf einem Balcken oder unter dem Fenster sitzen / und offt zu nicht wenigem Verdruß eines nach der Länge herab schwätzen. 28 Wann mans von Weitem höret / so möcht einer vermeinen / sie hätten weiß nicht was für wichtige Zeitungen aus der neuen Welt zu erzehlen / wann mans aber recht in der Nähe höret / da ist es halt nichts als ein leeres Geschwätz / sie wissen selbst nicht was sie sagen. Es heißt da gemeiniglich bey solchen Schwätzeren: Multum clamoris & parum lanæ, viel im Maul und weniger in dem Hirn /vil Wort und wenig Werck. Absonderlich seynd die geschwätzige Plauderer denjenigen verdrüßlich und überlästig / welche mit wichtigen Geschäfften oder ernstlichen Gedancken umgehen. Gar recht hat Nicostratus gesprochen / wann vil und geschwind schwätzen ein Zeichen der Klugheit wäre / so wären gewiß die Schwalben vil gescheider als die Menschen. Zeno aber sagte zu einem geschwätzigen Jüngling: Deine Ohren haben sich in deine Zungen herab gesetzt / und wiederum die Natur hat uns darum zwey Ohren geben und nur einen Mund / auf daß wir mehr anhören als reden sollen. Die Laconier haben den Cresiphontem verworffen und abgeschafft / weil er sich gerühmt hat / daß er einen gantzen Tag lang von einer Sach reden könne. Hingegen Apolonius ein Welt-Weiser / als er gefragt wurde: Quinam hominum essent optimi, welches die beste Leuth seyen? gab er zur Antwort: Qui in dicendo sunt brevissimi, die es im Reden kurtz machen / die Geschwätzige aber / sagt er / wann sie das Reden so hart ankäme / als anderen das Zuhören /so würden sie gewiß nicht so vil Wort machen. Ein eitles Geschwätz ist ein Anzeichen eines eitlen Gemüths / sagt Hugo lib. de ani. Seneca aber / ex multiloquio pleráque oriuntur incommoda. Aus der Geschwätzigkeit kommen die mehriste Ubel und Unglück her. Ja endlichen der weise Salomon: In multiloquio non deerit peccatum, qui autem moderatur labia sua, prudentissimus est. 29 Wo vil Wort seynd / da gehts ohne Sünd nicht ab / wer aber seine Lefzen mäßiget / der ist sehr klug.

Dem Frommen alten Tobias hat ein geschwätzige Schwalb einen groben Possen gethan / indem er ihm in dem Schlaff sein Koth auf die Augen hat herab fallen lassen / worvon er verblindet ist: aber nicht weniger schaden offt die geschwätzige Plauderer und Zungen-Trescher einem ehrlichen Mann / indem sie einen bald mit Schmeichlen und Heuchlen / bald mit Lügen und Betrügen verblenden und verführen / daß er nicht mehr siht / oder weiß woran er ist. 30

Als einstens der Heil. Franciscus zu dem Volck ein Predig gehalten / da haben die Schwalben / die sich in der Nähe aufgehalten / ein solches Geschnader und Geschrey verführt / daß er nicht fortkommen kunte. Er hat sie also offentlich angeredt und gesprochen: Meine Schwesteren (er pflegte aus Demuth auch die unvernünfftige Thier seine Brüder oder Schwesteren zunennen / dahingegen [451] einige Herren und Frauen zu ihren Knecht- und Mägden / einem Eben-Bild GOttes / du Hund du Besti etc. Sagen dürffen) meine Schwesteren sagte er / ihr habt schon lang genug geschwätzt / lasset jetzt mich auch reden / und schweiget ein wenig still / biß daß ich das Wort GOttes vorgetragen: und siehe Wunder! auf einen Augenblick seynd sie alle still worden / und ruhig da gesessen /biß die Predig vollendet ware. Ein andermahl begab es sich / daß als ein gar erbarer Student zu Pariß emsig dem studiren oblage / da hat ihm eine Schwalb die Ohren also voll geschryen / daß er nicht fortkommen kundte / er sagte deßwegen zu seinen Gesellen: dieses ist einer von denjenigen Schwalben / die einstens den Heil. Franciscum vom Predigen verhinderet haben / biß daß er ihnen das Stillschweigen gebotten hat: Nun sagt er zu dem Schwalben / mit grossem Vertrauen / gebiet ich dir auch im Nahmen des Heil.Francisci schweige still / und komm zu mir her / welches auch der Vogel / als hätte er es verstanden / gehorsam vollzogen hat.

Der Spatz ist theils wegen seiner diebischen Art /massen er sich listig in die Scheuren und Traid-Kästen eintringt / und da in den Früchten vil schaden thut / theils wegen seinem schändlichen Geschrey oder Pfeiffen bey den Menschen zimmlich verhaßt und verachtet / auch anderen Vöglen nicht angenehm /absonderlich aber bey dem Schwalben verfeindet. 31 Er ist von Natur ein gar unruhiger / gailer und gefräßiger Vogel / und lebt deßwegen gar nicht lang / nemlich insgemein nicht über 1. oder 2. Jahr (und diese Laster kürtzen auch dem Menschen das Leben mercklich ab) er pflegt so wohl im Sand als im Wasser sich zubaden oder zuschwaderen / und ist gar fruchtbar /hat in einem Jahr 2. oder 3. mahl junge. Der Spatz ist so listig / daß er nahe bey den Leuthen nistet an den Häusern und Thürnen / um desto sicherer zu seyn von Nachstellung unterschidlicher Thier: aber er macht ihm kein Bedencken auch in einem fremden Hauß /daß er nicht gebaut hat / nemlich in den Schwalben-Nestern sich eigenmächtig einzuquartiren / deßwegen auch die Schwaben und Spatzen öffters miteinander kriegen. Ein glaubwürdiger Scribent erzehlet / daß er einstens einem solchen Streit zugesehen habe: als einige Schwalben / sagte er / in dem Frühling ankommen / und ihr altes Nest beziehen wolten / da haben sie sehen müssen / daß selbiges von den Spatzen occupirt und eingenommen seye. 32 Daß schmertzte sie sehr / sie bemüheten sich äuserist die Spatzen abzutreiben und zuverjagen: weil sie aber nichts ausrichten kunten / so haben sie durch ihr Geschnader vil andere Schwalben versammlet und herbey geruffen / dise haben einhellig in ihren Schnäblen Koth oder Letten zugetragen / und den Eingang an demselben Nest also verkleibt / verstopfft und verschlossen / daß die Spatzen auf keine Weiß haben mehr heraus können / sondern darinn haben crepiren müssen. Uber ein Zeitlang haben die Schwalben das Nest wiederum eröffnet /haben die todte Spatzen heraus gezogen / und seynd als rechtmäßige Besitzer wiederum eingezogen. Also nemhlich gereicht das ungerechte Gut / so man besitzet / einem manchen zu dem Untergang / der vermeynt hat / sein Aufkommen darmit zubeförderen.

Besser gelingt einer gewissen Art Spatzen ihr Arglistigkeit in den Occidentalischen-Indien in den Wälderen wider die wilden Katzen / welche den Vögel-Nesteren begierig nachstellen / und ihnen die Junge oder Eyer wegfressen. Selbe Katzen halten sich mehrentheils auf den Bäumen auf / und springen von einem Baum auf den anderen als wie die Eichhörnlein / die Spatzen aber vor solcher Gefahr sich zuschützen nehmen in Obacht / wo ein Baum stehe / der nit so nah bey dem anderen ist / daß die wilde Katzen darauf springen möchten / sondern etwas entfernet / auf selben bauen sie ihre Nester folgender Gestalt / sie richten es zu in einer langlächten Form / unten weit /obenher [452] aber so eng / daß nur der Vogel kömmentlich aus und ein kan: dise Nester hangen sie an rauchen stechenden Aesten an / damit so etwann die Katz von unten hinauf klimmen wolte / die Stachel oder Dörner sie in die Füß stechen und vom Angriff verhinderen: und wann auch dieses nicht genug wäre / so ist doch daß Nest samt den Jungen so tief im Sack darunten /daß die wilde Katz selbe mit den Tatzen und Klauen nicht erreichen kan / und also bleiben die belagerte Spatzen sicher / ihr Feind aber / die wilde Katz muß mit lerem Bauch wieder abziehen.

Noch ein andere Art Spatzen gibt es in selben Länderen / welchen auch die wilde Katzen nachstreben: aber diese Vögel seynd ihnen vil zugescheid; dann sie machen ihre Nester auf den Baum-Aesten / die ober einem Wasser hinein hangen: wann dann die Katz kommt / den Baum besteigt / und sich auf den Ast oder das Zweig hinaus lasset / da trucket sie mit ihrer Schweere den Ast nider / er biegt sich samt dem Nest biß in das Wasser hinab / welches der Katz gar nicht anständig ist / und lieber das Vogel-Essen bleiben lasset / als daß sie sich in das Wasser hinein ließ /wann sie aber widerum fort / ist da schwingt sich der Ast oder Zweig samt dem Vogel-Nest von sich selbsten wiederum in die Höhe / und die Spatzen bleiben in salvo.

Wer hat nun diesen Thierlein solchen List und Fürsichtigkeit gelehrt? Tua est Providentia Pater, niemand anders als die Göttliche Fürsorg des Erschaffers / der alle seine Geschöpf so klug und liebreich regirt.

Wie ich lise / so soll es in Holland wegen denen Früchten / die da zum Bier-Sieden gewidmet werden /ein solche Menge Spatzen geben / daß öffters in einem Tag nur in einem Korn-Hauß etliche Hundert gefangen werden. In Medien aber haben sie einstens also überhand / und so vil Getreyt oder Saamen auf dem Feld gestohlen / und aufgefressen / daß die Inwohner genöthiget worden / dasselbe Land zuverlassen / und einen anderen Wohn-Sitz zusuchen. Sonsten seynd die Spatzen sehr forchtsam / also / daß sie zum öffteren auch vom Schlaff auferwachen / wohl erkennend / daß sie mit keinen natürlichen Waffen sich zu beschützen / versehen seynd. 33 Aber billich sollen sich die Menschen derowegen schämen / daß sie so sorglos und unfürsichtig seynd in Bewahrung ihrer Seelen-Heil vor den ewigen Gefahren / indem sie sehen / daß diese Vögelein ihre Nester und Junge so sorgfältig und fleißig vor ihren Feinden zubeschützen wissen.

Man hat auch von den Spatzen ein Exempel der brüderlichen Liebe zunehmen: dan sie seynd also genaturt / daß sie auch der Fremden oder ihrer Nachbaren Jungen hülffreich beyspringen / sie speisen helffen / ja auch neben ihren älteren sie begleiten / wann sie anfangen auszufliegen / um ihnen zu helffen / wann sie etwann nicht solten fortkommen können. 34 Sie seynd nicht so eigennützig als wie offtermahls die Menschen / sondern sie gönnen einander etwas gutes. Als einstens ein Baur einen Sack voll Haber auf einem Esel über Feld führte / der Sack aber ein Loch bekam / und vil Haber verschüttet wurde / da hat ein Spatz / der solches gesehen / diesen Zufall ihm nicht allein zu Nutz gemacht / oder allein ihm die Haut voll gefressen / sondern er ist eilends in das nechst-gelegene Dorf geflogen / und hat mit seinem pfeiffen und schreyen den anderen Spatzen ein Zeichen geben / sie sollen ihm eilends nachfolgen / es gebe da etwas zuschmausiren ab: er hat ein gantze Schaar Spatzen mit ihm gebracht / und da haben sie erst insgesamt ab dem verschütteten Haber Mahlzeit gehalten. Ein mancher geitziger Mensch hätte dieses wohl nicht gethan /sondern wann er einen Schatz gefunden hätte / wäre er froh / wann es nur niemand sehen thät / mit dem er theilen müst.

Ubrigens ist der Spatz kein so schlechter Vogel /als etwann einer ihm einbilden möchte / es wird fleißig seiner in der Heil. Schrifft gedenckt / dann aus Göttlichem Befehl haben [453] im alten Testament bey der Reinigung eines Aussätzigen zwey Spatzen in dem Tempel müssen geopfert werden. 35 In dem Evangelio aber wird austrücklich gemeld / daß die Spatzen in gutem Angedencken seyen bey GOtt / und daß keiner auf die Erden fallen werde ohne Willen und Verordnung des himmlischen Vatters. 36

Es mögen auch freylich die Seelen der Gerechten mit den Spatzen verglichen / und von diesen verstanden werden / was David in den Psalmen gesprochen:Passer invenit sibi Domum. 37 Der Spatz hat ihm ein Hauß gefunden. wann der Spatz etwann ein Loch oder Höhle in einer Maur find / da hat er ein grosse Freud / die er mit pfeiffen und schreyen zuverstehen gibt / er wohnt mit Lust darinn / weilen er sicher zu seyn glaubt vor denen Raub-Vöglen / und vor den Schlangen. Eben also die sittliche Spatzen /die Seelen der Gerechten / wann sie durch anmuthige Betrachtung finden foramina petræ, cavernam maceriæ, die Felßen-Löcher / die Stein-Ritzen das ist /die H.H. Wunden Christi / da haben sie die gröste Freud darab / welche Freud sie mit lauter Stimm des Wort GOttes erklären: da wohnen sie mit Trost und Freuden / weil sie wissen / daß sie sicher seynd vor denen höllischen Raub-Vöglen und Schlangen etc. Noch grösser wird die Freud seyn / wann es heisset:Passer invenit sibi Domum. Der Spatz / die Seel des Gerechten / hat ihm ein Hauß gefunden. Und zwar dasjenige Hauß / welches nicht von irrdischen Händen aus Stein und Holtz nicht auf der Erden erbaut ist / sondern auf den ewigen Bergen gegründet. 38

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von der Lerchen. Von der Amsel und den Staaren.

Der Lerch ist so wohl angenehm zuhören als wohlgeschmack zu essen: er ist ein lustiges Vögelein / singt immerdar beym schönen Wetter / sonderlich bey der Morgenröth (nicht aber wann es regnet) und zwar nur in der Höhe / so lang er auf der Erden sitzt / schweigt er still / in würcklichem Singen fliegt er in einem Circul hoch in die Lufft hinauf: Er lasset sich in dem Keffig wohl abrichten / vergisset seiner genossenen Freyheit leicht / und ist frölich in seiner Gefangenschafft: mit der Stimm aber kan er unterschiedliche andere Vögel imitiren. 39 Nähren thut er sich von Getraid und Würmlein etc. Ihre Junge auszubruten machen die Lerchen keine Nester in der Höhe / sondern in dickem Gesträuß / oder angesäeten Aeckeren / also verborgen / daß weder die Raub-Vögel noch die Menschen selbe finden. Den Habich förchten die Lerchen dermassen / daß sie vor demselben sich zuretten / dem Menschen gleichsam in die Schooß oder in die Händ fliegen.

Der Lerch wird auf Lateinisch Alauda vom Loben genennt; dann er lobet seinen Schöpfer mit seinem frölichen Gesang / sobald die Morgenröth aufgehet: mithin lehrt er uns Menschen GOTT in aller Frühe und vor allem durch das Gebett loben und preißen /und unter dem Gebett in die Höhe aufsteigen (als wie die Lerch im Singen aufsteiget) das ist / das Gemüth zu GOtt und himmlischen Dingen erheben. 40 Man schreibt von denen Lerchen / daß sie des Tags 7. mahl von neuem zu singen pflegen: und wann es deme also ist / thun sie uns füglich die 7. Tag-Zeiten / so die Geistliche in ihrem Kirchen-Gesang beobachten / andeuten. In der Höhe in dem Lufft singen die Lerchen /wie gemeldet worden / und nicht auf der Erden: eben also wird das Lob GOttes nur von denjenigen wohl angestellt / die sich mit ihren Sinn und Gedancken /mit ihren Begierd- und Anmuthungen in der Höhe aufhalten / nicht aber von denen / die auf der Erden /oder in das Irrdische vertiefft seynd. Wann der Lerch aus der Höhe sich wiederum in die Niedere herab begibt / so geht es von Anfang langsam her / aber hernach ziehet er geling die Flügel zusammen / [454] und fallt so plötzlich oder schnell als wie ein Stein auf die Erden herab / und hört völlig auf zu singen. Eben also geht es / wann der Mensch von der Höhe der Tugend nachlasset / oder herab steigt / da geschicht es von anfang gemächlich / dann Nemo repente fit pessimus: Aber über ein Zeit zieht er die Flügel der Forcht GOttes und Andacht gäntzlich ein / und alsdann schießt er plötzlich in die Tieffe der Sünd und Laster herab / da sich dann gar kein Gesang / das ist / kein Lob GOttes mehr hören laßt / dann wie der weise Mann sagt: Non est speciosa laus in ore peccatoris. 41 Das Lob ist nicht schön in des Sünders Mund / dann er ist nicht von GOtt gesandt.

Aber gleichwie hingegen das Lerchlein seine Junge nicht in der Höhe auf einem Baum / sondern in einem niederen Gebüsch oder gar auf der Erden seine Eyer ausbrutet / oder Junge erzeugt / also solle der Mensch seine gute Werck oder Tugend-Ubungen herfürbringen nicht mit einem Hochmuth / sondern in der Tieffe der Niederträchtigkeit und Geringschätzung seiner selbst / auf daß sie von den Raub-Vöglen der eitlen Ehr und des menschlichen Lobs sicher und verborgen bleiben. Wann aber der höllische Raub-Vogel das sittliche Lerchlein die menschliche Seel verfolget / da soll sie ihre Zuflucht nehmen zu dem Menschen / aber zu keinem anderen / als der GOtt und Mensch zugleich ist / und ruffen: Eripe me de inimicis meis Domine: 42 HErr errette mich von meinen Feinden /zu dir habe ich meine Zuflucht.

Die Amsel / Merula, ist ein schöner schwartzer Vogel mit gelbem Schnabel und Füssen / sie verändert zwar zu gewissen Zeiten in etwas ihre Farb / und kommt in vilen Stücken mit dem Kramets-Vogel übereins. 43 Die Sing-Amsel ist geschickt oder gelirnig / sie lasset sich gar wohl abrichten / also daß sie gewisse Stücklein / die man ihr öffters vorsingt / oder auf dem Flötlein vorpfeifft / gar zierlich und nett nach der Kunst und Reglen der Music nachmachet. Aber wann sie etwann aus dem Köfich entrinnen / und wieder in den Wald kommen / da vergessen sie bald /was sie gelernt haben / und nehmen allerley unartige Stimmen an / die sie von anderen Vöglen hören / und nachmachen. Es müssen aber die Amslen zu singen abgerichtet werden / da sie noch jung seynd; dann im Alter nehmen sie es nicht mehr an. Vast ein gleiche Beschaffenheit hat es mit dem Menschen / wann er in der Jugend wohl unterrichtet / und öffters zu der Tugend und guten Sitten angewiesen wird / da nimmt er es leichtlich an / und machet nach / was man ihm vorweiset: aber auch nicht selten geschicht es / daß wann er aus dem Köfig / ich will sagen / aus dem vätterlichen Hauß / aus der Obsicht seines Zucht- oder Lehrmeisters / in Wald oder in die Welt in die Freyheit hinaus kommt / oder unter die böse Gesellschafft gerathet / da vergißt er wiederum / was er Gutes gelernet hat / und nimmt die Stimm / oder vilmehr die Sitten anderer Vöglen oder böser Gesellen an. In dem Köfich singt die Amsel vil besser und lieblicher als daraussen in der Freyheit und in dem Wald: und auch ein Ordens-Person ist insgemein tauglicher das Lob GOttes zu singen / und dem Himmel ein gefällige Music anzustimmen / wann sie inner der Clausur an die clösterliche Disciplin gehalten / als wann sie daraussen in der Freyheit ist. Die Amsel singet wohl den Tag hindurch in dem Sommer / aber zu Nachts und in dem Winter schweigt sie still: aber / nein / nicht also sollen es machen die sittliche Amslen / die Christliche Seelen / sie sollen allzeit singen / das ist / GOtt allzeit loben im Sommer und Winter / bey Tag und bey Nacht / das ist / in Freud und Leyd / in Glück und Unglück etc.

Hingegen zieht die Amsel zu Winters Zeit nicht hinweg in ferne Land / als wie es ein Theil Vögel machen / sondern sie bleibt und behilfft sich in dicken Waldungen und Gesträuß / oder auch in Stein-Ritzen und Felßen-Löcher / da thut sie gleichwohl den Frühling erwarten / liebt auch frisch- und helles Wasser /und pflegt sich offt [455] darinn zubaden. Also solle auch ein Christliche Seel ihr Station, den Stand und das Orth / wohin sie die Göttliche Vorsichtigkeit beruffen und verordnet hat / nicht verlassen / wann sie schon einen hart- und rauhen Winter einer Trübsal / Verfolgung oder Widerwärtigkeit auszustehen hat / sondern daselbst mit Standhafftigkeit verharren / und mit Gedult den annemlichen Frühling der Göttlichen Tröstungen erwarten: indessen aber sich waschen oder säuberen / oder der Reinigkeit befliessen seyn / und sich öffters begeben ad fontes Salvatoris, zu den Brünnen des Heylands / das ist / zur Geniessung der H.H. Sacramenten der Beicht / und Communion /nach dem Rath des Propheten Isaiä / da er sagt: Lavamini, mundi estote etc. Waschet euch / reiniget euch / thut euere böse Gedancken hinweg vor meinen Augen etc.

Es wird ferners an denen Amslen beobachtet / daß wann in dem Winter ihnen die Weil anfangt lang zu werden / und gehling etwann in dem Hornung / (wie es zu Zeiten geschicht) die Kälte nachlaßt / und ein gelindes Wetter einfallet / da ist das Männlein gleich da / es macht sich aus seinem langweiligen Winter-Quartier herfür / es rufft und locket dem Weiblein / es bereitet das Nest / und will durchaus (noch vor der Zeit) schon junge haben: das Weiblein lasset sich überreden / es legt Eyer / und brutet junge aus. Aber die Freud nimmt bald ein End: dann es fallet gemeiniglich wiederum aufs neu ein Kälte ein / da gehen die Junge drauf / sie verfriehren allesamt / und also müssen die Alte ihren unzeitigen Eyfer und gar zu grosse Begird / junge zu züglen / durch so schmertzlichen Verlust büßen: hätten sie sich nicht übereilt / die rechte Zeit erwartet / so hätten sie ihre junge mit Freuden erzeugen können. Dergleichen schädliche und dem gemeinen Wesen sehr nachtheilige Ubereilungen geschehen auch nicht selten in politischen Dingen / in Civil- und militarischen Geschäfften. 44 Wann ein Fürst oder regierender Herr zum Besten seiner Unterthanen / und zum Nutzen des gemeinen Wesens ein wichtiges Geschäfft vor hat / und auszuführen gedencket / welches zwar an sich selbsten gut und löblich wäre / als etwan eine Reform, oder Verbesserung der Sitten / ein Abschaffung der Mißbräuchen etc. und dergleichen / er aber die Sach übereilet / die rechte Zeit nicht erwartet / und nicht zu temporisiren weiß /da werden die Junge in der Brut verderbt / die Frucht wird in der Blühe versteckt / und kommt nichts als ein unglückliche Mißgeburth heraus: weil etwann die Sach zu frühe ruchtbar wird / die Gemüther der Unterthanen noch nicht darzu disponirt seynd / oder das Geschäfft noch nicht genugsam erwogen worden. Als der Weltweise Bias gefragt wurde / welches der beste Rathgeber seye / die Zeit / sagt er; dann die Zeit entdecket die Gefahren / und lehret wie man sie meiden könne. Ein guter Schütz druckt nicht ab / biß daß er mit dem Aug den Mittelpunct seines Zwecks wohl und recht gefasset hat. Sehr klug deßwegen ware der Rath / welchen Kayser Leo seinem Sohn gegeben hat / nemlich berathschlage langsam / aber hernach seye hurtig in der Vollziehung: dann Ibi salus ubi multa consilia. Wo vil Rath vorhergangen / da folget ein heilsamer Schluß: hingegen ist es schandlich etwas anfangen / dessen End man nicht sehen kan. Deßwegen soll ein Christlicher Politicus gleich Jacobo dem König in Engelland klug und langsam seyn im Berathschlagen / standhafftig im Statuiren / oder Beschliessen / und alsdann erst eilfertig im Vollziehen. Deßgleichen / wann ein Feld-Herr oder Commandirender General ein wichtige Expedition vor sich hat / dem Feind eine Schlacht zulieferen / ein Vestung zu stürmen / oder hingegen einen Ausfall zu thun gesinnt ist / aber aus allzugrosser Begierd und unreiffem Eyfer sich nicht moderiren / oder die rechte Zeit und Gelegenheit nicht erwarten kan / sondern sich übereilet / eh daß er im Stand ist / und die erforderlicheRequisita hat / sein Dessein glücklich auszuführen /O da geschicht manchesmahl [456] ein so gefährlicher und höchst schädlicher Streich / der mit spater Reu nicht genugsam zubeklagen ist! da doch alles besser wurd geglücket haben / wann man nur die rechte Zeit und Gelegenheit erwartet hätte. Ein Kriegs-Obrister muß nicht weniger mit der Klugheit als mit den Waffen ihme selbst den Weeg zum Sieg eröffnen: wo aber die Ubereilung vordringt / da findet die Klugheit weder Statt noch Platz. 45 Die Natur selbsten scheint hierauf zudeuten / indem sie den Menschen allein (schier aus allen Thieren) mit keinen Waffen versehen hat / hingegen aber mit dem edlen Kleinod des Verstands begabt / krafft dessen er ausführen und überwinden möge / was sonsten durch Gewalt gantz unüberwindlich wäre / die Vernunfft bezwingt und überwindet die tobende Meer-Wellen mit einem höltzernen Schiff /und macht ihr die hefftige Sturm-Wind mit einem leinenen Segel dienstbar / wider welche man mit einem gantzen Kriegs-Heer Soldaten nichts ausrichten wurde / wann man den Gewalt alleinig ohne Klugheit brauchen wolte. Vis consilii expers mole ruit suâ sagtHoratius. 46


Der G'walt ohne Weisen Rath
Ihm selbst am meisten schadt.

Hingegen geht die Stärcke allzeit sicher / wann sie von der Klugheit begleitet wird. Eduardus IV. König in Engelland pflegte zusagen: Carolus sapiens der Weise genannt / thue ihn stärcker bekriegen mit seiner Klugheit und Wissenschafft / als sein Vatter und Anherr mit dem Kriegs-Heer und Waffen gethan habe. Auch Tiberius hernach Römischer Kayser / rühmte sich in einem Schreiben ad Germanicum: Er seye 9. mahl von dem Kayser Augusto in Teutschland geschickt worden / allwo er allzeit mehr mit Weißheit als mit Gewalt habe ausgericht. Ja durch den List und die List der Weiber ist einstens die edle und veste Stadt Murcia in Hispanien von dem Feind erhalten worden / da sie durch die Waffen der Soldaten nit mehr hat können erhalten werden: dann als der Commendant und schier alle Soldaten umkommen waren /da haben die Weiber ihrer verstorbenen Männeren Kleider angelegt / und sich in grosser Menge auf den Wällen und Stadt-Mauren sehen lassen / der Feind aber vermeinend / die Besatzung seye noch so starck /hat den Muth verlohren / und die Belagerung aufgehebt. Die Waffen haben zwar die Würckung in der Nähe / aber die Klugheit thut sich in die Weite erstrecken: auch der Streit-Kolben des starcken Herculis, und der Arm des weltberühmten Scanderbegs wurde keinen glücklichen Streich geführt haben /wann nicht die Klugheit ihnen gewiesen hätte / wohin sie schlagen sollen; dann es ist ein grosse Unbehutsamkeit an einem Geschäfft die Hand anlegen / eh und zuvor man selbes mit dem Verstand genugsam überlegt und erwogen hat.

Aber jetzt lasset uns wiederum zu den Vöglen umkehren. Die Amslen / wann ihnen die erste Bruth nicht gerathen ist / sondern verderbt worden / und die Junge verfrohren / weilen sie zu frühe kommen seynd / da lassen sie sich darum nicht abschröcken / und den Muth nicht sincken. Sie machen sich von neuem daran: Merula bis parit, schreibt Aristoteles, sed ejus primi partus intereunt frigore hyberno, posteriorem autem partum educat, & feliciter ducit ad sinem. 47 Die Amsel gebähret 2. mahl / die erste Geburth oder Bruth gehet ihr darauf / weil es noch Winter ist; aber die andere / weilen unterdessen der Frühling einfallt /bringt sie glücklich darvon. Eben also wann ein gutes / aber übereiltes Vorhaben das erstemahl hat fehlgeschlagen / da soll man es ein andermahl besser und behutsamer anstellen / keine Mühe und Arbeit sich reuen lassen / und an gutem Erfolg nicht verzweiflen.

Die Amsel ist nicht listig / sondern ein einfältiger Vogel / wie es sich wohl bezeigt hat / als ein Vogelsteller seine Netz aufgestelt hatte / Vögel zufangen /da sahe ihm ein Amsel zu / und fragte ihn / was er da machte? er gab [457] ihr zur Antwort: Er wolle ein Stadt dahin bauen / und nachdem er alles zugericht hatte /gieng er auf die Seiten / und verbarg sich. Die fürwitzige Amsel wolte sehen / was für ein Fundament zu disem neuen Stadt-Bau gelegt seye. 48 Sie floge mitten in das Netz / und fieng an von dem ausgestreuten Geätz zu essen / da zoge der Vogler das Garn zu / und fieng die Amsel. Alls er sie aber tödten wolte / da sprach sie zu ihm: O Freund / wann du lauter solche Städt bauest / wirst du wenig Burger und Inwohner bekommen. Wohl / sagt er / dann es gibt dergleichen fürwitzig- und einfältige Narren vil in der Welt / die alle Zeitungen und Mährlein wissen wollen / und denen es darmit angeholffen ist / wann man ihnen nur eines anhencket / mithin wird das Sprichwort erfüllt: Wer leicht glaubt / wird leicht betrogen. 49

Was den Staaren anbelangt / Sturnus auf Lateinisch / so ist selber ein curioser Vogel (seine Gestalt ist genugsam bekant) er lernet alles / was man ihm vorpfeifft / und kan auch unterschidlicher Thieren Stimm gantz natürlich imitiren / und spottet sie gleichsam aus. 50 Ich erinnere mich einen dergleichen bey einem gewissen Herrn gesehen und gehört zu haben / welcher seine gewisse Stücklein / die man ihn mit dem Flötlein gelehrt hat / so nett und zierlich hat aufgepfiffen / daß er deßwegen nicht weniger als um 10. Thaler ist geschätzt und feil gebotten worden.

Die Staaren haben ein breite Zung / und deßwegen seynd sie geschickt etwas zu reden / oder etliche Wort auf Menschen Art deutlich aus zu sprechen.

Ein Wund-Artzt in Sachsen solle einen Staaren gehabt haben / und weilen er im Sprichwort gehabt hat: Hüte dich vor bösen Gesellen / so hat der Vogel dises zum öffteren hörend / es auch lernen nach sagen. 51 Als nun diser einstens ausgeflogen ware / und sich zu anderen Staaren gesellt hatte / ist er sambt ihnen gefangen worden. Als aber der Vogler einen nach dem anderen tödten wolte / da ist disem Staaren eben recht sein gewöhnliches Sprüchlein eingefallen / er sagte deutlich: Hüte dich vor bösen Gesellen. 52 Uber welches sich der Vogler verwunderet / und den Staaren als etwas rahres gar gern hat leben lassen. Mithin aber hat diser Vogel in der That selbsten erfahren und gelehrt / wie vil besser und sicherer es seye zu Hauß bleiben und eingeschlossen seyn / als daraussen in der Freyheit unter böse Gesellen gerathen / und sambt ihnen zu Grund gehen.

Die Staaren halten sich gern an wässerigen Orthen / an Bächen und Pfitzen auf / sonderlich wo man das Rind-Vieh waidet / dann er findet da im Koth seine Nahrung / deßwegen er auch Rinder-Staar genennet wird. Denen Wein-Reben seynd sie im Herbst gefährlich und schädlich. Sie fliegen gern Schaaren-weiß /und eng beysammen wegen der Forcht der Raub-Vöglen / sie lieben und begehren einander zu schützen: Wann der Raub-Vogel oben ihnen ist / oder an der Seiten flieget / da wissen sie ihm den Flug zu brechen / oder aus zu weichen. Im Winter weichen sie nur in die nechste Ort / und verbergen sich in den Hecken. Sie nisten aber gern an den Thürnen und hohen Gebäuen / sie sitzen vil auf den Häuseren oder Dächer herum.

Durch die Staaren können verstanden werden die Hoffärtige / welche hoch ja gern zu oberst wolten daran seyn / auch andere ausspöttlen und verachten /oder alles wollen nachthun / wann sie schon bey Weitem nicht ihres Gleichen seynd. etc.

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von den Wachtlen, Rebhuhn und Schnepfen.

Die Wachtel / Coturnix, mittelmäßiger Grösse / auf dem Rucken Ziegel-farb und braun-roth / an dem Bauch weiß und geblecht mit einem schwartzen Kopf / ist ein irdischer Vogel / das ist / der sich nicht auf den [458] Bäumen / wie andere Vögel / sondern allzeit auf der Erden aufhalt / anfangs zwar in den angesäten Aeckeren / hernach in denen Korn-Felderen / und endlich nach dem Schnitt zwischen den Helmen / welche stehen bleiben. 53 Sie thun auch in den Korn-Felderen ihre Junge ausbruthen: Zu End des Sommers begeben sie sich zeitlich von uns hinweg / und zwar / wie man sagt / biß übers Meer. Aber wie solle dises geschehen / indem sie wegen der Fette und Schwere ihres Leibs zimlich ungeschickt seynd zum Fliegen / und einen schwach- und langsamen Flug haben? Es ist der gemeine Wohn / sie bedienen sich eines hierzu ihnen anständigen Winds / der sie also fort trage. Hingegen im Lauffen seynd sie schnell / und haben harte Federen /daß sie nicht leicht verletzet werden. Ihr Stimm oder Geschrey heißt man Ruffen oder Schlagen: Sie werden auch neben anderen durch ein so genannten Wachtel-Ruff oder imitirung ihrer Stimm gefangen /indem sie selbem nachgehen / und also in ein grünes Gärnlein gelocket werden etc. Die Wachtlen seynd überaus fruchtbar / sie legen / wie Aldrovandus schreibt / wohl 16. Eyer auf einmahl.

Ihr Führer im Hin- und Wieder-Zug wird Ortigometra, auf Teutsch / Wachtel-König genennt / welcher grösser und stärcker ist / als die gemeine Wachtlen / auch sonsten etwas von ihnen unterschieden.

Der Flug der Wachtlen über das Meer wird bestättiget aus der Heil. Schrifft / welche von den Wachtlen also redet: Ventus egrediens à Domino arreptas trans mare coturnices detulit etc. 54 GOTT der HERR schickte einen Wind / der ergriffe jenseits des Meers die Wachtlen / und truge sie rings um das gantze Lager der Hebräer herum / und sie flogen 2. Ehlen hoch über der Erden: also daß sie von dem Volck gar leicht und häufig haben können gefangen werden /sich darmit zu ersättigen.

Aus dem Flug der Wachtlen über das Meer / der von dem Wind so wunderbarlich promovirt oder beförderet wird / so bald die Wachtlen auch das Ihrige thun / und sich mit ihren schwachen Flüglen bemühen so gut sie können / aus disem / sage ich / haben wir zu lernen / wie daß wir auf die Güte und Fürsichtigkeit GOTTES sollen hoffen und trauen / daß sie uns nicht werde stecken oder fallen lassen / sondern fleißig unterstützen und forthelffen werde / indem wir über das gefährliche Welt-Meer setzen / und zu dem Port der Ewigkeit abfliegen müssen / wann wir nur auch das Unserige beytragen / und gleichwie die Wachtlen unsere geringe Kräfften daran spannen. 55 Aber wann die Wachtlen nur müßig auf der Erden sitzen bleiben / sich nicht bewegen und aufschwingen thäten / so wurde sie auch der Wind nicht weiters fort tragen.

Ingleichem wann wir in dem Geschäfft unsers Heyls schlaffen und wie todt seynd / oder kein Hand anlegen / da haben wir uns des göttlichen Beystands nicht zu getrösten / sondern vilmehr zu förchten / daß er uns in dem Verderben ligen lasse. Aus dem aber /daß die Wachtlen immer auf der Erden und verborgen sich aufhalten / und ihre Schwachheit erkennend /nicht auf die Bäum hinauf begehren / haben wir die Niederträchtigkeit und Demuth zu lernen / ohne Begehren hoch und oben daran / das ist / in Würden und Ehren gesetzt zu seyn / sondern theils unser Schwachheit / theils die Gefahr eines hohen Ehren-Stands erkennend / in der Nidere uns behelffen / und für Lieb nehmen.

Ein solche niderträchtige Wachtel in sittlichem Verstand ist unter anderen gewesen der preißwürdigeVincentius Paraglia, Abbt zu St. Salvator, der vil Jahr lang am Frantzösischen und Savoyschen Hoff (doch allzeit ohne allen Ehr- und Geld-Geitz) sich aufgehalten hat. 56 Diser begab sich in hohem Alter nacher Re ati bey Loreeto gelegen / und als er von etlich seiner Freunden ermahnet wurde / er solte sich wiederum nacher Rom begeben / er wurde ohne Zweiffel da bald zur Cardinals Würde promovirt werden / gab er zur Antwort: Er habe schon [459] vil gekennt /welche da sie in einem geringen oder Privat-Stand gewesen / hochgeachtet / und bey jedermann wohl angesehen gewesen / nachgehends aber als sie zu höheren Würden und Ehren gelangt / das Lob samt der Tugend verlohren haben / ja sich also verhalten / daß man nach dem Tod an ihrer Seeligkeit zuzweiflen /wohl Ursach gehabt habe: es seye / sagt er ferners mit eines jeden Tugend und Vermögenheit also beschaffen / daß er in solcher Prob bestehen / und in das zeitliche Glück sich also schicken könne / daß er sich selbsten nicht darbey verliehre. Es heist da zum öffteren: Honores mutant mores etc. Neue Ehren thun die Sitten veränderen: aber selten verbesseren.

Die Wachtlen werden auch vilfältig durch gute Dienst der sogenannten Wachtel-Hunden / die mit grossem Fleiß darzu abgericht werden / gefangen. 57 Diese Hund thun gar listig und behutsam die Wachtlen ausspühren und aufstechen / sie schleichen gemächlich zu ihnen / also daß sie nicht leicht vor ihnen scheuen und auffliegen: wann nun der Hund ein Wachtel verkundschafftet hat / da steht er still /schaut den Waidmann oder seinen Herrn an / und gibt ihm mit Bewegung des Schweifs ein Zeichen / daß ein Vogel da seye / dieser aber umgibt dasselbige Orth samt dem Hund mit einem Gärnlein / und der Hund treibt den Vogel gemächlich fort / also daß er in das Garn laufft und behangen bleibt. Sonsten kan man auch durch streuung des Geätzes die Wachtlen in das Gärnlein locken.

Schier auf gleiche Art / wann man sich nicht wohl vorsiehet / pflegt auch der höllische Seelen-Jäger die menschliche Seelen in das Garn / das ist / in den Fall der Sünden zubringen. Seine Wachtel-Hund seynd theils seine böse Eingebungen / theils böse und verführerische Gesellen / von welchen GOtt durch den Propheten vorlängsten gesprochen hat: Man findet unter meinem Volck Gottlose / die den Leuthen heimlich nachstellen / wie die Vogler / und ihnen Strick zurichten / und Fallen legen / sie zufahen etc. 58 Die Netz und Garn aber des höllischen Voglers seynd die Sünd und Laster: dann der weise Mann sagt: Die Missethat des Gottlosen wird ihn sahen / und er wird mit dem Strick seiner Sünd gehalten werden. 59 Das Geätz endlichen / das er ihnen streuet / seynd diejenige Ding durch welche er die sittliche Wachtlen / das ist / die menschlische Seelen zum Sündigen anreitzet /als da seynd zeitliche Güter / fleischliche Wollüst /Würden und Ehren etc. Aber gleichwie der Vogler die Wachtlen nicht mit Gewalt / sondern mit List fangen kan / dann sie hätten sonst Mittel genug ihme zu entrinnen / also kan auch der böse Feind keinen Menschen zum Fall oder zum Sündigen zwingen / sondern er bemühet sich nur ihn zubetrügen / und zur freyen Bewilligung zuvermögen.

Ubrigens ist die Wachtel ein wehrhaffter und streitbarer Vogel / sie kämpfet gern und hitzig mit ihres gleichen: ja sie last nicht nach / biß daß sie über ihren Gegentheil gesieget hat / oder aber verwundet worden / und unterlegen ist. Es seynd deßwegen vor Zeiten bey unterschiedlichen Völckeren Wachtlen in den Häusseren auferzogen worden / und für ein Schau-oder Lust-Spiel öffters vor dem Volck miteinander kämpfen gelassen / und der obsiegende Theil in Ehren gehalten worden. Ja es sollen die Athenienser ein Gesatz gehabt haben / krafft dessen ihre Jüngling bey dergleichen Wachtlen und Hahnen-Kämpfen sich einfinden müsten / auf daß sie dadurch Hertz und Muth bekämen wider ihre Feind zu streiten / die Gefahren und Wunden zuverachten. Auch Severus der Kayser hat seine noch junge Söhn durch das Exempel dieser Vögel zur Hertzhafftigkeit angefrischet. Dergleichen Wachtlen-Kampf solle annoch in theil Orthen Italiæ, benantlich zu Neapel im Schwung gehen.

Das Rebhun von seiner kirrenden Stimm Perdix genannt / ist ein bey Fürstlichen Taflen wohlbekanter Vogel / [460] und kommt mit den Wachtlen in vilen Stücken übereins als in der Speiß / in dem Flug / in Erzeugung der Jungen etc. doch seynd die Reb- oder Feld-Hüner um ein ziemliches grösser. 60 Es gibt zwar nach dem Unterschid der Länder unterschiedliche Reb-Hüner / die in der Grösse / Gestalt und Stimm ungleich seynd. Die Farb ist insgemein graulecht mit braun-rothen Flecklein untermengt / die Grösse aber schier wie eines gemeinen Hünleins. Die Reb- oder Feld-Hüner halten sich zu unterschiedlichen Zeiten /theils in den Aeckeren und Wiesen / theils in den Wein-Reben auf. Sie werden sehr alt / und können /wie man sagt / biß gegen 20. Jahr lang leben: sie haben wenig Federen aber vil Fleisch / darum fliegen sie wenig / und nicht hoch. Den Sperber förchten sie so sehr / daß / so lang sie ihn im Lufft sehen / ducken sie sich und bleiben unbeweglich. Sie legen gar vil Eyer auf einmahl / und seynd so eyferig im Ausbruthen / daß sie sich zu Zeiten darbey ergreiffen lassen /aber sobald die Junge ausgeschlossen / lauffen sie gleich mit der Mutter darvon (und fangen an ihr Nahrung selbst zusuchen / welches ihnen kein Vogel noch anderes nachthun kan) sie führet selbe an / und laßt sie unter die Flügel schlieffen als wie Hennen / lauffen aber können sie sehr schnell.

Die Rebhüner seynd streitbar / die Männlein kämpfen hefftig um ein Weiblein / und dem Uberwinder folgen die Weiblein nach / das Männlein aber / so überwunden worden / schämet sich / und laßt sich nicht mehr sehen. Aber das Männlein verbricht zu Zeiten die Eyer seinem eignen Weiblein / aus Geilheit angereitzet / weilen selbes in der Bruth es nicht zulast / und mit ihm nicht will zuthun haben: deßwegen wann es merckt / daß die Zeit zum Gebähren kommt /macht es sich öffters auf die Seiten / und leget die Eyer heimlich.

Aber wann dem Rebhun seine Eyer darauf gehen oder verderbet werden / da stilt es einer anderen Mutter ihre Eyer / tragt selbe in sein Nest / und brutet sie aus / den erlittnen Schaden zuersetzen: doch ist sein Mühe vergebens / dann wann die Junge geschloffen /und die Stimm ihrer rechten Mutter hören / und aus Antrib der Natur erkennen / da folgen sie ihr nach /und verlassen diese / so sie ausgebrutet hat. Von dieser Eigenschafft der Rebhüner geschicht Meldung in Heil. Schrifft mit folgenden Worten: Perdix fovit, quæ non peperit, fecit devitias at non in intellectu. 61 Ein Rebhun brutet aus / was es nicht gelegt hat: also hat mein Volck Reichthum gesamlet / aber nicht mit Recht: mitten im Leben muß es die Reichthum verlassen / und auf letzt sein Thorheit erfahren. Also ergehet es gemeiniglich denen Wucherern und ungerechten Geitzhälßen: Sie stehlen anderen die Eyer das weiß und gelbe / ich will sagen /die Thaler und Ducaten / diese tragen sie in ihre Nester / das ist / in ihre Geld-Küsten und Kästen / da sitzen sie darauf / als wolten sie selbe ausbruten: oder wann die Junge ausgeschlossen / und das Geld an Zins gelegt worden / da last sich gehling die Stimm der rechten Mutter hören / diese locket die Junge / das entzogne Geld durch gerichtlichen Ausspruch der Obrigkeit an sich / sie kommen ihr auch zu / dem diebischen Rebhun aber / dem Wucherer bleibt nichts als die zeitliche Schand und ewige Straff: In dimidio dierum suorum derelinquet eas, wann er am besten darinn ist / muß er alles verlassen / und fort in das Grab etc. 62

Die Rebhüner seynd gar listig und arg / sie brauchen manchen Vortheil zwar ohne jemands Schaden /nur zu ihrem eigenen Nutzen und Schutz / welches recht und löblich zu imitiren ist. 63 Dann erstlich wann das Rebhun sihet / daß sich etwer seinem Nest hinzu näheret / und es besorget / man werde ihme seine Junge hinweg rauben / da geht es dem Menschen selbst entgegen / und stelt sich als wann es weder recht lauffen noch fliegen kunte / und sich leicht werde fangen lassen / doch entweicht es immer ein wenig / wann man darnach greiffen will: mithin thut es den [461] Waid-Mann / oder wer es ist / so lang aufhalten / beschäfftigen / und immerdar weiter von dem Nest hinweg locken / biß daß es glaubt / seine Junge werden allbereit salvirt und geflohen seyn / alsdann nimmt es gehling aus allen Kräfften einen Flug auf die Seiten / und verbirgt sich / oder laufft schnell weiters fort: der Waid-Mann aber muß sich betrogen sehen / und mit langer Nasen abziehen. Nitweniger seynd auch die Junge listig / eh daß sie fliegen können / und wissen sich vor ihren Feinden oder Nachstelleren zuretten und zuschützen; dann wann sie die Gefahr vom Raub-Vogel oder Waid-Mann vermercken /und ihnen mit der Flucht nicht getrauen zu entrinnen /da legen sie sich auf den Rucken / mit beyden Füßlein aber ergreiffen sie geschwind einen Erdschollen / oder was anders / daß ein Farb hat als wie sie / halten es übersich / und verdecken sich darmit / also daß ihr Feind sie nicht in Obacht nimmt / und also vorbeypassirt. Ja auch die Mutter / wann sie schon nicht bey ihnen ist / gibt mit der Stimm ein gewisses Zeichen /daß sie sich hüten sollen etc.

Ferners wie die Natur-Kündiger vorgeben / so brauchen die Rebhüner auch diesen List / sie machen 2. Nester ziemlich weit von einander / in dem einen legen sie die Eyer / hernach tragen sie selbe in das andere Nest / damit die Menschen sie destoweniger ausspühren und berauben mögen. Ja wie man sagt / so lassen sich die Rebhüner auch zahm machen / und also abrichten / daß man andere wilde darmit fangen kan. Zu diesen und noch mehr anderen dergleichen wunderbarlichen Eigenschafften der Rebhüner sage ich nichts anders / als daß sich höchstens zu verwunderen seye über die Göttliche Fürsichtigkeit / die disen Vöglen so wundersame Eigenschafften gegeben hat; theils höchlich zubedauren / daß die Menschen nicht auch solche Sorg tragen / solche Klugheit und Fürsichtigkeit brauchen für das Heyl ihrer Kinder und ihrer selbsten / als wie diese Vögel vor sich und ihre Junge / brauchen.

Der Schnepf ist in der Grösse und an dem Fleisch dem Rebhun nicht vil ungleich / er hat einen dicken starcken Feder-Beltz / gespregelet an der Farb / ist schwer von Leib / und fliegt deßwegen nie garhoch. 64 Die Junge seynd sehr niedlich und gesund zuessen /die Alte aber übel zuverdauen / und verursachen bösemelancholisch- oder schwermüthige Feuchtigkeiten. Eine nennt man Wald-Schnepfen so die grössere seynd / andere Ried-Schnepfen / die sich in sunfftigen oder mösigen Orthen aufhalten. Der Schnabel des Schnepfens ist 4. oder 5. Zwerchfinger lang / er hat auch eine lange rauche Zungen / den Schnabel steckt er tief in den Boden hinein / und zeicht die Würmlein darmit heraus. Der Schnepf nähret sich auch mit gut und gesunden Kräutern / und Wurtzlen / die er mit seinem langen Schnabel als wie mit einem Zänglein gar behend herausziehen oder abzwicken kan: und daher kommt es / daß auch dasjenige / so in seinem Gedärm ist / gut zuessen ist / wider die Gewohnheit der anderen Vöglen / ja aller anderen Thieren / bey welchen solches als ein Unrath verworffen wird. Dieser Vogel deutet uns an einen Menschen / der gäntzlich in die Erden / oder das Irrdische vertiefft ist / und all sein Nahrung / das ist / all sein Freud und Vergnügen und Glückseeligkeit in irrdischen Dingen sucht /oder der aus Geitz dem Gold und Silber / den Schätzen / so in der Erden verborgen / so begierig nachsucht / und nachgrabet / daß er sich nie in die Höhe begibt / oder mit seinem Gemüth und Hertzen über sich schwingt etc.

Der 6. Absatz
Der 6. Absatz.
Von der Tauben.

Die Taub ist der schönsten / edlisten und nützlichsten Vöglen einer / sie ist berühmt und hochangesehen in H. Schrifft / im alt- und neuen Testament / schon zur Zeit des Sünd-Flusses ist sie unter allen Vöglen auserkiesen worden / von der Arch Noë ausgesandt / die nachlassung des Sünd-Flußes zu verkundschafften /und mit [462] Darreichung eines Oel-Zweigleins den erwünschten Frieden zu verkünden. 65 Die Taub ist in dem alten Testament aus göttlichem Geheiß aus den fürnehmsten Versöhnung- und Reinigungs-Opferen eines gewesen. 66 Der himmlische Bräutigam in Hohen Liederen Salomonis thut sein geliebte Gespons zu sonderem Liebs- und Ehren-Zeichen öffters ein Tauben nennen. Aber was dises alles weit übertrifft / so hat GOTT der Heil. Geist bey dem Tauff Christi des HERRN selbst in Gestalt einer Tauben zu erscheinen sich gewürdiget. 67 Zu geschweigen die vilfältige Wunder / welche GOTT durch die Tauben zu Ehren und Gefallen seiner HH. offtermahl gewürcket hat.

Nicht weniger ist auch in den weltlichen Geschichten die Taub berühmt: Es haben vor Zeiten die alte Römer die Tauben in solchem Werth und Ehren gehabt / daß sie offt grosse Summen Gelds darauf verwendet haben / ja auch / wie Ælianus bezeuget / gewisse Völcker ihretwegen Krieg geführet haben. Bey den Assyriern wurden die Tauben für etwas Geheiligtes gehalten / und ware hoch verbotten / eine zu tödten / deßwegen sie sich fast unendlich vermehrt haben. Es gibt zwar auch noch heutiges Tags ungemeine und unmäßige Liebhaber der Tauben / welche vil Zeit und Geld auf dise Vögel wenden / und selbe in grosser Anzahl unterhalten.

Die Schönheit der Tauben ist mit der Feder nicht genugsam zu beschreiben / ja kaum mit einem kunstreichen Pembsel vor zu stellen / also zierlich spihlet die Sonn und die Natur zugleich in derselben annehmlichen schön- und vilfältigen Farben.

Aber die Tauben seynd kaum mit so vil schönen Federen geziert / als mit herrlichen Tugend- oderQualitæten des Leibs und des Gemüths begabet. 68 Sie haben ein scharpfes Gesicht und Gehör / auch guten Geschmack / und einen starcken schnellen Flug: Sie essen nichts Lebendiges / und tödten also nicht das mindiste Thierlein / sie ernähren auch frembde Junge. Sie erkennen den Sperber oder Stoß-Vogel von Weitem / was für einer Art er seye: Dann einige rauben die Tauben nicht anderst / als wann sie würcklich fliegen / andere wann sie in der Höhe / und wiederum andere / wann sie in der Niedere sitzen. Dises alles wissen die Tauben genau zu unterscheiden / und dem Feind vorzubiegen. Und mit diser Erkanntnus seynd sie von der Natur begabt / eben darum / weil sie sonsten schwach / unschuldig und einfältig / ohne Waffen und ohne Gall / ohne Hertzhafftigkeit und Zorn-Muth seynd.

Es werden insgemein der Tauben dreyerley Gattungen gezehlt / nemlich die Hauß oder zame Tauben /die in den Häusseren auferzogen und geätzt werden /oder unter den Dächeren in den Taubenschlägen nisten / und in das Feld zwar ausfliegen / ihre Nahrung von dem Getraid etc. suchen / doch aber wieder nacher Hauß kommen. Die Ringelholtz- oder wilde Tauben / und die Turtel-Tauben / welche in der Grösse und Farb etwas von einander unterschieden seynd / doch in der Haupt-Sach überein kommen.

Die Tauben können sehr lang leben / wann sie wohl verpflegt werden / biß 20. Jahr wie einige bezeugen. Sonsten ist die Taub ein gar keuscher Vogel /der seinem Mit-Consorten / so zusagen / die eheliche Treu unversehrt haltet / und nimmermehr mit einer anderen sich vermischet. Sie liebt auch die Sauberlichkeit / und hasset den Unrath (sie isset auch nichts Unreines) deßwegen sie auch den Regen gern hat / und sich zum öffteren waschet und säuberet.

Es mögen deßwegen wohl die reine unschuldige Seelen mit einer Tauben verglichen werden / als welche auch ihrem himmlischen Bräutigam die Treu so heilig halten / daß sie durchaus mit keiner eitlen Creatur durch unordentliche Lieb sich vermischen / und die Reinigkeit also lieb und werth haben / daß sie sorgsam fliehen alles / was sie bemacklen möchte: oder wann dieses je geschehen solte / so begeben sie sich alsobald zu dem heylsamen Wasser [463] der Reu und Buß / der Andacht / sich wiederum zu waschen und zu reinigen, gleichwie auch die Tauben vil unterschiedliche schöne Farben oder Federen / ein gutes Gesicht und Gehör haben / und also fruchtbar seynd /daß sie all andere Monath Junge züglen / also seynd die reine unschuldige Seelen mit den auserlesnen schönsten Farben gezieret / als mit der schneeweissen der Keuschheit / mit der schwartzen der Abtödtung /mit der rothen der Liebe / mit der grünen der Hoffnung / mit der blauen der Demuth etc. 69 Sie haben auch ein gutes Gesicht / sie sehen gar wohl was recht oder unrecht / ihnen nutz- oder schädlich ist: sie hören und verstehen auch wohl was GOtt in dem Innersten ihres Hertzens redet.

Uber diß seynd sie also fruchtbar / daß sie nicht nur Monatlich / sondern alle Tag und Stund gute Werck und verdienstliche Ubungen herfür bringen.

Die Tauben halten sich gern in der Höhe auf / und verstecken sich in die Löcher und Hölen / um also sicher zu seyn von den Nachstellungen unterschidlicher Thieren. Auch die reine gottseelige Seelen halten sich gern in der Höhe auf durch Betrachtung himmlischer Dingen / und weilen sie die Nachstellungen der höllischen Raub-Vöglen und anderer Thieren / das ist / böser Menschen förchten / so nehmen sie ihr Zuflucht / und verbergen sich in die Löcher und Hölen oder Stein-Ritzen / das ist / wie es der H. Bernardus und andere Lehrer auslegen / in die HH. Wund-Mahlen des gecreutzigten Heylands / da mögen sie sicher bleiben vor aller Gefahr: dahin beruffet und ladet sie ein der himmlische Bräutigam / sprechend: Mein Taub / mein Freundin / komme in des Felsen-Löcher und Stein-Ritzen. 70 Von disen können sittlicher Weiß verstanden werden die Wort des Psalmisten. Der Spatz hat ihm ein Hauß gefunden / und die Turtel-Taub ein Nest / wo sie ihre Junge hinlegt.

Aber zu mercken ist / daß die Tauben insgemein nur 2. Eyer legen / oder wann das Dritte darzu kommt / ist es ordinari unnutz / sie bringen es nicht auf. Eben also solle in sittlichem Verstand ein Christliche Seel in dem Nest ihres Hertzens nicht mehr als 2. Eyer legen / nemlich die Liebe GOttes und des Nechsten. Wann aber das Dritte / die eigne Lieb darzu kommt / da solle sie selbes nicht aufkommen lassen /sondern alsobald in der Bruth verstecken / dann es wurde kein reines unschuldiges Täublein daraus er wachsen / sondern ein böser schädlicher Vogel / der auch die andere zwey weg beissen wurde; dann die unordentliche Lieb seiner selbst kan neben der wahren Lieb GOttes und des Nechsten nicht bestehen. Durch dise zweyfache Lieb können auch verstanden werden jene Tauben-Flügel / welche ihm David zu haben gewunschen hat / sprechend: Quis dabit mihi pennas sicut columbæ etc. 71 O hätte ich Flügel wie Tauben / daß ich fliegen und ruhen möchte! Dann die wahre Liebe GOttes und des Nechsten ist es allein /die den Menschen über alles erheben / und ihme vollkommne Ruhe verschaffen mag.

Ferners wann man die heimische Tauben mit etwas wohlrüchendem anstreicht / da ziehen sie auch andere frembde Tauben mit sich / sie bewegen selbe zu ihrer Nachfolg / und bringens mit ihnen heim in ihren Schlag. Auf gleiche Weiß wann die sittliche Tauben /das ist / die GOTT-liebende Seelen einen guten Geruch der Tugend / oder eines exemplarischen Lebens von sich geben / da reitzen sie die frembde und wilde Tauben / ich verstehe die Sünder und Irrglaubige zu ihrer Nachfolg an / und bringen selbige endlich mit ihnen in den Tauben-Schlag der Catholischen Kirchen und des Himmels.

Aber gleichwie die Stimm der Tauben / absonderlich der Turtel-Tauben mehr ein lauteres Seuftzen als Singen ist / also thun die Gott-liebende Seelen die Zeit in disem Jammer-Thal des sterblichen Lebens mehr mit Weinen und Trauren / als mit Lachen und Schertzen zu bringen.

[464] Es haben insonderheit auch die Ehe-Leuth von den Tauben Gutes zu erlernen: dann sie lieben sehr so wohl sich unter einander / als auch ihre Junge: Sie erweisen einander unterschidliche Liebs-Zeichen / sie fliegen mit einander / sitzen bey einander: in Ausbrutung der Eyer / in Sammlung der Nahrung / und Aetzung der Jungen machen sie Umwechslung / eines lößt das andere ab / sie tragen die Bürde zugleich. 72 Auf gleichen Schlag sollen die Ehe-Leuth einander lieben und schützen / mit einander schalten und walten / zur Führung der Haußhaltung / zu guter Auferziehung der Kinder gleiche Hand anlegen / und den Last der Mühe und Sorgen mit einander tragen. Die Tauben vergnügen sich mit ihren 2. Eyeren / das Dritte / wie gemeldt / ist nichts nutz: Auch die Ehe-Leuth sollen bey Leib nicht mehr als 2. Eyer ausbruten /nemlich die Lieb gegen dem Ehe-Gatten / und gegen den Kinderen: ein dritte frembde Lieb aber sollen sie in dem Nest ihres Ehe-Betts durchaus nicht gedulten /sondern hinaus werffen.

Die Tauben seynd zwar für sich selber sanfftmüthig / friedsam und unschuldig / sie beleidigen oder beschädigen niemand / sie beissen und kratzen nicht: ja man kan Kurtzweil und Nutzen von ihnen haben: Doch aber gibt es auch wegen der Tauben offt Zanck und Hader ab / es gibt Streit und Rauff-Händel ab unter den Buben / und unter den Nachbaren / wann sie argwohnen / oder einander bezüchtigen / daß sie einige Tauben entführt / oder aufgefangen haben / da krieget und streitet man offtermahls / als wann es die Stadt Trojam gelten thäte. 73 Also ist es jenem ergangen / welcher dermassen in ein schönes paar Tauben verliebt und vernarret gewesen / daß er sie all seinem Haab und Gut vorgezogen / und mehr als sein Weib und Kinder geliebt hat. Es haben aber dise Thierlein das Unglück gehabt / daß sie in ein peltzene Mauß-Fallen seynd eingangen / die Katz hat sie gefressen. O da war es ein Jammer und Noth / kein Trost und kein Zuspruch wolte was helffen / der arme Tauben-Hanß hat sich also darüber bekümmeret und betrübet / daß er ein lauterer Melancholicus, aus einem Melancholico aber gar zu einem Narren worden ist / also das man ihn hat binden und anlegen müssen: Er aber hat in seiner Raserey nichts als von Tauben geredt / und die mit ihm musten umgehen / haben auch nichts anders als von Tauben reden müssen / wann sie anderst wolten ein Ruhe haben.

Andere 2. wohl bemittlete Männer haben einander wegen der Tauben vor Gericht und Obrigkeit so lang umgezogen / biß daß der eine um viles / der andere aber schier um all sein Haab und Gut theils durch den Proceß / theils wegen der Straff / so er wegen verübten Frevel hat erlegen müssen / kommen ist.

Noch mehrer Unglück ist von den Tauben erfolgt den Inwohneren der Stadt Coloski in Russia gelegen: Dise rebellirten wider ihre Lands-Fürstin Olha oderOlea mit Namen / und wolten wider ihre Pflicht von Dero Joch sich loß machen. Weilen dann dise verwittibte Fürstin dermahlen im Stand nicht ware / ihre rebellische Unterthanen mit Gewalt zu bezwingen / und zum Gehorsam zu Gehorsam zu bringen / so muste sie gleichwohl den Weiber-List brauchen / und einStratagema erdencken. Es wuste die Fürstin wohl /daß die Burger diser Stadt grosse Liebhaber der Tauben seyen / und vil derselben in den mehristen Häußeren gehalten werden. Sie schickte also einen Gesandten in die Stadt mit Vermelden / sie wolle mit ihnentractiren und Fried machen / doch mit diser Bedingnus / daß man ihr aus einem jeden Hauß etliche Tauben liffere / welches auch geschehen ist. Aber sehe man / was dise rachgierige Fürstin mit den Tauben hat angefangen: Sie hat allen ein gewisses verborgenes Feurwercklein / welches über ein kleine Weil hat angehen müssen / unter die Flügel gebunden / und sie also frey widerum fliegen lassen: Dise seynd eilends wieder der Stadt zu in ihre gewohnte Häuser [465] und Schläg geflogen / das Feur aber ist hin und wieder von dem Tauben aufgangen / ohne daß man gewust hat / woher es komme / und die Stadt ist in kurtzer Zeit in völligen Flammen gestanden.

Es seynd auch zu Zeiten die Tauben für Briefträger oder fliegende Botten gebraucht worden: nemlich in denen Belagerung- und Festungen / wo sonst niemand hat aus oder ein können / da hat man einer Tauben ein Brieflein unter die Fügel gebunden / und in die Weite etwas zuberichten / abfliegen lassen. 74 Ein solche mit einem Brieflein zu dem Feind abgeschickte Tauben ist über das Christliche Kriegs-Heer / welches Godefredus Bullionius ein Hertzog aus Lotharingen commandirte / geflogen / als man das Heil. Land einnehmen /und die Stadt Jerusalem belageren wolte: Es ist aber zweyfelsohne aus sonderbarer Schickung GOttes die Taub eben da in dem Lufft von einem Sperber angegriffen worden / verwundet und herab gefallen / und den Christlichen Soldaten in die Händ gerathen.

Gewisse Völcker / die Damascener und Syrier pflegten vor Zeiten die Bottschafft des erhaltenen Siegs in einer Feld-Schlacht ihren Feinden durch Brieflein zuberichten / welche sie den Tauben unter die Flügel gebunden haben. Als die Stadt Ptolomais von den Frantzosen und Venetianern belägert ward /da hat der Türckische Sultan ein Tauben mit einem Brieflein abfliegen lassen / in welchem geschrieben war: daß er innerhalb 3. Tag mit Hülfs-Völcker ankommen / und sie entsetzen wolte / die Christliche Soldaten aber dieses vermerckend / haben ein grosses Geschrey gemacht / und die Tauben also erschreckt /daß sie herab gefallen ist / und also das Geheimnuß entdeckt worden. Alsdann haben sie der Tauben ein anders Brieflein angehenckt / des Groß-Sultans Nahmen spendirt / und berichtet / erkönne einmahl der belägerten Stadt nicht zu Hülf kommen / worauf sie sich den Christen übergeben hat.

Aber kein bessere Zeitung oder Bottschafft hat jemahl der Welt ein Tauben gebracht / als die / so zur Zeit des allgemeinen Sünd-Fluß aus der Arch Noë ist ausgeflogen / und über ein Weil wieder zuruck kommen / ein grünes Oel-Zwerg in dem Schnabel haltend / mithin dem frommen Patriarchen den fröhlichen Bericht gebracht hat / daß nunmehr der Sünd-Fluß nachgelassen habe / und GOtt mit der sündigen Welt versöhnt / ihr forthin mit so allgemeiner Straff und Verherung durch Wasser verschonen werde. 75

Durch die gemeldte Noëtische Tauben kan füglich Christus der HERR verstanden werden: dann als er an dem Heil. Creutz verschieden / da ist sein Seel von der Arch des Leibs ausgeflogen: indem sie aber gesehen hat / daß der Sünd-Fluß unserer Laster (von welchem diese Arch Christus in dem Lufft an dem Creutz auf dem Calvari-Berg ist erhebt worden) nachgelassen habe / da ist diese Göttliche Taub wiederum in die Arch in den Leib zuruck gekehrt / und der Welt den Frieden angekündet / indem Christus den Apostlen nach seiner Auferstehung erschinen ist / und zu ihnenPax vobis, der Fried sey mit euch / gesprochen hat. 76

Es kan auch die Göttliche Mutter Maria billich mit einer solchen Tauben verglichen werden / nicht nur wegen den fürtrefflichen Eigenschafften der Reinigkeit / Unschuld / Sanfftmuth etc. sondern weil sie in der Warheit gewesen ist Nuncia Pacis. Ein Friedens-Böttin / sie hat dem menschlichen Geschlecht den Frieden gebracht / und den Krieg durch die Geburth ihres Göttlichen Kinds geendiget / welchen Adam durch die Sünd zwischen GOtt und dem Menschen hat angestifftet. Maria ist jene Taub / welche der himmlische Bräutigam sein eintzige / sein vollkommne genennt hat / una est columba mea, perfecta mea. 77 das ist / eintzig und allein aus allen auserwählt / gantz schön und ohne Mackel / dero Flügel /das ist / die Anmuthungen versilberet seyn wie [466] der Psalmist redet / oder Silberweiß / wegen unbefleckter Reinigkeit / und verguldt / mit dem Gold der Liebe:Una est, sie ist eitzig und allein die ihres gleichen keine jemahls gehabt hat / noch haben wird.

Dieser Vogel / die Taub hat GOtt zum öffteren / als ein Werckzeug grosse Wunder zuwürcken gedient. 78 Den Heil. Allovinum hat in dem Tod-Bett ein Engel in Gestalt einer Tauben besucht / und auf ihm geruhet / und seine Cellen mit einem himmlischen Geruch er füllt. 79 Einige auf dem Meer schiffende haben in äusserster Tods-Gefahr die Heil. Radegundem umb Hülf angeruffen / diese ist in Gestalt einer Tauben ihnen erschienen / 3. mahl um das Schiff herum geflogen / und hat sie von dem Untergang erlößt.

Der Heil. Leonardus ist einem Gefangnen in Gestalt einer Tauben erschinen / hat ihn aus seinem unterirrdischen Kercker erlediget und heraus geführt / ist auch / weil es stockfinstere Nacht ware / vor ihme hergeflogen / und hat ihm den Weeg gewiesen / biß daß er in erwünschter Frey- und Sicherheit sich befunden.

Sowohl da der H. Joan Chrisostomus als der H.Gregorius Agrigentinus aus göttlicher Verordnung hat sollen zum Bischoff geweyhet werden / ist gehling ein schöne schneeweisse Tauben in der Kirchen erschienen / und hat sich vor allem Volck auf ihr Haupt niedergelassen und geruhet / ihre Tugend und Würdigkeit hierdurch anzuzeigen. Als der Heil. Remigius Ertz-Bischoff zu Rehms Clodoveum König in Franckreich tauffen wolte / da hat ein Taub ein Geschirrlein mit dem heiligen Salb-Oel angefüllet / in dem Schnabel durch den Lufft daher gebracht / welches die Anwesende mit einem übernatürlichen Geruch erfüllet hat / nachdem aber der Heil. Bischoff das Geschirrlein von ihr genommen / da ist die Taub wiederum verschwunden.

Des Heil. Bischoffs Amatorius und der Heil. Jungfrauen Scholasticæ Seel ist in Gestalt einer schneeweissen Tauben gen Himmel fliegen gesehen worden. Dem Heil. Nivardo hat ein Taub den Platz gewiesen /wohin er ein Kloster bauen solle / in dem sie um selben Platz 3. Rödlein oder Circul mit fliegen gemacht hat. Ein andere hat den Bezirch angewiesen / in welchem ein Mutter GOttes Kirchen solle gebaut werden / in dem sie 2. Täg lang vil Höltzlein in dem Schnabel hat zugetragen / und einen gewissen Platz darmit umgeben.

Die Heil. Jungfrau und Martyrin Catharina soll ein geraume Zeitlang in dem Kercker von einer Tauben gespissen und erhalten worden seyn: wie auch der Heil. Abbt Auxentius. Diese Geschicht erzehlet Laurentius Surius in dem Leben der H.H. über alles verwunderlich ist / was sich dißfalls / nemlich mit einer Tauben begeben hat bey der Martyr der Heil. Jungfrauen / und Martyrin Marinœ / welches / weilen es mir etwas zu weitläufftig ist hieher zusetzen / magst du es bey ermeldten Surio ersehen. Tom. 4. ad diem 20. Julii.

Aber weilen die Taub einstens bey den Alten Pacis nuncia für ein Friedens-Böttin ist gehalten worden (welches glaublich von der Noëtischen Tauben seinen Ursprung mag herhaben) so können meines Erachtens / auch die Bottschaffter und Gevollmächtigte Frie dens-Gesandte der König- und Potentaten mit den Tauben verglichen werden / welche von ihren hohen und höchsten Principalen abgeschickt worden mit dem Gegentheil / mit welchem man in Strittigkeit stehet / oder in wircklichen Krieg verfallen ist / in Conferenz zu tretten / und wegen eines Frieden-Schlusses zu tractiren. 80 Wann nun solche Herren Gesandte durch ihre kluge Conduite die Sach dahin bringen /daß sie über die strittige Puncta einig werden / einAccord treffen / und den Frieden schliessen / ich will sagen / mit errichtetem Instrumento Pacis, und Accords-Puncten oder Friedens-Articlen in ihr Land und Reich zuruck / allwo sie von ihrem Principal, König oder Fürsten / mit Verlangen erwartet / und als wie die Noëtische Taub in der Arch mit Freuden empfangen werden: Absonderlich wann der Fried [467] mit favorablen / und für das Reich oder für die Nation reputirlichen Clausulen oder Bedingnussen ist geschlossen worden. Alsdann wird auf ein Neues erfüllet / was geschrieben stehet: Nova lux oriri visa est, gaudium honor & tripudium. 81 Ein neues Licht ist aufgangen / welches Ehr / Freud und Frolocken bringt in dem gantzen Land oder Reich; dann wann die Unterthanen eines Reichs oder Landschafft nach ausgestandenem langwierigen Krieg mit dem lieben Frieden widerum erfreuet werden / da ist es nicht anderst / als wann nach einem grossen langwierigen Regen oder hefftigem Ungewitter / der angenehme Sonnenschein wiederum herfür blickt. Es wäre nur zu wünschen / daß der geschloßne Frieden unter den Fürsten und Potentaten allzeit so aufrichtig und daurhafft wäre / als wie jener Friedens-Schluß gewesen ist / welchen GOtt mit dem frommen Patriarchen Noë und dem gantzen menschlichen Geschlecht nach überstandenem Sünd-Fluß gemacht hat / welcher annoch biß auf den heutigen Tag heilig und unzerbrüchlich ist gehalten worden / und biß zu End der Welt wird gehalten werden. Ein solche Beständigkeit des Friedens kan und soll alleinig von dem Allerhöchsten / in dessen Hand die Hertzen der Königen seynd / erbetten werden; dann Christus spricht: Den Fried laß ich euch / meinen Fried gib ich euch. 82 Die Welt fagt zwar auch offtermahl: Fried / Fried / und ist doch kein Fried.

Aber es gibt in sensu politico auch noch andere schlimme Tauben / welche der Prophet längstens im Geist hat vorgesehen / wann er gesprochen: Factus est Ephraim quasi Columba seducta non habens cor. 83 Ephraim ist worden als wie ein unwitzige Taub / die nicht mercken will. Oder welches eben so vil geredt ist / ein verführte Tauben die kein Hertz hat. Solche unwitzige verführte oder verblendte Tauben / seynd die unbarmhertzige und ungerechte Herrschafften und Beamte / die von dem eignen Interesse, von dem Ehr-Geitz und Geld-Geitz verblendet / nicht sehen oder hören / nicht verstehen wollen die billiche Klagen und Beschwerden der Unterthanen / sie seyndColumba seducta verführt durch die falsche Principia und schlimme Maximen der betrüglichen Welt /unwitzig / indem sie wegen dem Zeitlichen das Ewige in die Schantz schlagen: non habens cor, ohne Hertz / das ist / ohne Mitleiden über die Arme und Betrangte. Solche politische Tauben haben zwar schöne Federen / das ist / sie seynd zierlich gekleidet / adelich und politisch in Sitten / aber sie haben gar harte Schnäbel und scharffe Klauen als wie die Habich / sie beissen und kratzen / ja sie schinden und schaben die arme Unterthanen / daß sie offt Haut und Haar / Haab und Guth müssen dahinden lassen. Aber wie wird es endlich gehen / was wird die Sach für einen Ausgang nehmen? ich sage / wann diesen schlimmen Tauben der Tod einstens die schöne weisse Federen der zeitlichen Ehr und Ansehens ausrupft / so werden sie den kohlschwartzen diebischen Raaben so gleich sehen /als ein Ey dem anderen gleich siehet.

Ein kohlschwartze hungerige Dulen hat einstens wahrgenommen / wie daß die Tauben täglich in dem Schlag richtig und ordentlich gefütteret werden / und zu essen genug haben. 84 Sie war ihnen neidig deßwegen / und gedenckte wann ihr nur auch also wohl wäre. Sie hat aber diesen List erdenckt; ihre kohlschwartze Federen hat sie alle gantz weiß gefärbt oder angestrichen / darauf unter die Tauben sich gemischt /sambt ihnen in den Schlag geflogen / und hat ihr die Haut voll gefressen: die Tauben haben es ihr nicht verwehrt: dann sie vermeinten gleichwohl / es sey ein weisse Taub: es hat ihr auch der List noch länger gelungen: sie hat sich aber einstens vergessen / und gehling überlaut ihr Dulen-Geschrey angefangen / und sich also selbst verrathen. Da ist es in dem Tauben-Schlag Lermen worden / die Tauben den Betrug vermerckend / seynd zusammen gestanden / haben die Dulen wacker verzaust / und zum Dauben-Schlag hinaus gejagt. Hierauf / nachdem sie [468] kümmerlich entrunnen / ist sie widerum den anderen Dulen und ihren alten Löcheren in einem Thurn zugeflogen / diese aber / weil sie weiß war / haben sie durchaus nicht mehr für eine Dule erkennen / noch mit essen lassen wollen / sondern auch von ihnen hinweg gejagt / mithin ist dise hoffärtig- und geitzige Dulen (wie das teutsche Sprichwort sagt) zwischen 2. Stühlen nieder gesessen / es hat ihr beyder Seits gefehlt. Also geht es nemlich / wann der Bettler einen Herren / oder der Baur einen Edelmann agiren will: wann man nicht zu frieden ist mit dem / was man ist oder hat: Wann man zu vil will / bekommt man zu wenig über. Hätte die Dulen für lieb genommen / und ich beholffen mit und bey ihres Gleichen / so hätte sie gleichwohl etwas gehabt / weil sie sich aber unter die Tauben gemischt hat / wollen besser und höher daran seyn / als ihr gebührte / ist sie gar um alles kommen / und den Schaden zum Spott gehabt. Ein Gleiches widerfahret denjenigen / die sich ohnbefugt und ohnverdient in Würden und Ehren / oder in Besitz fremder Güter eindringen / dise fallen offt tieffer / und werden ärmer als sie zuvor gewesen seynd. 85 Deßwegen mahnet uns der Apostel: Noli altum sapere, sed time. 86 Seye nicht stoltz / sondern förchte dir. Und sey behutsam: Wer sich selbst erhöhet / der wird erniedriget werden.

Der 7. Absatz
Anhang
Anhang.
Zu der Hennen. Von dem Ey.

Das Hennen-Ey ist gewißlich zugleich ein edle Gab GOttes / und ein sonderbares Kunst-Stuck der Natur. In 10. Tägen beyläuffig / wie Doctor Gesnerus schreibt / werden die Eyer in der Hennen vollkommen zeitig: das Ey aber ist Anfangs gar klein und weiß /hernach wird es bald roth und blutig / dann ferners gantz gelb / endlich aber wird es unterschieden / also daß der innere Theil gelb / der äussere aber weiß ist. Wann es nun vollkommen worden / bekommt es ein Häutlein / welches an ihm selber noch weich ist / so bald es aber heraus kommt / zu einer Schalen erhartet.

Der Vogel oder das Hünlein wird aus dem Dotter auf folgende Weiß formirt oder gestaltet: Wann die Henn bruthet / da wird das Ey darvon erwärmet / und das Innwendige beweget: das Ey aber ist also dinn und zart / daß die innerliche Wärme von der äusserlichen Kälte / die etwas durchdringt / temperirt oder gemäßiget wird: Mithin fangt der Vogel oder das Hünlein an zu erwachsen / bekommt seine formliche Gliedlein / nach Proportion als wie das Kind in Mutter-Leib. Aus dem Dotter erwachst es / und von dem Eyer-Klar hat es sein Nahrung / wann ihm aber die Nahrung zu ermanglen anfangt / da erwegt es sich starck seine Nothdurfft zu suchen / und dardurch wird das Häutlein zerbrochen / und wann die Mutter / die Henn dises vermerckt / da kratzt und bickt sie die Eyer-Schal [473] auf / und das junge Hünlein schlieft heraus / dises alles aber mag in 20. Tägen geschehen. Also lehret Galenus und Hypocrates, deme zwar andere / wie auch Aristoteles widersprechen / und behaupten / das Hünlein thue nicht aus dem Dotter /sondern aus dem Eyer-Klar erwachsen / welches ferner zu untersuchen ich den Natur-Kündiger überlasse.

Das Ey hat 3. Häutlein inner der Schalen: Das erste beschirmet und sönderet ab das linde Ey von der harten Schalen: Unter disem ist ein anderes / welches das Klar umgibt: Unter dem Klar aber hat der Dotter wiederum sein besonderes Häutlein / von welchem es umgeben wird. Die gute Eyer fallen im Wasser zu Boden / die Schlimme aber schwimmen oben her: und die Eyer-Schalen seynd gleichwohl so starck / daß wann man selbe mit beyden Händen an den zwey Ecken zusammen drucket / und auf kein Seiten schwencket / da kan mans mit allem Gewalt und Stärcke nicht verdrucken; das Ey widersteht mit seinem Winckel oder Ecken / dann die Ecken befestigen einen jeden Bau / nicht also die Seiten. Wann man ein frisches Ey mit Faden umwindt / und über ein brinnende Kertzen halt / da wird der Faden ein gute Weil unversehrt bleiben; dann die Feuchtigkeit des Eys schlagt heraus und widersteht der Hitz. Das Eyer-Klar und der Dotter seynd ungleicher Art / nicht nur die Farb belangend / sondern auch in anderem. Der Dotter wird von einer kleiner oder mäßigen Wärme dünn und zerflüßt / hingegen dick von der Kälte / das Klar aber wird von keiner Kälte hart. etc.

Sonsten ist das Hennen-Ey nicht nur in der Artzney zu vilen Dingen gar nutzlich zu gebrauchen / sondern auch gut und gesund zu essen. 102 Wie dann auch vor Zeiten die Alte bey ihren Mahlzeiten gemeiniglich zu ersten Eyer / zu letzt aber Aepfel auf zu setzen pflegten / woher auch bey den Lateineren das Sprichwort entstanden ist / ab ovo ad mala, und will so vil sagen / als vom Anfang biß zum End. Ja es ist / das liebe Brod ausgenommen / fast kein Speiß / die für jedermänniglich so wohl taugt und anständig ist / als eben das Ey. Es ist für Jung und Alte gut / für Gesund und Krancke / für Starcke und Schwache / für Reich und Arme / Herren und Bauren. Es ist gleichsam der Kern oder das Marckt / und also das Beste von der Hennen. Die Eyer seynd angenehm in dem Geschmack / leicht in der Däuung / kräfftig in der Nahrung / und gesund in der Würckung. Man kan sie auch leicht oder um einen geringen Preiß haben / und noch ringer ohne Kosten præpariren oder kochen.

Es ist ferners das Hennen-Ey die reiniste / säuberste und sicherste Speiß: andere Speißen können alle verderbt / verunreiniget / ja auch vergifftet werden /nicht aber das Ey / so lang es gantz ist / hat es gleichsam einen Harnisch an / und ist wider alles / was schädlich oder unrein / bestens beschützet und verwahret.

Gleichwie nun Christus mit einer Hennen ist verglichen worden / also kan eben recht sein Heil. Wort und Evangelische Lehr mit dem Ey verglichen werden. 103 Dann gleichwie das Hennen-Ey jedermann gut / gesund / und nutzlich zu essen ist / also ist das Wort GOttes / das heilige Evangelium jedermänniglich nutzlich / heylsam / ja nothwendig zu hören. Es stärckt das Hertz oder den Willen / und erleuchtet den Verstand: Es ist geschmack und angenehm / wer kein bösen oder verderbten Magen oder Willen hat / es ist auch leicht zu verdauen / das ist / mit der Gnad GOttes leicht zu vollziehen. Jugum meum suave est, & onus meum leve. 104 Mein Joch ist süß / und mein Bürde leicht / sagt Christus im Evangelio. Das Wort GOttes / das Heil. Evangelium ist die allersauberste und reiniste Lehr / gleichwie das Ey die reiniste Speiß. Man kan dise sittliche Eyer leicht haben ohne Mühe und ohne Kosten / der Zehr-Gaden oder das Speiß-Gewölb / worinnen sie aufbehalten werden / ist die Bibel / [474] oder die Heil. Schrifft und andere geistliche Bücher: sie brauchen auch nicht vil zu præpariren / kein anderes Gewürtz oder Spezereyen / als nur ein wenig Saltz / ich will sagen / das Wort GOttes soll man vortragen ohne Zierad / oder Ausschmuckung zierlicher Worten / nur cum grano salis mit ein wenig Saltz / das ist / mit Bescheiden- und Behutsamkeit. Die Eyer seynd ein guter Vorrath in einer Haußhaltung: wann gehling ein Noth auskommt / daß man solt etwas zuessen haben / da nimt der Hauß-Wirth nur geschwind etliche Eyer daher / und macht ein Essen daraus. Eben also soll ein Seelsorger / ein Pfarr-Herr oder geistlicher Oberer allzeit mit den sittlichen Eyeren des Wort GOttes versehen seyn / und selbe in Bereitschafft haben / damit im Fall / wann seine Untergebne oder geistliche Kinder der Speiß bedürfftig seynd / das ist / ein geistlichen Trost / Unterweissung oder Bestraffung vonnöthen haben / er selbe ihnen alsbald darreichen möge.

Die sittliche Eyer des Wort GOttes hat der Königliche Prophet David gar hochgeschätzt / sie haben ihm überaus geschmäcket. 105 Quam dulcia faucibus meis eloquia tua, sagt er / super mel ori meo. Wie süß seynd deine Reden meinem Rachen mehr dann Honig meinem Mund. Und wiederum: Desiderabilia super aurum & lapidem pretiosum, sie seynd köstlicher als Gold und Edelgestein / auch süsser dann Zucker und Honig. Aber nicht nur stattlich und süß / sondern auch gesund und nützlich hat David diese mehr gemeldte sittliche Eyer / das ist /die Lehr und Satzungen GOttes befunden: dann er sagt abermahl: Lex Domini immaculata convertens animas etc. Justitiæ Domini rectæ lætificantes corda etc. Das Gesetz des HErren ist ohne Mackel / es bekehrt die Seelen etc. die Recht des HErren seynd richtig / und erfreuen das Hertz / seine Gebot seynd lauter / und erleichten die Augen etc. O wohl herrliche und fütrefliche Würckungen!

Aber wann das Wort GOttes so grosse Krafft gehabt hat in dem alten Testament / da es doch nicht von seinem Mund ohnmittelbar / sondern von den Propheten und Patriarchen ausgangen ist / wie vil mehr Krafft und Hochschätzung soll es haben in dem neuen Testament / da es GOtt selbst mit seinem Mund geredt / und mit seinem Exempel gelehrt hat? und dannoch O Schand! und dannoch gibt es so manche laue Christen / welche das Wort GOttes in der Predig entweders gar nicht / oder nur mit Unlust anhören.

Aber je jünger und frischer die Hennen-Eyer seynd / je besser und gesünder seynd sie zu essen / die alte faulen gern / und stincken / seynd nichts mehr nutz: Hingegen mit den sittlichen Eyern des Wort GOttes /oder der heiligen Schrifft hat es ein gantz andere Beschaffenheit: die alte und erste Schrifft allein ist gut und gerecht / und ein gutes gesundes Ey: die neue aber von den Novatoribus, und denen Irrglaubigen verderbte / und verfälschte Schrifft ist nichts nutz / sie ist ein faules stinckendes Ey / höchst schädlich und ungesund.

Die andere und sonderbare Nutzbarkeit ist der Eyeren / das die Hünlein daraus erzeugt werden / daß weiß ein jeder / aber auf wie vil unterschiedliche Weiß und Manier sie können ausgebrütet werden /daß weiß nicht ein jeder / sie können herausgebracht werden / auch ohne Bruten / an der Sonnen / oder hinter dem Ofen / wie es in Egypten starck im Brauch ist / ein gantz fremde / und unerhörte Manier hat Livia des Kaysers Tiberii Mutter erdacht: dann als sie mit ihm schwanger gieng / war sie fürwitzig / und begierig zu wissen / was sie unter ihren Brüsten trage / und was aus ihrem Kind werden möchte / sie nahm also ein Ey in die Händ / dieses erwärmete sie / und hilt es unabläßlich mit gröster Gedult / Tag und Nacht in der Hand / oder wann sie je die Hand ein wenig sonst brauchen / oder sonst öffnen muste / gabe sie es unterdessen einer Kammer-Jungfrauen in der warmen Hand zuhalten / also [475] daß es nie erkaltete / und dieses triebe sie so lang / biß ein Hünlein daraus geschloffen / und zwar ein Hänlein mit einem Kammen. 106 Sie consulirte die Wahrsager deßwegen / was es bedeute / diese sagten ihr / sie werde einen Printzen gebähren / und selbiger Kayser werden. Sie haben es auch verrathen /obwohlen sonsten nichts darauf zugehen.

Der gedachten Liviæ sollen wir nachfolgen / und auch in sittlichem Verstand die Eyer / das ist / das Wort GOttes mit den Händen ausbruten / ich will sagen / mit dem Werck erfüllen / wie uns der Apostel Jacobus ermahnet / Estote Factores verbi & non Auditores tantum. 107 Seyed aber Thätter des Worts /und nicht allein Zuhörer / damit ihr euch nicht selbst betrügt. Wann wir diese sittliche Eyer / nehmlich die Wort Christi des HErren / die Betrohungen und Verheissungen / die Ermahnungen und Gebot /zuerst in dem Hertzen durch den Glauben / Hofnung und Liebe tragen / hernach aber in den Händen durch Vollziehung derselben / alsdann werden wir in sittlichem Verstand bald vil junge Hünlein glücklich ausbrütten / das ist / vil gute / und des Himmels verdienstliche Werck herfürbringen; das in der Hand ausgebrütete Hennen-Ey soll Liviæ einen Printzen / und einen künfftigen Kayser bedütten haben: aber das sittliche Ey / das Wort GOttes / wann es von uns im Hertzen / und in Händen getragen / oder im Werck erfüllet wird / da thut es uns nicht nur ein irrdisches sondern das Himmelreich unfehlbar vorbedeuten.

Es geschicht zu Zeiten / daß die Hennen monstrose oder ungewöhnliche / und wunderseltsame Eyer legen / auf welchen unterschiedliche Farben / seltsameFiguren zusehen seynd; solche Mißgeburthen bedeuten gemeiniglich nichts Gutes / man erschrickt darob /wann solche Eyer zum Vorschein kommen / die von der Art / oder Gestalt der gemeinen Eyer abweichen. Solche monstrose Eyer / und Mißgeburthen seynd die Lehr-Sätz der Abtrinnigen Kätzer / oder Irglaubigen /welche von der wahren unverfälschten heiligen Schrifft / und dem Römischen Catholischen Glauben abweichen: solche Eyer bedeutten / ja verursachen grosses Unheyl / nehmlich / Spaltung und Zertrennung der wahren Kirchen: deßwegen solle man solche schlimme Eyer bey Leib nicht aufzüglen / sondern alsobald in der Brut verstecken / das ist / falsche Lehren soll man mit gründlichen Beweißthum widerlegen /und austilgen. Ubrigens seynd die Eyer gar zerbrechlich / es ist gar bald darum geschehen / wie es sich wohl gezeigt hat in folgender Begebenheit. 108 Ein hoffärtiges Bauren Mägdlein / weilen es nicht ungestalt / und auch etwas witzigers ware / bildete ihme nicht wenig ein / und glaubte von einem solchen Holtz zu seyn / aus welchem wohl mit der Zeit eine Frau könte geschnitzlet werden. 109 Mit diesen Gedancken gieng es großschwanger / weilen ihm aber die Mittel ermangleten solchen Zweck zuerreichen /hat es folgende Concept, oder Anschläg geführt: es wolle jetzund erstlich ein Körblein voll Eyer zusammen sparen / und selbe verkauffen / um das Geldlein aber eine gute Leg-Henn kauffen / derselben wieder um auch Eyer unterlegen / und junge Hünlein züglen: wann es auch etliche Bruten aufgebracht / und die Hünlein verkauft habe / könne es leicht um das erlöste Geld ein Kälblein kauffen / selbes wolle es schon aufziehen: und wann es dann ein eigene Kuhe bekomm / die ihm kälbern thue / da wolle es nach und nach ein gantze Sennerey / oder Vieh-Zucht anstellen / mithin aber leicht einen guten Heyrath treffen / und den brävisten Kerl im Dorf / oder gar des Richters sein Schreiber zur Ehe bekommen: alsdann aber ein Viehe-Magd halten / und derselben eindingen / daß sie es ein Frau heissen muß. Ja es wolt nicht nachlassen zu Hausen / und mit Vieh zu handlen / biß daß sie ein Stück Geld zusammen bring / mit welchem der Mann ein Adels-Brief kauffen könne / und es gar ein gestrenge Frau werde. Alls [476] nun das Mägdlein am nechsten Wochen-Marckt in die Stadt gienge / und ein Krätlein voll Eyer zuverkauffen auf dem Kopf truge /in Gedancken aber gantz vertiefft ware / wie es sich stellen / gehen und bucken wolle / wann es ein gestrenge Frau werde / und ein Reiffrock anhabe / da ist es gestolperet nach der Länge auf die Nasen hinaus /und in ein Koth-Lachen gefallen / das Körblein aber samt den Eyern ist auf dem Pflaster umgekuglet / also daß der Totter und Klar mit dem Koth vermischet war. Da liegen jetzund die Eyer / und Hünlein / und Kälblein / Kälber und Rinder / der Edelmann / die Frau und Kinder / alles beysammen in einem Hauffen / alle Hoffnung ist in Brunn gefallen / und zu Wasser worden / also geht es / wann man die Zech / oder Rechnung ohne den Wirth machet / und Schlösser in dem Lufft bauet. Da hat es wohl geheissen / und heißt annoch öffters / Homo proponit, DEus autem disponit. Der Mensch nimmt ihm vil vor / aber GOtt macht die Verordnung / was geschehen soll. Nicht. Wie mancher führet weiß nicht was für grosse / hoch und weit aussehende Concept, wie er dieses / oder jenes wolle anstellen / seine Güter vermehren / sein Stand verhöhen / aber weilen er die Sach mit GOtt nicht angefangen / sondern nur auf eigene Kräfften / Witz und Kunst / auf Reichthum / oder auf Menschen Gunst gehofft / und sich gesteuret hat / so wird sauber nichts daraus. Ja es geschicht vilmehr das Widerspiel / sein Glücks-Gebäu hat keinen Bestand / weilen es nur auf Sand gebauet ist etc. mit einem Wort.


Auf Gunst / auf Geld / und Witz vertraut /
Ist ohne Grund in Lufft gebaut. Hingegen aber /
Wer vest auf GOTT allein vertraut /
Die eitele Geschöpf verachtet /
Der hat gantz wohl / und sicher baut /
Für ihn der Himmel wachet.
Der 8. Absatz
Der 8. Absatz.
Von dem Hanen.

Unterschiedliche Arth / oder Gattungen der Hanen können gezehlt werden: als gemeine oder Hauß-Hanen / Indianische Hanen / Auer-Hanen / auch Fassannen etc. 110 Der sogenante Indianische Han (welcher ursprünglich aus Indien kommt / wird wie bekant auch häuffig in Teutschland gezüglet:) ist ein überaus schön / groß und Majestätischer Vogel / absonderlich wann er seinen Schweif und Flügel ausspreitzet / noch so groß / als ein gemeiner Han / mit den schönsten und höchsten Farben / absonderlich an dem Halß /und Kopf ohne Federn mit einer dicken geruntzelten /oder gefalteten blau und rothen Haut gezieret. Sein Stimm läst er weit aus seinem langen Halß mit einem Praßlen herfür / doch hat er etwas dem Hüner-Geschrey ähnliches: ein dickes fleischiges Häutlein / und eben solcher Farb / hangt ihm eines Fingers lang über den Schnabel herab / doch kan er es einziehen / wann er essen will. Er ist ein zornigs streitbares Thier / und wann er zürnet / thut er seinen Halß sehr aufblähen /und gäntzlich erröthen / die Federn seynd gemeiniglich graulecht / und etwas weißgesprengt: sein Gang ist sehr gravitätisch / und langsam / die Indianische Hennen ist um ein ziemliches kleiner / einem Pfauen (den Schweif ausgenommen) nicht vil ungleich. Ubrigens macht dieser Vogel auf vornehmen Tasten einParade, und dienet wohl zu grossen Gastereyen / er kostet vil zu auferziehen / und braucht ein fleißige Warth.

Der Auer-Hahn / oder Ur-Hahn Petrao, oder Aurogallus mag wohl unter dem Feder-Wildpret in der Grösse / Farb / und Kostbarkeit das Præ haben /wann es ihm nicht der Fassan zum Theil streitig macht / welche beyde Vögel in gemeinen Kuchlen unbekant seynd / aber auf Fürstlichen Taflen zuforderist ihren Platz finden. 111 Der Auer- oder Ur-Hahn von seiner Grösse also genannt / (dann Uhr hieß [477] bey den Alten so vil als groß) ist zu Zeiten biß 8. Pfund schwer / hat unterschiedliche schöne Farben: sein Halß ist einer Spann lang mit schwartzen Federn /doch mit grauen Federlein gesprengt: seine gröste Schwing-Federn seynd 5. Zwerck-Händ lang /schwartzlecht / oder mehr grün: auf dem Rucken theils braun / theils grau / am Bauch und Füssen hat er weisse Federn / um die Augen rothe Fleck / ein kurtz gebogenen / starck und breiten Schnabel / und grossen schwartzen Schweif. Der gantze Vogel ist 4 biß 5 Spannen lang: er halt sich auf in hohen Gebürgen / und grossen Waldungen etc.

Die Vasanen seynd ebenfals schöne grosse Vögel /und haben ein köstliches Fleisch: sie haben unterschiedliche schöne Farben / blau / roth / und grün /ein rothen Ring um den Halß / und ein lang gefiederten Schweif mit gesprengten Farben. Man pflegt sie in Fürstlichen Lust-Gärten zuauferziehen / mit Erd-Früchten zuspeisen und zugewöhnen / daß sie aus-und einfliegen / sie fliegen aber nicht hoch. Der hochmüthige König Cræsus, als er einstens mit Gold und Purpur angethan auf dem Thron sasse / und Solonem den Weltweisen fragte / ob er jemahl etwas Schöners als ihn gesehen habe? da sagte Solon, ohne ihm zu schmeichlen / ja freylich / die Pfauen und Vasanen gefallen ihme wohl besser; dann sie seyen von Natur schön / er aber habe nur ein fremde und angenommene Schönheit. Wohl weißlich geredt! dann Christus hat in dem Evangelio selbst auch also geredt / indem er gesagt / daß der König Salomon in all seiner Glori und Herrlichkeit nicht so schön gekleidet seye / als wie ein Blümlein auf dem Feld. Aus welchem allein schon genugsam erscheint / wie thorrecht es seye in schönen Kleidern stoltzieren / und prangen.

Was aber den gemeinen Hauß-Hahnen (von dem ich fünemlich da zureden gesinnt bin) anbelangt / so ist selbiger ebenfals ein ansehnlich-vilfärbig- und streitbarer Vogel. 112 Sein äusserliche Gestalt ist genugsam bekant / aber seine Eigenschafften seynd fürtreflich / und merckwürdig. Er ist erstlich hertzhafft und muthig / absonderlich auf seinem Mist / in seinem Hof / und bey seinen Hennen: es hat ihn auch die Natur mit zwey Spohren an den Füssen versehen /damit er sich wehren und tapfer um sich hauen könne. In dem Streit aber braucht er sein harten Schnabel / er beist um sich / er nimt seinen Gegner bey dem Kammen / und hält ihn vest / er schlagt mit seinen Flüglen / und mit seinem Leib / oder mit der Brust springt er auf seinen Feind zu / und sticht ihn mit seinen Sporen in den Leib: er gibt nicht nach / und förchtet kein Gefahr noch Wunden / er will lieber auf dem Platz todt bleiben / als ein schandliche Flucht nehmen / oder sich überwunden geben. Wann er aber einen andern Hahnen oder sonst ein Thier / mit dem er gestritten /überwunden hat / da frohlocket er / er krähet über laut / thut den Sieg verkünden / und victori singen. Aber nicht nur sich selbsten thut der Hahn so ritterlich beschützen / und sich wehren / sondern mit gleichem Muth / und Hertzhaftigkeit streitet er auch für seine Hennen / und beschützet sie wider den Feind / oder sonst in den Gefahren / er waget Leib und Leben vor sie; dann er liebt sie über die Massen.

Wegen dieser seiner Hertzhafftigkeit / und streitbaren Gemüth deuttet uns der Hahn einen tapfferen Soldaten an: dann ein Soldat muß Hertz und Muth haben / kein Feind / kein Gefahr / noch Wunden fürchten /sondern unerschrocken und hertzhafft darein gehen /und von dem Platz / der ihm angewiesen / oder anvertraut ist / nicht abweichen / sondern sich wehren aus allen Kräfften / so lang es immer möglich ist; und zwar nicht für sich selbsten oder seine eigene Persohn zubeschützen muß ein Soldat kühn / und dapffer fechten / wann mann ihn selber angreifft / sondern auch für das gantze Vatterland / für die Ehr und das Interesse der Nation, für die gerechte Sach seines Königs oder Fürsten; dann dises erforderet sein Pflich [478] und Treu / wegen diesem empfangt er seinen Monath-Sold / zu diesem hat er sich verbunden / und werben lassen / und zum Fahnen geschworen: wann er dieser seiner Schuldigkeit ein Vergnügen leistet / so ist er aller Ehren werth / aber sonsten nicht. 113

Dieses haben die Alten klüglich zuverstehen geben / indeme es vor Zeiten bey unterschiedlichen Völckern im Brauch gewesen / daß man vor den Feld-Schlachten im Angesicht des gantzen Kriegs-Heers etlich auserlesene / starck und muthige Hahnen miteinander kämpfen / und biß auf den Todt hat streiten lassen (welcher Kampf / und Streit zu Zeiten gantze Stunden gedauret hat) zu dem End / daß die Soldaten in Ansehung dieser Vögel animirt / und gleichfals hertzhafft /und ritterlich zustreiten angeführet würden / welches dann auch öffters mit gutem Effect erfolget ist.

Eben der Ursachen halber / nemlich wegen der Hertzhafftigkeit / und Wachtbarkeit (welche zwey Tugenden einnem guten Soldaten eigenthümlich seynd) ist der Hahn von der alten Heydenschafft dem Kiegs-Gott Marti absonderlich gewiedmet und zugeeignet worden.

Es ist zwar genugsam bekant / wie vil es jederzeit dergleichen streitbare Hahnen unter den Soldaten abgeben habe / welche sowohl vor alten / als bey jetzigen Zeiten / ritterlich gefochten / und manche herrliche That verrichtet haben / und annoch verrichten /denen auch alles Lob / und Ehr deßwegen gebühret. Hingegen aber gibt es auch einige / die vilmehr den Hasen / als Hahnen gleichen / und wohl vonnöthen hätten / daß man allzeit zuvor den Hahnen-Kampf anstelte / wann sie fechten sollen / nur damit sie ein Exempel nehmeten / und auch ein Courage bekämen. Ja es haben deren etliche zwar einen Kammen auf dem Kopf (oder etwas dergleichen) als wie ein Hahn / auch Sporen an den Füssen / als wie ein Hahn / und ein harten Schnabel oder böses Maul / als wie ein Hahn /aber ein Hertz und Muth als wie ein Haas / von dem sie besser das Fliehen als Fechten gelernt haben / sie thun lieber als wie ein Brut-Henn in dem warmen Nest / oder hinter dem Ofen sitzen / als wie ein Hahn in dem Feld streiten. Im Jahr Christi 125. ist in Creta ein Hahn auf die Welt kommen / welcher 5. Füß gehabt hat: aber unter denen Soldaten gibt es bißweilen einige Haasen / welchen 6. Füß zu fliehen kaum erklecken. Ein solcher Haasen-Held ist gewesen jener Pollack / welchem der König Boleslaus nach der Schlacht ein Haasen-Balck / und Weiber Spinnrocken zur Recompens geschickt hat / weil er in dem Treffen wider die Reussen so gleich und schandlich geflohen und gantz zaghafft gewesen ist. 114

Die Hahnen pflegen daraus im freyen Lufft gantz frisch / und aufrecht daher zugehen / sie strecken den Kammen in die Höch: hingegen so bald sie in den Hennen-Stall kommen / oder sonst zu einem Hauß eingehen / da ducken sie sich / und lassen den Kammen nieder. Aber einige Soldaten thun schnurgrad das Wiederspiel. Wann sie in dem Feld vor dem Feind stehen / da ducken und schmucken sie sich / ja sie thäten gern gar unter den Boden schliffen / nur daß der Feind sie nicht sehen thäte / oder nicht treffen könnte: aber wann sie heim / oder in das Winter-Quartier kommen / da lassen sie sich auf / und strecken den Kamm in alle Höch / sie können nicht genugsam sich prallen / und den Bauren erzehlen / was sie alles in dem Feld gethan / und ausgestanden haben etc. Zaghaffte Haasen / und keine hertzhaffte Hahnen seynd diejenige Soldaten / welche zwar ein schönePlummage auf dem Huth / aber ein schlechte Courage in dem Hertzen haben / welche mehr zu thun haben mit den Perruquen und Haar-Puder / als mit den Paraquen und Schieß-Pulfer / welche mehr lieben die Minueten und Flöten / als die Flinten und Musqueten / mehr das Galanisiren und Musiciren / als dasScharmutziren und Fouragiren / die sich besser verstehen auf Spiel-Werck und Tantzen / als auf die Boll-Werck und Schantzen / die lieber sich aufhalten in [479] einem Lust-Garten / als in der Contrescarpen / die lieber aufsetzen die Schlaff-Hauben / als Peckel-Hauben / und lieber zu Frauenhoffen / als zu Mannheim in dem Quartier liegen etc.

Hingegen keine Haasen / sondern streitbare Hahnen seynd all diejenige Officier und gemeine Soldaten / welche dem Feind hertzhafft unter das Angesicht tretten / starckmüthig und mit Freuden angreiffen /dapffer dareinschlagen / langmüthig ausdauren / hitzig verfolgen / sich vortheilhafftig defendiren / hurtig vorkommen / und mit dem Degen in der Faust / durch die Wunden und das Blut ihnen den Weeg zu dem Sieg und zu dem Ruhm eröffnen. Ein guter Soldat ist beschaffen / als wie der Hahn auf dem Glocken-Thurn / er verlaßt seinen Posto nicht / wann es schon donneret / und blitzet / regnet oder schneyet / bey Tag und bey Nacht / in der Hitz und Kälte dauret er fest / er weiß sich in alles zu schicken / und nach allen Winden zu richten.

Das fernere und gröste Lob des Hanen ist / daß er vor anderen Thieren ein Witz / oder Verstand hat /wie die heilige Schrifft selber von ihme bezeugt mit den Worten des Jobs: Quis dedit gallo intelligentiam? 115 Wer hat dem Hanen Verstand geben? Die Witz / oder der Hanen-Verstand aber bestehet fürnehmlich in dem / daß er gar fleißig / fürsichtig und wachtsam ist / nicht nur über sein eigene Familie, das ist / seine Hennen und Hünlein / sondern auch über das gantze Hauß-Gesind: Er wecket sie alle täglich gar fleißig auf / er ermahnet sie / und ruffet mit heller Stimm in aller Frühe / man solle aufstehen / und zur Arbeit gehen. Er weiß gar wohl die Zeit ab zutheilen /und die Nacht-Stunden richtig aus zu ruffen / er kommt nicht zu fruhe / und nicht zu spath / er verschlafft niemahlen. Mit Untergang der Sonnen begiebt er sich zwar zur Ruhe / aber vor dem Aufgang derselben ist er schon wieder munter / und vermeynet / die Leuth im Hauß sollen es auch also machen / und das Bett oder den Schlaff ihnen nicht lassen zu lieb seyn. Deßwegen hat man vor Zeiten / als die Uhren noch nicht im Brauch / und erfunden waren / des Hanen-Geschreys sich bedienet / und sich darnach regulirt in Austheilung der Zeit / oder Nacht-Stunden / in Ablösung der Wachten / in dem Feld bey den Kriegs-Leuthen etc.

Weiters zeigt der Hahn seinen Witz oder Verstand in dem / daß er seine Familie, das ist / seine Hennen und Junge mit grosser Bescheidenheit / und Fürsichtigkeit regieret: Dann nachdem er sie in aller Fruhe hat aufgewecket / und gleichsam den Morgen-Segen /oder den Tag hat angesungen / da ist sein erste Sorg /daß er den Seinigen die Nahrung verschaffe / und ein Morgen-Essen aufbringe: Er bemühet sich mehr für die Seinige / als für sich selbsten / und wann ihme die Hauß-Wirthin nichts vorschüttet / so laufft er um /und suchet / kratzet / und scharret über all / wo er etwas zu essen finde / und so bald er etwas gefunden hat / da rufft er die Seinige herbey / giebts ihnen Preiß / und schauet wieder um etwas anders. Nach dem preißwürdigen Exempel / oder Beyspil des Hanen solle ein Hauß-Vatter fleißig / wachsam / und sorgfältig über sein Haußhaltung seyn: Er soll auf alles Achtung geben / Morgens frühe / und Abends spath / daß alles in dem Hauß geschehe / und verrichtet werde /was geschehen soll / und verrichtet werden / nicht aber gäntzlich sich nur auf andere Leuth verlassen /und seiner Gelegenheit pflegen / oder sich dem Müßiggang ergeben: Er soll sein Weib und Kinder / alle seine Hauß-Genossen zu seiner rechten Zeit zu dem Gebett / und zur Hand-Arbeit / oder sonst anständigen Beschäfftigung anmahnen und anhalten / und selber mit dem guten Exempel vorgehen. Hingegen muß er auch beflissen seyn / und sich bemühen / gleichwie der Hahn / den Seinigen die nothwendige Nahrung /Kleider / und Besoldung zu verschaffen / und getreulich austheilen / damit sie das Ihrige præstiren können / und sich nicht zu beklagen haben.

[480] Wann der Hahn sihet / daß die Henn schwach ist /und erkrancket / da steht er ihr bey / und tröstet sie mit einer freundlichen mitleidigen Stimm / so gut er kan / ja er schämet / und scheuet sich nicht / daß er in Ermanglung der Henn auch helffe die Eyer ausbrüten /wie man von ihme schreibt. Im übrigen last er nichts Unrechts unter den Seinigen zu. Auch in diesem Stuck soll ein Hauß-Vatter dem Hahnen nachfolgen / seiner Ehe-Frauen alle Lieb und Treu erweisen / mit gesamter Hand die Kinder wohl auferziehen / und in seinem Hauß kein Ungebühr zulassen etc.

Es hat aber hingegen der Hahn auch andere böse Eigenschafften / und Untugenden an sich (denen man durchaus nicht nachfolgen soll) dann er ist von Natur gar hochmüthig / zornig / streittig / und eyfersichtig /welches einem Hauß-Vatter / oder Ehe-Mann / ja einem jeden Menschen gar übel anstehen wurde.

Um das Jahr 1014. hat es sich zu Bononien begeben / daß zwey gute Freund miteinander zu Tisch sassen / welchen ein gekochter Hahn ist aufgesetzt worden: der eine aus diesen zertheilte ihn mit einem scharffen Messer gantz behänd in etliche Stuck / und der andere / so ihme zugesehen / sagte / du hast diesen Hahnen so wohl transchirt / daß S. Peter, wann er schon wolte / ihn nicht mehr gantz / und krähend machen kunte: ja widersetzte der andere noch ärger lästerend / wann schon Christus selbst es sagen / oder heissen thäte / so wurde er nimmer lebendig werden /und von der Schüssel auferstehen / kaum hat das Laster-Maul diese gottlose Red gethan / da ist der gekochte / und zerschnittene Hahn wieder lebendig und gefiedert worden / er ist in der Schüssel aufgesprungen / hat gekrähet / und hat mit den Flüglen so starck in die Brühe / so in der Schüssel war / geschlagen /daß die am Tisch sitzende häuffig darmit besprengt wurden. 116 Aber bey dem Miracul ist es nicht allein blieben / sondern GOtt hat die Straff dem Wunder beygestelt: dann die / so von der Brühe angesprützt worden / seynd zugleich auch mit dem Aussatz /Siechthumb behafftet worden: ja auch alle ihre Nachkömling / oder Kinds Kinder haben dieses Ubel von ihnen ererbt / und seynd alle aus dem Herren-Stand verfallen / und zu leibeignen Knechten der S. Peters Kirchen zu Bononien worden / deren sie dienen / und mit der Hand Arbeit / benantlich mit dem Sieb- oder Wannenmachen sich erhalten müssen / durch diese dopplete Straff die Nach-Welt lehrend / daß man nicht vermessen / oder schimpflich von der Allmacht GOttes reden soll. Der Hahn aber / der vorlängsten den heiligen Petrum mit seinem Krehen gestrafft /oder angeklagt hat / als er Christum verlaugnet auf der Erden / hat jetzunder gezeigt / daß er nunmehr mit ihme glorreich regiere in dem Himmel. Von dem Geschicht / schreite ich zu einem Gedicht.

Als ein Hahn / und ein Hund miteinander über Feld reiseten / und von der Nacht überfallen wurden / da flog der Hahn auf einen Baum darauf zu schlaffen /der Hund aber legte sich unten her in den Baum / der etwas hohl ware / nieder. 117 Als der Hahn nach seiner Gewohnheit bey Mitternacht zu krehen anfing /hörte es ein Fuchs / der lief eilends herzu (vermeinend ein gute Beuth zumachen) und da er den Hahnen auf dem Baum sahe / es ware Mond-Schein / finge er an ihn zu bitten / er soll ein wenig zu ihm herab kommen / er wolte ihm wegen seiner schönen Stimm küssen /und empfangen. Der kluge Hahn wohl wissend wie vil dem falschen Lob / und Schmeichlen des Fuchsen zu trauen seye / sagte: ja er wolle gleich kommen / er solle ihm aber zuvor die Lieb thun / und sein Reiß-Gespannen / der unten im Baum liege / vom Schlaff aufwecken. Der Fuchs hat es gethan / und der Hund sprang eilends herfür / nahm den Fuchs bey der Gurgel / und verwürgte ihn: dieser aber sagte sterbend / O was hab ich gethan / daß ich meinen Feind mir selbst zum Untergang habe aufgeweckt! also nemlich ist es offt in einem Augenblick [481] geschehen / daß die Klug-und Behutsamkeit den einen von der grösten Gefahr errettet / den andern aber die Unbehutsamkeit in das Verderben stürtzet. Eben dieses hat sich auch in einer andern Begebenheit klärlich erwiesen: als zwey Hahnen miteinander gantz hitzig um ein Hennen stritten und kämpften / da ersahe der eine gehling einen grossen starcken Raub-Vogel / nemlich einen Adler / ob ihnen in dem Lufft schweben: er ware so gescheid /daß er diesen Schied-Mann / oder Friedmacher nicht erwarten wolte / sondern liesse also bald nach von dem Streit / er liesse darvon / und verschloffe sich in ein Loch. Der andere Hahn vermeinend er habe obgesieget / und sein Gegner habe wegen seiner die Flucht genommen / hat gefrohlocket / ist auf den nechsten Mauer-Stock geflogen / und hat victoria gesungen: aber der Adler ist auf ihn herab geschossen / hat ihn mit den Klauen ergriffen / und fortgeführt. Also vil ist daran gelegen / daß man in die Zeit sich zuschicken /und nachzugeben wisse: indeme es ja vil besser und gescheider ist ein klein Unehr willig ausstehen / oder einen geringen Schaden gedultig leiden / als ein eitle Ehr so theuer erkauffen / und das gröste Unglück ihm selber auf den Halß ziehen.

Der 9. Absatz
Der 9. Absatz.
Von dem Pfauen.

Auch der Pfau / Pavo, wird zu dem Hüner-Geschlecht gezogen / und werden zu Zeiten die Pfauen-Eyer denen Hennen unterlegt / von ihnen ausgebrütet; der Pfau ist ein grosser schöner mit unterschiedlichen hohen Farben gezierter Vogel / er hat einen langen rahnen Halß von der schönsten Blumen-Farb / auf dem Kopf / welcher länglicht und blau mit einem weißlechten Schnabel / ist er gleichsam mit einer Cron geziert / und von Federlein / welche den Gersten-Aehren nicht vil ungleich. 118 Die Augen seynd mit etlich Circel von unterschiedlichen Farben gleichsam eingefaßt / an der Brust und an dem Bauch ist er theils blau / theils grün / die Flügel seynd braunlecht /und der Rucken grau / der Schweif aber ist sehr lang bey etlich Spannen / und wann er selben aufstellet /und in die Runde ausbreitet / da macht er ein grosseFigur, und præsentirt den Anschauenden / sonderlich wann die Sonn darein scheint / ein wunder schönes Kunst-Stück der Natur / welches alle Mahler-Kunst übertrifft; dann seine zarte / und lange Federn seynd mit den schönsten und höchsten theils braun und grün / theils blau und gelben Farben gezieret: Ein jede Feder in dem Schweif hat ein Circel als wie ein grosses Aug von vilen Farben / und ist gleichsam mit Gold vermengt. Die Schönheit des Pfauen ist ihm selbst gar wohl bekant / deßwegen ist er sehr stoltz /und hochmüthig / er spreitzet sich gewaltig / und gehet gantz Majestätisch daher. Wann man ihm zusiehet / ein Freud von ihme hat / und ihn lobet / da mercket er es gleich / und zeigt sich mit Aufregung seines Halß / und Ausbreitung seines Schweifs / so prächtig als er kan / er stellet alsobald gleichsam ein lebendigen Blumen-Garten vor. Das Weiblein aber ist nicht so schön / und auch nicht so groß / als wie das Männlein / sondern mehrentheils graulecht.

In kalten feuchten Ländern / als Norwegen etc. soll es auch gantz weisse Pfauen geben. Die Pfauen seynd von fern in das Teuschland gebracht worden / und werden in führnehmer Herren Gärten gezüglet / mehr zum Luft und Zierd / als Nutzen: sie werden zwar auch auf fürnehmen Taflen aufgesetzt / doch ist ihr Fleisch ziemlich hart / und nicht wohl zuverdeuen. Aber in der Artzney wird vil von dem Pfauen gebraucht. Ihre schöne Federn bekommen sie erst im dritten Jahr / und zu gewisser Jahrs-Zeit fallen sie ihnen aus / alsdann aber schämen / und verbergen sie sich / biß daß ihnen der schöne Schweif wieder gewachsen ist. Es seynd aber die Pfauen nicht nur an ihnen selber schön / sondern sie lieben auch die Reinigkeit / und können keinen Unflat leiden. Es gibt auch [482] der Pfau fleißig acht / daß er sich nicht verunreinige. Aber so schön ihre Federn seynd / so heßlich hingegen seynd die graue geruntzlete Füß / also daß wann sie selbige anschauen / haben sie ein Unlust darab / schämen sich / und ziehen alsobald den ausgebreiteten prächtigen Schweif zusammen. Sie haben auch ein schandliches Geschrey / ein widerwärtige Stimm: sie schreyen offt mitten in der Nacht / und das bedeutet gemeiniglich ein Aenderung des Wetters. Sie fliegen nicht hoch oder starck / doch sitzen sie gern auf den Mauren / oder Bäumen / die Eyer aber brüten sie aus nach Arth der Hennen / mit denen sie auch essen / und seynd so fruchtbar / als wie Vasanen; sie leben lang / können über 20. Jahr alt werden: sie sollen auch mit ihrem Geschrey die Schlangen / und andere gifftige Thier vertreiben. Es seynd vor Zeiten die Pfauen von etlich König- und Fürsten so hoch geschätzt worden / daß es einen zu tödten bey Lebens-Straff verbotten gewesen.

Endlichen wie Cardanus, und andere schreiben / so kan des Pfauen-Fleisch vil Jahr lang erhalten werden /ohne daß es faule / oder stinckend werde / und dieses soll von seinem Temperament herkommen.

Der Pfau hat gute und böse Eigenschaften an ihme / gleich wie auch die meiste andere Thier / wegen welchen er auch mit Gutem / und Bösem kan verglichen werden. 119 Doch ist er jederzeit für ein rechtes Sinn-Bild der Hoffarth / oder eines hoffärtigen Menschen gehalten worden. Wie er dann auch in der Wahrheit den Hochmuth / absonderlich in dem Kleider-Pracht lebhafft vor Augen stellet: dann er ist nicht nur zierlich geschmuckt / und kostbar gekleidet / sondern er hat auch ein grosses Wohlgefallen ob seiner Schönheit / er spreitzet sich / drehet sich / und wendet sich auf allen Seiten vor den Leuthen gegen der Sonnen /damit seine schöne Federen / und Farben alle recht in das Gesicht kommen: er hat eine Freud / wann man ihn besichtiget und lobet / hingegen ein Verdruß /wann man es nicht thut. Eben also macht es ein hoffärtiger Mensch / der in schönen Kleidern pranget /und deßwegen hoch will angesehen seyn / er gehet mit Fleiß den Leuthen unter die Augen / daß er auf den offentlichen Gassen / ja auch in der Kirchen bey volckreichen Versammlungen gesehen und bewunderet werde: er spreitzet / und drehet sich / er beschauet sich / und weiß offt selber nicht / wie er sich gestellen soll / daß alles nett / polit und galant genugsam heraus komme.

Ja wann es bey dem verbliebe / wie es der Pfau macht / gieng es noch ehender hin; dann diser hat zwar ein schönes vielfärbiges Kleid an / aber er nimmt gleichwohl darmit für Lieb / und bleibt darbey das gantze Jahr: Hingegen einer manchen adelichen /und allamodischen / ja auch unadelichen Kleider-Docken ist es nicht genug / daß sie in ihrem so genanntem Reiff-Rock / den sie als wie der Pfau den Schweiff in alle Weite ausbreitet / auf einmahl so vil Farben hat / als wie der Regen-Bogen / sondern sie will alle Monath / ja sie wolte gern alle Wochen /wann sie es vermöchte / was neues / und was anders von Pracht und Mode haben. 120

O Unbild / und Thorheit; daß bißweilen ein liederlicher Maden-Sack / oder ein Schlepp-Sack mit lauter ausländischen / Holl- und Engelländischen / mit Niederländischen Tüchlein / Leinwath / Spitzen und Borden muß überhängt seyn / und hingegen der Altar mit einem groben schlechten Altar-Tuch / und der Priester mit einem abgeschabenen / oder gar zerrissenen Meß-Gewand für lieb nehmen. O unmäßiger und verderblicher Kleider-Pracht / wie weit hast du über Hand genommen / und wie weit wirst du noch ferner anwachsen.

Höre man / was der berühmte Atheniensische Gesätz-Geber Seleicus gesprochen hat: Mulieres aureis ornamentis, atque contextis indumentis, artéque elaboratis, venustantur, quando Scortari, & amatores sibi moliri student. Die Weibs-Bilder / wann sie sich (verstehe über Stands-Gebühr aus Hoffart und Uppigkeit) [483] mit Silber und Gold / und anderen köstlichen gestickten Kleideren ziehren / thun sich öffentlich feil biethen / und anderen zu Dienst zu seyn erklähren.Tertullianus aber macht noch unter zweyen die Wahl / aber ein schlechte Wahl / er sagt / vestium luxus, aut ambitionem sapit, aut prostitutionem: das ist /übermäßiger Kleider-Pracht schmeckt nach der Hoffarth / oder nach Geilheit.

Als Christus an dem Palm-Tag auf dem Esel zu Jerusalem wolte einreiten / da haben die Apostel Ehrenhalber ihre Kleider / ihre äussere Röck darauf gelegt: der gütige Heyland hat es auch angenommen / und ist darauf gesessen: Aber wann heutiges Tags das üppige Frauenzimmer seine prächtige Mode-Kleider einem Pferdt / oder Esel solte auflegen / da wurde Christus gewiß nicht darauf sitzen: wohl aber einem anderen Reuter möchten dise Sättel und Schabraquen gantz anständig seyn. Wisset ihr was für einem? Ich darff es nicht sagen: sondern ich will nur verzehlen / was ein ander fürtrefflicher Mann gesagt / und geschrieben hat. Es hat sich einstens zu Mayntz bey einer volckreichen Versammlung in der Kirchen begeben / daß ein frommer Geistlicher mit leiblichen Augen gesehen hat / wie daß auf dem langen Schweiff an dem Rock nach damahliger Mode eines adelichen Frauenzimmers viel Teuffel in Gestalt der Ratzen und jungen Möhrlein frolockend herum gesprungen seynd / und getantzet haben: Er hat auch durch das Gebett von GOTT erhalten / daß jederman / wer in der Kirchen anwesend ware / selbes zum Schröcken und Exempel gesehen hat. O es ist wohl zu fürchten / und zu glauben / daß auch jetziger Zeit auf ein oder anderem Reiff-Rock der Teuffel Ball halte / oder bißweilen einen Tantz anstelle etc.

Man liset zwar von unterschidlichen Heiligen / als von Francisco de Paula: Raymundo de Peniafort, und anderen mehr / daß sie in Ermanglung eines Schiffs ihren Mantel auf das Meer / oder einen Fluß haben ausgebreitet / und glücklich darauf hinüber gefahren seyen. Aber wann ein manches hoffärtiges und üppiges Weibs-Bild (ich sage hoffärtig- und üppiges /ehrbar- und ehrsames Frauen-Zimmer aus zu nehmen) seinen Reiff-Rock / Manteau, oder Courset und dergleichen Gaugel-Werrck auf dem Wasser solte ausbreiten / glaube ich nicht / daß sie hinüber / sondern abwerts fahren wurde / gleichwie gefahren ist jene adeliche Fräule zu Spoleto / einer Stadt in Welschland / welche dem eitlen Kleider-Pracht unmäßig ergeben / und ein ausgemachte Modinerin ware: Dise als sie schwerlich erkrancket / und ihr der Medicus das Leben abgesprochen hatte / begehrte inständig /man soll ihr zur Letze noch einmahl ihre schönste Kleider / und den besten Geschmuck anlegen. 121 Man wolte lang nicht daran / und bemühete sich dises thorrechte Begehren ihr auszureden / und vilmehr für ihr arme Seel Sorg zu tragen / und zu einem seeligen End sich zu bereiten. Aber es halff nichts darfür / sie wolte nicht nachlassen / biß endlich ihr Frau Mutter (die vorhin nicht vil Nutz ware / und die Tochter zu aller Hoffart gezogen hatte) darein verwilliget hat. Als nun die sterbende Fräule Tochter auf das stattlichste ausgeschmückt / und gekleidet ware / als wann sie zu einer Hochzeit / und nicht zum Todten-Tantz beruffen wäre / da spreitzte sie sich / so gut sie noch immer kunte / und sahe sich um / als wie ein hoffärtiger Pfau / bedaurete aber an Statt ihrer Sünden nichts mehrers /als daß sie jetzund dises alles verlassen müsse, und bald darauf brache sie gantz verzweiflet in grausame Lästerungen aus / und fuhre also gar stattlich aufgebutzet / und zierlich auf die Mode gekleidet / der Höllen zu.

An diser Unglückseeligen ist erfüllet worden / und wird an all denjenigen hoffärtigen Mode-Docken /und Pracht-Hansen / die solchem Laster ergeben seynd / erfüllet / was geschrieben stehet: Induit maledictionem, sicut vestimentum: Er oder Sie hat samt dem prächtigen / und die Stands-Gebühr [484] weit übertreffenden Kleideren auch den Fluch angethan / oder angezogen: Und zwar öffters den zeitlichen und ewigen Fluch.

Unterdessen aber ist es so weit kommen / daß der übermäßige Kleider-Pracht so wohl bey den Männern / als Weibs-Persohnen kein Sünd mehr / sondern ein jetzige Modi, ein jetziger Gebrauch genennet wird.

Treflich wohl hat sich gehalten / und verantwortet ein vornehmer / und bestens erfahrnerModi-Schneider / welcher als ihn ein gar heickliche /und hochtragende Dame beschicket hatte / und begehrt / er soll ihr ein Kleid etwas rechts schönes / von einer recht neuen Modi verfertigen / da zeigt er ihr unterschiedliche Schnitt / oder Modell schöner Kleideren vor / sie solle nur nach Belieben erwehlen / aber es war ihr alles nicht recht / alles zuschlecht / ob dann er nichts anders / und nichts neuers wisse / sagt sie mit Unwillen / sie habe diese und jene Tracht schon bey anderen gesehen / dises verdrosse den guten Meister nicht unbillich / er hat also die Dam zum Fenster geführt / und ihr grad über die Gassen hinüber mit dem Finger auf einen Schreiner oder Tischler gezeigt /der eben für ein abgestorbenen Mensch ein Todten-Bahr verfertigte / und sagte / da dieser Bretter-Schneider wird der gnädigen Frauen / weil ich ihr doch nicht kan recht thun / schon bald ein rechtes Gewand anmessen / und aus 4 Bretter zusammen leimen / welches ihr so wohl wird anliegen / daß sie gewiß nichts darwider sagen können. 122 Wohl geredt: solche Schneider hätte man öffters vonnöthen / welche die üppige und eitle Welt-Menschen des baldigen Sterbens erinnerten / und auf die schandliche Füß ihres kothigen Ursprungs / oder Herkommens deutteten / so wurden sie bessere Gedancken fassen / und als wie der Pfau / wann er auf seine schandliche Füß schauet /den prächtigen Schweif einziehen / und die Federn des Hochmuths sincken lassen.

Wann aber einer delicaten Damen der gemeldte Bretter-Schneider zu rauh / und ungehoblet wäre / so höre / und sehe sie gleichwohl / was der heilige Apostel Paulus den edlen Frauen für ein Kleid anmesse.Mulieres in habitu ornato cum verecundia & sobrietate. 123 Die Weibs-Bilder sollen sich in zierlicher Kleidung mit Schamhafftigkeit und Zucht schmucken: schön oder sauber läst er zu / aber mäßig und ehrbar.Sed non in tortis crinibus, non auro, aut margaritis, vel veste pretiosâ etc. Setzt er weiters hinzu / nicht aber mit falschen gekräusten Haaren / mit Gold / und Perlein / mit gar köstlichem Zeug. Es sey dann / da eine von gar Hoch-Adelichem oder Fürstlichem Stand wäre. Eben dergleichen Schnitt zu einem neuen Kleid weiset der heilige Thomas von Aquin dem Frauen-Zimmer vor / indem er sagt: Moderatus ornatus non prohibetur mulieribus, sed superfluus, inverecundus & impudicus. Ein ehrbare / und Stand-mäßige Kleider-Zierd / oder Aufputz ist den Fauen-Bildern nicht verbotten / sondern ein übermäßiger Pracht / ein unehrbare leichtfertige Kleidung.

Bey dem Beschluß dieser Materi fallt mir noch bey / was ich für ein Antwort bekommen würde / wann ich die Liebhaber / und Liebhaberinnen kostbarer Kleider fragen solte / ob sie auch wissen / oder jemahl gedencken / woher die Kleider kommen? von dem Schneider / und aus dem Kauf-Laden / wurde es vielleicht heissen. 124 Ja daß ist mir nicht genug / ich frage weiters / woher haben sie diese? Antwort aus Holland / und Engelland / aus Franckreich und Niederland etc. (die teutsche laßt man nicht vil gelten) daß ist schon recht / aber noch nicht genung. Aus was oder von wem kommen die Kleider ursprünglich her? Antwort / die Zeug und Tücher werden gemacht aus der Woll / und von den Haaren unterschiedlicher Thieren / auch von Seiden-Würmen etc. das Peltzwerck aber von Fuchs-Belgen / Mader-Bälgen etc. Also recht / jetzund hab ich / was ich hab haben wollen: also traget ihr / und pranget in denjenigen Dingen / welche die unvernünfftige / ja auch unfläthige [485] Thier schon längst vor euch genug getragen haben. Das Schaaf / oder die Geiß etc. hat nicht gepranget in der Woll / oder in den Haaren / der Mensch aber pranget darin.

Aber jetzt laßt uns weiters fragen / warum / oder zu was Ziel und End die Kleider erfunden / und angesehen seyen? Man wird mir sagen müssen / den Leib zu bedecken / und zu ziehren / vor Hitz und Kälte / vor Wind und Regen sich zu beschützen. Widerum gantz recht: Also kommt der Gebrauch und die Nothdurfft der Kleider von der Sünd her; Dann wann der Adam nicht gesündiget hätte / und wir in dem Paradeiß in dem Stand der Unschuld verblieben wären / da wäre kein unehrbare Blösse des Leibs gewesen / kein Hitz noch Kälte / kein Regen noch Schnee etc. und folgends auch keine Kleider vonnöthen. Nun ist es erwiesen / die Kleider kommen von den unvernünfftigen Thieren / deren Gebrauch und Nothdurfft aber ist wegen der begangenen Sünd: Und schlüßlich folget /daß in / oder wegen schönen Kleideren prangen / eben so vil seye / als wann ein Dieb mit dem Strick an dem Hals prangen thät / der ihm von dem Richter zu tragen ist befohlen worden / zum Zeichen und Angedencken / daß er den Galgen verschuldet habe. 125

Ja es ist aber / möchte einer sagen / ein gar schöner seydener Strick / ein mit Silber- und Gold-Fäden durchzogener Strick etc. Ligt nichts daran / es ist halt gleichwohl ein Strick / und zeiget an / daß der / so ihn am Hals tragen muß / ein Dieb / und des Galgens schuldig seye. Eben also / es mögen die Kleider so schön / und kostbar seyn / als sie immer wolten / so seynd sie doch allzeit ein Anzeigen / daß wir gesündiget haben / und den Todt / und zwar den ewigen Todt verschuldet. Es hat auch die göttliche Fürsichtigkeit es also verordnet / daß wir mit der Woll / Haar / und Häuten der unvernünfftigen Thieren uns bekleiden müssen / uns dardurch zu erinneren / daß / so offt wir sündigen / viehisch und unvernünfftig handlen.


Uber diß / so ist es bekandt / daß wann man eines grossen Fürsten oder Königs Bagage über Feld führet / und solche kostbare Waaren von den Maul-Thieren /oder Maul-Eseln getragen werden / oder wann dise lang-ohrete Thier bey einem prächtigen Einzug gebraucht werden / da thut man selbe stattlich ziehren und ausstaffiren / mit scharlackenen / und bordirten Decken belegen / mit silbernen / oder vergulten Zäumen versehen etc. Aber sie seynd und bleiben gleich wohl nichts anders / als unverständige Esel: und was sie am Leib tragen / gehört nicht ihnen / wann sie in den Stall kommen / nimmt man ihnen alles wieder hinweg / und legt ihnen ein gemeine schlechte Decken auf. Also auch / wann schon der Mensch in Sammet und Seiden gekleidet ist / wann er schon mit Silber und Gold überhenget ist / so ist und bleibt er halt gleichwohl ein armer / und armseeliger / ein sterblich-und sündiger Mensch / der villeicht über wenig Täg /oder Wochen von Würmen / und mit Eyter wird umgeben seyn. Auch was er an hat / bleibt ihm nicht / es ist nur geliehen / der Todt nimmt alles weg. Nun gehe hin du üppiger / und eiteler Welt-Mensch / stoltzire /und prange mit frembd-gefärbten Federen / oder kostbaren Kleideren / als wie ein hoffärtiger Pfau.

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Fußnoten

1 Die Nachtigall ist wegen der Stimm berühmt und beliebt.

2 Gottseelig- und andächtige Seelen seynd sittliche Nachtigallen.

3 Psal. 118. v. 62. & 164.

4 Job. c. 1. v. 21. etc. 2. v. 10.

5 Maria ist ein himmlische Nachtigall.

6 Kinder und Elteren / was sie von der Nachtigall zu lernen haben.

7 Christliche Prediger mit der Nachtigall verglichen.

8 Sittliches Fabel-Gedicht.

Der einen unverständigen Richter bekommt / ist unglückseelig.

9 Der Canari-Vögel Beschaffenheit.

10 Canari-Vögel seynd natürliche Musicanten.

11 Der Distel-Vogel was Guts von ihm zulernen?

12 Der Zeißlein gute Eigenschafften mit sittlicher Application derselben.

13 Matth. c. 5. v. 40.

14 In vita.

15 Matth. c. 6. v. 1. & 3.

16 Der Fincken Beschaffenheit.

17 Die Meiß ist ein fürwitziges Vögelein.

18 Des Zauschlupfferleins Eigenschafften und dero Bedeutung.

19 Gedicht.

Klugheit ersetzt die Kräften.

20 Des Schwalben Natur und Eigenschafften.

21 Dreyerley Schwalben.

22 Fernere Eigenschafften mit sittlicher Application.

23 Lib. 3. c. 24.

24 Austheilende Gerechtigkeit lehren die Schwalben.

25 Act. c. 4. v. 35.

26 Sorg und Fleiß der Schwalben gegen den Jungen lehret die Auferziehung der Kinder.

27 Gottseelig und geistreiche Männer seynd den Schwalben gleich.

28 Unnütze Plauderer und Schwätzer werden dē Schwalben verglichen und gestrafft.

29 Proverb. c. 10. v. 19.

30 Tob. c. 2. v. 11.

31 Der Spatz ist ein listig- und diebischer Vogel.

32 Geschicht.

33 Diodor. Siculus lib. 4. c. 3.

34 Fürsichtigkeit und brüderliche Lieb ist von den Spatzen zuerlernen.

35 Levit. c. 14. v. 4.

Luc. c. 12. v. 6.

36 Math. c. 10. v. 29.

37 Die Gerechte werden durch die Spatzen verstanden.

Psal. 83. v. 4.

38 Joan. c. 14. v. 2.

39 Des Lerchen Art und Eigenschafft.

40 Die Lerchen lehren das Lob GOttes singen.

41 Eccli. c. 15. v. 9.

42 Psal. 142. v. 11.

43 Vil merckwürdige Eigenschafften der Amslen / mit sittlicher Application derselben.

44 Unbehutsame Ubereilung ist schädlich in politischen und militarischen Sachen.

45 Mit Klugheit wird mehr als mit den Waffen ausgericht.

46 Lib. 3. ode 4.

47 Lib. 5. de Hist. animal. c. 15.

48 Gedicht.

49 Wer leicht glaubt / wird leicht betrogen.

50 Der Staar ist ein curioser und gelerniger Vogel.

51 Geschicht.

52 Böse Gesellschaft ist gefährlich.

53 Art und Beschaffenheit der Wachtlen.

54 Num. c. 11. à v. 31.

55 Was von den Wachtlen Gutes zu erlernen.

56 Exempel der Niederträchtigkeit.

57 Nachstellung des bösen Feinds mit dem Wachtlen-Fang verglichen.

58 Jerem. c. 5. v. 26.

59 Proverb. c. 5. v. 22.

60 Des Rebhuns Natur und Eigenschafft.

61 Jere. c. 17. v. 11.

62 Wucherer oder Geitzhälß arbeiten umsonst.

63 Arglistigkeit der Rebhüner.

64 Wie der Schnepf beschaffen / und was er bedeute.

65 Die Taub ist ein edler und sehr berühmter Vogel.

66 Gen. c. 8. v. 11.

Levit. c. 5. & 12. etc.

67 Luc. c. 3. v. 22.

68 Vil herrliche Eigenschafften der Tauben.

69 Reine unschuldige Seelen mit den Tauben verglichen.

70 Cant. 2. v. 13.

71 Psal. 154. v. 7.

72 Die Ehe-Leuth haben von den Tauben Gutes zu erlernen.

73 Durch die Tauben wird bald Gutes Böses angestifftet.

74 Tauben geben fliegende Botten ab.

75 Gen. c. 8.

76 Christus und Maria mit der Noëtischen Tauben verglichen.

77 Cant. c. 6. v. 8.

78 GOtt hat durch die Tauben vil Wunder gewirket.

79 Geschichten.

80 Politische Tauben seynd die König- und Fürstliche Friedens-Gesandte.

81 Esther. c. 8. v. 16.

82 Joan. c. 14. v. 17.

83 Schlimme politische Tauben.

Oseæ. c. 7. v. 11.

84 Sittliches Fabel-Gedicht.

85 ad Rom. c. 11. v. 20.

86 Luc. c. 14.

87 Die Henn ist ein gar nutzliches Thier.

88 Fürtreffliche Eigenschafften der Henen auf Christum den HErren ausgedeutet.

89 Matth. c. 23. v. 37

90 Matth. c. 11. v. 28.

91 Psalm. 16. v. 8.

92 Psalm. 56. v. 2.

93 Luc. c. 21. v. 34 & 36.

94 1. Petr. c. 5.

95 Ad Ephes. c. 5. v. 15.

96 1. Cor. c. 4.

97 Psal. 49. v. 15.

98 Psal. 144. v. 18.

99 Geschicht.

Plinius lib. 5. Nat. hist. c. 3.

100 Maria wird mit einer Hennen verglichen.

101 Part. 9. Marial. serm. 2.

102 Nutzbarkeit und Hochschätzung der Hennen-Eyer.

103 Das Wort GOttes wird mit einem Hennen-Ey verglichen.

104 Matth. c. 11. v. 3.

105 Hochschätzung des Wort GOttes.

106 Das Eyer-Ausbrüten ist unterschiedlich.

Geschicht.

107 Das Wort GOttes soll Frucht bringen.

Jacob. c. 1. v. 22.

108 Sittliches Fabel-Gedicht.

109 Eitele Concept und Vorhaben schlagen sehl.

110 Unterschiedliche Hanen.

111 Schön und herrliche Vögel.

112 Des Hahnen fürtreffliche Eigenschaften / mit sittlicher / Application derselben.

113 Hertzhafftigkeit des Hahnen stellet einen tapfferen Soldaten vor.

114 Zaghaffte Soldaten werden gescholten.

115 Fleiß und Wachtbarkeit der Hahnen unterweiset die Hauß-Vätter.

Job. c. 38. v. 36.

116 Historia.

117 Sittliches Fabel-Gedicht.

Klug- und Behutsamkeit bewahret von der Gefahr.

118 Des Pfauen Gestalt und Beschaffenheit.

119 Der Pfau ist ein Sinnbild der Hoffart.

120 Ubermäßiger Kleider-Pracht wird gestrafft.

121 Geschicht.

122 Ein Schneider mit einer neuen Invention von Kleidern.

123 Ad Tim. c. 2.

124 Frag woher die Kleider kommen.

125 In Kleideren prangen ist ein Thorheit.

VIII. Von etlich Wasser-Vöglen - und noch einigen anderen Vöglen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.

Von dem Schwanen.


Der Schwan Cygnus, oder Olor, ist ohne Strittigkeit der fürnehmste unter den Wasser-Vöglen: er ist ein grosser ansehnlich- und gantz schneeweisser Vogel /den rothen Schnabel / und schwartze Füß ausgenommen / einer Ganß den langen Halß / Schnabel und Füß / auch die Speiß / oder Nahrung belangend ziemlich gleich / doch vil grösser. 1 Er halt sich Tag und Nacht / Sommer und Winter bey denen Wässeren auf (selten tritt er auf die Wiesen / so nahe an dem Wasser / heraus) und nähret sich von dem Kräuter-Graß /und Wurtzlen / die in dem Wasser wachsen: deßwegen seynd sie gern in den moßächtigten sümffigen Teuchen / wo vil Binsen / Rohr / langes Graß / und See-Blumen wachsen / in den Schloß- und Stadt-Gräben / wo mans zum Lust / oder Zierd unterhaltet / und zahm machet durch Abbrechung eines vorderen Glieds an den Flügeln / damit sie blieben. Fisch essen sie keine / ob wohl sie auch in öffentlichen Seen und fliessenden Wässeren unter den Fischen wohnen. In dem Sommer ist ohnnöthig sie zu fütteren: aber im Winter / wann alles zugefrohren wäre / muß man ihnen wohl ein stuck Eiß aufhauen / und etwann ein Haber / oder Gersten hinein werffen: oder aber sie heraus nehmen / und wie die Gänß im Stall überwintern.

Der Schwan hat einen schlechten Flug / aber im Schwimmen ist er desto geschickter / und so schnell /daß ihm ein Mensch auf dem Land kaum gleich lauffen kan. Seine Stärcke hat er in den Flüglen / mit welchen er einem ein Gutes versetzen kan / wann man ihn zornig macht / und pfeifft alsdann einen an / als wie ein Ganß / wann sie böß ist.

Es ist ein glaubwürdiger Wohn / daß man das Schwimmen und Schiffahren von dem Schwanen ersehen / und gelernt habe. 2 Er præsentirt auch / und stellet vor ein Schif mit all seiner Zugehör / wie Aldrovandus anmercket: Sein Halß / und Brust zeiget an den forderen und zugespitzten Theil eines Schifs / der Bauch aber / und übrige Leib / und Schweif / die andere Theil des Schifs: von seinen Flüglen [487] hat man die Segel / und von den Füssen die Ruder machen lernen; mit dem einen Fuß thut er gleichsam ruderen / wann er schwimmt / den andern aber streckt er aus / wendet ihn unterschiedlich / und dirigiret / oder leitet den gantzen Leib darmit / als wie der Schif-Mann das Schif mit dem Steur-Ruder. Ob die Schwanen singen /oder nicht singen / ist ein grosser Streit unter denScribenten. 3 Vil alte / und fürnehme Naturalisten /Philosophi, und Poëten / als Socrates, Aristoteles, Philostratus, Oppianus, Ovidius, Martialis behaubten / der Schwan habe ein schöne Stimm / und singe lieblich am Morgen in der Frühe / sonderlich aber /wann er nahe bey dem Tod seye / und sterben soll: dann damahls sagen einige / wann der Schwan alt ist /wird ihm der Halß eng / und gehet ein / mithin wann die Spiritus durch den engen Halß herauß dringen /gibt es ein liebliche Stimm / oder ein annehmliches Gesang ab (villeicht wurde es besser ein Seufzen /oder Keuchen / als ein Singen genent / wie es bey den engbrüstigen Menschen zugeschehen pflegt) andere hingegen nicht wenigere / unter welchen Plinius, Athæneus, Lucianus, Alex. Myndius, Scaliger etc. laugnen es durchaus / und sagen / der Schwan habe gar ein schlechte Stimm / ja ein schandliches Geschrey. Der Author Oeconomiæ Rural. & Domest. f. 485. sagt / er habe an Orthen / wo es vil zahme Schwanen gibt / bey den Leuthen / so zu ihrer Abwarth bestelt seynd / fleissig nachgefragt / es habe aber ihme keiner können sagen / daß er jemahl einen sterbenden Schwanen habe singen hören: hingegen schreibt Henricus Ranzhovius ein Königlicher Stadthalter aus Dennemarck / er habe selbst einen Schwanen lieblich singen hören / welcher bald darauf gestorben sey. Æliandus, und Aldrovandus Tom. 3. l. 119. c. 1. halten sich indifferent, wollen für gewiß nicht ja / und nicht nein sagen. Nun mag der geneigte Leser biß zur eigenen Erfahrung hiervon glauben was ihm beliebt.

Ubrigens nisten und brüten die Schwanen nach Arth der anderen Wasser-Vöglen / in Binsen / Röhren / oder Gesträuß / ihre Federen seynd gar weich / und geben stattliche Better / aber für führnehme Herren /die grosse aber in den Flüglen taugen zum Schreiben /ihr Fleisch aber ist grob / hart zuessen / und die Haut gantz schwartz: deßwegen stellen sie füglich einen falschen Gleißner für / der innen gantz anderst beschaffen ist, als ausserhalb / aussen weiß / und innen schwartz etc. Es werden aber die Schwanen sehr alt /und sie können gar vil Jahr lang leben: einige wollen von 100 Jahren sagen.

Der Schwan / theils wegen seiner schneeweissen Farb / theis weilen er immerdar in dem Wasser sich aufhalt / und nie mit dem Koth der Erden bemacklet /wird billich vor einen Entwurff / oder Sinn-Bild der Reinigkeit / oder einer reinen unschuldigen Seel gehalten / welche gantz unbefleckt ist von dem Koth der Sünden / und irrdischen Anmuthungen. 4 Dieses ist bedütten worden durch die schneeweisse Farb der Kleidern Christi / bey der Verklärung auf dem BergThabor, und den 2. Englen bey dem Grab gleich nach der Auferstehung des HErren etc.

Wann schon der Schwan in einem Fischreichen Wasser umschwimmt mitten unter den Fischen / so nimmt er sich doch nichts derselben an / er setzt ihnen nicht nach / er fangt und verzehrt keinen / sondern last sie frey umschwimmen: ja wann man ihm ein Brod zur Speiß hinein wirfft / da laßt er sie mit essen / und widersetzt sich ihnen im geringsten nicht / er ist nicht geitzig / nicht unfriedlich / und nicht eigennutzig. Also der Gerechte / und Unschuldige / wann er schon in dem Gewässer des zeitlichen Lebens dieser Welt unter den Reichthum / Ehren und Wollüsten / oder aber unter denen Sünderen sich aufhaltet / so nimmt er sich doch nicht um sie an / er achtet ihrer nicht jenen / nemlich der Reichthumben etc. thut der Gerechte und Unschuldige nicht nachjagen / oder nachtrachten / er fangt sie nicht auf / und verschlucket[488] keine / so wenig als der Schwan die Fisch: dise aber die Sünder / oder sonst Bedürfftige / thut er nicht verfolgen oder anfechten / sondern vilmehr sich mitleidig und freygebig gegen ihnen zeigen / er laßt sie mit ihme essen / das ist / er theilt ihnen mit von seinem Haab und Guth (wann es die Umständ zulassen) und macht sie seiner Verdiensten theilhafftig.


Der Schwan ist ein dauerhaffter Vogel / er muß vil erdulden und ausstehen / im Sommer und Winter /bey Tag und Nacht / bey Hitz und Kälte / Regen /Hagel / er bleibt allzeit unter dem freyen Himmel / er fliehet nicht / und verbirgt sich nicht / als wie etwann andere Vögel. Eben also ein unschuldiges / und reines Gewissen dauret fest / und bleibt beständig zu allen Zeiten / und in allen Begebenheiten / so wohl in dem Winter über den Tag und bey der Nacht des Leid- und Schmertzens / als in dem Sommer des Trosts und der Freuden; es übertragt gleichmüthig alles Ungewitter der Trübsal und Verfolgung / und sucht kein Schutz und Schirm bey der Welt / bey dem Menschen / sondern es bleibt unter dem Schutz des Himmels allein.


Wann es aber deme also ist / daß die Schwanen lieblich singen vor ihrem Tod: woher es immer kommen mag: so bedeutten sie einen Unschuldigen und Gerechten in seinem Sterben / dann da hat sich ein solcher billich zu erfreuen / und Ursach vor Freuden zu singen / wo nicht mit dem Mund / doch mit dem Hertzen. 5 Quia prætiosa in conspectu Domini mors sanctorum ejus. Weilen der Tod der Gerechten kostbar / und angenehm ist in dem Angesicht des HErren /und weilen ihm der Tod ein End aller Mühseeligkeit /und Gefahren / hingegen ein Anfang und Eingang der Glückseeligkeit / und zu der Belohnung. Solche im Sterben singende Schwanen seynd gewesen / und seynd annoch alle getreue Liebhaber / oder Diener /und Dienerinnen Christi / welche mit gröstem Verlangen / und Hertzens-Trost das zeitliche Leben beschliessen und zu dem Ewigen eingehen.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von der Ganß.

Die gemeinste / und bey uns bekanteste Wasser-Vögel seynd die Gänß und Enten. 6 Es gibt zwar derselben vil unterschiedliche Art- und Gattungen /absonderlich der wilden Enten.

Die Gänß werden hauptsächlich abgetheilt in zahme und wilde: diese wiederum in grosse und kleine / die sich bey den Seen und Flüssen häuffig aufhalten / in dem Herbst hinweg fliegen / und im Frühling wieder kommen. Die so genante Leffel-Gänß /Schnee-Gänß / diese seynd klein und weiß / flliegen hoch / und lassen sich sehen / wann der Schnee falt etc. Die wilde Gänß gehören zu dem Waid-Werck /oder Vogel-Fang / die zahme aber zu der Haußhaltung. Doch lassen sich die wilde auch gewöhnen / daß sie sich zu den zahmen gesellen / mit ihnen gehen /oder einfliegen.

Die zahme / oder Hauß-Gänß seyn sehr nützlich /sie dienen dem Menschen auf unterschiedliche Weiß /sowohl wann sie leben als wann sie tod seynd mit dem Fleisch / mit dem Schmaltz / mit den Federen /Eyeren / und jungen Gänßlein / doch die weisse besser als die graue. Ja wann man nichts betrachten wolte als den Nutzen / so man aus den Schreib-Federn ihrer Flügel hat / so wäre vil hiervon zusagen: (ob wohl diese / nachdem sie von der Hand des Schreibers geführt werden / auch in die Weite einem vil schaden /oder nutzen können) mit den kleinen Federen aber dienen sie dem Menschen zur Ruhe / indeme sie zu Nachts in den Betteren / die von der täglichen Arbeit ermattete Glieder erquicken / und einen sanfften Schlaf verursachen. 7 Mit den grossen Federen dienen sie den Gelehrten ein manches schönes Concept, oder nutzliche Lehr zu Papier zubringen / und der Nach-Welt zuhinterlassen. Die Ganß [489] ist ein schöner grosser und ansehnlicher Vogel / auch hertzhafft / also daß sie sich auch wider den Adler / und den Menschen selbst / zu Beschützung ihrer Jungen / setzen und wehren darff. Die Gänß sind von Natur mit einem sehr scharffen Geruch / und Gehör begabt / also daß sie die Menschen / oder ein Thier auch in der finsteren Nacht / und in der Stille besser und bälder verspühren / als die Hund / dann sie schlaffen wenig / und sobald sich nur etwas rührt / seynd sie gleich munter / machen ein Geschrey / und wecken alles auf / mithin stehen sie nicht nur für sich selbsten allzeit auf guter Huth / beobachten / und fliehen alle Gefahr von weitem / sondern sie dienen auch dem gantzen Hauß für fleißige getreue Nacht-Wächter / und zwar zu Zeiten besser als die Hund. 8

Dieses hat sich in einer sehr wichtigen Begebenheit erwiesen / als einstens die Fantzosen das Capitolium, das Haupt-Schloß zu Rom bey nächtlicher Weil überfallen / und einnehmen wolten / auch schon nahe an die Mauren kommen waren / und selbe bereits übersteigen wolten / da waren die Wachten der Römer eingeschlaffen / und merckten nichts von dem anruckenden Feind: auch die Hund haben geschlaffen / und keiner gebellt / die Gänß hingegen waren alsobald wachtbar / sie vermerckten gleich / daß etwas Fremdes da seye / und machten ein grosses Geschrey /durch welches sie zugleich den Feind verrathen / und die Römische Soldaten vom Schlaff haben aufgeweckt / welche dann alsobald zum Gewehr gegriffen / und den Feind wiederum abgetrieben haben. 9 Auf solche Weiß ist das Capitolium durch die Gänß von der Einnam erhalten worden / es seynd auch deßwegen die Gänß lange Zeit bey den Römern in Ehren gehalten /und hochgeschätzt worden. Billicher massen sollen die Menschen / absonderlich die Prediger / und Seelsorger der Wachtsamkeit der Gänsen nachfolgen / und sich in keinen tieffen Schlaf / oder Fahrläßigkeit einlassen: daß der höllische Feind das ihnen anvertraute Schloß / das ist / die menschliche Seel nit überwältigen und einnehmen möge. Sie sollen nicht nur für sich selber wachen / sondern auch mit ihrem Predigen und Zusprechen alle / die in dem Hauß GOttes wohnen /das ist / in der Catholischen Kirchen sich befinden /von dem Sünden-Schlaf aufwecken / der bevorstehenden Gefahr erinnern / und dem Feind tapfferen Widerstand zu thun / ermahnen: zu diesem End rufft ihnen GOtt durch den Propheten: Clama ne cesses, quasi tuba exalta vocem tuam. 10 Schreye / laß nicht ab /erheb deine Stimm / als wie ein Posaunen. Und wiederum zu dem Ezechiel / du Menschen-Sohn /ich hab dich dem Hauß Israel zum Wächter bestelt. etc. 11

Ferners bestehet die Behutsamkeit der Gänsen in deme / daß sie gar wohl aus Antrieb der Natur wissen zu unterscheiden / was ihnen gut und gesund / oder hingegen schädlich ist: jenem trachten sie nach / und vor diesem hüten sie sich fleißig / sie seynd hitzig /haben ein hitzigen Magen / und deßwegen gehen sie gern zum öfftern in das Wasser / und essen gerne kühlende Kräuter / als wie Salat und dergleichen. 12 Hingegen Lorbeer-Blätter und Oleander-Kraut wurden sie auch im grösten Hunger nicht essen / und sich nicht darzu zwingen lassen / weilen sie erkennen / daß es ihnen wurde sehr schädlich seyn. Wann sie aber erkrancken / da wissen sie ihnen auch selbst zupflegen /und zuhelffen. Sie werden auch alt.

Abermahl eine schöne Lehr / und Warnung für die Unbehutsame Menschen / als welche offtermahl etwas essen / oder trincken / wann sie schon wissen / daß es ihrer Gesundheit schadet / wann es nur dem Mund wohl schmeckt. Ja offt auch etwas thun / obwohl sie wissen / daß es ihrer Seel und ihrem Gewissen schadet / wann es nur der Sinnlichkeit annehmlich ist /und hingegen um das / was dem Leib und Seel nützlich wäre / sich nicht bewerben. Die Gänß / weil sie hitziger Natur seynd / lieben das Wasser: auch der Mensch ist hitzig wegen seinen [490] bösen Begierden /darum soll er sich öffters zu den heilsamen Wässeren begeben / nemlich ad Fontes Salvatoris, zu den Brünnen des Heyls / das ist / den heiligen Sacramenten / der Beicht und Communion / seine Seel von so schädlicher Hitz zumäßigen / und abzukühlen.


Wann die wilde Gänß hinweg fliegen (in der Marckt bey Hamburg / und Lüneburg / wie ich liese /giebt es deren dem Tausend nach) da fliegen sie nicht unordentlich unter einander dahin / sondern sie halten ihr gewisse Ordnung als wie die Cranich / keine hindert die andere / oder flieget für die andere: Sie haben auch ihren gewissen Führer / dem sie fleißig nachfolgen / und damit sie ihn alle sehen können / fliegen sie in Gestalt eines Triangels. Ja man sagt von ihnen /daß wann sie in der Nacht bey dem Berg Taurus (wo es vil Adler gibt / die ihre gröste Feind seynd) vorbey fliegen / da nehmen sie Steinlein in den Schnabel /damit sie sich nicht vergessen / und mit ihrem gewöhnlichen Geschrey und Schnaderen nit selbst verrathen / wohl erkennend / daß sie sonst nicht wohl schweigen kunten: darum thun sie ihnen selber darfür / daß sie wohl müssen das Silentium halten / und also kommen sie sicher dardurch / daß es die Adler nicht hören / oder mercken. 13 O wie gut und nutzlich wäre es / wann die Menschen / die zu Zeiten ein gar zugeschwätzige Zung / oder böses und bißiges Maul haben / diesen Gänsen nachfolgeten / und auch ein Steinlein in den Mund nehmen / oder schweigen thäten / biß daß sie bey dieser / oder jener gefährlichen Gelegenheit und Streittigkeit vorbey wären / da wurden sie wohl und sicher dardurch kommen / wo sie sonst ungeschlagen / oder ohne Schaden nicht darvon kommen / wann sie nicht schweigen können.


Dieses solten absonderlich die Ehe-Weiber in Obacht nehmen / wann ihre Männer im Rausch / oder im Zorn zu schmählen und zu polderen anfangen / es wäre ein gutes und kräfftiges Mittel für Schläg und Unfriden. Probatum est.

Diese Gänß brauchen auch diese Klugheit / daß wann sie im Herbst von uns wollen hinweg fliegen /da geben sie fleißig auf den Wind Achtung / wann der Mittag-Wind starck wehet / da fliegen sie gegen Mitternacht / und hingegen / wann der Mittternächtige Wind gehet / nehmen sie den Flug gegen Mittag. 14 Gantz recht / und klug; dann wann sie sich dieser Gelegenheit nicht bedienen / und dem Wind wolten entgegen fliegen / wurden sie schwärlich oder gar nicht fortkommen / und ihren Endzweck nicht erreichen: mithin zeigen sie / daß sie dißfals gute Politici seyen /als welche wissen müssen zu temporisiren / den Mantel nach dem Wind zu hengen / in die Zeit sich zu schicken / und die gegenwärtige Gelegenheit nicht zu verstreichen lassen / sondern ihnen zu Nutzen zu machen: nicht aber wider den Wind seglen / das ist / mit Gewalt wollen durchdringen / was sich nicht thun last. Die gute Zeit / und Gelegenheit seynd gleichsam die Hebam / welche den guten Vorsätz / und Anschlägen heraus helffen müssen / damit sie glücklich zur Welt gebohren werden / und ohne welche nichts als ein schandliche Mißgeburth heraus kommt.

Sie seynd gleichsam wie zwey Flügel / mit welchen schon ein mancher guter Politicus auf die Giepfel der Ehren und des Glücks sich aufgeschwungen hat: sie seynd 2. veste Säul oder Stützen / die den politischen Leib des gemeinen Wesens aufrecht erhalten / ohne welche alle wichtige Geschäfft zu Boden ligen / und in seiner ersten Blühe versticken. Zu frühe kommen /und die rechte Zeit und Gelegenheit / aus unzeitigem Eyfer nicht erwarten / oder aber zuspath kommen /und die gute Gelegenheit liederlich versaumen / und fruchtloß lassen vorbeystreichen / ist eines so sträfflich / und schändlich / als das andere. Dum ferrum calet, cudendum est? wann es Eisen glüend ist / muß man schmiden / und mahlen / wann das Wasser laufft. Deswegen ermahnet weißlich der Poët:


[491]

Utere temporibus, præsentibus utere rebus.

Recht brauchen Zeit / und G'legenheit /
Bringt grossen Nutz / und zeigt Klugheit.

Alle Gänß / wilde und Häimische werden unter dieAmphibia gerechnet / das ist / solche Thier / die sowohl in dem Wasser / als auf dem Land sich aufhalten / und nähren können: In dem Wasser essen sie kleine Fischlein und Mieß / oder Kräuter / die im Wasser wachsen: auf dem Land aber Graß / Früchten / und Erd-Gewächs. Sie wissen sich überall zu accommodiren / und ihren Vortheil zu gebrauchen / und Nutzen zu schaffen / in dem Lufft fliegen sie mit den Vöglen /in dem Wasser schwimmen sie mit den Fischen / und auf dem Land gehen sie mit den Menschen / oder anderen Thieren zu Fuß.

Eben also ein Politicus muß sich wissen nach den Leuthen zu richten / und in alles zu schicken / vor-und nachgeben / kein Singularist / oder Exoticus seyn / nicht eigensinnig / seltsam / oder hartneckig / sondern sich der Zeit / dem Orth / und den Leuthen accomodiren / und nach ihnen richten / nach dem Exempel des heiligen Apostels Pauli / der ein guter hocherleuchter Politicus gewesen ist. Flere cum flentibus, gaudere cum gaudentibus etc. mit dem Traurigen traurig / und mit dem Fröhlichen fröhlich seyn / etc. ja allen alles werden / aller Affection und Gemüth zu gewinnen. 15 Anderst muß er umgehen mit den Herren und Edlen / anderst mit dem Burger und Gemeinen /anderst mit den gelehrten / und anderst mit den ungelehrten / anderst mit den jungen / und anderst mit den alten Leuthen etc. Absonderlich soll ein Politicus in fremden Ort und Ländern nicht zu starck an seine gewohnte und heimische Lands-Bräuch / Gewohnheit /und Sitten gebunden seyn / sondern von selben indifferenten Sachen / wo es GOtt und das Gewissen nit antrifft / abstrahiren / und selbe bey Seit legen / wann er vermecket / daß sie nicht anständig / oder beliebt seyn werden. Also wurd es sich zum Exempel sehr übel schicken / wann ein Europäer in America teutsche / oder frantzösische Complimenten machen /oder dergleichen Ceremonien gebrauchen wolte / er wurde gewiß ein schlechte Ehr einlegen / ja vilmehr übel angesehen werden: Dann was in einem Land /oder Reich ein Höflichkeit / und Ehrbeweisung ist /als wie das Haupt abdecken zum Exempel / das wird anderswo für ein Unehr / und Grobheit gehalten. Dises alles gibt der Poët kurtz und gut mit den folgenden Verslein / die einem Politico für ein allgemeine Regul dienen können / zu verstehen.


Si fueris Romæ, Romano vivito more,
Si fueris alibi, vivito sicut ibi.

Er will sagen:


Nach jeder Lands Arth must dich schicken /
Sonst wird dir dein Sach nicht g'lücken.

Hingegen heist es auch bey den Gänsen wie überall / nemo sine crimine vivit, sie haben auch ihre Mängel und Untugenden / dann erstlich seynd sie gar zu geschwätzig / und offt mit ihrem Schnaderen / und Geschrey verdrüßlich / und überlästig. 16 In disem Stuck soll ein Politicus ihnen nicht nachfolgen / es wurde ihm gar übel anstehen: Vil plauderen und leeres Geschwätz macht / daß man einen wenig schätze: Bedachtsam / und nicht zu vil reden / ist das Anzeigen eines guten Gemüts und klugen Verstands / hingegen wo vil unnütze Wort in dem Mund / da ist gemeiniglich wenig Hirn in dem Kopff: Honor & gloria in sermone sensati, lingua vero imprudentis subversio est ipsius, sagt der allvornehmste Politicus, der weiße Salomon: Die Red des Verständigen bringet Ehr und Preiß / aber des Unweisen Zung dienet zum Fall. 17 Man solle sich hüten / daß die Höflich- oder Leutseeligkeit nicht in ein Geschwätzig- und Leichtsinnigkeit degenerire / [492] oder verwandlet werde. Ein Christlicher Politicus solle beschaffen seyn / als wie ein Uhrwerck / in welchem die Rädlein zuvor lang in der Stille sich umweltzen / ehe daß sie durch den öffentlichen Uhrschlag anzeigen / welche Zeit es seye /eben also solle er seine Reden zuvor wohl im Gemüth überlegen / ehe daß er selbe offentlich durch den Mund laßt hervor brechen: und gleichwie die Uhr ohne ordentliches Gewicht der gesunden Vernunfft nicht wohl reden. 3. W muß man allzeit in Obacht nehmen / damit man recht rede / ich will sagen / wo /was und wann man rede / soll man fleißig achtung geben. Die Gänß auch zu Zeiten zimlich Schaden in den Gärten und Feldern thun / wann sie gantz Schaar-weiß im Flug darein fallen (die Wilde nemlich) also daß sie in einem halben Tag ein gantzes Korn Feld abfretzen können.

Aber die gröste Untugend an einer Ganß ist / daß sie so ungeschickt / und ungelirnig ist / daß man mit keinem Fleiß / und Mühe sie etwas lernen oder etwas abrichten kan / als wie vil andere Vögel. Sie will nichts fassen / und was sie von Natur nicht hat / das wird sie durch die Kunst gewiß nicht bekommen / es fliegt zwar die Ganß biß übers Meer / und kommt doch ungeschickt wieder her.

Das wäre weit gefehlet bey einem Politico, der in frembde Land reiset etwas Neues zu sehen / zu hören / der muß es ihme zu Nutzen machen / auf daß die Zeit und Kösten nicht vergebens angewendt seyen / er soll überall das Beste daraus klauben / und also mit einem reichen Schatz guter Sitten / Wissenschafft /und Erfahrenheiten versehen nacher Hauß kehren.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von der Enten, und dem Eyß-Vogel.

Was die Enten anbelangt / und zwar die heimische /so kommen selbe in vilem mit den Gänsen übereins /(wie bekant) fürnehmlich / daß sie auch Amphibia seynd / das ist / zu Wasser und Land passiren / doch seynd sie lieber in dem Wasser / als auf der trockenen Erden / theils ihr hitzige Natur ab zu kühlen / theils ihre Nahrung zu suchen. 18 Der wilden Enten giebt es viel unterschiedliche Art und Gattungen / die in der Gestalt grösser / Farb und Eigenschafften ungleich seynd / wie in Doct. Gesners Vogel-Buch à f. 32. zu sehen ist / und noch mehr bey Aldrovando Ortino. lib. 19. c. 24. etc. Die seltzamste Enten mögen wohl seyn diejenige / welche / wie für gewiß berichtet wird / in Schottland / oder Hybernia, in lnsulis Orcadibus auf den Bäumen / die an dem Ufer des Meers stehen /oder anderen Wässeren wachsen.

Es tragen nemlich diese Bäum ein gewisse Frucht /die schier einer Enten gleich sihet: wann nun dise Frucht ab- und ins Wasser fallet / da wird sie lebendig / fangt an zu schwimmen / und ist ein rechte Enten: wann sie aber auf die Erden fallt / und liegen bleibt / da wird nichts daraus / sondern sie verfaulet. Münsterus in Cosmograph. Cardan. etc.

Die Enten seynd nicht so gar nutzlich / als wie die Gänß / sie seynd sehr gefräßig / mögen gantze Frösch / kleine Hechtlein etc. verschlucken / welche zu Zeiten wieder gantz und lebendig von ihnen gehen / und also in die Weyher gebracht werden / wohin man sie sonst nicht eingesetzt hat / wie auch durch das / weil etwan die Enten solchen Fisch-Rogen eingeschlucket / und da wider von sich gelassen haben. Ihr Gewohnheit ist / daß sie gern den Schnabel überall hinein stecken /auch in Laim und Kothlachen / in garstige schleimige Pfizen / und immer darein schnaderen. Zu disem End hat auch die Natur den Gänß und Enten breite Füß /und breite Schnäbel geben / zum Schwimmen nemlich und zum Schnaderen.

Durch dises deuten sie füglich an diejenige / welche den unreinen Gelüsten nachgehen / und ihr Freud suchen in lauter irrdischen Dingen / ob welcher einer reinen Seel / und ehrlichem [493] Gemüth vil mehr grausen solte. 19 Ein sondere Art der Enten ist / Mergus, oderMergulus, Tauch-Entlein genannt / die sich zum öfftern gantz unter das Wasser tauchen / und den kleinen Fischlein nach schnappen.

Eben also machen es die geitzige / sinnliche / wollüstige Menschen / die sich in die zeitliche Güter /und Wollüsten gäntzlich versencken und vertieffen /und wo sich immer von denselben was blicken laßt /gantz begierig darnach schnappen.

Jo. Colerus in seiner Oeconomia rurali & domest. f. 598. mahnet / man solle sich hüten beym Essen der Enten-Eyer / es seye gefährlich / sagt er / dann man habe von der Erfahrnuß / daß sie sich zu Zeiten mit den Schlangen vermischen / es seye auch geschehen /daß ein Henn aus Enten-Eyer junge Schlänglein ausgebrütet habe. Es hab sich auch begeben / daß in Mecklenburg Kaufleuth in ein Herberg kommen / wo ihnen die Wirthin Enten-Eyer gesotten und aufgesetzt habe: sie haben es auch geessen / seyen aber am dritten Tag alle darvon gestorben: die Wirthin seye deßwegen gefänglich eingezogen worden / als hätte sie den Leuthen im Essen vergeben: man aber nachmahls erfahren / daß eine Schlange zu den Enten kommen seye / und mit selben zuthun gehabt.

Auch in sittlichem Verstand thun die gemeldte Enten / das ist / die sinnliche wollüstige Menschen vergiffte Eyer / oder Schlänglein ausbrüten / das ist /sie thun böse sündige Werck herfur bringen / zu welchen sie von der Schlangen / und zwar von der höllischen Schlangen veranlaßt werden.

Wann die Enten-Eyer von einer Hennen ausgebrütet worden / und junge Entlein ausgeschloffen seynd /da lauffen sie alsobald dem Wasser zu / wann sie eins ersehen / und schwimmen hinein: die Hennen aber /weil sie nicht schwimmen kan / muß gleichwohl her aus bleiben / und ihnen von weitem mit Unwillen zuschauen / und sich verwunderen / daß ihre Kinder schon schwimmen können / da sie doch selbe es nicht gelernt hat / ja selbst nicht kan: sie rufft ihnen zwar /sie locket ihnen / und vermeint / sie sollen heraus kommen aus dem Wasser / und bey ihr verbleiben /aber nein / sie fragen der Mutter nichts nach / sie folgen ihr nicht / sondern pflegen ihrer Gelegenheit / und gehen ihrem Gelust nach / sie schwimmen / baden /und schnaderen so lang es ihnen beliebt. Nicht besser machen es die böse und untreue Christen / nachdem sie von ihrer allgemeinen geistlichen Mutter der Catholischen Kirchen / sittlicher Weiß durch den heiligen Tauff gebohren seynd / und ein wenig erwachsen /da achten sie offtermahls diese ihr Mutter wenig mehr / sie setzen sie auf die Seiten / und wo sie Wasser der Wollüsten / der zeitlichen Freud / und Eitelkeiten ersehen / da lauffen sie selben gantz begierig zu /schwimmen hinein / vertieffen und versencken sich gantz und gar darein. Die Mutter die Catholische Kirch schreyet ihnen mit Schmertzen zu / sie rufft ihnen / sie locket ihnen durch das Zusprechen der Prediger und Beicht-Vätter etc. Sie sollen wieder heraus kommen / sie sollen die schädliche und unreine Wässer / die stinckende Pfützen der fleischlichen Wollüst und eitlen Welt-Freuden verlassen etc. aber sie geben ihr offt kein Gehör / sondern sie lassen sie ruffen / sie pflegen ihrer Gelegenheit und ihrer Gelüsten.

Ja die natürliche Enten seynd noch weit gelückseeliger / als diese sittliche / dann jene seynd sicher / daß sie nicht untergehen oder ertrincken / sie mögen so lang / und wo sie wollen umbschwimmen: aber diese seynd allzeit in der grösten Gefahr in den Abgrund zu versincken / und auf ewig unterzugehen. Sie müssen sich manchesmahl mit den Worten des Davids beklagen / und sagen / Infixus sum in limo profundi, & non est substantia etc. Ich bin versuncken in tieffen Schleim / da kein Grund ist: ich bin in tieffe Wässer kommen / und das Ungewitter des göttlichen Zorns hat mich überfallen / und ertränckt.

Aber in diesem Stück seynd die Enten wohl zu imitiren / daß sie sich geschickt und vortheilhafftig wissen wider [494] ihren Feind den Raub-Vogel zu beschützen; dann wann er ihnen nachsetzet / und auf sie stossen will / da ducken sie sich augenblicklich gantz unter das Wasser / und mit ihren breiten Füssen schlagen /oder spritzen sie so lang und vil Wasser gegen den Raub-Vogel hinauf ihm in die Augen / biß daß er von ihnen abweicht / oder sie machen ihn zu Zeiten so naß / daß er die Flügel nicht mehr brauchen kan / und selber in das Wasser fallt / und vertrincket. Auf solchen Schlag sollen auch wir uns / wann uns der höllische Raub-Vogel durch die Versuchung zusetzt / wider ihn beschützen / in das Wasser uns begeben / und durch die Zuflucht in das Gnaden-Meer des Schutz GOttes /und Mariæ gäntzlich versencken.

In dem Königreich China, wie ich liese / verlegen sich an manchen Orth vil Leuth auf nichts anders / als auf die Enten-Zucht / und zwar folgender Gestalt: sie wohnen an dem Meer / und haben ihre eigene Enten-Höf / worinnen sie diese Vögel in grosser Menge züglen und mästen / theils selber zu essen / und theils zuverkauffen. 20 Diese Thierlein aber pflegen sie auf den Trummel-Schlag also abzurichten / daß weilen der Höf / so die Enten haben / gar vil seynd / so hat ein jeder seinen gewissen und sonderbahren Streich: Morgens frühe aber / wann die Sonn aufgeht / da stellen sich die Enten zu ihrem Hauß-Thürlein / sie wären gerne heraus in das Wasser / oder in das Feld / und wann etwann die Hauß-Magd / oder Knecht zu faul seynd / und nicht zu rechter Zeit wollen aufstehen /und sie heraus lassen / da machen die Enten mit ihrem Quecken ein solches Geschrey und Geschnader / daß niemand mehr schlafen kan: sobald aber das Thürlein (dann es seynd wohl etliche 100 beysammen in einem Hof:) eröffnet wird / da dringen und rumplen sie Schaaren-weiß hinaus von dem Enten-Stall / ein jede will die Erste seyn / bald hernach wird man auf dem Meer die Enten 1000 weiß herum schwimmen sehen /und weil es täglich zu gewissen Stunden ablaufft / so ist auf etlich Meil Weegs nichts als lauter Letten /Koth / und allerley grünes Wesen von Wasser-Gewächs zusehen / da schnaderen und schnabelen die Enten darin herum / und finden häuffige Nahrung. Wann es nun Abend worden / und Zeit ist / daß die Enten sollen wieder heim gehen / da rührt man von einem jeden Hof die Trummel / und gibt ihnen ein gewisses Zeichen zum Remarch: die Enten mercken fleißig auf / sie kennen ihr gewisses Zeichen / und kommen richtig heim / keine verfehlt ihren Hof.

Das ist gewiß ein feine Ordnung mit den Enten inChina / zu wünschen wäre / daß auch in einer manchen Haußhaltung in Europa unter den Haußgenossen ein solche gute und richtige Ordnung gehalten wurde / daß die Kinder / und Ehehalten auf gegebenes Zeichen so fruhe hurtig / und munter wären / daß sie so begierig und eyferig in die Kirchen / in die Schul /und zu der Arbeit eileten / als wie die Enten in China zu dem Wasser oder in das Feld: daß sie auch Abends zu rechter Zeit wiederum heim kämen / so wurde es in einem manchen Hauß besser stehen / und ein grosser Seegen Gottes zuverspühren seyn. 21 Noch wunderlicher ist / was sich vor Zeiten in Britannien / unfern der Stadt Redon zugetragen hat: dann da pflegte jährlich in dem Christ-Monath an dem Fest des heiligenNicolai, eben da man die Vesper oder das Amt der heiligen Meß hielte / ein Enten 13. Junge bey sich habend / von dem nechst gelegenen See in die Kirchen zu kommen / welche nachdem sie den Altar umgeben / oder umgangen hat (gleichsam als wolt sie zu Opffer gehen) sich wiederum ordentlich mit den Jungen in ihr gewöhnliches Wasser / oder in den See zuruck begeben hat / doch also / daß in der Ruckkehr allzeit ein Entlein weniger ist gesehen worden / als in der Hinkunfft / ohne daß jemand wissen kunte / wohin es kommen seye / wann sich aber einer unterstunde ein Entlein von dieser Trupp aufzufangen / oder hinwegzunehmen / so wurd er plötzlich mit einer schweren Kranckheit [495] gestrafft / oder starbe gar des gähen Tods /also bezeuget Bapt. Campo Fulgosus Gaudentius Merula ind andere mehr.

Was nun die Göttliche Vorsichtigkeit durch diese seltsame Begebenheit habe bedeutten wollen / das ist unbekant / villeicht / wie es mir muthmaßlich scheinet / die Billichkeit / und Schuldigkeit den Kirchen und Gottes-Häuseren den jährlich-gebührenden Zinß und Zehenden richtig zubezahlen.

Der Eiß-Vogel Alcyon, ist ein gar rarer / und seltsamer Wasser-Vogel / welcher wenigen / ja gar schier niemanden recht bekant ist / und deßwegen hart etwas zuverläßiges von ihme zuschreiben / doch auch von diesem wenig etwas zumelden / finde ich / daß sowohl die alte / als neuere Natur-Kündiger und Scribenten / seine Eigenschafft / und Beschaffenheit betreffend / sehr different, oder unterschiedlich gesinnt seynd: wie zu sehen ist bey Aldrovando de avibus Aquat. l. 20. à c. 60. 22 Einige wollen / die Eiß-Vögel befinden sich nicht nur in dem Meer / sondern auch in andern Wässeren / sie beschreiben sie auch mit unterschiedlich schönen Farben vor / als wie teutscher Version Gesnerus in seinem Vogel-Buch fol. 27. welcher zwar aus dem Eiß-Vogel / oder Alegon zweyerley machet.

Andere sagen / daß wahre und rechte Eiß-Vögel nirgends als in dem Meer anzutreffen seyn; und zwar auch da gar selten / und wenig gesehen werden. Wann er ein Schif nur einmahl umflogen habe / da mache er sich gleich wiederum fort / und lasse sich nicht mehr sehen. 23 Das verwunderlichist- und merckwürdigste an dem Eiß-Vogel solle seyn die seltsame Arth zu nisten / und die Eyer auszubrütten / aber wie soll es dann geschehen / auch in diesem Stuck seynd sowohl die Philosophi, als heilige Vätter / so etwas hiervon geschrieben / als Ambrosius, Basilius, Albertus nicht eines Sinns. Etliche sagen / der Eiß-Vogel niste und brüte in dem Wasser / andere an dem Wasser auf dem Ufer / oder in den Stein-Klippen. In disem kommen sie mehrentheils überein / daß der Eiß-Vogel 7. Täg lang umgehe mit dem Nest-machen / und andere 7. Täg mit dem Ausbrütten der Eyer / hernach bringe er 7. andere Täg mit Ernährung / und Auferziehung seiner Jungen zu / biß daß sie selbst fortkommen können / und dieses zwar geschicht alles in dem Winter /wider die Gewohnheit aller anderer Vöglen: zur selben Zeit aber / so lang der Eiß-Vogel mit den Eyern und Jungen umgeht / seye das Meer gantz still und ruhig / es legen sich alle Wind und Wellen / welches den Schiffenden ein sicheres Zeichen der Meer-Stille ist.

Der Eiß-Vogel solle nicht groß seyn / und seine Farb theils Himmelblau / theils grün / und roth /nachdem er sich nach der Sonn wendet / er habe ein ziemlich langen rahnen Schnabel / Plutarchus eignet ihm auch ein schöne Stimm zu. Er wird Avis solitaria, ein einsamer Vogel genennt / weilen er weder zum Menschen / noch andern Vöglen sich gesellet. Sein Nest macht er allein mit seinem Schnabel / und zwar wie man von ihme schreibt / in der Form eines Schifleins / welches von den Wellen nicht mag umgelehnt werden oder ertränckt: glaubwürdig thut er es von kleinen Fisch-Gräten zusammen flechten. 24 Wann er nun dieses verfertiget hat / da hefft er es zu äusserest des Gestatt an / und wann die Wellen daran schlagen / und es bewegen / da thut er es noch mehr befestigen / oder bestättigen. Absonderlich ist das Thürlein / oder der Eingang an dem Nest vortheilhafftig / und verwunderlich gemacht / also nemlich / daß er / der Eiß-Vogel allein darein kommen kan / sonst aber nichts / auch so gar das Wasser nicht eintringen mag: dann wie Albertus sagt / so ist der Eingang mit einer aufschwellender Materi vermacht / (die vielleicht einem Schwammen gleich ist) welche das Loch ausfüllet und doch nachgibt / wann der Vogel aus-oder einschliffen will / indem sie nieder- und das Wasser ausgedruckt wird. O wie wunderlich würcket GOtt in [496] seinen auch geringen Geschöpffen. Wann das Nest ausgemacht ist / da legt er seine Eyer darein / so wollen andere sagen / er lege sie zu äusserst in den Meer-Sand 5. insgemein. So bald der Vogel 4. Monath alt ist / fangt er schon an zu gebähren / und gebähret alle Jahr sein Leben lang: Er liebt auch überaus seinen Mit-Consorten / und verlaßt ihn nicht in dem Alter / sondern wann das Männlein nicht mehr fort kommen kan / da stehet ihme das Weiblein bey auf alle Weiß: wann aber jenes gestorben ist / so trauret dises darum biß in Todt / und gesellet sich zu keinem anderen mehr.

Ein anständige Gleichnus mit disem Vogel aus zu finden / und ein Sitten-Lehr daraus zu ziehen / geduncket er mich freylich einen Menschen an zu deuten / welcher dem beschaulichen Leben ergeben / der Tugend und Vollkommenheit befliessen ist: Dann ein solcher Mensch ist erstlich klein / aber schön / und vielfärbig / als wie der Eiß-Vogel / klein zwar / verstehe in seinen Augen durch die Demuth / schön vilfärbig aber von dem Glantz unterschiedlicher Tugenden / nachdem er von der göttlichen Gnaden-Sonn angeschienen / und erleuchtet wird. Er ist einsam und gern allein / als wie der Eiß-Vogel abgesönderet von der Gesellschafft der Menschen / und von unruhigen Welt-Händlen (so vil es sein Stand und Beruff zulasset) Er muß zwar wohnen in dem ungestümmen Meer diser Welt / dises zeitlichen Lebens / doch thut er dessen ungehindert und ungeacht seine Eyer selber legen / glücklich ausbrüten / und die Junge erzeugen /ich will sagen / gute Vorsätz schöpffen oder empfangen / und selbe glücklich ins Werck setzen durch Fürbringung oder Ubung guter und verdienstlicher Tugend-Wercken: und zwar dises mitten in dem Winter /das ist / zur Zeit der Trübsal und Verfolgung. Ferners zu disem End thut ein tugendsam- oder vollkommener Mensch das sittliche Nest seines Hertzens also zu bereiten / und verwahren / daß die eitle Creaturen in dasselbige nicht mögen eingehen / auch die Wässer der Wollüst / oder sinnlichen Begierden können da nicht eindringen / sondern GOtt alleinig steht es offen: und wann die ungestümme Wellen der Versuchung- und Trübsaalen / an disem Nest / an dem Hertzen anschlagen / da thut er es befestigen / oder bestättigen / wie ein Schifflein / an dem Ancker der Hoffnung und Gedult / also daß es nicht sincken kan /noch umgestürtzet werden etc. Gleichwie auch GOtt als ein Urheber der Natur den Eiß-Vogel in seiner Brut so wunderlich erhalt / und beschützet / daß er seinetwegen das gantze Meer gestillet / und ruhig macht / die Wind / und Wellen ihm zu Gefallen darnider leget / also und noch vil mehr thut er als ein Urheber der Gnad diser sittlichen Eiß-Vöglen tugendsame und vollkommene Seel beschützen / und von allem schädlichen Anfall bewahren.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von dem Kranich.

Der Kranich / Grus auf Lateinisch / ist ein grosser ansehnlicher Vogel / er hat sehr hohe Füß / einen langen Hals und Schnabel / aber einen kurtzen Schweiff: Von der Farb ist er mehrentheils weiß-grau / oder Aschen-farb / doch an der Seiten / oder an den Schwing-Federen / wie auch am Hals / und Kopf etwas schwartz mit einem rothen Fleck an dem Kopf gezeichnet. 25 Die Kranich halten sich gern auf in moßechtig- oder sümpffigen Orten bey den Wässeren / sie gehen auch ins Wasser: Von den Tartaren werden die Kranich hoch geschätzt / sie zehlen deren 5erley Gattungen / und fürnehme Herren stecken ihre Schwing-Federen in Silber oder Gold gefaßt auf ihre Hüt / oder Hauben. Wann man ein Kranich vom Anfang des Schnabels biß zu End der Füssen abmessen will / da wird er wohl eines Manns lang seyn: er kan auch / wann er noch nicht gefiedert ist / stärcker lauffen als ein Mensch.

Die Kranich bleiben insgemein nicht lang an einem Ort / sondern fliegen zu [497] unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Ländern herum: doch lieben sie warme Orth / und begeben sich im Winter gemeiniglich von uns hinweg: Ich sage gemeiniglich / weilenAlbertus schreibt / in seinem Vatterland (so bey Cöllen ware / wann mich nicht irre) die Kranich auch im Winter bleiben / ob wohl es sehr kalt. Die Kranich seynd jederzeit billich unter die gescheidiste Thier gerechnet worden. Grues multa prudenter faciunt, sagtAristoteles lib. 9. de avibus c. 10. Die Kranich handlen in vilen Sachen gar klug / und gleichsam vernünfftig. Absonderlich ist an ihnen zu verwunderen die schöne Ordnung und Behutsamkeit / die sie gebrauchen / wann sie Schaaren-weiß von einem Land in das andere fliegen. 26 Dann erstlich kommen sie bey rechter Zeit zusammen / und gehen gleichsam zu Rath wegen ihres Abzugs / wann / und wohin der Weeg zu nehmen sey / wo sie ins Künfftig ihren Aufenthalt haben / und ihr Nahrung finden mögen / es heißt da bey ihnen / nun ist es Zeit zu wandern / von einem Ort zum andern / und wann sie dessen einig worden / da bestellen sie ihnen einen Führer / und Commendanten / dem sie forthin fleißig folgen / und seiner Anweisung nachkommen: Diser dann flieget voran / dem sie alle in grosser Anzahl / nicht confus, oder untereinander / sondern in beständiger guten Ordnung nachfolgen / und zwar in der Form eines Triangels / theils damit sie ihren Führer alle füglich sehen können / und theils daß sie den Lufft desto kommlicher durchschneiden / oder zertheilen / und durchstreichen mögen. Sie fliegen schnell und hoch / damit sie in die Weite aussehen / wohin sie abzielen sollen / oder in was für einer Landschafft sie sich befinden / auch damit sie das Ungewitter zeitlich vorsehen. Ja damit sie der Wind nicht leicht wider ihr Vorhaben hin und wieder treiben möge / und daß sie einen steten Flug haben / beschwehren sie sich selber / und nehmen ein Stein in den Schnabel / oder in den Fuß: wie andere sagen / sie schlucken vil Sand in sich / und gebens hernach wiederum von ihnen. Sie haben auch ihreRetro-Garde, welche Achtung giebet / daß keine dahinden bleiben / sondern alle zugleich miteinander fort kommen: ja wann eine ermüden / oder zu schwach werden / und erliegen müssen / da werden sie von anderen unterstützt / es wird ihnen fort geholffen. Die Alte / nicht die Junge fliegen voran (sondern dise werden in die Mitte genommen / und es darff keiner aus seinem Glied / oder aus seiner Ordnung weichen) weilen sie wohl erkennen / daß die Junge / als noch starck / und bey Kräfften gar zu eyffrig wurden fort eylen / und auf die Alten nicht warten / dise aber nicht nachkommen wurden / gleichwie es zu geschehen pflegt / wann junge / und alte Leuth mit einander über Feld gehen.

Dises alles zeigt ein trefflich gutes Regiment / und ein gute Policey-Ordnung an. 27 Aber noch mehr was folget: Dann wann der Führer / oder Regent der Kranichen erachtet / daß es Zeit seye zu rasten / und zu fütteren / da siehet er einen bequemen Platz aus / er giebet ein Zeichen / und da lassen sich alle zugleich auf die Erden nieder.

Wann sie ruhen und schlaffen / da stecken sie den Kopf unter einen Flügel / und stehen auf einem Fuß. 28 Einige aber seynd für ein Schildwacht bestellt / (welche auf einem Fuß stehen / und in dem anderen einen Stein halten / damit wann sie etwan von dem Schlaff überfallen wurden / von dem abfallenden Stein alsobald erwachten) welche / sag ich / mit aufgerecktem Halß und Kopff überall umsehen / was in der Revier passire / ob kein Feind / oder Gefahr vorhanden von grossen Raub-Vöglen und Thier / oder Menschen: und so bald sie etwas solches verspühren /da gibt der Anführer den andern mit lauter Stimm ein Zeichen / sie sollen sich hüten / und vorsehen / und da ist alsobald alles in Bereitschafft: sie schreyen alle zusammen / munteren sich auf / und stellen sich eintweders mit ihren langen spitzigen Schnäbel in die Gegenwehr / als mit eben so vil Spieß / und Piquen den Feind zu empfangen / [498] oder aber sie salviren sich mit der Flucht / doch in guter Ordnung wie zuvor.

Nichts schöners und nichts nützlichers ist in einerRepublic, oder gemeinen Wesen / als wann ein gutes Regiment / und ein gute Policey-Ordnung gehalten wird / wann die Obere wohl zu gebiethen / und die Untergebene zu gehorsamen wissen / wann alles zu rechter Zeit / und in seiner gewissen Maß geschiehet.Sine ordine nihil recte agitur, ordo est radix omnium actionum, ubi non est ordo, ibi confusio. Ist ein merckwürdiger Spruch: ohne gute Ordnung kan nichts wohl / oder recht geschehen: ein gute Ordnung ist die Richtschnur alles Thun und Lassens; wo kein Ordnung / da ist ein lauter Verwürrung.

Zu solchem End aber ist forderist der Fleiß / und Wachtbarkeit des Regenten / oder Vorstehers vonnöthen / diese sollen von dem Kranich ein Exempel nehmen / und ihre Untergebene nicht nur commandiren / oder anweisen / sondern auch selbsten mit ihrem Beyspiel vorgehen / und nach Proportion, nach Gestalt der Sachen selbst im Werck erweisen / was sie andern zuhalten gebiethen.

Unter den Kranichen wird ein grosse Lieb / und Ehrerbiethung der Gemeinen gegen ihren Führer / und Obristen verspühret / und hingegen eben so grosse Sorgfalt / Fleiß / und Wachtsamkeit des Führers gegen seine Truppen: eben also soll es auch bey den Menschen in dem sittlichen und politischen Wesen /in Civil- und Militar-Sachen hergehen / daß nemlich die Untergebene ihre Vorgesetzte lieben / und ehren /diese aber jene versorgen / und beschützen.

Ein solcher getreuer / fleißig- und wachtbarer Kranich ist gewesen der preißwürdige Kriegs-Fürst Epaminondus; dann als einstens die Inwohner der StadtThebas ein Jubel-Fest celebrirten / sich lustig machten / und räuschig trancken / auch darüber eingeschlaffen waren / da war Epaminondus alleinig gantz nüchter / und wachtsam / er gienge überall herum bey den Stadt-Porten / und auf den Wällen / er hielte gleichsam Schild-Wacht / und visitirte / ob alles versorget seye / ob kein Gefahr vorhanden / und dem Feind kein Zugang offen stehe. 29 Als er aber befragt wurde / warum er nicht auch mithalte / und mit andern Leuthen sich lustig mache: da gab er zur Antwort: wisset ihr nicht / daß mein Ambt / und Schuldigkeit zu wachen seye / und für das gemeine Beste Sorg zutragen erfordere / wann ich sihe / daß andere schlaffen / und unachtsam seynd? daß ich nüchter bleibe / wann andere truncken seynd etc. Ein solcher sorgfältig- und wachtbarer Kranich ist auch gewesen der tapffere Lacedæmonische Kriegs-Fürst Seleucias, der mit Wahrheit gegen seinen Kriegs-Leuthen bey Mangel und Abgang des Proviants sich hat vernehmen lassen / er wolte lieber selbst 2 / oder 3 Täg fasten / als nur einen Tag lang seine Soldaten sehen Hunger leiden. O wohl schöne / aber rare Exempel der Kriegs-Obristen!

Auch der grosse Alexander war ein wachtsamer König; dann wann ihn der Schlaff starck hat angefochten / da hat er sich zwar ein wenig niedergelassen / aber zugleich ein silberne Kugel in die Hand genommen / und selbe über ein kupfer / oder ährines Becken gehalten / damit er durch den Fall / und Thon der Kugel / wann selbe ihm aus der Hand in das Becken entfiel / alsobald wieder erwachen solte.

Wann die Kranich auf ihrem March im würcklichen Flug begriffen seynd / da seynd sie gantz friedlich und einig / keiner greifft dem andern ein: keiner begehrt dem andern vorzubringen / oder den andern im Fliegen zuübersteigen / oder zuübervorthlen / sondern ein jeder ist mit seinem Platz zufrieden / und wann sie das nicht thäten / so wurden sie im Fliegen mit den andern nicht fortkommen / sondern einander verhindern / und verwunden / oder ja gar auf die Erden / oder in das Meer / wann sie darüber fliegen /herab werffen. 30 Aber sonsten haben sie wohl auch zu Zeiten Streit miteinander / und kämpfen so hitzig /daß sie ehender von dem Jäger / wann er gähling[499] darzu kommt / sich mit Händen ergreiffen / und fangen lassen / ehe daß einer dem anderen nachgibt / und von dem Rauffen ablaßt: und alsdann heist es wohl /Duobus litigantibus gaudet tertius. Wann zwey mit andern zancken / hat der Dritte dem Glück zu dancken.

Auch wir Menschen sollen einig / und einhellig /als wie die Kranich in ihrem Flug / unter der Anführung Christi / miteinander fort wandern auf dem Weeg des Heyls / zu unserem letzten Ziel und End / dem himmlischen Vatter-Land; dann wie uns der Apostel sagt Non habemus hìc manentem Civitatem etc. Wir haben da kein bleibende Stadt / sondern suchen die Zukünfftige. Dum sumus in corpore, peregrinamur: so lang wir in diesem sterblichen Leib umgehen / seynd wir auf der Wanderschafft begriffen. Wann wir aber unfriedlich seynd / einander übervorthlen /oder übersteigen / und vordringen wollen / da verhinderen wir einander in dem Lauff / als daß wir den Endzweck des himmlischen Vatter-Lands nicht erlangen. Ja zum öffteren ergehet es den unfriedlichen Menschen / als wie den kämpfenden Kranichen /wann ihre zwey miteinander hefftig streiten / und zancken / und einander verletzen / da kommt der Dritte / der höllische Seelen-Jäger entzwischen / und nimmt den einen / oder beyde gefangen.

Die Kranich / wie gemeldt / fliegen hoch / wann sie von einem Land zu dem andern wanderen / damit sie in die Weite aussehen / wohin sie fliegen / auch daß sie das Gewülck / und antrohende Ungewitter / oder andere Gefahren zeitlich wahrnehmen / und sich darnach richten mögen. 31 Eben also sollen auch wir auf dem Weeg / oder Reiß in die Ewigkeit uns verhalten. Wir sollen hoch auffliegen / nicht durch Hoch- und Ubermuth / sondern durch die Erhöhung der Betrachtung / und Erhebung des Gemüths zu GOtt und himmlischen Dingen / durch die Verachtung der Welt / damit wir in die Weite / das ist / in die Ewigkeit hinaus sehen / und das bevorstehende Hoch-Gewitter des letzten Gerichts / und andere Gefahren unserer Seelen und unseres Heyls zeitlich und vorsichtig beobachten / und uns darvor hüten mögen.

Aber die Kranich / wann sie hoch auffliegen / thun sie sich mit Sand / und kleinen Steinlein beschweren /damit sie der Wind nicht hin und wieder treibe / oder wegnehme / und hinführe / wo sie nicht hin wollen. Eben also / wann der Mensch hoch zufliegen beginnt durch zeitliches Glück / durch Ehren / und Ansehen /da soll er sich selbst beschweren und beladen mit Sand und Steinen / oder mit Koth / und Erden / das ist / mit der Betrachtung seines schlechten Herkommens /und seiner Nichtigkeit / auf daß er nicht von dem Wind der eitlen Ehr anderst wohin / als er gern wolte / und solte / nemlich gegen den Untergang / an statt des Aufgans getrieben werde. Wann die mehrgemeldte Kranich hoch fliegen / so bedeutet es gut und schönes Wetter / wann sie aber nahe / oder nieder über die Erden herfliegen / so bedeutet es Regen / oder Ungewitter. Ingleichen wann wir auf gemeldte Weiß hoch fliegen / so bedeutet es gutes schönes Wetter vor / den Sonnen-Schein der Göttlichen Gnaden-Sonn: wann wir aber niederfliegen / das ist / uns mit den Begierden und Anmuthungen nicht wollen in die Höhe aufschwingen / sondern an der Erden ankleben / da bedeutet es nichts Gutes / sondern ein schlimmes / gefährliches Wetter in sittlichem Verstand.

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von dem Reiger / und Ibiß-Vogel.

Der Reiger / oder Reigel / Ardea, ist ein grosser Wasser-Vogel / der sein Nahrung von Fischen / Muschlen / Schnecken / und dergleichen sucht / und gern an fischreichen Wässeren sich aufhält / doch nistet er auch in dem Wald / auf hohen Bäumen / nicht weit von einem Wasser. 32 Er ist weiß-grau / [500] oder Aschen-Farb: er hat einen sehr langen gewundenen Halß / ein langen Schnabel / und hohe Füß / er ist einem Storcken ziemlich gleich / ausser daß er öffters auf dem Kopf einen Strauß / oder Schuppen hat. Die Inwohner bey Cölln herum geben vor gewiß aus / daß wann der Reiher seine Füß in das Wasser halte / da kommen die Fisch von selbsten / als wie zu einem Köder her geschwummen / die er dann auffangt / und frist. Es ist auch das Reiger-Schmaltz sehr gut zum Fisch-Fang /sonsten hat der Reiger seinen grösten Streit mit dem Adler / Habich und Falcken / deren einer den anderen im Lufft zuübersteigen / und alsdann zustossen sich bemühet: Wann der Reiger mit diesen seinen Feinden kämpfet / da legt er den Halß auf seinen Rucken / und hält den Schnabel in die Höhe: er spritzt sie auch an mit einem Koth / worvon ihre Federn faulen / und ausfallen.

Es gibt zwar unterschiedliche Geschlecht der Reiger / welche doch in dem Haupt-Wesen übereins kommen / der Reiger ist sehr gefreßig / und verschluckt gantze Muschlen / oder Meer-Schnecken /die er so lang in seinem Kropf behaltet / biß daß sie aufgehen / hernach speyet er sie erst aus / und frist das Fleisch.

Die Reiger-Beitz ist ein Fürstliche Recreation: sie wird mit darzu abgerichten Falcken angestelt / die dann mit den Reigeren im freyen Lufft so lang und hitzig kämpfen / biß daß der eine Theil überwunden auf die Erden herab falt etc.

Die Reiger lassen sich auch essen / so wohl als die Kranich / und Storcken: eine halten mehr / andere weniger von der Güte des Fleisches dieser Vöglen.

Ubrigens hat der Reiger diese Natur / daß er das Ungewitter sehr förchtet: deßwegen wann er ein bevorstehendes Ungewitter vermerckt / da thut er ihm klüglich vorbiegen / flieget hoch in der Lufft auf biß über die untere Wolcken (dann er hat einen rahnen leichten eingezogenen Leib / und starcke Flügel) mithin setzt er sich in die Sicherheit / wo ihm das Wetter nicht schaden kan / da last er es gleichwohl verdoben / und schaut von weitem zu: wann es aber vorbey ist /da begibt er sich widerum herab / dann er kan sich lang mit Fliegen in dem Lufft aufhalten. 33 Durch dieses gibt uns der Reiger eine gute Lehr / wie daß wir dem sittlichen Ungewitter / und den Gefahren unserer Seel / das ist / den schweren Versuchungen entfliehen / oder selbe überwinden können / und sollen: nemlichen auf daß uns die Gewässer der sinnlichen Gelüsten / und Begierden nicht überschwemmen oder die hefftige Wind der Hoffarth / des Zorn-Muths etc. Nicht umstürtzen / sollen wir uns mit den Flüglen unser Anmuthungen in die Höhe aufschwingen über die Wolcken / über alles Irrdische zu GOtt und seinen Heiligen erheben / unter dero Schutz und Schirm uns begeben / biß daß das Ungewitter der Versuchung vorbey ist.

Der Vogel Ibis genant / befindet sich in Egypten bey dem Fluß Nilus, wohin die vorsichtige Natur oder vilmehr GOtt als der Uhrheber der Natur ihn verordnet wegen unendlicher Menge der Schlangen / so man in Egypten antrifft / welche diese Vögel die Ibides verfolgen / und fressen / als wie die Storcken. 34 Es ist auch der Ibis dem Storck schier in allem gleich /die Gestalt / Grösse / und Nahrung anbelangend / ausser daß er einen längeren krummen Schnabel hat / als wie der Storck ein geraden.

Ja Albertus nennt den Ibis einen schwartzen Storcken. Ausser Egypten können diese Vögel / wie man sagt / nicht leben / sie wohnen zwar immer an dem Fluß Nilus, gehen aber doch niemahl in das Wasser hinein. Er gehet allzeit langsam daher / und obwohl er seinen Schnabel in allen Unflat hinein steckt / seine Nahrung zu suchen / so trinckt er doch niemahl aus einem unreinen Wasser / und wird überaus alt / wieÆlianus bezeuget / sein Nest macht er auf Dattel-Bäumen.

Diese Vögel seynd in Egypten sehr wehrt und nutzlich / weil sie das Land von unzehlbarem Ungezieffer reinigen / und sowohl fliegende / als kriechende [501] unreine Thier wegfressen / deßwegen es auch hoch verbotten einen zu tödten.

Durch den Vogel Ibis / der allzeit zu nechst bey dem Wasser sich aufhalt / und dannoch nie darein gehet / oder schwimt / sondern mit unreinen Speisen /mit gifftigem Ungezieffer sich ernährt: können erstlich verstanden werden die böse Christen / als welche immerdar zunechst bey den Gnaden-Wässeren / und bey dem Brunnen des Heyls / das ist / bey den heiligen Sacramenten sich aufhalten / und dannoch nie in die Wässer hineingehen / oder durch würdigen Genuß derselben / ihnen solche zu Nutzen machen. 35

Ja sie befinden sich zu nechst bey einem gantzen Gnaden-Meer der Göttlichen Barmhertzigkeit / und thun sich doch nicht darein versencken / hingegen stecken sie ihren Schnabel in allen Unflath / und suchen ihre Nahrung darinn / das ist / ihre Begierd / und Hertzen trachten nach unreinen Gelüsten und eitelen Welt-Freuden / hingegen können auch die geistliche Lehrer / und Christliche Prediger mit diesen Vöglen verglichen werden; dann gleich wie diese Vögel mit ihren Schnäblen unzahlbare Schlangen / und andere unreine giefftige Thier in Egypten aufreiben und tödten / oder vertreiben / und also das Land reinigen /ohne welche es gäntzlich wurde verwüstet / und verstöhrt werden / also thun die geistliche Lehrer / und Christliche Prediger mit ihren Zungen und Federen die Unglaubige / die Ketzer und offentliche ärgerliche Sünder aufreiben / und vertreiben. 36 Mithin die Catholische Kirchen von dem unreinen / und gifftigen Ungezieffer der falschen Lehr / und Sünden reinigen; als wie die Ibides in Egyptenland / ohne welche sie abscheulich wurde verhörget und verwüstet werden.Prædicator debet serpentibus, id est, peccatoribus esse inimicus, & eos prædicatione suâ impugnare. Der Prediger soll den Schlangen / das ist / den Gottlosen zuwider seyn / und selbe mit dem Schwerd seiner Zungen verfolgen.

Diese Vögel haben vil Streit mit den Schlangen in Egypten / doch überwinden sie selbe / tödten und fressen sie auf / ohne daß sie ihnen schaden / ja sie seynd ihnen ihre angenehmste Nahrung. Auch die Gotts-Gelehrte in der Catholischen Kirchen haben vil schwere Streitt mit den irrglaubigen / und verführerischen Lehrern / aber sie überwinden selbe mit den grüdlichen Beweißthümben der Catholischen Wahrheit: und auf solche Weiß können ihnen die gifftige Thier / die Sünder / und Irrglaubige nichts schaden /sondern sie haben vilmehr die gröste Ehr und Nutzen darvon / ja auch Freud und Vergnügen / wann sie selbe bekehren.

Dieses ist vorbedütten worden durch ein Geheimnuß-reiche Erscheinung / welche der heilige Apostel Petrus in einer Verzuckung gehabt / da er gesehen hat / ein Geschirr wie ein grosses leines Tuch zu ihm von offnen Himmel herab kommen / in welchem allerley Thier / auch kriechende zusehen waren / und die Stimm GOttes sprach zu ihm / er solle sich aufmachen / diese Thier tödten / und essen. Dieses aber bedeute die Bekehrung der Unglaubigen / und Sünder. Solche Ibis-Vögel seynd auch alle Apostolische Männer / und eyfrige Glaubens-Sendlinge / welche in so manchem Reich / und Ländern die Abgötterey haben ausgetilget / und vil tausend Unglaubige zu dem wahren Glauben bekehrt.

Der 6. Absatz
Der 6. Absatz.
Von dem Storchen.

Der Storch / Ciconia, ist ein in Deutschland wohl bekandter Vogel (doch nicht gar über all) er ist dem Kranich / und Reiger in etlich Stucken ziemlich gleich: Er hat meistens weisse / in den Flüglen aber schwartze Federen / hoch / und dürre rothe Füß / ein langen Hals / und Schnabel / welcher roth / und hart ist / mit welchem er zu Zeiten durch zusammen schlagung des oberen / und unteren Theils [502] starck schnatteret / oder kläpperet: Kein andere Stimm ist bey ihm zu hören / er hat auch ein gar kurtze Zung. 37 Nähren thut sich der Storch mehrentheils von kriechendem Ungezieffer / als Schlangen / Atteren / Krotten etc. auch Fischen / und Fröschen / und flieget sehr in die morastige / sümpffige Orth an Seen und Teichen gelegen: In gantz Engelland / wie ich höre / soll es keine Storchen geben. Sein Nest macht er in die Höhe auf den Häusern / Camin / oder Rauchfäng / Thürn /Mauern etc. Die Storchen kommen in unser Land mit anbrechendem Sommer / und begeben sich von uns wieder hinweg / wann diser zu End gehet: wohin aber / ist nicht genugsam bekannt. Der gemeine Wahn ist /sie fliegen Schaaren-weiß übers Meer in warme Länder. Doch wie Campofulgosus berichtet / so findet man zu Zeiten auch im Winter in Lothringen bey einem gewissen See vil Storchen beysammen / welche wie halb erstorben seynd / so bald man aber sie erwärmet / kommen sie wieder zu Kräfften.

Der Storch ist ein befreyter Vogel / man laßt ihn auch ohngehindert passiren / und thut ihn nicht leicht schiessen / oder fangen (es sey dann Sach / daß man in der Artzney etwas von ihm brauchen wolle) es scheint auch / als wann er das wohl verstehe: dann sonsten wurde er nicht so keck unter die Leuth / und sein Nest mitten in den Flecken und Dörfferen machen.

In Egypten soll es bey Lebens-Straff verbotten seyn / Storchen zu tödten / weilen sie nemlich das Land von den häufig-geflügleten Schlangen reinigen und befreyen. Wann der Storch fliegt / da leithet er seinen Flug mit denen nach der Läng ausgestreckten Füssen /als wie ein Schiff-Mann das Schiff mit dem Steur-Ruder / und damit ersetzt er seinen kurtzen Schweiff. Das Weiblein legt gemeiniglich 4. Eyer an Farb / und Grösse den Gänß-Eyeren gleich / welche sie beyde /eins um das andere ausbrüten / da indessen das eine die Nahrung sammlet: Die Bruth aber / wann das nasse Wetter nicht verhindert / wird in Zeit eines Monaths vollendet.

Der Storch hat in seinem Leib ein grosse Hitz /deßwegen er auch die gifftige Thier / die er gantz hinunter schluckt / ohne ihm zu schaden / so bald verzehren kan: Hingegen im Kopf vil Feuchtigkeit: deßwegen aus seinem Schnabel / sonderlich im Winter schier immerdar ein Wasser heraus tropffet.

Den Abflug der Storchen aus unserem Land über das Meer betreffend / so kommen sie vor demselben in grosser Menge in einem weiten Feld aus den umliegenden Landschafften all zusammen / da halten sie gleichsam Rath / und wann einer gar zu spath kommt / oder erdapt wird / daß er an seinen Mit-Consorten untreu gewesen / und mit einem anderen sich vermischt hat / da wird er von der gantzen Storchen Gemeind deßwegen gestrafft und getödtet / ja in Stuck zerrissen. Der würcklich und allgemeine Abzug der Storchen aus disem Land wird von niemand wahr genommen / dann wie Ælianus, und andere schreiben /so geschiehet er allzeit in der Nacht bey dem Mond-Schein / sie halten sich auf bey dem Sammel-Platz ein Weil / und warten auf ein günstigen Wind.

Gewiß ist es / daß die Storchen vil Tugenden / oder löbliche Eigenschafften an ihnen haben / und daß man vil Gutes von ihnen ersehen / und erlernen könne /sonderlich die Liebe / den Fleiß / und Sorg der Alten gegen ihren Jungen / und Auferziehung derselben /und hingegen die Treu und Danckbarkeit der Jungen gegen den Alten: Dann wann die Alte im Fliegen /und in Sammlung der Nahrung nicht mehr fort kommen können: da werden sie von den Jungen unterstützt / getragen / und gespeißet. 38 Wann ein Ungewitter / ein starcker Platz-Regen / oder Hagel einfällt /da breiten die Alte ihre Flügel aus / und bedecken die Junge / daß sie nicht beschädiget werden: ja sie geben offt die Speiß wieder aus dem Magen heraus / und theilens unter den Jungen ordentlich aus / keinem mehr oder weniger als dem anderen / biß daß sie [503] sich selbsten nähren können. Diese Lieb und Mühe aber /wie schon gemeldt / thun die Junge zu seiner Zeit nach Mögligkeit wiederum vergelten. Aus welchem sowohl die Kinder / als Elteren zulernen haben: jene zwar mit was Fleiß und Sorgfalt sie die Kinder wohl auferziehen / und mit aller Nothdurfft des Leibs / und der Seel versehen sollen: diese aber mit was Danck und Erkantlichkeit sie ihren Elteren / wann sie unkräfftig und bedürfftig werden / sollen beyspringen /hingegen aber sollen auch sich billich schämen jene Sorg- und Heyllose Elteren / die sich wenig um ihre Kinder annehmen / für ihr zeitlich- und ewiges Heyl so wenig Sorg tragen / als wann sie selbe schier gar nichts angiengen / und sie GOTT deßwegen schier kein Rechenschafft zugeben hätten: schämen sollen sich auch in Ansehung der Storcken jene untreue und undanckbare Kinder / welche wann sie erwachsen /auch im Stand und Mittel seynd / dannoch ihren alten und bedürfftigen Elteren nicht beyspringen / sondern nachdem selbe alles an sie gewendet haben / in Noth und Armuth stecken lassen / und zufolg des Göttlichen Geboths nit so vil thun / als diese Vögel aus blossem Antrieb der Natur zu thun pflegen.

Auch die Klugheit / oder Behutsamkeit der Storcken ist billich zu bewunderen / und zu imitiren: sie erkennen gar wohl / wann es die rechte Zeit zu End des Sommers hinweg zufliegen / und im Frühling wieder zukommen seye. 39 Der Geyer / ein Weyh im Lufft erkennt sein Zeit / ein Turtel-Taub / und die Schwalb / und der Storck halten die Zeit ihrer Zukunfft etc. In dem Abzug halten sie eine schöneDisciplin und Ordnung / daß es nach Proportion kein Feld-Obrister mit seinen Soldaten in dem Marchiren besser machen kunte / vorher probiren und exerciren sich die junge Storcken mit Fliegen / ob ihre Schwing-Federen starck genug / und ob sie im Stand seyen / ein so weite Reiß übers Meer vorzunehmen. Sie geben auch auf den Wind achtung / daß sie ihren Flug nicht beym Contrari-Wind anstellen / als welcher sie starck abmatten wurde / und leicht ihre Ordnung zertrennen möchte.

Ja wann sie auch in der Höhe auf dem Nest sitzen /wissen sie einem hefftigen Sturm-Wind vor- und nachzugeben / und sich zuschützen / daß er sie nicht fortnehme / oder herab werffe / dann sie legen sich tieff in das Nest hinein / halten sich vest mit beyden Füssen an (da sie sonst mehrentheils nur auf einem stehen und stecken / den Kopf biß an die Augen in die Federen / sie ducken und schmucken sich so gut sie können / und lassen gleichwohl den Wind über sie hergehen. Man sagt auch / daß sie halbe Astrologi seyen / und das Ungewitter wohl vor erkennen: die Augen wenden sie hin / wo das Wetter herkommt.

Als vor Zeiten die berühmte Stadt Aquilia, oder Attilia von dem König der Hunnen drey Jahr lang belägert ware / und sich nicht mehr länger halten kunte /auch es an dem ware / daß sie sich bald ergeben muste / da haben sowohl die Belägerer als Belägerte wahrgenommen / daß die Storcken auf den Häusern und Thürnen ihre Junge aus den Nesteren hinweg getragen haben / welches der Feind für ein Zeichen aufgenommen / daß die Stadt übergehen werde. 40 Er thäte deßwegen ein General-Sturm darauf / nahme sie ein / und verstöhrte alles.

Man hat auch öffters beobachtet / daß wann ein alter Thurn oder Hauß bald einfallen will / die Storcken allzeit zuvor sich von dannen begeben. Zu wünschen wäre / daß der Mensch auch so grosse Klug-und Behutsamkeit brauchte in seinen Reisen / und in anderen vorhabenden wichtigen Geschäfften / daß er allzeit die rechte Zeit beobachtete / die Sach nach seinen Kräften und Mittlen abmessete / ob er es könne hinausbringen / oder nicht: daß er sich nach dem Wind und Wetter / das ist / nach Beschaffenheit der Umständen zurichten und zu schicken wuste.

Nicht geringer als die Klugheit / ist die Danckbarkeit der Storcken gegen [504] ihren Gutthäteren: diese hat sich erzeigt / wie Gesnerus erzehlt / als einem Storcken ein Fuß abgeworffen worden / und er kümmerlich mehr in das Nest / der Nahrung aber ein Zeit lang gar nicht nachkommen kunte / da haben ihm etliche Weiber guts gethan / und ihme zuessen geben. Als nun diser Storck wieder gesund worden / und mit den andern geflogen ist / da hat er der ihm von den Weibern erwiesenen Gutthat nicht vergessen / sondern hat das andere Jahr bey seiner Ruckkunfft in das alte Quartier ein schönes grosses Perlein in dem Schnabel mit sich gebracht / und selbes vor den ermeldten Weiberen / seinen Gutthäteren / die er noch gekennt / und beysammen angetroffen hat / aus dem Lufft herab fallen lassen / welches sie auch für ein Discretion wegen der ihme gereichten Nahrung angesehen / und aufgenommen haben.

Eben dergleichen etwas habe sich zugetragen in Westphalen / da ein Storch vil Jahr lang auf eines Burgers Haus sein Nest gehabt / als er einstens im Frühling wieder zuruck kommen / da habe er schöne frische Innbeer-Wurtzen zum Gruß mitgebracht / und ihm für die Füß dargelegt.

Es ist schier kein so unschuldiger Vogel / der so gar kein Schaden thut / zu unterhalten / so gar nichts koste / auch kein Mensch / noch Thier beleidiget / als wie der Storch / ausgenommen das unreine / ja gifftige Ungezieffer / das frißt er auf / reiniget dardurch die Gärten und Felder / welches ein grosse Gutthat ist / er verzehrt es in seinem hitzigen Magen also bald / ohne daß es ihm im Geringsten schade. 41 Zu wünschen wäre / daß wir auch im sittlichen Verstand solche hitzige / und starcke Mägen hätten / und alle harte / und ungeschmackte Brocken so leicht verkochen / und verdäuen kunten. Oder noch mehr / daß wir solche hitzige / von der Liebe GOttes entzündete Hertzen hätten / so wurde uns kein gifftiges Unzieffer / das ist / kein Versuchung / kein böses Exempel / und kein böse Gelegenheit schaden / laut der Verheissung Christi: Serpentes tollent, Marc. c. 16. v. 17. Et si mortiferum quid biberint, non eis nocebit: Sie werden die Schlangen vertreiben / und so sie etwas Tödtliches trincken / wird es ihnen nicht schaden.

Die lange rothe Füß seynd schier die meiste Zier des Storchen / dise aber je älter der Vogel ist / je schöner und röther werden sie. Die sittliche Füß der Seelen / wie die heilige Vätter reden / seynd ihr Affect oder Anmuthungen / dise solten auch je schöner / und reiner werden / je älter der Mensch wird.

In der ehelichen (so zu reden) Pflicht und Treu / da seynd die Storchen gar genau / sie begehen nicht das geringste Unrecht darwider: oder lassen doch nicht ungestrafft / wann etwas darwider begangen wird.

Der Storch / und die Storchin / die sich einmahl zusammen gepaaret / oder gesellet haben / bleiben einander allzeit treu / und beständig beysammen biß in Todt. Wann aber je das Widerspihl geschihet / so wird es mit dem Todt gerochen. Ein seltzsame Begebenheit soll sich einstens dißfalls zugetragen haben: wie Doct. Conrad Gesner in seinem Vogel-Buch erzehlet. Ein paar Storchen hätten auf einem hohen Hauß genüstet / als aber das Männlein zu weit ausgeflogen / und etwas längers ausblieben ist / da kam zum öfftern ein frembder Storch zu seinem Weiblein /und brach die Ehe mit ihm: Nachdem aber dises geschehen / hat sich das Weiblein allzeit in einen Brunnen gestossen / und gewaschen / auf daß es sein Ehe-Mann / wann er ins Nest zuruck komm / nicht mercke / was es gethan hab / dises hat der Hauß-Wirth wahr genommen / und einstens der Störchin / nachdem sie den frembden Storchen zu ihr gelassen hat / den Brunnen versperrt / daß sie nicht nach begangenen Ehe-Bruch baden kunte. Da nun der Storch heimkommen /und die begangene Untreu an seiner Störchin vermercket / hat er zwar nichts dergleichen gethan / er ist aber den anderen Tag widerum ausgeflogen / und hat etlich [505] andere Storchen mit ihm zuruck gebracht / wel che insgesambt das ehebrecherische Weiblein / die Störchin angegriffen und getödtet haben. Ein anderer Storch / als er vermercket / daß der Knecht seines Hauß-Herren in dessen Abwesenheit ein Ehebruch begangen habe / hat er die Unbild nit ungerochen lassen wollen / sondern ist schnell auf ihn zu geflogen / und ihm die Augen ausgebickt. Solche Ding läst GOtt geschehen auch durch die unvernünfftige Thier / dem Menschen zuverstehen zugeben / wie schwer ihm das Laster mißfalle / welches wider die eheliche Pflicht und Treu begangen wird.

Obwohlen der Storck ein guter frommer Tropf ist /und niemand beleidiget / so ist er doch so gar einfältig nicht / daß er sich nicht wisse zu revangiren / wann man ihn voppet / oder beleidiget. 42 Daß hat jener Fuchs wohl erfahren / welcher den Storcken vor ein Narren halten / und seiner spotten wolte: dann als er ihn zu gast geladen / und aber ihm nur lauter gantz fließige Speisen / und zwar in einer flachen breiten Schüssel hat aufgesetzt / da setzten sie sich nieder /und griffen miteinander zu / er der Fuchs zwar kunte mit der Zungen die dinne Speisen wohl auflecken /und hinein schnappen / der Storck aber mit seinem langen spitzigen Schnabel kunte so vil als nichts bekommen / der Fuchs lachte ihm heimlich die Haut voll an / und der gute Storck muste mit dem lehren Bauch hungerig wiederum von der Mahlzeit gehen. Doch weil er schon in der Fremde gewesen / so hat er so vil Politic gelehrnt / daß er den Verschmach undAffront dissimulirt / und für das Gast-Mahl sich höflich bedanckt hat. Nechster Tägen aber hat er auch den Fuchs zum Essen eingeladen / dieser kam / und vermeinte wohl zu leben / der Storck aber gedenckt ihm: Cum vulpibus vulpinandum, mit Füchsen muß man flüchslen / er war so listig / und setzte das Essen in einer Flaschen auf / die einen langen engen Halß hatte / also daß er zwar mit seinem langen Schnabel wohl hinein und die Brocken heraus langen kunte /der Fuchs aber kunte mit seinem dicken breiten Kopf nicht hinein / er kunte nichts bekommen / obwohl er rings um das Geschirr herum gienge / und ein Zugang suchte / er schämte sich deßwegen / daß er Fuchs-roth worden ist / und muste auch mit dem lehren Bauch hungerig wieder davon gehen / und also ist er von dem Storcken mit barer Müntz ausgezahlt / und ihm gleiches mit gleichem vergolten worden.

Also pflegt es auch öffters unter denen Menschen zu geschehen / daß einer es dem anderen eben macht /wie es ihm jener vorher gemacht hat. Ja Christus selbsten in dem Evangelio sagt: In qua mensura mensi fueritis, remetietur vobis. 43 Mit welcherley Maaß ihr messet / wird euch wieder gemessen werden. Und der Prophet Isaias aber / Væ, qui spernis, nonne & ipse sperneris etc. 44 Wehe dir du Verachter / wirst du nicht auch verachtet werden? deßwegen solle man redlich und aufrichtig handlen und umgehen / so hat man sich keiner Schand zubeförchten.

Der 7. Absatz
Der 7. Absatz.
Von dem Straussen.

Der Strauß Struthio ist ohne Widerred der Gröste unter allen Vöglen / dann er hat gar hohe Füß / und einen sehr langen Halß / welchen wann er ihn gantz aufrecht haltet / so geht der Vogel ziemlich weit über einen grossen Mann aus: an dem Kopf / Halß und Füssen ist er ungefiederet / an dem Leib aber / welcher rundlecht / und in dem Schweif / der kurtz und dick ist / hat er schöne gantz weich wie Pflaumen /und krausse Federen / weiß-grau von Farb / zum Theil auch schwartze: der Kopf ist schier wie ein Ganß-Kopf gestaltet / für einen so grossen Leib nicht gar groß: die Augen seynd rund mit Augen-Lider /und Auggen-Braunen versehen / schier wie ein Mensch. 45 Er hat gespaltene Füß / welche wie geschupet seynd / und Klauen daran / Knie [506] aber wie ein Camel / und etwas haarige Schenckel als wie ein Mensch.

Der Strauß wird auch Struthio, Camelus, Camel-Strauß genent / weil er Knie / Füß / und einen Halß hat so lang als wie ein Camel / auch schier eben so groß ist: Er fliegt niemahl kein Elen hoch vom Boden auf: weilen der Leib zu schwer / und die Flügel zu kurtz seynd / aber lauffen kan er so starck wie ein Pferd / wie Plinius und Opianus bezeugen / und in der Flucht wie man sagt / nimt er Stein zwischen die Klauen / und würfft sie gewaltig auf die / die ihn verfolgen: er hat auch vornen an der Brust ein grosses breites Bein / welches weder mit Federen / noch mit Haar bedecket ist / zu Beschützung seines Leibs /mich gedunckte es (als ich einen gesehen hab) schier wie ein Binsen-Stein / und beyläuffig einer Hand breit.

Die Straussen befinden sich häuffig in dem hitzigen Welt-Theil Africa, in öden Wüsteneyen, wie in H. Schrifft gedacht wird / sie werden auch zahm / oder haimisch gemacht / und alsdann essen sie alles / was ihnen vorkommt / auch grosse starcke Beiner / wann sie in Stuck zerhackt werden; dann er hat ein so hitzigen Magen / daß er es wohl verkochen mag / daß aber der Strauß / wie man sagen will / auch so gar das Eysen verdauen könne / scheint erdichtet zu seyn: wohl laß ich es gelten / daß der Strauß Stein und Eysen hinein schlucke / aber solche Ding gehen wieder gantz von ihm / wie auch Albertus anmercket /und Aldrovandus sagt / der Löw hab wohl einen hitzigern Magen / als der Strauß / und verdaue gleichwohl kein Eysen etc.

Von der Stimm des Straussen finde ich nichts sonderlichs zumelden: heulen thun sie glaublich / wann sie hungerig seynd. 46

Ihre Nester machen die Straussen mit den Füssen in den Sand etwas vertiefft / und hohl / ringsum aber erhöht / und als wie mit einem Wall umgeben / die Straussen-Eyer seynd groß als ein Kinds-Kopf / hart /und wie mit einem Stein-Ranfft umgeben / er legt deren sehr vil und zwar in den Sand.

Wegen Ausbrütung der Eyeren seynd unterschiedliche Meinungen / die glaubwürdigste scheint zu seyn /daß sie von der grossen Sonnen-Hitz ausgekocht werden / so lang biß die Junge schlieffen / obwohl / wie andere behaupten / bald das Männlein / bald das Weiblein auch darbey sitzet und selbe emsig anschauet. Wann man die Straussen fangen will / so pflegt man zu Pferd / und mit Hunden zujagen / biß daß sie im Lauff ermüden etc. Die Europäische Kaufleuth spendiren vil auf die Straussen-Federen / sie werden unterschiedlich gefärbt / und allerley Zierad daraus gemacht / das Fleisch aber dieser Vögel wird von den gemeinen Leuthen in Mohren-Land / Egypten / und Arabien verzehrt.

Aber so groß und ansehnlich der Strauß ist an dem Leib / so klein und schlecht ist er am Verstand / und wird als thorecht / und unachtsam gescholten in der heiligen Schrifft. 47 Wann er seine Eyer in der Erden liegen laßt / vergießt er / daß sie möchten zertreten werden / und ein Wald-Thier sie zerbre chen: Er wird so hart gegen seine Jungen / als wären sie nicht sein / umsonst arbeit er ohne Sorg / dann GOtt hat ihm die Weißheit genommen /und hat ihm kein Verstand mitgetheilet. 48

In 3. Stucken kan ein Vogel / oder anders Thier in seiner Natur / und Fähigkeit gemäsen Verstand / oder Klugheit zeigen / nemlich indem sie sich selber wissen zu regieren / wider ihre Feind zuschützen / und ihre Junge zuversorgen. In all diesen drey Stücken ist der Strauß gantz ungeschickt / und unverständig: dann erstlich weiß er sich im Essen nicht zu regieren /oder in acht zunehmen / er schlucket alles untereinander hinein / es mag ihm nutzlich oder schädlich seyn /auch Holtz / und Stein / zu Zeiten so vil / daß er daran crepiren muß. Für das andere ist er närrisch im Beschützung seiner selbst wider seine Verfolger: dann wann er sich verbergen will / da versteckt [507] er nur den Kopf in ein Gesträuß / und alsdann meynt er / man sehe ihn nicht / wann schon der gantze übrige Leib offen da stehet: wiederum / obwohlen er so starck und schnell lauffen kan / daß ihn kein Mensch / oder Pferd einholen möchte / und also gar leicht den Jägeren entrinnen kunte / so laufft er doch in der Flucht nicht den geraden Weeg fort / sondern in einem Circul / oder Kreiß herum / mithin wird er von denen / die ihm auf dem geraden Weeg nachsetzen / leicht eingeholt / und gefangen.

Für das Dritte die Fortsetzung seines Geschlechts betreffend / geht der Strauß abermahl ungeschickt und närrisch um: dann indem andere Vögel mit grosser Sorg und Fleiß ihre Eyer / und Junge bewahren / ausbrüten / und versorgen / da legt sie der Strauß nur grad auf den Boden / laßt sie liegen / geht darvon /und thut / als wann sie ihn nichts angiengen / er sorget nicht / ob sie von Menschen / oder wilden Thieren zertreten / oder gefressen werden. Wohl verwunderlich pfleget GOtt die Gaben der Natur so wohl unter den Thier- als Menschen auszutheilen! der Strauß ist der allergröst-stärckist- und ansehnlichste Vogel / und dannoch ist er bey weitem nit so geschickt oder gescheid / als nur das mindiste Spätzlein / oder Schwälblein.

Aber zu wünschen wäre / daß es nicht auch unter den Menschen vil dergleichen Sinn- und Sorglose Straussen abgebe. 49 Ein mancher ist so groß / starck und ansehnlich unter den Menschen / als wie der Strauß unter den Vöglen / weilen er reich / adelich /mächtig ist dem äusserlichen Ansehen nach / vermeinend was hinter ihm stecke / aber in der Sach selbsten hat er offt weniger Verstand / und Geschicklichkeit /als der geringste / und verächtlichste Mensch.

Der Strauß ist unverständig / weil er ohne Unterscheid alles hineinschluckt / was ihn gelüstet / es mag ihm nutzlich / oder schädlich seyn: aber die Menschen seynd zum öffteren noch unverständiger / indeme sie nicht nur essen / und trincken / was der Gesundheit des Leibs schadet / sondern auch begehen / was dem Heyl der Seelen höchst schädlich ist.

Ungescheid ist der Strauß / daß er ihm die Geschwindigkeit seiner Füssen nicht zu Nutzen macht /und den geraden Weeg die Flucht nimt / sondern im Ring herum laufft / und sich fangen laßt: aber noch ungescheider ist der Mensch / wann er in den Nachstellung- und Versuchungen des bösen Feinds nicht den geraden Weeg sein Zuflucht zu GOtt nimt / sondern vil krumme Umschweiff macht / biß er von dem höllischen Seelen-Jäger erdapt / und gefangen wird.In circulo impii ambulant, sagt David: die Gottlosen wandlen im Umkreiß. 50

Wann der Strauß zu tadlen ist / daß er seine Eyer so unachtsam liegen laßt / kein Sorg tragt / daß sie nicht zu Grund gehen / und sich um die Erzeugung seiner Jungen nicht besser annimt / wie vilmehr seynd zuschelten diejenige Elteren / welche ihre Kinder so unachtsam lassen umlauffen / kein Sorg tragen / daß sie nicht verführt werden / und zu Grund gehen? welche sich um die Auferziehung ihrer Kinder in der Christlichen Lehr / und in Erlernung anständiger Künsten und Wissenschafften so wenig und so schlecht annehmen / als wann sie kein Schuldigkeit /und kein Rechenschafft deßwegen zu geben hätten.

Der Strauß schwingt zum öfftern die Flügel und gestelt sich / als wann er fliegen wolle aber es wird niemahl was daraus / er bleibt immerdar auf der Erden /dann der Leib ist vil zuschwer / und die Flügel seynd zu kurtz / sie mögen ihn nicht in die Lufft erheben. Eben also machen es die träge / und sinnliche Menschen / sie thun offt dergleichen / als wann sie ihre Flügel / das ist / die von GOtt empfangene Talenten /und verliehene Gnaden wolten anwenden / und ihre gute Vorsätz / und Versprechen in das Werck setzen etc. aber es wird nie nichts daraus / sie bleiben immerdar auf der Erden mit ihren Begierd- und Hertzen ankleben: sie mögen sich nicht in [508] die Höhe zu GOtt /und himmlischen Dingen erheben / ihre Flügel seynd zu kurtz / ihr Fleiß und Eyfer ist zu schwach: es gehet ihnen / wie der weise Mann gesprochen hat: Corpus aggravat animam, & terrena inhabitatio deprimit sensum multa cogitantem. 51 Der Leib beschwehrt die Seel / und die irrdische Einwohnung zieht nieder den Verstand / der viel trachtet.

Aber in diesem ist der Strauß wohl zu imitiren /daß er / wie man von ihm sagt / zugleich mit dem einen Aug den Himmel / und mit dem andern die Erden anschauet: Dann also solle auch der Mensch niemahl mit beyden Augen die Erden anschauen / ich will sagen / niemahl soll er all seine Sorgen / seine Sinn und Gedancken auf das Zeitliche alleinig setzen /sondern den besten Theil derselben auf das Ewige wenden.

Der 8. Absatz
Der 8. Absatz.
Von dem Pelican.

Es ist schon ein alte Gewohnheit und gemeiner Brauch / daß uns die Mahler unter dem Namen des Pelicanen / weiß nicht / was vor einen frembden Vogel vorstellen / der ihm selber mit dem Schnabel die Brust aufpicket / und das Blut heraus lasset / welches seine Junge mit ausgestreckten Schnäblen begierig auffangen. 52

Aber villeicht hat diese Sach kein andern Grund /als daß es einer dem andern nach sagt / nach schreibt /und nach mahlet: Gesnerus, und Aldrovandus etc. halten auch nicht viel darauf / es heißt eben offtermahl:


Pictoribus atque Poëtis
Quælibet audendi semper fuit æqua potestas.
Den Mahleren / und Poeterey
Stehet alles zu erdichten frey.

Villeicht hat diser Wahn daher seinen Anlaß genommen / weilen / wie Orus meldet / die Egyptier von einem gewissen Geyer-Geschlecht vorgeben / daß ein solcher Vogel in Ermanglung aller anderer Speiß /und Wiederauferweckung ihrer Jungen / sich selber an der Dicke des Fuß blutrißig beisse / und seine Junge mit dem Blut erquicke. Noch mehr- und seltzsamers wird von solchem Blutvergiessen der Pelicanen / und Wiederauferweckung ihrer Jungen erzehlt / aber mit diesem Anhang beschlossen / daß es von berühmtenScribenten / benanntlich von Alberto mehr vor ein Gedicht / als Wahrheit gehalten werde: S. Augustinus setzt es in Zweiffel / Hieronymus / und Epiphanius aber geben es für ein Wahrheit aus / wie zu sehen ist bey dem hochgelehrten le Blanck s. 9. in Psal. 101. v. 7.

Einige wollen / daß der Pelican nichts anders / als der so genannte Löffler / oder die Löffel-Ganß seye /also genannt / von dem Schnabel / so vornen her rund und hol ist / wie ein Löffel.

Das richtigste scheint zu seyn / daß der wahre Pelican / oder Onocrotalus, wie ihn Aristoteles nennt / in Egypten an dem Fluß Nilo sich befinde / und ein weisser / der Ganß / oder dem Schwanen zimlich gleichender Vogel seye / daß aber diser Vogel von dem David in den Psalmen Pelicanus solitudinis, ein Pelican der Wüste / oder Einöde genennt wird / das laufft nicht wider dise Meynung / inmassen durch die Wüste wohl das Ufer des Flusses Nili, und moßächtige Orth in Egypten können verstanden werden / obwohlen einige behaupten / daß der Pelican auch bey- oder auf dem Meer sich befinde etc.

Von dem Pelicanen wird auch geschrieben / daß er Eyer in ein Gruben auf der Erden lege: da pflegen nun die Jäger ringsum ein Feuer aufzumachen / welches der Pelican ersehend / und die Gefahr vermerckend /mit seinen Flüglen selbes auszulöschen sich bemühet / mithin aber seine Flügel verbrenne / und also gefangen werde. Es wollen zwar einige / auch aus denen heiligen Vätteren / daß es zweyerley Pelicanen gebe /die eine fliegen auf dem Land / die andere schwimmen auf dem Wasser / und jene seyen eines mit denenOnocrotalis, welches andere hingegen widerum verneinen.

Disem seye nun wie ihm wolle / so wird [509] doch gemeiniglich von den heiligen Vätteren / und Lehreren Christus der HErr mit einem Pelicanen verglichen: und dieses zwar wegen der ungemeinen Lieb / so dieser Vogel zu seinen Jungen / das ist / Christus aber zu den menschlichen Seelen traget: dann der Sohn Gottes hat wahrhafftig ihm selber nicht nur die Seiten / sondern auch die Händ und Füß mit der Lantzen und Näglen durchstechen lassen / und durch sein vergossenes heiligstes Blut / die von der höllischen Schlang getödtete Seelen wiederum / als wie der Pelican seine Junge lebendig gemacht. 53 Ein Pelican ist Christus / und zwar ein Pelican der Einöde / immassen er jederzeit die Einöde / oder Einsamkeit / wo es immer die Umständ gelitten haben / geliebt hat.

Erstlich zwar hat er erwählt die Einsamkeit in dem jungfräulichen Leib Mariæ vor seiner Geburth / in dem Stall zu Bethlehem nach seiner Geburth / in dem Hauß seines heiligen Nähr-Vatters Joseph / und absonderlich in der Wüste zur Zeit seiner viertzigtägigen Fasten.

Wann des Pelicanen seine Junge anfangen aufzuwachsen / da schlagen und beissen sie nach ihren Elteren um (wie unterschiedliche von ihnen berichten) diese aber erzürnen sich darüber / und schlagen die Junge hinwiederum mit den Flüglen / bißweilen gar zu Tod: es reuet sie aber / und die Mutter / nachdem sie ein / und andern Tag den Todschlag bedauret hat /verwundet sie sich selber mit dem Schnabel an der Brust / und last das warme Blut über die Todte ablauffen / und also werden sie wieder lebendig (vielleicht seynd sie nur in Ohnmacht gelegen) hiervon mag der geneigte Leser glauben oder nicht glauben /was ihm beliebt / indessen aber ist es gewiß / daß GOtt der Allmächtige / als ein himmlischer Pelican die Menschen gleichsam als seine Junge / wie ich schon zum Theil gemeldt habe / über die Massen liebe: diese aber waren undanckbar / und widerspennig / gleich in der Persohn ihrer ersten Elteren haben sie durch die Erb-Sünd nach GOtt gleichsam umgeschlagen: dieser zum billigen Zorn beweget / hat sie hingegen wiederum mit dem zeitlich- und ewigen Tod geschlagen.

Aber der himmlische Pelican / der Sohn GOttes hat sie gleichsam 3. Täg lang bedauret / so lang nemlich das Gesatz der Natur / und das geschriebene Gesatz Moysis gewehret hatte: am dritten Tag aber / als das Evangelische Gesatz angefangen hat / da hat er die geistlicher Weiß Tods-verstorbene Seelen wiederum zum Leben der Gnaden auferweckt / indem er selbst freywillig an dem Stammen des heiligen Creutzes mit der Lantzen sein Seiten ihm hat eröffnen lassen / und für sie sein Blut so reichlich vergossen. Er hat auch den Leib des Menschen an dem dritten Tag nach seinem Leiden in seiner Persohn oder H. Menschheit wieder auferstehend gemacht. Und dises ist / was der Prophet längsten hat vorgesagt: Ipse cepit, & sanabit nos, percutiet, & curabit nos. Er hat uns gefangen /er wird uns auch wiederum heilen: er hat uns geschlagen / und wird uns wieder verbinden / er wird uns in zweyen Tägen wieder lebendig machen / aber am dritten Tag wird er uns auferwecken. 54

Es solle auch in Egypten viele Schlangen geben /die den jungen Pelicanen in dem Nest zusetzen / sie vergifften und tödten: aber sie werden / sagen einige /auf schon gemeldte Weiß wieder lebendig gemacht: aber wegen des ausgelassenen Bluts werde der alte Pelican so schwach / daß er der Nahrung nicht mehr nachkommen kan. In diesem Zufall erbarmen sich etliche Junge über den Vatter / oder Mutter / erzeigen sich danckbar / und bemühen sich die Alte zu ernähren: andere hingegen seynd undanckbar / und fragen ihren Elteren nichts nach / aber zu seiner Zeit / wann diese wieder gesund werden / trencken sie es den Jungen auch wieder ein: denen die ihnen guts gethan haben / und in ihrer Schwachheit gedient / thun sie auch wieder guts / und foviren sie in dem Nest: die aber so grob / und undanckbar gewesen [510] seynd / verstossen sie / und jagens fort. Auf solchen Schlag hat auch die höllische Schlang die Junge des himmlischen Pelicanen / das ist / die Kinder GOttes durch die Sünd vergifft / und getödtet: Christus aber durch sein Blut wieder lebendig gemacht. Welche nun erkantlich /und danckbar sich einstellen für sein Leiden und Blut / oder ihne in der Person der Armen speisen und träncken: diesen thut er es zu seiner Zeit vergelten / und nimt sie auf in das Himmelreich: die es aber nicht thun / und der unendlichen Gnad der Erlösung vergessen / die thut er verlassen / und verwerffen. Dieser Unterschied / welchen GOtt zwischen beyden machet / wird sich absonderlich zeigen an dem letzten Gerichts-Tag / wann es wird heissen. Ite maledicti etc. venite benedicti etc. Gehet hin ihr vermaledeyte etc. kommet her ihr Gebenedeyte etc.

Der 9. Absatz
Der 9. Absatz.
Von dem Phönix, und Paradeiß-Vogel.

Mit dem Vogel Phönix hat es eben eine solche / oder noch grössere Unrichtigkeit / als mit dem vorgemeldten Pelicanen / es ist zwar der gemeine Ruff / und Wohn von ihm / daß es nur ein eintzigen in der Welt /und zwar in Arabia gebe (der einen gesehen / hat gewiß was rares gesehen) er lebe ein und andere hundert Jahr / ja wie Plinius, und Herodotus Solinus, und Philostratus fabuliren 5. oder 600 Jahr / daß ich nichts von tausenden sage etc. 55 Es soll aber der Vögel Phönix ohne Vermischung oder Zuthun eines Männleins auf folgende Weiß gebohren werden: Wann er gar alt / und schwach wird / da thue er auf den höchsten Giepffel eines Bergs mit seinem Schnabel ein Häuflein von lauter wohlriechendem Holtz /oder Gesträuß / von Zimmet-Rinden / oder Gewürtz-Werck zusammen tragen / selbes lasse er wohl dürr werden / hernach aber bey heissem Sonnen-Schein so lange mit seinen Flüglen anwehen / biß daß es in die Flamme gerathe: alsdann thue er aus Antrieb der Natur / und aus Begierd frisch und jung zu werden /sich selbst mit Freuden in diesem Feuer zu Aschen verbrennen / aus der Aschen aber erwachse ein Wurm / der werde groß / bekomme Federen / und werde ein schöner junger frischer Vogel Phönix daraus. Also berichten / oder dichten vil vornehme alte Scribenten / und Naturalisten / benantlich Tacitus und Bellonius, neben den obgemeldten / doch nicht alle gleichförmig. Einige sagen / er seye in der Grösse eines Adlers / so und so / schier ein jeder anderst gefärbt / und gestaltet. Plinius, und Lactantius lassen ihnen gar traumen / als wann sie diesen Vogel auch hätten singen gehört / und eigenen ihm ein annehmliche Stimm zu. Ulysses Aldrovandus Medic. & Philos. Bononiensis, ein gar accurater Author halt es alles gar vor ein pur lauter Gedicht / was von einem solchen Vogel Phönix gesagt / oder geschrieben wird / mit vermelden / es stimme übel mit der heiligen Schrifft und Erschaffung der Vögel / und von der Arch Noe übereins.

Wann aber ein heiliger Vatter hiervon etwas geschrieben hat (als wie der Heil. Ambrosius lib. 5.Exempl. c. 23.) so glaube ich / es sey mehr relativè ex mente aliorum, als assertivè, und ex mente propria geschehen / das ist / nur Erzehlungs-Weiß / was andere sagen / oder von der Sach glauben.

Unterdessen haben gleichwohl die H. Vätter / und Lehrer daraus Gelegenheit genommen über das / was von dem Vogel Phönix berichtet / oder gedichtet wird / zu moralisiren / oder ein geistliche Sitten-Lehr zuziehen. 56 Insonderheit ist der Phönix jederzeit für ein Sinn-Bild / oder Entwurff der Auferstehung von den Todten gehalten worden. Dann wann der zur Zeit seines Lebens das beste und wohlriechende Holtz-Werck / oder vilmehr Blum-Werck / und Gewürtz-Werck der schönsten Tugend-Wercken / und reichlicher Verdiensten gesamlet / und selbige auf den Berg einer hohen Vollkommenheit zusammen getragen hat / wann er bey anscheinender Göttlichen Gnaden-Sonn mit den zween Flüglen der Lieb / [511] und der Reinigkeit seine Buß / und Tugend-Werck anwehet / und gleichsam lebendig macht / wann überdiß das Feuer der Trübsal /und Abtödtung das Feuer der Liebe GOttes darzu kommt / da wird der Gerechte / durch diese Flammen / mit Lust und Willen gäntzlich verzehrt: sein Leib wird zwar in Staub / und Aschen verwandelt / aber er steht bald wiederum zu dem ewigen Leben auf / er wird erneueret / und unsterblich in der Glori.

Es kan zwar demnach füglich ein jeder Gerechter /absonderlich aber Christus mit dem Phönix verglichen werden: dann dieser ist warhafftig / Unicus ein Eintziger / der seines gleichen / als wie der Phönix /keinen hat / er ist auf die Welt gebohren aus dem allerreinisten / und edlisten Leib / und Blut Mariæ als dem besten / und kostbaristen Rauch und Gewürtz-Werck / dessen Lieblichkeit biß in hohen Himmel ist aufgestiegen: wie geschrieben: Quæ est ista, quæ ascendit per desertum, sicut virgula fumi ex aromatibus Myrrhæ, & thuris? etc. 57 Wer ist die aufsteigt aus der Wüsten wie ein gerader Rauch / wie ein Geruch von Myrrhen / Wey-Rauch / und allerley Specereyen.

Dieser Göttliche Phönix / Christus ist auf die Welt gebohren ohne Zuthuung eines Mannlichen Saamens /aus himmlischer Krafft / oder Würckung des Heil. Geists: er ist als wie der Phönix ein rechtes Sonnen-Kind / verstehe der Göttlichen Gnaden-Sonn des himmlischen Vatters.

Dieser göttliche Phönix hat sich nachmahls auf dem wohlriechenden Holtz-Werck des Heil. Creutzes / durch die Flammen der Liebe selbst gäntzlich verzehrt / oder aufgerieben: er ist / wie er selbsten sagt /in seinem Leiden gleichsam zu einem verächtlichen Wurm worden / Ego sum vermis, & non homo etc. Ich bin ein Wurm und kein Mensch etc. aus diesem Wurm aber / aus dem verachtet- und leidenden Heyland ist am dritten Tag ein neuer / schön- und frischer Phönix / das ist / ein glorreicher / und unsterblicher Christus erstanden / und bald hernach biß in den höchsten Himmel aufgeflogen.

Auch der Paradeyß-Vogel soll ein edler rarer Vogel seyn / man schreibt zwar unterschiedlich von ihm /und kan niemand recht wissen woher / oder wohin sie kommen: obwohlen sie zu Zeiten Scharen-Weiß gesehen werden / so siehet man doch niemahl / daß sie sich miteinander vermischen. 58 Dieses soll gewiß seyn / daß der Paradeyß-Vogel keine Füß habe / deßwegen er auch niemahl auf die Erden kommt / sondern immerdar in der Lufft umschwebet / oder mit seinen Federen an den Aesten der Bäumen sich anhenckt. Er isset auch wenig / oder gar kein irrdische Speiß: doch lebt er auch nicht gar von dem Lufft / wie einige ihnen einbilden (dann ein pures Element ist nicht tauglich einen lebendigen Cörper zuernären) wohl aber von dem Himmels-Thau / und etwann geniesset er auch etwas weniges / was er an gewissen Bäumen ihme anständiges findet. Der Paradeyß-Vogel hat einen kleinen ringen Leib / aber in dem Schweif / und in den Flüglen / die er im Fliegen zugleich und weit ausbreitet vil / lange und zarte Federen / schmahl / und mehren theils Gold-Farb mit roth untermenget: der Kopf und vordere Leib ist auch unterschiedlich schön gefärbet: in den Moluchischen Insuln sollen sich diese Paradeyß-Vögel befinden / sie werden auch Lufft-Vögel genennt / weilen sie sich immerdar in dem Lufft / und niemahl auf der Erden aufhalten: sie haben keine Flügel wie andere Vögel / die sie bald ausstrecken / und bald zusammen ziehen / sondern sie bleiben immerdar gleich ausgebreit und also schweben sie gantz sanfft ohne Floderen in dem Lufft.

Eben dieser Ursachen halber deuten uns diese Paradeyß-Vögel füglich an einen der Betrachtung / oder dem beschaulichen Leben gantz ergebnen Menschen /welcher immerdar in dem Lufft umschwebt / und niemahl die Erden betritt: ich will sagen / welcher immerdar mit seinem Sinn und Gedancken / mit seinen Begierd / und Anmuthungen in der Höhe bey [512] GOtt /und himmlischen Dingen sich aufhaltet / und mit den Fuß seiner Anmuthungen die Erden oder irrdische Ding nicht berühret / welcher nicht von den Erd-Früchten / oder zeitlichen Dingen / sondern von dem Himmels-Thau / das ist / mit göttlichem Seelen-Trost sich nähret / und ersättiget. 59

Der Paradeyß-Vogel henckt sich mit seinen Federen an gewissen Bäumen an / wo er etwann einen Safft / oder etwas dergleichen / das ihm anständig ist /findet. Auch ein solche reine / und göttliche Seel hanget mit ihren Anmuthungen an einem Baum / nemlichen an dem Creutz-Baum / an welchem sie den Safft der Andacht / des Trosts / und des Mitleidens findet.

Der 10. Absatz
Der 10. Absatz.
Von dem Papagey.

Der Papagey / Psitacus solle die Schaar der Vöglen /von welchen ich bißhero geredt hab / beschliessen /indeme ich (zu dem End diser Materi eylend) noch vil andere den Natur-Kündigern zu beschreiben überlasse. 60 Es ist aber der Papagey einer aus den schönsten / rahrest / und geschicktisten Vöglen: In der Grösse / so vil ich gesehen hab / ist er einer Tauben gleich / (obwohlen es wie ich liese in gewissen Ländern gar vil Grössere giebt) an dem Schnabel / und den Klauen aber denen Raub-Vöglen ähnlich / die er doch in der Schönheit seiner vielfältigen Farben viel übertrifft: dann es seynd an unterschiedlichen Theilen seines Leibs / die grüne / rothe / blau und gelbe / ja an einigen noch mehr zu sehen. Es giebt zwar der Papagey vil unterschiedliche Art und Gattungen / derenAldrovandus wohl zwölfferley zehlet: Obwohl vor Zeiten keine andere / als die aus Orientalischen Indien in unsere Land seynd gebracht worden / bekandt waren: nachdem aber die Spanier die Insulen der Neuen Welt erfunden / da haben sie auch mehrerley Papageyen angetroffen. Der indianische Papagey / so der Bekandiste ist / wird auch Sickust / oder / Sittich genannt / ist mehrentheils grün / an den Flüglen und an dem Kopf roth / und etwas gelb / er hat einen langen Schweiff / und ein so harten krummen Schnabel /daß er in einem höltzernen Köfig alle Sprössel leicht abbeissen wurde / wie sie dann auch harte Hülsen Früchten ohne Mühe abbeissen. Sie haben einen grossen Kopf / und vil Hirn darin / deßwegen sie gelihrnig seynd / und haben ein gute Gedächtnuß.

Einige haben nur 3. Klauen an den Füssen / andere aber 5. und dise seynd die edle / und bessere. Die Papagey haben ein vil breitere Zungen / als andere Vögel / und deßwegen lassen sie sich zum Reden abrichten / und sprechen vil Wort auf Menschen-Art gantz deutlich aus / obwohlen sonst ihre natürliche Stimm in den Wäldern wild und unartig ist. Reden aber lehret man sie / nachdem ihnen die Zung ist gelöst worden / am leichtisten auf folgende Art: Man stellt dem Papagey ein Spiegel vor / in dem er sich selbsten sehen möge / hinter dem Spiegel aber / oder hinter einem Teppich stelle sich ein Knab / und sage ihme öffters deutlich etliche Wort vor / die er lernen soll / da meint er / der Vogel in dem Spiegel rede also / und schämte sich / wann er es nicht auch solte können / befleisset sich derowegen selbes ihme nach zu machen. Sie werden hoch geschätzt / und in Teutschland von den Kauff-Leuthẽ / die über das Meer handlen / um einen grossen Werth / sonderlich wann sie schon reden können / um 15. 20. und mehr Ducaten verkaufft. Wann sie aber schon etlich Jahr alt seynd /da lernen sie nicht mehr vil / weilen die Memori ihnen vergeht. Gesnerus schreibt / daß der Cardinal Ascanius zu Rom ein Papagey gehabt habe / welchen er um 100. Gold-Cronen gekaufft / der gantz deutlich die zwölf Articul des Christlichen Glaubens habe daher sagen können. Was aber die Nahrung der Papageyen anbelangt / so essen sie schier alles / was man ihnen giebt / auch Fleisch / und Früchten etc.

[513] Der Papagey hat von Natur ein grosse Lieb / und Anmuthung zu dem Menschen / absonderlich zu dem jungen oder ungebaarteten Leuthen / von welchen er auch lieber lernet. 61 Wann der Vogel isset / so braucht er gantz mannierliche und höfliche Gebärden / also daß es ein Lust ist zusehen: dann den einen Fuß braucht er an statt der Klauen / nimt die Speiß darmit / und bringt selbe in den Schnabel: und wann man ihm ein Speiß gibt / die ihm zu trucken tst / da tuncket er einen jeden Bissen zuvor in das Wasser. Ja man sagt auch von diesen Vöglen / daß wann ihrer vil beysammen seyen / und von den Bäumen auf die Erden sich herab lassen / ihre Nahrung zu suchen / da bleibe einer in der Höhe daroben / um zuschauen / und gleichsam Schild-Wacht zustehen / ob nirgends kein Gefahr / oder Nachstellung vorhanden sey / und wann er eine vermerckt / da gebe er ihnen alsobald ein gewisses Zeichen / damit sie sich salviren / und in Sicherheit setzen können.

Fürnemlich aber erweiset der Papagey sein Witz und Kunst in Erbauung des Nests / welches er gar fürsichtig anordnet; dann er sucht einen hohen Baum aus / der gantz rahne Aest hat / die nichts schweres tragen können / und an selbe Aest hencken sie ihre Nester an: dieses aber thun sie darum / damit die Schlangen /und Atteren ihnen nicht können zukommen: massen sie aus Eingebung der Natur wohlerkennen / daß diese ihnen nachstellen / ihre Eyer und Junge zustehlen / und zufressen / die Nester aber machen sie rund /und vest mit einem engen Loch / daß sie alleinig aus /und ein können.

Den Regen / und die Kälte können diese Vögel nit gedulden / darum wohnen sie in hitzigen Ländern etc.

Das rahriste / und merckwürdigste an dem Papagey ist / daß er wie ein Mensch reden lernt.


Psittacus humana depromit voce loquelas.

Der Papagey auf Menschen-Art
Braucht Zung / und stimm bald grob / bald zart.

Ja gewisse Papageyen seynd nicht nur fähig / sondern auch begierig reden zulernen / und so aufmercksam / daß sie offt des Essens deßwegen vergessen /wie Ovidius von dem Seinen bezeuget hat. Sie sollen auch zu Zeiten formlich und à propo antwort geben auf das / was man sie fragt.

Zu Londen in Engelland an dem Königlichen HofHenrici des achten soll ein Papagey gewesen seyn /der von dem Fenster hinab in den vorbey fliessenden Fluß Tamesin (etwann an einem Kettlein gefäßlet) gefallen ist: weilen er nun offt die Leuth an dem Fluß /wann sie gern geschwind wären hinüber gewesen /oder auch aus Schertz hat ruffen hören / à Bott, à Bott, fortuventye pouund, das ist / ein Schiff / ein Schiff her / solt es auch 20. Pfund verstehe Sterlins (ein ziemlich groß Stuck Geld) kosten: da seynd dem Vogel / als er in Gefahr ware zu ertrincken / eben recht diese Wort eingefallen / er hat aus allen Kräfften à Bott, à Bott: ein Schiff / ein Schiff her / geschryen. 62 Ein Schiff-Mann / so dieses gehört / ist eilends hinzu gefahren / hat den Vogel aus dem Wasser gehoben / und wieder nach Hof getragen / in Hofnung er werde ein solche Vergeltung / wie der Papagey selbst versprochen hat / nemlich 20. Pfund empfangen. Der König lachte darzu / und sagte: wir wollen den Papagey noch einmahl fragen / und was er dir für einen Lohn zuspricht / das will ich dir geben. Der Schiff-Mann ware wohl zufrieden / und hofte der Vogel werde wiederum von 20. Pfund Sterlins sagen: aber nein / diese Wort wolten ihm nicht mehr einfallen / sondern andere / die er etwann auch offt gehört hat / nemlich gebt dem Tropffen ein Pfennig / daß aber war gar nicht vil / und weit von 20. Pfund. Mithin hat der Papagey gezeigt / daß er halt rede / was ihm ins Maul kommt / und was er zum öfftern gehört hat.

Ein anderer Papagey befande sich an dem Hof desOrientalischen Kaysers Basilii, welcher seinen SohnLeonem aus falschem Argwohn / daß er ihm nach dem Leben strebe / in die Gefangenschafft [514] gesetzt hat / worüber sich bey der Kayserin und samtlichen Frauen-Zimmer an dem Hof ein grosses Jammeren und Klagen erhebt: sie sagten zum öfftern / O du unglückseeliger / O du unschuldiger Printz Leo: und dergleichen. Der Papagey so dieses zum öffteren gehört / hat diese Wort gefaßt / und als einstens der König vor ihm stunde / sagte er auch mit kläglicher Stimm. O unglückseeliger / O du unschuldiger Printz Leo: dem Kayser / der sonst unerbittlich war / gienge dieses zu Hertzen / er schämte sich / daß er solle unbarmhertziger seyn als der Vogel / liesse sich also erweichen /und setzte seinen Sohn wiederum in die Freyheit / und in das Recht / in dem Reich ihm nachzufolgen.

Es scheinen die Papagey auch die menschliche Anmuthungen zu imitiren; dann bald zeigen sie sich freundlich / bald traurig / bald lieben / und schmeichlen / bald hassen und verfolgen sie den Menschen /und wann man ihnen Wein gibt / trincken sie sich räuschig.

Das Reden lernen die Papagey von den Kindern (lieber als von den erwachsenen Leuthen) und die Kinder lernen es von den Elteren / also daß sie bald nachsagen / was sie zum öffteren von ihnen hören: wann sie diese ehrbar / und auferbaulich / wahr- und schamhafftig reden hören / da werden sie es auch also machen: wann sie aber den Vatter offt hören fluchen /und schweren / oder unverschamte Zotten und Possen reissen / und die Mutter den Leuthen übel nach reden / und die Ehr abschneiden / da werden sie ihnen es bald nachthun: was die Alte pfeiffen / das püpen die Junge / deßwegen haben die Elteren ein schwere Verantwortung / wann sie ihren Kindern mit ihrem ungezämten bösen Maul ein schlimmes Exempel oder Aergernuß geben. 63

Die Papagey und Affen seynd bey vornehmen Herren werth und angenehm / man kaufft selbe um grosses Geld / dann sie machen ihnen manchen Gespaß /die Affen zwar / weilen sie den Leuthen alles nachthun / die Papagey aber / weil sie alles nachsagen. Ja daß wäre schon recht: das Reden stunde ihnen wohl an / wann sie nur allzeit die Wahrheit sagten: aber sie sagen halt was ihnen einfalt / oder was sie gehört / es mag wahr / oder unwahr / recht / oder unrecht seyn. Offtermahl ruffen sie von dem Fenster herab / und hencken einem ehrlichen Menschen / der auf der Gassen vorbey geht / ein Klämperlein an / daß er sich schämen muß: einen andern hingegen loben sie gantz unverdienter massen / sie wissen eben selber nicht was sie sagen.

Psaphon ein König in Lybien / ware ein sehr lasterhaffter Mann / dannoch seine Laster zubeschämen / und ihm einen guten Wohn / oder Nahmen zumachen / hat er diesen Fund erdacht. Er hat vil Papagey zusammen in ein heimliches Zimmer verschlossen /und keinen Menschen darzu gelassen / sondern er selbst hat sie gespeist / und diese Wort sagen gelehrt:Magnus Deus Psaphon, das ist / Psaphon ist ein grosser Gott. als er aber bald sterben solte / hat er befohlen / man soll gleich nach seinem Todt dasselbe Zimmer eröffnen / und die Vögel frey lassen ausfliegen: sobald nun dieses geschehen / da seynd die Papagey in der Stadt / und in den Felderen umgeflogen /und haben überall ihr erlerntes Sprichlein / Psaphon ist ein grosser Gott / ausgeruffen: durch welches das Volck ist bethört worden / und hat vermeynt / es seye was übernatürliches / und hat den Bößwicht in grossen Ehren gehalten.

Vast eben also machen es die politische Affen und Papagey / die falsche Schmeichler / sie thun / und sagen alles nach / was man gerne siehet / oder höret /es mag gleich recht seyn / oder nicht / wahr oder unwahr / nach / oder wider die Vernunfft / oder das Gewissen / nur den Leuthen / dero Gunst sie suchen / zugefallen: und wissen offt selber nicht / was sie sagen /und bedencken wenig / ob sie nicht mit ihrer geschwätzigen Zungen ihrem Nechsten schaden / oder hingegen einen anderen gantz unverdienter massen erheben. 64

[515] Die Unbedachtsamkeit im Reden ist einem Christlichen Politico sehr unanständig: absonderlich aber einem grossen regierenden Herren nachtheilig: wie gar wohl der berühmte Didacus Saavedra Symb. Polit. 11. anmercket: Dann alle Fehler seynd eines Regenten allgemein / das ist / schaden nicht nur ihme selbsten / sondern dem gantzen gemeinen Wesen /weilen das Thun und Lassen der Oberen ein Regel und Richtschnur zu leben der Unterthanen ist. 65 Wann ein Privat oder gemeiner Mensch unrecht / oder unwahrhafft redet / hat es so vil nicht zu bedeuten /dann eintweders glaubt mans ihm nit kräfftig / oder macht doch keine grosse Reflection darauf: Aber wann ein grosser Herr etwas sagt / da hat es ein Nachdruck / jederman höret es wohl / und nimmt es auf /als wann es ein Oraculum wäre. Wann ein kleiner Stern solte verduncklet werden / wurde mans wenig /oder gar nicht achten / aber wann die Sonn ein Finsternus leidet / da verwundert sich jederman / und zeigt mit Finger darauf. Mit dem Wandel / und der Aufführung der Regenten / Herren / und Obrigkeiten hat es ein Beschaffenheit / als wie mit einer gemeinen Stadt-Uhr / die hoch in dem Thurn aufgericht ist / alle Innwohner schauen darauf / ob sie recht gehe / ihr Thun / und Lassen darnach zu richten / gleichwie aber der Zeiger von aussen weiset / wie das innerliche Uhrwerck beschaffen sey / also zeigen die Reden an / wie innerlich das Gemüth bestellet seye: Bey disem soll es absonderlich / als wie bey einem Uhrwerck heissen:Nunquam sine pondere: Niemahl ohne Gewicht /und ohne Maß. Dise die grosse Herren / und Regenten gehet es absonderlich an / was der gröste Staats-Mann / der weise Salomon / ein Lehr-Meister allerPoliticorum gesprochen hat / nemlichen: Honor & gloria in sermone sensati, lingua verò imprudentis est subversio ipsius. 66 Die Red des Verständigen bringt Ehr und Preiß / aber des Unweisen Zung /der redt als wie ein Papagey / dient ihm zum Fall. Es kunte noch viles von unterschiedlichen / in Teutschland mehrentheils unbekandten Art- und Gattungen der Vöglen gemeldet werden / wie in Doctor Gesners Vogel-Buch / in Aldrovandi Ortinologia, und bey anderen Naturalisten mehr zu sehen ist. Mir aber / der ich nichts anders intendirt habe / als auch von diser Materi ein kleine Notitiam, samt einigen nutzlichen Reflexionibus oder geistlichen Anmerckungen zu geben / seye dieses Wenige hiervon genug.

Fußnoten

1 Art / und Beschaffenheit der Schwanen.

2 Schiffarth von den Schwanen erlernet.

3 Ob die Schwanen singen oder nicht.

4 Der Schwan ist ein Sinn-Bild der Reinigkeit und Unschuld.

5 Psal. 11. v. 15.

6 Der Gänsen seynd unterschiedliche.

7 Grosse Nutzbarkeit / und Eigenschaften der Gänsen.

8 Wachtsamkeit ist von den Gänsen zuerlernen.

9 Geschicht.

10 Isa. c. 58. v. 1.

11 C. 3. v. 17.

12 Klug- und Behutsamkeit der Gänsen soll manimitiren.

13 Schweigen ist gut.

14 Ein guter Politicus muß sich in die Zeit zuschicken und die Gelegenheit zugebrauchen wissen.

15 Rom. c. 12. v. 23.

16 Mängel und Untugenden der Gänsen.

17 Behutsamkeit im Reden ist nothwendig.

Eccl. c. 5. v. 15.

18 Der Enten seynd unterschiedliche.

19 Liebhaber unreiner und sündlicher Gelüsten seynd den Enten gleich.

20 Wunderliche Enten-Zucht in China.

21 Geschicht.

22 Der Eiß-Vogel ist ein wunder seltsamer Vogel.

23 Seltsame Arth zu nisten und zu brüten.

24 Wunderbarliches Nest des Eiß-Vogels.

25 Wie der Kranich beschaffen seye.

26 Schöne Ordnung und Behutsamkeit im Flug der Kranichen.

27 Gutes Regiment und Policey-Ordnung ist von den Kranichen zu erlernen.

28 Absonderlich die Wachtbarkeit.

29 Exempel der Wachtbarkeit und Sorgfalt.

30 Uneinigkeit ist schädlich.

31 Den Kranich-Flug sollen wir imitiren.

32 Art und Beschaffenheit des Reigers.

33 Der Reiger lehrt die Gefahr fliehen.

34 Art und Beschaffenheit des Vogel Ibis.

35 Schlimme Christen mit dem Vogel Ibis verglichen.

36 Geistliche Lehrer und Prediger seynd gleich dem Ibis.

37 Des Storcken Natur und Eigenschafften.

38 Was Gutes von den Storchen zu lernen.

39 Klugheit der Storcken ist zu bewunderen und imitiren.

40 Geschicht.

41 Was ferners von dem Storchen zu loben / und zu imitiren.

42 Sittliches Fabel-Gedicht gleiches mit gleichem vergelten.

43 Matth. c. 7. v. 2.

44 Isa. c. 33. v. 2.

45 Des Straussen Gestalt / und Beschaffenheit wird beschrieben.

46 Eigenschafften der Straussen.

47 Job. c. 39.

48 Thorheit des Straussen wird getadlet.

49 Sorglose und liederliche Menschen mit dem Straussen verglichen.

50 Psal. 11. v. 9.

51 Sap. c. 9. v. 15.

52 Was der Pelican vor ein Vogel seye.

53 Christus der HErr mit einem Pelicanen verglichen.

54 Osee. c. 6. v. 1. & 2.

55 Was von dem Vogel Phönix zuhalten seye.

56 Der Vogel Phönix ist ein Sinn-Bild der Auferstehung.

57 Christus ist der edliste Phönix.

58 Wie der Paradeyß-Vogel beschaffen sey.

59 Der Paradeyß-Vogel ist ein Sinn-Bild des beschaulichen Lebens.

60 Gestalt und Beschaffenheit des Papageyß.

61 Fernere Eigenschafften dieses Vogels.

62 Geschicht.

63 Kinder reden was sie hören.

64 Falsche Schmeichler seynd politische Papagey.

65 Bedachtsamkeit im Reden ist absonderlich denen Regenten nothwendig.

66 Eccl. c. 5. v. 15.

IX. Von etlich kriechenden und anderen Thieren
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von der Schlangen.

Die Schlang ist zwar insgemein gifftig und schädlich /auch deßwegen von jederman verhaßt / aber doch wegen ihren sonderbahren Eigenschafften kein verächtliches / sondern ein berühmtes / und der Betrachtung wohl würdiges Thier / von welchem auch in der Heil. Schrifft des Neu- und Alten Testaments Meldung geschihet / allwo ihr sonderbahre Klugheit oder Arglistigkeit angemercket wird. 1 Sie wird auf Lateinisch Serpens genennt à serpendo, von dem Kriechen; massen GOTT in dem Paradeyß zu der Schlang gesprochen hat: Super pectus tuum gradieris: Auf deiner Brust sollst du gehen. 2

Es hat zwar GOtt feurige Schlangen unter das Israelitische Volck in der Wüsten geschickt / zur Straff seines Murrens / aber auch bald darauf [516] dem Moysi befohlen eine ehrine Schlang aufzurichten / und die sie anschaueten / wurden alsobald heil und gesund von den Schlangen-Bißen / weilen sie Christum den gecreutzigten beditten hat: Auch David in den Psalmen ladet neben anderen Thieren die Schlangen GOtt zu loben ein: Serpentes & volucres pennatæ etc. 3

Es gibt aber der Schlangen vilerley Art und Gattungen in unterschidlichen Länderen. 4 In Doct. Gesneri Schlangen-Buch ist ein gantze Listen derselben mit eigentlichen Nämen benahmset zu ersehen. Haubtsächlich aber können sie wegen ihres Aufenthalts in Meer- oder Wasser-Schlangen und Erd-Schlangen abgetheilt werden. Vil deren seynd gifftig und schädlich / einige aber ohne Gifft und ohnschädlich / ja auch gut zu essen. Gewisse Völcker am rothen Meer gelegen /sollen sich / wie Gesnerus schreibt / zum grossen Theil von Schlangen ernähren / wie auch in Brasilien von den wilden Heyden geschicht etc. In Indien seynd die Schlangen absonderlich häufig anzutreffen: sie seynd aber an der Gestalt / Farb / und Grösse sehr ungleich / theils kleiner / theils aber ungemein vil grösser als die Ateren / offt mit vilerley Farben oder Flecken gesprengt.

Ja zu Zeiten / wie Plinius l. 8. c. 14. schreibt /einer so ungeheuren Grösse / daß sie auch zimlich grosse Thier und Menschen gantz und lebendig verschlucken mögen / wie auch mit den Elephanten streiten / selbe umwicklen und überwinden. 5 Auch in Africa gibt es Schlangen einer entsetzlichen Grösse. InBello Punico hat Adtilius Regulus sein Lager nah bey dem Fluß Bragadam geschlagen / und mit einer so wunder grossen Schlangen zu streiten gehabt / daß er die Macht und die Waffen seines Kriegs-Heers hat anweden müssen / und sie wie ein Festung bestreiten /biß daß er sie überwunden hat. Der Balg aber von diser Schlang ist nacher Rom gebracht / und in einem Tempel aufgehencket lange Zeit verblieben: Er ware 120. Schuh lang / wie vornehme alte Geschicht-Schreiber bezeugen. Auch in Italien ist ein Knab noch gantz in dem Bauch einer Schlangen / die ihn verschluckt hat gefunden worden. Aber über alles ist /was Possidonias und Strabo bey Gesnero in seinem Schlangen-Buch schreiben: Daß nemlich in der InsulMacra einstens ein todte Schlang sey gefunden worden / welche einen gantzen Jauchert lang gewesen /und so dick / daß wann auf beyden Seiten zwey Mann zu Pferd gesessen seyen / haben sie vor der Schlang einander nicht sehen können. Was die Wasser- oder Meer-Schlangen anbelangt / seynd selbe zu Zeiten so groß / daß sie gantze Galeren dörffen anpacken / und die Leuth daraus hinweg raffen.

Obwohlen solche ungeheure grosse Schlangen vilmehr Drachen zu nennen seynd; massen die Drachen nichts anders als überaus grosse Schlangen zu seyn scheinen / welche auf der Erden / mit / oder ohne Flügel / zu Zeiten auch mit zween Füssen und grossen Klauen versehen seynd.

Die gemeine Schlangen aber haben ein subtile lang und schwartze zweyspitzige Zung / die sie auf das schnelliste bewegen: sie seynd sehr gefräßig / und wie die Natur-Kündiger beobachten / halten sie den vorderen Leib in die Höh / damit die Speiß desto geschwinder in den Bauch hinab komme. 6 Sie haben kleine Augen / und ein blödes Gesicht / und sehen nicht vil gerad für sich / deßwegen sie auch gemeiniglich nicht gerad / sondern krum oder überzwerch kriechen. Ihre Zähn aber gehen Seegen weiß übereinander / und krümmen sich gegen dem Maul / die Speiß desto besser zu behalten. Unter den oberen Zähnen aber haben sie einen / oder wie andere wollen zwey /die lang und hol / oder gelöchert seynd / durch welche sie nach dem Biß das Gifft ausgiessen. Ihr Schweiff /wann er ihnen abgehauen wird / soll er wiederum wachsen / und zu nechst demselben sammlen sie ihr Gifft / wie einige Naturalisten darfür halten / welches von dannen in das Maul / oder die Zähn durch ein dinne Blater geleitet und aufbehalten wird / welche Blater / so bald sie beissen / [517] verspringen soll. etc. Bey dem Guatimalischen Gebürg und an den Wässeren desselben gibt es so giftige Schlangen / daß wann man selbe nur mit einem Stecken anrühret / so laufft das Gifft an / oder durch den Stecken hinauf / und dringt biß in den Leib des Menschen / und tödtet ihn /es sey dann / daß er der Schlangen mächtig werde /dieselbe erschlage / und sich mit ihrem Blut bestreiche / da er dann nicht stirbt / aber doch lang gequälet wird.

Vast eben also wie diese Schlangen Art ist eine böse lästerliche und Ehr abschneidische Zung beschaffen / sie beschädiget und verletzt auch von weitem: (wann man den Ehr-Abschneider nur berührt oder ein wenig belaidiget) und zwar ihrer zwey oder gar drey auf einmahl / dann sie ist zwey- oder dreyspitzig / nemlich den / so verschreyet wird / den Zuhörenden durch die Ergernuß / und sich selber durch die Sünd. 7 Von diesen und dergleichen hat David in den Psalmen gesprochen: Dentes eorum arma & sagittæ, lingua eorum gladius acutus. Ihre Zähn seynd Waffen und Pfeil / und ihr Zung ist ein scharffes Schwerdt. 8

In der Insul Zeyland soll es ein Art Schlangen geben / welche Crönlein aufhaben / und deßwegen wohl mögen Schlangen-König genennt werden / welcher Nahmen zwar auch dem Basiliscken gegeben wird. 9 Es gibt aber daselbst auch ein gewisses Thierlein / in der Grösse wie ein Wieselein / welches den Schlangen sehr feind ist: und wann es mit derselben streiten will / da beißt es zuvor ein Stücklein von einer gewissen Wurtzel ab / welche grosse Kraft wider das Schlangen-Gifft hat / mit dieser bestreicht und bewaffnet es sich: alsdann greifft es seinen Feind / die Schlang muthig an / und lasset nicht nach / biß es sie zu todt gebissen hat. Auf solchen Schlag sollen wir auch / wann wir mit der höllischen Schlang dem Teufel / und seinen Versuchungen zu streiten haben /uns bewafnen und bezeichnen / nicht zwar mit einer Wurtzel / sondern mit dem heylwerthen Holtz des Heil. Creutzes / und alsdann in Krafft desselben hertzhafft streiten / und nicht nachlassen biß wir den Feind überwunden haben. Die Zeylaner / und auch die Portugeser / so dahin kommen / schauen öffters mit Lust solchem Scharmützel zu / der sich zwischen dem Schlangen-König / und dem gemeldten Thierlein begibt. Aber unserem Kampf wider die höllische Schlang thun die Engel und Heilige GOttes nicht nur mit Lust zuschauen / sondern auch beystehen / streiten helffen / und überwinden.

Scytale ist ein vilfärbig oder gesprenglete Schlang so schön / daß sich die Menschen und Thier darüber verwundern / aber wann die kleinere Thier sich an ihrer Schönheit vergaffen / darein verlieben / und sich deßwegen ihr zu näheren / da verwischt sie selbige gehlingen / bringt ihnen das Gifft zu / und tödtet sie. Eben also ergeht es auch im sittlichen Verstand einem manchen unbehutsamen Jüngling / wann er sich an schön-geschmuckten und liebkosenden Weibs-Bilderen vergafft / sich ihnen zu vil näheret und vertrauet etc.

Cerastes oder die gehörnte Schlang / wird also genennt / weil sie auf dem Kopf zwey Hörnlein hat. 10 Sie ist ein oder zwey Elen lang / und hat an dem Bauch harte Schupen / welche ein Geräusch machen /wann sie auf der Erden kriecht. Sie ist weißlecht oder Sand-färbig / also / daß man sie bißweilen für Sand ansihet / darauf tritt / und dardurch in Lebens-Gefahr gerahtet. In Africa sollen gar vil dieser Schlangen seyn / und absonderlich in den sandächtigen Oeden in Lybien. Diese Schlangen Art ist sehr listig / und stellet absonderlich den Vöglen nach: sie verbirgt sich deßwegen in den Sand / und strecket nichts als die Hörnlein herfür / die Vögel aber vermeynend / es seyen Würm oder was dergleichen / fliegen darauf zu / und alsdann springt die Schlang gar schnell herfür /und fangt die Vögel auf. Durch diese Schlang können verstanden werden die falsche Lehrer und Sectirer /die Schmeichler / Schein-Heilige und alle Betrüger /welche ihre Boßheit und Falschheit unter dem [518] Sand /oder Decken der Demuth und der Aufrichtigkeit verborgen / und nur die zwey Hörner der Wohlredenheit und höflicher Gebärden herfür strecken und sehen lassen: vermittelst derselben aber die Vögel / das ist / die fürwitzige und unbehutsame Menschen an sich locken / und gleichsam unvermerckt fäßlen und vergifften /das ist / verführen oder in Irrthum ziehen.

Diaspas oder Situla die Durst-Schlang wird also genennt von dem Durst. 11 Dann sie entzündet den Menschen / welchen sie gebissen hat dermassen / daß er vor lauter Durst stirbt / oder sich zu Tod trincket /weilen der Brand also in ihm zunimt / daß er nicht zulöschen ist / deßwegen sie auch von anderen Brand-Schlang genennt wird (obwohl noch ein Unterschid unter disen seyn soll) und villeicht / salvo meliori judicio, seynd es solche Brand-Schlangen gewesen /welche in der H. Schrifft / Num. c. 21. v. 6. feurige Schlangen genennt werden. Es seynd aber diese Schlangen nicht groß / und der Schweif zugespitzt /mit zwey schwartzen Strich- oder Linien bezogen / sie schleichen mit aufgespertem Maul daher / daß auch ein Dampf darvon ausgeht. Ein solche Durst- oder Brand-Schlang ist in sittlichem Verstand der Ehr-Geitz / der Geld-Geitz / und die Geilheit etc. welche das Hertz und Gemüth / so sie eingenommen / mit einer unersättlichen Begierd entzünden / immerdar zu höheren Ehren zu gelangen / mehr Gut / Würden und Geld zusammlen / und mehr fleischliche Wollüst zu geniessen: und indem die verblendte Menschen denselben unmäßig nachtrachten / werden sie mit einer solchen schädlichen Hitz entzündet / die ihnen den ewigen Tod der Seelen verursachet.

Der Aspis-Schlangen gibt es dreyerley Arten / welche an der Grösse / Farb und Würckung des Giffts einander ungleich seynd / wie Doctor Gesner ausführlicher anmercket. 12 Sie seynd scheulich oder grausam anzuschauen: und einige derselben seynd also beschaffen / daß sie nicht nur mit beissen oder stechen / sondern auch mit ausspritzen des Giffts durch die Zähn / auf ein gewisse Distanz selbiges dem Menschen zubringen / welches gar hefftig /schnell-eindringend / und schier unheilsam ist.

Coluber, dieser Nahm wird zwar von den Lateinern (gleichwie Anguis) allen Schlangen insgemein gegeben: eigentlich aber / und insonderheit ist es ein Schlang / die dem Aal-Fisch gleichet / sie halt sich gern bey den Häuseren auf / und liebt den Schatten /streicht offt dem Wasser nach / sich abzukühlen und zuerquicken: sonsten liegt sie gemeiniglich in einem Ring oder Kugel zusammen gewicklet.

Zwischen diesen und anderen Schlangen insgemein / und zwischen dem Menschen ist jederzeit ein absonderliche Antiphati, oder natürlich-angebohrne Feindschafft verspührt worden / also daß eines das andere hasset und verfolget. 13 Diese Warheit gründet sich in dem Göttlichen Ausspruch selbsten / der gleich nach Erschaffung der Welt in dem Paradeyß geschehen ist /allwo es geheissen hat: Inimicitias ponam inter te & inter mulierem, inter semen tuum & inter semen illius. 14 Ich will Feindschafft setzen zwischen dir /und dem Weib / zwischen deinem Saamen und ihrem Saamen. Demnach haben wir wohl die gröste Ursach / daß wir die höllische Schlang auf alle Weiß /und zu jederzeit fliehen / hassen und verfolgen als unseren / und GOttes ärgsten Feind / der uns immerdar mit dem tödlichen Sünden-Gifft anzustecken / und der Seel nach zu tödten suchet. Es stehet zwar geschrieben Jac. c. 3. v. 7. Omnis natura bestiarum volucrum & serpentum domantur, & domita sunt à naturâ humana. Alle Naturen der wilden Thier / und der Vögel und der Schlangen werden gezämt / und seynd gazämt von der menschlichen Natur. Wie wir dann auch sehen / daß die Schlangen-Banner / die recht darmit umgehen / und ihnen das Gifft benehmen können / nach belieben mit ihnen spielen / ohne Schaden und ohnverletzt sie in die Händ nehmen / und in den Busen / ja gar in das Maul schieben etc. Man [519] hat auch Exempel / daß Schlangen und Atteren also seynd abgericht und gewöhnt worden / daß sie auf gewisses Pfeiffen oder Ruffen aus ihren Löcheren herfür gebrochen / Speiß aus der Menschen Händ genommen / und mit den Kinderen aus einer Schüssel geessen haben. Aber mit höllischen Schlangen last es sich gar nicht schertzen / es ist ihr niemahl zu trauen / wann sie sich schon heimisch und freundlich gestelt / ja eben alsdann ist ihr am allerwenigsten zu trauen / man soll ihr niemahl Gehör geben / und sich mit ihr einlassen /sonst wird man gewiß nicht unverletzt / und unbeschädiget darvon kommen. Dann sie ist allzeit voll des tödlichen Neid und Hasses wider den Menschen. Deßwegen ermahnt uns der Apostel sorgsam / Nolite locum dare diabolo, 15 wir sollen dieser betrüglichen höllischen Schlang kein Gehör / kein Statt und Platz geben.

Einige schreiben / der Speichel eines nüchtern Menschens seye den Schlangen unerträglich / und sie fliehen eilends darvon / wann sie von selbem getroffen werden. 16 Ob dieses allzeit zutreffe / laß ich dahin gestelt seyn. Hingegen die Schlang / so einen Menschen umgebracht hat / wird von der Erden ausgeworffen / oder ausgeschlossen / wie Ælianus und andere bezeugen / also daß sie sich nicht mehr in die Erden verkriechen / und nicht mehr in die vorige Höhle verschliessen kan: sondern sie muß immerdar obenher / auf der Erden umschweifen / sie werden auch von ihren eignen Jungen verlassen und nicht mehr erkennt. Der Basilisck aber solle mit seinem Pfeiffen alle andere Schlangen tödten.

Es gibt auch vil Thier / welche ein starcken Antipathi oder angebohrnen Haß wider die Schlangen haben / und offt hart mit ihnen kämpfen / absonderlich der Hirsch / der Igel / der Storch und der Hahn etc.

Bey den Sennereyen soll man Horn anzinden und brennen / auf daß die Schlangen sich nicht näheren /und dem Vieh schaden / sie werden auch mit Rauten und Eichen-Blättern etc. vertrieben / hingegen Fenchel und Epheu lieben sie. Der Pfau verschröckt und vertreibt mit seinem Geschrey die Schlangen: und dieses thut auch der Geruch / so von den verbrenten Federen der Geyer herkommt. Ja wie Plinius bezeugt /wer das Hertz von einem Geyer bey sich tragt / der solle nicht nur von den Schlangen / sondern auch allem andern Gifft befreyt und sicher seyn.

Von etwelchen Landschafften oder Insulen sagt man / daß es keine Schlangen darin gebe, und wann sie anderst woher dahin gebracht werden / können sie da nicht leben / weil etwann das Terrain oder aber die Lufft ihrer Natur so sehr zuwider ist / dergleichen Art sollen seyn die Balearische Insulen / die Insul Creta oder Candia, auch Sardinia und andere mehr. Es werden aber die Schlangen aus den Eyeren gezeuget /welche sie nicht nacheinander / sondern auf einmahl legen / wie Gesnerus schreibt / und hernach ausbrüten / die Natteren ausgenommen / welche lebendige Junge gebähren.

Sie verletzen niemand bey kalter Winters-Zeit / und kan man alsdann sicher mit ihnen umgehen / nicht als wann sie damahls kein Gifft hätten / sondern weil sie Frost leiden / und unempfindlich seynd. Hingegen seynd sie am allerschädlichisten bey grosser Sommer-Hitz.

Die Schlangen beissen einander selbst niemahl /seynd allzeit einig: hingegen wann sie von einem Menschen oder Thier beleidiget werden / ergrimmen sie hefftig / und lassen nicht nach / biß daß sie sich mit ihrem Gifft gerochen haben. Es ist aber das Schlangen-Gifft unterschiedlich / es hat unterschiedliche Würckungen / und nachdem es stärcker oder schwächer ist / tödtet es auch den Menschen geschwinder oder langsamer / wann dem Ubel nicht geschwind mit kräfftigen Mitlen begegnet wird. Man lieset auch / daß zu Zeiten vil Schlangen durch die Schlingen in das feindliche Lager seyen geworffen worden / oder auf andere Weiß in Fäßlein dahin gebracht / den Feind dardurch zu verwirren und abzutreiben. Ubrigens so schädlich und gifftig die [520] Schlangen ist / so werden doch vermittelst der Artzney-Kunst vil unterschiedliche Medicamenta in denen Apothecken darvon gemacht. Der Kopf / die Augen /der Schweif / die Fette / der Balg der Schlangen etc. werden pulverisirt / auf unterschiedliche Weiß præparirt / distilirt mit anderen Ingredientien miscirt /und von den Herren Medicis den Patienten für allerley Kranckheiten und Anliegen mit gutem Effect applicirt. Insonderheit wird / wie ich lise auch ein kräfftiger Theriack / so eines der besten Artzney-Mitlen wider alles Gifft ist / aus einer gewissen Schlangen-Art / Tyrus genant / præparirt. Deßgleichen das heilsame Scorpion-Oel von den giftigen Scorpionen etc.

Aus diesem und dergleichen erscheinet klar / wie daß die Göttliche Providenz und Allmacht so wunderlich disponirt / und verschafft / daß auch aus den bösen und schändlichen Dingen vil Nutzen und Gutes kan gezogen werden: und dieses zwar nicht nur in den natürlichen / sondern auch in den sittlichen Sachen. 17 Dieses bezeuget der Apostel / indem er sagt: Diligentibus DEum omnia cooperantur in bonum. 18 Denen die GOtt lieben dienet alles zum Guten: wann es schon vor den Augen der Menschen das gröste Ubel und Unglück zu seyn scheinet / als wie die Kranckheiten / Armuth und Verfolgung etc. wann man nemlich diese Beschwerden mit Gedult übertraget / so seynd sie sehr verdienstlich / und der beste Werck-Zeug /durch welche die Cron der ewigen Glori geschmidet wird. Auch das Gifft der höllischen Schlangen selber /das ist / die schwere Versuchungen des bösen Feinds /wann man ihnen weiß zubegegnen / und getreuen Widerstand thut / schaden sie nicht nur nichts / sondern sie dienen treflich wohl die Gesundheit der Seel zu erhalten / und zum ewigen Leben zu verhelffen.

Daß wir auch von den Schlangen etwas Gutes erlernen können und sollen / deutet uns Christus in dem Evangelio mit klaren Worten an / indem er zu seinen Jüngeren / als er sie den Glauben zu verkündigen / in die Welt ausgesandt / gesprochen hat: Estote prudentes sicut serpentes: Seyd klug wie die Schlangen. Die Klugheit der Schlangen aber bestehet fürnemlich in folgenden Stücken. Erstlich wann die Schlangen-Banner mit ihren gewissen Sprüchen und Beschwörungen ihnen zusetzen und sie bezwingen wollen / da verwehren sie mit allem Fleiß / daß sie die Beschwörung nicht müssen anhören: Sie trucken das eine Ohr hart auf die Erden / und das ander thun sie mit dem Schweif verstopfen.

Für das Anderte / wann die Schlang geschlagen /gehauen und gestochen wird / da ist ihr gröste Sorg und Mühe / daß sie nur den Kopf beschütze und bewahre / wann nur dieser unbeschädiget verbleibt / so achtet sie wenig / wie es dem übrigen Leib ergeht wann sie alt wird (einige sagen es geschehe alle Jahr) da thut sie sich ein Zeitlang aushüngeren / oder ißt ein gewisses bitteres Kraut / also das sie mager wird /und die Haut von dem Fleisch sich ablöset / die sie auch durch das Baden in dem Wasser erwaichen thut: alsdann schlieft sie durch ein enges Loch / oder Klumbsen eines Baums oder Steins / und dringt sich mit Gewalt durch / also daß sie den alten Balg / die alte Haut gäntzlich abstreifft. Hierauf legt sie sich an die Sonnen / und wachst ihr alsobald ein gantz neue Haut / sie wird gleichsam wiederum jung / frischer und stärcker als zuvor.

In diesen drey Stucken sollen wir auf gewisse Weiß die Schlangen imitiren und ihr nachfolgen. Wann wir etwas Böses oder Unrechtes hören / wann ein böse Gesellschafft uns zu einer Missethat bereden will /oder ein Schmeichler / ein Lügner etc. die Ohren voll anblaset / da sollen wir ihm durchaus kein Gehör geben / sondern die Ohren theils mit der Erden theils mit dem Schweif verstopfen: ich will sagen / wir sollen uns bewahren mit dem Angedencken unsers schlechten Herkommen / von Koth und Erden / und mit der Betrachtung unsers letzten [521] Ends etc. Ferners wann wir in leibliche Gefahr und Nöthen gerathen /sollen wir es so vil nicht achten / sondern fürnemlich nur befliessen seyn / daß wir die Seel / gleichwie die Schlang den Kopf / unverletzt und unbeschädiget erhalten.

Endlich und absonderlich sollen wir nach dem Exempel der Schlangen befliessen seyn uns zuerneueren / den alten Balg auszuziehen / das ist / die alte böse Sitten und Gewohnheiten abzulegen / und wie man zu sagen pflegt / in ein gantz neue Haut zuschliefen / das ist / ein neue bessere Lebens-Art an uns nehmen. Zu dem End aber sollen wir essen das bittere Kraut der Reu und Buß / und schlieffen durch das enge Loch der Mortification oder Abtödtung (dann eng ist die Porten und schmal der Weg / der zum Leben führet) auf solche Weiß in dem geistlichen Leben wiederum jung und erneueret / in der Gnad und Tugend gestärcket zu werden. Dieses ist / zu deme uns der Apostel ermahnet / indem er sagt: Renovamini spiritu mentis vestræ deponentes veterem hominem, induimini novum etc. 19 leget ab den Menschen / erneuret euch in dem Geist / und zihet an den neuen Menschen / der nach GOtt geschaffen ist. 20

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Vom Crocodill und der Schild-Krodt.

Das Crocodill ist ein grosses grümmiges Thier / dem Menschen und Thieren nachstellig und Feind: es halt sich bald in dem Wasser / bald auf der Erden auf / insonderheit an und in dem Fluß Nilus, auch in den unbewohnten Insulen / und in den Wasser-Röhren. 21 Es lebt sehr lang / und wachst immerdar / so lang es lebt / also daß es 15. biß 20. Füß / starcke Klauen / ein langen Schweif bekommt / und laufft gleichwohl sehr schnell. Der Rucken ist geschupet / und so als wie ein Panzer / also daß kein Kugel / wann man mit einem Feur-Rohr darauf schiesset / durchdringen kan / an dem Bauch aber ist es gantz waich / welches die Delphin / so ihnen feind seynd wissend / ihnen unter den Leib fahren / wan sie mit ihnen streiten / und mit ihren rauhen Stachlen den Bauch aufreissen. Die Zähn des Crocodills seynd wie die Wolfs-Zähn / die Augen aber als wie eines Schweins. Das Crocodill hat ein kleinen Ursprung / dann es kommt von einem Ey her /welches nicht dicker / aber länger ist als ein Ganß-Ey / und wachst gleichwohl zu einer solchen Grösse: die Eyer gut zu essen seyn.

Wann das Crocodill einen Menschen gefangen / getödtet und biß an den Kopf aufgefressen hat / da fangt es an zu Weinen und häufige Zähren zuvergiessen. 22 Woher nun dieses Zähren-vergiessen kommt / und was es bedeute / laß ich die Naturalisten / so dißfalls nicht einig seynd / hierüber speculiren / gewiß ist es /daß dieses Weinen des Crocodills nicht aus Reu /oder Erbarmnuß gegen dem umgebrachten Menschen herkomme / sondern vilmehr aus Grimmen und Grausamkeit / villeicht weil es noch nicht gesättiget / und weilen ihm leid ist / daß es nicht mehr solche gute Bissen zufressen hat. Hiervon ist das Sprich-Wort entstanden / daß wann man von einem sagen will /sein Mittleiden / Tauren oder Weinen seye nicht aufrichtig / es gehe ihm nicht von Hertzen / sondern es seye nur fingirt / ein Gleißnerey / da pflegt man zu sagen: es seynd lauter Crocodills-Zähren.

Das Crocodill erjagt seinen Raub insgemein nicht mit den Füssen / und ergreifft ihn anfänglich nicht mit dem Maul / sondern mit dem Schweif / in welchem es die meiste Stärcke hat: deßwegen haltet es sich gern bey dem Wasser auf / da liegt es verborgen / und hat nur die Augen heraus / zu lausteren biß daß ein Mensch oder Their herbey kommt / alsdann ist es augenbicklich mit seinem Schweif hervor / umschlingt den Menschen oder das Thier / ziechts hinein und verzehrt es. Zu Zeiten frißt es vor Hunger auch seine eigne Junge.

[522] Was nun geistlicher Weiß durch dises grausame Thier zu verstehen seye / ist bald errathen: Nemlich der höllische Feind. 23 Dieser ist der ärgste Tods-Feind des menschlichen Geschlechts / welches er immerdar verfolget bey Tag und bey Nacht / zu Wasser und zu Land / heimlich und öffentlich. Dann von ihm kan gesagt werden: Sub umbra dormit, in secreto Calami: & in locis humentibus, stringit Caudam suam. 24 Er schlafft (oder verbirgt sich) unterem Schatten im Rohr-Gebüsch / und an feuchten Oerteren: Er schwingt seinen Schwantz etc. da lausteret er auf den Raub / das ist / die meschliche Seelen zu erhaschen.

Das Crocodill hat die gröste Stärcke in den Schweiff / und mit disem thut es den grösten Schaden / es zieht die Menschen und Thier an sich / und ins Verderben. Auch von dem höllischen Crocodill / dem Lucifer selbsten steht geschriben: Cauda ejus tertiam partem stellarum Cœli trahebat etc. Sein Schwantz zog den dritten Theil der Sternen / (das ist / der abtrinnigen Englen) und warff sie auf die Erden /ja er zoge sie nach ihm gar biß in die Höll hinab. 25 Unter den Menschen aber hauset dises höllische Crocodill noch übler / nicht nur den dritten / sondern den grösten Theil derselben zieht es nach sich ins Verderben.

Das Crocodill ist sehr gefräßig und schier unersättlich / frißt zu Zeiten / wie gemeldet / seine eigne Jungen. Auch der höllische Feind ist unersättlich / er lasset niemahl ab / dem Menschen nach zu stellen / und zu schaden. Infernus & perditio nunquam implentur. Die Höll und das Verderben werden nimmer erfüllt: Und eben seine eigne / das ist / die ihm folgen und anhangen / thut der böse Feind am schlimmsten und grausamsten tractiren.

Aber so starck und grimmig das Crocodill ist / so kan doch der Mensch mit List und Vortheil es übermeisteren. 26 Es pflegen gewisse Völcker an demNilus-Fluß auf folgende Weiß das Crocodill zu fangen. Sie binden an einem langen starcken Seil einen grossen Eisen-Angel / der vil scharffe Spitzen hat / an / disen überziehen sie mit einer Schweins-Haut / und stellen selben an das Ufer des Flusses: zimlich weit darvon aber haben sie ein lebendiges Schwein / und machen / daß es überlaut schreyet: Das Crocodill / so bald es disen Vogel singen höret / eilet herbey / und wann es die Schwein-Haut / worin der Angel verborgen ligt / sihet / vermeynet es ein rechtes Schwein erhascht zu haben / und schluckt es gantz begierig hinein: da ziehen die Leut das Seil von fern tapfer an /zerreissen dem Crocodill den Bauch / und tödten es gar mit den hierzu bereiteten Waffen. Ferners solle sich / wie ich lise / in dem gemeldten Nilus-Fluß ein Insel befinden / deren Innwohner Tentiriter genennet werden / die gewöhnt und abgericht seynd / so hurtig und vortheilhafftig auf die Crocodill hinauf zu springen / und auf ihnen gleichsam daher zu reuten: Dann wann dises Thier den Kopf aufrecket / und mit aufgesperrtem Rachen nach dem Reuter schnappen will / da stossen sie ihm gar behend einen starcken Prügel in das Maul / und vermittelst desselben thun sie es als wie ein Pferd mit dem Zaum nach ihrem Gefallen bezwingen / für ein Schiff über den Fluß brauchen und leithen selbe wohin sie wollen / welches die Crocodill aus Antrieb der Natur wohl erkennend / dise Leuth nicht weniger förchten / als andere Menschen sie förchten.

Ja es gibt auch ein gewisses kleines Thierlein / Icneumon genannt / welches sich mit dem Crocodill gar gern in Streit einlasset / und des Siegs versicheret ist: Dann es gibt Achtung / wann das Crocodill sich aus dem Wasser auf das Land heraus begibt / und sich zu erwärmen an die Sonnen legt / allwo es mit offnem Maul und Rachen einzuschlaffen pflegt / alsdann springt ihm dises Thierlein geschwind in das Maul /und schlieft ihm durch den Rachen biß in den Bauch hinab / da zerbeißt und zernagt es ihm das Ingeweid /ja das Hertz selber / also daß dise Bestie vor Schmertzen verwildet / sich umweltzet / und sich doch nicht mehr [523] helfen oder wehren kan / sondern nothwendig verrecken muß. Auf dises macht ihm das gemeldte Thierlein ein Oefnung widerum heraus zu kommen /es durchfrisset den Bauch des Crocodills nach und nach / und also zieht es frey und siegreich wiederum darvon.

Ein besseren Dienst erweiset dem Crocodill ein gewisses kleines Vögelein / welches dann ihm / wann es besagter massen also da liget / in das Maul hinein fliegt / und mit seinem spitzigen Schnäbelein die Zähn ausbutzet / und sich mit dem / was von der Speiß darein hangen geblieben ist / ersättiget / oder auch wie andere schreiben / die Würm / so in ihm wachsen / heraus nimmt.

Weil nun GOtt und die Natur so wohl den Menschen / als dise kleine Thierlein mit genugsamen Mittlen versehen hat / daß sie durch List und Witz dise grimmige Bestien / das Crocodill bezwingen / und überwältigen können / so wird er gewißlich nicht ermanglen / uns auch genugsame Kräfften und Mittel zu ertheilen / daß wir das höllische Crocodill / den bösen Feind bestreiten / und seine Nachstellungen überwinden mögen? 27 Ja freylich wohl Mittel und Kräften genug / wann man selbe nur brauchen und anwenden will / so wird es an göttlichem Beystand und glücklichem Success niemahl ermanglen.

Helenus ein gottseeliger Abbt / wie Heribertus Rosweidus schreibt / kame einstens an einem Sonntag in der Fruhe in ein gewisses Kloster / und vernahme /daß an selbem Tag kein Gottes-Dienst da gehalten wurde / der Ursachen / weil der Priester / welcher hätte dahin kommen / und den Gottesdienst halten sollen / ausgeblieben ist / und ihm nicht über das Wasser getrauet hat wegen eines Crocodills / so sich daselbst aufgehalten / und grossen Schaden verursachte / auch bereits vil Menschen umgebracht hatte.Helenus aber erbotte sich / den Priester abzuholen /und sicher herbey zu bringen. Zu disem End geht er voll des Vertrauens auf GOtt dem Ufer zu, ruffet den Namen des HErren an / und macht das Heil. Creutz-Zeichen gegen den Fluß: worauf das Crocodill alsobald herbey geschwummen ist / ihme nicht nur kein Schaden zugefügt / sondern vilmehr auf seinen Befehl sich gantz gehorsam eingestellt hat / ihn auf seinen Rucken genommen / und gantz sicher an das andere Gestad hinüber getragen. Nach disem suchte Helenus den Priester / führte ihn mit sich an das Ufer des Fluß / und befahle dem Crocodill abermahl herbey zu kommen / und ihn widerum auf zunehmen / welches auch geschehen ist. Als aber der Priester das Crocodill gesehen / erschracke er hefftig darab / und nahme die Flucht: Worauf Helenus für besser erachtete / daß ein so gefährlich- und schädliches Thier sterben / als noch länger leben solte / welches dann auch alsobald geschehen / und die Besti auf die blose Wort des gottseeligen Abbts zerschnöllt / und todt geblieben ist.

Durch die Tugend oder Unschuld / durch das Gebett und Heil. Creutz-Zeichen hat diser gottseelige Abbt das ermeldte grausame Crocodill gebändiget /und erleget: Mit eben disen geistlichen Waffen können und sollen wir auch das höllische Crocodill den Teufel / bestreiten und überwinden.

Die Schild-Krott hat den Namen von der Schalen /oder dem Schild- mit dem sie bedeckt. 28 Es ist ein häßliches Thier anzusehen / mit einem breiten Leib /kleinem Schlangen-förmigen Kopf / und vier kurtzen Füssen / und einem mittelmäßigen Schweif. Die Schild-Kroten halten sich theils in dem Wasser /theils auf der Erden auf / und einige Arten derselben haben ein Fleisch / welches gut und wohl geschmack zu essen ist (dem Kalb-Fleisch nicht ungleich) wie dann in gewissen Inseln des Königreichs Tunquin und Cochin ein überaus grosse Menge Schild-Krotten-Fleisch eingesaltzen / und in verschiedene Landschafften verschickt wird. Es ist aber disen Völckeren nicht allein um das Fleisch der Schild-Kroten / sondern auch um die schöne grosse Schalen zu thun / mit welchen weit und breit ein grosser Handel getrieben wird / massen selbige polirt / und allerhand schöne Sachen daraus [524] gemacht / auch unterschidliche Gefäß darmit ausgezieret werden.

Sie werden in gewissen Länderen gar groß befunden: ich hab auch selbst ein und andere Schaale von Schild-Kroten gesehen / welche für ein rarität aufbehalten werden / und die Grösse eines runden Tischleins haben / woran vier Personen sitzen kunten. Ja es solle deren noch wohl grössere geben / benantlich in Brasilien und in dem Persischen Meer. In Teutschland aber seynd die Schild-Kroten insgemein vil kleiner /und werden hin und wieder an wässerigen Orten /auch in Gärten und Häuseren aufgezogen. Sie werden von Eyeren gezüglet / und ihre Eyer gleichen dem Eyer-Stock der Hennen. Sie kriechen gar langsam daher / und wann man sie bey dem Kopf oder den Füssen anrühret / so ziehen sie selbe alsobald ein /und verbergen sich gäntzlich unter ihrem harten Deckel / also daß ihnen obenher auf dem Rucken kein Mensch noch Thier zukommen kan: untenher aber an dem Bauch seynd sie waich.

Wann die großmächtige Schild-Krotten in dem stille Meer obenher schwimmen / und von den Sonnen-Strahlen auf dem Rucken erhitz werden / da wenden sie sich abzukühlen um / und recken den Bauch in die Höhe / die Fischer aber dieser Gelegenheit sich bedienend / werffen geschwind ein eisernen Hacken zwischen die Fugen ihrer Schalen / daß sich die Schild-Krot nimmer zusammen ziehen kan / und also bringen sie selbe an das Land herraus. 29 Wann aber der Adler Lust hat Schild-Kroten-Fleisch zu essen / und eine von den kleineren auf dem Land ersihet / und aber wegen ihrer harten Schalen mit dem Schnabel ihr nicht zukommen kan / da fasse er sie in seine Klauen oder in den Schnabel / und führt sie hoch in dem Lufft auf / von dannen aber laßt er sie auf ein Stein oder Felsen herab fallen / daß die Schale zerschmettert /und alsdann schießt er schnell von der höhe herab /und frist sie auf.

Durch dieses wird uns füglich angededeutet das unbeständig- und betrügliche Welt-Glück / welches zwar manche gehlingen / als wie der Adler die Schild-Krotten / in die Höhe aufführet / das ist / durch Menschen-Gunst zu hohen Würden und Ehren / zu grossen Reichthumen etc. erhebt / aber wie ich schon oben gemeldt:


Tolluntur in altum:
Ut lapsu graviore ruant etc. 30
Die grosses Glück hoch hat erhoben /
Wirfft das Unglück schnell zu Boden.

Gehling thut sich das Blätlein wiederum wenden /die Gönner und Patronen verliehren und verkehren sich: ja sie verfolgen offt selber eben denjenigen /dem sie kurtz zuvor auf alle Weiß favorisirt haben etc.

Ubrigens weilen die Schild-Krot so langsam darein geht / und so behutsam ist / daß sie / sobald sie nur empfindlich angerührt wird / sich gleich zusammen zieht / und unter ihren Schild sich retirirt / deßwegen / sage ich / kan sie wohl vor ein Sinn-Bild der Behutsamkeit gehalten werden: dann dieser ist es eigenthumlich / langsam oder wohlbedacht in die Sach zugehen / nichts zu übereilen / alle bevorstehende Gefahr sorgfältig zu meiden / und sich zeitlich retiriren /oder in Sicherheit zusetzen. 31 Absonderlich wann die Kräfften zu schwach seynd / dem Feind offentlichen Widerstand zu thun / alsdann soll man sich nicht zu weit einlassen / sondern wie die Schild-Krot in oder zuruckhalten / und nur defensivè, und nicht offensivè gehen / das ist / nur sich selbst zu beschützen / nicht aber andere zu beschädigen suchen.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Seiden-Wurm / und von der Spinnen.

Die Seiden-Würm seynd in dem Teutschland nicht vil bekant / in Italien aber ist ein unzahlbare Menge derselben anzutreffen: sie seynd dem äuserlichen Schein nach schlechte und unachtsame / aber doch sehr nutzliche Thierlein / welchen man um [525] den so schönen Seiden-Zeug zu dancken hat / weilen aus ihrer Gespunst alle Seiden hekommt / mit welcher ein so grosser und kostbarer Handel weit und breit getrieben wird. 32

Es würcket und zeiget sich die Natur gar wunderbarlich in den Seiden-Würmen: dann diese werden von dem Saamen oder Eyerlein der älteren Seiden-Würmen / so den Hirskörnlein gleichen / gezüglet /welche von der Sonnen oder einer anderen mäßigen Wärme ausgebrütet / und zu Würmlein werden / und dieses geschicht zur Zeit / da die Maulbeer-Bäum ausschlagen / und frisches Laub bekommen / welches ihr gewöhnliche Speiß ist / so man ihnen geben muß /aber nichts nasses / welches ihnen schädlich ist / sondern alles trucken. Zu seiner gewissen Jahrs-Zeit seynd sie in Häutlein oder Hülsen eingemacht und überzogen / zu einer anderen aber kriechen sie aus /nicht auf dem Boden herum / sondern aufwerts so hoch sie können / und endlich bekommen sie Flügelein / fast als wie die Raupen oder Kraut-Würm im Winter eingehülset seynd / im Sommer aber zu kleinen weissen Vögelein / Pfeifholder oder Zweyfalter werden / in den Gärten umfluderen / sich auf das Kraut und den Köl setzen / und durch ihr Geschmeiß oder Saamen wiederum neue Raupen oder Kraut-Würm herfür bringen.

Die Gespunst der Seiden-Würmen besteht in dem /daß nach und nach ein Materi wie gar zarte / doch zimlich starcke Fäden von ihrem Mund oder Leiblein ausgehet / welche hernach durch die Kunst der Seiden-Fabric auf unterschiedliche Weiß gearbeitet / zugericht / und gefärbet werden. Dann von Natur ist alle Seiden weiß oder gelb. Wann die Seiden-Würm ein Zeitlang gesponnen haben / da thun sie sich also ausspinnen / und abmerglen / daß sie sterben / und nichts als ein leeres Häutlein oder Hülsen von ihnen übrig bleibet. Also daß ihnen meines Erachtens eben dasjenige Lemma, oder die Sinn-Schrifft / wie einer brennenden Kertzen füglich kan zugeeignet werden / nemlichen:


Officio deficio.
Fremden Nutzen zu vermehren /
Thu ich mich selbst verzehren.

Hingegen aber seynd die Seiden-Würm gar haicklich / und müssen wohl verpfleget werden / sonst spinnen sie nicht: die kalte und rauhe Wind können sie nicht leiden / ja auch nichts Nasses / ind kein starckes Getös / als das Schiessen oder Donner-Klapf etc. man muß die Wohnung / so ihnen eingeben worden /sauber halten / und absonderlich von den Mäusen und Ameisen bewahren / auch sie mit keinem Oel berühren / sonst sterben sie darvon.

Durch das Aufkommen und durch die Arbeit der Seiden-Würm wird uns füglich das menschliche Leben vorgebildet: dann wann der Mensch zur Welt gebohren wird / da ist er gleichsam ein armer und armseeliger Erd-Wurm / der nichts kan als essen /schlafen / weinen und seinen Elteren vil Ungelegenheit / vil Mühe und Sorg machen: Er muß gar haicklich tractirt oder auferzogen werden: ein junges Kind kan kein Rauhe oder Ungemach ausstehen / kein grosse Hitz noch Kälte erdulden etc. wann aber dises Würmlein groß wird und auskricht / ja endlich gar Flügel bekommt / ich will sagen / wann der Mensch erwachset / da will er nicht auf der Erden umkriechen / oder in der Niedere verbleiben / sondern aus angebohrnem Hochmuth will er nur immerdar höher steigen / ja höher fliegen etc. 33 Mit seinem Gespunst aber / das ist / mit seiner Mühe und Arbeit ergeht es ihm als wie den Seiden-Wurm: dann dieser spinnt ihm ein grossen Flecken oder Büschlein zusammen /worinn er als wie in einem Nest oder in einem Grab verborgen stecket / er wird aber nicht feist darbey /sondern vilmehr gantz ausgemerglet / und gantz verdorret stirbt er ab / die Seiden nimt man hinweg / und er hat nichts darvon / sondern es heißt: Sic vos non vobis etc. nur für andere Leuth hat er gearbeitet.

[526] Eben also wann der Mensch als wie ein Seiden-Wurm in seinem Leben lang genug gesponnen / das ist / um Gut und Geld sich bemüht / und beworben hat / auch ein Menge desselben zusammen gebracht /und gantz darein vertieft und vergraben ist / da wird er doch nicht feist daran / er hat kein wahren Nutzen darvon / sondern vilmehr thut er sich darbey gantz abmerglen und ausspinnen: es heisset auch bey ihm als wie bey dem Seiden-Wurm. 34


Officio deficio.
Der anderen Güter zu vermehren /
Thue ich mich selbsten gantz verzehren.

Weib und Kinderen zu bereichen thut ein solcher Seiden-Wurm / oder vilmehr ein Geitz-Wurm sich zu tod spinnen: und wann er gestorben und verdorben ist / da nehmen die lachende Erben die Seiden ja das Silber und Gold hinweg leben / und bekleiden sich stattlich darmit etc. den geitzigen Seiden-Wurm aber / der bey Lebs-Zeiten nicht hat wollen von sich geben / und doch wohl verpflegt und bedient werden / den verschliessen sie in ein höltzerne Truchen / das ist / in die Todten-Baar / und verscharren ihn unter die Erden / allwo er von den anderen Würmen gefressen wird /und alsdann heißt es stulte quæ parasti cujus erunt? 35 Du Narr wessen wird es seyn was du bereitet hast?

Ubrigens wird der Seiden-Wurm auch für ein Sinn-Bild der Auferstehung gehalten: dann nachdeme er mühesam gearbeitet / und ihm selbsten ein Nest oder Bett aus Seiden / zugleich aber auch sein eigenes Grab gesponnen hat / da stirbt er darinnen ab. 36 Aber über ein Zeitlang kommt er wiederum lebendig aus demselben herfür / nicht mehr als wie ein Wurm /sondern als wie ein Vögelein (dann es wachsen ihm Flügel) und flieget frölich darvon. Also auch der Mensch nachdem er in diesem sterblichen Leben gearbeitet / und ihm selber Seiden gesponnen / das ist /durch Ubung der guten Wercken reichliche Verdienst gemacht hat / da stirbt er ab / er wird zu Staub und Aschen: aber zur Zeit der Auferstehung kommt er wiederum lebendig aus dem Grab herfür / nicht wie er zuvor gewesen ist sterblich / sondern mit einem unsterblichen Leib / und flieget in den Himmel auf etc.

Was aber die Gespunst der Seiden-Würmen / nemlich die Seiden und seidene Kleider selbsten anbelangt / so ist es gewiß daß vor alten Zeiten / eh die Seiden-Würm aus Indien in Europa seynd gebracht /da bekant und gezüglet worden / die Seiden sehr rar theur und kostbar gewesen seye / ja / wie ich lise / gar dem Gold gleich gewogen worden: also daß kaum Königliche und Fürstliche Personen sich mit seidenen Zeug bekleidet haben: wie es aus den Worten des Kaysers Valeriani erhellet / der etwas gesparsamers ware / und sich nicht darzu resolviren kunte; dann als seine Gemahlin die Kayserin um ein seidenes Kleid bey ihm angehalten / hat er ihr solches als gar zukostbar abgeschlagen / und gesprochen: Absit ut auro fila pensentur. 37 Es seye fern daß ich Fäden mit Gold abwegen thue. Doch haben mit der Zeit die fürnemme Frauen-Bilder das Recht erhalten seidene Kleider zu tragen: aber den Männeren blibe es noch lang verbotten. O wie sehr veränderen sich die Zeiten! indem heitiges Tags einer manchen Edel-Frauen / wann sie schon nicht von den fürnemsten und den feinisten ist /ein seidenes Kleid / welches vor Zeiten einer grossen Fürstin zu kostbar ware / nicht gut genung ist / wann es nicht noch darzu mit Silber und Gold vermengt ist.

Die Seiden-Würm stiften zwar mit ihrer Arbeit vil gutes in die Kirchen und Clöster / die Altär und Paramenta oder priesterliche Meßgewand / mit schönen seiden Zeug zuzieren: sie stiften auch vil böses zur Hoffart / und den übermäßigen Kleider-Pracht darmit zu führen.

In dem alten Testament war aus Göttlichem Befehl gebotten / daß der Hohe-Priester Aaron in dem Tempel bey dem Opfer haben solle ein Schulter-Kleid von Gold und [527] Himmel-blauer Seiden / von Purpur-Seiden / und zweymahl gefärbter rother / und weisser gezwirnter Seiden. 38 Aber heutiges Tags muß zu Zeiten der Priester bey dem Altar des Allerhöchsten mit einem Meß-Gewand von schlechten Zeug für lieb nehmen / welches noch geflickt darzu /oder schmotzig genug ist / da entzwischen ein mancher oder manche / so von schlechtem Herkommen /und von schlechten Ehren ist / in seydenen Kleideren daher pranget: welches eben so vil ist / als wann man ein altes schandliches und baufälliges / innerhalb gantz unflätiges Hauß (also ist der menschliche Leib beschaffen) mit Kupfer decken / und ausserhalb mit schönen Farben anstreichen thäte. 39 Oder wann man ein schlechte Hauß- oder Vieh-Magd (verstehe den Leib) in Seyden und Sammet kleiden / und kostbar ausziehren thäte / die edle Hauß-Frau aber / ich will sagen / die Seel / gantz zerlumpet / und verschmotzet / ohne allen Zierd der Tugend und guten Wercken / ja gar nackend und bloß / das ist / ohne das kostbare Kleid der Gnad GOttes ließe daher gehen. O tempora O mores! O verkehrte Zeit und Sitten! Von denen /die es also machen / kan billich gesagt werden / was Christus in dem Evangelio von den Gleißneren gesprochen hat / sie seyen gleich den geweißten Gräberen / die auswendig vor den Leuthen hübsch scheinen / aber inwendig seynd sie voller Todten-Bein und alles Unflats / das ist / sie gehen schön und kostbar gekleidet daher / innerlich aber seynd sie gantz armselig / voller Eitelkeit / voller Sünd und Laster etc.

Solchen übermäßigen Kleider-Pracht der Hochmüthigen fort zu führen / müssen offtermahl die arme Seyden-Würm / ich verstehe / die arme Baurs-Leuth oder Unterthanen / sich bey nahem zu todt spinnen oder arbeiten / und sich gantz abmerglen / also daß sie kaum die leere Haut / als wie die Seyden-Würm /darvon bringen.

Von dem Seyden-Wurm auf die Spinnen zu kommen / sage ich / daß dise eben so fleißig / und eben so künstlich und zart / aber zu dem menschlichen Gebrauch nicht so nutzlich / als wie die Seyden-Würm spinnen. 40 Sie bemühen sich sehr ihr Garn oder Netz ordentlich auszuspannen / die Fäden mit ihren Füßen aus der in ihrem Leiblein oder Ingeweid eingeschlossenen Wollen heraus zu haspeln / dieselbe theils in die Runde / theils nach der Länge oder überzwerch /gantz gleichförmig anzulegen / und mit ihren gewissen Bündungen zu verknüpfen und befestigen / und dises auch bey finsterer Nacht / und / also zu reden von freyer Hand machen sie ein so künstliches Gebäu: Sie brauchen kein Grund-Riß darzu / kein Circul noch Maasstab / und fehlen doch um kein Haar von der rechten Proportion: und wann ihnen ihr Haus zerstöhrt oder eingerissen wird / bauen sie unverdrossen und unermüdet gleich widerum ein anderes. Ja sie thun sich zu Zeiten mit spinnen also abmatten und ausmerglen / daß sie an der Arbeit todt bleiben.

Aber zu was Zihl und End geschicht dises alles? was haben sie von all ihrer Mühe und Arbeit? Nichts anders / als etwan ein armes Mücklein / welches ihnen etwan eingeht / und zum Raub wird / nachdem sie lang genug darauf gelausteret / und gepasset haben: Ja auch dises ist ungewiß; dann gehlingen kommt die Hauß-Magd mit einem Besen darüber her /und zerstöhrt in einem Augenblick das gantze Spinnen-Geweb / an welchem die Spinn so lang und mühesam gearbeitet hat: ja noch darzu würfft sie die Spinnerin selbst zu Boden / und vertritt sie mit Füssen.

Dises gedunckt mich ein lebhaffter Entwurff der menschlichen Eitelkeit zu seyn. 41 Es bemühen sich offtermahl die eitle Welt-Menschen hefftig und lang /sie thun sich gleichsam ausspinnen / strapaziren und abmatten / biß auf den Todt in Ergründung verborgner Sachen / in Erfindung neuer Dingen / in Aussinnung allerhand hoher Concepten / und weitschichtigen Anschlägen / wie sie ihre Sachen anstellen / ihr grosses Glück machen / und es immerdar [528] höher bringen mögen. Aber was gewinnen sie mit diesem allem? was bringt sie endlich zuwegen? nichts anders als etwan ein kleinen zeitlichen Gewinn / ein eitle Ehr /oder ein schnöden Wollust. Ja offt auch dieses nicht: dann gehling und unvermuthet kommt der Tod / oder ein anders Unglück über sie daher / und wirfft in einem Augenblick das gantze Gebäu ihres Glücks und Ansehens darnieder / an welchem sie so lang und mühesam gearbeitet haben / da heißt es / In vanum laboravimus, das Spinnen-Geweb ist zerrissen / labores eorum sine fructu, & inutilia opera eorum. 42 Alle Mühe und Arbeit ist umsonst.

Ja alle zeitliche Glückseeligkeit ist einem schwachen Spinnenweb gleich / und wird gar leicht von einem Wind eines widrigen Zufalls zerrissen und zernichtet. Welches der König David wohl erkennt /indem er gespochen hat: Anni nostri sicut aranea meditabuntur. 43 Unsere Jahr seynd zu achten als wie der Spinnen Geweb: und diese Wahrheit trifft nicht nur die niedere und geringe Personen / sondern auch die grosse König und Fürsten: auch die Macht desAlexandri, die herrliche Triumph des Pompæji, der Pracht und die Glori Julii Cæsaris und Augusti seynd zernichtet und zergangen als wie ein Spinnen Geweb. Ja alle Reich der Welt / alle Schätz / Wollüst und Hoheiten seynd ein lauteres Spinnen-Garn / in welchem doch die Menschen sich also verwicklen und verstricken / daß sie ihnen selber nicht mehr können daraus helfen. Wann in einem Hauß hin und wieder vil Spinnen-Geweb gesehen wird / ist es ein Zeichen / daß unfleissige Leuth in dem Hauß seyen / welche die Sauberlichkeit wenig lieben oder achten: also auch wann das menschliche Hertz mit dem Spinnen-Geweb der Eitelkeiten und zetlichen Begierden verwicklet ist / da ist es ein klares Anzeichen / daß man sich der Reinigkeit des Gewissens wenig befleisse. 44

Ferners kan auch füglich durch die Spinnen mit ihrem Geweb der böse Feind mit seinen Versuchungen verstanden werden; dann auch dieser spannet überall das Garn seiner Versuchungen aus / und lausteret biß ihm der unbehutsame Mensch eingehet /und in diesem Garn behangen bleibt / das ist / in die Versuchung einwilliget / da verstricket und verwicklet er ihn als wie ein Spinn die Fliegen / erstlich zwar mit den Stricken der Falschheit des betrüglichen Wollusts in dem Sündigen / hernach aber mit den Stricken der bösen Gewohnheit zu sündigen / und endlich (wann nicht GOtt sonderbare Gnad gibt) mit den Stricken der Verzweiflung / auf daß er sich also seiner völlig bemächtige / und dieser ihm nicht mehr entrinnen möge. Darum hat auch der heilige Paulus gesprochen: Die reich werden wollen / fallen in Versuchung /und in die Strick des Teufels. 45

Aber zu mercken ist / daß gleichwie die Spinnen nur die kleine schwache Thierlein / als Fliegen / Mucken und dergleichen in ihrem Garn zufangen / und zuverstricken pflegt / die grössere und stärckere Thierlein aber / als wie die Wepsen und Hurnaussen / etc. wann sie an einem Spinnen-Geweb anstossen / schlagen sie sich durch / zerreissen der Spinnen ihr Garn /verjagen sie / und fliegen ungehindert fort: eben also kan der Teufel in dem Garn und Fall-Stricken seiner Versuchungen nur diejenige fangen und aufhalten /welche klein und schwach in dem Glauben und der Tugend seynd: die Stärckere und Tugendhaffte aber schlagen sich leichtlich durch / sie zerreissen das Garn / das ist / sie verstöhren und zernichten die Anschläg oder Vorhaben des höllischen Feinds / und jagen ihn selber in die Flucht.

Sie schwingen sich auf über das Garn der bösen Versuchungen / weilen sie begabt seynd mit starcken Flüglen der Forcht und Liebe GOttes.

Es können zwar in gewissem Verstand auch die Kleine / das ist / die Demüthige bey diesem höllischen Spinnen-Geweb durchdringen / oder sich durchschlagen / wie aus folgender Geschicht erhellet.

[529] Der Heil. Einsidler Antonius hatte ein Erscheinung / in welcher er in dem Geist sahe / wie daß der böse Feind den gantzen Himmel mit einem weit und breit ausgespanten Netz oder Garn unterzogen hatte / dardurch zu verhinderen / daß kein menschliche Seel frey in den Himmel auffliegen könne. 46 Der Heil. Mann erschracke von Hertzen darüber / und schrye auf mit den Apostlen: Quis ergo poterit salvus fieri? 47 Wer kan dann seelig werden? er hört aber bald ein himmlische Stimm sprechend / Humiles, die Demüthige: dann obwohlen durch die Boßheit des Teufels der gantze Himmel mit dem Garn überzogen ist / so hat es doch vil Löcher / also daß die kleine Vöglein /das ist / die demüthige Seelen leichtlich durchschliefen können / er kan sie nicht hinderen. Die Grosse aber / das ist / die von Hochmuth aufgeblasene / oder mit ungerechtem Gut beladene etc. bleiben stecken in dem Garn der höllischen Spinnen / incidunt in laqueum diaboli etc. über dieses kan man auch scopâ pœnitentiæ, mit dem Besen der Buß und Abtödtung das höllische Spinnen-Geweb / verstehe die Versuchungen des bösen Feinds leichtlich zerstören und zernichten.

Die Spinnen haben vil aber ungleiche Füß / mit denselben flechten / heften / knüpfen / subtilisiren und verlängeren sie die Fäden / sie hencken sich selber darmit auf. 48 Sie haben auch ein sehr subtiles Fühlen oder Antasten / wann man ihr Garn im gerinsten berührt / so empfinden sie es gleich; sobald ein Mucken oder Fliegen in ihr Garn eingeflogen ist / lauffen sie geschwind hinzu / verwicklen und verstricken sie noch mehr / saugen ihr alle Feuchtigkeiten aus / und lassen nichts als den leeren ausgedorten Cörper über. Durch dieses deuten sie uns an die Wucherer und Geitzhälß / die ungerechte interessirte Richter undAdvocaten; das Netz und Garn / und vilfältige ungleiche Füß seynd ihre falsche Contract, allerley falsche Renck / krumme Spring und Griflein / Krümmungen der Gesetz und Rechten / zweyfelhafftige oder zweydeutige Wort und Verheissungen etc. sobald nun einContrahent, ein Client oder streittende Partey ihnen eingehet / da verwicklen und verstricken sie selbe /daß sie sich nicht mehr loßmachen können: sie saugen selbe gäntzlich aus / das ist / sie bringen sie um ihre Mittel / und lassen selbe gantz ausgemerglet / in ihrem Garn verstricket hangen / als wie die Spinn ein Fliegen. An einer solchen unglücklichen Fliegen /oder armseeligen Menschen werden erfüllt die Wort des gedultigen Jobs / immisit in rete pedes suos, tenebitur planta illius laqueo. Er hat seine Füß ins Netz gesetzt / und sein Fuß-Solen wird mit dem Strick angehalten.

Doch aber ist auch das Spinnen-Geweb nicht gar so unnütz / daß es nicht auch zu etwas zu brauchen seye: wann man sich mit einem Messer geschnitten /oder sonsten verwundet hat / und ein Spinnenweb auf die Wunden legt / so stellt es das Bluten / trucknet die Wunden / stillet den Schmertzen / und verhindert dieInflammation. 49

Ja es hat GOtt einstens mit dem Spinnen-Geweb ein Miracul gewürcket: als nemlich der H. Priester und Martyr Felix zu Nola vor den Glaubens-Feinden /die ihme nacheilten / flohe / und sich in einem Winckel zwischen zweyen Mauren verbarg / da ist selbiger Winckel augenblicklich mit Spinnen-Geweb überzogen worden / also daß man ihme nichts wenigers hätte einbilden können / als daß allererst ein Mensch dahin sich verborgen habe / und mithin der Heilige der Gefahr entgangen. 50


Sic ubi Christus adest nobis & ara a muro est:
At ub Christus abest, & murus aranea fiet.
So lang dir GOttes Gnad beysteht /
Auchs Spinnen Gweb dich beschützet:
Sobald aber sie dir entgeht /
Kein Gwalt noch Stärck dich nutzet.
Der 4. Absatz
[530] Der 4. Absatz.
Von den Immen oder Bienen.

Von den Immen oder Bienen haben bereits vil alte und neue Authores weitläuffig- und gantze Tractätlein geschrieben. Benantlich handlet unter den neuen Scribenten gar ausführlich hiervon Herr von Hochberg in des adelichen Land-Lebens zweyten Theil.

Von ihrer Arbeit / nemlich dem Honig und Wachs machen / hab ich schon oben im 1. Theil. 10. Cap. 5. Absatz etwas gemeldet.

Es seynd aber die Immen oder Bienen insgemein kleine schwartz-braune Thierlein / und haben an ihren Hüfften vier Flügelein unterschiedlicher Farb / deren hindere zwey etwas kleiners seynd. 51 Sie haben ein ringes Leiblein / ein Zung und verborgne Zänlein / an dem Bauch aber ein herfürgehenden Stachel / und Kläulein an den Füssen / welches alles durch die Microscopia oder Vergrösserungs-Gläser klärlich entdecket wird.

Sie werden abgetheilt in innheimische / und wilde: jene werden bey den Häuseren in den Immen-Körben gezüglet / dise aber mehren sich in den Felder und Wälderen unzalbar / und machen gar häuffiges Honig in den Bäumen an den Wässeren / wo es vil Feld-Blumen gibet / absonderlich in Pohlen / Moscau und Lithauen etc. Sie fliehen von Natur den Rauch / und alle übelriechende Sachen / seynd auch gar rein und säuberlich. Der Nutz / so man wegen des Honigs und Wachs von den Bienen hat / ist sehr groß / und ihr Lob wird von dem weisen Mann selber angezogen mit den Worten: Brevis est in volatilibus apis, & initium dulcoris habet fructus ejus. 52 Ein kleines Thierlein unter den Vöglen ist ein Bien / ihr Frucht aber ist ein Anfang der Süsse. Auf Lateinisch werden die Immen apes, id est, sine pede genannt / weilen sie ohne Füß gebohren werden: oder weil sie sich mit den Füssen ineinander wicklen / und also zusammen verbinden.

Das gröste und schönste unter den Immlein / so auch einen schärfferen Stachel hat / wird für ein König gehalten / und führet ein ordentliches Regiment unter ihnen / deme sie auch gehorsamen / und fleißig nachfolgen. Also nemlich soll ein König in seiner Regierung mit dem Stachel der Gerechtigkeit / das Ubel abzustraffen / und mit dem Honig der Milde oder Gütigkeit zugleich versehen seyn (andere zwar behaupten / daß der Immen-König gar kein Stachel habe / oder doch selben niemahl brauche) Er soll auch der gröst-und schönste / das ist / der tugendsamst- und klugiste seyn.

Es fliegen die Immen nicht confus ohne Unterschied als wie die Fliegen / oder Hurnaussen etc. sondern ordentlich bey ihren gewissen Stöcken aus und ein / worinnen sie häuffig beysammen wohnen / als wie die Burger in einer Stadt: doch in ihre sonderbare Cellelein oder Häußlein abgetheilt. Sie seynd gar emsig / und verrichten unterschiedliche Arbeit mit grossem Fleiß / die eine tragen von den Blumen und Kräuter den Honig-Safft ein / andere aber bringen etliche tröpflein Wasser herbey: einige thun mit einer fetten hartzigen Materi inwendig den gantzen Immen-Korb bestreichen / die schädliche Thierlein darvon abzuhalten / andere machen aus Wachs ihre Häußlein oder Wohnungen / und setzen es nach der Ordnung herum: etliche halten Wacht vor dem Immen-Stock /und treiben ihre Feind ab / als Wepsen und dergleichen / die ihnen das Honig stehlen wurden / andere thun wiederum ein anders / was ihnen die Natur eingibet / keines greifft dem andern ein / keines verhinderet das andere. 53

Insgemein bleiben die Alten zu hauß bey der Arbeit (sie sollen über 8. 9. Jahr alt werden) die Junge aber fliegen aus und ein / den nothwendigen Vorrath herbey zubringen.

Plinius l. 11. c. 9. wie Jo. Colerus von ihme bezeuget / schreibt von einem Aristomacus mit Nahmen / der 58. [531] Jahr lang über die Natur und Eigenschafften der eintzigen Immen gestudirt und speculirt habe alles ihr Thun und Lassen fleißig beobachtet / und doch nicht alles genugsam habe ergründen können. 54 Unter anderm haben sie auch diese Eigenschafft und Tugend an sich / daß sie aus Liebe der Reinigkeit niemahl auf etwas Faules / oder auf ein Todten-Aaß sitzen / und nichts als ein süssen reinen Safft essen. Die Immen seynd Insectum musicum, sie lieben das Gethön des Singens / des Pfeiffen und Klingens: Man kan auch das bevorstehende Ungewitter von den Immen abnehmen / dann sie begeben sich zu solcher Zeit nicht heraus / sondern bleiben in dem Stock. Ferners wann einige in dem Immen-Korb sterben / so ziehen oder tragens die andere alsobald heraus / und leiden nichts Unreines in dem Bienen-Stock / sie wurden kranck werden / oder gar darvon absterben / sie fliehen ehender darvon / und verlassen den Stock: Auch wer mit ihnen um zugehen hat / muß sich sauber und rein halten / und hüten von allem was übel rüchet. Sie seynd gar temperant oder mäßig / und enthalten / und doch beynebens sehr fruchtbar / also daß aus manchem Immen-Korb oder Stock in einem Sommer 3. biß 4. Schwarmen fallen. Sie seynd auch häußlich oder gesparsam / und hinterlegen einen Vorrath /damit sie im Winter zu essen haben / zu disem End aber seynd sie gleich im Frühling sehr bemühet einzutragen / und die Bienen-Stöcke mit Honig anzufüllen. Sie lieben die Sonn / und haben ein grosse Freud wann die Sonn scheinet / welches sich auch in dem Winter zeigt; dann wann es ein wenig warm ist / begehren sie gleich heraus / wofern sie nicht wohl verschlossen seynd. Aber wann man die Immen irritirt /belästiget oder beunruhiget / da werden sie sehr zornig / sie verfolgen ihren Widersacher / Menschen oder Thier mit hefftigem Stechen / und lassen nicht nach biß daß sie sich genugsam gerochen haben. Es seynd auch unterschidliche Ding / die sie von Natur hassen /und ihnen sehr zu wider seynd: als die rothe Farb /trunckene Leuth / aller böser Geruch / Saltz / Oel /der Wind und Regen / item die Spinnen / Mäuß /Ameißen / Frösch etc.

In Auserlesung eines bequemen Platz oder Orts /wo sie sich niderlassen wollen / seynd die Immen sehr accurat und behutsam / sie erkundigen alles fleißig auf die 60. Schrit weit ringsherum / ob es ihnen wegen der Nahrung / dem Wasser / der Ruhe und andern anständig und sicher seye oder nicht. Sie geben auch in dem Ausfliegen fleißig auf den Wind achtung / ob er ihnen günstig oder zuwider seye. etc.

Ein weit mehrers von den Immen / von ihrer Arbeit / Auferziehung / und Verpflegung ist zu sehen in Jo. Coleri vermehrten und verbesserten Oeconomia Rurali & Domesticâ à f. 5. 27. & sequent.

In sittlichem Verstand können die Ordens-Geistli che in vilen Stucken mit dem Immen oder Bienen verglichen werden / als welche in einem Closter beysammen einträchtig / doch in ihren besonderen Cellen /als wie die Immen / zu wohnen pflegen: ihr gewohnliche Arbeit und Beschäfftigung ist das süsse Honig der Andacht / Tugend und Verdiensten von den Kräutern und Blumen eines tugendlichen und exemplarischen Lebens zu sammlen / ohne daß einer dem anderen in seinem Amt und seiner Verrichtung eingreiffe oder verhinderlich sey: sie stehen auch alle unter dem Gewalt und Commando eines Oberen / gleich wie jene unter dem Immen König / dem sie zu gehorsamen haben. 55 Sie vergnügen sich / gleich denen Immen /mit einerley Wohnung / und Lebens-Art / seynd auch der Temperanz oder Mäßigkeit gefließen und ergeben / beynebens aber sehr fruchtbar in Erzeugung viler geistlichen Kinder / die sie immerdar durch das gute Exempel / durch die Lehr- und Predigen Christo gebähren.

[532] Die Immen lieben und ehren ihren König oder Anführer / sie stehen ihme bey / und beschützen ihn überall. Auch die Ordens-Geistliche sollen ihre Obere lieben und ehren / selben beystehen / und ihr Ehr beschützen. In einem Immen-Schwarm ist zu seiner gewissen Zeit alles beschäfftiget / und wird kein Müsiggang gestattet / eine thun das Honig und Wachs einsammlen und ausmachen / andere die Cellen oder Häußlein bauen / diese streiten wider ihre Feind / jene bewahren das Proviant, und wiederum andere beobachten die bevorstehende Gefahren etc. Eben also in einer wohlgeordneten geistlichen Versammlung seynd alle Geschäfft und Verrichtungen ordentlich ausgetheilt / ein jeder muß nach der Maaß seiner Kräfften und Fähigkeit mit würcken / der eine dieses / der andere ein anders Geschäfft / so ihm anbefohlen ist /verrichten.

Aber in diesem kommen die Immen alle übereins /daß sie die Sauberlichkeit lieben / nichts Unreines gedulden / den Sonnen-Schein gern sehen / und einen lieblichen Thon gern hören: und die Ordens-Geistliche sollen alle in disem übereins kommen / daß sie die Reinigkeit des Gewissens lieben / die Unlauterkeit hassen / von der Sonn der Gerechtigkeit sich gern beleuchten lassen / und das Lob GOttes gern singen und verkündigen hören. Endlichen gleichwie die Immen das Loch oder den Eingang ihres Immen-Korbs fleißig versorgen und bewahren / auf daß keine gifftige oder schädliche Thierlein hinein kommen / auch den Eingang / wann er zu weit ist / enger machen / also soll der Eingang oder freye Zutritt in das Closter vermittelst der Clausur wohl bewahret seyn / und nicht jedem ohne Unterschid frey und offen stehen. Noch mehr soll man gefließen seyn / den Eingang zu dem Hertzen / als einem sittlichen Immen-Korb / zu bewahren / und keinem giftigen Thierlein / das ist / keinem schädlichen oder sündhafften Ding den Zugang gestatten: wann die Porten der 5. Sinn / absonderlich der Augen zu frey und zu weit offen stehen / da soll man die Porten enger machen / das ist / die Augen /Ohren etc. besser in dem Zaum und in den Schrancken der Gebühr halten etc.

Es hat gewißlich GOtt als ein Urheber der Natur diesen kleinen Thierlein ein grosse und wundersame Witz und Klugheit ertheilt / krafft deren sie all ihr Thun und Lassen so ordentlich und vortheilhafftig einzurichten wissen / daß die Menschen in Anstellung eines guten Regiments / und einer guten Policey-Ordnung nicht wenig von ihnen erlernen können. 56 Es ist aber der Immen ihr Regiment nicht Democraticum, allwo das gemeine Volck regiert / auch nicht Aristocratium, in welchem etliche der Fürnemsten regieren: sondern es ist regimen Monarchicum, wie es die Gelehrte nennen / krafft dessen einer alleinig Herr und Meister ist; dann die Immen / wie schon gemeldet /haben ihren König oder Aufführer / dem sie alle gehorsamen / und ist alles sehr weißlich angestelt.

Es bestehet die menschliche Weißheit / wie die Philosophi anmercken / fürnemlich in 3. Stucken: erstlich daß einer sich selbsten wohl und recht regieren könne: Zweytens / daß er sein Haußhaltung wohl anzustellen und seine Haußgenossen weißlich zu dirigiren wisse: und drittens / daß er einer gantzen Gemeind / Stadt oder Landschafft klug und nutzlich vorzustehen wisse. Ja in allen diesen 3. Stucken seynd die Immen fürtreflich und geschickt. Dann erstlich weiß / ein jedes Immlein insonderheit gar wohl sich selbst zu regieren / es weiß wann es aus- oder einfliegen / oder aber zu Hauß bleiben solle / nachdem nemlich das Wetter warm und trucken / oder kalt und naß / still oder windig ist. Wann gehling ein Wind entsteht / so wissen sie sich gar wohl nach demselben zurichten / sie fliegen ihme nicht gerad und in der Höhe entgegen / sondern sie weichen ihm aus / und lassen sich nicht weit von der Erden: will er aber ihnen zu starck werden / da nehmen sie ein Steinlein zwischen die Füßlein / damit sie der Wind nicht zu weit hinweg führe.

[533] Geschicht es aber / daß ein Immlein von der Nacht überfallen / den Immen-Stock nicht mehr erreichen kan / und unter dem freyen Himmel übernachten muß / da legt es sich auf den Rucken / und ziehet die Flügelein zusammen / damit sie von dem Morgen-Thau oder Regen nicht naß / und zu dem Fliegen untauglich werden. Demnach solle auch der Mensch in seinem Thun und Lassen behutsam seyn / das Tempo und die Umständ wohl in Obacht nehmen / ob sie ihm anständig seyen oder nicht / nach denselben soll er sich richten / und dem grösseren Gewalt sich nicht widersetzen / sondern vilmehr durch Klugheit und mit Vortheil sich demselben entziehen.

Absonderlich soll er seine Flügel / das ist / seine Anmuthungen bewahren / auf daß sie nicht von dem Thau der zeitlichen Wohlfahrt / oder von dem Regen der eitlen Wollüsten beschwert / oder verderbt und untauglich werden / sich mit demselben in die Höhe zuschwingen.

Die Immen erhalten und ernähren sich mit ihrem Fleiß / und durch ihre Arbeit / ohne daß sie die Blumen und Kräuter / von welchen sie das Honig nehmen / beschädigen oder verletzen. Ja nicht nur beschädigen sie niemand / sondern bringen vilmehr durch Verfertigung des Honig und Wachs jedermänniglich einen unbeschreiblichen Nutzen. In dem Sommer leben sie von dem Safft und Thau / in dem Winter aber von dem wenigen Honig / das man ihnen in dem Stock hat überlassen / kein anders Futter darf man ihnen geben.

Durch dieses geben sie uns abermal ein schöne Lehr / wie daß der Mensch solle befließen seyn / sich durch sein eigne Mühe und Arbeit zu erhalten und zu ernähren / und niemand überlästig seyn und / so vil möglich ist / dem gemeinen Wesen einen Nutzen beytragen. Dieses hat der Heil. Apostel Paulus gar fleißig beobachtet / wie er von ihm selber bezeuget: Cum essem apud vos & egerem, nulli molestus fui. 57 Da ich bey euch war / und Mangel hatte / war ich niemand beschwerlich: und wiederum ich hab euer keines Silber / noch Geld / noch Kleid begehrt / wie ihr selber wisset / daß mir zu meiner Nothdurfft / und deren die mit mir gewesen seynd / diese Händ gedient haben. 58

Eben dieses ist / was auch der David hat sagen wollen: labores manuum tuarum, quia manducabis, beatus es, & bene tibi erit. 59 Du wirst dich nähren deiner Händ Arbeit / seelig bist du / es wird dir wohl gehen. Aber / O gütiger GOtt! wann ein mancher nichts essen solte / als was er mit seinen Händen / das ist / mit seiner Mühe und Arbeit gewinnt / wie schlecht und übel wird er leben! dann manche haben vilmehr der Wespen oder Hummlen Art und Eigenschafft an sich / welche müßig gehen / und den Immen das Honig / welches sie so mühesam gemacht haben /hinweg fressen. 60 Das andere Stuck der Weißheit /wie gemeldt worden / ist / daß einer sein Hauß / und Hauß-Gesind wohl und fürsichtig zu dirigiren wisse /und mit seinen Nachbaren friedlich lebe / einem jeden das Seinige lasse oder gebe / und niemand beleidige. Dises halten die Immen fleißig: sie haben ihr richtige Ordnung untereinander / und befriedigen sich mit deme / was niemand kein Schaden bringt. Sie leben friedsam und einträchtig beysammen / und obwohlen sie mit spitzigen Degen oder Stachlen versehen seynd / verletzen sie doch nicht / wann man sie mit Ruhe und Frieden last.

Zu einer guten Haußwirthschafft wird auch erforderet / daß alles nett und sauberlich hergehe / und daß alle Haußgenossen ihren Dienst getreu und fleißig versehen / etwas gewinnen helffen / und nicht müßig gehen. Auch dieses thun die Immlein gar genau beobachten / es seynd von Natur gar reine / sauberlich-und emsige Thierlein / sie gestatten einander kein Unsauberkeit und Müßiggang / wie es aus ihrer schönen reinen Arbeit des Honig und Wachs / genugsam erscheinet.

Die dritte Art / nemlich die Oberkeitliche Weißheit belangend / so in dem bestehet / daß man das gemeine [534] Weesen / Land und Leuth wohl regieren möge / da hat man abermahl an den Immen oder Bienen ein fürtrefliches Muster und Exempel. 61 Sie erwählen aus ihnen einen König oder Vorsteher mit einhelligem votiren /und zwar den schönsten besten und stärckisten: dieser regiert den gantzen Schwarm mit einer grossen Authorität und Sanfftmuth zugleich / er mißbraucht seinen Gewalt nicht / und benimt ihnen ihr behörigeLibertät nicht / doch laßt er ihnen auch kein Unrecht zu: dahero geschicht es / daß sie ihn lieben / ehren und förchten zugleich. Wann dieser Immen-König aufflieget / da folgen ihm vil andere nach / und wann er zuruckkehret / begleiten sie ihne wiederum: wann er kranck und schwach wird / da bedienen sie ihn /und wann er stirbt / thun sie ihn bedauren. Er hat auch ein schöners und grösseres Häußlein oder Cellen als die andere / zu oberst in dem Bienen Stock etc.

Dieses alles bildet uns vor einen ausgemachten guten Regenten / als welcher seine Untergebene mit Glimpf und Ernst also regieren solle / daß sie ein Ehr-Forcht und Lieb zugleich gegen ihm tragen / und ihm getreu verbleiben: von ihren Freyheiten und Gerechtigkeiten soll er ihnen nichts benehmen / und hingegen auch kein Unrecht zulassen. Er solle allzeit fleißig ingedenck seyn / was Tac. l. 1. hist. sagt / nemlichen daß er über Menschen herrsche / welchen die völlige Freyheit schädlich / und die gäntzliche Dienstbarkeit unerträglich ist. etc.

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von der Ameissen.

Diesen gegenwärtigen III. Theil oder materiam de animalibus hab ich von dem starckmüthigen Löwen /und großmächtigen Elephanten angefangen / mit den kleinwintzigen Immlein und Ameissen aber thue ich es endigen / um zuzeigen / wie daß die göttliche Weißheit und Allmacht nichtweniger in diesen klein-und schwachen Thierlein / als in den grösten und ansehnlichsten Thieren zubewundern seye.

Die Ameissen seynd / wie bekant / kleine schwartz-braune vilfüßige hurtige Thierlein: und wann man sie durch ein Microscopium, oder Vergrösserungs-Glaß besichtiget / da wird man finden / daß sie vor dem Maul ein Schnäbelein / und in dem Maul ein Zünglein haben / hintenher aber an dem Leib ein Stachel / und anstatt der Augen zwey kleine herfürgehende Anhänglein / als wie zwey Hörnlein / wann sie aber Flügelein bekommen / ist es ein Zeichen / daß sie alt seyen /und bald sterben werden. 62 Sie halten sich auf in den zusammen getragnen Erd-Häuffen unter den hartzigen Bäumen / und lieben den säuerlechten Hartz-Geruch /und nehmen solchen selber an sich.

Die Nutzbarkeit der Ameissen in der Artzney ist nicht gering; dann sie erwärmen und trucknen den Leib / ihr säuerlechter Geschmack aber erquicket die Lebens-Geister. Die Ameissen-Hauffen werden samt allen darinn befindlichen Eyern und Ameissen zu den Bäderen gebraucht / auch in den Gichter- und Glieder-Lämungen sehr gut befunden. Der Ameissen Spiritus dienet wider die Wasser-Sucht / wider den Scharbock und übles Gehör etc. das Oel aber von Ameissen wird äusserlich / und sonderbar für die Augen gebraucht etc.

Die Ameissen wird auf lateinisch Formica genannt / quasi ferens micas, weilen sie im Sommer die Getrait-Körnlein einzutragen beschäfftiget ist.

Es scheint zwar die Ameiß ein sehlechtes unachtsames Thierlein zu seyn: aber nein / sie ist wegen ihren sonderbaren Eigenschafften gar wohl betrachtens- und verwunderungs-würdig. Ja GOTT selbsten durch den Mund des weisen Manns weiset uns austrücklich zu den Ameissen / die Klugheit und Emsigkeit von [535] ihnen zu erlernen: Vade O piger ad formicam, & considera vias ejus, & disce sapientiam etc. 63 sagt der weise Salomon. Gehe hin du fauler zur Ameissen / sihe ihre Weeg an / und lerne Weißheit. 64 Die Weißheit und Emsigkeit aber der Ameissen bestehet absonderlich in deme / daß sie im Sommer zur Erndt-Zeit befliessen seynd / die Korn-Körnlein häuffig und unermüdet in ihre Löcher oder Höhlen einzutragen / und unter der Erden zu vergraben / auf daß sie den Winter hindurch etwas zu essen und zu leben haben: ja sie seynd so witzig / daß sie das Getraidt anbeissen /damit es ihnen nicht ausschlagen oder auswachsen thue / und wann es zu groß ist / daß sie es nicht können fortbringen / da zertheilen sie es / ist es aber naß /so trucknen sie es zuvor.

Sie arbeiten zugleich und ruhen zugleich an bestimmten Zeit- und Orten. Es ist die Ameiß respectivè, das ist / nach Beschaffenheit ihres klein-wintzigen Leibleins / das allerstärckiste Thier / massen sie offt ein Last oder Bürde daher tragt / oder schleiffet /der grösser und schwerer ist als sie selber. Da heist es warhafftig:


Virtus in exiguo Corpore magna latet.

Ein grosse Krafft in kleinen Dingen /
Kan offt vil zuwegen bringen.

Aber Considera vias ejus: was haben wir von ihren Weeg- und Stegen insonderheit gutes zu lernen? gewißlich vil merckwürdiges: dann erstlich wie Aristoteles l. 9. c. 39. anmercket / so gehen die Ameissen beständig einen / und zwar allzeit den besten kürtzisten und geradisten Weeg / also / daß sie endlichen mit vilem hin- und wiederlauffen auch auf einem harten Felsen ein sichtbarliche kleine Straß / wie ein eingeschnidne Linie machen. Aus diesem hat der Mensch zu lernen / wie daß er in seinem Lebens-Lauf allzeit auf dem sichersten / geradist- und kürtzisten Weeg des Heyls fortwandlen / und von selbem niemahl abweichen solle.

Den grossen Fleiß und Emsigkeit der Ameissen belangend / so ist selbe recht verwunderlich groß / von Morgen frühe biß Abend spat im heissen Sommer lauffen sie ohnermüdet hin und her / ihr Nahrung aufzusuchen / und in ihre Behältnussen einzutragen: doch also / daß unter einer solchen Menge der Ameissen keine die ander im gerigsten hindert / sondern vilmehr Hülf leistet / wann eine Anstoß leidet / oder der Bürde unterliegen will: die todte aber thun sie begraben / Parat in æstate cibum sibi, & congregat in messe, quod comedat. Sie bereitet ihr Speiß im Sommer / und sammlet in der Ernd / daß sie zu essen habe in dem Winter. 65

Sie erkennen nemlich aus Eingebung der Natur /daß es nicht allzeit Sommer bleiben werde / sondern ein kalter unfruchtbarer Winter hierauf folgen / der ihnen alle Päß mit Schnee und Eiß verlegen werde /und sie alsdann nichts zu beissen und zu nagen haben wurden / wann sie nicht jetzt in Zeiten einen guten Vorrath machen.

Daß ist abermal ein schöner Unterricht für uns Menschen: zur Sommers-Zeit / das ist / zu Lebs-Zeiten / zur Zeit der Gnaden sollen wir uns sorgfältig und unermüdet befleissen ein guten Vorrath von geistlichen Lebens-Mittlen zu machen / das ist / Verdienst und gute Werck einsammlen / auf daß wir selbige zur Winters-Zeit zu geniessen haben. Dann Veniet nox, quando nemo poterit operari: es wird die Nacht einfallen / da niemand mehr wird arbeiten / das ist /etwas guts und verdienstliches würcken können.

Es ist zwar nur ein Fabel-Gedicht / daß ein Grill bey harter Winters-Zeit zu einer Ameissen kommen seye / dieser ihre Noth geklagt / und um etwas zu essen ersucht habe / mit vermelden / daß sie gar keine Lebens-Mittel habe / und bey noch lang anhaltendem Winter nothwendig Hunger sterben müsse / wann sie ihr nicht etwas Nahrung mittheilte. 66 Die Ameiß gab ihr zur Antwort / mein! wie hast du dich [536] so übel versaumt / was hast du dann den gantzen Sommer hindurch gethan / daß du dir keinen Vorrath gemacht /und dich auf den Winter mit nothwendigen Lebens-Mittel versehen hast? ach sagte die Grill / ich hab nicht auf den Winter hinaus gedacht / sondern gleichwohl mich lustig gemacht / und die annehmliche Sommers-Zeit mit singen und pfeiffen zugebracht. So / widersetzte die Ameiß / hast du im Sommer an statt des Arbeitens gesungen und gepfiffen / so magst du gleichwohl jetzund im Winter anstatt des Essens springen und dantzen / packe dich fort / ich hab nichts für dich: und also muste gleichwohl die unbehutsame Grill mit hungerigem Bauch wiederum abziehen.

Dieses ist zwar ein Gedicht / aber nur gar zu wahr ist es / daß es unter den Menschen unzahlbar vil solche unachtsame und sorglose Grillen abgebe / die den gantzen Sommer mit singen und pfeiffen / ich will sagen / das gantze Leben mit Müßiggang und Wollüsten zubringen / hernach aber zur Winters-Zeit / das ist / zur Sterbens-Zeit aller Verdiensten und guten Wercken entblöset / Noth und Mangel leiden / wie die 5. thorrechte Jungfrauen mit ihrem ewigen Schaden nur gar zu wohl erfahren haben. Darum heist es: kaufft in der Zeit / so habt ihr in der Noth. Durch dieses aber / daß die Ameissenin solcher Menge einander gar nicht verhinderen / sondern vilmehr beförderen und helffen / werden wir der Friedsamkeit / der brüderchen Lieb / und der Wercken der Barmhertzigkeit erinneret.

Ubrigens ist die Lebens-Art und das Regiment der Ameissen nicht Monarchicum, daß sie ein Oberhaupt / einen König oder Anführer haben / dem sie unterthan oder gehorsam seyen: sondern es ist regimen populare, ein freye Republique, es weiß ein jede für sich selber / was sie zu thun hat / oder zu lassen. 67 Sie halten die Communität / seynd gar nicht eigennützig /keine hat was besonders / sondern ihr gantze Habschafft gehört allen insgemein / und dieses ist der Grund ihres Friedens und Ruhe-Stands. Es wohnen vil Tausend gantz eng beysammen so einig und friedsam ohne allen Streit und Zanck / daß sie niemal einen Schid-Mann oder Richter brauchen. Also daß man billich einem zanckischen und unruhigen Menschen sagen kunte: Vade ad formicam O litigiose, & disce Concordiam. Gehe zur Ameissen O du zanckischer Fretter / und lerne von ihr die Friedsamkeit.

Nicht wenig verwunderlich ist die Bau-Kunst / mit welcher diese Thierlein ihre Ameissen-Hauffen zurichten: dann obwohl sie nicht leicht jemand lassen zuschauen / wie es innerhalb bey ihnen zugehe / so haben doch die Naturalisten durch fleißiges Nachforschen so vil verkundschafftet / daß auf der einen Seiten die Männlein und auf der anderen die Weiblein ihre Quartier oder Wohnungen haben: in der Mitten aber seynd ihre Eyerlein / und das Proviant, die Speiß aufbehalten: ja es ist in dem Gebäu oder Ameissen-Haufen / der von unterschidlichen Materialien zusammen getragen ist / alles so net und ordentlich angestelt und eingericht / daß sie von grosser Kälte / Regen und Schnee bewahret seynd. 68 Sie haben auch vilerley Gäng darin / die sie auch in der Finstere alle richtigpassiren.

Nicht geringer ist ihre Vorsichtigkeit und Behutsamkeit / die sie anwenden / daß Proviant oder die Nahrung so sie mühesam gesammlet haben / zu erhalten / damit es ihnen nicht verderbe oder verfaule: bey schönem warmen Wetter tragen sie es heraus / und legens an die Sonnen / auf daß es fein trucken werde /und hernach tragen sie wiederum ein. 69 Das gute oder schlimme Wetter aber sehen sie richtig vor.

Fernens wann sie etwann ein todten Aas oder Krot / oder Ater finden / so essen sie zwar darvon / aber wohl nicht was gifftig daran ist / und ihnen [537] schaden kunte. Wann sie aber über ein rinnendes Wässerlein setzen wollen / da hencken sie sich Puschenweiß aneinander / und wann sie darüber seynd / gehen sie wiederum auseinander. Noch mehr anderes wäre von den Ameissen zu melden und zu bewunderen: ich lasse es aber bey der Anweisung / die uns GOtt selber gegeben hat / geruhen / nemlich: Vade ad formicam, & disce sapientiam: Gehe hin zu der Ameiß / und lerne von diesem kleinwintzigen Thierlein die Weißheit / lerne den Fleiß oder Embsichkeit / lerne die Friedsamkeit / gute Haußhaltung / und Fürsichtigkeit etc.

Ja lerne auch von unterschidlichen anderen / sowohl wilden als zahmen Thieren / von welchen ich bißhero gemeldet habe / vil gute und löbliche Eigenschafften und Anmuthungen / absonderlich die Danckbarkeit gegen die Gutthäteren welche öffters auch die grimmige Löwen und Elephanten erwiesen haben: von anderen aber die Liebe / Treu und Sorgfalt gegen denen Anvertrauten und Angehörigen: wiederum von anderen die Mäßigkeit / Sanfftmuth / und Gehorsam etc. massen sich ja billich ein Mensch von Hertzen schämen soll / wann er sich in diesen oder andern guten Eigenschafften von den unvernünfftigen Thieren lasset übertreffen.

[538]
Fußnoten

1 Die Schlang ist kein schlechtes Thier.

2 Gen. c. 3. v. 14.

3 Num. c. 21. v. 6. & 8.

Psal. 146. v. 10.

4 Der Schlangen vielerley Arten.

5 Wundersame Grösse der Schlangen.

6 Der Schlangen Beschaffenheit.

7 Schädliches Zungen-Gifft.

8 Psal. 56. v. 5.

9 Schlangen-König wie er bestriten werde.

10 Scytale und Cerastes betrügerisch- und gefährliche Schlangen.

11 Der Durst-Schlang / und Brand-Schlang schädliche Entzündungen.

12 Die Aspis-Schlang und der Coluber.

13 Haß und Feindschafft zwischen den Menschen und der Schlangen.

14 Gen. c. 3. v. 15.

15 Ephes. c. 4. v. 27.

16 Unterschiedliche Anmerckungen von den Schlangen.

17 Auch aus dem Bösen kan vil Gutes gezogen werden.

18 Rom. 8. v. 28.

19 Matth. c. 7. v. 14.

20 Ephes. c. 4. v. 23.

21 Des Crocodills Beschaffenheit.

22 Fernere Eigenschafft des Crocodills.

23 Der höllische Feind wird durch das Crocodill beditten.

24 Job. c. 40. v. 16.

25 Apoc. c. 12. v. 4.

26 Wie das Crocodill gefangen und übermeisteret werde.

27 Wie man das höllische Crocodill überwinden möge.

28 Wie die Schild-Krotten gestaltet und beschaffen seyen.

29 Wie sie gefangen werden.

30 Unbeständigkeit und Betrug des Glücks.

31 Die Schild-Krot lehret die Behutsamkeit.

32 Der Seiden-Würm Art und Beschaffenheit.

33 Die Seiden-Würm seynd ein Entwurff des menschlichen Lebens.

34 Geitzige seynd gleich den Seiden-Würmen.

35 Luc. c. 12. v. 21.

36 Der Seiden-Wurm ein Sinn-Bild der Auferstehung.

37 Seiden und seidene Kleider wem sie anständig seyen.

38 Exod. c. 28. v. 8.

39 Ubermäßiger Kleider-Pracht wird getadlet.

40 Das Spinnen-Geweb ist mühesam und künstlich /aber unnutzlich.

41 Es ist ein Sinnbild der menschlichen Eitelkeit.

42 Sap. c. 3. v. 11.

43 Ps. 89. v. 9.

44 Der Teufel wird mit einer Spinnen verglichen.

45 Tim. c. 16.

46 Geschicht.

47 Matt. c. 19. v. 25.

48 Wucherer und Ungerechte seynd den Spinnen gleich.

49 Zu was das Spinnenweb gut seye.

50 Bre. 14. Jan.

51 Der Immen oder Bienen Art und Beschaffenheit.

52 Eccli. c. 11. v. 3.

53 Verwunderliche Arbeit der Immen.

54 Fernere Eigenschafften der Immen mit sittlicherApplication

55 Die Ordens-Geistliche mit den Immen verglichen.

56 Gutes Regiment und Policey ist von denen Immen zu erlernen.

57 2. Cor. c. 11.

58 H.A.c. 20. v. 33.

59 Psal. 127, v. 2.

60 Gute Hauß-Wirthschafft der Immen.

61 Der Immen-König ist ein Für-Bild eines guten Regenten.

62 Wie die Ameissen gestaltet / und so nutzlich seyen.

63 Prov. c. 6. v. 6.

64 Die Ameiß ist ein Lehrmeisterin des Fleißes und der Klugheit.

65 Prov. c. 6. v. 6.

66 Gedicht.

Arbeiten schaffts Brod / feyren bringt Noth.

67 Fried und Einigkeit der Ameissen.

68 Verwunderliche Bau-Kunst dieser Thierlein.

69 Vorsichtigkeit wegen der Nahrung / und Meidung der Gefahren.

Der IV. Theil

I. Von etlich aus den fürnemmeren Bäumen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von dem Ceder-Baum.

Was der Löw unter den Thieren / und der Adler unter den Vöglen / das ist der Ceder unter den Bäumen /nemlich ein König gleichsam / und der fürnemste derselben; dann er übertrifft sie alle an der Grösse /und wachset schnur gerad in ein verwunderliche Höhe auf / wird auch so dick / daß etlich Männer zumahl mit ausgespannten Aermen ihn kaum umfangen mögen. 1

Die Ceder-Bäum / wie ich in dem Indisch- und Sinesischen Lust- und Staats-Garten à f. 581. lise /wachsen in Ost- und West-Indien / im Africanischen Königreich Congo, in der Americanischen InsulCuba, und in Neu-Spanien oder Mexico. 2 In der Ost-Indischen Insul Tercera sollen sie so häuffig wachsen / daß man Wägen / Schiff / und Schlitten daraus zimmert / die Sinesische Ceder aber auch gewisse Früchten tragen. Ubrigens seynd die allergröste und höchste Ceder-Bäum / nach Zeugnuß der Scribenten in Syrien / und zwar auf dem Berg Libano zu finden / die so starcke Stammen haben / daß sie ein und andere Klaffter dick seynd / und 4. Männer ihn kaum umfangen können: die Aest stehen von unten an biß oben auf / also daß die untere allzeit grösser seynd als die obere / gantz ordentlich um den Stammen herum gesetzt. Das Holtz / wann mans zu Brettern schneidet /seye rothlächt / und der Blätter sitzen auf einem Reißlein gemeiniglich 40. oder 50. beysammen. Seine Zapfen richte der Ceder aufwerts empor / welche den Tann-Zapfen nicht ungleich / aber weit grösser / viel dicker und härter seyen: daran befinden sich gewisse Nüßlein mit glantzendem wohlriechendem Hartz gefüllet etc.

Sonsten schreibt man von dem Ceder-Baum insgemein / daß er im Sommer und Winter allzeit grüne /ein so gut und hartes Holtz habe / welches niemahl wurmstichig werde / und niemahl faule: er gebe auch einen lieblichen Geruch von sich / und mache einen annemlichen Schatten.

Das Dach des weltberühmten Tempels der GöttinDianæ zu Ephèso war aus Ceder-Holtz gemacht: der herrliche Tempel Salomonis aber zu Jerusalem ware innerhalb nach austrucklichem Befehl GOttes von unten biß oben mit lauter Ceder-Holtz ausgetäferet. 3

Cedro omnis domus intrinsecus vestiebatur. 4 Auch die Königliche Burg Syon hat David aus Göttlichem Befehl von Ceder-Holtz aufgebauet. 5 Das gröste Lob aber der Ceder-Bäumen bestehet in dem / daß sie in Heil. Schrifft Cedri DEI, Ceder GOttes genennet werden.

Ja daß die ewige Weißheit sich selber würdiget mit einem Ceder-Baum zu vergleichen / quasi cedrus exaltata sum in libano, 6 Ich bin erhöht als wie ein Ceder-Baum auf dem Berg Libano.

Ein solcher erhöchter / und überaus hoher Ceder-Baum in sittlichen Verstand / Cedrus Dei, ein Ceder GOttes ist die Seeligste Jungfrau Maria auf eine gantz besondere Weiß; weilen sie nemlich ist ein Tochter GOtt des Vatters / ein Mutter GOtt des Sohns / und ein Braut GOtt des Heiligen Geists. 7 Cedrus exaltata, ein erhöchter und überaus hoher Ceder-Baum ist sie; weilen gleich wie der [540] Ceder ein König der Bäumen ist / und sie in der Höhe alle weit übertrifft / also ist Maria ein Königin des Himmels und der Erden /der Engel und Menschen / die sie alle in der Hoheit /das ist / in der Vollkommen- und Heiligkeit / in der Gnad / Verdiensten und Glory gar weit übersteiget.

Der Ceder-Baum grünet allzeit / faulet niemahl /und wird von keinem Wurm versehrt: auch / und noch vielmehr Maria hat allzeit gegrünet / und floriret wegen der unversehrten Jungfrauschafft / und Jungfräulichen Mutterschafft / sie ist von aller Corruption oder Verfaulung der Sünd / und von allem Wurm des bösen Gewissens / und der bösen Neigungen jederzeit befreyt gewesen.

Der natürliche Ceder-Baum vertreibt (wie Rupertus und Hugo Card. schreiben) die Schlangen und gifftiges Ungezifer / hingegen erquicket er die von der Sonnen-Hitz Abgemattete mit seinem Schatten. Der Marianische Ceder-Baum aber vertreibt durch den Geruch / oder durch die Krafft seiner Heiligkeit die höllische Schlang / und das gifftige Ungezifer der Sünden: hingegen mit dem Schatten ihres Mütterlichen Trosts und Schutzes erfrischet sie die matte Seelen / und beschirmet sie von den hitzbrennenden Strahlen der strengen Göttlichen Gerechtigkeit. Der Ceder hat nach Proportion seiner Höhe grosse und tieffe Wurtzlen: und auch diser sittliche Ceder-Baum Maria ist entsprossen von starcken und tieffen / das ist / in der Tugend und in der Demuth starck und tieff gegründeten Wurtzeln / nemlich / wie Hugo Card. anmercket / von dem Stammen Abraham / Jesse /David / von ihren HH. Eltern Joachim und Anna.

Aus dem Ceder-Holtz ist der Tempel Salomonis erbauet worden / und aus dem Marianischen Ceder-Baum ist der Göttliche Tempel die heiligste Menschheit Christi erbauet worden.

Fernere Gleichnuß zwischen den Eigenschafften des Ceder-Baums / und den Vollkommenheiten Mariä führet fort der hochgelehrte Laurent. Dalmata S.J. und sagt / daß jene Wort / die Ezech. c. 31. v. 3. etc. von dem König der Assyrier geschriben stehen / viel besser von der Mutter GOttes können gesagt werden /nemlichen Ecce Assur quasi cedrus in libano pulcher ramis & frondibus nemorosus etc. 8 sihe /Assur war ein Ceder-Baum auf dem Berg Libano / schön an Aesten / und schattich von dicken Zweigen / und hoch aufgeschossen. Die Wasser zohen ihn auf / und die Tieffe macht ihn hoch: seine Flüß lieffen rings um sein Stamm oder Wurtzel / darum wuchs er höher als all andere Bäum etc. Dann / sagt ermeldter Author, die Wasser / so von dem himmlischen Berg Libano herfliessen /und den Marianischen Ceder-Baum anfeuchten /seynd die häuffige und ungemeine Gaaben und Gnaden GOttes / mit welchen Maria gezieret / und Krafft derselben über alle Heilige / ja über alle Chör der Englen erhöcht ware etc. oder es kan auch gesagt werden / abyssus exaltavit illam, der tieffe Abgrund ihrer Demuth habe sie also erhöcht / nach dem Göttlichen Ausspruch / wer sich ernidriget / wird erhöht werden. Je höher die Ceder-Bäum mit ihrem Gipffel sich in den Lufft erheben / je tieffer wurtzlen sie in der Erden ein / damit sie nemlich bey anhaltenden Sturm-Winden bestehen mögen: und also hat sich Maria ein rechter Ceder-Baum zu seyn erwisen; dann je höher sie in der Vollkommenheit / in der Gnad und in den Verdiensten gestiegen ist / je tieffer hat sie sich durch Geringschätzung und Verachtung ihrer selbst ernidriget / und mithin ist sie bey allem Ungewitter vest und unbeweglich verbliben.

Der Ceder ist vor Zeiten wegen seinem lieblichen Geruch aus allen andern Bäumen der erste den Göttern geopffert und ihnen zu Ehren verbrennt worden: aber der Marianische [541] Ceder-Baum hat sich selbsten gleich in der Empfängnuß dem wahren GOtt aufgeopfferet / durch das Feur der Liebe gäntzlich verzehret / und also den angenehmsten Geruch der Tugend und Heiligkeit von sich geben, durch welchen sie auch die höllische Schlang (als wie der Ceder-Baum das gifftige Ungezifer) vertriben hat / also / daß selbe auch in der Empfängnus durch die Erbsünd ihr nicht zuzukommen vermöchte; mithin hat sie auch dise Eigenschafft des Ceder-Baums / welcher keinen Nast oder Knöpff hat / dann sie ist Virga, in qua nec nodus originalis, nec cortex actualis culpæ fuit, das ist /


Ein Stab ohn alle Näst und Rinden
Befreyt von allem Erb der Sünden.

Der Ceder-Baum wurde bey der alten Heydenschafft wegen seiner Dauerhafftigkeit für ein Sinnbild oder Anzeigen der Ewigkeit gehalten / auch deßwegen die Götzen-Bilder aus Ceder-Holtz geschnitzlet / auf daß sie unversehrt allzeit dauren solten. Daher entstund auch der Brauch / daß wann man von etwas sagen wolte / es seye eines ewigen Angedenckens würdig / sagte man / es seye Ceder-würdig / oder verdiene in Ceder-Holtz verzeichnet zu werden. Der Heil. Evangelist Lucas / aus absonderlicher Lieb und Hochschätzung der Mutter GOttes / hätte gern gesehen / daß auch ein sichtbarliches Angedencken der Seeligsten Jungfrauen allzeit auf der Welt verhanden wäre / und deßwegen hat er ihr Heil. Bildnuß mit grossem Fleiß aus Ceder-Holtz geschnitzlet / welche Bildnuß R.P. Laurent. Dalmata S.J. in der Heil. Capell zu Loreto selbst gesehen zu haben bezeuget / in Mundo Mar. Disc. 4. n. 99. ja von und aus diesem Marianischen Ceder-Baum ist das Ebenbild des ewigen Vatters / der Sohn GOttes selber dem Leib nach formirt oder gestaltet worden.

Aber nicht nur das Holtz des Ceder-Baums ist edel und fürtrefflich / sondern auch das Hartz / oder der Safft / so daraus trieffet / hat grosse Krafft / daß wann man die Bücher darmit bestreicht / da bleiben sie allzeit unversehrt und von den Schaben befreyt: wie dann nach Zeugnuß Plinii die Bücher des weltweisenPythagoræ 535. Jahr lang in der Erden vergraben gelegen / gantz und unversehrt seynd befunden worden. 9 Noch viel kräfftiger ist der Schutz und Beystand Mariä / die H. Schrifft / und andere Glaubens-Lehren von den schädlichen und schändlichen Schaben / das ist / vor den Ketzern und Irrglaubigen (welche dieselbe gern zernagen thäten) zu bewahren.

Endlichen wie Plinius lib. 24. e. 5. bezeuget / so dienet der Safft und die Frucht des Ceder-Baums für unterschidliche Kranckheiten und Gepresten des Leibs: der Marianische Ceder-Baum aber ist ein bewehrtes Mittel für alle auch unheilsame Kranckheit-und Anligen des Leibs und der Seelen: Sie ist abyssus gratiæ & pelagus curationum, sagt der Heil. Jo. Damas. ein Abgrund der Gnaden / und ein Meer des Heils. 10

Der Heil. Rich. à S. Laur. aber vergleicht sie gar recht einem Garten / in welchem alle heilsame Kräuter zu finden seynd / welche ein unfehlbar- und übernatürliche Krafft haben / alle Kranckheiten zu curiren.

In sensu politico aber / in politischem Verstand stellet uns meines Erachtens der Ceder-Baum füglich ein vollkommenen und ausgemachten Regenten vor: dann ein regierender Herr muß warhafftig den Eigenschafften des Ceder-Baums gleichende Qualität- und Tugenden haben. 11 Gleich wie der Ceder-Baum schnur gerad aufwachset / und in der Höhe all andere Bäum übertrifft / also muß ein guter Regent gerad nach der Richtschnur der Gerechtigkeit procediren /und weder durch die gar zu grosse Clemenz [542] oder Güte zu viel auf die rechte Seiten / weder durch die allzu grosse Strengheit auf die lincke Seiten sich lencken /sondern allzeit in dem Mittel sich halten.


Medium tenuêre beati.
Glückseelig ist der jenig Mann /
Der das Mittel treffen kan.

Die Hoheit aber seiner Würde und und seines Stands belangend / gleichwie er in dieser seine Unterthanen / so wohl als der Ceder die andere Bäum / gar weit übertrifft / also soll er sie auch in der Klugheit und Tugend übertreffen. Ein Ceder-Baum erfordert viel biß er zu einer solchen Höh- und Grösse aufwachset / er ziehet viel Safft von Erden an sich / aber er behaltet es nicht für sich allein / sondern wann er aufgewachsen ist / theilt er wiederum reichlich mit /was er empfangen hat / und laßt es auch andere geniessen / er gibt ein wohlriechenden Safft und heilsame Früchten von sich / er macht ein angenehmen Schatten / und vertreibt die Schlangen von dem Platz /auf dem er steht. Eben also erfordert ein regierender Herr viel zu seiner Verpflegung / zu seiner standmäßigen Aufführung / er ziehet einen grossen Theil von den Güteren oder Einkommen seiner Unterthanen an sich / aber er soll es nicht zu seinem Nutzen / oder vielmehr zu seinem Pracht und Uberfluß allein verwenden / sondern wann er in Stand gesetzt ist / soll er es auch seine Unterthanen wiederum geniessen lassen / durch die Milde und Freygebigkeit ein guten Safft /und guten Geruch eines tugendlichen Wandels von sich geben / durch den Schatten aber seines Schutzes /seiner Protection die Unterthanen beschirmen und alles feindlich- oder schädliches von ihnen abwenden.

Der Ceder-Baum bleibt unversehrt im Ungewitter /er grünet allzeit / und ist keiner Fäulung / keinen Würmen unterworffen. Auch ein großmüthiger Regent solle standhafftig und unverrucket bleiben in dem Ungewitter der anhaltenden Gefahren und Beschwerden /und keiner Corruption unterworffen seyn / das ist /sich nicht corrumpiren lassen / oder von der Gerechtigkeit abweichen / weder durch die Affection zu seinen Favoriten oder Günstlingen / weder durch das Schmeichlen seiner Augen-Diener etc.

Viel unterschidlich und fürtreffliche Eigenschafften hat der Ceder-Baum an sich / aber vor allem wird sein Höhe gerühmt und bewundert / dise macht ihn ansehnlich / diese erhebt ihn über alle Bäum; auch ein regierender Herr / ja ein jeder Oberer muß unterschidliche Tugenden haben / aber vor allem ist die Klugheit an ihm zu loben / dise erhebt und erhöht ihn über den gemeinen Pöfel / diese ist eine veste Grund-Saul /von welcher sein Regierung / sein Authorität oder Ansehen muß unterstützt und aufrecht erhalten wer den. 12 Durch die Klugheit wird er insgemein viel mehrer als mit Gewalt ausrichten / die Klugheit des Fürsten / oder Vorstehers ist gleichsam ein Steur-Ruder / welches das gantze Schiff des gemeinen Wesens regieren muß / sie ist der Perpendickel / der das Uhrwerck in seinem richtigen Gang erhaltet: ja sie ist das Primum mobile, nach welchem alle Stern und Planeten des Politischen Firmaments / das ist / alle Ständ des Lands / oder Mitglieder der Communität ihren Lauff nemmen / und ihre Revolutiones anstellen.

Die Klugheit / spricht Cicero, ist ein Kunst recht zu leben / sie ist der sicherste Schutz eines Lands /oder Reichs / sagt Isocrates, ja der allerhöchste Regent / GOtt selbsten hat die Erden durch Weißheit gegründet / und durch Verstand die Himmel bevestiget.

Fürnemlich aber bestehet die Klugheit eines Regenten / oder einer Obrigkeit / in Erinnerung des Vergangenen / in Vorsehung des Zukünfftigen / und in Betrachtung des Gegenwärtigen / [543] dann nach reiffer Erwegung dieser dreyen muß er einen Schluß fassen /und sein Urtheil stellen / damit er sicher gehe / und weißlich handle.

Gar wohl und sinnreich hat dises vorgestellt der berühmte Symbolist de Saavedra Hispanus, 13 indem er drey Schlangen abgebildet / deren zwey in dem Spiegel die verflossene / und zukünfftige Zeit / die dritte aber die gegenwärtige in einer Reiß- oder Sand-Uhr betrachtet / mit beygesetzter Sinnschrifft:


Quæ fint, quæ fuerint, quæ mox futura trahantur.
Was g'schicht / was g'schehen ist / und kan /
Diß alls / betracht ein weiser Mann.

Diese drey Ding seynd drey klare Spiegel / in welchen ein Regent seine begangene Fehler und Mängel zu verbessern / die künfftige zu verhüten leichtlich ersehen kan und soll.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Palm-Baum.

Auch der Palm-Baum ist ein edel und fürtreflicher /ein schön- und sehr fruchtbarer Baum: es gibt zwar vil unterschidliche Art- und Gattungen der Palm-Bäumen / wie in dem Indisch- und Sinesischen Lust-Garten Fol. 301. & sequent. weitläufig zu sehen ist; dann anderst seynd sie in America, in Palæstina etc. in Indien / anderst in Brasilien / in Egypten etc. beschaffen. 14 Ja es werden auch von etlichen die Cocos-Bäum / und Dattel-Bäum / Cocos-Palmen / und Dattel-Palmen genennt. Es hat aber der Palm-Baum insgemein wider die Gewohnheit aller andern Bäumen dieses an sich / daß er untenher an dem Stammen zu nächst an der Erden dünner und schwächer ist / obenher aber gegen den Aesten dicker und schöner / da hingegen andere Bäum zu unterst am dickisten seynd /in die Höhe aber sich nach und nach verliehren. Der Palm-Baum ist ein hoher ansehnlicher Baum / er vermehrt sich / und wachset so häuffig / daß er gantz dicke Wälder formirt.

Er hat seine allzeit grünende Aest und Blätter / die im Winter nicht abfallen / und sind als wie ein Schwerdt gestaltet.

Den Nutzen aber und die Fruchtbarkeit des Palm-Baums belangend / so ist selbe unvergleichlich groß; dann er tragt schier das gantze Jahr hindurch die beste und häuffige Früchten / die dem Menschen zur Speiß dienen: es fliessen auch theils aus dem Holtz / theils aus den Früchten unterschidliche gute Säfft / welche nicht nur als ein guter Palm-Wein können getruncken / sondern auch wie ein Oel / wie ein Milch / etc. ja auch Artzney-weiß können gebraucht werden. 15 Es kan ferners von dem Palm-Baum ein gewisse Art Baum-Woll gezogen / und aus derselben Kleider und Beth-Gewand gemacht werden / wie unterschidlicheAuthores melden. Mit einem Wort / der Palm-Baum verschafft einem Menschen alle Nothdurfft / er speiset / träncket / kleidet und heilet: Aus dem Holtz aber des Indianischen Palm-Baums können unterschidliche Sachen gearbeitet werden / grosse Schiff gemacht / hohe Mast- oder Segel-Bäum / und gantze Häuser: nichtweniger aus der Rinden Schildt und Beckel-Hauben etc.

Billich derowegen kan man dem edlen Palm-Baum die Sinn-Schrifft zueignen / und von ihm mit Wahrheit sagen:


Ab uno omnia.
Alles was dir nutz kan seyn /
Gibt der Palm-Baum gantz allein.

Daher ist es auch geschehen / daß vor Zeiten so vil tausend heilige Einsidler von dem eintzigen Palm-Baum sich ernähret / und erhalten haben / [544] und GOTT hat uns aus sonderbarer Fürsichtigkeit / die sonst öde Landschafften und Wüsteneyen mit diesem edlen und fruchtbaren Baum / dem Menschen zu Dienst bereichet und versehen.

Aber der edle Palm-Baum ist nicht nur fruchtbar und nutzlich / sondern auch rühmlich; dann er ist allzeit für ein Zeichen des Siegs gehalten worden / der Beständigkeit und der Stärcke: deßwegen pflegte man denjenigen / die sich in dem Streit tapfer gehalten haben / bey dem Triumph Palm-Zweig in die Händ zu geben. 16 Ja nicht nur auf der Erden / sondern auch in dem Himmel werden die Palm-Zweig hochgeacht; der heilige Evangelist hat in seiner heimlichen Offenbahrung eine unzahlbare Menge der Auserwählten / vor dem Thron GOttes in grosser Herrlichkeit stehend gesehen / welche alle Palm-Zweig in ihren Händen hatten / zum Zeichen / daß sie die Welt / das Fleisch /und den Teufel überwunden haben. 17 Nicht weniger Christus der HErr selbsten / da er triumphirlich zu Jerusalem ist eingezogen / hat er gewolt / daß das Volck ihme mit Palm-Zweigen in den Händen entgegen komme.

Ein solcher triumphirlicher / ein solcher edel- und fruchtbarer Palm-Baum / in sittlichem Verstand / ist das heilige Creutz: dieses ist jener Palm-Baum / von welchem der himmlische Bräutigam in dem hohen Lied gesprochen hat: Ascendam in Palmam & apprehendam Fructus ejus. 18 Ich will auf den Palm-Baum steigen / und seine Frucht ergreiffen / oder abbrechen. Die Früchten aber dieses Palm-Baums seynd die unendliche Verdienst Christi / die Erlösung des menschlichen Geschlechts / daß wieder hergestelte Recht zu dem Himmel / die heilige Sacramenten /etc. der kostbare Safft aber / welchen dieser heylwehrte Palm- oder Creutz-Baum von sich gibt / ist das Heil. Rosenfarbe Blut / so er für uns vergossen hat /es seynd die Fontes Salvatoris, die Brünnen des Heyls / die er uns aus seinen heiligen 5. Wunden hat fliessen lassen. Warhafftig nullo silva talem profert fronde, flore, Germine. etc.


Kein Wald hat jemahl tragen /
Ein so edlen Palmen-Baum;
Mit Wahrheit kan man sagen /
Man könn zehlen d' Früchten kaum.

Dieser Baum grünet und floririt allzeit / seine Blühe und Blätter fallen niemal ab / das ist / die Ehr und Hochschätzung des heiligen Creutzes wird allzeit dauren: es heist da bey diesem Baum / fructus mei, fructus honoris & honestatis, Die Früchten / die an mir hangen / seynd voller Ehr und Reichthum. 19

Aus dem Holtz des Indischen Palm-Baums werden / wie gemeldt / Schiff / und Mast- oder Segel-Bäum gemacht / damit über die Flüß und Meer zu fahren; auch aus dem Holtz des heiligen Creutzes wird ein Schifflein gemacht / ja das Creutz Christi ist das eintzige Schifflein / in welchem die Seel über das gefährlich- und ungestümme Meer des zeitlichen Lebens /der gegenwärtigen Welt / an das Gestatt der glückseeligen Ewigkeit überfahren / und den vilfälltigen Nachstellungen der höllischen Meer-Räuber / der bösen Gelegenheiten / und verführerischen Gesellschafften /den hefftigen Sturm-Wind und Wellen der schweren Versuchungen etc. entrinnen kan. Das ausgespante Seegel-Tuch in diesem Schifflein ist der am Creutz hangende / und mit Näglen angehäffte Jungfräuliche Leib Christi. His te committe velis, si tutò navigare velis, rufft einem Christen zu Petrus Blesensis. 20 In dieses Schifflein must eintretten / wann dich wilst in G'fahr erretten.

Endlichen werden auch aus dem Holtz dieses sittlichen Palm-Baums [545] des H. Creutzes die stärckste und sicherste Waffen gemacht / uns wider die unsichtbarliche Feind der Seelen zu beschützen / selbige zu bestreiten / und zu überwinden.

Aber zu mercken ist / was Plinius und andere Natur-Kündiger von den Palm-Bäumen schreiben /und auch der H. Ambrosius und Ephrem etc. bekräfftigen / daß es nemlich unter den Palmen ein Unterscheid des Geschlechts / das ist / Männlein und Weiblein gebe / nach Proportion als wie unter den Thieren / und diese seyen also beschaffen / daß die Weiblein wenig oder gar kein Frucht tragen / wann sie nicht also gepflantzt werden oder aufwachsen / daß sie von den Männlein mögen überschattet werden / oder aufs wenigst gegen einander stehen / daß der Lufft den Staub von den Blätteren / oder den Geruch von dem Männlein auf das Weiblein hinüber trage / wann sie mit den Aesten emander nicht erreichen können: mit einem Wort / das Weiblein unter den Palm-Bäumen will mit dem Männlein vergesellschafftet seyn / es muß einiger massen mit ihm verbunden seyn / sonst tragt es keine Früchten. 21 Vast ein gleiche Beschaffenheit hat es mit der Christlichen Seel / und mit dem Creutz Christi / als einem sittlichen Palm-Baum /wann die Seel das Creutz nicht in ihrem Angesicht /oder vilmehr in ihrem Angedencken / und ihrer Anmuthung hat / wann sie nicht durch die Liebe / durch die Gedult / und Abtödtung mit dem Creutz vergesellschafftet und verbunden ist / da wird sie niemalen einige des Himmels würdige Früchten herfürbringen. Wann sie aber mit dem Creutz verbunden / oder von demselben überschattet wird / alsdann wird sie fruchtbar gemacht. Sobald das Männlein unter den Palm-Bäumen umbgehauen / oder hiweg genommen wird /da steht das Weiblein ab / es wird unfruchtbar; und sobald das Creutz von der Seelen hinweg genommen wird / da bringt sie keine Früchten mehr der guten Wercken herfür. 22

Ein fernere Gleichnuß mit dem Palm-Baum geben mir die Wort des Psalmisten an die Hand / indem er sagt: Justus ut Palma florebit. 23 Der gerechte wird grünen wie ein Palm-Baum: dann erstlich / gleichwie der Palm-Baum unterhalb zu nechst bey dem Erdboden dünner / schwächer / und unansehnlicher ist / hingegen je mehr sich der Stamm in die Höhe erhebt / je dicker / schöner / und stärcker wird er; also seynd die gerechte / und gottseelige Menschen in den irrdischen Dingen / und zeitlichen Geschäfften / und Wissenschafften gemeiniglich schwach / und wenig erfahren /sie seynd auf der Erden / das ist / bey den Welt-Menschen nicht ansehnlich / ja öffters gantz verachtet: Hingegen aber in der Höhe / in der Tugend und himmlischen Dingen seynd sie starck / wohl bestelt /und erfahren / sie seynd schön und wohl angesehen vor GOTT und seinen Englen. Dahingegen die eytle Welt-Menschen ihr meiste Stärck / und ihr meistes Ansehen nur auf der Erden haben / in der Höhe aber /oder an den Kräfften der Seelen seynd sie gantz schlecht bestelt / schwach und unformlich. Wiederum der Palm-Baum grünet allzeit / ist allzeit fruchtbar /und zu allem nutzlich / nichts ist umsonst an ihm; es geht zwar langsam zu biß er aufwachset / aber wann er einmahl in seiner perfection ist / da schibt er alle Neu-Mond neue Zweiglein herfür. Eben also geht es zwar hart und langsam zu / es kost vil Mühe und Zeit / biß daß der Gerechte zur Vollkommenheit gelangt /aber wann er selbe erreicht hat / da grünet er beständig / er tragt die schönste Blühe und Blätter der guten und auferbaulichen Worten und Exemplen / er gibt den besten Geruch von sich eines unsträflichen Wandels / er bringt die gantze Zeit / sowohl im Sommer des Trosts und der Wohlfahrt / als im Winter der Trübsaal und des Miß-Trosts [546] die beste und häufige Früchten der reichlichen Verdienst und guten Wercken herfür / und alles / was an ihm / ist nützlich. Pietas ad omnia utilis. Die Babilonier pflegten zu sagen / die Menschen können 360. Gutthaten oder Nutzbarkeiten von dem Palm-Baum haben: aber die Früchten und Nutzen / so die Catholische Kirch von den Gottseligen und vollkommnen Seelen hat / seynd nicht nur 360. sondern unzahlbar vil.

Fernes / der Palm-Baum liebt ein Erden / welche zwar vom Wasser öffters begossen wird / doch aber mehr mager und sandig / als fett und lettig ist: es ist ihm auch die Kälte zuwider / er wachst gern in hitzigen Ort- und Länderen. Eben eine solche Beschaffenheit hat es auch mit dem sittlichen Palm-Baum / mit dem Gerechten und seinem Wachsthum: Er hat zwar vonnöthen / daß er öffters von den himmlischen Gnaden-Flüssen angefeucht und begossen werde / doch steht er vil lieber in einer sandigen mageren / als in einer feisten leimigen Erden / das ist / der Gerechte und Vollkommene führt vil lieber ein rauhes / streng-und bußfertiges als ein wollüstig- oder bequemliches Leben: er liebet mehr die Armuth / Mortification und Demüthigung / als Wollüst / Ehren / und Reichthumben. Der weise Seneca sagt: Multis ad philosophandum obstitêre divitiæ. Die Reichthumben seynd vilen an der Weißheit verhinderlich gewesen / aber noch vilmehr haben die Wollüst und Reichthumben an der Tugend und Gottseeligkeit geschadet. Deßwegen gleichwie der Palm-Baum zu Zeiten muß gestutzt / und das Uberflüßige davon geschnitten werden / als muß der Gerechte ihm selber den Uberfluß abthun /und in allem der Mäßigkeit sich befleißigen. Auch die Lauigkeit des Hertzens und der Liebe ist dem Gerechten / als wie dem Palm-Baum die Kälte / schädlich /er liebt die Wärme die Hitz des Eyfers und der Andacht etc.

Endlichen ist noch an dem Palm-Baum merckwürdig / daß / wie Thom. le Blanc. S.J. aus Aristotele und Plutarcho bezeuget / wann man schon ein auf rechtes Stuck Palmen-Holtz mit einem grossen Last beschwähret / so gibt es dannoch nicht nach / es krümt oder biegt sich nicht / sondern es widersteht dem Last / und richtet sich mit Gewalt in die Höhe auf.

Eben also ein gerechte und vollkommene Seel /wann sie schon ein grosse Bürde tragen muß / wann sie schon mit unterschidlichen Beschwerden überhäufft und beladen ist / so weicht sie doch nicht / sie gibt nicht nach / sondern bleibt allzeit beständig und aufrecht / als wie der Palm-Baum stehet. Mithin verdient sie gar wohl das Lemma, oder die Sinn-Schrifft:


Premor non opprimor.
Ich wird gedruckt / nicht unterdruckt.

Oder wie jener Poët etwas ausführlichers:

Pressa sub ingenti ceu pondere Palma virescit,
Sub cruce sic florent dedita corda DEO.
Gleichwie der Palm auch hart beschwert /
Dannoch grünt / und aufrecht steht /
Also der Grecht / obwohl betrangt /
Wie ein Palm-Baum siegreich prangt.

Ubrigens gedunckt mich / der so fruchtbare Palm-Baum ein lebhaffte Abbildung oder Entwurff der Freygebigkeit zu seyn / weilen er ja alles / was er hat /dem Menschen zu Nutz [547] so reichlich und häuffig mittheilet: doch also / daß er sich nicht auf einmahl gäntzlich erschöpfft / sondern also gibt oder mittheilet / daß er immer im Stand bleibt / noch ferners zu geben / als wann er es gleichsam verstunde / daß die Freygebigkeit solle mäßig und vernünfftig geübt werden (und gleichwie all-andere Tugenden) zwischen zwey äussersten Dingen / nemlichen dem Geitz / und der Verschwendung das Mittel halten. 24

Die beste Regul und Maaß der Freygebigkeit hat der alte Tobias seinem Sohn / dem jüngern Tobiä /mit folgenden Worten vorgeschrieben: Si multum tibi fuerit, abundanter tribue, si exiguum, etiam exiguum libenter impertiri stude. 25 Hast du viel / so gibe reichlich / hast du wenig / so befleiß dich auch das wenige mitzutheilen.

Mit einem Wort: Quomodo potueris, misericors esto, sagt Tobias: Nach deinem Vermögen erweise Barmhertzigkeit.

In Austheilung der Gaaben und Schanckungen sollen jederzeit zwey Stuck gegen einander abgemessen /oder abgewogen werden / nemlichen die Kräfften oder das Vermögen des Gebenden / und die Nothdurfft des Empfangenden: dann wann das Vermögen überschritten wird / setzt sich der Gebende in Gefahr der bevorstehenden Armuth und Vetspottung: wann er aber weniger gibt / als er kunte / und die Nothdurfft des andern erforderet / da wird er den Namen und den Ruhm eines Freygebigen niemahl erhalten.

In dem Alten Testament haben die Opffer mit Saltz müssen angesprengt werden; auch die Gaben / so von der Freygebigkeit herkommen / sollen mit dem Saltz der Discretion oder Bescheidenheit gleichsam gewürtzt werden / damit sie wohl geschmach / und nicht weniger dem Gebenden / als dem Empfangenden gedeylich seyen.

Wann die Freygebigkeit auf solche Art beschaffen ist / da gleicht sie dem edlen Palm-Baum / welcher nicht nur mit seinem Safft und seinen Früchten die Hungerige und Durstige speiset und träncket / sondern auch die Anschauende mit der Schönheit der Aest und Blätter / und mit der Lieblichkeit des Geruchs ergötzet: dann ein besondere Fürtrefflichkeit dieser Tugend der Freygebigkeit ist / daß sie nicht nur die Bedürfftige vergnüget / sondern zugleich auch die Unbedürfftige mit ihrer Annehmlichkeit einnimmt /und sich bey ihnen beliebt macht. Es ist keine geringe politische Klugheit / die Freygebigkeit recht zu üben wissen / und die Gemüther dardurch zu gewinnen; wer unbedacht und unbescheiden viel verschencket /der bringt nicht mehr dardurch zu wegen / als daß man zwar seine Gaben liebt / ihn aber darbey verachtet: hingegen seynd nicht wenig Regenten zu zehlen /welche durch ein generose und zugleich bescheidene Freygebigkeit die Affection ihrer Unterthanen / die Sicherheit ihres Land / und den Ruhm eines Preyß-würdigen Fürstens bey der spaten Nach-Welt erworben haben.

Ein in den weltlichen Historien von der Freygebigkeit sehr berühmter / und einem fruchtbaren Palm-Baum / gleichender Fürst ist gewesen Cimon Altheniensis, welcher / nachdem er im Krieg die Barbarer überwunden / und überaus grosse Reichthumen erworben hat / da hat er an allen seinen Land-Gütern die Mäuren und Zäun lassen niederreissen / damit ein jeder von den Früchten ungehindert selbst nemmen kunte / was er vonnöthen hatte. 26 Sein Hauß stunde einem jeden offen / ein jeder hatte freyen Zutritt / und fande da Speiß und Tranck in Bereitschafft nach Belieben.

[548] Wann er aber offentlich über die Gassen gienge /da musten ihn viel adeliche Jüngling begleiten / die er alle mit schönen neuen Kleidern versehen hat / und so bald ihme ein ehrlicher Mann begegnete / der schlecht gekleidet ware / da musten sie gleich mit ihm die Kleider vertauschen. Ptolomæus aber ein Sohn Logi hatte kein grössere Freud / als wann er jemand kundte reich machen: dann er sagte / es sey weit ein grössers Glück und Ehr einen andern reich machen / als selber reich seyn. 27

Der Persianische König Cyrus, nachdem er Assyrien eroberet / hat er in allen Gelegenheiten / und auf alle Weiß gegen die Seinigen die Freygebigkeit geübt: sprechend / seine Schätz und Reichthumen bestehen nicht in Silber und Gold / sondern in guten Freunden.Theat. vit. Hum. f. 548. aber non omnis fert omnia Tellus, solche fruchtbare und so reichlich mittheilende Palm-Bäum wachsen nicht in allen Landen.

Wohl melden von solchen auch die geistliche Geschichten. Dann ein solcher ist unter andern gewesen /der Heil. Thomas de Villa Nova Ertz-Bischoff zu Valentz in Hispanien; dieser hat seinem Allmosen-Geber oder Ansspender kein andere Regul vorgeschrieben /als all den jenigen zu geben / die es begehren. Sein tägliches und gewisses Allmosen aber / welches alle Tag 500. Menschen empfingen / ware ein Brod / ein Suppen / ein Trunck Wein / und noch ein kleine Müntz darzu: neben noch andern grössern Allmosen /für andere sonders Bedürfftige in geringerer Anzahl. Wann einem Handwercks-Mann der nothwendige Werckzeug abgienge / oder einem Kauffmann die nothwendige Wahren ermangleten / liesse er ihnen alsobald selbige aus seinen Mittlen verschaffen.

Sehr grossen Theil seiner Freygebigkeit haben auch die Findel-Kinder genossen / deren er über 40. auf einmahl beysammen gehabt / und ihnen alle nöthige Vorsorg thun lassen.

Ein solcher ist auch gewesen der von der Freygebigkeit Welt berühmte Joann. Eleemosinarius Ertz-Bischoff zu Alexandria, welcher alle Geist- und Weltliche / Fürnehm- und Gemeine / die aus Syrien (welches von den Persianern ist verhörget worden) nacher Alexandriam geflohen seynd / mit täglicher Nothdurfft von Kleideren / Speis und Tranck versehen hat.

Ja so bald er ist Bischoff worden / hat er vor allen die Arme in der gantzen grossen Stadt aufsuchen und abzehlen lassen / und als derselben siben tausend und fünff hundert seynd befunden worden / hat er allen die Tägliche Nothdurfft reichen lassen. In seinem Todt-Bett hat er selbst bekennet / daß er die 8000. Pfund Golds / so er bey Antritt des Bißthums beysammen gefunden / neben vielen anderen alles um Christi willen (dem vorher alles zugehörte / sagte er) den Armen ausgetheilt habe.

Aber ein grosser Fehler wäre es / wann einer vermeinen solte / es seye die Freygebigkeit nur grossen Herren anständig und üblich: Nein / die allgemeine Regul der Freygebigkeit / wie schon gemeldt / hat der alte fromme Tobias vorgeschrieben / si multum tibi fuerit, abundanter tribue etc. hast du viel / so gib reichlich / hast du wenig / so befleiß dich auch das wenige mitzutheilen. Viel Gottseelige Männer haben sich in schwerer Hand-Arbeit ernährt / in saurem Schweiß des Angesichts ihr tägliches Brod gewonnen / und dannoch den Armen darvon mitgetheilt / da hingegen so viel reiche Geitz-Häls von ihrem Uberfluß nichts geben.

Der 3. Absatz
[549] Der 3. Absatz.
Von dem Cypreß- und Lorbeer-Baum.

Der Cypreß kommt in etlichen Stucken mit dem Ceder- und in etlichen mit dem Palm-Baum übereins: er wachset hoch und gantz gerad auf: er ist zimlich dick / und sein Rinden schier Kösten-braun / die Zweig aber / deren viel in einem Kreis gesetzt / spitzen sich in der Höhe zusammen in die Form eines Kögels oder Tann-Zapffens. 28 Das Holtz dieses Baums ist so daurhafft / vest und hart / daß es aufrecht ein gar schweren Last ertragen kan: es ist an sich selber rothlecht / und gibt ein guten Geruch von sich / den es gar lang behaltet: es ist auch von Wurm-Stichen befreyt / und hat keine Spält oder Ritzen: die Blätter hangen abwärts / seynd rund und bleiben immer grün.

Die Früchten aber der Cypreß-Bäumen / oder die Cypreß-Nüssen seynd einer noch mit grüner Schalen oder Hülsen bedeckter Welschen Nuß ähnlich / und darinn seynd rothlechte Körner zu finden. Der Stamm des Baums gibt auch ein Hartz von sich / das etwas weich ist / dem Terpentin gleichend / und wohlriechend.

Diese Art der Bäumen trifft man häuffig an in Italien / und in der Insul Candia etc. 29

Durch den Cypressen-Baum werden füglich die Bischöff und Prälaten angedeutet; dann gleichwie die Cypressen gantz gerad und hoch über die andere Bäum aufwachsen / also gehen die Bischöff und geistliche Prälaten wegen der Würde ihres Stands hoch über die Layen / und gemeine Geistliche aus / und zwar gantz gerad durch die Geräde der rechten Intention und des Absehens auf den Endzweck der Ehr GOttes / und der Seelen Heyl. Die Cypreß-Bäum grünen allzeit / seynd daurhafft und unverwesentlich / sie faulen nicht in gar langer Zeit / und eben darum hat man sie vor Zeiten viel gebraucht grosse und starcke Kirchen-Saulen daraus zu machen / weilen sie einen grossen Last tragen mögen / ohne Gefahr / daß sie brechen / oder sich biegen. Eben also die hoche geistliche Obrigkeiten / und würdige Vorsteher in der Kirchen GOttes grünen und floriren an Tugend und Weißheit. Sie seynd daurhafft und beständig in Anfechtung / Widerwärtigkeit und Verfolgung / sie weichen nicht / lassen sich nicht biegen / sie geben nicht nach / und eben darum seynd sie gar tauglich / die Kirchen GOttes als veste Grund-Saulen mit Lehr und That zu unterstützen / und aufrecht zu erhalten. Groß ist die Bürde / schwer ist der Last einer hohen geistlichen Obrigkeit / es erforderet starcke Schuldteren /das ist / starcke Kräfften / samt einem grossen Fleiß und unermüdeten Eyfer / der sich an einem solchen Cypreß-Baum befinden muß: ein jeder aus disem soll ihm lassen gesagt seyn jene Wort: Eris stabilis & non timebis. Du sollest starck seyn / und dir nicht förchten. 30 Ja auch die Wort des weisen Senecæ, welcher sagt / utere officio, quod semel assumpsisti, turpe enim est, oneri cedere, verrichte das Ambt / welches du einmahl angenommen hast / dann es ist schandlich dem Last unterliegen / oder die Beschwernuß fliehen. Es solle ein jeder aus diesen ihme einbilden / man ruffe ihm von oben herab mit jenen Worten zu: Esto vir fortis & præliare prælia Domini. 31 Sey starck /und führe des HErrn Krieg.

Medicinalis arbor est Cupressus, sagt Richardus à S. Laurentio. Der Cypreß ist ein heilsamer Baum /seine Aest / Blätter / und Früchten seynd Artzney-Weiß zu gebrauchen: und wann das Holtz von diesem Baum angezündt / und verbrennt wird / da [550] soll der Rauch gut seyn für die Pest / und gesund / daß die faulen Leiber nicht schaden. Auch der sittliche Cypreß-Baum / ein hohe geistliche Obrigkeit ist heilsam ihren Untergebenen / ihre Wort / Lehr / und Exempel / so gleichsam die Aest / Blätter / und Früchten seynd / dienen dem Christlichen Volck Artzney-Weiß für unterschidliche geistliche Anliegen und Gepresten. Absonderlich wann ein solcher Cypreß angezündet ist / und brennet von dem Feuer des Eyfers und der An dacht / der Liebe GOttes und des Nächsten / da gibt er ein annehmlichen Geruch eines auferbaulichen Tugend-Wandels / und einen guten gesunden Rauch /der bey seinen geistlichen Unterthanen die Sünden-Pest vertreibt / und die Seelen præserviret / oder bewahret / von der Verfaulung in den bösen Begierden /und unordentlichen Anmuthungen.

Was den Lorbeer-Baum anbelangt / so wird selber in hohen und niederen / in zahmen oder fruchtbaren abgetheilt / der zahme hat entweders schmale und länglecht-zugespitzt- doch dicke starcke Blätter / und dieser wird für das Männlein gehalten / der kürtzere und breitlechte / der soll das Weiblein seyn. 32 Die Lorbeer-Bäum grünen auch das gantze Jahr / und ihre Blätter haben einen annehmlichen und starcken Geruch / und werden / unterschidliche Victualien darmit einzumachen / gebraucht. Aus seinen Blätteren kan ein Oel gepreßt / und Artzney-Weiß gebraucht werden: es soll auch sein Holtz das Cistern-Wasser frisch und gesund machen.

Der Lorbeer-Baum wachset gern in warmen Länderen / als Italien / wo er gar häufig anzutreffen / sowohl in Wälderen und Felderen / als Gärten / die Kälte ist gar nicht für ihn / er liebt ein truckene Erden / sein Frucht bestehet in Beeren / die anfänglich grün /hernach aber schwartz werden / und einen Kern haben.

Der Lorbeer-Baum soll die sonderbare Krafft haben / daß er niemahl vom Donner getroffen werde /und auch hiervon sicher stelle den / der ein Lorbeer-Crantz auf dem Haupt hat. Dieser Baum ist bey den alten Römeren hoch geschätzt / und in sonderen Ehren gehalten worden: an fürnehmen Festen pflegte man die Tempel / und Häuser darmit zu zieren / absonderlich aber die Triumph-Bögen / ja auch die Kayser selbst / und andere triumphirende Ob-Sieger in ihren Triumphen darmit zu crönen. So offt die Stadt Rom ein grosse Freud und Ehr erlebt hatte / pflegte man dem Jovi in seinem Tempel einen Lorbeer-Zweig in die Schooß zu legen / wie auch die vortreflichePoëten darmit zu crönen.

Weilen nun der Lorbeer jederzeit für ein Zeichen des Siegs und der Standhafftigkeit ist gehalten worden / so kan billich in sittlichem Verstand die himmlische Glori und ewige Belohnung dardurch verstanden werden. 33 Das menschliche Leben ist ein immerwehrender Streit auf dieser Erden / wie der geduldige Job vor längsten bezeugt und erfahren hat: wer nun in diesem Krieg wider die Feind seines Heyls / seiner Seel nemlich / wider die Welt / das Fleisch / und den Teufel standhafftig ist / und ritterlich überwindet / der wird mit dem niemahlverwelckenden Lorbeer-Krantz der himmlischen Glori / und ewigen Belohnung gezieret und gecrönet werden: auch jederzeit sicher seyn vor dem Donner-Streich des göttlichen Zorns und Ungnad. Hingegen wie der Apostel Paulus bezeuget /non coronabitur nisi qui legitimè certaverit, 34 niemand wird mit diesem Lorbeer-Krantz gecrönt / der nicht redlich gekämpffet hat. Daß aber ein solcher Uberwinder in dem geistlichen Streit verdiene mit dem ewig-grünenden Lorbeer gecrönt zu werden / ist aus diesem gewiß / weilen wie gar recht jener Poët gesungen hat /


[551]

Fortior est qui se, quàm qui fortissima vincit Mœnia:

Vil stärcker ist der sich bezwingt /
Als der ein Festung überwindt.

Dann ein solcher Kämpfer / der mit ihm selbsten und wider sich selbsten zu streiten hat / der hat den stärckisten und gefährlichsten Feind vor sich / nemlich sein eigne Lieb und Anmuthung / die er unterdrucken und austilgen muß etc.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von dem Ahorn oder Maßholder-Bäumen.

Der Ahorn oder Maßholder-Baum wird auf lateinischPlatanus genennt von seinen grossen breit- und glatten Blätteren / wegen denen er auch ein sehr grossen Schatten von sich gibt / und die Sonnen-Hitz abwendet / indem er seine Aest überaus weit ausstrecket: diese Art der Bäumen ist wegen des angenehmen Schattens schon von den alten Römern aus weit entfernten Landen über das Jonische Meer in Italiam gebracht worden (obwohl villeicht unter einem anderen Nahmen) und zu Rom also in Ehren gehalten / daß man seine Wurtzlen häufig mit Wein angefeuchtet (dann von diesem wachst er starck) obwohl er sonst die Flüß und andere Wässer liebt / massen in Heil. Schrifft geschrieben stehet: Quasi Platanus juxta aquas in Plateis: 35 Wie ein Ahorn an dem Wasser in den Gassen: im Winter aber laßt er den Sonnen-Strahlen den freyen Zugang: er wachset häufig und groß in Asien / doch vilmehr in die Breite als Höhe. Seine Blätter sollen anderthalb Händ breit / und bey 3. oder 4. Händ lang seyn unseren Reeb-Blätteren nicht gar ungleich / in West-Indien aber gibt es Ahorn von einer anderen Art / die gantz anderst beschaffen seynd / und Früchten tragen / die gut zu essen seynd /aber keinen solchen Schatten geben. Ich liese / daß man an gewissen Orthen auch einen Zoll bezahlen müsse für den Schatten des Platani oder Ahorns /wann man selben geniessen / und sich darunter begeben wolle. Wie Matthiolus aus dem Plinio schreibet /so hat es in Lycia an der Straß / bey einem kühlen Wasser zu sondern Trost der Reisenden vor Zeiten ein Ahorn-Baum geben / welcher hohl ware / und ein Klufft oder Gewölb 80. Shuhe weit in sich hatte. 36 Sein grüner Kopf sahe einem kleinen Lust-Wäldlein gleich / und seine großmächtige Aest schienen wie lauter Bäum / und bedeckten die umliegende Felder oder Aecker mit ihrem weit ausgeworffenen Schatten.Licinius Mutianus der berühmte Römer bezeuget /und erzehlt / daß er mit 22. Personen seinen Reiß-Gefehrten in der Höhle dieses Baums / als wie in einer gantz bequemen Wohnung habe Mahlzeit gehalten. Von einem anderen solchen Platano meldet Plinius, daß er so groß / und also seye zugericht gewesen / daß kommlich innerhalb desselben 15. Personen haben sitzen / und speisen können. Xerxes aber der Persianische König / wie Ælianus bey Matthiolo loc. cit. schreibet / hat sich in Lycia mit seinem gantzen großmächtigen Kriegs-Heer unter dem Schatten eines Ahorns aufgehalten / und ein gantzen Tag lang darbey ergötzt. Welches damit es für möglich / und wahrhafft möge behauptet werden / meines Erachtens auf diese Weiß muß geschehen seyn / und verstanden werden /daß nemlich ein solcher Baum / der nur einen Haupt-Stammen hatte / an vilen Orthen ausgeschlagen / und in der Erden aufs neue Wurtzlen gefaßt / und also sich selber propagiret / oder fort gepflantzet habe / biß es ein gantzen Wald abgeben hat; Ja dieser mächtige und sonst weise König ware dißfals so thorecht / wie ermeldter Ælianus Li. 2. Cap. 14. ferner weiters erzehlet / daß er einen Ahorn oder Maßholder unmäßig geliebt / und ihm göttliche [552] Ehrbeweisungen erzeigt hat /er hat seine Aest mit guldenen Ketten und Arm-Bänderen behenckt / und ein eigne Wacht darzu bestelt /auf daß ihn niemand verletzen möchte.

Aber ich wil da in sittlichem Verstand / einen anderen weit edleren Platanum oder Ahorn für Augen stellen / welchem alle auch göttliche Ehrbeweisung vil besser gebühret. 37 Nemlich Incarnatam sapientiam die heiligste Menschheit Christi / dieser himmlischePlatanus ist von fern uns zukommen / und von GOTT zu sondern Gnaden geben worden: dieser thut uns arme Menschen / mit dem gnadenreichen Schatten seines allmächtigen Schutzes / vor den hitzigen Sonnen-Strahlen der strengen Gerechtigkeit GOttes beschirmen / auch die Hitz unserer unmäßigen Begierd und Anmuthungen temperiren. Absonderlich hat dieser Göttliche Ahorn die gantze Welt mit Gnaden über schattet / als er seine Aest / ich verstehe / seine H. Händ und Füß an dem Creutz hat ausgestreckt / und das menschliche Geschlecht erlöset. Von diesem sittlichen Baum können verstanden werden / die Wort der Weißheit / die sie von ihr selbst gesprochen hat /quasi Platanus exaltata sum juxta aquam in Plateis. 38 Ich bin erhöht wie ein Ahorn / erstlich zwar an dem Creutz / oder bey den Wässeren / ja einem gantzen Meer der Peinen / Schmach und Schmertzen: hernach aber über alle Himmel erhöht / über alle Menschen und Engel / an den Wässeren / oder besser zu reden / an einem unergründlichen Meer der Glori und Glückseeligkeiten.

Aus dreyerley Ursachen / wie gar wohl Rich. â S. Laur. Lib. 19. v. 9. anmercket / pflegt ein Wanders-Mann unter die Schatten-reiche Bäum zu fliehen / und Schirm zu suchen: wegen der grossen Hitz / wegen hefftigen Wind / und starcken Regen.

Eben also seynd auch dreyerley hauptsächliche Ubel und Gefahren / von welchen der Mensch auf der Wanderschafft dieses zeitlichen Lebens incommodirt und angefochten wird: nemlich / die Begierlichkeit des Fleisches / so durch die Hitz zu verstehen ist: die Hoffarth / so durch die Sturm-Wind / und vilfältige Versuchungen / welche durch den Platz-Regen angedeutet werden: in diesen Gefahren und Anligen aber sollen wir uns eyferig / und eilfertig unter den Schutz und Schatten dieses hochgepriesenen sittlichen Ahorn / Christi des HErrn begeben / um von dem Ungewitter sicher und unbeschädiget zu verbleiben / zu diesem Ende sollen wir mit dem Psalmisten sprechen / sub umbra alarum tuarum protege me: 39 Beschirm mich unter dem Schatten deiner Flüglen: und wiederum in umbra alarum tuarum sperabo, donec transeat iniquitas: 40 Unter den Schatten deiner Flügel hab ich Zuflucht / biß daß die Schalckheit für über gehet. Die Blätter des natürlichen Ahorns seynd so groß als wie die Schild: aber diser gantze sittliche Baum ist ein lauterer und unüberwindlicher Schild / es ist kein Versuchung und kein Feind / kein Trübsal und Gefahr / kein Mühe und Arbeit / für- und wider welche man nicht da unter disem Baum Hülf und Mittel / Schutz und Sicherheit finde.

Die Nacht-Eulen und Fläder-Mäuß hassen und fliehen den Ahorn / oder Maßholder-Baum: und die Schlangen-Biß werden darvon geheilet: Eben also und noch vilmehr vertreibt / und verjagt Christus der HErr die schandliche und schädliche Nacht-Vögel / die Kinder der Fünsternuß / die Irrglaubige / die das Licht der Evangelischen Wahrheit hassen. Die tödliche Schlangen-Biß aber / das ist / die Wunden / so der böse Feind durch die Sünd der Seel verursachet /thut er durch sein heilig machende Gnad curiren.

Aber Platanus der Ahorn liebt die Wässer / juxta aquam in plateis, wann [553] er an dem Wasser steht / da hat er seinen Flor und Wachsthum: auch unser himmlischer Platanus der Göttliche Heyland / findet sich mit seinen Gnaden ein / wo er Wasser antrifft / ich verstehe das Wasser der Reinigkeit / das Wasser der Andacht / und der reumüthigen Buß-Zeheren etc.

Oder man kan auch mit Richardo à S. Laur. da durch die Wasser die Sünder verstehen. Aquæ populi sunt & gentes: 41 Die Wasser seynd Heyden und Völcker etc. bey diesen Wässeren hat sich der Sohn GOttes in dem Fleisch wandlent gern aufgehalten /und selbe unter seinen Schatten oder Schutz auf und angenommen / wie seine Feind die Juden selbst von ihme bezeuget haben: Hic peccatores recipit. 42 Dieser nimmt die Sünder an. Er aber sprach. Die Gesunde bedürffen nicht des Artzten / sondern die Krancke. 43

Was die Frucht des Platani oder grossen Ahorns /die in gewissen Beeren bestehet / anbetrifft / so soll dieselbe / wie Dioscorides ein berühmter Medicus bezeuget / wann sie noch grün mit Wein vermischt genossen wird / ein kräfftiges Mittel seyn wider die Schlangen-Biß / und anderer gifftigen Thieren. 44 Aber ein noch vil kräftigeres Mittel wider die Biß der höllischen Schlangen / das ist / wider die Sünden /haben wir an der Frucht unsers Göttlichen Ahorns /ich verstehe den wahren Leib und Blut Christi / in dem Hochwürdigen Sacrament des Altars / dieses istPanis vitæ & Pharmacum immortalitatis, ein Brod des Lebens / und Artzney der Unsterblichkeit / wann diese Frucht mit der Liebe GOttes und der Andacht von dem Geniessenden vermischet wird: wie es vil Gottseelige Seelen mit ihrem grösten Trost und Nutzen erfahren haben. Benantlich ein heilige Catharina Senensis, die wegen öffterem und würdigem Genuß dieses Hochwürdigen Guts / gleichsam ein Englisches Leben geführt / ab denen menschlichen Speisen / aber ein solches Abscheuen getragen hat / daß sie etlich Monath lang / kein Bissen darvon genossen hat. Vast eben also auch Genuensis befande sich gantz übel auf / sie vermeinte sie müsse sterben / wann sie nur einen Tag diese Göttliche Frucht oder heiligste Speiß nicht genossen hat. 45

Merckwürdig ist / was Christus selbsten die heilige Mechtildem gelehrt hat / nemlich daß die beste Vorbereitung zu der heiligen Communion in dem bestehe / daß / wann man kein grossen Appetit oder Begierd zu dieser himmlischen Speiß empfindet / gleichwohl in ihm selbsten ein Begierd oder Verlangen nach diser Begierd erwecken / und GOTT bitte / daß er selbe in seinem Hertzen entzünden wolle.

Es wollen auch / wie man sagt / die Beer des Ahorns ein Oel von sich geben / weches sich brennen Lasse / und einer Ampel tauge: aber gewiß ist es / daß von unserm sittlichen Ahorn der heiligsten Menschheit ein häufiges und heilsames Gnaden-Oel fliesse /welches zugleich die Ampel unsers duncklen Verstands erleuchtet / unsere harte Hertzen erweichet /und die Wunden unserer Seelen heilet.

[554]
Fußnoten

1 Der Ceder ist der edlist und fürnehmste unter den Bäumen.

2 Wo er wachse / und wie er beschaffen seye?

3 Der Ceder-Baum ist in H. Schrifft berühmt.

4 Lib. 3. Reg. c. 6.

5 2. Reg. c. 7.

6 Eccli. c. 24. v. 17.

7 Die Mutter GOttes wird aus vielen Ursachen mit einem Ceder-Baum verglichen.

8 Fernere Gleichnuß zwischen dem natürlichen / und Marianischen Ceder-Baum.

In mundo Mariano Discur. 4. n. 17. & seqq.

9 L. 13. c. 13.

10 Or. 2da de Dorm. V.

11 Ein regierender Herr ist ein politischer Cederbaum.

12 Klugheit ist einem Regenten förderist nothwendig.

13 Symb. Polit. 28.

14 Art und Beschaffenheit des Palm-Baums.

15 Nutz und Fruchtbarkeit des Palm-Baums.

16 Der Palm-Baum ist ein Zeichen des Siegs.

17 Apoc. c. 7. v. 9.

18 Das H. Creutz ist ein sittlicher Palm-Baum.

Cant. c. 7. v. 8.

19 Eccli. c. 24. v. 23.

20 C.I. de Char. c. 26.

21 L. 13. Hist. Nat. c. 4.

L. 3. Hexam. c. 13.

22 Der Gerechte wird mit einem Palm-Baum verglichen.

23 Psal. 91. v. 13.

24 Mäßige Freygebigkeit durch den Palmbaum vorgebildet.

25 Tob. c. 4. v. 8. & 9.

26 Exemplen der Freygebigkeit.

27 Fulg. l. 4. c. 8.

28 Gestalt und Beschaffenheit des Cypreß-Baums.

29 Bischöff und Prälaten werden durch den Cypreß-Baum vorgestellt.

30 Job. c. 11. v. 15.

31 1. Reg. c. 18.

32 Des Lorbeer-Baums Art und Beschaffenheit.

33 Die ewige Belohnung wird durch den Lorbeer angezeiget?

34 2. Tim. c. 2.

35 Ahorn oder Maßholder-Baum einer wundersamen Grösse.

Eccli. c. 24. v. 19.

36 In Comment. de re Herb. Fol. 14.

37 Die heiligste Menschheit Christi wird vilfältig mit dem Platano oder Ahorn verglichen.

38 Eccl. c. 24. v. 19.

39 Psal. 16. v. 8.

40 Psalm. 16. v. 8.

41 Apoc. c. 17. v. 15.

42 Luc. c. 15. v. 2.

43 Matth. c. 9. v. 12.

44 Frucht und Nutzen des Hochwürdigen Sacraments.

45 Die H. Catharina Genuensis.

II. Von noch anderen fürnemmen Bäumen
Der 1. Absatz
Anhang
Anhang zu dem Oel-Baum.
Von dem Oel.

Von dem Oel-Baum und denen Oliven komm ich auf das Oel selbsten / dessen grosser Nutz und vielfältiger Gebrauch meines Erachtens füglich angedeutet wird /wann ich sage


Præstans est oleum, fovet, ungit, nutrit & ardet. 6

Das Oel allein vil Nutzen bringt /
Indem es heilt / ernährt und brinnt.

Ja also ist es / das Oel allein vil Nutzen bringt /und wird auf unterschiedliche Weiß gebraucht zu den Speisen / absonderlich in Welschland schier so häuffig zu dem Kochen / als wie bey uns das Schmaltz und Butter: nicht weniger von den Wund-Artzten zur Heylung der Wunden und Linderung der Schmertzen neben vielfältigen innerlichen medicinalischen [557] Gebräuch zu dem Brennen etc. ich rede da von dem Baumöhl / welches aus den Oliven geprest wird /nicht aber von Lein- oder Saamen-Oel / Nuß-Oel /Mandel-Oel / Ilgen-Oel / Stein-Oel. etc.

Das Baum-Oel aber wird häuffig aus Welschland /Franckreich und Spanien ins Teutschland überbracht: für das beste wird gehalten / welches zu Lissabon /und um den Lago di garda herum wachst; weil es schön rein und annehmlich von Geschmach ist. 7 Das Oel-Pressen geschicht in den gemeldten Ländern /wann die Oliven recht zeitig seynd und schwartz werden: diese Oliven bricht man zu morgens fruhe ab /wann es schön Wetter ist / und zwar nicht mehr auf einmahl als in einem Tag und Nacht können ausgepresset werden.

So bald sie abgebrochen seynd / werden sie auf geflochtene Hurten ausgebreitet / auf daß die überflüßige Feuchtigkeit von ihnen komme. Hierauf schüttet man selbe in die Preß / welche auf einem gepflästerten / und etwas abhängigen Estrich stehet / damit das ausgepreßte Oel desto füglicher ablauffen möge.

Das Orth aber / wo man das Oel prest / muß warm seyn / damit das Oel nicht erkalte und zufliessen aufhöre: wann nun alles parat ist / da werden die Oliven in saubern Körben / die von Weiden geflochten seynd / auf die Oel-Trotten oder Preß getragen und daselbst ausgepreßt: etliche Oel-Schläger pflegen wohl auch vorher die Oliven mit Füssen zu tretten / vast eben wie man bey uns mit den Wein-Trauben zu thun pflegt / wann man selbe auf das Torckel-Beth aufschüttet / dann sagen sie / das auf solche Weiß ausgetrettene Oel seye viel besser / klärer und wohlgeschmackter als das mit grösserem Gewalt ausgepreßte.

Der erste Truck des Oels / so mit der Preß geschchit / gibt allzeit das beste und kläriste Oel /gleichwie auch bey uns der Vorlauff des Mosts oder neuen Weins besser ist / als der Nachtruck / deßwegen man auch gleich dasselbige in besondere Geschirr fasset / und Jungfrauen-Oel / Protropon nennet / der zweyte Truck / Iterativum genannt / ist schon widerum etwas schlechters: der dritte Truck / so sie Tertiatum heissen / gibt das Oel / welches das schlechtiste ist / so man zum Schmiren / und in die Lampen zum Brennen braucht: mithin ist wohl zu besorgen / daß die Herren Italiäner ihr Protropon oder erstes Oel für sich selbsten behalten / und uns Teutschen nur dasIterativum oder zu Zeiten gar das Tertiatum heraus schicken / welches etwan besser für ein Wagen-Schmier als den Salat darmit anzumachen taugte: doch will ich die so ehrliche als kluge Kaufleuth deßwegen nicht gescholten haben.

So bald das ausgepreßte Oel ein Zeitlang in Tonnen oder Fäßlein gestanden ist / da schütten die Oel-Schläger solches in andere Geschirr: weilen jemehr es bewegt und durchlufftet wird / je klärer und läuterer wird es. Die neue Oel-Fässer müssen allzeit innerhalb wohl mit Hartz gepicht werden / die alte aber mit einer Laugen sauber ausgewaschen etc. trüb- und unsauberes Baum-Oel / das verderben will / wird wiederum zu recht gebracht / wann man ein Hand voll Coriander-Kraut in das Fäßlein henckt / oder laßt es ab in ein frisches Faß etc.

Das Baum-Oel ist schon in dem alten Testament aus Göttlichem Befelch bey den fürnehmsten Verrichtungen gebraucht worden / nemlich zur Salbung der Hohenpriester und Königen. 8 Auch heutiges Tags wird es von der Catholischen Kirchen bey Administrirung unterschidlicher heiligen Sacramenten gebraucht: nemlich bey Ertheilung des Taufs / der Firmung / [558] der Priester-Weyh und letzten Oelung: dann die äusserliche Salbung des Leibs mit dem Oel / bedeutet die innerliche Salbung der Seelen / mit der Gnad des Heil. Geists / dann diese hat in sittlichem Verstand eben solche / ja weit fürtrefflichere Würckungen als das Oel: sie ernährt die Seel / und erhält sie bey dem geistlichen Leben: sie heilet die auch tödliche Wunden derselben / sie leuchtet / und erleuchtet den Verstand / sie entzündet den Willen / und erweichet das Hertz / das Oel linderet die Schmertzen /stärcket die Glieder / und macht den Leib hel oder schlipfferig / daß er nicht leicht kan gehalten werden: deßwegen vor Zeiten die Kämpfer / ehe daß sie auf den Kampf-Platz getreten seynd / den gantzen Leib mit Oel zu schmieren pflegten / auf daß sie von ihrem Feind nicht wohl kunten gehalten / und zu Boden geworffen werden. Auch noch vil mehr linderet / ja vertreibet des Oel der Gnaden die Schmertzen des Gemüths; Non contristabit justum, quid quid ei acciderit. 9 Den Gerechten beleidiget / oder betrübt /nichts / was ihm Unglicks zufält. Absonderlich stärckt dieses Oel / diese kostbare Salbung die Seel im letzten Streit wider die Feind ihres Heyls / und ertheilt ihr übernatürliche Kräfften zu überwinden.

Das Oel ist daß leichtiste aus allen Liquoribus oder fliessenden Dingen / es schwimmet allzeit oben auf /und laßt sich mit andere Säfften nicht vermischen: also / die Gnad GOttes ist die fürnemst- und edliste aus allen Gaben / sie überschwebet alles / und laßt sich mit den sinnlichen und Sündigen Wollüsten nicht vermischen.

Es hat auch GOtt selbsten durch das Oel vil Wunder gewircket: zur Zeit der Geburth Christi / unter der Regierung des Kaysers Augusti ist zu Rom ein Bronnen entsprungen / der ein gantzen Tag mit Oel geflossen ist. Aus den Gebeinen eines Heil. Nicolai, Catharinæ und Walburgæ pflegt noch heutiges Tags ein wunderthätiges Oel zu fliessen / welches für mancherley Zuständ und Anliegen ein bewehrtes Mittel ist. 10

Ein gewisser Gottseeliger Priester beschwöret einige von dem bösen Feind besessene Personen / diese aber wolten kein Wort nicht reden und antworten / der Teufel liesse es ihnen nicht zu: der Priester aber legte ihnen die mit dem Heil. Oel gesalbete und geweyhte Finger in den Mund / und sprach zu dem bösen Feind; wann es dir möglich ist / diese Finger zu beissen /und zu verletzen / so thue es gleichwohl: wo nicht so lasse die besessene reden. 11 Der Teufel aber wegen Krafft des Heil. Oels kunte ihnen durch aus nicht schaden / sondern müste sie verlassen:

Das Oel welches von dem Heil. Simeone stilita ist geweyhet worden / daß ist wegen seinen wunderthätigen Würckungen sehr hoch geschätzt / und für ein grosse kostbarkeit gehalten worden.

Als das Land / wo der Heil. Hilarion wohnte 3. Jahr lang des Regens beraubt ware / da ist ein grosse Hungers-Noth bey den Leuthen entstanden: die Betrangte lieffen häufig zu diesem grossen Diener GOttes / daß er ihnen durch sein Gebett ein fruchtbaren Regen erhalten solte: es ist auch geschehen. Aber die gehling und starck angefeuchtete Erden / hat ein solche Menge der Schlangen und anderer gifftigen Thieren herfür gebracht / das unzahlbar vil Menschen die darvon gebissen worden / gestorben wären / wann nicht der Heil. Hilarion ihnen beygesprungen wäre /und sie mit geweichten Oel geheilet hatte.

Als die heilige Bischöff Germanus und Lupus von dem Pabst Pelagio in Britanniam gesandt wurden /die [559] belagianische Ketzerey zu bestreiten und zu vertilgen / und mitten auf dem hohen Meer sich befanden /begegnete ihnen ein grosse mächtige Schaar der bösen Geisteren / welche das gute Vorhaben dieser heiligen Männer / nemlich die Bekehrung der Sünder und Ausrottung des Irrthums gern verhinderet hetten. Zu diesem End erwecken sie ein hefftiges Ungewitter / von Wind und Wellen auf dem Meer / welches die Schiffende in die euserste Gefahr des gewissen Untergangs stürtzte. Der Heil. Germanus aber neben eyfrigem Gebett und Anruffung der Göttlichen Barmhertzigkeit / nahme ein wenig geweyhtes Oel / und schüttet selbes im Nahmen der allerheiligsten Dreyfaltigkeit in das tobende Meer / und sihe / alsobald hat sich die Ungestimme gelegt / alle Gefahr ist verschwunden /und ihnen ein sichere günstige Schiffart zu Theil worden.

Es ist auch wie Greg. M.L. 3. Diolog. C. 30. erzehlet / zum öffteren geschehen / daß zu Rom einige ausgelöschte Oel-Amplen für sich selber / wunderbarlicher Weiß wiederum seynd angezündet worden. Mehr anders dergleichen sihe bey Dauroultio in flor. Exempl. Cap. 4. tit. 23. & 4.

Nun haben wir noch zu mercken / was Hugo Card. uns zu ruffet: oleum de Corde non debet deficere, sicut nec de lampade. Gleichwie die Ampel also auch das Hertz / und die Seel solle niemahl ohne Oel seyn: er will sagen / ohne Oel der Gnad GOttes / ohne Oel der Andacht / der guten wercken: absonderlich der Wercken der Barmhertzigkeit / als welche fürnemlich durch das Oel bedeuten werden / ohne welche der Mensch / als wie ein Ampel ohne Oel / ein unnutz verächtliches und todtes Wesen ist.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Feigen-Baum.

Der Feigen-Baum ist ein edel-berühmter und fruchtbarer Baum / er wachset insgemein häufig in Italien /und anderen warmen Länderen / doch wird er auch in Teuschland gezüglet / und tragt süsse gesunde Früchten. 12 Die Fruchtbarkeit des Feigen-Baums aber bestehet fürnemlich in der Menge / in der Güte / und in der Zeitigung der Feigen. Verwunderlich ist / was Plinius von einem Feigen-Baum in Hircania schreibet /daß man von selbem wohl 60. Metzen habe sammlen können. Gewiß ist es / daß diese Bäum in Italien ein grosse Menge Früchten tragen / und zwar 2. mahl im Jahr / nemlich in dem Frühling und in dem Herbst. Die Güte derselbigen belangend / ist es von selbst bekant / wie nemlich süß und wohlgeschack die Feigen seyen. Die Zeitigung betreffend / so haben die Feigen-Bäum diese sonderbare Arth / daß sie nicht zugleich /oder auf einmal zeitig werden / sondern nach und nach / heut einige / morgen andere / übermorgen wieder andere / und also fort an / mithin kan man täglich frische Feigen von dem Baum haben / selbe mit Lust und Nutzen geniessen etc.

Auch die Menschen / auf daß einem fruchtbaren Baum gleichen / wie es Christus im Evangelio von ihnen verlangt / sollen diese drey Bedingnussen haben / nemlich die Menge der Wercken / vermög emsiger Würckung: die Güte derselben / krafft einer guten reinen Intention: und die Beobachtung oder Erwartung der rechten Zeit / damit sie nicht alles / oder zu vil auf einmahl aus unreiffem Eyfer thun wollen / sondern nach und nach. 13 Dann


Pluribus intentus, minor est ad singula sensus.
Wer vil auf einmahl für sich nimt /
Nicht leicht jeden Fehler findt.

[560] Die Menge der Geschäfft oder Ubungen / so wohlin politicis als moralibus, in geistlich- und weltlichen Sachen überschüttet / und schwächt die Kräfften /also daß sie nit erkleckten zu glücklicher Ausführung eines Vorhabens / zu deme sie auch überflüßig gewesen wären / wo man die Sach mit Bescheidenheit angegriffen hätte: gleichwie sich einer vergeblich und unweiß bemühen wurde / wann einer ein gantzen grossen Stein-Hauffen auf einmahl wolte hinweg tragen /welches er doch leicht wurde bewerckstelligen / wann er einen Stein nach dem anderen nehme.

Eben ein solche Beschaffenheit hat es auch mit Ausreutung der Laster / und Einpflantzung der Tugenden / mit Verbesserung seiner und anderer Sitten.


Sat multum agit, qui bene agit.
Auf einmahl wenig und gut /
Ein Lob verdienen thut.

Die Feigen / wie gemeldt / seynd für sich selber gut / annemlich / und auch gesund / wann man selbe mässig und mit Bescheidenheit geniesset / aber per accidens, aus einer beyfälligen Ursach können sie wohl schaden / ja gar den Tod verursachen / wie es mit seinem grösten Schaden der Kayser Octavianus wohl erfahren hat / als von welchem ich lise / daß er ein grosser Liebhaber der frischen Feigen gewesen seye / die er ihm aber nit bey der Tafel aufsetzen ließ / sondern selbst mit Lust von dem Baum abnahme. 14 Livia sein untreue Gemahlin / so dises wohl wußte / hätte ihn gern tod gesehen: sie vergifftet ihm also etlich der schönsten noch an dem Baum hangenden Feigen in seinem Hof-Garten / sie ladet ihn dahin zu spatzieren ein / zeigt ihm die schöne Feigen / und reitzet ihn an zum essen; er ließ ihm auch selbe geschmecken / er hat aber bald ein erfolgende schwere Kranckheit / ja den Tod daran gegessen. Solche von dem arglistigen Teuffel sittlicher Weiß vergiffte Feigen seynd diejenige Werck / welche zwar an sich selber gut und verdienstlich wären / als Fasten / Betten / Allmosen geben etc. aber auf Anstifftung des bösen Feinds / aus einer bösen Meynung / aus eitler Ehr / oder einem anderen unordentlichen Absehen geschehen / und also verkehrt oder verderbt werden / daß sie geistlicher Weiß Kranckheit und den Tod verursachen demjenigen / dem sie zur Gesundheit der Seelen hätten gedeyen sollen. 15

Der Feigen-Bäum gibt es zweyerley / nemlich der wilde Sycomorus oder Ficus Sylvestris genannt / und der zahme / so die bekannte Früchten oder gewöhnliche Feigen tragt. 16 Einige wachsen hoch / andere bleiben nider. Sie lieben einen warmen fetten Boden /die Kälte ist ihnen schädlich / doch wollen sie offt mit Wasser begossen werden. Ihre Vermehrung geschicht entweders durch Abbrechung einiger Zweig / die man creutz-weiß spaltet / und in die Erden einsetzt / oder durch die aus der Wurtzel herfürdringende Geschößlein / welche man ohne Verletzung des Stammens oder der Wurtzel absticht / und besagter massen einsetzt / oder auch durch das Einlegen der Aesten.

Der Feigen-Baum hat grosse starcke Blätter / die bleiben auch im Winter grün / das Holtz seines Stammens und seiner Aesten laßt sich allein im Fruhling biegen und flechten nach Belieben / hernach aber nit mehr / und hat einen Milchähnlichen Safft an sich.

Uber dises hat er noch dise sonderbare Eigenschafft / daß er nit blühet wie andere Bäum / sondern seine Früchten stoßt er gleich mit den ersten Blättern / in Gestalt kleiner Wartzen herfür.

Durch dises will er gleichsam den Menschen lehren / daß er nit vil mit der Blüh / das ist / nur mit lären Worten versprechen soll / sonderen vilmehr zeitlich die Früchten selbst herfürbringen / das ist / im Werck[561] zeigen / was er könne und vermöge. 17 Manche Bäum tragen offt die schönste häuffige Blüh und Blätter /aber es folgen wenig oder gar keine Früchten darauf: und noch mehr Menschen geben in der Jugend ein grosse Hoffung / da man vermeint / es werde weiß nit was aus ihnen werden / aber hernach bleibt alles stecken / und kommt nichts herauß; oder sie versprechen vil und halten wenig. Es heisset bey ihnen: multum clamoris & parùm lanæ. Ein grosses Geschrey und wenig Woll / macht Kästen lär und d'Ohren voll.

Gleichwie auch das Holtz des Feigen-Baums in dem Frühling sich nach Gefallen biegen und flechten laßt / und safftig ist / also laßt sich der Mensch im Frühling seines Alters / das ist / in der Jugend biegen und lencken / oder nach Belieben ziehen und anweisen / er ist auch milchig / aber in dem Herbst oder Winter / das ist / in dem Alter nit mehr also.

Ferners gibt es so wohl unter denen Menschen als unter denen Feigen-Bäumen / theils wilde und unfruchtbare / theils zahme und fruchtbare / die gute Sitten zeigen / und gute Werck herfürbringen.

Aber gleichwie ein fruchtbarer Feigen-Baum eines warmen fetten Bodens / und öfftern Anfeuchtens bedürfftig ist / und die Kälte nit leiden kan / also muß die Erden / ich will sagen / das Hertz eines tugendlichen Menschens warm / fett und feucht seyn durch die Liebe und Andacht / die Trückne und Kälte der Trägheit ist ihm schädlich / und macht ihn unfruchtbar.

Der Feigen-Baum wird unfruchtbar / so wohl wegen des Abgangs / als wegen des Uberflusses der Feuchtigkeit. Aber beyden Ublen kan abgeholffen werden / wann der Gärtner oder Baurs-Mann selben entweders mit Wasser begießt / wann es ihm zu trucken ist; oder ein Nagel darein schlagt / und ein Löchlein oder Oeffnung macht / damit die überflüßige Feuchtigkeiten heraus fliessen. Eben also werden etliche Menschen unfruchtbar oder untugendlich aus Mangel und Abgang der Humoren / oder nothwendigen Feuchtigkeit / das ist / der zeitlichen Nahrung und Unterhaltung; dann wie der weise Mann sagt: Propter inopiam multi deliquerunt. 18 Wegen der Armuth haben vil gesündiget. Und disen kan man helffen /oder sie fruchtbar und tugendsam machen / wann man ihnen beyspringet / und vermittelst der Freygebigkeit ihr Nothdurfft verschaffet / und sie also mit dem Wasser des Trosts begiesset: Andere hingegen seynd unfruchtbar oder thun kein gut / wegen dem Uberfluß der Feuchtigkeit / das ist / der zeitlichen Güter und Wollüsten / als welche ihnen zum Sündigen / zum Muthwillen / und zur Hoffart Anlaß geben: und disen ist nit besser zu helffen / als wann ihnen der Uberfluß diser schädlichen Feuchtigkeiten / das ist / der Wollust und Reichthumen durch die Buß und Abtödtung gemindert und entzogen wird. Auf solche Weiß werden so wohl die Arme als Reiche widerum zu recht und zur Frucht gebracht.

Aber gleichwie der Feigen-Baum so zart und heicklich ist / daß er den kalten Nord-Wind / oder rauhes Ungewitter nit kan ausstehen / also gibt es auch vil so heickliche und in dem Geist so schwache Menschen /daß sie kein kalten Wind / oder rauhes Ungewitter einiger Trübsaal / Widerwärtigkeit und Beschwerden können oder wollen ausstehen / sondern gleich verderben / und die Früchten ihrer Verdienst und guten Wercken verliehren.

Von dem Feigen-Baum endlichen gehet ein starcker Geruch aus / der dise wundersame Krafft hat / daß /wann man einen gantz wilden und unbändigen Ochsen daran bindet / so wird er von Stund an gantz zahm und ruhig. Durch den Feigen-Baum kan da wohl ein gedultiger sanfft- und demüthiger Mensch[562] verstanden werden / der ein so gut und starcken Geruch von sich gibt / daß wann ein ungedultiger Hoffärtiger / so durch ein wilden Ochsen zu verstehen ist / ihme beygesellet wird / da verlasset er sein wilde Art und Unbändigkeit / er wird zahm / demüthig / sanfft und gedultig.

Was aber die Feigen unter einer zarten Schalen /vermittelst ihrem süssen Geruch versammlet und vereiniget in sich schliesset / dardurch stellet sie uns vor ein wohl geordnete friedlich und einige Communität oder Gemeind / in welcher alle Mitglider durch das Band der brüderlichen Lieb und Reinigkeit versammlet und verbunden seynd; und von einer solchen hat der Psalmist gesprochen: Ecce quàm bonum & quàm jucundum, habitare fratres in unum. 19 Sihe! wie gut und wie lieblich ist es / daß Brüder miteinander einträchtig wohnen.

In dem Buch der Richtern am 9ten Capitl ist ein lehrreiches Gedicht zu lesen / wie daß einstens alle Bäum zusammen kommen seyen / und gleichsam einen Land-Tag gehalten haben / einen König undPræsidenten aus ihnen zu erwählen: unter anderen haben sie die Königliche Würde auch dem Feigen-Baum angetragen: Dixerunt veni, & super nos Regnum accipe. Sie sprachen zu ihm / komme du / sey ein König über uns / aber er wolte es nit annemmen /er schluge es aus / und sprach: Nunquid possum deserere dulcedinem meam fructusque suavissimos &c. Soll ich dann meine Süßigkeit und meine gute Frücht verlassen / auf daß ich hingehe / und über andere Bäum herrsche? nein / das thue ich nit / sagt er / die Süsse und Lieblichkeit seiner Früchten war ihm lieber als ein König seyn: Diser Feigen-Baum hat wohl etlich sittliche Nachfolger / welche theils aus Demuth /theils aus Liebe zur geistlichen Ruhe / und zu dem beschaulichen Leben die höchste Würden und Ehren haben ausgeschlagen. Ein H. Pabst Cœlestinus undGregorius M. haben die süsse Früchten der Betrachtung und der stillen Ruh vil höher geschätzt / als die Päbstliche Cron und Thron.

Aber in dem politischen Weesen gehet es gemeiniglich gantz anderst her / nit nur wann es um Scepter und Cronen zu thun ist / welchen man zu Zeiten mit gantzen Armeen u. Aufwendung viler Millionē nachstrebet / sondern auch bey vil geringeren Promotionen und Dignitäten gibt es nur gar zu vil Competenten / von denen es so fern ist / dieselbe zu recusiren / daß sie vilmehr auf alle / öffters auch auf unzuläßige Weiß und Manier darnach trachten. 20 Tausenderley Praxes, Sprüng und Grifflein brauchen selbe zu erhaschen: einige zwar durch falsches Vorgeben und Anrühmen ihrer Talenten und Meriten: andere durch Verschwärtzung und Verläumdung ihres Æmuli oder Mitwerbers / so ihnen in dem Weeg stehet: widerum andere gar durch den gäntzlichen Ruin oder Untergang ihres Nächsten.

In dem Theatro vitæ humanæ lib. 7. à f. 617. wird ein lange Lista lauter deren erzehlt / welche durch Verstossung der rechtmäßigen Regenten / auch durch Bruder- und Vatter-Mord zu dem Thron seynd aufgestigen / und mit frembdem Blut ihren Purpur gefärbet haben.

Anitus ein Sohn Anchemeonis soll der erste gewesen seyn / der bey den Athenienseren die Wahl-Stimmen zu einem Regenten mit einer grossen Gelt-Summa an sich erkaufft hat: aber wie vil er bißhero Nachfolger gehabt habe / das ist nit leicht zu zehlen.

Ehrsucht ist ein gar schlimme Sucht: sie bestehet in einer unordentlichen Begird der Ehren / oder eines Vorzugs und Erhöhung. 21 Zu disem End aber muß der Ehrgeitzige überaus vil leiden und ausstehen / er muß sich vor ein manches mahl selbst ernidrigen / biß er von einem anderen erhöcht wird: er muß öffters zuvor lang dienen / biß er anderen gebieten kan: er muß zuvor [563] lang zusehen / biß er selbsten hoch wird angesehen. Die Flügel mit welchen man sich zu hohen Ehren aufschwinget / wachsen gar langsam / und werden gähling wider gestutzt. Der bey Hoff oder bey einer Communität ein Charge oder Verwaltung / einPromotion oder Ehren-Stell erhalten will / der muß lauffen als wie ein Post-Roß / er muß sich ducken und schmucken als wie Dauch-Aenten / er muß wachen wie ein Kranich / er muß alles verschlucken wie ein Strauß / er muß aufwarten als wie ein Budel-Hund / er muß schmeichlen als wie ein Katz / er muß sitzen als wie ein Brut-Hen / er muß simuliren als wie ein Fuchs / er muß sich zu allem brauchen lassen / als wie derPamphili im Karten-Spil.

Der Ehrgeitzige / damit er sein Zweck erreiche /muß alles und von allen leiden / er muß allzeit und überall leyden. Er leidet offt an den Augen / und muß sehen / was er nit gern sihet / absonderlich wann ihm ein anderer vorgezogen wird: er leidet an den Ohren /und muß offt hören / was er nit gern höret / und sich doch gestellen als wann ers nit höre: er leidet an dem Geruch oder an der Nasen / indem man ihm offt etwas zu schmecken gibt / was ihm gar nit geschmeckt: er leidet an den Händen / weil er so offt in Beutel greiffen und andere schmirben muß: er leidet an dem Maul / das er offt halten muß / und kein Wörtlein sagen darff: er leidet an den Achslen / weilen er auf beyden Achslen Wasser tragen muß: er leidet endlich an den Knyen und Füssen / die er so manchesmahl biegen und zucken muß. Die Ehrsucht macht wie ein Aff schier alles der Liebe nach: dann die Liebe ist gedultig / sie ist gütig / sie leidet alles / übertraget alles etc. nach Zeugnuß des Apostels: und die Ehrsucht macht es auch also / aber aus einem gantz anderen Zihl und End / jene nemlich aus Liebe GOttes / und umb die ewige Belohnung / dise aber aus eigner Liebe / und um die zeitliche Belohnung: deßwegen macht die Liebe wahre Martyrer Christi / der Ehrgeitz aber macht nichts als Teuffels-Martyrer / O Thorheit! Gar wohl und recht hat deßwegen der Heil. Bernardus aufgeschryen: O ambitio ambientium crux, quomodò omnes torquens omnibus places &c. O Ehrgeitz! du bist ein Plag der Ehrgeitzigen / du quälest und peynigest alle / und wirst dannoch von allen geliebt. Die Ehrsucht / sagt weiters diser H. Vatter / ist ein Wurtzel der Boßheit / ein subtiles Ubel / ein verborgenes Gifft / ein heimliche Pest / ein Mutter des Betrugs /ein Bronnquell des Neyds / ein Senckgrub der Laster /ein Zerstöhrung der Tugenden / und ein Verblendung des Gemüths. Eben also intoniren vil andere HH. Vätter / ja auch die Heydnische Welt-Weise.

Sonders merckwürdig ist der Spruch des H. Gregorii M. Locus regiminis desiderantibus negandus est, fugientibus offerendus, & virturibus pollens coactus ad regimen veniat. 22 Die Oberkeitliche Aembter und Ehren-Stellen solle man denen nit lassen zukommen /die selbe verlangen / sondern die sie fliehen. Nur die Tugendsamste / und zwar gezwungner Weiß sollen zur Regierung kommen: Sed non omnes capiunt verbum hoc. Die Ehrgeitzige wollen dise Sprach gar nit verstehen. Der weise Plato als er befragt wurde / welches die best verordnete und sicherste Städt wären /sagte / diejenige / in welchen die Burger nit verlangen Burgermeister zu seyn / dann solche seyen fern von der Aufruhr.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von dem Mandel- und Maulbeer-Baum.

Der Mandel-Baum wachset häuffig in Weltschland /Franckreich [564] und Spanien / ist einer mittlerer Grösse: er blühet zu allererst unter allen Bäumen gleich zu Anfang des Frühlings / sein Blüh und seine Blätter aber seynd des Phersichs-Baums seinigen schier gantz gleich / die Frücht dises Baums seynd die Mandel-Körn / wie bekannt / deren die eine süß / so zur Speiß taugen / andere aber bitter seynd / welche besser zu der Artzney dienen. 23

Sonsten pflegt man auch ein Oel aus den Mandlen zu pressen / und selbes Artzney-weiß zu brauchen. Jeder Mandel-Kern an dem Baum hat seine eigne Schalen und Hülsen; die Schalen seynd unterschidlich einige dünn / also daß man selbe mit den Fingern zerbrechen kan / andere aber hart / schier wie die Pfersich-Stein: zu uns aber in Teutschland werden sie ohne Schalen und Hülsen geschickt.

Die Mandel-Bäum wachsen selten aufrecht / sie haben ein rauch und harte Rinden / und wenig Wurtzlen / ja zu Zeiten nur eine / aber ein starcke und tieffe Wurtzel. Die Früchten oder Mandel-Kern nimmt man zu End des Sommers ab / aber ehe daß sie zeitig seynd / kan man selbe mit sambt der Schalen oder Hülsen essen / als wie die eingemachte unzeitige Nuß. Die Mandel gedeyen zur Gesundheit / und stärcken das Hertz. Aber wann einige Vögel oder die Hennen bitter Mandel essen / so sterben sie darvon.

Wann man den süssen Mandel-Bäumen nit wohl pflegt und abwartet / oder wann sie in ein untüchtige Erden versetzt werden / da schlagen sie aus der Art /und werden bitter. Hingegen wie Plinius und Theophrastus bezeugen / so werden sie aus bitteren süß /wann man rings um die Bäum grabet / selbe untenher durchbohret / und allen Safft daraus abfliessen laßt.

Durch dises daß die Mandel-Bäum so frühe blühen / zeigen sie die Menschen in der Jugend an / welche offt in ihrem zarten Alter die schönste Blühe / das ist /die gröste Hoffnung anzeigen reichlicher Früchten /oder löblicher Wercken von sich geben: Aber daß eben dise Mandel-Bäum bald süsse / bald bittere Kern oder Früchten tragen / durch dises wird uns zu verstehen geben die Unbeständigkeit des Menschen /als welcher gar unbeständig ist / bald gut bald böse Früchten herfür bringt / das ist / bald tugendliche /bald lasterhaffte Werck übet. 24

Dem Mandel-Baum wie gemelt / muß man wohl pflegen / und fleißig abwarten / damit er gut thue /und süsse Früchten trage: insonderheit muß man ihn /wann er in Teutschland gepflantzet wird / vor grosser Kälte / als welche ihm sehr schädlich ist / bewahren; massen ich selber gesehen hab / daß der Mandel-Bäum / so vorhin nit wenige Früchten getragen haben / wegen der grossen Winters-Kälte / die Anno 1709. bey uns gewesen / gäntzlich abgestorben und verdorben seynd. Eben also / ja noch vilmehr braucht die Jugend ein fleißige Obsicht und Abwartung / damit sie gut thue / und die erwünschte Früchten guter Sitten und lobsamer Ubung herfür bringe. Dann gleichwie ein Gärtner / Baurs- oder Rebmann der Natur mitwürcket in Herfürbringung der Blumen / des Getreids / und der Weintrauben / als muß die Unterrichtung und Obsicht getreuer Eltern / und fleißiger Lehrmeistern in dem Gemüth und Hertzen der Jugend würcken / damit sie die sittliche Früchten der Tugend und Wissenschafften herfür bringe. Von dem Grund-Rißdependirt die Vollkommenheit des gantzen Gebäus /und an der ersten Auferziehung der Kinder ist gemeiniglich die Wohlfahrt und Ehrbarkeit ihres gantzen Lebens / ja auch der Nutz des gemeinen Weesens gelegen. So lang der Baum noch jung und zart ist / laßt er sich leichtlich biegen auf welche Seiten daß man will / aber nit mehr wann der Stamm schon dick und verstarcket ist: Eben [565] also ist der Mensch in der zarten Jugend leicht zum Guten zu bewegen / aber nit mehr also / wann er in bösen Gewonheiten schon veraltet und verhartet ist: sunt tibi filii? erudi illos, & curva illos à pueritia illlorum, 25 sagt der weise Mann von der Kinder-Zucht. Hast du Söhn? erziehe sie in Zucht / lehre und biege sie von Jugend auf.

Absonderlich ist der Müßigang und die Trägheit der Jugend schädlich / gleichwie die Kälte dem Mandel-Baum: sie ist als wie ein schädlicher Reiffen / der die verhoffte Früchten in der ersten Blüh verstecket: sie ist ein Feindin und Hindernuß aller Tugenden und Wissenschafften / hingegen aber thut sie allen Lastern den Weeg bahnen / und den freyen Zutritt gestatten. 26 Multam malitiam docuit otiositas. 27 Der Müßigang lehret und bringt vil Böses mit sich.

Es ist nit ein geringe Maxim der Christlichen Policey / daß man die Jugend bey Zeiten zur anständig-und standmäßigen Arbeit gewöhne und anhalte: dann auf solche Weiß wird die Natur / welche an ihr selbst unartig und zum Bösen geneigt ist / cultivirt / verbessert / und ausgeschmuckt; es wird ihr ein starcker Inhalt gethan / daß sie nit ausser den Schrancken trette /sondern in der Maaß der Gebühr sich halte / welches auch der Prophet wohl erkennt hat / indem er gesprochen: Bonum est viro, cum portaverit jugum ab adolescentia sua: Es ist gut einem Mann / daß er das Joch der guten Zucht von Jugend auf sich nehme.

Gleichwie der Vogel zum fliegen / also wird der Mensch zur Arbeit gebohren / nach Zeugnuß der heiligen Schrifft: Nun aber ist bey den Vöglen das erste /daß die Alte ihre Junge zum Fliegen anweisen und anmahnen. 28 So sollen dann auch die Elteren ihre Kinder zeitlich zur Arbeit / zu Erlehrnung guter Sitten /nutzlicher Künsten und Wissenschafften anweisen und anmahnen.

Als der Weltweise Aristoteles gefragt wurde / wie vil ein Gelehrter von dem Ungelehrten unterschieden sey / sagte er / so vil als der Lebendige von einem Todten. Der Römische Redner Cicero hielte darfür /das haubt-Weesen und der gantze Begriff des politischen Lebens bestehe in dem / daß die Jugend wohl gewöhnt und auferzogen werde. Disem stimmet Plato bey / indem er sagt: der Mensch / wann er wohl auferzogen werde / sey er das edliste und sanfftmüthigste Thier / wann er aber übel erzogen / sey er das grausamst und schädlichste Thier.

Absonderlich wird dise Wahrheit bey der adelichen Jugend erfüllet: dann gleichwie das Gold an sich selbsten zwar kostbar und edel ist / doch wann es nit durch das Feur purificirt oder geläuteret und ausgebrennt wird / hat es weder einen Glantz noch grossen Werth und Hochschätzung. 29 Also auch ein adeliches Geblüt und Gemüth / wann es nit durch fleißige Unterweisung und Obsicht von bösen Sitten und Neigungen abgezogen wird / hat es weder Ansehen / weder ein Werth noch Hochachtung. Hingegen / gleichwie die Perlein und Edelgestein ein guldenes Gefäß über aus schön zieren / und vil kostbarer machen: also pflegen die gute Sitten / Tugend und freye Künsten einen adelichen jungen Herrn in den Augen und in dem Gemüth der Menschen beliebt und hoch geachtet zu machen; da im Gegentheil ihnen nichts schädlichers und verderblichers ist als übermäßige Freyheit /Schmeichlerey und Wollust.

Die schlimme Auferziehung eines gemeinen Menschen / ist nur ein insonderheitliches Ubel / welches einem allein / oder nur etlichen schadet / und von einem anderen kan verbesseret werden: aber böse Zucht und Gewonheit eines hoch-adelichen Kinds ist ein allgemeines Ubel / welches vilen auf einmahl nachtheilig / und nit leicht mehr von jemand zu verbesseren ist. Was ist wohl [566] Gutes zu hoffen / oder vilmehr was ist nit Böses zu förchten von einem grossen Herrn / der den Gewalt in seinen Händen hat / wann er übel gesittet und auferzogen ist? Grosse Herrn seynd der tauglichste Werckzeug der allgemeinen Wohlfahrt / aber so offt sie einen grossen Fehler begehen / schaden sie ihnen selber mit der That / und anderen mit dem Exempel.

Wie viel an der guten Auferziehung eines jungen Sohns gelegen seye / hat gar wohl erkennt und weißlich erwogen der König Philippus in Macedonien /ein Vatter des grossen Alexanders: dann als diser zur Welt gebohren ware / schribe Philippus sein Vatter dem Weltweisen Aristotelis zu / und sagte / er sey den Göttern hoch verbunden / nit so vil / daß sie ihm einen Sohn den Alexandrum gegeben haben / als daß er zu einer solchen Zeit gebohren worden / zu welcher Aristoteles lebte / welchen er ihm für einen Lehrmeister zu haben verhoffe.

Es haben es auch erkennt die Persianische König /welche ihren Printzen viererley auserlesne Männer zur Obsicht und Unterweisung bestellt und verordnet haben: Einen der rechtschaffen gelehrt war / der sie in freyen Künsten und Wissenschafften unterweisen müßte: Der zweyte müßte ein kluger bescheidener Mann seyn / der sie lehrte ihre Begird und Anmuthungen zu zäumen und mäßigen: Dem dritten lage ob /dem jungen Printzen die Liebe und Handhabung der Gerechtigkeit einzupflantzen: Der vierdte endlichen mußte ein starckmüthig und hertzhaffter Mann seyn /der den Printzen in Kriegs-Ubungen unterrichtete /und heldenmüthige Thaten mit der Zeit zu verrichten anfrischete. Es haben es auch erkennt die alte Römer /welche ihren jungen Kinderen gleich in ersten Jahren ein wohl betagte / ehrsam und bescheidene Matron für ein Zuchtmeisterin zugeben haben / welche verpflichtet ware / zu verhüten / daß kein eintziges unehrbares Wort von den Kindern geredt / noch ein unehrbares Werck in ihrer Gegenwart geübt wurde / aus welchem sie etwas Böses hätten erlehrnen mögē. O wohl ein schön- und höchst löbliche Gewohnheit! zu wünschen wäre / daß auch die Christliche / absonderlich die adeliche Eltern disem Exempel nachfolgen / und auf die gute Erziehung ihrer Kinder / an welcher so vil /ja schier alles gelegen ist / solchen Fleiß und Sorgfalt anwendeten.

Der Maulbeer-Baum ist dem Mandel-Baum in disem Stuck schnur grad zuwider / daß gleichwie jener der allererste ist in dem Blühen und Ausschlagen / also ist diser der allerletzte: Er wartet biß daß die Winters-Kälte alle völlig fürüber / und er versichert ist / daß die Kälte ihm nit mehr schaden / oder sein Blüh verderben möge; und eben darum wird er für den klugsten oder gescheidisten aus allen Bäumen gehalten: dann vil der anderen Bäumen schlagen offt zu früh aus / hernach aber / wann wiederum ein Kälte einfallet / verderben sie. 30

Der Maulbeer-Baum ist ein medicinalischer Baum / alles was an ihm zu finden / ist Artzney-weiß zu brauchen / die Blätter / Wurtzlen / Rinden und Frucht. Er ist mittelmäßiger Grösse / hat große breite Blätter /und ein dicke zähe Rinden / mit seinen Aesten streckt er sich zimlich in die Breite aus / wie auch mit seinen vilen und starcken Wurtzlen / die noch nit tieff seynd: sein Frucht bestehet in zimlich grossen Beeren / welche anfangs gantz grün seynd / hernach weißlicht /ferners roth / und endlichen / wann sie gantz zeitig seynd / Kohl-schwartz / und voll eines süssen Blut-rothen Saffts / in dessen Ansehung die Elephanten zum Streiten behertzt und hitzig werden.

Es gibt aber auch in Italien häuffig weisse Maulbeer-Bäum / welche weisse Beer oder Früchten tragen / die kleinere als die schwartze / aber Mert-süß seynd / und dise Bäum [567] werden zur gewöhnlichen Nahrung der Seiden-Würm gepflantzt / die sich von desselben Blätter nähren. Deßwegen sagt Herr Johann Hübner in seinem Natur- und Kunst-Lexico, es seye schad und zu verwundern / daß man den Maulbeer-Baum im Teutschland so wenig pflantzen thue / wo er doch wohl gerathen / und wegen den Seiden-Würmen grossen Nutzen schaffen / und zu schönen Manufacturen Anlaß geben würde.

Durch den so fruchtbar / und nutzlichen Maulbeer-Baum kan verstanden werden das Creutz Christi und der gecreutzigte Heyland / so daran gehangen ist / als die edliste Frucht dises Baums / so ein köstliche Artzney ist für alle Zuständ und Kranckheiten der Seelen. 31 Dise Frucht / Christus / ware anfänglich grün und weiß wegen allzeit florirender allerreinisten Unschuld / hernach aber roth in dem blutigen Passion, und endlich schwartz / oder mit der trauriger Todten-Farb überzogen in dem Grab.

Aber dise sittliche Frucht des Maulbeer-Baums hat von sich geben den häuffigen rothen Safft seines heiligsten Bluts / in Anschauung dessen die HH. Apostel / die zuvor forchtsam und verzagt waren / gantz hertzhafft und unerschrocken worden seynd / und wie die streitbare Elephanten sich um Christi und des Glaubens willen in alle Gefahren gewagt / und wider die Tyrannen / wider die Sünd und Laster unüberwindlich gestrittē haben.

Sonsten ist der Maulbeer-Baum jederzeit auch für ein Symbolum und Anzeigen der Klugheit gehalten worden; weilen er unter allen Bäumen mit seiner Blüh und Sprossen so lang in- und hinterhaltet / biß er versichert ist / daß kein Kälte mehr einfalle. 32

Also nemlich ist es der Klugheit eigenthümlich /daß man mit gutem Vorhaben und Anschlägen biß zu seiner rechten und gelegenen Zeit inhalte / und nit zu früh durch unzeitigen Eyfer heraus breche / und folgends an der glücklichen Ausführung seines Vorhabens / und Erreichung des Entzwecks verhindert werde. Vor der Zeit soll man wohl betrachten / was in der Zeit zu thun ist / auf daß nit anstatt des verhofften Nutzens ein spate Reu und Schand erfolge. Ein Licht /wann man es unverdeckt oder unverwahrt daher tragt /wird leicht von einem Windlein ausgelöschet / und gehet in dem Rauch auf: auch der Balsam wird bald ausriechen / und die Krafft verliehren / wann das Geschirrlein / worinn er enthalten ist / offen steht. Eben also kluge Rathschläg und gute Vorhaben / wann sie nit in Geheim gehalten / sondern vor der Zeit eröffnet / werden sie zu Wasser / sie werden hintertrieben und schlagen fehl. Deßwegen hat der weise Mann gesprochen: Sicut aqua profunda, ita consilium in corde viri: 33 Der Rath im Hertzen eines Manns ist wie ein tieffes Wasser / das nemlich nit von einem jeden kan ergründet werden.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von dem Terebinth-Zimmet- und Muscaten-Baum.

Der Terebinth oder Terpenthin-Baum / wie Mathiolus in Dioscoridem L. 1. c. 77. und aus ihme Nicol. Braun in seinem Kräuter-Buch f. 727. schreibet /wachset in Syrien und Cypern einer zimlichen Grösse / auch in etlich Orten Italiä und Franckreichs: seine Blätter seynd langlicht wie an dem Eschen-Baum /aber dicker und feister / sie grünen stets: sein Holtz ist zäh / die Wurtzlen seynd starck und tieff: die Blumen oder Blüh zeiget sich wie an dem Oel-Baum /doch röthlicht. 34 Die Früchten oder Beer desselben seynd auch röthlicht / in der Grösse als wie Lorbeer /dise hangen Trauben-weiß beysammen / riechen wohl / und seynd einer hartzigen Natur.

[568] Von dem Stamm dises Baums rinnet ein fürtreffliches Hartz / oder Gummi-Terpenthin genannt / welches durch die Kauffleuth in unsere Land gebracht wird / und das wird Artzney-weiß in vilerley Zuständ und Anligen gebraucht: das Beste ist / welches klar und durchsichtig / leicht und wohlriechend ist. Aber Johann Hübner f. 1256. sagt / der wahre und gerechte Cyprische Terpenthin werde jetziger Zeit in den Apothecken selten gefunden / und nur andere geringere Gattungen an statt dessen gebraucht / als terebintha veneta, und gemeiner Terebinth / so ein Lerchenbaum-Hartz seye / diser werde auf unterschidliche Weiß præparirt und applicirt / benantlich die Wunden zu reinigen und zu heilen.

Durch den Terebinth oder Terpenthin-Baum kan die Liebe verstanden werden: dann dise richtet sich in die Höhe auf gegen GOtt / und strecket sich zugleich in die Weite oder Breite aus / als wie der Terebinth /über den Nächsten / welchen sie annemlich überschattet / und mit einem wohlriechenden Safft der Gütigkeit / der Hülff und des Trosts begiesset. 35 Absonderlich heilet der Terpenthin der Liebe die Wunden der Seelen / das ist / die Sünden: Charitas operit multitudinem peccatorum. 36 Die Aest und Blätter dieses sittlichen Terpenthin-Baums seynd die Ubungen unterschidlicher Tugenden und guten Wercken /die aus der wahren Liebe entspringen.

Der Terebinth und sein Hartz oder Gummi / das ist / der Terpenthin soll ein sonderbare Krafft haben /wie Dioscorides schreibet / das verlohrne oder verderbte Gehör wider herzustellen / oder zu verbesseren: auch die Liebe hat die Krafft und Würckung / der menschlichen Seel das Gehör zu eröffnen / ich will sagen / sie zu vermögen / daß sie Gehör gebe so wohl dem göttlichen Befehl und Willen / selbem zu gehorsamen / als auch dem billichen Begehren des Neben- Menschen / selbigem zu willfahren / und in seinen Nöthen beyzuspringen.

Es sollen durch den Geruch des Terebinth die Schlangen vertrieben werden / wie Richardus à St. Laur. Meldet: Nun aber ist gewiß / daß die höllische Schlang nichts wenigers als die Liebe GOttes und des Nächsten leiden könne / und von weitem dardurch vertriben werde.

Das Zimmet-Bäumlein betreffend / so wachset selbes in Indien und Mohren-Land / es wird unter diearomatische oder Gewürtz-Bäum gezehlet / es hat einen kurtzen Stammen / beyläuffig nur zwey Elen hoch / ist schwartz-roth von Farb / und gibt ein annemlichen subtilen Geruch von sich: je zärter und dinner die Aestlein seynd / je mehr werden sie geschätzt; dann was dick und grob daran ist / wird für nichts geachtet. 37 Es soll ein Magen-stärckende Krafft haben / und zu der Verdäuung verhülfflich seyn. Doct. Nicol. Braun in p. 3. f. 634. Garcium ab horto citirend / schreibt / der Zimmet-Baum seye an der Grösse schier dem Oel-Baum gleich / mit vil Aesten / die Blätter vergleichen sich mit den Lorbeer-Blättern an der Farb / in der Gestalt aber den Citronen. Die Blüh seye weiß / die Frucht aber rund und schwartz einer Haselnuß groß. Das beste und nutzlichiste aber an dem Zimmet-Baum ist die Zimmet-Rinden / und zwar die innwendige / die äussere aber ist dick und grob / wird nichts geachtet. Die beste Zimmet-Bäum soll es in der Insul Crylan geben. Die aussere und innere Rinden wird miteinander von dem Bäumlein abgezogen / hernach aber voneinander geschieden / und die innere oder zarte in langlichte Stücklein zerschnitten / und an die Sonnen gelegt /allwo sie dürr wird / und als wie hohle Röhrlein zusammen laufft / oder sich übereinander wicklet: wann ein Zimmet-Baum vil Aest hat / so werden einige zur Schelung abgehauen / da dann wiederum andere [569] hernach wachsen / wann der Baum abgeschelt worden /bleibt er ein oder anderes Jahr also bloß stehen / hernach bekommt er wieder neue Rinden. Der Zimmet ist / wie bekannt / braun-roth an der Farb / süßlicht im Geschmack / und lieblich im Geruch. Wann man ihn zu den Speisen brauchen will / so zerstoßt man die Rinden oder Röhrlein zart und klein in dem Mörsel.

Was aber den Muscaten- oder Muscatnuß-Baum belangt / dessen Frücht auch durch die Kauffleuth ins Teutschland gebracht werden / und zwar meistens aus der Ost-Indischen Insul Banda oder wie Mathiolus schreibt / Badan. 38 Es ist aber die Muscatnuß ein Gewächs / welches ein harten rund und dicken Kern hat / äusserlich graulicht und voller Runtzlen / inwendig etwas röthlicht / mit vilen Aederlein untermengt /hat einen etwas bitteren / aromatischen Geschmack /und annemlichen Geruch. Der Baum / an dem die Muscatnussen wachsen / solle einem Pfersich-Baum zimlich gleich seyn / ausser daß sie kleine Blätter haben: wann die Frucht noch an dem Baum hanget /ist sie mit 2. wie Garcias, oder mit 3. wie Mathiolus lib. in Diosc. f. 203. schreibt / Hülsen oder Schelffen umgeben. Die erste oder äusserste ist gestaltet als wie die grüne dicke Schalen an den welschen Nussen /und dise / wann die Frucht zeitig ist / so thut sie sich selbsten auf / oder spaltet sich voneinander; alsdann erscheinet ein andere dünner und zärtere Schelffen oder Rinden / wie ein Netz formiret / die um die Frucht herum ligt / schön roth oder gelb von Farb /und wird insgemein die Muscaten-Blum oder Muscat-Blüh genant / auch zu den Speissen und in die Artzney gebraucht: Drittens folget ein harte holzächtige und schwartz-braune Schale / in welcher der Kern oder die Muscatnuß selbsten enthalten ist: die eine aus disen Muscatnussen seynd langlicht / andere aber rund / so für die bessere gehalten werden.

Sonsten mögen sie der Güte nach wohl in dreyerley Gattung abgetheilt werden: nemlich in die beste / mittelmäßige und schlechtiste / wie sie dann auch in Holland / wann sie aus Ost-Indien ankommen / ausgelesen und unterscheiden werden. Ubrigens wachsen diser Muscatnussen 2. 3. bis 4. an einem kurtz und dicken Stihl oder Stengel an dem Baum beysammen.

Mit disen zwey edlen so nutzlich und wohlriechenden Bäumen und Früchten mögen wohl die tugendsame und vollkommene Männer verglichen werden / als welche nach ein guten Geschmack / lieblichen Geruch / und kräfftige Würckungen von sich geben / theils durch die heylsame Lehr ihrer Worten / theils durch das löbliche Beyspihl ihres Lebens. 39 Die Zimmet-und Muscaten-Bäum wachsen nit in kalten / sondern nur in hitzigen Landen / in einem Erdreich / welches nit fett und naß ist: Und die tugendliche Männer kommen nit zu ihrer Vollkommenheit / wo es kalt oder lau hergeht / sondern vilmehr in einer dürren und mageren / ich will sagen / nit in einem freyen wollüstigen /sondern rauh- und strengen Buß leben. Dise Bäum wachsen nit hoch auf / doch gehen vil Aest von ihnen aus / die sich in die Weite erstrecken: Auch die gottseelig und tugendhaffte Seelen halten sich jederzeit durch die Demuth in der Nidere / doch erstrecket sich ihr Lieb / ihr Eyfer und Willfährigkeit weit und breit gegen und über alle Menschen / Freund und Feind /Gutthäter und Ubelthäter / keinen ausgenommen.

Der Zimmet-Baum insonderheit / wie ich lise / wird in der mageren Erden fruchtbar / und hingegen der fetten unfruchtbar: auch die Zimmet-Rinden / so lang sie grün ist / gibt sie keinen guten Geruch von sich / aber wann sie anfangt dürr zu werden / da riechet sie lieblich. Eben also ist der Uberfluß und das Wohlleben[570] dem Menschen schädlich / es macht ihn unfruchtbar an Tugend und guten Wercken; massen der weise Mann spricht: So du reich woltest werden / möchtest du von Sünden nit unschuldig seyn. Hingegen die Mäßigkeit / ein Mangel oder Abgang der zeitlichen Güter / wann er es gedultig übertragt / macht ihn fruchtbar und reich an geistlichen Gütern / an Verdienst und guten Wercken.

Es pflegt auch zu geschehen / daß so lang der Mensch in der Jugend oder in dem Glücks-Stand frisch und grünend ist / da gibt er keinen guten Geruch eines guten Exempels oder löblichen Wandels von sich / wohl aber / wann er dürr wird / in dem Alter / oder sonst von GOtt mit einem Creutz / mit einer Trübsal heimgesucht und beträngt wird. Dannadolescentia & voluptas vana sunt: Die Jugend und der Wollust seynd eitel.

Ferners wie man den Zimmet weder vor Sonnen Aufgang / weder nach ihrem Niedergang sammlen oder abbrechen darff / sonderen nur an dem Tag und bey dem Sonnen-Schein: Also werden von den Gerechten die Früchten der Verdienst und der Glory /weder vor Aufgang weder nach Untergang der göttlichen Gnaden-Sonn / sondern nur an dem Tag der Gnaden / und in Anscheinung derselben eingesammlet: Dann aus uns selber seynd wir nach Zeugnuß des Apostels nit einmahl fähig etwas Gutes zu gedencken / und noch vil weniger zu thun.

An dem Muscatnuß ist noch insonderheit zu attendiren / daß sie von der Natur mit einer dreyfachen Schalen oder Hülsen umgeben / und also dise edle Frucht gar wohl verwahrt ist. Auf disen Schlag muß ein Gerechter den edlen Kern oder die Frucht der Gerechtigkeit und der Gnad mit einer dreyfachen Hut oder Behutsamkeit verwahren; nemlichen custodiâ cordis, oris, & operis. Er muß behutsam seyn in dem Hertzen / oder in den Gedancken / in den Worten und Wercken.

Es wird auch ein fürtreffliches Oel aus den Muscatnussen præparirt / welches den verkälten Magen erwärmet und stärcket / die böse und übrige Feuchtigkeiten verzehret.

Auch von den gerechten vollkommenen Männern gehet aus ein köstlich- und kräfftiges Oel der heylsamen Lehr und Exempel / durch welches die Schwache gestärcket / die Laue entzündet / und die böse Feuchtigkeiten der sinnlichen Gelüst und Begirden verzehret werden.

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von dem Myrrhen- und Weyrauch-Baum.

Die Myrrhen ist ein Art eines Gummi oder Hartzes /welches aus einem gewissen Baum / der in Arabien wachset / und nit über etliche Elen hoch ist / fliesset /oder heraus tropffet. 40 Der Baum ist dornächtig und hart von Holtz / die Rinden ist glat / seine Blätter seynd des Oel-Baums seinigen gleich / doch rauher und spitziger: es wird die Rinden dises Baums im Jahr zweymahl beschnitten / aber der Safft oder die Myrrhen / die für sich selber fließt vor dem Schnitt /ist die bessere.

Wann die Myrrhen gut und gerecht ist / so muß sie grün / klar / durchsichtig / leicht und wohlriechend seyn: wann sie aber dunckel / schwartz und schwer ist am Gewicht / da ist sie nit vil guts. Mathiolus haltet darfür / daß die / so aus Egypten von Alexandria in Teutschland gebracht wird / selten gerecht / und nur ein anderes schlechteres Gummi seye / massen sie die Eigenschafften der rechten und guten Myrrhen nit habe.

Die gerechte Myrrhen ist gantz bitter / aber wohlriechend / sehr heylsam und kräfftig / sie wird vilfältig [571] Artzney-weiß gebraucht. Absonderlich dient sie die Wunden zu reinigen und zu heilen / und das Fleisch /die Todten-Cörper von der Verfaulung zu erhalten.

Es kan deßwegen füglich durch die Myrrhen diePœnitenz, die Reu und Buß / und Abtödtung des eignen Willens der eignen Lieb und Begirden verstanden werden / als welche zwar bitter ist / den sinnlichen Menschen hart und saur ankommt / aber ein lieblichen Geruch von sich gibet / der biß in den Himmel aufsteiget / GOTT und seinen Englen ein grosse Freud und Wohlgefallen verursachet / nach Zeugnuß des Evangelii: Erit gaudium coram angelis DEI super uno peccatore pœnitentiam agente: 41 Sie ist auch sehr kräfftig und nutzlich die tödtliche Wunden der Seelen zu heilen / und den Sünder von der Verfaulung / von dem ewigen Verderben zu erhalten. Die reumüthig und büssende Seel / sagt der Heil. Greg. M. in Cant. indem sie das Fleisch vor der Faulung der Sünden bewahrt; indem sie sich der zeitlichen Wollüsten entschlagt / thut sie den Verstorbnen von dem ewigen Verderben zu der Hoffnung des immerwährenden Lebens erhalten.

Mathiolus lib. 1. in Dioscoridem c. 68. erzehlt vil unterschidliche medicinalische Effect oder Würckungen der Myrrhen: unter anderen sagt er / sie thue erwärmen und auftrücknen / die Würm im Leib tödten /den Schröcken vertreiben / die dunckle Augen und heisere oder rauhe Stimm wieder hell machen / und das verletzte Gehör wieder herstellen etc. Dises allespræstirt und würcket auch im sittlichem Verstand die Buß und Mortification oder Abtödtung: sie erwärmet die in der Liebe gantz lau und erkaltete Hertzen: sie trücknet auf und verzehet die böse Feuchtigkeiten der unordentlichen Begird und Anmuthungen: sie tödtet den nagenden Wurm des bösen Gewissens / und vertreibet die unmäßige Forcht des göttlichen Zorns: sie schärpsset die Augen des Gemüths / das ist / den Verstand / zu erkennen die Häßlichkeit der Sünd / die Schönheit der Tugend: sie macht das Lob GOttes hell und freudig erklingen / und hingegen sein Stimm / das ist / sein Befehl und Willen begierig anhören und vollziehen.

Aber zu mercken ist / daß gleichwie derjenige Myrrhen-Safft der beste und kräfftigste ist / der für sich selbstē fließt oder abtropffnet / ehe daß man in den Myrrhen-Baum schneidet: also seynd auch diejenige Buß-Werck und Abtödtungen die beste / GOtt angenehmst- und verdienstlichste / die für sich selbsten zeitlich und freywillig vorgenommen werden / und nit aus Forcht des nächst bevorstehenden Tods / oder sonst von einem Widersacher oder Unglücks-Fall erzwungen werden; obwohlen es auch alsdann gut und löblich ist aus der Noth ein Tugend machen / und gedultg leiden / was man unvermeidentlich leiden muß.

Es kan auch das Leyden Christi durch die Myrrhen geistlicher Weiß verstanden / und der leydende Heyland ein Myrrhen-Büschelein genannt werden / nach den Worten der geistlichen Braut in den hohen Liederen: Fasciculus Myrrhæ dilectus meus mihi: Mein Geliebter ist mir ein Büschel Myrrhen: Intra ubera mea commorabitur. 42 Er wird zwischen meinen Brüsten / das ist / in meinem steten mitleydigem Angedencken und Anmuthung verbleiben.

Ein Myrrhen-Büschelein / sag ich / ist das Leyden Christi / weilen es ein Versammlung lauter Bitterkeiten der allergrösten Peyn und Schmertzen ist; aber des besten Geruchs / oder höchsten ja unendlichen Verdiensts / und überaus heilsam / ein unfehlbares Mittel für alle auch tödtliche Kranckheit und Wunden der Seel.

Mit dem Weyrauch hat es schier eben ein solche Beschaffenheit / als wie mit der Myrrhen / er bestehet[572] stehet auch in einem Hartz oder Gummi / welches aus einem Arabischen Baum / Libanon genannt / Tropffen-weiß abfliesset: derselbe Baum wachset auf hohen Felsen ungepflantzet / an sandigen Orten / hat ein glatte Rinden / und bey grosser Sommer-Hitz laßt er den Safft / so man Weyrauch nennt / von sich. 43 Man zerschneidet oder zerhackt die Rinden des Baums /unten herum aber auf der Erden werden Matten oder Tepich gelegt / damit der herabfallende Weyrauch sauber bleibe / der aber an dem Baum hangen bleibt /ist der beste. Aber wie wiederum Mathiolus anmercket / so kommt wenig gerechter und unverfälschter Weyrauch zu uns in Teutschland / der nit mit einem anderen Gummi oder Hartz gemischet ist. Der gute und gerechte Weyrauch hat klare / weisse / runde Körner / wann man ihn auf die Glut legt / macht er gleich eine Flamm / und gibt einen lieblichen Geruch von sich / welches andere Gummi oder hartzechtige Safft nit thun.

Der Weyrauch hat fast eben als wie die Myrrhen groß- und vilfältige medicinalische Krafft: unter andern / wie Mathiolus senensis Medicus de herbis f. 81. schreibt / thut er erwärmen / die Dunckle der Augen vertreiben / die Wunden heilen / das Blut stillen / den Schwindel benehmen / die Gedächtnuß stärcken / die Traurigkeit vertreiben / und das Hertz erfrischen / wann er auf seine gewisse Art præparirt undapplicirt wird.

Eben dergleichen und noch vilmehr andere kräfftige Würckungen hat in sittlichem Verstand ein andächtiges Gebett / welches wie ein liebliches Rauch-Werck vor dem Angesicht GOttes aufsteiget: es erwärmet / ja entzündet die Hertzen mit der Liebe GOttes und des Nächsten: es erleuchtet die Augen des Gemüths / das ist / den Verstand zur Erkanntnuß der göttlichen Wahrheiten: es heilet die Wunden und Kranckheiten der Seelen / indem es genug thut für die begangene Sünden / und bewahret von den zukünfftigen: es benimbt die unmässige Traurigkeit / und macht frölich in dem HErrn: es stillet die Ungestümmigkeit der Begirden / und bringt die Gedächtnuß oder das Angedencken der ewigen Dingen. 44 Zu geschweigen die allmögende Krafft wider die sichtbarlich- und unsichtbarliche Feind / wie auch die Krafft alles zu erhaltē was man von GOtt billich-mäßig verlangt. Der Weyrauch-Baum wachset gern auf den hohen Felsen /und das Gebett gehet bestens aus von der Höhe derContemplation, oder des beschaulichen Lebens auf der Höhe der Tugend und Vollkommenheit. Aber gleichwie das Hartz dem Weyrauch zu Zeiten so gleich sihet / daß mans kaum voreinander kennen mag: Also ist ein unkräfftiges / laues und ausschweiffiges Gebett öffters dem äusserlichen Schein nach einem andächtigen kräfftigen Gebett so gleich / daß es kein Mensch / wohl aber GOtt / der in das Hertz sihet / voneinander unterscheiden kan. Ein solches nur scheinheiliges Gebett verrichten nur all diejenige /von welchen Christus im Evangelio sagt: Populus hic labiis me honorat, cor autem eorum longè est à me. 45 Dises Volck ehret mich mit seinen Leffzen /sein Hertz aber ist weit von mir. Ich will sagen diejenige / welche zwar offt und vil in der Kirchen bey dem Gottesdienst sich einfinden / die Knye biegen /die Händ aufheben / entzwischen aber mit den eitlen Gedancken weiß nit wo überall umschweiffen / und nichts wenigers gedencken als was sie sagen.

Der gute Weyrauch kan gleichwohl probirt / und von dem Hartz erkennt werden / wann er in das Feur /oder auf die glüende Kohlen gelegt wird / dann da brinnt er / und rauchet geschwind mit einem lieblichen Geruch / der die böse Feuchtigkeiten vertreibt /und den bösen ungesunden Lufft reiniget: ist es [573] aber nur ein Hartz / so zerschmeltzt es / und gibt keinen Rauch von sich. Auf disen Schlag bedeutet abermahl der Weyrauch das andächtige Gebett eines gerecht-und tugendsamen Menschen / als welches von dem Feur der Liebe / des Eyfers und der Andacht entzündet ist / und einen lieblichen GOtt angenehmen Geruch von sich gibt: er vertreibt die böse Feuchtigkeit der unordentlichen Begirden / und reiniget das Hertz; das Hartz aber / das ist / das Gebett des Gleißners /oder Sünders / so bald es in das Feur der Trübsaal oder Widerwärtigkeit kommt / da zerfliesset oder vergeht es / ohne daß es gegen den Himmel aufsteigt /und einen guten Geruch von sich gebe.

Als ein gewisser grosser Fürst auf seiner Reiß bey einem sehr reichen Cavalier / von welchem er vormahls ein grosse Summa Gelds entlehnet hatte /logirte und einkehrte / da hat ihme diser neben anderer schuldigster Ehr-Beweisung auch ein sehr lieblichen und köstlichen Rauch von Spezereyen in das Zimmer gemacht / welchen jener grosse Fürst gerühmt hat / mit vermelden / daß er niemahl was lieblichers gerochen habe. 46 Aber der Cavalier widersetzte / er wolle ihme noch einen andern Rauch machen / der ihm gewißlich noch vil besser geschmecken werde: er ließ ihme also ein Glut bringen / nahme die Obligation oder den Schuld-Brieff / in welchem ihme jener grosse Fürst wegen 100000 fl. eigenhändig verschriben ware / disen verbrannte er zu Aschen / und cassirte also / oder hebte die gantze Schuld auf. Ja ein solcher Rauch wurde / glaub ich wohl / einem jeden Schuldner trefflich wohl über Bisam und Balsam geschmecken: aber solches Rauchwerck findet man nit in den Apothecken und Kramladen / man verbrennt die Schuld-Brieff nit so leicht / sondern thut selbe vilmehr hinter siben Schlösser versperren / auf daß sie unversehrt erhalten werden. Doch aber können und sollen wir selbst die Schuld-Brieff / Krafft deren wir GOTT wegen unseren Sünden eine unendliche Summen zu bezahlen schuldig seynd / verbrennen und zernichten / durch das Feur der Liebe GOttes / durch das Feur der gedultig ausgestandenen Trübsal / durch das Feur eines eyfrigen / von einem demüthig- und zerknirschten Hertzen ausgehenden Gebetts / welches gleich einem lieblichen Rauchwerk biß in den Himmel / biß für den Thron GOttes aufsteiget / wie es der H. Evangelist Joannes in seiner himmlischen Offenbahrung gesehen hat. Ascendit fumus incensorum de orationibus sanctorum, de manu Angeli coram Deo. Der Rauch des angezündeten Rauchwerks von den Gebetten der Heiligen stige auf von der Hand des Engels vor GOtt. Weilen nemlich das Gebett der Gerechten GOTT vorgetragen wird.

Der 6. Absatz
Der 6. Absatz.
Von dem Balsam-Bäumlein.

Es werden zwar vil unterschidliche Liquores und Olitæten / ja auch zu Zeiten übel-riechende Salben in denen Apothecken oder Officinen præparirt / und unter dem Nahmen eines artificialischen Balsams herum getragen. Aber der natürliche / wahre und gerechte Balsam / von dem ich da alleinig rede / ist sehr rar und kostbar / auch schwerlich oder gar nit / wieMathiolus und andere anmercken / pur und unvermischt zu bekommen.

Wie Plinius lib. 12. Hist. Natur. c. 25. meldet / so ist einstens der wahre und gerechte Balsam nirgends als nur in Judäa zu finden gewesen / und zwar benantlich in der Gegend Jericho / und bey dem GebürgEngaddi: da sollen zwey Königliche mit Palmen- und Balsam-Bäumlein besetzte Gärten oder Wäldlein gewesen seyn: der eine [574] ware 20. jauchert groß / der andere etwas kleiners / und dise sollen dem Jüdischen Land eine grosse Summa Gelds eingetragen haben: Mittelst der Zeit aber seyen dise Balsam-Bäumlein etwan durch Kriegs-Läuff ruinirt oder zerstöhrt worden; da hingegen schon vorher das Juden-Land den Römern bottmässig worden / von dem Kayser Vespasiano einige Balsam-Zweig oder Bäumlein nach Rom überbracht worden / und allda / wie auch forthin anderstwo / in Asien / Egypten / und Indien gepflantzet worden. 47

Es ist aber das Balsam-Bäumlein insgemein nur 2. oder 3. Elenbogen hoch / einem Rebstock nit ungleich / ausser daß es für sich selbsten ohne Stützen oder Stecken aufwachset / und sich von dem Boden erhebet. Die Blätter seynd den Rauten / oder wie andere schreiben / dem Majoran, oder Klee-Blättlein gleich /weiß-grün / und zwar beständig zur Winters- und Sommers-Zeit / wann man selbe mit den Fingeren verreibt / da riechen sie sehr wohl: Dises Bäumleins Rinden wird zur Sommers-Zeit bey aufgehender Sonnen beschnitten mit Messerlein / welche nit von Eisen (dann das wäre ihnen schädlich) sondern von Bein oder Stein seynd: worbey fleißig achtung zu geben /daß der Stamm oder das Bäumlein selbst nit verletzt werde / mithin fliesset gemächlich Tröpfflein-weiß ein köstlich und überaus wohlriechender Safft / Opobalsamum genannt / heraus: Gleichwie hingegen die Aestlein oder Reißlein Xylobalsamum genannt werden; dann auch dise werden abgeschnitten / und öfftermahl in den Apothecken ausgesotten / und an statt des Balsams selber gebraucht.

Adriconius schreibet von dem Balsam-Bäumlein also: die Balsam-Bäumlein oder Gärtlein befanden sich vor Zeiten in dem eintzigen Juden-Land: der weise Salomon in den hohen Liedern nennet sie vineas Engaddi, die Weingärten Engaddi. 48

Cleopatra aber die Egyptische Königin / hat Herodi dem Jüdischen König dises Glück mißgunt / und mit Bewilligung Antonii ihres Eh-Gemahls / die Balsam-Bäumlein weggenommen / und in Egypten überbringen lassen / und zu nächst bey einem Bronnen gepflantzt / von welchem die beständige Aussag ist /daß die Mutter GOttes in ihrer Flucht ein Zeit-lang bey demselben sich aufgehalten / daraus getruncken /und ihr göttliches Kind darin gebadet habe / weßwegen er annoch von den Glaubigen in grossen Ehren gehalten werde. Es müssen / sagt ferners Adriconius, die Balsam-Bäumlein nothwendig mit eben dem Wasser von disem Bronnen getränckt werden / sonst geben sie kein Tröpfflein Balsam von sich. Es pflegen auch vier Ochsen an einem Seil vermittelst eines Rads / das Wasser aus dem Bronnen herauf zu schöpffen. Aber / was wunderlich ist / vom Sambstag Mittag an /biß am Montag in der Frühe lassen sie sich mit keinem Gewalt antreiben / daß sie nur einen Zug thäten.

Wann der Balsam pur und gerecht ist / und man ein Tropffen von demselben in ein laues Wasser fallen laßt / da breitet er sich aus nach der Fläche / und wann das Wasser wiederum erkaltet / da zieht sich der Balsam auch wieder zusammen. Wann man ihn aber in ein Milch tropffen lasset / coagulirt er dieselbe: und endlichen wann er auf ein wullenes Tuch fallet /laßt er nit das mindeste Flecklein oder Mäßlein hinder sich: andere sagen / der gerechte Balsam / wann er in ein Wasser gelassen werde / senckt er zu Boden. Durch dise Zeichen mag man den puren und gerechten Balsam erkennen / da hingegen die Verfälschung oder Vermischung desselben auf unterschiedliche / denen Künstler und Krämeren bestens bekannte Weiß und Manier geschicht. Weil aber der gerechte [575] und pure Balsam gar selten in unsere Land gebracht wird / so nimmt man an dessen statt öffters unter den Theriac die Gewürtz-Nägelein / oder Augstein-Oel / oder balsamum tolutanum, aus der Landschafft Tolu / so ein wohlriechender Safft aus einem Baum fliessend / und dem rechten Balsam zum gleichsten ist.

Alles an dem Balsam-Bäumlein ist gut / köstlich /wohlriechend / und kräfftig / Artzney-weiß zu gebrauchen für unterschiedliche Kranckheiten und Zuständ /das Holtz / die Frucht / die Blätter / und absonderlich der Safft. Deßwegen kan füglich durch den Balsam die Gnad GOttes verstanden werden / als welche alle Werck des Menschen löblich / verdienstlich / und angenehm in den Augen GOTTes machet / auch ein unfehlbares Hülff-Mittel wider alle Wunden und Kranckheiten der Seelen ist. 49 Der Ursprung dises sittlichen Balsams / oder das Balsam-Bäumlein selbst / nemlich Christus / ist anfänglich von dem himmlischen Vatter in Judäa gepflantzet worden / hernach aber durch die Apostel / und andere Glaubens-Prediger / in alle Welt herum getragen worden / allwo überall der häuffige Balsam der übernatürlichen Gaben und Gnaden von ihm fliesset / da kan Christus selbst in der Wahrheit sagen: Quasi Balsamum non mistum odor meus. 50 Wie ein unvermischter Balsam ist mein Geruch. Ich sage unvermischt und unverfälscht von der Süsse oder Annemlichkeit der unreinen irrdischen Freuden und Wollüsten. Das Balsam-Bäumlein ist einstens von den Römischen Kaysern so hoch geschätzt und geehrt worden / daß sie selbes unter anderen Raritäten und kostbaren Beuten in dem offentlichen Triumph haben lassen herum tragen: Aber der himmlische Balsam-Baum / die Gnad GOttes ist nit nur ein Zier unsers Triumphs / sondern die Ursach / und zugleich die Belohnung des Sigs /welchen wir von dem höllischen Feind erhalten.

Wie Pausanias in Bæoticis lib. 9. schreibet / so halten sich in Arabien unter dem Balsam-Baum vil gifftige Nateren auf / aber wann sie etwas von dem Balsam essen / so lassen sie alles Gifft von sich / und schaden alsdann ihre Biß niemand mehr. Solche gifftige Nateren seynd die Sünder / welche / so bald sie dises himmlischen Balsams / der Gnad GOttes theilhafftig werden / behalten sie nichts mehr von dem tödtlichen Sünden-Gifft bey ihnen. Wann wir aber durch die gifftige Natern und Schlangen die höllische Geister verstehen wollen / so ist es abermahl gewiß /daß sie den Geruch oder die Krafft dises göttlichen Balsams unmöglich erdulden können / sondern alsobald darvon entkräfftet / und in die Flucht getrieben werden. Hingegen / gleichwie der Balsam bey vornehmen Leuthen also beliebt und hoch geschätzet wird /daß sie denselben in silbernen und guldenen Capsulen oder Büchslein bey sich tragen / im Fall der Noth sich gleich desselben zu bedienen / sich darmit stärcken und erquicken zu können: Also wird der himmlische Balsam der Gnad GOttes von den Gerechten höchstens / und über alles geschätzt und geliebt /auch beständig in ihrem Hertzen / in ihrer Seel bewahret / also / daß sie lieber das Leben als disen Balsam / ich will sagen / die Gnad GOttes durch ein schwere Sünd verliehren wollen.

Der Balsam erhaltet die todten Cörper von der Verfaulung vil Jahr lang unversehrt / deßwegen pflegt man die Leiber der verstorbnen König und Fürsten zu balsamieren. Aber der himmlische Balsam der Gnad GOttes / erhaltet die Seel des Gerechten von der Verfaulung oder Verderbnuß der Sünd. Wann man die Hand mit einem gerechten und puren Balsam anstreicht / und gegen die Sonnen-Strahlen haltet / da wird sie gantz [576] erhitzet: und wann das menschliche Hertz mit dem sittlichen Balsam der Gnad GOttes versehen ist / und sich durch seine Anmuthung gegen der Sonnen der göttlichen Gerechtigkeit wendet / da wird sie in der Liebe und in dem Eyfer hefftig entzündet und aufbrinnend.

Der natürlich- und materialische Balsam wird öffters starck zum Wollust und zur Uppigkeit mißbraucht / sonderlich von dem gar zu vil delicaten Frauenzimmer / bey dem zu Zeiten nit nur die Haar und Händ / der Mund und die Zähn / sondern auch die Kleider und Handschuh von Bisem und Balsam / von Zibet und Ambra / oder andern kostbaren Spezereyen und Olitäten also lieblich riechen müssen / als wann sie ein lebendiger Kramladen von lauter Gewürtz und Spezereyen wären / da villeicht indessen das böse Gewissen und freche Sitten vor GOtt gar übel schmecken / ja die schöne Madame vor lauter Hoffart stincket wie ein Aaß. 51 Der heilige Chrysostomus, der guldene Mund / redet hiervon also: Corporis ac vestium fragrantia arguit intus latere animum gravolentem & immundum. 52 Der liebliche Geruch des Leibs und der Kleider zeigt öffters an / daß ein unreines und übel-riechendes Gewissen darunter verborgen seye. Eben diser Meynung ist auch der hochgelehrte Cornelius à Lapide, indem er sagt:Odorifera circumferunt, ut suum fœtorem contegant, sie streichen sich an mit wohlriechenden Sachen /damit sie den innerlichen Gestanck / das ist / ihre üble Beschaffenheit dardurch verbergen.

Ein solche ist vor Zeiten gewesen ein gewisse Hertzogin zu Venedig: dann dise / wie Petrus Damian. und Sabellicus schreiben / ware also hochmüthig / heicklich und zärtlich / daß ihr schier nichts Natürliches gut genug ware / sie wolte sich mit keinem puren oder gemeinen Wasser waschen / sondern es mußte lauter Himmels-Thau / oder Rosen-Wasser seyn: sie rührte mit ihren Schnee-weissen Händlein wohl kein Speiß nit an / sondern alles mit einem guldenen Gäbelein oder Löffelein: sie striche sich täglich und häuffig an mit lauter Bisem und Balsam / Zibet und Ambra / mit köstlichen Säfften und Wässerlein: alle ihre Kleider / Tisch- und Beth-Zeug mußten mit den besten Spezereyen und wohl-schmeckenden Kräutern bestrichen seyn: ja sie wolte von keinem gemeinen Lufft den Athem schöpffen / oder in kein Zimmer eintretten / welches nit zuvor mit kostbarem Rauchwerck angefüllet ware. 53 Aber was hat die Sach für ein End genommen? ein schandliches / ein stinckendes End: es hat diser Excess GOtt also mißfallen /daß er sie noch in disem Leben augenscheinlich schwerlich gestrafft hat. Die Fürstin wurde von einer unheilsamen Kranckheit plötzlich überfallen / welche verursachet / daß sie an dem gantzen Leib anfienge lebendig zu verfaulen / und einen so unleidentlichen Gestanck von sich gabe / daß niemand möglich ware /auch nur die kleinste Weil bey ihr zu verbleiben. Ihr Eh-Gemahl und ihre Kinder flohen sie von weitem: ihre Bediente wolten wegen dem entsetzlichen Gestanck ihr auch kein Dienst mehr leisten. Mit harter Mühe hat man endlich gegen grosser Vergeltung ein armes altes Weiblein gefunden / welches sich überwunden hat / ihr selbsten Gewalt angethan / und der Furstin täglich etwas zu essen gebracht / doch also /daß es Mund und Nasen verhebt / das Gesicht abgewendt / und nur geschwind das Essen hingestellt / und eilends wider davon geloffen ist. Da halffe weiters kein Ruffen und Schreyen / kein Bitten und Betten ihr etwas mehres zu thun / und also mußte die hochmüthige und heickliche Dam, als ein lebendiges Aaß verfaulen / ehe sie gestorben ware.

Noch übler stehet es den Männern an / wann sie so weiberisch und [577] weichmüthig seynd / daß sie sich mit vil delicaten Spezereyen und kostbaren Olitäten schmieren und anstreichen / welches der Kayser Vespasianus weißlich hat zu verstehen geben: dann als ein Jüngling / der von Bisem und Balsam sehr lieblich riechte / für ihn kam / wegen einer empfangenen grossen Gnad Danck zu sagen / da hatte der Kayser ein grosses Mißfallen darob gezeigt / und mit Unwillen gesprochen: Ich wolte lieber / daß von Zwifflen und Knoblauch riechetest; er hat ihn weggeschafft /und die zugesagte Gnad ihm wieder entzogen. Nit besser ist es ergangen Platino Planeo, der von den höchsten Häubteren zu Rom / weiß nit aus was Ursachen zum Todt ist verdammt worden: Er entflohe deßwegen / und verbarg sich zu Salerno in eine heimliche Höle / er ward aber von dem lieblichen Anstrich und Geruch / den er von sich gab / verrathen / und zur Todts-Straff gezogen / welcher er doch sonst wohl hätte entgehen mögen; immassen ihn seine Verfolger nit würden gefunden haben / wann er nit von weitem so wohl geschmecket hätte.

Was aber GOtt selbsten für ein grosses Mißfallen von diser Eitelkeit habe / lehrt uns der H. Antonius, indem er aus dem Leben der heiligen Alt-Vätter erzehlt / daß einstens ein Engel / in menschlicher Gestalt mit einem gottseeligen Einsidler über Land gereiset seye; und als sie unterwegs ein gar übel-stinckendes Aas angetroffen / da habe der Einsidler vor Grausen das Angesicht abgewendt / und die Nasen verhebt / der Engel aber gantz und gar nit: über ein kleines / als ihnen ein schöner adelicher / und stattlich-gekleideter Jüngling begegnete / welcher von lauter Bisem und Balsam überaus wohl riechete / da zeigte der Engel ein Grausen darob / er verhebte die Nasen / und gienge eilends fürbey; der Einsidler verwunderte sich darüber / und befragte die Ursach /deme der Engel antwortete: Ihr Menschen gebt nur auf das Aeusserliche achtung / und urtheilet nach dem /was ihr sehet oder höret: GOtt aber / und seine Engel betrachten den innerlichen Zustand der Seelen. 54 Weilen nun / sagte er ferners / diser in den Augen der Welt so ansehnliche Jüngling heimlich in schwehren Sünden stecket / so ist er ein Greuel und Abscheuen in den Augen GOTTes / sein Seel gibt geistlicher Weiß ein solchen Gestanck von sich / der mir unerträglich ist. Aber wie wird es solchen in der anderen Welt ergehen? der Prophet Isaias sagt es: Erit pro suavi odore fœtor: 55 Für den lieblichen Geruch wird seyn Gestanck: und wo? in stagno ardente igne & sulphure, 56 antwortet der H. Joan. in einem Teich / welches brinnet von lauter Schwefel-Feur.

Die obgemeldte haben den natürlichen materialischen Balsam sehr mißbraucht / und deßwegen sträfflich gehandelt: aber mit dem sittlichen und himmlischen Balsam der Gnad GOttes / hat es eine gantz andere Beschaffenheit / je öffter und häuffiger man ihn braucht / je besser und löblicher ist es; dann er hat ja die fürtrefflichiste und übernatürlichste Würckungen in der Seel / welches der hellige Apostel Paulus wohl erkennt hat / indem er gesprochen: Christi bonus odor sumus. Wir seynd ein guter Geruch Christi / wegen dem lieblichen Balsam der Gnad GOttes / die alle Werck des Menschen annemlich machet.

[578]
Fußnoten

1 Des Oel-Baums Beschaffenheit.

2 Eccli. c. 24. v. 19.

3 Die seeligste Jungfrau Maria ist ein verwunderlich-und wunderschöner Oel-Baum.

4 Heb. c. 12. v. 20.

5 Fruchtbarkeit des Marianischen Oel-Baums.

6 Nutzbarkeit des Oel-Baums ist groß und mancherley.

7 Wie das Baum-Oel zu bereitet werde etc.

8 Das Oel bedeutet die Gnad des H. Geists.

9 Liv. c. 12. v. 21.

10 Wunderwürdiges Oel. etc.

11 Geschichten.

12 Fruchtbarkeit des Feigen-Baums.

13 Fruchtbarkeit der guten Wercken in wem sie bestehe.

14 Geschicht.

15 Verkehrte Meynung ist schädlich etc.

16 Fernere Eigenschafften des Feigen-Baums / mit sittlicher Application derselben.

17 Der Mensch mit einem Feigen-Baum verglichen.

18 Eccl. c. 27. v. 1.

19 Psal. I. 3 2. v. 1.

20 Regier-Sucht und Ehrgeitz ist gar gemein.

21 Ehr-Sucht ein schlimme Sucht.

22 In Pastor.

23 Des Mandel-Baums und seiner Frucht.

Beschaffenheit.

24 Die Jugend wird mit dem Mandel-Baum verglichen.

25 Eccl. c. 7. v. 25.

26 Müßigang ist der Jugend sehr schädlich.

27 Eccl. c. 33. v. 29.

28 Thren. c. 3. v. 27.

29 Gute Auferziehung der adelichen Jugend ist höchst nöthig.

30 Art und Beschaffenheit des Maulbeer-Baums.

31 Das Creutz Christi mit dem Maulbeer-Baum verglichen.

32 Der Maulbeer-Baum ist ein Sinnbild der Klugheit und Behutsamkeit.

33 Prov. c. 20. v. 5.

34 Der Terpenthin-Baum wird beschriben.

35 Der Terebinth zeiget die Liebe an.

36 1. Ped. c. 4.

37 Beschreibung des Zimmet-Baums und Rinden.

38 Wie der Muscaten-Baum / und die Muscatnuß beschaffen seyen.

39 Tugendhaffte Männer gleichen theils dem Zimmet-/ theils dem Muscaten-Baum.

40 Woher die Myrrhen komme.

41 Die Buß und Abtödtung wird durch die Myrrhen verstanden.

Luc. c. 15. v. 10.

42 Das Leyden Christi ist ein geistliches Myrrhen-Büschlein.

Cant. c. 1. v. 12.

43 Wie der Weyrauch gesammlet werde / und welcher gut seye.

44 Andächtiges Gebett mit dem Weyrauch verglichen.

45 Matth. c. 15. v. 8.

46 Ein köstlich- und liebliches Rauchwerk.

Geschicht.

47 Wo und wie das Balsam-Bäumlein zu finden / und beschaffen seye.

48 De terra S. Tit. Engad.

49 Die Gnad GOttes wird dem Balsam verglichen.

50 Eccl. c. 24. v. 21.

51 Der Mißbrauch des Balsams wird getadlet.

52 Hom. 1. de Lazaro.

53 Straff des mißbrauchten Geruchs.

Geschichten.

54 P. 4. c. 6.

55 Isa. c. 3. v. 24.

56 Apoc. c. 285 v. 8.

III. Von gemeineren Bäumen - Gebüsch und Stauden
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von etlich gemeinen fruchtbaren Bäumen.

Unter denen fruchtbaren Bäumen seynd bey uns die Aepfel- und Birn-Bäum etc. die gemeinste und bekannteste / deßwegen sie auch da keiner sonderen Beschreibung bedärffen / als welche uns fast täglich unter die Augen kommen. 1 Sage nur / daß der Apfel-Baum wegen seines Nutzens und Fruchtbarkeit / vor anderen Bäumen häuffig und mit Fleiß in den Gärten gepflantzet werde. Er wachset zwar fast überal / doch liebt er ein fettes Erdreich; dann im sandigen Boden /wann er nit begossen wird / kommt er schlecht fort /und bringt meistens nur Wurm-stichige Früchten. Er muß auch zu Zeiten von überflüßigen Aesten gestutzet werden / daß nit die Feuchtigkeit / so der Frucht zur Nahrung dienen soll / in dieselbe schlage.

Was aber die Aepfel selber anbelangt / seynd derselben gar vil unterschidliche Art und Gattungen. 2 Plinius lib. XV. c. 14. erzehlet / deren neun und zwantzigerley / welche schon damahlens in Italien bekannt waren. Bauchinus aber lib. 1. Hist. Plant. c. 1. meldet wohl von 70. Arten. Es mögen aber alle füglich in 3. Gattungen hauptsächlich abgetheilt werden /nemlich in süsse / saure und mittelmäßige / oder eines von der Säure und Süsse vermischten Geschmacks: die erste wärmen und laxiren / die andere kälten undconstringiren / die dritte seynd dem Geschmack die annemlichiste / und der Gesundheit die gedäulichiste. Die ungeschmacke und wässerige / seynd zur menschlichen Nahrung wenig dienlich.

Die Aepfel seynd vor Zeiten hoch geachtet worden / daß alle Gastereyen darmit beschlossen / gleichwie hingen von den Eyren angefangen worden / woher bey den Lateineren das Sprüchwort entstanden ist: ab ovo ad poma, welches so vil heisset / als / vom Anfang biß zum End.

Die edlere und fürtrefflichere Arten der Aepflen seynd mala punica, oder mala granata, dieGranat-Aepfel / mala cydonica, die Kütten / mala aurea, mala citrea, die Pommerantzen und Citronen / mala lemonica, oder Lemonien / mala persica, die Pfersich etc. Einige werden auch Adams-Aepfel genennt / andere Sodomitische Aepffel / welche zwar von aussen gar schön anzusehen seynd / innerhalb aber / wann man sie voneinander schneidt / ist nichts als Staub und Aschen: und deßwegen stellen sie uns füglich vor die eitle Welt-Freuden / und zeitliche Glückseeligkeit / welche dem äusserlichen Schein nach hoch schätzbar / schön und annemlich ist / in der Sach selbsten aber /wan mans recht betrachtet / (ein lautere Eitelkeit) ja gegen dem Ewigen ein pures Nichts zu rechnen ist. Eben dergleichen kan auch von der Gleißnerey oder Scheinheiligkeit gesagt werden / als welche von aussen glantzet / [579] und von innen nichts ist; inmassen die äusserliche Tugenden vor GOtt nichts gelten / wann sie nit mit den innerlichen vergsellschafftet seynd.

Die Granat-Aepfel aber seynd also beschaffen: sie wachsen an dem Granat-Baum / welcher nit hoch ist /schmale dicke Blätter hat / Saat-grün / mit rothen Aederlein durchzogen / die auch an rothen Stihlen hangen: sein Blüh ist langlecht und leibfarb / nach welcher die Frücht oder Granat-Aepffel erfolgen / welche rund seynd / ausserhalb röthlecht / und inwendig gelb / mit vilen rothen safftigen Kärnlein besetzt / schön von Farb / lieblich von Geschmack / und gesund zu essen.

Die Granat-Aepfel wachsen häuffig in Italien / in Teutschland aber werden sie schwerlich aufgebracht /dann sie haben zu ihrer Zeitigung eine grosse Hitz vonnöthen: wie ich lise / behalten sie die Blüh auch wann sie schon Früchten tragen. Durch dise Frucht kan ein geistlich- oder weltliche Communität oder Gemeind verstanden werden / in welcher alle Mitglider Krafft brüderlicher Lieb und Einigkeit / als wie die Körner in dem Granat-Apfel vermittelst des Saffts / versammlet und vereiniget seynd / ein solche Gemeind ist schön / annemlich und nutzlich.

Aber wiederum auf die Aepfel / und Aepfel-Bäum insgemein zu kommen / so ist zu beobachten / daß ein Apfel auf Lateinisch malum genennt / welches Wörtlein malum zugleich auch ein Ubel heißt / welches sich gar wohl zusammen schickt: dann à Malo Malum, von dem Apfel kommt vil Ubles. 3 Obwohlen der Apfel schön zu sehen / und gut zu essen ist / ja eben darum weilen er schön und gut ware / haben sich unsere erste Eltern Adam und Eva von der höllischen Schlang im Paradeyß betrügen und überreden lassen /wider das Gebott GOttes von der verbottenen Frucht geessen / und mithin so wohl ihnen selbst / als ihren Nachkömmlingen / sambt der Erb-Sünd alles Ubel auf den Halß gezogen.

Ja / nit nur gleich anfangs Erschaffung der Welt /sondern auch forthin zum öffteren hat es geheissen: à Malo Malum, vom Apfel kommt Ubels. Der KayserTheodosius der Jüngere hat einstens seiner Gemahlin ein schönen und überaus grossen Apfel verehrt / welcher wegen seiner ungewöhnlichen Grösse für etwas rares gehalten wurde: Die Kayserin nahme zwar den Apfel mit Freuden an / und hatte ein Wohlgefallen darob. Weilen aber ein gewisser treuer Diener und gelehrter Minister oder Hof-Herr / Paulinus mit Nahmen / an dem Podagra kranck lage / so hat ihm die Kayserin zu sonderem Gefallen / und ihme ein Freud zu machen / den Apfel zugeschickt und verehrt. Der Kayser hat dises unwissend der Kayserin verkundschafftet / und aus falschem Argwohn / als wann sie mit disem Hof-Herrn eine wider die eheliche Treu heimliche Verständnuß hätte / sehr übel aufgenommen: Er nahme deßwegen den Apfel wieder zu sich /begab sich darmit zu der Kayserin / und fragte / wo sie den Apfel hingethan? sie erschrack darüber / und gedraute ihr es nit zu gestehen. Sie gabe also die Unwahrheit vor / und sagte / sie hab ihn gegessen / und hat es mehrmahlen ernstlich befragt / auch mit einem Schwur bekräfftiget. Auf dises ist der Kayser in seinem Argwohn noch mehr gesteifft worden / und hefftig ergrimmt: Er zoge den Apfel hervor / stiesse ihr selben unter die Augen / und sprach mit zornmüthigen Gebärden / wie ist dann diser Apfel aus eurem Magen wiederum in meine Händ kommen? die Kayserin wurde schamroth / und wuste nichts zu sagen. Der Kayser aber / theils aus Argwohn der verletzten ehelichen Treu / theils wegen der hartnäckigen Lugen hatEudoxiam von dem Kayserlichen Ehe-Beth [580] und Thron verstossen / Paulino aber das Leben nehmen lassen.

Nit besser ist es zu Constantinopel mit einem Apfel ergangen: als der Türckische Kayser Bajazeth in seinem Lust-Garten mit eigner Hand ein Apsel-Bäumlein gepflantzet hatte / welches ihm überaus schön und grosse Früchten herfürgebracht / er besichtigte selbe mit grossem Lust / und verbotte ernstlich /daß kein Mensch einen Apfel von disem Bäumlein abnehmen solle. Aber einer von den Edelknaben / die dem Kayser aufwarteten / liesse sich von dem Lust überwinden / er brache heimlich ein Apfel ab / und asse ihn. Der Kayser vermerckte es alsobald / und schöpffte gleich einen Argwohn über die Edelknaben / ergrimmte hefftig darüber / und weilen es auf strenges Nachforschen keiner bestehen wolte / befahle er allen den Bauch und den Magen aufzuschneiden / um zu erfahren / ob / und welcher den Apfel genommen und geessen habe. Es hat sich aber / Zweiffels ohne aus sonderbarer Schickung begeben / daß gleich in des ersten aufgeschnittenen Magen der noch nit verkochte Apfel ist gefunden / und also die andere gleichwohl errettet / und beym Leben erhalten worden. Da hat es abermahl ja freylich geheissen: à Malo Malum, von dem Apfel kommt das Ubel.

Schier ein gleiches Unglück hat aus Gelegenheit der Aepflen erlitten ein Sohn des Königs in Thracien / welchem Trajanus der Kayser das Königreich / so er seinem rebellischen Vatter hat abgenommen / wiederum zuzustellen gesinnet ware: Weilen aber diser junge Prinz dem Kayser einstens ein Lugen gethan hat / und gesagt / er komme eben von dem Studiren her /da er doch in dem Garten Aepfel abbrechen ist gesehen worden / so hat ihne der Kayser des Reichs unwürdig geschätzt / und mit Ungnad verstossen / sprechend: Es gezime sich nit / daß Rom (ich sage besser die Catholische Kirch) als ein Mutter der Warheit /ein lugenhafftes Kind habe.

Aus den ermeldten Begebenheiten / und vil mehr anderen dergleichen / erscheinet auch klar / wie daß die Lugen bey GOTT und denen Menschen so schwerlich verhaßt seyen / und öffters auch in disem Leben gestrafft werden. 4

Bey gewissen Völckern ist vor Zeiten ein Gesatz gemacht worden / daß derjenige / so zum drittenmahl gelogen hatte / nit nur aller Aembter und Ehren für unfähig geschätzt wurde / sondern auch forthin sein lebtag kein Wort mehr reden durffte. Der König Artaxerxes aber haßte die Lugner so sehr / daß er ihnen die Zungen dreyfach mit Näglen durchstechen liesse. Und Demosthenes hielte darfür / daß ein Lugner nit weniger / als der / so eine falsche Müntz präget /straffmäßig sey. Ananias und Sophira, so bald sie dem heiligen Apostel Petro wegen dem verkaufften Acker die Unwahrheit vorgeben haben / seynd sie todt vor seinen Füssen darnider gefallen: Abominatio Domino labia dolosa. 5 Lugenhaffte Zungen seynd dem HErrn ein Greul / die aber getreulich handlen / gefallen ihm wohl. Qui mendacia loquitur non effugiet; der Lugen redet / wird der Straff nit entrinnen. Der H. Augustinus sagt / gleichwie GOtt Vater seinen Sohn / als die ewige Wahrheit gebohren / also hat der Teuffel nach seinem Fall die Lugen gebohren /und auf die Welt gebracht. Er hat zwar die Menschen alle Laster gelehrt / aber den Anfang gemacht in dem Paradeyß von dem Liegen / welches er am tauglichisten zu seyn erachtet hat / die Menschen zu verderben. In disem hat er all sein Stärcke gesetzt / spricht der heilige Leo.

Wie Fornerus anmercket / so hat Christus der Heyland aus allen Gattungen der Sünder einige erwählt /und an sich gezogen / oder zur Bekehrung gebracht: aus den stoltzmüthigen Verfolgern der Catholischen[581] Kirchen den H. Paulum / aus den Wucherern und Geitzhälsen den H. Matthäum / aus den Geilen die H. Magdalenam / aus den Ehebrecherischen die Chnanäerin / aus den Mörder und Strassen-Rauberen den rechten Schächer: aber von keinem Lugner liset man nit / gleich als hätte er ein absonderlichen Haß und Greuel vor disem Laster / weilen er nemlich die Wahrheit selber ist / und von welchem David längsten vorhinein bezeuget hat / veritatem dilexisti, du hast die Wahrheit geliebt. 6

Neben dem / daß die Lugen auch der natürlichen Ehrsamkeit / oder einem freyen und ehrlichen Gemüth und Geblüt zuwider / und ein knechtliches verächtliches Laster seynd / wie es der Kayser Carolus der V. wohl erkennt / indem er es dahin gebracht hat / daß /wann man etwas bey adelichen Ehren bezeugte / oder verspreche / es die Krafft und Sicherheit eines Eydschwurs hätte.

Aber wer ist es / der niemahl ein Unwahrheit begangen hat? 7 Quis est hic & laudabimus eum? es ist jener sechtzig jährige Heydnische Priester / welchen nach Zeugnuß Suetonii, der Kayser Augustus aus Egypten mit sich nacher Rom gebracht / und als etwas rares im offentlichen Triumph geführt hat / der Ursachen / weilen ihm bewußt ware / daß er niemahl gelogen hätte: deßwegen hat er ihn auch zum obristen Priester gemacht / und ihm zu Ehren in dem Capitolio ein Statuam lassen aufrichten. Es ist auch gewesen der H. Einsidler Arnulphus, der in seinem letzten End bezeugt hat / er habe sich allzeit sorgsam beflissen /daß er niemahl ein Unwahrheit redete. Ein gleiches Lob hat auch erhalten der Abbt Benus, nunquam iratus, nunquam mentitus, daß er sich niemahl erzürnt /und niemahl gelogen habe. Es ist es ferner gewesenFerdinandus, ein Fürst in Lusitanien / von welchemSpondanus bezeuget / daß er niemahl die Unwahrheit geredt. Auch Alexander de Oliva bezeugt von sich selber / daß er von Kindheit an / da er als ein junger Knab in den Orden des H. Augustini eingetretten /niemahl etwas wider die Wahrheit geredt habe. Deßgleichen P. Vincentius Regius, Caspar Sanctius, Berckmanus, Cardinalis Bellarminus, Ægidius Coninck, Ludovicus Modina, und andere mehr. Ja einige haben vil lieber sterben / als das Leben durch eine Lugen erhalten wollen.

Von dem obgemeldten Aepfel-Baum jetzund auf den Birn-Baum zu kommen / so ist auch diser ein gemeiner / und jedermänniglich wohl bekannter / fruchtbar- und nutzlicher Baum / der so wohl einem Lust-als Hauß-Garten wohl anständig ist. 8 Seine Früchten seynd wohlgeschmack und annemlich zu essen / doch der Gesundheit schädlich / wann man derselben zu vil ist / sie beschweren den Magen / verursachen Wind und böse Feuchtigkeiten etc. sonderlich wann sie nit mit einem Trunck Wein corrigirt werden. Ein solche Beschaffenheit hat es auch mit den zeitlichen Gütern /Wollust und Kommlichkeiten: sie seynd lieblich und süß / als wie die Birn / das ist dem Menschen angenehm. 9 Aber wann man sie mißbraucht / und nit mit dem Wein der Discretion oder Bescheidenheit temperirt und mässiget / da seynd sie schädlich / sie beschweren das Gewissen / sie verursachen die Wind des Hochmuths und der Eitelkeit / wie auch die böse Feuchtigkeiten der unordentlichen Gelüsten und Anmuthungen. Es werden aber die Birn eingetheilt in pyra domestica, und Silvestria, in zahme / die in den Gärten gepflantzt werden / und wilde / oder sogenannte Holtz-Birn / die für sich selber in den Feldern oder Wäldern wachsen. 10 Jene wiederum in præcotia und serotina, in fruhzeitige oder spate Birn / beyde wiederum in vil andere Art und Gattungen / als butyracea, aquosa, aromatica oder odorantia: in Schmaltz- oder Butter-Birn [582] / die nemblichen so mürb seynd / daß sie fast im Maul vergehen / in wässerige /die zwar voll wässerigen Saffts seynd / aber das Fleisch ist derb und hart / und in Gewürtz oder wohl-schmeckende Birn / als wie die Muscateller-Birn / Citronen-Birn etc. welche alle an der Gestalt / Farb und Grösse zimlicher massen voneinander unterschiden seynd. Ubrigens seynd die gekochte Birn gesünder /und geben bessere Nahrung als die rohe.

In dem Indisch- und Sinesischen Lust-Garten f. 659. lise ich von einem seltsamen Birn-Baum / der sich in der Insul Bermuda befindet / und auf dem Meer-Felsen wachsen soll / und also von dem Meer selbsten sein Feuchtigkeit / von dem Felsen aber sein Krafft und Nahrung haben soll. 11 Diser Baum trage ein Zeit lang keine Früchten / hernach aber / wann er zu tragen anfangt / da bringt er das gantze Jahr hindurch unaufhörliche Frucht oder Birn. Es habe zwar dises Gewächs den Nahmen eines Baums / obwohlen es keine Aest oder Zweig habe / sondern nur Blätter und Gestäud. Die Frucht aber / oder die Birn selber /gebe einen rothen / süssen und gesunden Safft; inmassen man nie gehört habe / daß jemand / so von solcher Frucht geessen / darvon erkranckt seye. Also sihet man auch im sittlichen Verstand / daß der Mensch /oder das menschliche Hertz auch auf einem harten Felsen der Trangsalen gegründet / und von den Meer-Wellen der Verfolgungen umgeben / und öffters die schönste und häuffige / GOtt angenehme Früchten /reichlicher Verdienst und guter Wercken herfürbringe / und gleichsam von den harten Steinen und tobenden Wellen / das ist / von dem Creutz und Leyden sein Nahrung und Wachsthum habe / indem es selbe durch unüberwindliche Gedult bestens ihm zu Nutzen machet.

Der Nuß-Baum aber ist gantz anderst geartet: er wachset hoch und dick / tragt auch häuffige Früchten oder Nussen / aber er gibt nichts mit Lieb und Willen davon her / die Nuß fallen nit leicht und freywillig ab / als wie die Aepfel und Birn / wann sie schon zeitig seynd / sie lassen sich auch nit abschüttlen / sonder man muß Gewalt anlegen / und nur fein grob darmit umgeben / mit Prügel darein werffen / oder mit Stangen darein schlagen / wann man was haben will. 12 Ja mit disem ist es noch nit ausgericht / man muß ferners die Schelffen von den Nussen ablösen / und die Schale aufschlagen oder aufbeissen / alsdann kan man erst die Frucht oder den Kern geniessen. Fast ein ein solche Beschaffenheit hat es in sittlichem Verstand mit denen trägen und ungehorsamen Kindern / Knecht und Mägden / welche keine freywillige Früchten herfür bringen / das ist / nichts mit Lieb und Willen thun und verrichten / sondern alles nur gezwungen und gedrungen: gleichwie ein Schiff auf dem Wasser / wann man nit mit stetem Ruderen anhaltet / steht es gleich still / oder gehet gar zuruck / oder als wie ein Uhrwerck / wann es nit immer durch die Schwere des Gewichts getrieben wird / steht es alsobald. 13 Dahin zihlen auch ab jene bekannte Verslein:


Nux, asinus, mulier, simili sunt lege ligati,
Hæc tria nil faciunt recti, si verbera cessant.
Beym Nuß-Baum / Esel / und bösen Weib /
Ists noth / daß mans mit Schlägen treib.

Ja wann man schon von faulen und ungehorsamen Leuthen mit Gewalt einige Früchten / oder gute Werck erzwingt / so seynd sie doch noch hart / als wie die Nuß / oder unvollkommen / man muß sie erstpoliren / hoblen und ausbesseren.

Es hat die Nuß-Bäum nit ein jeder gern in seinem Garten / dann sie nehmen ein grossen Platz ein / und[583] es wachset nit gern etwas darunter: der Schatten von dem Nuß-Baum ist ungesund / und schädlich demjenigen / so darunter schlafft. Auch die Faulentzer und widerspennige Leuth hat man nit gern in einem Hauß / oder in einer Gemeind / dann sie nehmen den Platz umsonsten ein / und lassen andere nit aufwachsen /das ist / sie verhinderen sie von dem Guten.

Aber wann schon ein junger Nuß-Baum im Winter verfrühret und scheint / als wann er verderben wolle /so muß man ihn doch nit gleich gäntzlich umhacken /sonderen man soll ihm pflegen / versetzen und zuwarten / so schlagen im Sommer wiederum etliche Zweiglein aus / und der Baum wird Frucht tragen. Eben also / wann schon der Mensch in der Jugend nit gut thut / und es scheinet / als wann nichts aus ihm werden wolte / so soll man doch nit an ihm verzweifflen /ihne hinschätzen und verwerffen / sondern ihm zusprechen / und fleißige Obsicht haben / so wird er sich mit der Zeit / und der Hülff GOttes erholen / besseren / und Frucht bringen.

Sonsten kan wohl auch die Buß und Abtödtung durch die Nuß verstanden werden: dann gleichwie die Nuß zwar ein bittere Schelffen / ein rauhe und harte Schalen / aber ein guten süssen Kern darunter verborgen hat / den man geniessen kan / wann man die Schalen aufbeißt: also ist die Buß und Abtödtung von aussenher / dem Ansehen nach zwar rauh / bitter und hart / sie kommt das Fleisch / die Sinnlichkeit schwer an / aber wann man die Beschwernuß hertzhafft überwunden / da findet und verkostet man den süssen Kern des Trosts / der geistlichen Freud in der Hoffnung / die man schöpffen kan wegen Nachlaß der Sünden / von wegen der ewigen Belohnung. 14 Welches unter vilen anderen der H. Augustinus wohl erkennt / und aus eigner Erfahrnuß bezeuget hat / indem er gesprochen: Dulciores sunt lachrymæ pœnitentium, quàm gaudia theatrorum. Es seyen lieblicher die reumüthige Zäher der Büssenden / als die freudige Schauspil auf den Schaubühnen.

Wann man die Nussen / oder das hieraus gepreßte Oel mäßig gebraucht / so gedäyen sie zur Gesundheit / und dienen wider die gifftige Speisen oder Sachen: aber noch vilmehr dienet die Buß und Mortification zur Gesundheit der Seelen / und bewahret von dem tödtlichen Gifft der Sünden.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von noch anderen fruchtbaren Bäumen.

Die gröste Zahl unter den gemeinen fruchtbaren Bäumen machen diejenige aus / welche das sogenannte Stein-Obs tragen: als da seynd die Pfersich- und Marillen-Bäum / die Pflaumen- und Zwetschgen-Bäum /die Kersch- und Weixl-Bäum / welche alle / wie bekannt / voneinander an der Farb / Grösse / Geschmack / Gestalt und Würckung zimlich ungleich oder unterschieden seynd: doch seynd es mehrentheils lauter annemliche safftige / und kühlende Früchten. 15 Von der Gesundheit oder Ungesundheit diser Früchten will ich da nichts melden / sondern selbes den Herren Medicis zu urtheilen überlassen. Gewiß ist es / daß der Mißbrauch oder Uberfluß derselben (wie in allem anderen) schädlich seye / und gern ein Fieber verursache.

Die Pfirsich oder Pfersich / mala persica auf Lateinisch / haben nach Zeugnuß Plinii, ihren Nahmen aus der Landschafft Persien / als von welcher sie ursprünglich herkommen / und dann erst in unseren Landen seynd gepflantzt worden. 16 Es seynd aber derselben zweyerley Gattungen: die erste und gemeinere seynd weich / safftig / und lassen leicht ab von ihrem Stein. Die andere / die [584] bey uns nit so gar gemein / seynd grösser und schöner / ihr Fleisch ist kürnig / rothlecht / und nit so wässerig als wie die erstere / sie lassen auch den Stein nit gern von ihrem Fleisch. Uber dise aber befleißt man sich in Franckreich noch vilmehr andere Arten der Pfersich zu züglen / deren ein lange Lista von mehr als zwantzigerley Nahmen zu sehen ist.

In dem Indisch- und Sinesischen Lust-Garten f. 803. lise ich von einer Weiß / ungemein grosse Pfersich aufzubringen. Man nehme 3. oder 4. Pfirsich-Stein / und füge oder vereinige sie also fest zusammen / daß sie gleichsam ein Cörper machen: selbe setze man in ein Faß / mit gemisteter Erden angefüllt / und vergrabe sie darein / doch also / daß oben am Deckel ein Loch offen bleibe / dardurch die vereinigte Kerner die Sprößling herfür treiben mögen: alsdann wachsen die Kerner zusammen / und entspriesset aus ihnen ein eintziger Baum / der mit der Zeit Pfirsich traget / die einer ungemeinen Grösse werden.

Fernere Beschreibung dises und anderer dergleichen in Teutschland wohl bekannnten Bäumen / erachte ich unnöthig zu seyn / als welche uns schier täglich unter die Augen kommen: will also den geneigten Leser da nit aufhalten.

Von den Marillen finde ich nit vil merckwürdiges zu melden. 17 Sie kommen den Pfirsich zimlich gleich / ausser daß sie ins gemein etwas kleiner / aber süsser seynd / Gold-gelb mit roth untermengt. Sie haben ein harten Stein / schier wie die Pfirsich / der sich nit ohne Gewalt zerbrechen last: in disem ist ein Kern enthalten / der bey anderen bitter / bey anderen aber süßlecht ist. Es seynd auch die eine Marillen grösser /die andere kleiner / welcher Unterschied theils aus Güte des Erdreichs / theils aus fleißiger Abwarth herkommt. Je öffter man dise Bäum versetzt / je besser und vollkommener wird die Frucht. Der Marillen-Baum ist in der Blüh und mit den Früchten nach der Jahrs-Zeit einer unter den ersten. Sie werden auch deßwegen auf Lateinisch armeniaca præcocia, das ist / fruhzeitig genannt.

Die Pflaumen- und Zwetschgen-Bäum haben kein daurhafftes Holtz / sie können in dem Wetter nit vil ausstehen / und wann sie ein wenig angehauen werden / faulen sie bald. 18 Doch ist dises Holtz den Schreinern oder Tischlern und Drechslern angenehm und anständig / weil es mit einer artigen Röthe von Natur begabet ist. Was aber die Frucht oder die Pflaumen selbsten anbelangt / so seynd derselben gar vil unterschiedliche Art und Gattungen / die eine blau / andere gelb-roth / theils rund / theils langlecht / süsse und saure / also / daß mans schwerlich alle genugsam erzehlen und beschreiben kan / wie Mathiolus in lib. 1.Dioscoridis c. 132. anmercket. Unter die Gattungen der Pflaumen werden auch die Zwetschgen oder Prunellen gezehlt / pruna damascena auf Lateinisch genannt / schwartz-blau / süß und langlecht / so bey uns die gemeinste seynd: pruna Iberica, Spanische Pflaumen / pruna nigra acida, Kriechen / pruna hungarica majora & minora, groß- und kleine Ungerische Pflaumen / pruna urea, Spilling / oder wachs-gelbe Pflaumen / pruna autumnalia, Wein Pflaumen Wein-Schlehen.

Eben so vilfältig und unterschidlich an der Grösse /Farb / Gestalt und Güte seynd auch die Kirschen. 19 Aber fürnemlich werden sie in 2. Geschlecht abgetheilt / nemlich in zahme und wilde: die zahme wiederum in einheimische / süsse und saure / als Weixlen und Amerellen / und in frembde / so man auch Welsche oder Spanische zu nennen pflegt. Deren seynd einige schwartz / andere roth / weiß / oder gelb / süß oder saurlecht / als wie die Weixlen / rund oder langlecht.

Von disen und mehr anderen so vil unterschiedlichen Bäumen und Früchten sage ich kürtzlich und überhaubt / [585] daß sie uns in sittlichem Verstand unterschiedliche Tugenden vorstellen und anzeigen.

Dann gleichwie die vilfältige Bäum und Früchten einen Garten zieren und bereichen / also thun unterschidliche tugendhaffte Stands-Persohnen die allgemeine Catholische Kirchen mit ihren vilfältigen Verdienst- und Tugend-Wercken auszieren und bereichen. 20 Der eine Baum tragt dise Frucht / der ander ein andere: und der eine Mensch hat dise Tugend / der ander ein andere: kein Baum bringt zugleich vil unterschidliche Früchten / als zum Exempel / Aepfel / Birn / und Kerschen. Eben so wenig hat insgemein ein Mensch allein alle Talenten / Tugend und Wissenschafften beysamen / sondern GOtt der Allmächtige pflegt selbe auszutheilen nach seinem göttlichen Wohlgefallen / dem einen dises / dem anderen ein anderes / wie der Apostel Paulus anmercket / wann er sagt: Ipse dedit quosdam quidem Apostolos, quosdam autem Prophetas, alios verò Evangelistas, alios autem Pastores & Doctores. 21 Er hat etliche geben zu Apostlen / etliche aber zu Propheten / andere zu Evangelisten / wiederum andere zu Hirten und Lehrern. Und wiederum: Numquid omnes Apostoli? numquid omnes Prophetæ? omnes Doctores? 22 Seynd sie alle Apostel? alle Wunderthäter? haben sie alle die Gab gesund zu machen? reden sie alle die Sprachen? können sie alle auslegen? Er will sagen nein / sondern der eine hat dise Gab von GOTT empfangen / und der ander ein andere.

Die unterschidliche Baum-Früchten seynd schön und nutzlich in einem Garten / sie ergötzen die Augen / wann man sie anschaut / den Geschmack / wann man sie kostet / und den Geruch / wann man daran riechet: Aber noch vil schöner und nutzlicher seynd die Tugenden und gute Werck so vil gottseeliger Seelen in der Catholischen Kirchen / sie stärcken undperficiren alle drey Kräfften der Seelen / den Verstand / den Willen / und die Gedächtnuß.

Gleichwie die Baum-Früchten gar unterschidlich beschaffen seynd / die eine süß / die andere saur / die eine groß / die andere klein / die eine hart und trucken / die andere weich und safftig / die eine gelb / die andere grün / blau oder roth / die hat dise Krafft und Würckung / die ander ein andere: Also seynd auch die vilfältige Tugenden gantz unterschidlich beschaffen /die eine zihlet ab auf die Lieb GOttes und des Nächsten / die andere auf die Handhabung der Gerechtigkeit / die dritte auf die Hülffleistung denen Nothleydenden / und Erweisung der Barmhertzigkeit / die vierdte auf die Erhaltung der Jungfrauschafft / die fünffte übt sich in der Demuth / und die sechste in der Gedult.

Aber gleichwie die Früchten gut seynd / wann man sie mäßig braucht / schädlich hingegen und ungesund / wann man sie mißbraucht / und zu vil darvon isset: also auch die Tugenden selbst seynd mangel- und tadelhafft (ja es seynd keine Tugenden mehr zu schätzen) wann man in Ubung derselben die gebührende Maß überschreitet. 23 Dann virtus consistit in medio, wie Aristoteles sagt / die Tugend bestehet in dem Mittel / das ist / sie haltet das Mittel zwischen zwey äussersten Dingen: als zum Exempel / die Freygebigkeit ist eine Tugend / welche das Mittel trifft zwischen zwey äusserist-entgegen gesetzten Lastern /nemlich zwischen dem Geitz und der Verschwendung: die Hertzhafftigkeit ist ein Tugend / die in dem Mittel bestehet zwischen der allzu grossen Frechheit und der Zaghafftigkeit: die Hoffnung haltet sich in Mitten der Verzweifflung und Vermessenheit / und also weiters von anderen zu reden. 24

Die gute Bäum und Früchten erforderen gute Abwarth / und fleissige Obsicht / daß sie zu ihrer Vollkommenheit gelangen / daß die Früchten nit in der Blüh versticken / [586] nit vor der Zeit abfallen / oder verfaulen: die Bäum müssen auch zu seiner Zeit von den überflüßigen Aesten gestutzt / begossen / oder gedunckt werden / die garzu grosse Hitz und Kälte / die scharpffe Wind und Reiffen seynd ihnen schädlich. Noch mehr Sorg und fleißige Obsicht haben die Tugenden und tugendsame Menschen vonnöthen / auf daß sie in gutem Stand erhalten werden / und ihre Vollkommenheit erreichen / damit die Früchten der guten Wercken und Verdiensten reichlich herfür kommen und zeitigen / müssen die sittliche Bäum die tugendreiche Menschen / von dem Uberfluß der zeitlichen Güter / Wollust und Kommlichkeiten gestutzt /hingegen mit dem Wasser des himmlischen Trosts begossen / und mit dem Geist der Demuth angefeuchtet werden: ja sie müssen auch von der Hitz der bösen Begirden / von der Kälte der Trägheit / von dem Wind und Reiffen der Hoffart / von der eitlen Ehr bewahrt und geschützet werden. Dann wie der H. August sagt: Mens non potest habere regnum virtutum, nisi priùs excluserit regnum vitiorum. Die Tugenden können in dem Gemüth nit herrschen / wann nit zuvor die Laster ausgetrieben seynd: und kein Tugend ist ohne Mühe / der Fleiß und die Mühe ist der Aufnahm und Wachsthum der Tugend. 25 Und in disem Verstand hat der Heil. Apostel Paulus gesprochen: Fructus Spiritus est charitas, Pax, Patientia, Castitas. 26 Die Frucht des Geists ist die Liebe / der Fried / die Gedult / die Keuschheit.

Auch die Heydnische Welt-Weise haben die Fürtrefflichkeit diser sittlichen Früchten / das ist / der Tugenden wohl erkennt: dann Seneca hat gesprochen:Nulla possessio, nulla vis auri, & argenti pluris quàm virtus æstimanda est. Keine Schätz und Reichthum seynd der Tugend gleich zu achten. Aristoteles aber sagt: Virtus est bonarum rerum conciliatrix & conservatrix. Die Tugend ist / so alle Güter zuwegen bringt / und selbe erhaltet. Cicero endlichen: qui virtutem habit, is nullius rei ad bene vivendum indiget, der die Tugend besitzt / der hat weiters nicht mehr vonnöthen wohl zu leben: hingegen beatus esse sine virtute nemo potest, niemand kan ohne Tugend glückseelig seyn. Obwohlen dises Wort von einem Heyden geredt worden / so verdienen sie doch tieff in das Hertz eines jeden Christen Menschen eingeschriben zu werden.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von den unfruchtbaren Bäumen.

Durch die unfruchtbare Bäum verstehe ich da all diejenige / welche entweders gar keine / oder doch keine solche Früchten tragen / die zu der gewöhnlichen Nahrung der Menschen dienlich seynd. 27

Ein solcher ist erstlich der starcke und großmächtige Eichbaum / welcher in gewissen Orten / benanntlich in der Americanischen Landschafft Guadimola, ja auch wie ich höre / in Westphalien in eine solche Dicke erwachset / daß er in seinem Umkreiß etliche Klaffter begreifft. Sein Holtz ist fest / hart und daurhafft / es kan von den Holtz-Würmen nicht leicht zernagen werden / deßwegen er vor anderen Bäumen zu den Gebäuen / wie auch Statuen daraus zu schnitzlen / Brucken und Wein-Fässer daraus zu machen tauglich ist. Das Eichen-Laub und anderes von disem Baum wird vilfältig Artzney-weiß / die Eichelen aber / wie bekannt / zur Mästung der Schwein gebraucht. Die Natur-Kündiger wollen behaubten / daß die Eichen durch ein und anderes Jahr hundert / in allem Ungewitter unversehrt dauren können.

Doch thut auch nit selten eben solche Stärcke und Grösse dem Eichbaum zu seinem Ruin oder Untergang [587] gereichen / wann nemlich ein hefftiger Sturm-Wind an ihn kommt / und ihme zusetzt / da will er im geringsten nit weichen und nachgeben / sondern widersetzet sich / auf seine starcke und tieffe Wurtzlen sich verlassend. Mithin aber wird ihme von dem tobenden Wind / der auch nit nachlasset / da und dort ein Ast abgerissen / ja auch zu Zeiten der gantze Baum selbsten umgestürtzt / oder gar aus der Wurtzel gerissen: da hingegen die Hasel-Stauden oder schwaches Moß-Rohr auch bey dem hefftigsten Sturm-Wind unversehrt und unzerstöhrt bleibet / weilen es nemlich in Zeiten nachgibt / und gleich auf den ersten Anstoß des Winds / auf alle Seiten sich bucket und bieget /und dem Wind gleichsam tausend Reverenz undComplementen machet.

Also nemlich ist es nit allzeit gut Gewalt mit Gewalt vertreiben wollen. 28 Wann zwey Kiselstein hart aneinander schlagen / da gibt es Feur ab / und thut leicht ein unauslöschliche Brunst zum allgemeinen Schaden entstehen. Es ist nit nur ein sittliche Tugend /sonderen auch eine stäte Klugheit in Zeiten wissen nachzugeben / und aus der Noth eine Tugend zu machen. Freylich wohl kan ein unbeweglicher Stein-Felsen in dem Meer die tobende Wasser-Wellen sicher trutzen / ohne daß er selben ein Hand-breit weiche /weil er sie an ihm unkräfftig zerschlagen / und allzeit abgetrieben sihet: da hingegen ein kluger Schiffmann nothwendig dem Wind nachgeben / und den Segel nach ihme wenden muß / indem er sonst unfehlbar zu Grund gehen wurde / wann er sich ihm mit Gewalt widersetzen wolte.

Der göttliche Heyland selber hat dise Christliche Polizey in dem Evangelio gelehret / indem er zu seinen Jüngeren gesprochen hat: Quis Rex iturus committere bellum adversus alium Regem, non sedens prius cogitat, si possit cum decem millibus occurrere, qui cum viginti millibus venit à se? 29 Welcher König / der da ausziehen / und wider einen anderen König Krieg anheben will / sitzt nit zuvor /und rathschlaget / ob er könne mit zehen tausend begegnen / dem der über ihn kommet mit zwantzig tausend? wo nit / sagt weiter Christus / so schicket er Bottschafft / wann jener noch fern ist /und bittet um Frieden.

Aber dise Polizey hat der stoltze und hartnäckige Eichbaum nit gelernet / er verlasset sich zu vil auf seine tieffe Wurtzlen und starcke Aest / und will auch dem stärcksten Wind nit im geringsten weichen oder nachgeben / darum wird er offt so übel zerraufft / oder gar entzwey gebrochen. Also und nit besser ergeht es auch demjenigen / der wider gutes Einrathen seinem Kopff und Sinn alleinig folgend / mit Gewalt alles will durchdringen / wo es doch nit möglich ist. Niemahl solle man sich auf seine Stärcke und eigne Kräfften allein / oder zu vil verlassen / sonderen die Klugheit muß voran gehen / die Wachtsamkeit und Bescheidenheit aber Gesellschafft leisten / so offt ein feindlicher Gewalt und Gefahr abzuwenden / oder sonst was haubtsächliches vorzunehmen und auszuführen ist. Auch der starcke und großmüthige Löw trauet ihm selbsten und seiner Stärcke nit allein / oder zu vil / er schlafft mit offenen Augen / damit ihn der Feind nit für unbereitet ansehe. Der behutsam im Kampff sich einlassen / und glücklich streiten will /muß zuvor seine Kräfften mit der Grösse der Gefahr fleißig abwegen / und wann er dise zu gering befindet / ist es rathsam / daß er mit dem Gold das Eisen schärpffe / und Bitt-weiß mit glimpfigen Worten erhalte / was er doch mit Ernst und Gewalt nit erzwingen kan.

[588] Wann es aber ausser Handhabung der Gerechtigkeit / oder Beschützung göttlicher Ehr um ein blossen Wort-Streit zu thun / oder sonst ein indifferente, ein gleichgültige Sach betrifft / da erforderet abermahl die wahre und Christliche Polizey / daß man nachgebe /in Versicherung neben dem Ruhm der Friedsamkeit und Bescheidenheit / vil ein grössere Ehr und Nutzen darvon zu tragen / als wann man seinen Gegner mit hefftig- und hartnäckigen Zanck und Streiten abmatten / und überwinden thäte.

Es begibt sich zu Zeiten / daß ein rauschiger / oder sonsten dollsinniger Mann als wie ein hefftiger Sturmwind in dem Hauß herum sauset und prauset /und an seinem Weib mit harten Worten anstoßt /dises oder jenes von ihr haben oder nit haben will: wann alsdann das Weib halstärrig und eigensinnig ist / und wie ein starcker Eichbaum sich disem stürmenden Wind / oder dem Mann widersetzt / im geringsten nichts nachgeben / und nicht weichen will / O da wird diser stoltze Eichbaum / das stutzige Weib offtermahl gar übel verzauset und zerraufft. 30 Wann sie aber nachgibt / und wie ein schwaches Moßrohr oder weiche Haselstauden sich nach dem Willen ihres Manns /so vil es möglich ist / ein Weil bieget und lencket / da bleibt sie sicher und unversehrt / ja es thut sich auch der Wind desto ehender wiederum legen / und der Mann zur Ruh begeben. Der Eichbaum ist absonderlich dem Donnerschlag unterworffen / er wird öffters von ihm getroffen: und ein böses Weib ist den Schlägen ihres donnerten und blitzeten Manns unterworffen / es wird auch offt hart von ihm getroffen.

Was jetzund ferners den Thannen-Baum anbelangt / so ist an demselben merckwürdig / daß er so hoch /und zwar Schnur-grad aufwachset / im Sommer und Winter allzeit grünt / auch häuffiges Hartz zu unterschiedlichem / auch Artzney-Gebrauch von sich fliessen laßt / welches sonderlich zu Heilung der Wunden dienlich ist. 31 Ubrigens ist es an dem Thannen-Baum was wunderliches / daß er wider die Gewonheit aller anderen Bäumen / kein einiges Laub-Blättlein / sonderen an deren statt unzahlbare grüne stechende Nadlen hat. Er wird in weiß und rothe Thannen abgetheilt. Sein Holtz ist tauglich zu schindlen / Bretter / Segel /Mast-Bäumen / und zum Wasser-Bau / weilen es hartzig ist / und das Wasser nit so leicht an sich ziehet.

Der Linden-Baum Tilia auf Lateinisch / wachset auch zu einer gewaltigen Grösse / ist dick belaubet /und strecket seine Aest weit in die Breite aus / deßwegen er auch einen angenehmen starcken Schatten verursachet: er macht tieffe Wurtzlen / und ist anderen benachbahrten Bäumen schädlich / weil er ihnen zu vil Saffts hinweg nimbt / und an sich ziehet. 32 Auf disen Schlag ist es auch unter denen Menschen nit allzeit gut / sondern gefähelich mächtige Nachbaren haben / weilen selbe zu Zeiten den Safft der zeitlichen Güter gar zu starck an sich ziehen / und desselben die andere kleinere Bäum berauben / und verderben machen. Der Stamm dises Baums ist mit einer dicken /rauhen / schwartzlechten Rinden bekleidet / unter welcher ein weisses dünnes Häutlein / welches safftig und süß / zu finden ist. Und also befindet sich auch zu Zeiten bey einem / dem äusserlichen Ansehen nach groben und ungeschlachten Menschen ein zartes und reines Gewissen / süß und safftig mit Andacht erfüllet. Die Blätter dises Baums seynd dem Espen-Laub zimlich gleich / doch etwas weichers / und klein gezeferlet: das Holtz aber ist zart und lind (woher es auch den Nahmen haben soll) auch deßwegen tauglich [589] allerhand Figuren / Geschirr und Ziraden daraus drexlen und zuschnitzlen.

Es kan deßwegen füglich die Tugend mit dem Linden-Baum verglichen werden / als welche auch leichtlich (wann der Fleiß des Künstlers / das ist / eines guten Zucht- und Lehrmeisters darzu kommt) wegen ihrer Zärte und Weiche in allerhand schöne Gestalten sich formiren und schnitzlen laßt: man kan aus disem Linden-Holtz / verstehe aus einem capablen oder fähigen jungen Menschen / den tauglichsten Werckzeug zu grossen und herrlichen Verrichtungen machen /oder aber schöne Geschirrlein des kostbaren Saffts oder Balsams der Tugend und Wissenschafften darinn aufzubehalten. 33 Aber wann die Jugend aufgewachsen / und kein Linden-Holtz mehr / sondern verhartet ist / da heißt es zum öfftern: Non ex quolibet trunco fit Mercurius: Man kan nit aus einem jeden Klotz einen Mercurium schnitzlen / wann man schon allen Fleiß und Mühe anwendet.

Ferners die Blühe dises Baums hat ein angenehmen Geruch / sie wird zu einem gewissen Wasser gebrennt / und Artzney-weiß gebraucht. Er tragt auch kleine runde Beerlein / und wann sich selbe in dem Augustmonath aufthun / da fallet ein runder schwartzer Saamen heraus / süß am Geschmack / welches doch nur von dem Weiblein zu verstehen ist / dann diser Baum wird in zwey Geschlecht / das Männlein und Weiblein (gleichwie auch etliche andere Bäum) abgetheilt.

Man sihet hin und wider bey den Städten / Flecken und Dörfferen grosse Linden-Bäum mit Fleiß gepflantzet / auf daß die Burger und Bauren zu Zeiten ein Zech-Bier oder Wein darunter halten / und sich unter seinem Schatten ergötzen mögen.

Auch der Buchbaum Fagus, will an der Grösse und Stärcke den vorgehenden nit nachgeben / deßgleichen an der Härte des Holtzes / doch ist er in dem Wetter nicht gar daurhafft. 34 Er wird in zwey Gattungen abgetheilt / in Rothbuchen und Hagenbuchen. Diser Baum hat ein weißlächte Rinden / und wachset gern in einem morastigen wässerigen Boden / er ist sehr dienlich zum Bau-Holtz innerhalb des Gemäurs. Sein Frucht bestehet in den sogenannten Büchelen / welche dreyecket und süßlecht seynd: ihr inwendige Schale ist braun / die aussere aber gantz rauh / dise Kerner aber seynd denen Ratzen und Feld-Mäuß / wie auch den Eichhörnlein die angenehmste Speiß / welcher sie aus Antrib der Natur von weitem zulauffen.

An dem Birckenbaum Betula, ist dises merckwürdig / daß wann man in dem Frühling anschneidet /oder die Rinden auflöset / und hinein bohret / da laufft ein häuffiger Safft oder Wasser heraus / welches aufgefangen / und aus Verordnung der Herren Medicorum für gewisse Zuständ Cur-weiß getruncken wird. 35 Wann diser Baum noch jung ist / da hat er ein braune Rinden / wann er aber älter ist / da wird sie weiß / Wobey zu wissen ist / daß man vor alten Zeiten / ehe die Kunst das Papir zu machen ist erfunden worden / auf dise und andere dergleichen weisse Baum-Rinden / als Buchbaum-Rinden etc. zu schreiben / und Bücher daraus zu machen gepflegt habe /welche annoch Libri genennt werden / Liber aber heist eigentlich ein Baum-Rinden. Das Holtz dises Baums belangend / so das es zu anderem Gebrauch dienet ist es so beschaffen/ wann es noch jung / und zum anderen wann es schon alt ist.

Der Buxbaum ist ein kleines daurhafftes Bäumlein / selten mehr als eines Armbs dick / mit vilen Aesten und kleinen Laub-Blättlein gar dick besetzt / welche gantz glatt und glitzend seynd / etwas hart / sie bleiben all zeit grün / und fallen nimmer ab. 36 Sein Blüh ist [590] auch grün / aus welcher hernach grüne oder gelblechte Kerner wachsen / in der Grösse einer Erbis /und obenher mit 3. Spitzen versehen / welche aber weder ein Vogel / noch ein anderes Thier niemahl isset. Das Holtz des Buchsbaums ist fürtrefflich für die Trexler und Bildhauer / schöne Figuren / oder Geschirrlein / Flöten oder Pfeiffen daraus zu schnitzlen oder trähen / dann es ist schön gelblecht / auch so fest und hart / daß es im Wasser zu Boden fallt / als wie das Ebenholtz / dann es nit Poros oder gelöchlet / es faulet auch nit / und wird nit Wurm-stichig. 37 Diser Baum wachset gern in dürren und steinigen Orten. Deßwegen er füglich einen gerechten vollkommenen Menschen vorstellet; dann ein solcher wird auch an rauhen harten Orten erzogen / ich will sagen / wo es rauh und streng hergehet / in dem Creutz und Leyden / in der Mortification oder Abtödtung: aber eben darum grünet er allzeit an der Hoffnung / er ist auch fest und daurhafft wegen der Beständigkeit / und wann er in den Wässeren der zeitlichen Gütern und Glückseeligkeit sich befindet / da laßt er sich gleich in die Tieffe durch die Demuth und Betrachtung des Todts / dann er hat in seinem Hertzen keine Poros oder leere Lufft-Löchlein (es ist gäntzlich mit der Liebe GOttes angefüllt) durch welche der Lufft der Eitelkeit oder Hoffart möchte eintringen / und ihn erheben.

Die Buchsbäum / wann sie ordentlich gepflantzt seynd / geben den Lust-Gärten ein sonderliche Zierd: aber noch vilmehr wird der sittliche Lust-Garten der Catholischen Kirch / von solchen gerechten vollkommenen Männern geziert und geadlet.

Der 4. Absatz
Anhang
Anhang / oder Anmerckungen zu denen Bäumen insgemein.

Erstlich ist bey den Bäumen insgemein noch anzumercken / daß / gleichwie es in den Gärten / Wälder und Feldern so vil unterschiedliche Bäum gibet / die in ihrer Art / Fruchtbarkeit / Grösse / Gestalt / Daurhafftigkeit / und anderen Eigenschafften gar weit voneinander unterschiden seynd / deren eine zu disem / andere zu einem anderen Gebrauch besser taugen: als zum Kohl brennen / zu Häuser und Schiff bauen zum schnitzlen und trexlen. 51 Ein solche Beschaffenheit hat es auch im politischen Weesen / es gibt da auch vil unterschidliche Ständ und Professionen der Menschen / welche in accidentalibus oder beyfälligen Dingen gar unterschidlich beschaffen seynd / Fromme und Gottlose / Edle und Unedle / Reiche und Arme /Geistlich- und Weltliche / deren eine zu disem / andere zu einem anderen Ambt / Dienst oder Verrichtung besser taugen / der eine taugt für ein Obrigkeit / der andere für ein Unterthanen / diser für ein Lehrmeister / jener für ein Lehrjünger / einer für ein Officier / ein anderer für ein gemeinen Soldaten / für ein Kauffmann / für ein Baursmann.

[594] Non omnia possumus omnes, nit ein jeder alles kan. Und gleichwie die Zierd und Nutzbarkeit eines grossen Gartens mehrentheils in der Menge / Unterschid / und Fruchtbarkeit der Bäumen besteht / also bestehet die Schönheit und Wohlfahrt eines Lands oder Reichs in der Menge unterschidlicher Ständen oder Conditionen der Menschen / welche alle ihre besondere Obligenheit und Verrichtungen haben.

Für das andere wird bey den Bäumen beobachtet /daß gemeiniglich die gröste ansehnlichste und stärckste Bäum die kleineste oder schlechtiste Früchten tragen / und hingegen die kleinste / nidere und schwache Bäumlein haben offt die schönste / gröst- und beste Früchten. 52 Als zum Exempel: was für ein großmächtiger / starck- und ansehnlicher Baum ist nit der Eich-Baum / der Nuß-Baum / Thannen-Baum / Linden-Baum etc. und dannoch tragen dise nichts als schlechte Eichelen für die Schwein / truckne Nuß /liederliche Tanzapfen / oder gar nichts als leeres Laub. Hingegen kommt man in einen Fürstlichen Lust-Garten / da wird man sehen wie offt kleine /schwach- und nidere Bäumlein die beste und gröste Aepfel und Birn haben / oder wie die kleine welsche Bäumlein / die nur in höltzernen Geschirrlein stehen /die schönste und edliste Citronen / Limonien und Pommerantzen tragen.

Eben also geht es zum öffteren in dem sittlichen Weesen unter den Menschen zu. Zum öfftern sage ich / geschicht es / daß auch / da die gröste / schönste und stärckiste Bäum / ich will sagen / die ansehnlichste und fürnehmste Persohnen / die in grossen Würden und Ansehen stehen / die einen grossen Gewalt und Reichthum haben / und mit stattlichen Talenten oder Gaben der Natur gezieret seynd / dannoch wenig kleine und schlechte Früchten tragen / das ist / wenig nahmhaffte Thaten verrichten / wenig verdienstliche oder tugendliche Werck üben: und mit einem Wort /wenig gutes thun. Hingegen geschiht es auch nit selten / daß kleine schwache Bäumlein / das ist / geringe / schlecht- und einfältigste Menschen die schönste gröste Früchten / ich verstehe die herrlichiste Tugend-Werck herfürbringen / vil Gutes würcken / und in dem sittlichen Garten der Catholischen Kirchen den grösten Nutzen schaffen / und ihm die beste Zier geben.

Es befindet sich ferners zum dritten auch noch diser Unterschid zwischen den Bäumen / daß die eine hoch-und truckne Ort / andere hingegen mosächtig- und sumpfige zu ihrem Wachsthum lieben und erforderen: eine haben es gern wann man sie stutzet und beschneidet / sie wachsen desto besser als wie die Widen / andere hingegen wann man sie stutzt / wachsen sie nimmermehr / als wie die Thannen / wiederum die grünen Sommer und Winter / jene verliehren das Laub und verdorren im Winter. 53 Aber in disem kommen sie übereins / daß sie endlich alle darauf gehen / früher oder später werden sie umgehauen /von dem Wind umgerissen / oder verfaulen von sich selber / verderben und fallen umb / kein eintziger bleibt über: unter so vil 1000. und 1000. Bäumen seynd kaum etliche Eichen die 1. oder 2. hundert Jahr lang stehen bleiben / hernach gehen sie auch darauf. Eben also seynd auch die sittliche Bäum / die Menschen / gar ungleich beschaffen: einigen ist die Höhe anständig / das ist / hohe Ehren-Stellen und Aembter /dann sie seynd darzu von GOtt verordnet / anderen andere Dienst und Verrichtungen / weil sie keine so grosse Kräfften haben. Die müssen ein fette Erden haben / auf daß sie gut thun / und Frucht bringen. Sie lassen sich nit gern stutzen / das ist / man muß ihnen nichts lassen abgehen / sie trösten und wohlhalten /oder glimpfig tractiren / sonst würden sie kleinmüthig / ungedultig und verzagt: jene hingegen / welche besser [595] in der Tugend gegründet seynd / lieben die Rauhe und Strengheit der Buß und Abtödtung / sie mögen es wohl leiden / daß man sie stutze / mortificire / der Uberfluß oder das Wohlleben wäre ihnen schädlich /sie wurden hochmüthig oder muthwillig darbey. Wiederum grünen und floriren die eine Sommer und Winter / das ist / sie üben die Tugend und gute Werck in Wohlfahrt und Trübsal / in Freud und Leid: die andere aber wollen GOtt dienen / nur so lang es ihnen nach Wunsch und Willen gehet / im Creutz und Leiden aber verdorren sie / und stehen ab.

Aber in disem kommen alle über eins fruchtbare und unfruchtbare Bäum / gute und böse Menschen /daß sie endlich nothwendig umgehauen / oder von dem Todt umgefölt werden / und früher oder später in das Grab geworffen.

Der Adam / Henoch / Mathusola und Noe / seynd sehr alte Bäum worden / sie seynd etlich 100. Jahr lang in der Welt / in dem Leben gestanden / aber endlich hat es auch geheissen: Mortuus est, der Tod hat den Baum umgehauen / er ist gestorben.

Es ist ein Gedicht der Poeten / daß die Götter einstens in einem Rath zusammen kommen seyen / und ein jeder ihm für sein Sinnbild und Wappen-Schild einen Baum auserwählt habe / aber lauter unfruchtbare Bäum haben sie erwählt. 54 Der eine zwar den Thannen-Baum / der andere den Linden-Baum / der dritte den Eich-Baum etc. Dises wolte der nasenwitzigen Göttin Minervæ nit gefallen / sie beschnarchte die Götter / sie haben unrecht gethan / daß sie ihnen nit vilmehr fruchtbare Bäum auserküsen hätten: aber die Götter verantworteten sich weißlich / mit vermelden /sie haben es wohl bedacht / und mit Fleiß gethan /theils ihr Macht zu zeigen / Krafft deren sie auch schlechte und unnütze Ding zu Ehren setzen / und wohl zu appliciren vermögen / und gar leicht aus unfruchtbaren Bäumen fruchtbare machen können: theils damit die Bäum nit Ursach hätten zu stoltzieren oder sich zu übernehmen / in Ansehung / daß sie zu hohen Ehren erhoben worden / gantz nit aus eignen Verdiensten / sondern pur aus Gnaden der Götter. Es werde ja / sagten sie weiters / auch gemeiniglich von den Menschen / von den Bau-Leuthen und Künstlern das Holtz der gemeinen und unfruchtbaren Bäumen der Eichen / Thannen / und Linden / und nit der fürnehmen fruchtbaren Bäumen erkisen / die Tempel-Häuser und Schlösser / Schiff und Brucken darvon zu erbauen / schöne Saulen / Statuen oder Bildnussen daraus zu machen / und eben dardurch thun sie ihre Kunst und Geschicklichkeit besser an Tag legen / indem sie etwas rechts aus etwas schlechts zu machen vermögen. Auf disen Beweißthum müßte Minerva stillschweigen / und bekennen / daß sie die Götter unbillich getadlet habe.

Dises ist zwar nur ein Gedicht der Poeten / aber ein Christliche Wahrheit ist es / was der Apostel Paulus geschriben hat: Infirma mundi & ignobilia elegit DEus, ut confundat fortiora. 55 Was schwach und unansehnlich ist vor der Welt hat GOtt erwählt / was starck und hoch angesehen dardurch zu schanden zu machen. Dann facile est in oculis Dei subitò honestare pauperem. 56 Es ist dem HErrn gar leicht den Armen schnell reich zu machen. Er ist ein solcher allmächtiger Künstler / der auch mit dem schlechtisten Werckzeug die herrlichiste Kunst-Stuck verfertigen kan.

Dises hat er unter tausend anderen Gelegenheiten klärlich erwisen / als er einen Matthäum / Paulum und Zachäum / als zuvor gantz unfruchtbare Bäum erkisen hat / selbe zu seinem Kirchen-Bau applicirt / und schöne feste Kirchen-Säulen daraus gemacht hat. Ja die gantze Catholische Kirch zu erbauen / hat Christus der himmlische Bau-Meister [596] das Holtz nit hergenommen von ansehnlichen fürnehmen / sonderen von gemeinen und schlechten Bäumen: ich will sagen / er hat zu Hirten und Vorsteher seiner Glaubigen keine Weltweise oder mächtige Herren / sondern schlechte und einfältige Fischer erwählt / auf solche Weiß seine Allmacht zu erzeigen / und die von so niedrigem Stand erhöcht und erwählte von allem Ubermuth zu bewahren.

Der 5. Absatz
Der 5. Absatz.
Von dem Dornbusch.

Es scheinet zwar der Dornbusch ein schlecht- und verächtliches Ding zu seyn / aber nein / es ist deme nit also / massen die Heil. Schrifft selbst seiner gedenckt / und etwas denckwürdiges von ihm erzehlt /dann in dem Buch der Richtern am 9. Cap. wird folgender Apologus und lehrreiches Gedicht gelesen. 57 Die Bäum kamen einstens zusammen / Willens einen König aus ihnen zu erwählen / der hinführo über sie herrschen solle; sie haben auch das Regiment oder die Königliche Würde unterschidlichen fruchtbaren Bäumen angetragen / nemlich dem Oel-Baum / dem Feigen-Baum / und dem Weinstock. Aber keiner aus disen wolte es annehmen / sie haben es ausgeschlagen / und sich entschuldiget / mit vermelden / es falle ihnen schwehr / und können sich nicht entschliessen ihre feiste und süsse Früchten zu verlassen / denselben nimmer abzuwarten / und die Sorg über andere Bäum auf sich zu nehmen.

Man müßte also weiter gehen / und gleichwohl einem unfruchtbaren Gewächs das Regiment antragen / und zwar auf den Dornbusch ist es ankommen. Dixerunt omnia ligna ad Rhamnum veni & impera super nos. Alle Bäum sprachen zu dem Dornbusch /komme du und sey König über uns. Dem Dornbusch ware es gantz recht. er nahm solche Ehr und Würde bereitwillig an / so bald er sich zu einem König erhoben sahe / da hat es alsobald geheissen / honores mutant mores, neue Ehren / neue Sitten / der vor betten laßt sich bitten / er henckte den Kopf wohl nit mehr auf den Boden als wie zuvor / er thät sich wohl nit mehr schmucken und ducken als wie zuvor / sonderen er hat sich gewaltig gespreitzt / und ein großmächtigeGrandez gespihlet. Ja er hat alsobald ein gar scharpfen Befelch ergehen lassen / mit schwehrer Betrohung der Todts-Straff / wofern man selben nit vollziehen werde. 58 Si verè me Regem vobis constituistis, venite & sub umbra meâ requiescite, si autem non vultis, egrediatur ignis de rhamo, & devoret cedros libani. 59 Wann ihr mich wahrhafftig für einen König haben wollet / sagt der Dornbusch zu den Bäumen /so kommt alle her / und ruhet unter meinem Schatten /und wann ihr es nit thut / so solle das Feur von mir ausgehen / und auch so gar die Ceder-Bäum verzehren. O du dollsinniger Schatten-König! was bildest dir ein / und wo gedenckst du hin / der du kaum zuvor hast müssen froh seyn / daß man dich in einem etlich Spannen breiten Plätzlein hat lassen auf der Erden umkriechen / wilst jetzund schon haben / daß die grosse Eichen / die hohe Thannen / die breite Linden / ja auch die gewaltige Ceder-Bäum selber sich alle unter deinen Schatten sollen zusammen ducken / schmucken: also geht es / wann ein Bettler gähling zu einem Herrn wird. O! was habt ihr gethan ihr unbehutsame Bäum / daß ihr disen mageren / gestumpeten / buckleten / kretzigen Kerl zu einem König erwählt habt? was hat euch doch dahin bewogen und betrogen? villeicht habt ihr etliche schöne weisse oder gelbe Rößlein unter den Dörnern sehen herfür blicken / die euch also angelacht und wohl gefallen haben? Es geschicht nemlich zu Zeiten / daß ein unbesunnene und unglückliche Wahl eines [597] Regenten oder einer Obrigkeit so übel ausschlaget / daß indeme man ein gelinden und gelümpfigen Oel-Baum / ein süssen Feigen-Baum / oder bescheidenen Weinstuck zu bekommen verhofft hat / da bekommt man zu allgemeinem Leidweesen ein rauhen / spitzigen / stechenden Dornbusch / der immerdar mit vil Spieß und Stangen / ja auch mit Feur und Flammen throet und bewaffnet ist.

Ich kan eben von dem Dornbusch nit vil Gutes sagen / es ist gar heicklich und gefährlich mit ihm umzugehen / es kommt niemand unbeschädiget darvon: rührt man ihn mit Händen an / so sticht er ein /tritt man mit dem Fuß auf ihn / so verletzt er ein. 60 Es heisset halt bey ihm allzeit / noli me tangere: Auch die arme Schäfflein auf der Weid / wann sie sich ihme nähern / müssen sie ihm schon einen Zoll geben / und etliche Büschel Woll von der Woll dahinden lassen / und wann der Hirt nur an ihm anstreifft /so hebt er ihn beym Rock / und reißt ein Loch darein; ja / je grösser und älter er wird / je schärpfer und härter werden auch seine Stachlen. Es hat der Dornbusch ein feurige Natur / dann wegen seiner grossen Dürre und Hitz werden zu Zeiten die Blätter und Zweig / so von ihm abfallen / von den Sonnen-Strahlen angezündt in heissen Ländern / und dardurch auch die nächst gelegene Bäum verbrennt. Dise böse Eigenschafften des Dornbusch stellen uns vor die böse Sitten eines ungerechten / betrügerischen und unbarmhertzigen Menschen / der je länger je mehr in der Boßheit zunimbt / und verhartet / also / daß niemand unbeschädiget / oder an Ehr und Gut unverletzt darvon kommt / wer immer mit ihm zu thun hat / und sich Geschäfft halber zu ihm näheren muß / der wird betrogen und überfortlet / oder sonst verführt.

Gleichwie auch der Dornbusch wegen der Menge seiner Zweigen niemahl grad auf wachset / oder sich in die Höhe aufricht / sondern gekrümt und verwicklet auf den Boden sich neiget; also ist der Gottlose wegen seinen unordentlichen Begirden und irrdischen Geschäfften also beschwert / verwicklet und verwirret /daß er sich durch eine gute Meynung nit aufrichten /noch sein Gemüth in die Höhe und zu GOtt erheben kan / sondern nur immer auf das Irrdische sihet / und gäntzlich darein vertiefft ist.

Insonderheit seynd die ungerechte reiche Geitzhälß mit der Dorn-Stauden zu vergleichen. 61 Dann neben dem / daß Christus selbsten im Evangelio die Reichthumen Dörner nennet / so kommen sie in disem übereins / daß gleichwie sich unter den Dornbüsch oder Stauden allerhand gifftige Thier versammlen und verbergen / also befinden und verbergen sich unter den Reichthumen und bey den Geitzhälsen allerhand Laster und Ungerechtigkeiten / böse Gesellen und schlimme Rathgeber.

Wiederum / gleichwie die Dörner nit nur an sich selber unfruchtbar seynd / sonder auch denen Gewächsen / so nach bey ihnen stehen / schädlich seynd / und um die Frucht bringen / verhinderen / sie nehmen ihnen die Krafft / und verstecken sie / lassens nit aufwachsen. Also die Ungerechte / Reiche und Geitzige thun nit nur für sich selber nichts guts / und geben niemand nichts / sonder sie verhinderen auch ihre Nachbaren / deren Güter sie an sich ziehen von vilem Guten / sie beneiden selbe / und wollens nicht lassen aufkommen. Man kan sich von den Dörneren schwerlich ledig machen / man bleibt an ihnen hangen und gefangen. Auch von dem reichen oder mächtigen / und von dem ungerechten Gut / thut man sich schwerlich loß machen / jene hanget man an / und dise thut man nit gern verlassen.

Ferners wann man die Dörner in offenen Händen daher tragt / stechen und Schaden sie nit / aber wann man sie verbergen will / und die Hand zutrucket / alsdann verwunden [598] sie übel / und treiben das Blut heraus. Eben also / wann man die Reichthumen mit offener oder freygebiger Hand tractirt / da schaden sie nit / wohl aber verletzen sie nit nur die Händ / sonder vilmehr das Hertz und Gewissen / wann man sie verbirgt oder vergrabt / und die Händ vor den Armen verschlossen haltet. Deßwegen hat der weise Salomon das starck- und kluge Weib gelobt / sprechend:Manum suam aperuit inopi, & palmas suas extendit ad pauperem: 62 Sie hat ausgebreitet ihre Händ zu den Armen / und gereicht ihre Händ dem Nothdürfftigen. Die Dörner hingegen seynd zu nichts nutz als zum verbrennen / man kan selbe weder zum bauen brauchen / noch etwas daraus schnitzlen: auch die Geitzige seynd niemand nutzlich / man kan nichts aus ihnen machen / und sie lassen ihre Güter niemand geniessen. Es kan aber auch durch die Dornstauden füglich die freywillige Buß und Abtödtung verstanden werden. Dann gleichwie die Dörner zwar schmertzlich stechen / aber eben darum gut und tauglich seynd die Obs- und Weingärten darmit zu umzäunen / und dadurch von den wilden Thieren / daß sie selbe nit beschädigen / auch von den Dieben / damit sie die Früchten nit weck stehlen / sicher zu halten. 63 Also thut die Buß und Abtödtung dem Fleisch oder der Sinnlichkeit zwar wehe / sie sticht und schmertzet /aber eben darum thut sie den Garten des menschlichen Hertzens / oder der Seel bewahren vor den wilden Thieren / das ist / vor der Sünd und Lastern / wie auch vor den Dieben / verstehe vor den höllischen Raubern / daß sie sich durch die Versuchungen da nit können eintringen / und die Früchten der Verdienst und guten Wercken hinweg rauben.

So lang der dornächtige Zaun gut starck und gantz ist / so lang ist der Garten und die Frucht darin sicher / aber wann er eingerissen / oder aufgehoben wird / da stehet alles preiß / es gehet alles darauf. Eben also /so lang sich der Mensch an die Buß / Mortification und Forcht GOttes haltet / so lang bewahrt er sich selbsten und seine geistliche Früchten / aber wann er von disen ablasset / da kommt er um all seine geistliche Güter und Früchten.

Ferners geben uns die Dörner zu verstehen die Mühe und Arbeit / die Trangsalen und Armseeligkeiten des menschlichen Lebens / welche immerdar uns stupfen und stechen / und schier nie kein Ruh lassen. 64 Dise seynd jene Dörner / von welchen GOtt bald nach Erschaffung der Welt zu dem Adam wegen begangener Erbsünd gesprochen hat: Terra spinas & tribulos germinavit tibi: 65 Dorn und Distel wird dir die Erden tragen. Die ärgste Dörner aber seynd die böse Begird und Anmuthungen / die Sünd und Laster die aus der bösen Erden unsers Fleisches und unserer Sinnlichkeit herfür wachsen / und die Seel oder das Gewissen jämmerlich stechen. O wohl ein armseelige Erden des menschlichen Leibs! sagt ein gewisser Ascet, sie bringt ja nichts herfür als Dörner des bösen Gewissens / Distel der Boßheit / Neßlen und Unkraut der Geilheit / der Hoffart / des Neid / des Geitzes / und des Zornmuths.

Aber dise schädliche Dörner uns auszuziehen / hat Christus selber wollen mit Dörnern gekrönt werden /der Erden den Fluch zu benehmen / durch welchen sie Distel und Dörner zu tragen / ist verurtheilt worden: und wie Theophylactus anmercket / so hat der böse Feind keine andere und stärckere Waffen / die Menschen zu bestreitten / als eben die Dörner / die Sünden. Aber dise Waffen hat ihm unser Heyland und Erlöser benommen oder gehemmet / als er mit Dörnern ist gecrönt worden: aber die Dörner unserer Sünden schmertzen ihn vilmehr als diejenige / welche ihme des Pilati Kriegs-Knecht haben aufgesetzt; dann jene durchstachen [599] stachen zwar sein heiliges Haupt / dise durchtringen gar sein göttliche Seel. Beynebens ist nit ausser acht zu lassen / was da der heilige Bernardus anmercket: nemlichen / daß nichts unbillicheres seyn könne / und nichts ungereimters als daß das Haupt /nemlich Christus / mit Dörner und Schmertzen / die Glieder aber / das ist / die Catholische Christen mit Rosen oder Wollüsten gecrönet seyen.

Der 6. Absatz
Der 6. Absatz.
Von dem Epheu oder Wind-Kraut.

Das Epheu ist ein Gewächs / welches dise Art an sich hat / daß es niemahl für sich selbst alleinig aufwachsend gesehen wird / sondern an den Mauren oder Bäumen sich anhencket (deßwegen es auch hædera genennt wird / nemlich ab hærendo) selbe umbfanget /und an ihnen in die Höhe hinauf steigt / ohne welche Hülff und Stitzen es nur auf dem Boden herum kriechen müßte. 66 Seine Blätter fallen nit leicht ab / und bleiben im Winter grün als wie im Sommer: sie haben ein zimlich starcken Geruch / und ein Bitterkeit an sich. Sonsten solle das Epheu wegen seiner kalten Natur der Trunckenheit widerstehen / auch schreibtGallenus, daß / wann man sie im Wein siede heilen /allerley Geschwähr / und so mans frisch und fleißig auf die Fontanellen legt / so ziehen sie böse Feuchtigkeiten heraus / und lassen kein anderen Unrath dar zuschlagen. 2. Mach. c. 6.

Das Epheu ist vor Zeiten hoch geachtet worden /und seynd die Poeten solenniter darmit gecrönt worden / und dises darumen / weilen ihre Gedancken Vers und Carmina allzeit schön grünend / und annemlich die Menschen erlustigen. 67 Auch wann die alte Heydenschafft dem erdichteten Gott Bacho ihreBachanalia, oder Faßnacht-Fest hielten / pflegten sie Kräntz von Epheu zutragen. Gleichfalls hat ein Heydnischer König / wie in heiliger Schrifft zu lesen ist /die Juden / so unter seiner Bottmäßigkeit waren / gezwungen / zu gewisser Zeit Kräntz von Epheu / zu Ehren dises Abgotts zu tragen / weilen dises Gewächs ihme absonderlich gewidmet ware. Endlich hat auch der König Alexander, als er über Indien obgesiget /seine Soldaten / die sich im Streit tapfer gehalten / mit Epheu gecrönt / dardurch anzudeuten / daß gleichwie es im Winter und mitten in dem Schnee / so wohl als bey annemlicher Sommers-Zeit grünend / und beständig anhanget deme / was es einmahl ergriffen hat /also seyen sie ihme in allen Gefahren und Mühseeligkeiten beständig angehangen / und getreu verbliben.

Es ist zwar heutiges Tags das Epheu nit mehr so hoch geachtet / daß man Kräntz daraus mache / und selbes auf das Haupt setze / sonder man laßt es gleichwohl an den alten Mauren / oder ungebutzten wilden Bäumen ankleben / (dann an den fruchtbaren leidet mans nit / es benehme ihnen die Krafft) doch muß man ihme die Ehr und das Lob geben / daß es ein Symbolum oder Anzeigen seye der beständigen Treu eines guten Christen: dann gleichwie kein Winter so kalt und rauh / auch kein Sommer so hitzig /dürr und trucken ist / daß er dises Gewächs seiner immer-grünenden Blätter beraube. 68 Also ist auch kein Trübsal und Trostlosigkeit so kalt und / grimmig / noch ein Verfolgung und Schmertzen so häfftig und hitzig / daß sie einem guten Christen seine Treu und Beständigkeit gegen GOTT berauben möge. Ein recht guter Christ grünet und florieret allzeit an der Hoffnung / an Verdienst und guten Wercken / so wohl im Winter der Trübsal und Widerwärtigkeit / als im Sommer der Wohlfahrt und Vergnügenheit: wie der Prophet [600] von dem Gerechten / der auf GOtt vetrauet bezeuget / sprechend: Obschon ein Hitz kommet /wird er sich nit fürchten / sondern seine Blätter werden grün bleiben / er wird auch in den trucknen Jahren nit sorgfältig seyn / und nit aufhören Frucht zu bringen. 69 Und gleichwie das Epheu den Baum / so es einmahl ergriffen hat / nit mehr verlasset: also ein guter Christ / der mit den Armben der Hoffnung und des Vertrauens GOTT einmahl recht umbfangen hat / der laßt sich auf keine Weiß mehr von ihme abwendig machen. Die Epheu-Blätter fallen nit ab / sie bleiben Sommer und Winter stehen: also sollen auch die Wort / das ist / die Versprechungen und gute Vorsätz eines guten Christen nit abfallen oder nachlassen / sondern fleissig erfüllet werden.

Hingegen wann das Epheu von dem Baum / an welchem es aufgewachsen ist / ahgerissen wird / da kan es sich nicht mehr aufrichten / oder aufrecht halten / sondern es ligt gantz krafftloß zu Boden. Also auch / wann die Seel von dem Baum / welcher Christus ist / durch eine grosse Untreu oder schwere Sünd sich selbsten abreisset / da sallt sie alsobald zu Boden / und steiget mit ihren Begirden und Anmuthungen nit mehr über sich. 70 Dann der Mensch ist aus eignen Kräfften vil zu schwach und unvermögend zu allem Guten. Welches Christus zu verstehen gibt mit den Worten in dem Evangelio: Si quis in me non manserit, mittetur foras, & arescet etc. Wer nit in mir bleibt / der wird hinweg geworffen und verdorren. Welches David wohl erkennt hat / darum er gesprochen: Mihi adhærere Deo bonum est, 71 es mir gut daß ich GOtt anhange. Es hat es auch unter vil anderen gar wohl erkennt der H. Apostel Paulus /deßwegen er so festiglich entschlossen war, sich auf kein erdenckliche Weiß von Christo absönderen zu lassen / weder Angst noch Trübsal / weder Hunger noch Blösse / weder Gefahr / Schwerd und Verfolgung / weder Leben noch Todt / sagt er / soll es vermögen. 72

Wann man wissen will / ob ein Wein mit Wasser gemischet seye oder nit / da soll man ein Geschirrlein aus Epheu-Holtz gemacht / nehmen / und ein Wein darein giessen / unter welchem ein Wasser ist / alsdann wie Plinius vom Epheu schreibet / wird der Wein durchdringen / und ausrinnen / das Wasser aber allein im Geschirrlein bleiben / dann das Epheu-Holtz solle keinen Wein in sich behalten. Dise Wahrheit laß ich bey der Zeugnuß Plinii geruhen / und auf die Prob ankommen. Indessen ist es gewiß / daß es so gottseelige Christen abgebe / welche aus Liebe GOttes gleich dem Epheu / kein Tröpfflein Wein der eitlen Freuden und Wollüsten / wohl aber das Wasser der Trübsal bey sich / und in ihrem Hertzen behalten / obwohlen es der Sinnlichkeit übelgeschmecket. Ein solcher ist unter anderen absonderlich gewesen mein H. VatterBenedictus, welcher nach Zeugnuß Gregorii M. sein Hertz von Jugend auf niemahl einigem Wollust ergeben hat / und wie die Catholische Kirch in den Tagzeiten von ihm singt / lieber hat wollen von der Welt verachtet und verlassen / als geehrt und angesehen werden / lieber für GOtt durch Müh und Arbeit abgemattet / als durch zeitliche Gunst und Wohlfart erhöhet werden.

Ubrigens können auch in sensu politico, die Schmeichler und Augen-Diener / die Favoriten oder Günstling grosser Herrn mit dem Epheu verglichen werden; dann dise / weil sie wohl wissen / das sie aus eignen Kräfften zu schwach / nit über sich kommen möchten / und zu keinen Ehren Stellen und Reichthumen gelangen / da machen sie mit Schmeichlen /Ohrenblasen und Complementiren bey fürnehmen und regirenden Herren sich wohl daran / dise nehmen sie ein / umgebē und begleiten sie überall [601] / und halten sich fest daran / als wie das Epheu an einem grossen starcken Baum: mithin wachsen sie auf / und kommen nach und nach über sich / offt schier so hoch als der Baum / das ist / ihre Herren und Gönner selbsten /welcher von seinen politischen Epheu / das ist / seinen schmeichlenden Hof-Katzen gäntzlich umgeben /gleichsam gefäßlet und gefangen ist / er kan sich von ihnen nit mehr loß machen. 73 Und gleichwie das Epheu die Bäumlein zimlicher massen aussauget /und ihnen die Krafft benimmt / daß sie nit wohl fruchten können. Also thun die Schmeichler / Augen-Diener / und Hof-Katzen aussaugen / oder das Geld ihnen abschwätzen. Aber wann der Baum veraltet / faulet /zu Boden fallt / oder umgehauen wird / da fallt nothwendig auch das Epheu / das ihm angehanget ist / zu Boden / und bleibt auf der Erden ligen. Eben also /wann ein vornehmer Herr durch einen Unglücks-Fall ins Abnehmen gerathet / oder von dem Todt in das Grab gefällt wird / da müssen nothwendig auch alle seine Adhærenten / Favoriten / oder Gunstling mit ihme fallen und zu Boden ligen: Dann accidens sequitur suum principale, sagen die Philosophi, wann das haubt Weesen selbst nit mehr bestehen kan / so können auch die beyfällige Ding nit mehr bestehen. Deßwegen rathet uns weißlich der Königliche Prophet David: Nolite confidere in Principibus, in filiis hominum, in quibus non est salus. Verlasset euch nit auf Fürsten und grosse Herren / oder auf enige Menschen / bey welchen allen kein sichere und beständige Hülff zu hoffen ist.

Wann ein Baum oder Gemäur dick mit Epheu umgeben ist / da nisten gern die Schlangen oder andere gifftige Thier darbey ein / und haben da ihren Aufenthalt: auf gleichen Schlag / wann ein vornehmer Herr mit vil Schmeichlern / Hof-Katzen / und Augen-Dienern umgeben ist / da befinden sich gemeiniglich auch einige politische Schlangen darunter / welche theils mit ihren liebkosenden / theils mit übel- nach- redend-und ehrabschneidenden Zungen / so wohl ihre Herren und Patronen selbst / als ihren Neben-Menschen / der ihnen im Weeg umgeht / beschädigen und vergifften.

Fußnoten

1 Der Apfel-Baum.

2 Vilfältiger Unterschied der Aepflen.

3 Von dem Apfel kommt vil Ubel.

Geschichten.

4 Des Liegens groß- und vilfältiger Schaden.

5 Prov. c. 12. v. 22. c. 9. v. 5.

6 Fornerus in verba dilexisti verit.

7 Sonderbare Liebhaber der Wahrheit.

8 Der Birn-Baum.

9 Der Uberfluß ist schädlich.

10 Der Birn seynd mancherley.

11 Seltsamer Birn-Baum.

12 Wie der Nuß-Baum beschaffen seye.

13 Träge und widerspännige Leuth gleichen einem Nuß-Baum.

14 Die Buß ist in harte Nuß.

15 Unterschiedliche Obs- oder Baum-Früchten.

16 Die Pfersich lib. 10. c. 13.

17 Die Marillen.

18 Die Pflaumen.

19 Die Kirschen.

20 Unterschidliche Tugenden werden durch unterschidliche Früchten beditten.

21 Ephes. c. 4. v. 11.

22 Chor. c. 12. v. 29.

23 Die Tugend besteht in dem Mittel.

24 Lib. 1. Eth.

Fernere Gleichnuß zwischen der Tugend und denen Baum-Früchten.

25 In quodam ser.

26 ad Gal. c. 6.

27 Die Stärcke und Dicke des Eichbaums.

28 Gewalt mit Gewalt vertreiben ob es rathsam seye.

29 Luc. c. 14. v. 31.

30 Der Eich-Baum will nit nachgeben.

31 Thannen und andere Bäum.

32 Der Linden-Baum.

33 Die Jugend ist gleich einem Linden-Holtz.

34 Der Buch-Baum.

35 Der Bircken-Baum.

36 Der Bux-Baum.

37 Der Gerechte mit dem Bux-Baum verglichen.

38 Der Eschen-Baum.

39 Lib. 16. c. 14.

40 Das Creutz Christi mit dem Eschen-Baum verglichen.

41 Der Ulmen-Baum.

42 Ein Prediger solle gleich seyn dem Ulmen-Baum.

43 Der Lerchen-Baum.

44 Der Aspen- oder Papel-Baum.

45 Der Sünder ist gleich dem Aspen- oder Papel-Baum.

46 Uble Beschaffenheit des bösen Gewissens

47 Job. c. 15. v. 21.

Sap. c. 15. v. 10.

48 Der Eiben-Baum.

49 Die betrügliche Welt wird durch den Eiben-Baum beditten.

50 1. Janu. c. 2.

51 Vilfältigkeit der Bäumen deutet an den Unterschid der Menschen.

52 Grosse Bäum kleine Früchten / kleine Bäum grosse Früchten.

53 Fernere Gleichnuß zwischen den Bäumen und Menschen.

54 Gedicht. Unfruchtbare Bäum werden fruchtbar gemacht.

55 GOtt erwählt und erhöht was schwach und nidrig ist.

56 1. Cor. c. 1.

Eccl. c. 11. v. 3.

57 Der Dornbusch wird zum König der Bäumen erwählt.

58 Böse Regenten so den Gewalt mißbrauchen.

59 Jud. c. 9. v. 15.

60 Böse Eigenschafften des Dornbusches auf böse Sitten ausgedeutet.

61 Ungerechte Geitzhälß und Reichthumen seynd den Dörnern gleich.

62 Prov. c. 31. v. 20.

63 Buß und Abtödtung wird durch den Dornbusch beditten.

64 Trangsal und Armseeligkeiten seynd durch die Dörner zu verstehen.

65 Genes. c. 8. v. 18.

66 Des Epheus Beschaffenheit.

67 Das Epheu war vor Zeiten hoch geacht.

68 Treu und Beständigkeit eines guten Christen mit dem Epheu verglichen.

69 Jer. c. 17. v. 7.

70 Jo. c. 15. v. 6.

71 Psal. 27. v. 28.

72 Rom. c. 8. v. 35.

73 Die Schmeichler und Augen-Diener gleichen dem Epheu.

IV. Von den Erd-Früchten und anderen Gewächsen
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von den Fruchtbarkeit der Erden insgemein.

Von den Bäumen komme ich auf die Erd-Früchten und mancherley Gewächs / deren so vil unterschidliche unser allgemeine und Freygebige Mutter die Erden uns so reichlich herfür bringt / daß sie nit wohl alle können benambset / ich will geschweigen / beschriben werden. 1 Deren nur etlicher zu gedencken /ist erstlich zu wissen / daß in dem einen Land dise /und in einem anderen Land andere Früchten bekannt und befindlich seyen.


– – Non omnis fert omnia tellus.

Nit jede Erd bringt alle Früchten.
Nach dem Land muß man sich richten.

Die Fruchtbarkeit der Erden aber insgemein /kommt her (gleichwie all andere Ding) von der allmächtigen und Seegen-reichen Hand GOttes / mit welcher er gleich nach [602] ihrer Erschaffung sie geseegnet hat / sprechend: Germinet terra herbam virentem & facientem semen, & lignum Pomiferum faciens fructum juxta genus suum, cujus semen in se ipso sit super terram. 2 Es lasse die Erde aufgehen grün Graß und Kraut / das sich besäme / und fruchtbare Bäum / da ein jeder nach seiner Art Frucht tragt / und hab sein eignen Saamen bey ihm selbst auf Erden.

Ein lange Zeit nemlich / von Erschaffung der Welt / biß zu dem allgemeinen Sündfluß hat die Erd den Menschen mit ihren Kräutern und Gewächsen alleinig verhalten / ohne daß man das Fleisch von einigem Thier zu essen pflegte. Dise Fruchtbarkeit wie ich lise / soll in gewissen Landschafften / benantlich in einerProvinz des Mohren-Lands so groß seyn / daß / man in einem Jahr zum öfftern die Felder anzusäen / und das zeitige Korn einzuschneiden pflege; also daß /wann man die erste Früchten des Jahrs geniesset /schon wiederum andere derselben Gattung schier zeitig seynd / und die dritte zu zeitigen anfangen. Eben vergleichen begibt sich anderstwo mit den Weinreben. Man findet auch einige Länder / in welchen man auf einem Acker etwan ein groß- und hohen fruchtbaren Palmbaum stehen antrifft / unter demselben aber ein Oliven-Baum / unter disem ein Feigen-Baum / und noch unter dem Feigen-Baum einen Rebstock / unter dem Rebstock aber ein Khel oder Krautskopff / und erst unter disem Salat / Ruben / oder Rettich und Wurtzlen / also / daß man succesivè das Jahr hindurch von einem kleinen Plätzlein Erden Brod / Wein / Oel / Obs / Kräutelwerck und Wurtzlen haben kan /ohne das eins das andere hinderet / weder untenher an den Wurtzlen / weder oben bey dem Zweig und Aesten: eines macht dem anderen Schatten / ein jedes hat Feuchtigkeit genug von Erden / und Wärme oder Sonnenschein von dem Himmel.

An vilen Orten wachset das Getraid / wann man nur den Saamen auswirfft / für sich selbsten häuffig /ohne Ackern oder andere dergleichen Arbeit. Wiederum in Italien / sonderbar in dem Neapolitanischen Königreich wachsen vil edle Früchten und Kräuter (die man in Teutschland kaum mit grosser Müh und Fleiß zuwegen bringt) gar häuffig ohne Zuthuung einer menschlichen Hand / oder Arbeit. Ja man weißt auch in unserem Vatterland / daß zu Zeiten das Korn und der Wein so häuffig wachset / daß mans kaum oder gar nit in den gewöhnlichen Scheuren oder Kellern aufbehalten kan.

Aber eben dise Freygebigkeit und Fruchtbarkeit der Erden gegen uns Menschen / wird manchen Christen zu schanden machen / daß er gegen GOtt so gesparsam und unfruchtbar ist / in Herfürbringung geistlicher Früchten / auch nachdem der Acker seines Hertzens von der göttlichen Gnaden-Sonnen so manchesmahl ist bestrahler worden / und mit häuffigem Thau oder Regen himmlischer Gaben angefeuchtet. Ein eintziges Saamen-Körnlein / wann es in ein gute Erden fallt / bringt nach Zeugnuß Christi in dem Evangelio / hundertfältige Frucht / da hingegen zu Zeiten wohl hundert gute Zusprüch und Eingebungen vonnöthen seynd / biß daß der Mensch nur ein eintziges gutes Werck verrichtet.

Die geistliche Früchten aber / welche das menschliche Hertz als ein gute Erden soll herfür bringen / erzehlet der Apostel Paulus folgende. 3 Fructus spiritus sunt gaudiũ, Pax, Charitas, Patientia, Bonitas, Longanimitas, Magnanimitas, Mansuetudo, Fides, Modestia, Continentia, Castitas. 4 Die Liebe / Freud /Fried / Gedult / Mildigkeit / Gütigkeit / Langmüthigkeit / Sanfftmüthigkeit / Glaub / Mäßigkeit / Abbruch und Keuschheit. O wohl edle / herrlich und schöne Früchten! dise Früchten erfreuen GOtt / uns selber /und den Neben-Menschen / sie stärcken und erquicken [603] Leib und Seel. Die Erd-Früchten haben unterschidliche Eigenschafften und Beschaffenheit / die eine seynd weiß / die andere roth / die eine lind / die andere hart / die eine süß / die andere saur. Auch die Früchten des Geists seynd unterschiedlich beschaffen: es ist die Weisse der Reinigkeit / und die Röthe der Liebe: die Linde der Mildthätigkeit / und Härte der Gerechtigkeit: die Süsse der Andacht / und die Säure der Buß und Abtödtung. Wann nun der Mensch dise Früchten zu ihrer Zeitigung / das ist / dise Tugenden zu ihrer Volkommenheit bringt / so werden sie GOtt sehr angenehm seyn / und er wird von ihnen sagen:Fructus ejus dulcis gutturi meo. 5 Seine Frucht ist meiner Kehlen süß. Ein solche Seel aber kan mit Trost und mit Wahrheit von ihr selber sagen: Die Früchten so an mir hangen / seynd voller Ehr und Reichthum.

Der 2. Absatz
Anhang
Anhang zu dem Getraid von dem Brod.

Das Brod ist die gemeinste und gewöhnlichste Speiß uns aller Menschen / die sie auch am meisten nähret und stärcket / um welches wir GOTT täglich bitten (obwohlen durch das Brod auch andere leibliche Nothdurfften / als Kleidrr / Wohnung verstanden werden) es wird aber das Brod in unterschidlichen Ländern auf mancherley Weiß / und aus unterschidlichen Früchten præparirt oder zubereitet / deswegen es auch an sich selher sehr ungleich ist / das eine weiß /das andere schwartz / das eine ringleicht und wohl geschmack / das andere rauhschwer und ungeschmack /anderst ist das Herren-Brod / anderst das Bauren-Brod beschaffen. 17 Das beste und gesundeste ist /welches aus einem wohl-gearbeiteten Teig und Weitzen-Meel / das nit gar zu neu und nit gar zu alt ist /mit frischem Bronnen-Wasser / ein wenig Häfel oder Saurteig und Saltz gemengt / und von mäßiger Hitz des Feurs langsam / und durchein wohl gebachen ist. Wobey auch anzumercken / daß wann man 2. Laib Brod von gleicher Grösse und Materi gegen einander abwegt / deren der eine gesaltzen / der andere aber ungesaltzen ist / da wird man finden daß der ungesaltzene um ein merckliches schwerer seye / als der gesaltzene: und dises glaublich darumen / weilen das Saltz verursachet / daß die in dē Teig enthaltene Nässe ober Feuchtigkeiten mehrers evaporiren / odee ausgetrucknet werden / und folgends die Massa des Brods erringeret worden ist.

Der Brod-Mangel ist der gröste Mangel / schier alles kan man leichter manglen als das Brod / und dessentwegen hat GOtt öffters seinen getreuen Dienern / so wohl des alten als neuen Testaments / den Abgang des Brods (nit aber den Abgang unnöthig-und überflüßiger schlechter Bißlein) wunderthätiger Weiß ersetzt. 18 Dem Propheten Elias / und dem H. Einsioler Paulo / haben aus göttlicher Verordnung die Raaben täglich das Brod in die Einöde gebracht: mit etlich wenigen Brod hat Christus etlich tausend Menschen gespeiset und ersättiget. Einem Convent vollerReligiosē des Ordens des H. Dominici, als sie einstens aus freywilliger Armuth zur Tisch-Zeit gar nichts zu essen hatten / da ist ein Engel in sichtbarlicher Gestalt erschinen / und hat ihnen ein Korb voll des besten Schnee-weissen Brods ausgetheilt.

Ein andere gar merckwürdige Begebenheit / die sich mit dem Brod zugetragen hat / wird erzehlt in den Jahr-Geschichten des H. Capuciner-Ordens: Der gottseelige P. Archangelus von Palermo, hatte ein ungemeine Lieb und grosses Mitleiden gegen den Armen / also / daß er nit leicht einem etwas abschluge / wann es möglich ware ihm zu willfahren. Diser reisete einstens von Alcamo nacher Drepano, zur Zeit da ein grosse Hungers-Noth ware / und die nothwendige Lebens-Mittel schwerlich zu erbetten waren: deßwegen nahme der Gesell dises Patris etliche kleine Leiblein Brod mit sich / damit sie auf dem Weeg etwas zu essen hatten. Sie kamen aber nit weit / da begegneten ihnen zwey gar hungerige Bettler / die sie um ein Allmosen baten: [608] der P. befihlet dem Gesellen /denen Armen etwas zu geben / welches er auch / obwohlen sie noch weit zu reisen hatten / gethan / und ihnen zwey kleine Brod geben hat. Bald hernach kamen schon wieder zwey andere / eben so Hungerige und Armseelige / welche inständig um etwas zu essen baten: P. Archangelus aus grossem Mitleiden bewegt / wolte haben sein Gesell solle auch disen etwas geben / welcher zwar hart daran kame / doch hat er endlich auch disen zwey Leiblein mitgetheilt. Aber es hatte noch kein End: über ein halbe Stund beyläuffig begegneten ihnen noch zwey vor Hunger halb todte Bettler / welche um GOttes Willen um ein Stücklein Brod / das Leben zu erretten / schryen. Ey so gibe ihnen dann / sprach der Pater zu dem Bruder / in GOttes Nahmen / die übrige beyde Brod / GOTT wird uns hoffentlich schon Fürsehung thun / daß wir auf Drepan kommen. Ehrwürdiger Vatter / antwortet der Bruder / wann wir all unser Nothdurfft weggeben / so scheint es als wann wir GOtt versuchen thäten / doch auf Anhalten des Patris gibt er ihnen alles / was sie noch hatten: Sie setzten ihr Reiß fort biß Nachmittag /da sie dann auch so hungerig und matt wurden / daß sie die Füß schier nit mehr tragen wolten / ohne daß sie ein Bißlein hatten sich zu laben und zu stärcken /deßwegen auch der Bruder anfieng kleinmüthig zu werden: der Pater ermahnte ihn zur Gedult / und tröstete ihn mit der Hoffnung / daß sie GOtt nit verlassen / sondern bald beyspringen werde / als deme zu Lieb sie alles ausgegeben haben: und sihe! indem sie also miteinander reden / kamen etliche Herren daher /welche auf Alcamo reiseten / und als sie vernommen /daß dise zwey arme Geistliche vor Hunger schier unterligen / und nit mehr fort kommen kunten / so sprachen sie / eben recht kommen wir da zusammen /dann wir haben biß daher unser Mittag-Mahl einzunehmen verschoben / Zweiffels ohne hat es GOtt also verordnet. Sie setzten sich also zusammen / und weil dise Herren genugsame Speisen bey sich hatten / so haben sie dise zwey Religiosen mit Freuden zu gast gehalten / u. reichlich ersättiget: sie hingegen kunten GOtt und ihren Gutthätern nit genugsam dancken für so grosse freygebige und wunderbarliche Vorsehung. Ja was noch mehr ist / als sie voneinander scheideten / nahme einer aus disen Herren 6. schöne Semel-Brod / die er mitgeführt / gabe sie dem Bruder / selbe mit zunehmen / mit vermelden / daß sie auf dem Weeg sonst nichts mehr bekommen werden / gantz unwissend / daß sie eben auch selbst zuvor ihre sechs Bröd um Christi Willen zu Allmosen geben haben. Als sie aber dises von P. Archangelo vernommen / preiseten sie samentlich die so gütige Vorsichtigkeit GOttes /der disen zwey Geistlichen für 6. kleine und schlechte Brod 6. grössere und bessere so wunderbarlich hat zugeschickt / und ihr mitleydige Freygebigkeit gegen den Armen mit einem reichen Gastmahl vergolten hat. Annales Capuc. ad annum 1587.

Dises Brod hat grosse Freud und Trost verursachet. Aber ein gantz andere Würckung hat gehabt jenes Stücklein Brod / welches ein gewisser Heilliger /einem auf der Straß schlaffenden Bettler aus seinem Bettel-Sack genommen / und ihme in der Still auf sein Brust gelegt hat; dann so bald dises geschehen / hat der Bettler in dem Schlaff angefangen zu seufftzen /und erbärmlich wehzuklagen. Als er aber von dem Schlaff erwacht ist / und man ihn gefragt hat / was ihm doch gefehlt / und warum er also gejammert habe / gab er zur Antwort: es sey ihm nit anderst gewesen /als wann ein grosser schwerer Stein ihm auf dem Hertzen lage / und die Brust eintrucken wolte. Durch welches Wunder GOtt hat wollen zu verstehen geben / wie sehr es ihm mißfalle daß diser Bettler (welcher ein starcker / frisch- und gesunder Mann ware) sein Stuck Brod im Müßigang und mit bettlen suchte /[609] indem er doch wohl mit einer ehrlichen Arbeit sich hätte ernähren können und sollen.

Das Brod hat disem Bettler übel zugeschlagen / es hat ihn gewaltig getruckt und beschwert / weilen er es müßig gesammlet und geessen hat. 19 Nun aber seynd wir auch alle Bettler gegen GOtt gerechnet / den wir auch in dem H. Vatter Unser um das tägliche Brod bitten / deßwegen sollen wir uns hüten / daß wir es nit im Müßigang verzehren / sonst wird es uns auch im Gewissen trucken und schwer machen: dann das Urtheil GOttes / in sudore vultus tui vesceris pane tuo. 20 Im Schweiß deines Angesichts solt du dein Brod essen: ist nach begangener Erbsünd nit nur über den Adam / sondern über alle seine Nachkömmling ergangen / nit nur über die Arme / Bauren und gemeine Leuth / sondern auch über die Edle / Reiche /und Herrn / über die König und Fürsten. Ja eben dise / weil sie vilmehr von dem Brod-Essen / das ist / von den zeitlichen Gütern geniessen / als die Arme und Gemeine / so seynd sie schuldig auch mehr und fleißiger zu arbeiten / nit zwar mit der Hand / sondern mit dem Kopf oder mit dem Gemüth / ein jeder nach seiner Stands-Gebühr / und nach der Maaß / der von ihm verlihenen Kräfften und Talenten. Es heist da qui non laborat manducet. Der nit arbeitet soll auch nit essen / keiner ist hiervon ausgenommen.

So vil bißhero von dem leiblichen und sichtbarlichen Brod / was aber das geistlich oder sittliche Brod der Seelen anbelangt / so ist selbes vilfältig und unterschidlich. 21 Es ist erstlich panis doloris & lachrymarum, das Brod der Reu und Schmertzen über die begangene Sünden / von welchen der reumüthige David in den Psalmen Meldung thut: est ist das Brod des Worts GOttes / und der Cristlichen Lehr oder Unterweisung / von welchem Christus im Evangelio meldet / und sagt / daß der Mensch nit nur von dem Brod allein lebe / sondern von jedem Wort / welches von dem Mund GOttes ausgehet: Es ist ferners das Brod des Trosts und der Süßigkeit / so die Seel aus der Betrachtung himmlischer Dingen schöpfet.

Es ist endlich und absonderlich panis evcharisticus, das hochwürdige Sacrament des Altars / welches fürnemlich im sittlichen Verstand durch das natürliche Brod zu verstehen ist / dann gleich wie das natürliche Brod den Leib des Menschē beym Leben erhaltet / ernähret / sättiget u. stärcket im geistlichen Leben die Seel das sacramental. Brod / von welchē Christus im Evangelio bezeuget / er selbsten seye das lebendige Brod / oder das Brod des Lebens / so vom Himmel herab gestigen / allen Geschmack der Süßigkeit / und allen Wollust in sich haltet / und der es geniesse /werde ewiglich leben. Dises himmlische Englische Brod ist zur Speiß der Menschen worden / die es in sich verwandlete / vorbeditten durch jenes Brod / welches der Engel GOttes dem Propheten Eliä / als er vor der gottlosen Königin Jezabel geflohen ist / und unter einem Wachholderbaum geruhet / gebracht hat: von welchem er also ist gestärckt worden / daß er in Krafft derselben Speiß 40. Täg und 40. Nächt lang biß an den Berg Horeb hat wandlen können. Eben also wird der Mensch / wann er vor der gottlosen Welt fliehet /und auf dem Berg der Gebott GOttes zu dem himmlischen Berg Sion wandert / daß er auf dem Weeg diser mühsamen Wanderschafft nit unterlige: und deßwegen wird es auch Viaticum, oder ein Wegzehrung genennt.

Es bemühen sich zwar die eitle Welt-Menschen vilfältig mit dem Brod der zeitlichen Wollüsten / Ehren und Reichthumen zu ersättigen und zu ernähren / aber umsonst / es wird niemahl geschehen. 22 Dises Brod nähret und sättiget nit / ja es macht vilmehr hungerig und begierig / als daß es den Hunger oder die Begird stille. Man wird niemahl hören / daß ein recht ehrgeitziger oder geldgeitziger Mensch mit dem Geld oder Ehren zu friden / und ersättiget [610] seye / also daß er nit mehr zu haben / oder höher zu kommen begehre / sondern je mehr er hat / und höher er gestigen / je mehr will er haben / je höher will er steigen.

Die zeitliche Güter seynd gleich dem Brod eines schlaffend- und traumenden Menschen / von welchem der Prophet Isaias gesprochen hat: So inniat esuriens, & comedit, cum autem fuerit expergefactus, vacua est anima ejus. 23 Einem Hungerigen traumet es als wann er esse / er hat auch ein kleine Freud darob /aber wann er erwachet / da hat er ein leeren Magen /es hungeret ihn ärger als zuvor: er ist zwar ergötzet aber nit ersättiget worden. Eben also / die zeitliche Wollüsten / Ehren und Reichthumen ergötzen zwar den Menschen ein wenig / aber sie seynd nit fähig seine Begirden zu ersättigen oder zu erfüllen / sonder vilmehr dieselbe zu entzinden.

Ein gleiche Beschaffenheit hat es mit dem Brod der zeitlichen Wissenschafften. Der weltweise Socrates ware so begirig auf die Weißheit / daß er ihm einbildete / als hät er würcklich alle Weißheit in sich geschluckt: aber als er aufwachte / und seinen Irrwahn erkennte / sprach: O mich Elenden! es traumte mir /als wann ich alles wuste / da ich aber jetzt erwachet bin / weiß ich allein dises gewiß / daß ich nichts wisse.

Hingegen das geistliche Brod der Seelen ist ein Brod der Wachenden und der Lebendigen: es nähret wohl / und ersättiget vollkommen die Begird und Anmuthungen einer reinen und gottseeligen Seel. Aber gleichwie es ein schlimmes Zeichen ist / ein Anzeigen einer Kranckheit oder verderbten Magens / wann der Mensch kein Brod essen mag / und ein Eckel oder Grausen darob hat: also ist es auch ein böses Zeichen / und Andeutung einer schlimmen Constitution oder Beschaffenheit / wann ein Catholischer Christ kein Lust und Neigung hat zu dem geistlichē Brod der Seelen / das ist / zu dem Wort GOttes / und zu dem hochwürdigen Sacrament des Altars. Ubrigens ist es das allergröste und unvergleichliche Lob des Brods / daß Christus sich gewürdiget dise Materi vor allen anderen zu erkisen / daß sie vermittelst der priesterlichenConsecration in seinen heiligsten Leib solte verwandlet werden.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von etlich anderen Erd-Früchten oder Gewächsen.

Im Abgang und Ermanglung des Weitzens-Kerns pflegt man an unterschidlichen Orten für die gemeine und arme Leuth / auch aus anderen Erd-Früchten ein Brod zu bachen / oder aufs wenigst gewisse / dem rechten Brod etwas gleichende / und selbes ersetzende Kuchen oder Zelten zu machen. 24 Dergleichen Früchten seynd erstlich der Rocken / es ist der Haber / die Gersten / Reiß / auch Hirsch und Bonen / welche Früchten mehrentheils in unseren Landen genugsam bekandt seynd / und deßwegen kein weitere Beschreibung brauchen.

Gleichwie aber dise Früchten unterschidlich seynd /also ist auch das Brod / so daraus gemacht wird / unterschidlich / weisser oder schwärtzer / räuher oder zärter / geschmacker oder ungeschmacker / leichter oder härter zuverdauen. Anderst ist beschaffen (neben dem Weitzen-Brod von dem ich schon oben gemeld) das Rocken-Brod / anderst das Haber-Brod / und wiederum anderst das Gersten-Brod / doch ist endlich alles ein Brod / das sich gleichwohl essen lasset / den Hunger stillet / ersättiget und ernähret / obwohlen das eine disem / und jenes einem anderen besser anschlagt und gedäulicher ist / nachdem nemlich der Gustus und der Magen des Essenden beschaffen und gewohnt ist.

Ein solche Beschaffenheit hat es auch einiger massen mit der göttlichen H. Schrifft / und denen darin enthaltenen Stellen / Lehren und Wahrheiten / welche zwar gar unterschidlich beschaffen seynd. 25 Die eine ist klar / die ander dünckel / die eine leicht / die andere schwer zu verstehen / die eine glimpfig und tröstlich / die andere scharpf [611] und schröckbar: die eine lehrt oder unterweiset / die andere straffet / die dritte warnet und erwahnet / doch seynd es lauter unfehlbare Wahrheiten / die als ein sittliches Brod dem Menschen zur geistlichen Nahrung dienen / ihn bey dem Leben des Geists erhalten / wachsen machen oder stärcken / und so wohl den Verstand durch die Erkanntnuß der Wahrheit / als den Willen durch Erwählung des Guten ersättiget. Es geschicht aber dises nit auf gleiche / sondern unterschidliche Weiß: nit alle Stellen oder Wahrheiten der H. Schrifft taugen für alle / sondern es muß ein Unterschid gemacht / und grosse Bescheidenheit gebraucht werden. Man muß die unterschidliche Beschaffenheit der Menschen in obacht nehmen; dann ein anders Brod hat vonnöthen der Krancke / und ein anders der Gesunde: ich will sagen / ein andere Stell / Lehr oder Wahrheit der H. Schrifft tauget für den Sünder / und ein andere für den Gerechten / ein andere für den Frech- und Verwegenen /ein andere für den Trostloß- und Angsthafftigen. Was der eine Magen leichtlich verdäuen thät / das kan der andere gar nit verkochen: ich will sagen / was der eine Willen gern annimbt / zu dem kan sich der andere nit entschliessen. Mit einem Wort / was dem einen nutzlich ist / das kan dem andern schaden.

Aus disem erscheinet klar / wie so weißlich und billich die Catholische Kirch (wider den Irrwahn deren Lutheraner und anderer Irrglaubigen) gethan habe / daß sie denen Layen und Ungelehrten den Gebrauch oder das Lesen der heiligen Schrifft verbotten habe / weilen es nemlich gar leicht geschehen kunt /daß sie die Sach unrecht verstunden / übel auslegten /und folgends so wohl ihnen selbst / als anderen vil Schaden thäten.

Deßwegen / gleichwie ein gescheider und sorgfältiger Hauß-Vatter seinen Kindern und Dienstbotten das Brod vorschneidet / und nach Nothdurfft austheilt /dem einen mehr / dem anderen weniger / ein anderePortion einem arbeitsamen Mann / und ein andere einem schwachen Kind: (nit aber einem jeden den gantzen Leib vorlegt / und selbs zu nehmen / oder selben zu mißbrauchen gestattet). Also soll ein Predidiger oder Seelsorger das Brod der H. Schrifft seinen Zuhörern oder geistlichen Kinderen vorschneiden und austheilen / nach proportion ihrer Nothdurfft / Beschaffenheit und Fähigkeit. Sonsten wurd er eben das jenige thun / was ein Leib-Artzt thäte / wann er zweyen an einer gantz unterschidlichen Kranckheit ligendēPatienten einerley Medicin vorschreiben und eingeben thäte / welches ja freylich vilmehr schaden als nutzen wurde / wie es die leidige Erfahrnus bey den Irrglaubigen / auch jetziger Zeit nur gar zu klar und vilfältig erweiset.

Damit das Brod aufgehe / leicht / schön und geschmack werde / muß der Teig ein wenig mit Höffel oder Saurteig und Saltz vermischt werden / dann sonsten wurde es keine förmliche und ansehnliche Laib /sonder nur unansehnliche und ungeschmacke Zelten abgeben. Ich sage ein wenig / dann zuvil wäre ungesund / das Brod wurde saur / und dem Magen schädlich. Eben also mag die Vortragung des Wort GOttes / oder die aus der H. Schrifft gezogene Predig wohl mit dem Saurteig und Saltz der Philosophischen Weißheit / der natürlichen Wissenschafften und historischer Erudition ein wenig vermengt oder vermischt werden / auf daß die vorgetragene Lehr und Warheiten den Zuhörern desto angenehmer seyen / und willig angehört werden / aber nit zu vil / cum grano salis mit Behutsamkeit und Bescheidenheit muß es geschehen / damit das Wort GOttes oder die H. Schrifft nit durch eitle Concept profanirt oder mißbraucht und entunehrt werde.

Ein gutes gesund- und wohlgeschmackes Brod zu bachen ist kein geringe Kunst / oder aufs wenigst kein schlechter Vortheil / es braucht ein grossen Fleiß /Bemühung und Erfahrenheit / daß es wohl ausgearbeitet / [612] und recht zubereitet werde. Wann es aber wohl und recht gemacht ist / da ist es würdig / daß es auch auf vornehmer Herren Taflen gesetzt werde / ja es ist die beste und gesündiste Speiß. Nit weniger Behutsamkeit / Fleiß und Müh braucht ein gute gesunde Lehr aus den Bücher oder Stellen der H. Schrifft heraus zu ziehen / und selbe in einer wohlgefaßten Predig oder anderen Discurs nutzlich vorzutragen. Wann aber dises also geschiht auf sein rechte Weiß und Art / mit gebührenden Umständen / alsdann ist das Predigen ein hochverdienstliches Werck.

Bey der Tafel der vornehmen Herren darf man wohl mit keinem schwartzen Rock Brod / noch weniger mit Haber- oder Gersten-Brod aufziehen / sie wollen nur immer weisse Semel / oder Brod aus Waitzen gebachen haben. Aber im sittlichen Verstand gehet das nit an / es kan nit seyn / daß der Prediger oder Beichtvatter allzeit nur lauter Waitzen-Brod aufsetze / ich will sagen / lauter glimpfige und tröstliche Text und Wort auf die Bahn bringe / sondern man muß zu Zeiten auch / wann es die Umständ / die Bestraffung der Sünden / und die Verbesserung der Sitten also erforderet / mit schwartzen Rocken-Brod / ja mit rauhem Haber- und Gersten-Brod verlieb nehmen / das ist /ernstliche Verweiß und Bedrohungen gedultig anhören.

Das liebe Brod hat vor all anderen menschlichen Speisen dise sonderbare / und recht verwunderliche Eigenschafft an sich / daß es dem Menschen (wann er je gesund ist / und keinen übel-verderbten Magen hat) niemahl verleidet / wann er schon vil 1000. mahl nach einander / vil Jahr lang alle Tag Brod isset. 26 Es bilde ihm nur einer die aller-delicatiste / oder ihm angenehmste Speiß ein / wann er selbe ein gantzes Jahr lang alle Tag / oder etlich 100. mahl nach einander essen müßte / so wurde sie ihm gewißlich also verleiden / daß er sie nit mehr schmecken möchte: hingegen das Brod essen wir alleTag 2. mahl / und dannoch verleidet es uns niemahl. Zu wünschen wäre / daß ein jeglicher Christ auch ein so grossen u. beständigenAppetit zu dem sittlichen Brod der Seelen / das ist /zu dem Wort GOttes hätte / und es allezeit mit Lust u. Begird anhörte: aber es geschiht zum öfftern / daß gleichwie ein verderbter Magen eines Krancken / lieber andere ungesunde Speisen / als das Brod annimbt / also ein lauer Christ lieber eitle Gedicht und Zeitungen / als das Wort GOttes und ein Predig anhöret.

Endlichen gleichwie der Beck / wann er ein Brod bacht / wohl achtung gibt / daß nichts unrechts oder unsaubers unter den Teig komme / welches leichtlich die gantze Massam verderben / und den Essenden schaden kunte. Also muß ein Prediger fleißig achtung geben / daß er nichts unreines / das ist / kein Irrthum oder Unwahrheit in seiner Lehr oder Predig einmische / welche alles verderben / und seinen Zuhorern nit wenig schaden wurde.

Ubrigens ist da anzumercken / daß unterschidliche Erd-Früchten und Gewächs / als Haber / Gersten /Ruben / Bonen / Erbis / Linsen / Kürbis (welche als Sachen von einer geringer Consideration sonderheitlich zu beschreiben unterlasse) zur Nahrung des Menschen / und zur Fütterung des Vihs zugleich dienen; und aber gemeiniglich eben darum geringer geschätzt und weniger geachtet werden / als diejenige Frücht oder Speisen / die für die Menschen allein gewidmet und verordnet seynd. Eben also gibt es auch unterschidliche Werck und Verrichtungen / deren eine dem Menschen und den unvernünfftigen Thieren gemein seynd / als wie Essen / Trincken / Schlaffen / Arbeiten / und dises seynd die unvollkommnere Werck / sie seynd weniger zu achten. Andere aber seynd dem Menschen allein eigenthumlich / als wie Betten / Betrachten / Studiren etc. und dises seynd die vollkommnere Werck / welche höher zu schätzen seynd. Doch können und sollen so wohl die erste als letzte durch ein gute Meynung erhoben / und verdienstlich [613] gemacht werden / als zum Exempel / Essen / Trincken /Schlaffen ist ein indifferente Sach / die an sich selbsten weder gut noch böß ist: sie kan aber gut oder böß werden wegen der Meynung oder den Umständen /von welchen solche Werck begleitet werden. Wann man isset / trincket oder schlaffet mäßig zu seiner Zeit / und aus guter Intention, das Leben und die Leibs-Kräfften zu erhalten / sein Amt zu verrichten / und GOtt ferners dienen zu können / so ist es löblich und verdienstlich: wann es aber zu unzeiten und übermäßig geschiht / wann man nichts als den Wollust dabey suchet / das ist sträfflich u. sündhafft.

Die Zwiblen / Knoblauch und Rettich / seynd solche Erd-Gewächs / welche hitzig / bißig / scharpf und räß seynd also / daß sie dem Gesicht oder den Augen schaden / und einem die Zäher austreiben mögen. 27 Die Krafft und Schärffe der Zwiblen steckt fürnemlich in der Wurtzel / welche wie bekannt / rund ist / vil kleine Würtzlein oder Fasen / von vil Häutlein oder Schelffen übereinander hat. Die Zwiblen seynd zur Speiß und Artzney-weiß zu gebrauchen / aber die Wunden von einem Messer / mit welchem man Zwiblen geschnitten hat / heilen nit leicht. Der Knoblauch aber / obwohlen er rauh / scharff und räß ist / so ist er doch gesund; dann er wärmet / laxirt / verzehrt / zertheilt und heilet die Wassersucht / und verfaulte Wunden. Deßwegen kan durch dise Gewächs die Reu und Buß verstanden werden / oder die Gedächtnus des Todts und der Höllen / welche scharff und räß / aber heilsam und sehr nutzlich ist. Die Reu und Buß treibet leicht die Zäher aus den Augen / sie eröffnet das Gewissen durch die Beicht / sie verzehrt die Sünden durch die Genugthuung / sie heilet die Wunden der Seel / und führet aus die überflüßige schädliche Feuchtigkeiten der bösen Begirden: dem Gesicht aber / das ist / dem Verstand / schadet sie nit / sondern thut vilmehr denselben eröffnen und schärffen.

Der Geruch des Knoblauchs ist scharff und schandlich / aber ein Mittel wider andere böse schädliche Dämpff. Also ist auch der Gestanck eines Todten-Aaß gut wider den böß- und schädlichen Gestanck der Geilheit. Dass der Knoblauch ist ein gut- und kräfftiges Mittel wider Gifft / wann man ihn mit Rauten /Saltz / Nuß und Wein vermischt / und isset / oder auf ein vergiffte Geschwulst oder Blatter leget / da vertreibt oder verzehrt er den gifftigen Humor, er heilet auch den Biß eines wütigen Hunds. Auf solchen Schlag vertreibet auch die Reu und Buß das Gifft der Sünden / und der fleischlichen Begirden / und heilet den Biß des höllischen Hunds / das ist / sie mäßiget und entkräfftet die Versuchungen des bösen Feinds /wann sie gemischt wird mit der bittern Rauten der freywilligen Mortification oder Abtödtung / mit dem Saltz der Discretion oder Bescheidenheit / mit den Nussen (aus welchen man ein Oelpresset) der Hoffnung zur göttlichen Barmhertzigkeit / und mit dem Wein der Andacht.

Was den Rettich anbelangt / so soll der Saam und ausgepreste Safft von demselben gleichfalls ein kräfftiges Mittel seyn wider das Gifft und alle gifftige Würm. Wie ich in Jo. Cœleri Oeconomia f. 232. lise / so soll einer ohne Schaden allerley gifftige Thier anrühren därffen / wann er die Händ mit Rettich-Safft bestrichen hat: hingegen wann man ein Stücklein vom Rettich auf ein Scorpion lege / da soll er davon sterben / das laß ich dahin gestellt seyn / und auf die Prob ankommen. Christus hat in dem Evangelio ein sicheres Mittel wider das Gifft vorgeschriben / indem er zu seinen Jüngern gesprochen hat / die an ihn glauben (verstehe mit einem vollkommenen lebendigen Glauben) werden die Schlangen vertreiben / und wann sie etwas tödliches getruncken haben / werde es ihnen nit schaden. 28

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von dem Rebstock / oder den Weinreben.

Der Rebstock oder die Weinreben ist eines aus den edlist- und fürnehmsten [614] Gewächsen des gantzen Erdbodens / und der Wein / so aus desselbenTrauben gepreßt wird / ist der beste und kräfftigste Safft / aus allen Liquoribus oder flüßigen Dingen. 29 Deßwegen sich nit zu verwunderen ist / daß der Rebstock so vil Müh und Arbeit erforderet / biß daß seine Früchten /das ist die Weintrauben / zu ihrer Perfection oder vollkommenen Zeitigung gelangen. Es wird zwar der Weinstock in unterschidlichen Ländern auf unterschidliche Art gebaut und gepflantzet (wie er dann auch in mancherley Orten auf mancherley Weiß aufwachset / höher oder niderer / dicker oder dinner / früher oder später) er vermehret sich selbsten starck /und macht tieffe Wurtzlen / deßwegen er auch die Hitz wohl leiden mag / wie es dann auch in den hitzigen Ländern / als Italien / Ungarn / Franckreich / Spanien / die beste und stärckiste Wein gibt / andere Reich und Land ausser Europa zu geschweigen / in kalten Ländern hingegen wachsen vil schwäch- und schlechtere / ja mehrentheils saure Wein. Die Arbeit /so man hie zu Land auf die Weinreben anwenden muß / ist vilfältig und unterschidlich: sie müssen erstlich eingelegt / hernach zu seiner Zeit gedunget / beschnitten / gehefft oder gebunden werden / man muß um sie herum graben / einem jeden Rebstock sein besoderen Dinnen-Pfal oder Stecken geden / um den er sich wenden / und daran aufwachsen thue / man muß sie auch ausbrechen / oder die überflüßige Zweig und Blätter abnehmen / es heist da wohl: Absque labore nihil. Es kost der Müh und Arbeit vil / wann man was gutes haben will.

Es hat auch kein Gewächs schier das gantze Jahr hindurch mehr Gefahren auszustehen als die Weinreben: dann wann die Kälte im Winter gar groß ist / so erfrühren sie / und wann die Trückne im Sommer gar zu starck ist / so verdorren sie: von dem Reiffen werden sie verbrennt / und von dem Schaur oder Hagel werden sie auch zu grund gericht / von der Fäule angesteckt / und von Würmlein zerfressen. Wann sie aber all dise Gefahren überstanden haben / und ihnen wohl ist gepflegt werden / und auch der Boden gut ist / alsdann bringen sie häuffige süsse Früchten / (undrespectivè auf ihre kleine mehr als ein Baum) nemlich die süsse Trauben / und dise geben häuffig den edlen Safft / von welchem ein so manches gutes Glaß Wein eingeschenckt / und der Mensch darmit ergötzt wird.

Auch die Blüh des Weinstocks ist fürtrefflich / sie hat die Krafft die Schlangen und andere gifftige Thier zu vertreiben / es können dieselbe sie nit erdulden.

Der / so die erste Weinreben gepflantzt hat / und zuerst die Trauben aushepreßt / ist der Patriarch Noe gewesen / nach dem allgemeinē Sünd-Fluß / nach Zeugnuß der H. Schrifft. Forthin aber haben sich unterschidliche gottseelige und vortreffliche Männer um den Reb-Bau angenommen / und Weinberg oder Gärten gepflantzt / schon in dem alten Testament / als wie Josias / David etc. doch ist insgemein befunden worden / daß die Reben / so auf einem Gebürg gepflantzet werden / mehr gut gethan haben / als die auf der Fläche. 30 Vineæ meliores æstimantur collimæ, schreibt Varro lib. 1 c. 8. Wein die auf den Bergen wachsen seynd die bessere. Und Palladius lib. 2. c. 6. campi largius vinum, colles nobilius ferunt: auf dem flachen Land / oder in der nidere wachst vil Wein /aber in der Höh der bessere. Es thut zwar die Güte eines Reb-Gartens auch vil beytragen / daß er gegen Aufgang der Sonnen gepflantzt seye / und den grösten Theil des Tags den Sonnenschein geniesse.

Es ist gewißlich der Rebstock ein sonderbare Gab der göttlichen Freygebigkeit und Fürsichtigkeit / einigen Ländern mitgetheilt / anderen aber entzogen / und mit etwas anders ersetzt. 31 In den Mitternächtigen kalten Landschafften / als Polen / Schweden / Dennemarck etc. wachst schier gar kein Wein / hingegen in anderen gegen Mittag gelegnen Provinzen seynd die Weinreben so [615] häuffig und groß / daß sich zu verwundern ist. Strabo und andere schreiben / daß es in etwelchen Landschafften so groß und dicke Weinstöck gebe / daß ein Mann mit beyden Armen selbe nit umfassen könne / und daß die daranhangende Trauben biß 2. Elen lang / die Beer aber schier so groß als die Hennen-Ayer seyen. Wen dises zu vil geredt geduncket / den weise ich an die H. Schrifft / in welcher gemeld wird / daß der Israelitische Heerführer / der Moyses / einige Kundschaffter in das gelobte Land voran geschickt habe / desselbē Fruchtbarkeit zu verkundschafften / da haben ihre 2. Männer ein Reb-Zweig / samt einem eintzigen daran hangenden Trauben abgeschnitten / und an einer Stangen über die Achsel getragen / um zu zeigen / was in selbem Land für Früchten wachsen / ihrem Volck zuruck gebracht. 32 Wann nun 2. gewachsene Männer an einem Trauben zu tragen gehabt haben / so muß auch das obgemeldte von den groß- und dicken Rebstöcken nit unglaublich scheinen / dann aus den Früchten erkennt man den Baum.

Durch den Rebstock wird uns füglich der Mensch angedeutet und vorgestelt / als welcher auch ein sehr edles und fürtreffliches Geschöpf ist / aber fleißig durch gutteAufferziehung muß gepflantzet werden /sehr vil Müh und Sorg kostet / biß er wachset / und zu einer solchen Vollkommenheit gelangt / daß er würcklich die erwünschte Früchten tragt. 33

Es hat zwar der seelige Bonfilius, des Ordens derServiten / in seinem Garten an dem Fest Mariä Verkündigung einstens einen Rebstock gepflantzet / welcher von Stund an unverzüglich Geschoß oder Zweig bekommen / geblühet / und zugleich einen zeitigen süssen Trauben getragen hat. Aber dises ware etwasextraordinari, es ware ein Wunderwerck / durch welches GOTT die Wahrheit des Geheimnuß selbigen Tags hat wollen anzeigen. Sonsten aber und insgemein geht es langsam her / biß ein neugepflantzter Rebstock Trauben tragt. Noch länger geht es her /noch mehr Fleiß und Müh braucht es / biß ein Mensch / wann er auf die Welt kommt / Früchten tragt / das ist / biß er etwas Gutes würcken und nutzen kan. Er wird gantz unkräfftig / unwissend / und zu allem Guten untauglich gebohren / deßwegen er mühsam muß unterrichtet und angewisen werden /was wie es zu thun oder zu lassen seye.

Es soll erstlich diser sittliche Rebstock / der Mensch nach und nach / je länger je tieffer einwurtzlen / das ist / in der Tugend und anstädiger Wissenschafft gegründet werden / hernach sich ausstrecken oder ausbreiten durch die Vermehrung der guten Wercken: er mus gedunget werden durch die Demuth / beschnitten durch die Mortification oder Abtödtung der bösen Gelüsten / und gebunden mit dem göttlichen Gesatz / mit dem Gebott GOttes. Der Weinstock muß sich halten an einen Pfal / Baum oder Stecken an dem er aufwachse / sonst wird er nur auf dem Bodenligen /und seine Früchten / die Trauben / verfaulen: also muß auch der sittliche Weinstock / die Christliche Seel sich aufrichten oder aufrecht halten an dem Baum oder Stab des H. Creutz / und in Krafft des gecreutzigten Heylands / sonst werden seine Früchten /seine Werck nur auf der Erden herum ligen / das ist /nur irrdisch seyn. Endlichen muß man ihm auch die überflüßige Zweig und Bllätter / ich will sagen / die allzugrosse Wollüst und Kommlichkeiten benehmen und abbrechen. Wann nun dises alles geschiht / alsdann tragt er häuffige Frücht der Tugenden. Unterdessen aber hat der sittliche Rebstock nit weniger Gefahren auszustehen als der natürliche. Es schadet ihm sowohl die Kälte der Trägheit / als die Hitz der bösen Begirden / es verbrennt ihn der Reiffen des Geitz / der scharffe Wind der Hoffart / und der Hagel des Zornmuths: es wird angesteckt von der Fäule der Sünden /und dann folgends von dem Wurm des bösen Gewissens zernagen etc.

[616] Es werden die Wein-Reben von etlichen in unterschiedlicher Form oder gestalt gezüglet: Es ist erstlich vitis arbusta der Baum Reb-Stock / den man an einem Baum hinauff leitet / wie es in Italien vilfältig geschicht: hernach vitis pergulana, das ist / Hütten /oder Bogen Reb-Stock: wie man es in den Gärten oder bey den Häuseren pflegt: oder vitis compluviata, Wein-Reben die sich in die Weite und Breite ausstrecken: wiederum vitis jugata, canteriata Wein-Reben / die mit Zwerch Stangen geleitet werden / wie ein Galerie oder ein Gang: und endlich vitis pedata, statumiata aufgepeltzter Wein-Stock / und daß ist hey uns die gemeine Art: und wie man es von Anfang züglet also wachsen sie fort. Auch die sittliche Reb-Stöck das ist / die Menschen werden gar unterschiedlich auferzogen / der eine geistlich- der andere weltlicher Weiß: der eine Herrisch / der ander Bäurisch: der eine Burgerlich / der ander Soldatisch: der eine heickel und zartlich / der ander rauch und härtiglich: und wie man sie von Anfang gewöhnt also treiben sie es gemeiniglich fort.

Ferners der Reb-Stock thut sich von Natur gern vermehren / ausbreiten und die benachbarte Gewächs ergreiffen / sich daran hencken und einwicklen daß man es nicht mehr wohl darvon kan loßmachen.

Auch vil Menschen absonderlich die Reiche und Mächtige / als politische Reb-Stöck haben diese Art an sich / daß sie sich gar zu weit ausbreiten und immerdar in dem Reichthum / in der Macht und dem Ansehen wachsen wollen: sie hencken sich an und flechten sich ein / an den benachbarten Gewächsen oder Bäumlein / das ist / an fremden Güter und Habschafften mit denen verwicklen sie sich also / daß man es mit keinem Lieb mehr kan auseinander klauben und von einander bringen.

Wann es Zeit ist die übrige Zweig und Blätter auszubrechen / da nimt man nicht die innere die dem Reb-Stock zu nächst seynd / sondern nur die äusere die am weitisten darvon seynd / die der Reb-Stock am besten manglen kan. Also solt es auch im politischen Weesen hergehn / wann man die Reben / die Unterthanen ablauben / stutzen / und scheren will / oder muß / das ist / eine nothwendige Contribution eintreiben / da soll man gleichwohl nur die äussere Blätter /oder Güter / so vil als sie manglen können / abnehmen / das nothwendige aber stehen lassen / nicht biß auf das Innerste greiffen / oder ihnen das Marckt aussaugen / wie es vor schon längsten gemacht haben /jene Ungerricht- und Unbarmhertzige Richter welchen der Prophet Michæas vorgeworffen hat: Violenter tollitis pelles eorum desuper eis, & carnem eorum desuper ossibus etc. Ihr schneidet ihnen gewaltiglich das Fleisch von ihren Beinen / und fresset das Fleisch meines Volcks.

Wann man die Reben im Frühling beschneidt / so pflegen sie Tropffen-Weiß einen Safft von sich zu lassen / und daß heissen die Reb-Leuth das Weinen der Reben / und dieses Weinen thut ihnen wohl / dann es nimbt die überfließige Feuchtigkeiten hinweg. Aber wann ein unmilde Herrschafft / oder Geldhungeriger Beambter die Reb-Stöck / die Unterthanen nicht nur im Frühling sondern das Jahr hindurch zum öffteren beschneidt und stutzet / da benimt man ihnen nicht nur die äusere und übrige Zweig und Blätter / das ist /die Mittel die sie manglen kunten / sondern auch die innere und nothwendige / es thun diese Reben zwar auch weinen und klagen / aber es thut ihnen nicht wohl / als wie den Reben / es nimt ihnen nicht nur die überflüßige Feuchtigkeiten / sondern sie werden gäntzlich ausgepreßt und verdorren.

Aber der aller edliste und ohnvergleichlich-fürtrefliche Reb- oder Wein-Stock in sittlichem Verstand ist Christus der HErr selbsten: massen er sich würdiget mit einem solchen zu vergleichen in dem Evangelio zu seinen Jüngeren sprechend: Ego sum vitis & vos palmites. 34 Ich bin der Wein Stock / [617] ihr seyd die Reben. Er kan billichist von ihm selber sagen: Ego quasi vitis fructivicavi suavitatem odoris, & flores fructus mei fructus honoris & honestatis. 35 Ich bin mit Früchten und süssen Geruch der Heiligkeit und Volkommenheit lieblich anferwachsen und die Früchten die an mir hangen seynd voller Ehr und Reichthum / nemlich der unendlichen Verdiensten. Dieser Reb-Stock hat jenen kostbaren Wein uns geben / welcher unter der Trotten oder Kälter des schweren Creutzes ist augepreßt worden / das ist / das allerheiligste Blut den theuren Werth unserer Erlösung. Aber wohl zu mercken ist / was er beygesetzt hat: wir seyen seine Reb-Zweig: und daß gleichwie das Reb-Zweig von sich selber kein Frucht tragen kan / wann es nicht mit dem Reb-Stock vereiniget bleibet / also auch wir / wann wir nicht in und mit ihme /durch die Lieb und Gnad verbunden oder vereiniget bleiben / so werden wir als wie ein verdorbnes Reb-Zweig hingeworffen / verdorren / und verbrennt werden etc. massen ein abgehauens Reb-Zweig zu nichts anders als zu dem Feur tauglich ist.

Wann vil ordentlich-gepflantzte Reb-Stöck beysammen stehen / da wird es ein Reb-Garten oder Wein-Berg genannt. 36 In sittlichem Verstand aber ist die Christ-Catholische Kirch ein Wein-Garten / in welcher eben so vil Reb- und Wein-Stöck als Christ-Glaubige zu zehlen seynd. Diesen Wein-Garten hat der Sohn GOttes gar mühesam gepflantzet durch sich und seine Apostel mit Lehren und Predigen mit Wort-und Wercken: er hat ihn umgeben oder eingeschränckt mit seinem Heil. Gesatz mit den 10. Gebotten: er hat ihn angefeuchtet und fruchtbar gemacht mit seinem eignen Blut: er hat auch in Mitte desselben einen Wacht-Thurn zur Beschützung desselben aufgericht /das ist / ein sichtbarliches Haupt zum Stadthalter und Regenten bestelt etc. Also daß er wohl sagen kan: Was hätt ich meinem Wein-Garten mehr können und sollen thun / was ich nicht gethan hab? und dannoch muß er sich öffters beklagen / daß vil Reb-Stöck dieses Wein-Gartens das ist / vil Catholische Christen ihm an statt der guten und süssen Trauben / nur wilde und herbe Trauben tragen / das ist / an statt der gut-und Tugenden / böß- und sündige Werck.

Ich hab gemeldt daß diejenige Wein-Gärten die beste seyen / welche in der Höhe / und wohl an der Sonnen liegen. Ein solcher Wein-Garten ist die Catholische Kirch / welche nach Zeugnuß Christi fundata est supra petram gegründet auf einen Felsen /und unabläßlich von der Göttlichen Gnaden-Sonne beschinen / erleuchtet und erwärmet wird. In disen Wein-Garten hat der himmlische Hauß-Vatter seine Arbeiter die Christ-Glaubige / zu unterschidlichen Tags-Stund / das ist / in unterschidlichem Lebens-Alter in Volziehung des Göttlichen Gesatzes zu arbeiten / beruffen.

Der 5. Absatz
Anhang
[622] Anhang zu dem Wein
Von der Trunckenheit.

Es ist ja freylich die Trunckenheit ein nur gar zu starcker und gewöhnlicher Anhang zu dem Wein: ein vast bey allem Alter und Ständen so gemeines / als schädlich- und schändliches Laster. 54 Gemein ist es bey Jung- und Alten / bey Edlen / und Unedlen / Herren und Bauren / Gelehrten und Ungelehrten etc. ja also gemein / daß mancher Hauß-Wirth oder Gästgeber ihm einbildet er habe seinen Gast nicht wohl gehalten / oder recht bewirthet / wann er ihn nicht angefült und ihme einen guten Rausch angehencket hat / welches gewißlich ein sehr böser Brauch / ein höchsträffliche Gewohnheit ist.

Es bestehet aber das Laster der Trunckenheit / oder ein volkommner freywilliger Rausch in dem / daß wann einer vermerckt / daß wegen der Stärcke oder Vile des Weins / Biers öder eines anderen Trancks ihm der Verstand verwirrt werde / und dannoch weiters fortfahret zu trincken / biß daß er der Vernunfft völlig beraubt wird / und nicht mehr weiß was er thut: also dann ist es unwidersprechlich ein schwere Sünd. Wie auch wann er von genugsamer Erfahrnuß weiß /daß er in dem Rausch pflege starck zu fluchen und zu lästeren / grobe Schläg- und Rauff-Händel anzufangen oder ihm selbsten an der Gesundheit schwerlich zu schaden / oder ein anders grösses Ubel und Unglick anzustifften etc.

Schädlich ist das Laster der Trunckenheit / weilen vil Unglick und Ungelegenheit daraus erfolget / weilen es Seel und Leib in das Verderben stürtzet etc.

Schändlich ist es weil kein rauschiger Mensch mit Ehren und Reputation sich offentlich darff sehen lassen / und weilen den Menschen dem unvernünfftigem Vieh nichts gleicher machet als die Trunckenheit.

Die Heil. Schrifft und Heil. Vätter / ja auch die heydnische Welt-Weise können nicht genugsam beschreiben und bedauren / den vilfältigen Schaden / die unzahlbare Ubel die aus dem Laster der Trunckenheit erfolgen. 55 Amaritudo animæ vinum multum, irritationem & iram & ruinas multas facit etc. 56 sagt der weise Eclesiasticus. So man vil Wein trincket macht er unsinnige Köpf / und zornige Leuth /und sonst vil schaden / Bitterkeit und Leid der Seelen. Trunckenheit füllet das Gemüth des Torrechten mit Trutzen und Pochen / und macht daß er leichtlich sündiget / und mindert die Krafft und verwundet. Hingegen sagt er auch: Vinum in jucunditatem creatum est, non in ebrietatem ab initio. Exultatio & sanitas animæ & corporis vinum moderatè potatum. 57 Der Wein ist dem Menschen zur Freud erschaffen / und nicht zur Trunckenheit. Wein zur Nothdurfft getruncken erfreuet Seel und Hertz: ein mäßiger Trunck ist der Seel und dem Leib gesund. Seynd lauter Wort des H. Geists durch den Mund des weisen Syrach ausgesprochen. Er fahret weiter fort: Cum splenduerit color ejus in vitro, ingreditur blandè sed in novissimo mordebit ut coluber etc. 58 Der Wein scheinet schön in dem Glaß / und schleichet glat hinein / aber zu letzt beißt er wie ein Schlang / und gießt aus sein Gifft wie ein Natter. Nolite inebriari vino, in quo est luxuria. Warnet der Apostel Paulus. 59 Ihr sollet vom Wein nicht truncken werden darum vil Unkeuschheit ist.

Eben dergleichen sagen auch die Heil. Vätter / was ist unglückseeligers sagt der Heil. Hilarius / was schimpflichers / als dem Gewalt der Trunckenheit unterworffen seyn / sich über die Kräften anfüllen / sich selbst der Vernunfft berauben / nicht reden / nicht stehen / nicht gehen können / und mit gesundem Leib gleichsam als todt da liegen? 60 Augustinus aber spricht: die Trunckenheit ist ein Mutter-Wurtzel und Ursprung aller Laster / ein Verwirrung des Haupts /ein Verstöhrung [623] der Sinnen / ein Schiffbruch der Erbarkeit / ein Schand des Lebens / ein freywillige Unsinnigkeit etc. ja sie ist / sagt er weiters / ein schmeichlenter Teufel / ein süsses Gifft: ein voller Mensch verkehrt die Natur / er verschertzt die Gnad und / verliehrt die Glori. 61 Ebriosus abominatur à DEo, despicitur ab Angelis, deridetur ab hominibus, confunditur à dæmonibus. 62 Ein Vollsauffer wird von GOtt verhaßt / von den Englen verachtet / von den Menschen ausgelacht / und von den Teuflen verspottet. Endlichen nihil ita contrarium est omni Christiano, quomodo crapula. Einem Christen ist nichts unanständigers als ein Rausch: sagt mein Heil. Vatter Benedictus Reg. c. 39. Nicht weniger wird das Laster der Trunckenheit von den alten Welt-Weisen gescholten: Sicuti in præcipiti stantem levis tactus impellit ita vino infusum quoque dolor vertit in furorem. Gleichwie der / so auf einen hohen und gehen Orth stehet / gar leicht in die Tiefe herab gestürtzt wird / also wird ein Rauschiger / wann ihm ein wenig was Widriges begegnet / gleich gantz rasend / sagtMacrob. lib. 7. Satur. Seneca aber: Quam multa ebrii faciunt, quibus sobrii erubescunt! wie vil thun die Rauschige / dessen sie nüchtern sich schämeten!Ep. 28. Certè ebrietas detegit & incendit omne vitium alle Laster die verborgen lagen / entdecket und vermehret die Trunckenheit etc. Quid turpius ebrioso fragt Inno. de vilit. cond. hum. cui fœtor in ore, in corpore tremor? etc. 63 was ist schandlichers als ein voller Mensch / dessen Mund voller Gestanck / dessen Leib zitteret / dessen Zung alle Geheimnussen verrathet / dessen Angesicht verstellet / und der Verstand verwirret ist.

Einer aus den alten Gesatzgeberen Pittacus mit Nahmen / hat gebotten daß derjenige / so in der Trunckenheit ein Laster begehet / doppelt solle gestraffet werden. 64 Lært. lib. 1. c. 5. Pythagoras als er befragt wurde / wie ein der Trunckenheit ergebner Mensch ihm dieses Laster könne abgewehnen / gab zur Antwort: wann er öffters bedencke / wie schandlich und närrisch er oder andere sich im Rausch verhalten thun. Eben zu diesem End hat Plato seine Lehr-Jünger ermahnt / daß wann sich einer rauschig getruncken sich selber im Spiegel betrachten soll. Ferners sagt er: die Beschaffenheit Gemüths erscheine aus dem Wein / und ein rauschiger Regent / ein rauschiger Fuhr-Mann / Schiff-Mann / und Heer Führer werffe alles um / was er zu führen habe.

Wiederum der H. Chrisostomus, sicut navis, quæ aquis impletur in profundum mergitur, ita homo ebriosus in præceps vadit, rationemque amittens submergitur in profundum inferni. 65 Gleichwie ein Schiff / wann es mit Wasser angefüllt ist / untergehet / also ein Mensch der voller Wein ist / verliehret den Verstand / und verfincket in die Höll. Augustinus aber haltet die der Trunckenheit Ergebne für vil unvernüfftiger als das Vieh / weilen dieses nicht mehr als ihm nothwendig ist / trincket: diese aber vil mehr als sie bedürfftig seynd / ja auch offt über Willen mehr als sie mögen / trincken.

In Spanien wie ich liese / soll die Trunckenheit noch vor wenig Zeiten also verhaßt gewesen seyn /daß wer derselben ergeben war / für keinen ehrlichen Zeugen passiren kunte. 66

Nicht nur im sittlichen Wesen der Seelen Heyl betreffend / sondern auch im natürlichen / die leibliche Wohlfahrt betreffend / bringt die Trunckenheit grossen Schaden / sie schwächet alle Sinn und Glider des Menschen / und ist ein Ursprung vieler Kranckheiten. Ja nicht nur der Kranckheiten sondern eines frühezeitigen Tods selber: propter crapulam multi obierunt. sagt der weise Syrach: durch Füllerey oder Trunckenheit / seynd viel gestorben: dessen ist unter tausend anderen schon im alten Testament mit seinem ewigen Untergang der Holofernes / und Balthasar etc. ein Zeug gewesen.

Auch der grosse Alexander hat in einem Rausch seinen getreuen Obristen Clytum eigenhändig erstochen / unzahlbar anderer dergleichen Unglücks-Fäll /[624] die sich noch heutiges Tags hin und wieder zum öffteren begeben / zu geschweigen. Philippus der Macedonier König hat in der Trunckenheit ein unuschuldiges Weibs-Bild zum Todt verurtheilt: dises weilen es sich nichts schuldig wuste / protestirte darwider / und appellirte gar billich / aber wohin? von dem rauschigen König zu dem Nüchteren / das ist / batte um Verzug biß daß der König wiederum nüchter wurde / welches ihr auch wohl gelungen hat; dann als er wieder nüchter worden hat er ihr Unschuld erkennt / und sie loß geprochen. Zu wünschen wäre / daß solche Appellationes bey allen Rauschigen Statt und Platz finden thät / so wurde ein mancher doller und voller Mann /wann er gantz rauschig aus dem Wirths-Hauß heim kommt / nicht so gleich darein schlagen / und alles unter und über sich kehren.

Die Trunckenheit stehet zwar allen Menschen / absonderlich aber vornehmen / und regierenden Herren übel an / theils wegen dem bösen Exempel daß sie hierdurch geben / theils wegen der Gefahr grosse und nachtheilige Fehler in ihrer Ambts-Verwaltung zu begehen / auch zugleich ihren Respect und den Credit zu verliehren bey den Unterthanen. 67

Ubrigens hat die Trunckenheit bey unterschidlichen Menschen gantz unterschidliche Würckungen / die eine seynd so / die andere anderst beschaffen / wann sie rauschig seynd / wie es jene bekante Verslein füglich andeuten.


Ebrius atque satur his ecce modis variatur:
Hic canit, hic plorat, hic est Plasphemus, hic orat,
Hic saltat lætus, hic est sermone facetus:
Iste loqui nescit, hic cespitat, ille pigrescit,
Hic est clamosus, hic est nimium vitiosus:
Disputat hic, villæ per compita cursitat ille,
Hic vomit, ilie vorat, sic Bachi turba laborat.

Diese mögen füglich also verdeutscht werden.

Ungleich die Volle beschaffen seynd /
Der ein ist still / dem Reden feind:
Der ander lustig / singt und springt /
Vil Bossen auf die Bahn er bringt.
Der eine lacht / der andre weint /
Dieser zanckt / und jener greint.
Der eine bett / der andre flucht /
Dieser ein Schlupf-Winckel sucht.
Jener laufft flinck hin und her /
Der ligt wie ein Block so schwer:
Dieser ist gantz ruhig und still /
Jener begeht des Ubels vil:
Der eine S.V. speit der andre frist /
Schau wie d' Sauff-Bursch beschaffen ist.

Nemlich der Wein / wann er häufig getruncken wird / nimt der Menschen Sinnen an sich / und offenbaret sie anderen Leuthen: deßwegen sihet man offt ein seltsames Fastnacht-Spiel bey denen vollen Zapfen / etc. da heißt es eigentlich. Quot capita tot sententiæ vil Köpf vil Sinn. Da muß alles heraus was zu innerst im Hertzen steckt. Quod est in corde sobrii, id est in ore ebrii, des vollen Menschen Mund / verrath das Hertzens Grund.

In vino vertas in dem Wein steckt die Wahrheit /ist ein altes Sprich-Wort: es will sagen / ein Rauschiger redt rund und frey heraus / wie es ihm um das Hertz ist. 68 Aber ein niechterues Kind hat einstens rauschigen Männern treflich die Wahrheit gesagt: der König Cyrus als er noch ein Knab oder ein Kind ware / und seinem Anherrn Astyagi dem König der Medorum aufwartete / bekame ein Kannen mit Wein in die Händ dem König darvon einzuschencken. Weil aber der Knab gesehen hatte / daß der Königliche Mund-Schenck den Wein zuvor zu credenziren und zu versuchen pflegte / eh er dem König einschenckte / wolte er es auch also machen: gosse also ein wenig Wein in die lincke Hand heraus / tracke es aber nicht / sondern schüttete es auf die Erden aus. Der König sein Anherr sagte: [625] Cyre, warum thust du den Wein ausschütten /und nicht auch verkosten / wie es die Mund-Schencken machen? ich fürchte antwortet das Kind / es möchte der Wein vergifft seyn; dann ich hab neulich vermerckt / daß ein Mund-Schenck euch den Wein vergifftet hat. Woher weist es du / sagt der König /mein Kind / ich hab nichts empfunden? aus dem hab ichs gemerckt / widersetzt der Knab / weil ihr Majestät und die Hof-Herren / so darvon getruncken haben / alle der Sinnen beraubt und gantz närrisch worden seynd (sie haben nemlich Räusch getruncken) ihr habt gethan was ihr sonst nicht thut / ihr habt geschryen /und doch nicht mehr reden können / ihr habt wollen tantzen / und doch nicht mehr gehen und stehen können / Ihro Majestät haben nimmer gewust / daß sie König seynd / und die Hof-Herren haben keinen Respect mehr geben / es ist alles hinter für gangen / also muß ja der Wein vergifftet gewesen seyn. Wohl geredt / wann jemal ein Kind den Alten die Wahrheit gesagt / so hat es damahls der kleine Cyrus gethan.Vinum venenum, der Wein / wann man ihn mißbraucht / so ist er ja ein Gifft / als der Gesundheit des Leibs / und dem Heyl der Seelen höchst schädlich. Es singt zwar Ovidius.


Vina parant animos, faciuntque coloribus aptos.
Der Wein macht ein frisches Gemüth /
Und schön roth von dem Geblüth.

Aber wann man ihn mißbraucht / da kan man meines Erachtens eben so leicht und wahrhafft sagen:
Vina parant asinos, facuntquè furoribus aptos.
Vil Wein / der macht offt närrisch d' Leuth /
Sie thun was sie hernach starck reut.

Daß hat Diogenes der so nüchter als kluge Mann wohl erkennt: deßwegen als ihm einstens bey einem Nacht-Mahl vil Wein aufgesetzt / und er zum Trincken angehalten wurde / da hat er zwar ein wenig davon getruncken / das Merere aber auf den Boden ausgeschütt: und da er deßwegen als ein schlechterPoliticus gescholten wurde / mit vermelden es seye ja schad / daß man den guten Wein also verderbe. 69 Ja sagte er / es ist zwar ein kleiner und einfacher Schad den Wein verderben / aber ein grosser und doppelter Schad ist es durch den Wein / die Gesundheit und den Verstand zugleich verderben / welches doch geschehen wurde / wann ich so vil trincken thät / als ihr es haben wollet. Der Wein solle proportionaliter wie ein Medicin oder Artzney gebraucht werden / den Durst zu löschen / den Leib zu stärcken / und das Gemüth zu ergetzen: nun aber ist niemad so thorrecht daß man die Artzney auf einmahl schoppen / oder Schachen-Weiß einnehme / sonst wurde sie ja vilmehr schaden als nutzen. Die Nüchterkeit ist ein Erhalterin der Tugend und der Gesundheit / ein Verlängerung des Lebens / ein Gefärtin der Erbarkeit / ein Beförderin der Wissenschafft- und freyen Känsten / ein Bewahrerin vor vilen Lastern und Unglücks-Fällen: sie ist GOtt gefällig / den Englen angenehm / und bey gescheiden Leuthen beliebt und hochgeacht. Sie ist dem Leib / der Ehr / und der Seelen zugleich ersprießlich: ja sie ist die beste Vorbereitung zu dem himmlischen Gast- und Freuden-Mahl. Hingegen ebriosi Regnum DEi non possidebunt, 70 Die Trunckene werden das Reich GOttes nicht besitzen.

Wann es aber diesem also / daß das Laster der Trunckenheit nicht genugsam kan gescholten werden; was soll man den jenigen Sauffern sagen / die sich nicht nur so manchesmahl vorsetzlich und bedachtsamer Weiß volltrincken / sondern noch darzu gloriren /sich rühmen und proglen / daß sie so und so viel Maas auf einen Sitz / so und so grosse Gläser auf einen Trunck ausleeren können / die mit einander in die Wett sauffen? Was soll man anders sagen / als was ihnen vorlängsten der Prophet [626] Isaias gesagt hat:Væ! qui potentes estis ad bibendum vinum, & viri fortes ad miscendum ebrietatem, Wehe euch (dann oder Weh bedeutet aber gemeiniglich in der Heil. Schrifft die ewige Peyn und Straff) wehe euch / sagt der Prophet / die ihr mächtig seyt Wein aussauffen / und starcke Männer Trunckenheit anzurichten. Was soll man den jenigen sagen / welchen es nicht genug ist / daß sie sich selber vollsauffen / sondern auch andere darzu anfrischen / ja treiben und nöthen / mehr zu trincken / als sie ertragen können? Was anders / als was der Heil. Augustinus gesagt hat? nemlichen daß die / so andere zum Trincken nöthen /für jene so wohl als für sich selbsten in dem letzten Gericht werden Rechnungschafft geben müssen. 71 Es thun nemlich dise nicht besser / als wann einer dem andern mit aller Höflichkeit in einem schönen Geschirr ein liebliches und gantz annemlich præparirtes Gifft anerbietete / und unter dem Titel der Freundschafft an- und einzunemmen batte. Wer soll nun so thorrecht seyn solchem unsinnigen Begehren wissentlich willfahren?

Es heißt zwar gemeiniglich bey dem Zusprechenden / der Trunck werde gewiß nicht schaden: aber was hilfft das Versichern / das protestiren und garantiren / der Trunck werde nicht schaden / wann es von der öffteren Erfahrnuß gewiß ist / daß er werde schaden.

Aber ich weiß es wohl / man wird mir sagen / es seye also der Brauch / man müßte mithalten und Bescheid thun / man könne die zugetrunckene Gesundheiten nicht außschlagen / es seye wider die Höflichkeit und wider die Policey: es thun ja es auch vornemme / gescheide und gelehrte Leuth etc. Antwort: Auch andere Laster seynd gemein / durch dises aber nicht zu entschuldigen: Multitudo errantium nullum parit errori patrocinium: die Menge der Fehlenden macht den Fehler nicht besser. 72 Auch vornemme / gescheide Männer können / und pflegen dann und wann zu fehlen. Es ist auch viel besser wider die Satzungen der Höflichkeit und Policey (wann doch viel Sauffen ein Höfllichkeit ist) als wider die Gebott GOttes / und das Gewissen sich verfehlen / und ihm selber schaden. Endlichen auf Gesundheit deines Patronen oder guten Freunds magst du wohl trincken / aber nicht zu offt und nicht zu viel: dann gewiß ist es / was das lateinische Sprüchlein sagt:


Non est in pota multa salute salus.
Viel Gesundheit trincken bringt Kranckheit /
Schädlich ists ohn Nutzbarkeit.

Ja ich kan mit Wahrheit nach ein mehrers sagen /nemlichen:
Est in potata nulla salute salus.
Das Gesundheit trincken ist ungsund /
Der Todt geht offt ein durch den Mund.
Der 6. Absatz
Der 6. Absatz.
Von dem Senff und Pfeffer.

Des Senffs gibt es dreyerley / Gattungen / als weissen oder gelben Garten-Senff / Sinapi hortensem, gemeiner braune Senff / sinapi salivum, und wilder Senff /sinapi sylvestre. 73 Die erste 2. Gattungen werden in den Gärten und Aeckeren gesäet und gepflantzet: die letztere aber wachset hin und wider / als wie die wilde Kräuter.

Wann der Senff zerriben / zermahlen und mit Most vermischt wird. so erhält er dessen Süsse zimlich lang: der trücknet und erwärmet / und macht guten Appetit zum Essen. Aber wegen seiner Schärffe und Röße steigt er in das Haupt / riecht in die Nasen / und macht die Augen übergehen: aber er reiniget das Haupt und das Hirn. Auch mit Eßig vermischet / ist er gut für die Biß oder Stich der Schlangen und Scorpionen. Diese Eigenschafften seynd in folgenden 2. Versen enthalten:


Est modium granum, siccum calidúmque sinapi,
Dat lachrymas, purgátque caput, tollitque veneum

[627] Wegen diesen Eigenschafften kan er wohl mit der Tugend der Buß verglichen werden: als welche scharpff oder räß wegen der Reu / und die Zäher aus den Augen treibet / aber heilsam / sie reiniget das Gewissen / und vertreibt das Gifft der Sünden / sie verzehrt die böse Feuchtigkeiten der unordentlichen Begierden / und macht einen guten Magen / die harte und saure Bissen der Trübsaal und Widerwärtigkeit zu verkochen. 74 Der Senff soll auch die Krafft haben / die Schlaffsüchtige aufzuwecken: und die Buß wecket auf und ermuntert durch die Forcht GOttes und durch die Hoffnung der Belohnung und Forcht die Schlaffende / das ist / die Faul- und Träge in Ubung der guten Wercken. Das Senff-Körnlein ist fruchtbar /es thut sich sehr vermehren und in die Weite ausbreiten: auch die Buß ist also fruchtbar / das viel gute Werck und Tugend-Ubungen daraus entspringen etc.

Fürnemlich aber ist an dem Senff-Körnlein zu bewundern / daß obwohlen es so kleinwintzig ist / ja das kleinste unter allen Saamen / dannoch ein solche Hitz und Hefftigkeit / wie Plinius und andere anmercken / ja gleichsam ein gantz feurige Krafft in sich haltet. Wie auch / daß es zu einer solchen Grösse aufwachset / daß es zu einem Baum wird / und die Vögel des Luffts kommen / und auf seinen Zweigen wohnen / wie Christus im Evangelio meldet / allwo er auch sagt: Das Himmelreich seye gleich einem Senff-Körn lein: nun aber ist Christus selber das Himmelreich /weilen er die Freud und Belohnung / die Cron und Glory aller Heiligen und Englen ist / mithin kan er auch selbsten mit dem Senff-Körnlein verglichen werden. 75 Dann gleichwie das Senff-Körnlein sehr klein / und dem äusserlichen Ansehen nach sehr unachtsam ist / und dannoch ein grosse heimliche Hitz und Krafft in sich haltet / und mit der Zeit sehr groß wird / also ware der Sohn GOttes in seinem sterblichen Leben wegen seiner freywilligen tieffisten Demuth sehr klein und gering geschätzt / lediglich für eines gemeinen Zimmermanns Sohn gehalten / ja in seinem Leiden und Todt gar unter die Ubelthäter gerechnet / da er doch alle Macht und Herrlichkeit / alle Schätz und Reichthumen der Weißheit und Wissenschafft in sich begreifft. Aber nach der Auferstehung ist dieses Göttliche Senff-Körnlein Christus also hoch aufgewachsen / also groß und herrlich erschinen / daß es sich durch die gantze Welt hat ausgebreitet / und daß von allen Theilen der Welt die Vögel des Himmels / das ist /die Gottseelige und auserwählte Menschen seynd daher kommen / auf seinen Aesten zu ruhen / das ist /seine Wunderwerck / sein heilige Lehr und Leben zu betrachten. Wann man die Hitz und Krafft des Senff-Körnleins verspühren will / muß man es in den Mund nemmen und verkauen: eben also daß man die Krafft und Würckung des sittlichen Senff-Körnlein / das ist /des Sohns GOttes empfinde und genüsse / muß man selbes mit den Zähnen einer anmuthigen Betrachtung / der Liebe und Hochschätzung wohl verkäuen und vermahlen.

Was den Pfer anbelangt / so kommt er mit dem Senff in diesem vast übereins / daß er auch in kleinen Körnlein bestehet / welche / wann sie zerriben werden / sehr hitzig und scharpff seynd / und gleichsam ein feurige Eigenschafft haben. 76 Sie geben auch ein starcken Geruch von sich / erhitzen den Magen / und wan man den Pfeffer mäßig braucht / so macht er die Speisen wohlgeschmack: aber zu viel ist ungesund.

Es ist aber der Pfeffer ein Ost-Indisches Gewächs /das sich windet und nicht aufrecht wachst: deßwgen wird der Pfeffer von den Indianern noch bey andern Bäumen / oder aufgesteckten Pfählen gepflantzt /damit er an denselben aufsteigen möge. Es bringt dieses Gewächs oder Gewürtz / wann es gesäet wird bald im andern Jahr seine Frucht herfür; es bestehet in einem langlechten Stengel / an welchem die Pfeffer-Körnlein Traubenweiß [628] häuffig wachsen. Diese Körner werden in dem Herbst reiff / und seynd alsdann grünlecht / hernach werden sie schwartz / und im November eingesammlet. Es ist aber des Pfeffers zweyerley /nemlich runder und langlechter / der runde widerum weisser oder schwärtzer etc. Der runde / so gemeiniglich zu uns ins Teutschland gebracht wird / wachset in unterschidlichen Ost-Indischen Provintzien / als inMalabar, Java, Sunda etc. Der lange aber wachst fürnemlich in Bengala etc. In Brasilien wachst der Pfeffer häuffig: der Saamen und das Kraut wird Artzney-weiß gebraucht / auch an einigen Orthen des Teutschlands in den Gärten gepflantzt.

In Betrachtung daß die so kleinwintzige Senff- und Pfeffer-Körnlein ein so grosse Krafft und gleichsam feurige Eigenschafft in sich halten / erinnere ich mich / wie so wohl und recht jenes Sprüchlein sage:


Virtus in exiguo corpore magna latet.
Ein grosse Krafft in kleinen Sachen
Verborgen ligt / die viel thut machen. 77

Deßgleichen zu verwundern ist / wie daß ein eintziges Pulver- oder Weyrauch-Körnlein / wann es von dem Feur erhitzt und angezindt wird / in ein merckliches Spacium / in ein zimliche Weite sich dilatiren oder ausbreiten möge / ein Wölcklein machen und einen Geruch von sich geben möge. Wie daß offt ein kleines Thierlein / ein Ameiß / ein Immlen / oder Seiden-Würmlein so grosse Werck und Ubungen verrichten könne / wie daß in manchem kleinen Männlein ein so grosse Stärcke / so viel Hertz und Muth verborgen lige etc.

Aber nicht weniger in den sittlichen als natürlichen Sachen ist offt an einem kleinen Ding gar viel gelegen / und folgends nicht zu verachten: Ein klein läßliche Sünd bringt grossen Schaden / sie beraubt eines grossen Guts und macht schuldig einer grossen Straff. Ein kleines gutes Werck hingegen bringt grosse Frucht und Nutzen / verdient einen grossen Lohn etc.

Eben also in Staats- und politischen Sachen pflegt zum öfftern ein kleines Ding einen grossen Handel nach sich zu ziehen: aus einer kleinen Offension, Violirung der Rechten / oder einen vermeinten Affronten kan ein langwüriger Process, oder gar ein blutiger Krieg entstehen.

Auch in dem Kriegs-Wesen / in Belägerung oderDefension einer Vestung / in Lifferung einer Schlacht / ist schier kein Fehler so klein / kein Ubersehen so gering / welches nicht einen grossen Schaden nach sich ziehen könne / gleichwie hingegen auch ein kleine Behutsamkeit / Vortheil oder Kriegs-List einen grossen Nutzen bringen kan.

Eben ein solche Beschaffenheit hat es auch mit den Künstlern und ihren Kunst-Stücken: ein eintziger Bemsel-Strich / der nicht wohl geführt ist / kan ein gantzes Gemähl verderben / oder ein eintziger Schnitt / welchen der Statuarius oder Bildhauer nicht wohl gethan hat / mag ein gantze Statuam oder Bildnuß schänden: es heißt da nemlich. bonum ex integra causa, malum autem ex quolibet defectu, wie diePhilosophi sagen: damit ein Ding gut seye muß es vollkommen und allerseits gut seyn: daß es aber schlimm seye / erklecket ein jeder Fehler oder Mangel.

Endlichen auch in re œconomica, in einer Haußhaltung / muß ein guter Haußwirth nicht nur auf die Pferd / Kühe und Ochsen / sondern auch die Gänß und Aenten / auf die Hennen und Eyer / nicht nur auf den Gulden / sondern auch auf den Batzen und Kreutzer Achtung geben: nicht nur die grosse / sondern auch kleine Gefahren und Ubel von seinem Hauß fleißig abwenden; dann parva sæpè scintilla magnum excitavit incendium, wie man die Knaben in der ersten lateinischen Schul lehret / ein kleines Füncklein Feur hat offt ein grosse Brunst erweckt. Wie ein kleines Ding ist es um ein Aug in dem Charten- oder Wirffel-Spiel? und dannoch kan ein eintziges Aug dem Spielenden ein gutes Stuck Gelt geben oder nemmen. [629] Ein kleines Ding ist es um ein Tact / suspir oder Noten in der Music / und dannoch kan ein eintziges solches Ding ein merckliche Dissonantz oder Unordnung in dem Gesang verursachen: wie es mit seiner Verschamung wohl erfahren hat jener sonst / nicht üble / aber schon alte und nicht mehr wohl sehende Musicant / welcher als er einstens bey einer vornemmen Tafel-Music gesungen hat / da kam gehling ein Fliegen daher / die setzte sich zu oberst der Linien des Gesangs / er aber sahe sie für ein hoche und volle Noten an / erhebte deßwegen sein Stimm / schrye mit vollem Hals und hielte tapffer aus: die andere Musicanten machten grosse Augen sich verwunderend / was dieser Cantor ungereimtes anfange / und wispleten oder bedeuteten ihm / daß er grob fehle / er aber wolte nicht nachgeben / noch gefehlt haben / sondern zeigte mit dem Finger auf das Gesang: als er aber der Mucken zu nahe kommen / da ist sie darvon geflogen /und hat den Fehler Augenscheinlich entdecket: mithin aber ist die völlige Music in ein lautes Gelächter verwandlet worden. 78 Sihe ein kleines Ding / ein eintzige Fliegen hat die gantze Music verstöhrt.

Ein kleines Ding ist es um ein nulla in der Rechnug-Kunst / so klein als wie ein Senff- oder Pfeffer-Körnlein / und dannoch wann sie zwey anderen beygesetzt wird / da macht sie aus hundert tansend. 79 Ein kleines Ding ist es um einen Buchstaben / und dannoch macht ein eintziger Buchstaben ein grosse Aenderung in der Schrifft / aus einem volo nolo etc. Gar ein kleines Ding endlichen ist es um ein Pünctlein / um einen Augenblick der Zeit / und dannoch ist die gantze lange Ewigkeit daran gelegen / also daß man in einem Augenblick den Himmel oder die Höll verdienen kan.

Aus diesem allem erhellet klar / daß offt an einem kleinen Ding gar viel gelegen / und folgends selbes nicht zu verachten / sondern wohl in obacht zu nemmen seye. Modica ne spernas, kleine Sachen thue nicht verachten / solle man öffters zuruffen einem jeden seines Heils beflissenen Catholischen Christen /einem jeden Politico und Statisten / einem jeden Kriegs-Mann / einem jeden Künstler und Kauffmann /einem jeden Studenten und Musicanten / einem jeden Haußwirth und Baursmann etc. ja allen und jeden Menschen will ich hiemit zuruffen und aufs träfftigste einbinden:


Ne spernas modica, aut multùm tibi spreta nocebunt.
Verachte nit die kleine Ding /
Sonst wird dein Schad seyn nicht gering.
Der 7. Absatz
Anhang
Anhang zu der Leinwat.
Von dem Papier.

Ein noch gantz besondere und fürtrefliche Eigenschafft / über die schon gemeldte / hat die Leinwat an sich / daß sie nemlich gleichsam unsterblich [632] ist / und einiger massen ewig dauret: dann nachdem sie dem Menschen lang genug gedient hat / und zu unterschidlichen Dingen gebraucht / und offt ist gewaschen worden / endlichen aber gantz zerrissen und verfetzet / da wirfft man sie noch nicht als unnütz dahin / sondern man klaubt die Lumpen zusammen / fahret mit den selben in die Papier-Mühle / und macht ein schönes weisses Schreib- und Druck-Papier daraus. 90 Auf solche Weiß wird die Leinwat gleichsam aufs neu gebohren / sie bekommt wiederum ein andere noch schönere und weisse Gestalt / und fanget an dem Menschen aufs neu zu dienen / mit unbeschreiblichen Nutzen und Vortheil des gemeinen Wesens. Sie kommt aufs neu zu grösten Ehren / wann sie zu Papier gemacht wird / in massen das Papier gar vilfältig von allen Gelehrten / und vornehmen Leuthen gebraucht wird. Auch König und Kayser schreiben offt eigenhändig ihre Freyheits- und Gnaden-Brief darauf: vil wichtige Documenta und Fundations-Brief werden auf das Papier geschriben / und hernach in dem Cantzleyen / in den Archiven hinderlegt / und über alle Schätz bewahret und aufbehalten. Das Papier wird tägliich von Bischöffen und Prälaten in dem Brevier in den Händen umgetragen: auf das Papier werden so viel tausend auserlesene Concept, Geschichten / und Lehrsätz oder Unterweisungen gedruckt und geschrieben / ja das Wort GOttes selber die Heilige Schrifft wird zu Papier gebracht / und schier unzahlbare / mit so nutzlichen Dingen angefülte Bücher werden hin und wieder in den Bibliothecen biß etlich hundert Jahr lang auf behalten / und die Wissenschafften unvergleichlich beförderet: da man vor alten Zeiten (ehe diese Kunst Papier zu machen ist erfunden worden) so mühesam und beschwerlich nur auf zarte weisse Baum-Rinden / oder Häutlein von gewissen Moßrohren hat schreiben müssen / oder auch die Buchstaben mit einem Griffel oder was dergleichen /in ein weiches und flach ausgebreitetes Wachs hat einstechen oder eingraben müssen.

Verwunderlich groß ist die Menge des Papiers /welches hin und wieder in Europa / absonderlich in Teutschland gemacht / und theils zum Drucktheils zum Schreiben applicirt und verbraucht wird: also zwar daß in einer eintzigen grossen fürnehmen Stadt /benantlich in der löblichen Reichs-Stadt Augspurg /allwo es vil berühmte Buch-Handler und fürnehme Buchdruckereyen gibt / in einem Jahr aufs wenigist etlich- oder mehrere tausend Riß Papier nur auf die Bücher zu drucken verwendet werden / ohne daß was zum Schreiben verbraucht wird / welches alles die alte weisse Leinwat aushalten muß: mithin sich zu verwunderen ist / wo man so unsäglich vil Lumpen auftreibe die sich in die Papier-Mühle / und unter dem Stampf bringen lassen. 91 Es hat aber das Papier seinen Nahmen von dem Egyptischen Schilff-Rohr daßPapyrus heißt / welches die Alte also zugericht haben / daß man darauf hat schreiben können. Die Kunst Papier zu machen auf die Art wie es jetziger Zeit noch gebräuchlich / solle von einem Teutschen / und zwar zu Basel Anno Christi 1470. erfunden worden seyn: oder wie andere wollen / soll diese Kunst schon 1340. bekant gewesen seyn. Deme sey nun wie ihm wolle /so ist es doch gewiß / daß das Papier machen / so vil unterschidliche Mühe und Arbeit brauche. Auch hiervon eine Nachricht zugeben / ist zuwissen / daß ein jeder Bogen Papier wohl 30 mahl durch die Händ gehen muß / biß daß er gäntzlich verfertiget wird /also daß man darauf schreiben kan: dann erstlich werden die Lumpen / wann sie in die Papier-Mühle gebracht werden / verlesen und ausgesucht / die weisse und zärtere zum Schreib- oder Druck-Papier / die grobe und schwärtzere aber zum Fluß- und anderen schlechten Papier gewidmet: hernach werden sie eingenetzt / aufeinander gelegt / und der Fäulung überlassen / alsdann gehacket / angefeuchtet / [633] noch ein mahl zerhackt / gestampfet / zusammen geschlagen /und zum halben Zeug / wie sie es nennen / getrocknet: hierauf wird diese Materi wieder gestampfet / zum gantzen Zeug in die Bütte / die ein grosses Faß ist /gethan / mit Wasser angemacht / und durch eine kupferne Blase / in welcher Feur gemacht / angewärmet. 92 Nachmahls wird die Form / so in einer höltzernen Rahm bestehet / in der Grösse / die man dem Bogen geben will / aus sehr engen der Länge nach einander gemachten feinen Drat: in Mitten derselben ist das Zeichen so man dem Papier geben will zusehen / als etwann ein Post-Hörnlein / ein Creutz oder Adler etc. gleichfals von subtilen Drat eingeflochten. Ferners wird der Zeug aus der Bütten oder dem Faß geschöpffet / jeder Bogen auf einen Filtz oder wollens Tuch gelegt / alsdann unter die Preß gebracht / und das Wasser ausgepreßt: hernach werden die Bögen an den Stricklein aufgehenckt / geschelet / geleimet / und die Mangelhaffte ausgeschossen / geglättet / und in 24. oder 25. Bögen / die Bücher aber in Riß / und die Riß in Ballen zusammen gelegt. Es können aber solche Bögen dicker oder dünner / breit und länger / oder schmal- und kürtzer gemacht werden / nachdem die Form eingericht ist / woraus dann der Unterschid des Papiers entspringt. Mithin ist sich nicht zu verwunderen / daß die Papiermacher mit Erlernung ihrer Kunst 4. Jahr und 14. Täg zubringen müssen.

Ein Ballen Papier besteht aus 10. Riß oder 200. Bücheren. Ein Riß begreifft 20. Bücher / oder 500. Bögen / und ein Buch 25. Bögen Druck- oder Schreib-Pappier.

Es gibt aber des Pappiers unterschidliche Sorten, als Regal-Papier / welches das gröste ist / und wird theils zu Land-Charten / und Kupferstichen / theils auch was schlechtere ist / zu Wahren einzupacken gebraucht: Median-Papier ist auch groß und starck / von bestem Zeug gemacht / wird in Kauf-Manns-Bücheren / und Lehr-Briefen gebraucht. Post-Papier / so zu den Briefen / so in die Ferne abzuschicken / genommen wird / ist schön und zart: das Cantzley und gewöhnliche Schreib-Papier ist nicht gar so zart: dasConcept-Papier aber / auf welches man obenhin etwas zu entwerffen / oder zu verzeichnen pflegt / ist etwas schwärtzers und schlechters.

Aus dem was bißhero gemeldt worden / erscheinet daß nicht leicht ein Manufactur oder Hand-Arbeit zu finden / welche mehr braucht / als die Leinwat / und das Papier / diese beyde müssen überaus vil leiden oder ausstehen biß daß sie zu ihrem vollkommnen Stand gereichen / bald Hitz / bald Nässe / bald schlagen / bald stossen und pressen / bald ausspannen /bald aufhencken / aber dieses alles schadet ihnen nicht nur nichts / sondern vilmehr thut es ihnen nutzen: dann je öffter und ärger die Leinwat und das Papier hergenommen wird / und je übler sie tractirt werden / je schöner / weisser und zärter wird so wohl eins als das andere / die Leinwat und das Papier. 93 Ein solche Beschaffenheit hat es auch in sittlichem Verstand mit einem gedultigen tugendsamen Menschen /welcher je mehr und stärcker er gepreßt / geplagt / tribulirt und verfolgt wird / je volkommner und GOtt gefälliger wird er / Hitz und Kälte / Hunger und Mangel / Kranckheit und Schmertzen / Verfolgund und Verläumdung / macht er ihm alles zu Nutzen: Diligentibus DEum omnia cooperantur in bonum, nach Zeugnuß des Apostels / denen die GOtt lieben gereicht alles zum Besten. Alle Trübsal und Widerwärtigkeiten werden ihnen zu lauter Edelgestein / mit welchen die Cron ihrer Glori oder ewigen Belohnung versetzt und ausgeziert wird.

Noch eine sonders fürtrefliche Eigenschafft finde ich an dem Papier / die ich auf einem jeden Bogen /so bald er aus der Papier-Mühle kommt / gleichsam geschrieben lise / nemlich indifferentia die Gleichgültigkeit / das Papier ist indifferent zu allem was man[634] darauf schreiben will / Guts oder Böses / Lobens oder Scheltens würdiges / es gilt ihm gleich / nimbt alles an / ein schöne und schandliche Schrifft: es ist ihm ein Ding ob ein König oder Fürst / eigenhändig einen Gnaden-Brief darauf verzeichnet / oder ein ungeschickter Schul-Knab mit vilen Fehleren es anfüllet etc. vast eben wie die Philosophi von ihrer Materia prima sagen / daß sie alle Formas oder Gestalten die schlechte wie die fürnehme / gleichgültig annehmen. Also solte auch der Mensch gegen GOtt beschaffen /und von seiner vätterlichen Hand alles / was er ihm zuschickt / williglich und gleichmüthig annehmen /süß oder saur / Tröstung und Trübsal / Freud und Leid / Gesundheit und Kranckheit / Reichthum und Armuth etc. es soll ihm gleich seyn / ob ihn die Göttliche Fürsichtigkeit in diesen oder jenen Stand setzet /zu diesem oder jenem Ambt und Verrichtung verordnet / in versicherter Hofnung / daß es zu seiner Seelen Heyl gereichen werde / wann er sich GOtt gäntzlich überlasset / und anvertrauet.

Der 8. Absatz
Der 8. Absatz.
Von dem Graß und Heu.

Das Graß wird zwar insgemein nicht vil geachtet /von Menschen / und Thieren unachtsamer Weiß mit Füssen getretten: doch ist es ein sondere Zierd des Erd-Bodens dessen es einen grossen Theil occupirt /und einnimbt: es bedecket die Wiesen und Felder / die Berg und Thal / es gibt ihnen ein Ansehen / und erlustiget die Augen der Menschen nicht wenig. 94 Aber es hat ein kurtzes Dauren / es bleibt nicht lang in seiner annemlichen Grüne / dann weilen es keine tieffe Wurtzlen hat / so kan es die Sonnen-Hitz nicht lang ertragen: absonderlich wann es auf dürren Hüglen /und Bergen / steht / wo es keine Nässe / oder Feuchtigkeit hat.

Wann aber der Mader mit der Sensen darüber kommt / und es abmähet: da ist es gar gleich darum geschehen / in etlich wenig Stunden ist all sein Schönheit hin: was am Morgen in der Frühe annemlich grünte / und ein Augen-Lust war / das ist am Abend schon ein lauters trockenes / und dürres Heu /daß alle Schönheit verlohren hat.

Es kan deßwegen billig das menschliche Leben mit dem Graß / und Heu verglichen werden / als welches auch in der Jugend schön grünet und annemlich blühet / man verliebt sich darein / man belustiget sich darbey / aber weil der Mensch gar schwach / und baufällig ist / weilen er von unterschidlichen Zufällen /Kranckheiten und Anliegen beunruhiget / belästiget /und überfallen wird / so kan er nicht lang bey seinen Kräfften / und bey seiner Schönheit dauren / sondern es nimbt gar bald alles wiederum ab. 95

Ja es kommt gehling der Schnitter / der Tod mit seiner Sichel / oder Sensen daher / und offt frühezeitig / und mähet das schöne grüne Graß unversehens ab /er schneidt den Menschen den Lebens-Faden ab: da verwelcket er / als wie das Graß / er verdorret / als wie ein Heu / und die schön-weiß- und rothe Wangen werden also bald in ein bleiche Todten-Farb verstaltet / wie es unter andern der Heil. Franciscus Borgias, als noch ein vornehmer Hof-Herr bey Kayser Carolo dem fünfften / an dem so häßlich-verstalteten Todten-Cörper / der bey Lebs-Zeiten wunder schönen Kayserin Isabella gar wohl beobachtet / und tief zu Gemüth geführet hat / auch deßwegen sich entschlossen in dem geistlichen Stand GOTT allein zu dienen.

Dieses ist was schon vor längsten der Prophet Isaias gesprochen hat. Omnis caro fœnum, & omnis gloria ejus,quasi flos agri. 96 Alles Fleisch ist graß /und all sein Herrlichkeit / wie ein Feld-Blum / das Graß ist verdorret / und die Blum ist abgefallen. Bey der Wahrheit das Volck ist Graß / das Graß ist verdorret / und die Blum ist abgefallen. deßgleichen sagt auch der weise Syrach: [635] omnis caro sicut fœnum veterascet, & sicut folium fructificans in arbore viridi: Alles Fleisch wird wie Graß veralten / als wie die schöne Blätter auf einem Baum.

Eben der Ursachen kan auch das zeitliche Glück /und Wohlfahrt in alle zergängliche Freuden / und Ehren billich mit dem Heu / und Graß verglichen werden / als welche so gar kein Bestand haben / und kürtzlich dauren / indeme vil unzahlbare Menschen /welche in der Jugend ein Zeitlang an Güter / und Ehren geblüht / oder gegrünet haben als wie das schöne Graß / gehling in dem Alter / oder auch noch vor verwelcket / und verdorret seynd / als wie ein Heu /das ist / armseelig / und verächtlich worden. 97 DannFortuna hujus mundi nihil habet stabile, nihil firmum, sagt neben andern der Heil. Chrisostomus, das Glück diser Welt hat nichts beständiges / und nichts dauerhafftes / wie es auch der Poët mit folgenden Versen anzeuget.


Passibus ambiguis fortuna volubilis errat
Et manet in nullo certa tenaxque loco,
Sed modo læta manet, vultus modò sumit acerbos,
Et tantùm constans in levitate suâ est.
Unbeständig / ist des Gelücks sein Sinn
Bald ist es da / bald weichts dort hin:
Jetzt gibts eim was / jetzt nimbts es wieder /
Bald hebts ein auf / bald wirffts ihn nieder.
Crescit, decrescit, in eodem sistere nescit.
Bald nimbt es zu / bald nimbt es ab /
Und zeugt daß es kein dauren hab.

Deßwegen hat wohl recht gethan jener kluge Mann / der einem Glücks-Kind / welchem ein Zeit lang alles nach Wunsch und Willen gangen ist / unter anderen ein grossen starcken eisenen Nagel verehrt hat: und als sich dieser verwunderte / und befragte / was es bedeute / was er mit dem Nagel thun soll / widersetzte jener / er sehe wohl / daß er alles genug habe / und ihm nichts abgehe / als ein starcker Nagel / das unbeständige Glücks-Rad darmit zu befestigen / auf daß es sich nicht umwende / und an statt des grossen Glücks / vil Unglück ihm über den Halß komme. Der diß nicht glauben will / oder nicht selbst erfahren hat / der lasse nur seine Augen ein wenig auf die grosse Schau-Bühne dieser Welt auslauffen / da wird er also bald sehen / wie daß die Fortuna die vermeynte betrügliche Glücks-Göttin / mit ihren Schooß-Kinderen ein so erbärmliches Spiel treibe / und selbe offt gar unversehens von dem Giepffel der Ehren / und Wohlfahrt / in die Tiefe der Armseeligkeit / und Verachtung herab stürtze: wie es wohl bekennt / und reiflich erwogen hat der Weltweise Seneca, da er gesprochen /


O Regnorum nimis fallax
Fortuna bonîs, in præcipiti,
Dubioque nimis excelsa locas.

Das ist so vil gesagt.


O falsches Glück / du hast vil Tück
Und pflegst die Welt z' betrügen /
Wen du wilst stürtzen jämmerlich /
Den machst in die Höhe fliegen.
Dein Schmeichlen sehr betrüglich ist /
Mit Gifft gar starck vermischet:
Ehr / Reichthumb / Macht / was herrlich ist /
vergeht bald und entwischet.
[636]
Fußnoten

1 Grosse Fruchtbarkeit der Erden.

2 Gen. c. 1. v. 11.

3 Geistliche Frucht des Hertzens.

4 ad Gal. c. 5.

5 Cant. c. 2. v. 3. Prov.

6 Das Korn ist die allerbeste und nothwendigste Frucht.

7 Genes. c. 41. v. 47.

8 Die geitzige Korn-Juden werden gestrafft.

9 Geschichten des gestrafftett Geitz.

10 Jac. c. 2. v. 13.

11 Geschicht verwunderlicher Sanfftmuth.

12 Hoffnung des Belohnung macht Arbeit ring.

13 Ps. c. 127. v. 2.

14 Ps. 125. v. 7.

15 Des Korns Brschaffenheit und Fruchtbarkeit.

16 Die heilige Schrifft und Christenheit mit dem Korn verglichen.

17 Das Brod ist ein allgemeine Speiß / aber unterschiedlich.

18 Abgang des Brods wird wunderthätig ersetzt.

Geschicht.

19 Das Brod soll man nit müßig essen.

20 Gen. c. 3. v. 19.

21 Sittliches Brod der Seelen ist unterschidlich.

22 Schändlich und übelriechendes Brod seynd die zeitliche Güter.

23 Isa. c. 29. v. 8.

24 Unterschidliches Brod aus unterschidlichen Erd-Früchten.

25 Die heilige Schrifft mit unterschidlichem Brod verglichen.

26 Das Brod soll niemand verleiden.

27 Zwiblen / Knoblauch und Rettich wie sie beschaffen / und was sie bedeuten.

28 Marc. c. 16. v. 18.

29 Die Weinreben seynd ein edles Gewächs / aber mühsam zu bauen.

30 Gen. c. 9. v. 20.

31 Der Weinwachs ist unterschidlich.

32 Num. c. 3. v. 22. & 40.

33 Der Mensch wird mit einem Rebstock verglichen in vil Stucken.

34 Christus der HErr ist ein geistlicher Reb-Stock.

Joan. 15. v. 5.

35 Eccli. c. 24. v. 23.

36 Die Catholische Kirch ist ein sittlicher Wein-Garten.

37 Der Wein / dessen Güte und Menge ist ungleich.

38 Indisch- und Sinesischer Lust- und Staats-Garten.

F. 820.

39 Nutzen und Furtrefflichkeit des Weins wird gerühmt.

40 1. Tim. c. 5.

41 Der Wein bedeutet die Lieb.

42 Manual. c. 24.

43 Bern. ser. 14.

44 Opusc. de dilig. Deo.

45 Gen. c. 31. 9. 40.

46 Geschicht.

47 Die unmäßige Lieb verblendet.

48 Eccli. c. 19. v. 2.

49 Unterschidliches Getränck.

50 Falsche Politic und Freundschafft ist gleich einem angemachten Wein.

51 Aufrichtige Lieb und Freund seynd rahr.

52 In c. 2. Math.

53 Euccli. c. 25.

54 Die Trunckenheit ist ein gar gemeines Laster.

55 Vilfältiger Schaden der Trunkenheit.

56 Eccli. c. 31. v. 39. & 40.

57 Ibidem v. 35. & 36.

58 Prov. c. 23. v. 32.

59 Ephes. c. 5. v. 18.

60 In Psal. 125.

61 Ad sacras virg.

62 In quod. serm.

Idem lib. de pœnit.

63 Seneca Ep. 85.

64 Trunckenheit wird ferners gestrafft und getadlet.

65 Hom. 9. in gen.

66 Polyanthea v. ebriet. de fol. 365. & seq.

67 Volle Leuth seynd unterschidlich beschaffen.

68 Geschicht.

69 Die Nichterkeit wird recommendirt.

70 1. Cor. c. 6.

71 5. Aug. in quod. serm.

72 Untüchtige Entschuldigung der Saufferen.

73 Des Senffs Art und Eigenschafft.

74 Die Buß mit dem Senff verglichen.

75 Matth. c. 13. v. 31.

Christus der HErr ist gleich einem Senff-Körnlein.

76 Wie der Pfeffer beschaffen seye.

77 Auch kleine Sachen thun viel machen / und seynd nicht zu verachten.

78 Geschichten.

Ubel sehen / macht übel fingen.

79 Ein kleines Ding / macht grosse Sprüng.

80 Mühesame Zubereitung des Hanff- und Flachses.

81 Die Leinwat ist vilfältig und unterschidlich.

82 Groß- und vilfältiger Nutzen der Leinwat.

83 Mißbrauch der Leinwat wird getadlet.

84 Prov. c. 31. v. 13. & 9.

85 Luc. c. 16. v. 19.

86 Weisse Leinwat wird von dem Himmel hochgeschätzt.

87 Apoc. c. 19. v. 7. & 8.

88 Das Gewissen wird einer Leinwat verglichen.

89 Isaiæ c. 1. v. 16.

90 Papier aus Leinwat gemacht / thut grosse Dienst.

91 Grosse Menge des Papiers.

92 Papier machen braucht vil Mühe und Arbeit.

93 Das Papier und die Leinwat bedeutet einen Gedultigen.

94 Das Graß ist schön / aber nicht dauerhafft.

95 Das menschliche Leben mit dem Graß / und Heu verglichen.

96 Jsa. c. 40. v. 6.

97 Zeitliches Glück ist gleich dem Heu / und Graß.

V. Von den Kräuteren
Der 1. Absatz
Der 1. Absatz.
Von dem Roßmarin, Majoran, und Lavendel.

Der edle Roßmarin wird in den Gärten gepflantzt /und erzogen / seyn länglecht / und schmahle / aber fette Blättlein / wie auch sein weißlechte Blühe hat /wie bekannt einen lieblichen und penetranten Geruch / der in das Hirn steiget / und das Haupt stärcket / so wohl die Blühe / als auch Blätlein werden vielfältig in der Apothecken Artzney-weiß gebraucht / und auch ein Wasser daraus gebrennt. 2 Es gibt aber auch eine Gattung [637] des Roßmarins in etwas breiteren Blättlein. Wann ein Stock sechs / oder sieben Jahr alt ist / da wird er zu holtzig / und ferners undienlich: darum muß man ihn zertheilen. Und die Zweig oder Schößlein versetzen / damit man nicht von der Art komme. Die Bienen / oder Immlein lieben die Roßmarin-Blühe sehr / und machen besseren Honig darvon / als von anderem Blumenwerck. Am besten ist es / wann man den Roßmarin-Stock über Winter in einer Stuben hat / wo man nicht einheitzt / oder an einem solchen Orth / welches temperirt / das ist / nicht gar zu kalt /und nicht zu warm ist / wann der Roßmarin in der Blühe ist / muß er nie umgesetzt werden.

Er ist warmer und truckner Natur / er wärmet / er öffnet / und stärcket: ist auch für die Anligen des Miltzes / und der Leber / wie auch für kalte Flüß des Haupts etc. 3 Die Blumen samt dem nechsten Blättlein (so lang die Blühe wehret) alle Morgen mit Brod und Saltz genommen / stärcket das Gesicht sehr: in Wein aber / oder Eßig gesotten / und warm in den Mund gehalten / vertreiben sie das Zahnwehe: seynd auch sonsten dem Haupt / Hertz / und Magen gut / wie Herr von Hochberg schreibet / von dem adelichen Land-Leben Tom. I. f. 616.

Der wilde Roßmarin aber / so dauerhaffter ist / als der gepflantzte / wachst in Franckreich in der Nabonensischen Provintz für sich selbst so häuffig / daß man ihn / als wie ein anderes gemeines Holtz brennet / mit so dicken Stammen / daß man allerley daraus machen kan. 4 Deßgleichen in Italien / allwo er nicht nur im Frühling / sondern auch in dem Herbst blühet: wie Mathiolus in Dioscoridem f. 523. bezeuget. Auch wie ich erzehlen höre / so wächst in Hispanien an gewissen Orthen der Roßmarin so häuffig / daß die Schaf darin weyden / als wie bey uns in gemeinem Graß.

Sampsuchus, oder Amaracus der Majoran ist ein bekanntes / starckes / und wohlriechendes Kraut. 5 Es ist aber des Majorans zweyerley: Sommer und Winter-Majoran / jener ist zart / und wohlriechend / muß alle Jahr aufs neue / von dem aus Italien kommenden Saamen in dem zunehmenden Mond gesäet werden: der Winter-Majoran ist etwas gröbers / mag wohl an statt des Bux-Baums gebraucht / und die Blum-Bettlein darmit eingefast werden; weil er sich wohl unter die Garten-Scheer gibet / und jemehr man ihn stutzet /je besser wachst er: wann er im Winter mit Stroh eingemacht wird / so schlagt er im Frühling wieder aus. Er laßt sich auch vermehren / wann man die Stöcklein zerreist / und aus einem etliche macht / wann sie auch keine Würtzlein haben / wachsen gleichwohl.

Der Sommer-Majoran aber will Schatten und fettes Erdreich haben / und muß öffters gespritzt werden: im Frühling kan man die Stöcklein samt der Wurtzel zertheilen / und versetzen: er hat nicht gerne andere Kräuter um sich / und wird eines halben Schuhe weits von einander gesetzt.

Der Gebrauch des Majorans in der Artzney ist eben auch vielfältig / und seine medicinalische Krafft unterschidlich. Unter anderem wann er gesotten wird /so ist er für die / welche anfangen Wassersüchtig zu werden: die Blätlein mit Honig gestossen / und überlegt / vertreiben die blaue Fleck / und Mähler / so vom Schlagen oder Stossen herkommen. Das Pulver darvon / wie Taback in die Nasen genommen / reiniget / und stärckt das Haupt / die Lebens-Geister / und die Gedächtnuß / wie auch das Wasser / so darvon gebrennt wird.

Lavendel oder Spicanord seynd einerley Art / das erste wird Spiconardus mas: das andere aber Spiconardus fœmina genennt: das erste ist an Gestalt Blumen / und Würckungen stärcker / das andere aber lieblich- und annehmlicher. 6 Der Lavendel wachst gerne an steinichten Orthen / wo er viel Sonnen hat /dann er ist warmer und truckner Eigenschafft / wie der Roßmarin / und Majoran.

Dieses Kraut ist auch gut für allerley Zuständ und Gebrechen des Hirns / auch für den Krampff / für das Hinfallende / [638] und den Schlag / Schlaffsucht etc. Zu welchem Ende die im Zucker candirte Blühe viel vermag. Lavendel stärcket ferner das Haupt / trücknet die Flüß etc. das aus den Blumen distillirte Wasser zwey Löffel voll getruncken / wiederbringt die verlohrne Sprach / und in dem Mund gehalten stillet es das von den Flüssen herkommende Zahnwehe etc. In der Apothecken werden viel conserven / Zucker / Oel / Wasser / Wein und Eßig daraus gemacht: die Lavendel-Blühe unter die Leinwadt gelegt / macht selbe wohlriechend / unter den wollenen Tüchter vertreibt die Schaben. In den Gärten wird auch ein ander Lavendel-Art gezüglet / Lavendula multifido folio, sie hat Holtzächtige / doch schöne liecht-grüne Stengel und Blätter / eines lieblichen Geruchs: sie tragt den Saamen auf fast gleiche Weiß in Aehren / mit liecht-blauen Blümlein.

Es kan meines Erachtens die Tugend insgemein füglich mit dem Roßmarin / Majoran / und anderen dergleichen wohlriechenden / und Hauptstärckenden Kräuteren verglichen werden / als welche ein so guten lieblichen Geruch von sich gibet / daß sie jedermänniglich / wo nicht an / oder nach sich ziehet / doch allen wohlgefallt / und angenehm ist. 7

Ich sage nach sich ziehet / oder aufs wenig ist wohl gefallt: weilen es offt bey den sündigen Menschen heisset:


– – Video meliora, probóque
Deteriora sequor. – –
Das Gute mir zwar wohlgefallt
Doch das Bös mich an sich behalt.

Es können nemlich auch die Gottlose der Tugend /wegen ihrer angebohrnen Schönheit / und holdseeligkeit nicht feind seyn / sie müssen sie loben / lieben und hochschätzen / aber sie wollen ihnen die Mühe nicht nemmen / selbe auch in dem Werck zu üben.

Doch wird auch hingegen zum öffteren wahr das lateinische Sprichwort: Verba movent, exempla trahunt: die Wort / das zu sprechen beweget zwar Gutes zu thun / aber das tugendliche Exempel zwinget gleichsam durch einen heimlichen Liebs-Gewalt zur Nachfolg: und gleichwie die Imen / oder Bienen gern dahin fliegen / wo sie einen lieblichen Geruch der Blumen und Kräuter vermercken / also thun sich die ehrliche Gemüther bey denen tugendlichen Menschen gern einfinden / und aufhalten; dann die Tugend ist ein edles / und fürtreffliches Gut (das Gut aber ist der eigentliche Gegensatz des Willens / und der Liebe) welches von dem unendlichen Gut / das ist GOTT: als wie ein kleines Bächlein von dem unergründlichen Meer herflüsset. 8 Nihil virtute amabilius est, nihil est quod hominen magis alliciat ad diligendum, 9 sagt der beredte Cicero: Es ist nichts lieblichers als die Tugend / und es reitzet den Menschen nichts mehr zum Lieben an. Sie gibt auch von weitem / als wie die besagte Kräuter ein so gut und starcken Geruch von sich / daß wir / sagt er weiters / die Tugendsame lieben / wo sie immer seynd / auch wann wir selbe schon nie gesehen haben. Wiederum anderstwo: Quod honestum, & cum virtute est, id solum opinor bonum, in quo virtus est. nil ei ad beatè vivendum deesse puto. Was ehrlich und tugendsam ist / das achte ich allein für ein wahres Gut / und wer die Tugend hat /dem gehet nichts ab glückseelig zu leben: hingegen sagt er / ohne Tugend kan niemand glücklseelig seyn. So viel haltet ein Heyd von der Güte und Lieblichkeit der Tugend: Was solle nun ein Christ darvon halten?

Ferner / gleichwie der Roßmarin und Majoran das Haupt / das Hertz / und den Magen stärcket / also stärcket die Seel die Tugend / und das Hertz / oder den Verstand / und Willen / ja alleKräfften der Seelen. 10 Ja in Heil. Schrifft wird zum öfftern virtus pro fortitudine, & potentia, die Tugend für die Macht /oder Stärcke genommen. Auch der weise Seneca sagt: Validiorem omnium & celsiorem virtus facit, nam cætera, quæ cupiditates nostras irritant, animum deprimunt, & labefaciunt. Die Tugend [639] allein stärcket /und erhöhet den Menschen / andere Ding aber / so die Begierden entzünden / die schwächen und unterdrucken das Gemüth. Was die Nerven / und Gebein dem Leib seynd / daß seynd die Tugenden dem Gemüth und der Seel: ohne Gebein und Nerven wurde der Leib zu Boden fallen / oder auf der Erden umkriechen als wie ein Wurm: ohne Tugenden kan sich das Gemüth nicht aufrichten / und die Seel klebet den irrdischen Dingen an.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von dem Wermuth, Rauthen, und Cardobenedict.

Der Wermuth ist ein bitteres / aber zu vilen Dingen /absonderlich in der Artztney sehr nutzliches Kraut: es seynd dessen unterschidliche Gattungen: der gemeine Wermuth / so gern an steinigen / und ungebauen Orthen wachst / ist warm und trucken: wird sonsten im Herbst und Frühling gepflantzt. 11 Absynthium ponticum Italicum, oder Römischer Wermuth ist kleiner /und nicht gar so bitter / als der gemeine / aber edler /und eines zusammen ziehenden scharffen Geschmacks: Er hat schöne zerkerpfte weißlecht / oder Aeschen-Farbe Blättlein: Im Herbst bekommt er vil kleine rundte Knöpflein / daraus gelbe Blümlein erwachsen. Absynthium Santonicum, Semen Cinæ, das Wurm-Kraut / Wurm-Saamen / weil es die Würm in des Menschen Leib tödtet / oder austreibt / kommt häufig über Venedig / und Alexandria. Absynthium dulce wird auch der Aniß genennt.

Der Römische Wermuth hat unter andern die Krafft zu wärmen / zu stärcken / zu eröffnen / und zu reinigen: er führt die Gall aus / beförderet die Dauung /und macht Appetit zum Essen / er vertreibt das Grimmen / und reiniget das Geblüth:

Auch der gemeine Wermuth hat dergleichen Effect oder Würckungen / er treibt auch / was gifftig oder schädlich aus dem Leib. Die Blühe darvon in Wein gesotten / und warm getruncken / lindert die Magen-Schmertzen / und tödtet die Würm im Leib.

Der Wermuth führet in denen Colerischen Fiebern die im Magen und dem Gedörm anhangende Gall aus / stärcket den Magen und die Leber / bringt Appetit zum Essen wieder / wie auch die verlohrne Farb / und vertheilt die Wind im Leib.

Ferners das distillirte Wasser von Wermuth auf die Schläf gelegt benimt das von der Kälte verursachte Haupt-Wehe / in die Augen geträuft / macht es ein klares Gesicht / und die Ohrengelassen / vertreibt es denselben Geschwär und Schmertzen / das Kraut bewahret die Kleider von den Schaben / und der Safft darvon verhüttet das Papier von den Mäusen / und Schaben / welches alles Herr von Hochberg in seinem fürtreflichen Buch von dem adelichen Land- und Feld-Leben betitlet / schreibt. 12

Ein solches bitteres aber sehr gesundes Kraut in sittlichem Verstand ist die Gedult und Abtödtung: dann gleichwie der bittere Wermuth gut ist / wider die Gall / wider die Würm / und Wind im Leib / auch den Magen stärcket / und wohl verdäuen machet / also ist die Mortification, und Gedult gut wider die Gall / und die Wind / das ist / wider den Zorn / und wider die Hoffarth. 13 Sie macht auch die hartenBrocken / das ist Trübsal / Schmach / und Verfolgung / verdeuen und verkochen / oder gedultig übertragen.

Diese Tugend erwärmet / eröffnet / und reiniget das Gewissen / als wie der Wermuth den Leib. Ferners macht auch die Gedult / und Abtödtung uns klare Augen / und gutes Gehör / das ist / sie bringt gute Erkantnuß der Wahrheit / und macht willig Anhören die Stimm GOttes etc. Sie sammlet ihr auch geistliche Schätz / und hinterlegt selbe in dem Himmel / allwo sie nach Zeugnuß Christi weder von dem Schwaben /weder von dem Rost zerfressen werden. 14

Aber hingegen kan auch die Sünd durch den Wermuth bedütten werden / [640] der Ursachen / weilen gleichwie die Schärffe / und Bitterkeit des Wermuths den leiblichen Geschmack / und Geruch also verderbet /daß er nicht leicht unterscheiden kan was bitter / oder süß ist etc. auch die Milch / und das Honig mit Wermuth wird bitter etc. also verderbt die Sünd den Geschmack der Seel / und verursachet / daß ihr die wahre geistliche Freuden / und Wollüst gantz bitter /und herb vorkommen / und hingegen falsche betrügliche Welt Freuden süß / und lieblich. 15 Darum hat der Prophet Isaias zu den Sünderen gesprochen væ vobis! qui dicitis bonum malum, ponentes dulce in amarum. 16 Wehe euch! die ihr Gutes bös / und Böses gut heisset / die aus sauer süß / und aus süß sauer machet. Den Geruch aber verderbt die Sünd / weil sie den Gestanck des bösen Exempels von sich gibt etc.

Wann die Bienen / oder Immen vil auf den Wermuth sitzen / und saugen daran / so machen sie ein bitters Honig: also werden auch die zeitliche Freuden / und Wollüst durch den Wermuth der Sünden verbittert / wegen der Bitterkeit des nagenden Gewissens /und der Forcht bevorstehender Straff etc. diese deuten an die Wort des weisen Manns: Labia meretricis favus distillans, novissima autem illius amara ut absynthium. 17 Die Letzten der Huren seynd ein Honigseim / aber ihre lefzen seynd bitter wie Wermuth. Auch die Bitterkeit des Wermuths verspieret man nicht gleich / so bald man ihn zum Mund bringt /wohl aber / wann man ihn anfangt zu verkosten: und die Bitterkeit oder den Schaden der Sünd vermerckt man nicht gleich / wann man sie begeht / aber bald hernach / wann sie die Seel hat eingenommen. Als dann wird erfillet was GOtt durch den Propheten den Sündern gedrohet hat sprechend: Citabo eos absynthio, & potabo eos felle: Ich will sie mit Wermuth speisen / und mit Gall träncken.

Die Rauten ist einer hitzigen scharffen sehr Bitteren Eigenschafft / sie wachst auf kurtzen Stengelein mit allzeit grünen kleinen dicken Blätlein. 18 Es ist aber die Rauten zweyerley / zahme / und wilde / oderhortensis domestica, und salvestris, oder montana, Berg-Rauten: jene wird in den Gärten gepflantzt /diese aber wachst auf den Stein-Felsen / und Mauren.

Von der Berg Rauten fürnemlich erzehlet Matthiolus in Dioscoridem vil herrliche medicinalische Effect, oder Würckungen f. 429. Unter anderen solle sie gut seyn für die Augen mit Rosen-Wasser vermischt /selbe stärcken und reinigen von Fleck / und Fehlen: die Bläter und das Wasser / so darvon gemacht wird /haben ein Krafft für der Schlangen-Biß / auch der blosse Geruch vertreibt die Kroten / und Schlangen.

Es soll die Rauten auch ein Mittel wider das Fieber seyn / und wider die Engbristigkeit / oder Difficultät zu schnauffen / mit Eßig / und Rosen-Wasser vermischt / treibt sie das Kopf-Wehe / und wann man sie zerreibt / und in die Naaß-Löcher stecket / soll sie das Bluten stillen.

Ferners wie Herr von Hochberg Tom. 1. f. 794. schreibet / die Knöpflein darinn der Saamen liegt /weil sie noch grün seynd / an ein Faden gefaßt / und um die Händ getragen / soll ein Præservativ seyn für die Pest / sie müssen aber nicht auf die blosse Haut angelegt werden / sonst wurden sie Blatteren aufziehen: sie treiben auch die Würm aus dem Leib etc.

Auch der Cardobenedict Cardus Benedictus, oder gesegnete Distel / ist ein bekantes sehr bitteres gesundes Kraut / es will ein guten Grund haben / und wird jährlich im Frühling gepflantzet. 19 Es hat länglechte /gestachlete / härige Blätter kurtze rund Stihl / und in der Mitte der Blätter einen Knopf / in welchem der Saamen enthalten ist. Sein Würckung unter anderem solle seyn wider das Haupt-Wehe / und den Schwindel / auch wider die Röthe / und das Beissen der Augen / wider das Fieber etc. es stärcket die Gedächtnuß / zermahlt den Stein / und ist gut für den Krebs /wann das Kraut gesotten / der Schaden [641] fleißig darmit ausgewaschen wird / und folgens das Pulver darein gestreut / auch absonderlich / wie Matthiolus lib. 3. f. 41. schreibt wider das Gifft so wohl innerlich / als äusserlich / für die gifftige Biß / oder Stich zu gebrauchen: mit Theriac eingenommen / macht er Schwitzen / und treibt aus / das eingenommene Gifft / wie desgleichen / das darvon distillirte Wasser. Es soll einem / Knaben der mit offenem Mund geschlaffen hat / ein kleine Schlang hinein gekrochen seyn / durch den Gebrauch dieses Wassers aber / wiederum ohne Schaden von ihm getrieben haben.

Dem so bitteren / als heilsamen Rauten / und Cardobenedict-Kraut gleichende Würckungen hat die Penitenz, oder Buß / welche zwar der Sinnlichkeit saur oder bitter vorkommt / aber zur Gesundheit der Seel sehr dienlich ist / ja nothwendig / wann sie das Gifft der Sünden durch die Verwilligung eingenommen hat / oder durch schwere Versuchungen von der höllischen Schlang ist gebissen worden. 20 Dieses Kraut die Buß vertreibt auch Würm / das ist / die nagende Gewissens-Würm / und macht leichten Athmen / ich will sagen Hoffnung schöpffen zur Göttlichen Gnad /und Barmhertzigkeit. Die Pœnitenz, oder Buß / sonderlich mit reumüthigen Zähren vermischt / ist auch gut für die Augen des Verstands / sie eröffnet und schärffet denselben klärlich zu erkennen / was der Mensch in dem Stand der Sünden nicht erkent hat. Es ist ferners die kräfftigste Artzney wider die gefährliche Fieber der bösen Begierd / und Anmuthungen: es stärcket auch dieses bittere Kraut / die Buß / die Gedächtnuß / das ist / macht ingedenck seyn der Ewigkeit / und der vier letzten Ding / zu welcher Gedächtnuß uns ermahnt der weise Syrach sprechend: In omnibus operibus tuis memorare novissima tua, & in æternum non peccabis. 21 In allen deinen Wercken / Geschäfft- und Händlen / gedenck deine letzte Ding / so wirst du nimmermehr sündigen.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von etlich anderen Kräuteren.

Das Kraut Artemisia wird von einigen ein Mutter-Kraut genennt / weilen es den schwangeren Frauen sehr dienlich ist / und die Geburth beförderet etc. 22 Es ist hitzig und trocken / wachst ungebaut an rauhen Orthen / auch an Mauren / und an den Hägen / das eine ist grösser / das ander kleiner / das eine mit roth /das andere mit weißlechten Stenglen. Zu End des Meyen wird das Kraut abgestreifft. Zum Dörren aber wird es nach S. Johannis gesammlet / daß darvon gebrente Wasser reiniget / erwärmt / macht schlafen /vertreibt das Gifft / und zermahlt den Stein / es soll auch das Kraut die Krafft haben, daß man nicht müd werde / wann man schon weit zu Fuß geht / und dieses Kraut bey sich tragt.

Auf solchen Schlag ist auch die Tugend der Liebe im sittlichen Verstand beschaffen / sie promovirt die gute Vorsätzt / die man empfangen / und macht / daß sie durch die tugendliche Werck geboren / oder volzogen werden: sie reiniget das Hertz von der falschen unreinen Lieb / sie entzündet das Gemüth mit lebsamen Eyfer / und verschafft zugleich innerliche Ruhe: sie vertreibt das Gifft der Sünden / und zermahlt / zerbricht den Stein der Hartneckigkeit des Hertzens. 23 Absonderlich vertreibt die Lieb die Müde / dann sie überwind alle Mühe und Arbeit. Omnia vincit amor: sie arbeitet unermüdet. Ja wann sie nicht arbeitet sondern müßig geht / so ist es kein wahre Liebe nicht: wie die heilige Vätter sagen.

Der Coriander stehet den Gärten wohl an / mehr wegen dem wohlriechenden Saamen / als Blätter halber / die ein widerwärtigen Geruch haben: er muß alle Jahr neu angesäet werden der alte Saamen ist besser als der neue / er wird im Julio oder Augusto abgenommen / und an einem lüfftigen temperirten Orth aufbehalten. 24 Was aber zum Gebrauch des Hauses /oder Artzney kommen soll / wird 12. Stund [642] lang in einem Eßig gepeitzt und hernach wider getrocknet: als dann stärcket er das Haupt / Hirn und Gedächtnuß /vertreibt den Schwindel / kalte Husten / und Carthar. Ist auch gut wider das Hertz-Klopffen / Verstopffung / oder Verhärtung der Leber / und des Miltzes: beförderet die Dauung / und dämpfet die aufsteigende Wind.

Sonsten ist ein grosser Streit unter den Naturalisten / ob der Coriander an sich selbsten gut / oder schädlich seye / indem einige mit Discoride sagen / er sey so schädlich / daß er den Kopf könne verwürren /oder der Vernunfft berauben / oder auch gar um das Leben bringen / wann man den Safft darvon trincke: andere hingegen / wie Matthiolus, laugnen es / daß der Coriander an sich selber schädlich seye: wohl aber lassen sie es zu / wann er zu häufig genossen wird. 25 In diesem Stuck er mit den zeitlichen Freuden / und Wollüsten zu vergleichen. 26 Ein ehrliche und unschuldige zeitliche Freud / zu seiner Zeit mäßig genossen / ist nicht schädlich / sondern nutzlich das Gemüth zu ergötzen / und die abgemattete Kräfften widerum zu ersetzen. Aber wann man die zeitliche Freuden / und Wollüst mißbraucht / ihnen zu vil und starck ergeben ist / da seynd sie sehr schädlich sie verwirren den Menschen den Kopf / sie verkehren den Verstand also / daß er nichts wenigers als den Schaden / und die Häßlichkeit der Sünd/ oder die Schönheit und den Nutzen der Tugend erkent. Impedit voluptas consilium, eoque magis, quo major sit etc. 27 sagt ein heidnischer Welt-Weiser / der Wollust verhindert weisen Rath. Und daß um so vil mehr / je grösser er ist / der den Wollüsten ergeben ist / kan nichts rechts / und gescheides thun / oder gedencken. Ja der unmäßige Wollust bringt unzahlbare Menschen um das Leben des Leibs und der Seelen / wie es mit tausend Exemplen in heiliger Schrifft / und täglicher Erfahrnuß erwisen wird.

Der Hysop ist ein bekantes wohlriechendes Garten-Kraut eines bitterlechten Geschmacks / und tragt dunckel blaue / zu Zeiten auch weisse Blumen. 28 Es wird im Frühling gesäet / und hernach versetzt / forderet einen lucken Grund / und muß nicht leicht begossen /wohl aber zu End des Sommers gestutzt werden.

Er wird theils durch Zertheilung / und Versetzung der grossen Stöck / theils durch den Saamen vermehrt. Seine medicinalische Krafft / und Würckung ist groß / und vilfältig. Unter anderem Hysop / Feigen / Honig / und Rauten im Wasser gesotten / und getruncken /ist gut vor die Engbrüstigkeit / schweren Athem / und Husten / mit Feigen gekocht und gegurglet / heil er die Halß-Geschwör / mit Eßig aber stillt er das Zahn-Wehe / und das darvon ausgebrente Wasser gertruncken / macht ein schöne lebhaffte Farb. Wann man aber das Kraut abschneid / und zu einem Pulver dürret / taugt es armen Leuthen für ein Gewürtz. Er ist auch gut für gifftige Schlangen-Biß / wann er mit Saltz und Kimmich zerrieben / und mit Honig gemischt / auf die Wunden gethan wird.

Sonst ist zu wissen / daß der Hysop in dem alten Testament aus göttlichem Befelch vilfältig zur Reinigung der Befleckten / nach Verordnung des Gesetzes ist gebraucht worden. 29 Deßwegen auch der reumüthige David in seinen 50. Buß-Psalmen zu GOTT gebetten hat Asperges me Domine Hysopo & mundabor. 30 Besprenge mich HErr mit Hysopen / daß ich rein werde. Deswegen bedeutet die Besprengung mit dem Hysop / theils den Heil. Tauf / theils die Buß / wie bey dem hochgelehrten Thom. le blanck in Psalm. 50. v. 8. zu sehen ist: dann diese reiniget die Seel / und das Gewissen von aller Unlauterkeit der Sünd / vermittelst der heilig machenden Gnad und Verdiensten Christi: der Ursachen nennen die Heil. Vätter den Heil. Tauf insgemein ein Abwaschung /ein Heyl-Bad der Seelen etc. Von der Buß aber / oder reumüthigen Buß-Zähren sagen sie / daß [643] sie allein aus allen Wässeren die Krafft haben die menschliche Seel / und Sünden zu reinigen / schön / und lebhafft zu machen: als wie der Hysop das menschliche Angesicht etc.

Unter die wunderbarlichste Kräuter / oder Gewächs ist billich zu zehlen das jenige / welches in der Europäischen Tartarey zwischen den Strömen Don / undWoolya wachset / und in dem Indisch- und Sinesischen Lust-Garten fol. 167. also beschrieben wird: die Inwohner selbigen Lands haben einen Saamen / so den Melonen-Kärnen ziemlich gleichet / aus disem erwachset ein Pflantz / oder Frucht-Thier / wie es einige nennen / dieses Gewächs 3. Schuhe hoch mit einer zarten Haut / und weichen Woll überzogen / aus welcher man Hauben machen könne / schier wie bey uns Baum-Woll / es ist auch das Fleisch darvon gantz wohlgeschmack zu essen / es ist gleich dem Fleisch der Krebsen / und wann man darein schneidet / fließt ein rother Safft daraus / als wie Blut. 31 Die Wurtzel treibt hohen Stengel aus der Erden herfür biß an die Mitte des Bauchs des Lamms / theils vornen / und theils hinten her / hangen auf einige Theil des Gewächses herab / die dem Kopf / Füssen / und Schweif eines Lammes gantz ähnlich seynd. Das seltsamste aber ist / daß / wie man von der Sach schreibt / dieses Gewächs von den nechst herum stehenden Graß / und Kräuteren sich gleichsam ernähret / wann aber die verzehrt seyn / da verderb oder stehe dieses Gewächs /oder Kraut-Lamm auch selbsten ab. Ja damit nichts an der Gleichnuß mit einem rechten Lamm ermangle /so thue der Wolff (und sonst kein Fleischfräßiges Thier) diesem Gewächs nachstellen / und sey gantz begierig darauf / selbes weg zufressen. Es soll dieses Gewächs auch in Moscau befindlich seyn / und wird von den Russen Boramez / das ist / ein Lamm genent / und für ein Kürbis / oder ein Melaunen-Art gehalten werden. Durch dieses Wunder der Natur / oder wundersame Gewächs werden wir füglich erinneret eines noch grösseren Wunders der Gnad / nemlichen des wahren unschuldig und unbefleckten Lamm GOttes. Welches als ein himmlische Pflantz aus der gebenedeyten Erden / das ist / aus dem Jungfräulichen Leib Mariæ entsprossen ist: dieses ist von den Juden / als von den Wölffen verfolgt / verzehrt / oder aufgerieben worden / als sie mit den peinlichen Instrumenten der Geißlen / Näglen etc. darein geschlagen / und mit dorneren Cron gestochen haben / woraus das häuffige Rosenfarbe Blut / der theure Werth unserer Erlösung geflossen ist: sein Fleisch ist vil mehr / als des obgemeldten Lamm-Krauts süß / und wohlgeschmack einer reinen Seel. Dann es steht von ihme geschrieben / daß es in sich halte. 32 Omne delectamentum, & dulcedinem, omnis saporis suavitatem, allen Wohlgeschmack / alle Annehmlich- und Süssigkeit / dieses sollen wir bey Erwegung des vorgemeldten / einem Lamm so ähnlichen / und wunderlichen Krauts / mit danckbarem Gemüth lieben und verehren.

Diesem Lamm-Kraut setze ich bey / was in dem offt gemeldten Indischen Lust-Garten f. 409. erzehlet wird von einem andern Indianischen seltzamen Kraut / oder Pflantzen Caaco, oder Jungfrauen-Kraut genennt / welches diese verwunderliche Eigenschafft an sich hat / daß es gleichsam gantz Leutscheu ist / und die Menschen fliehet / also daß es seine Blätter verschliesset / oder zusammen zieht / so bald man es anrühret / oder nur den geringsten Staub darauf wirfft /selbe auch nicht ehender wiederum aufthut / biß der jenige / so es angetaft hat / wiederum hinweg gangen ist. 33 Ja es scheint als wann es denselben kennte / der ihm einmahl zu nahe kommen ist / und sich vor ihm gleichsam entsetze / so offt er wiederum herbey kommt / indem es die Blätter geschwind / als wann sie verwelckt wären / zusammen ziehet: so bald er ihm aber den Rucken widerum kehrt / oder hinweg geht / da gehen die Blätter dieses Krauts / oder dieser Pflantzen wiederum von einander / die Blätter werben wieder steiff und frisch / [644] als wann sie allererst erwachsen wären / welches dann curios zu sehen ist /und heist da eigentlich bey diesem Kraut / noli me tangere, rühre mich nicht an. In Brasilien sollen dreyerley Gattungen dieser Pflantzen zu finden seyn / wieloc. cit. mit mehrerem zu ersehen ist.

Es wird dieses Gewächs billicher massen Jungfrauen-Kraut genennt / weilen es gleichsam gantz eingezogen / und schamhafftig ist / daß es sich nicht will anrühren lassen / sondern sich gleichsam wehret /und ein grosses Mißfallen darab zeigt / wie ein ehrbare /und züchtige Jungfrau beschaffen seyn / und es machen solle / wann ein frecher Junger Gesell sich ihr näheret / und unbehutsamer Weiß antaschen will / da solle sie sich eingezogen halten / sich zuruck ziehen /die Händ / die Augen und Ohren / noch mehr aber das Hertz inhalten / oder abwenden / und verschliessen /biß daß er sich wider hinweg begibt / und ihrer müßig gehet; dann es ist ein delicate Sach um die Jungfrauschafft / sie will gar subtil tractirt werden / sie ist gleich einem Crystall-hellen Spiegel / der auf das mindiste Anhauchen gleich mit einem Wölcklein überzogen / und verfinstert wird / oder einer reinen schnee-weissen Leinwat / in welcher man gleich das mindiste Mäßlein siehet. 34 Claude vas tuum ne unguentum effluat, claude virginitatem verecudiâ loquendi, & abstinentia gloriandi: sagt der Heil. Ambrosius: gleichwie man ein kostbares Balsam-Geschirr fleißig beschließt / und verwahret / also muß man die Jungfrauschafft durch die Schamhafftigkeit /und Enthaltung verschliessen und bewahren.

Widerum ein anders Kraut / so die Mexicaner Qualancapatli, oder Zorn-Cur nennen / hat Blätter wie die Weyden-Bäum / und dünne rund gedrehte Stengel. 35 Es ist einer kalten / und feuchten Eigenschafft. Die Blätter aber verstoßt man / und gibt sie den jenigen im Wasser ein / die sich wegen eines erlittenen Schimpffs oder anderen Unglücks hefftig vereifferet / und erzürnet haben / und gar darüber erkrancket seynd / und also werden sie widerum zurecht gebracht / und wird verhütet / daß ihnen der Zorn weiter nicht schadet. Aber ein anderes Kraut / Christlicher Leser / hast du bey Handen / du därffest es nicht von den Mexicanern beschreiben / es wachst in deinem Garten / oder vielmehr in deinem Hertzen / wann du es nur selbst pflantzen wilst. 36 Dieses Kraut heißtPatientia, und Humilitas, die Demuth / und Gedult: dann dise zwey Tugenden seynd gemeiniglich mit einander vergesellschafftet / als wie hingegen auch die entgegen gesetzte Laster / nemlich die Hoffart / und der Zorn: und gleichwie die Gedult aus der Demuth entspringt / also entspringt die Ungedult aus der Hoffart. Diese dann / sage ich / die Demuth / die Erkanntnuß seiner eigenen Armseeligkeit / und Nichtigkeit seiner Unwissenheit / seiner vielen Sünd und Missethaten der verdienten ewigen Straff etc. ist ein kräfftiges Kraut / und Mittel wider den Zorn (absonderlich /wann er von einem erlittenen Schimpff herrühret) sie kühlet ab die Hitz / und löschet aus die Flammen des entzündten und aufbrinnenden Gemüths etc.

Das Tompelic, oder Nectar-Kraut ist ein West-Indianische Pflantz / hat Blätter / die dem Brasilien-Kraut in der Grösse / und Gestalt gleichen: runde dünne Stengelein / weisse Blumen / und schmale haarige Wurtzen. 37 Die Blätter sollen süsser seyn als Honig und Zucker / als daß es scheint / die Natur habe an diesem Gewächs absonderlich wollen zeigen /was für ein Süsse und Lieblichkeit sie in ihren Schätzen verborgen habe. Aber auch die Nutzbarkeit dieses Krauts ist nicht gering / dann wann es im Wasser genommen wird / haltet es das Fieber ein: der Safft aber getruncken / stillet den Husten / vertreibet die Heusere / und bringt guten Appetit.

Mit diesem Kraut kan die Liebe GOttes verglichen werden / die also süß- und lieblich ist / daß sie auch alles Bittere / Creutz und Leyden / alle Trübsaal / und Verfolgung versüsset / lieblich / und angenehm machet / wie es [645] viel tausend Martyrer / und andere Heilige in ihren Pein und Schmertzen würcklich erfahren haben. 38 Es ist auch die Lieb die nutzlichste / ja die nothwendigste aus allen Tugenden / also / daß die andere alle ohne diese unnutzlich seynd / wie der Apostel austrucklich bezeuget: Si charitatem non habuero, nihil mihi prodest. 39 Wann ich die Lieb nicht hab / so nutzet mich das andere alles nichts.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von Noch andern unterschidlichen Kräutern.

Der Fenckel ist ein Kraut / welches hoch aufwachset /ist zart / füßlecht / und eines lieblichen Geruchs /wird mit Fleiß in allen wohlgeordneten Gärten gepflantzt / und ist in dem Frühling annehmlich zu sehen wegen seinen zarten jungen Geschößlein: Er will einen guten Grund haben / und im Winter bedeckt seyn / im Frühling aber zeitlich wider aufgedeckt werden. 40 Der Saamen / so man brauchen will /muß nicht länger / als ein Jahr alt seyn / das Kraut so wohl / als der Saamen verursachet bey den saugenden Frauen häuffige Milch / wann sie es essen / wie Matthiolus Senensis Medicus fol. 517. schreibet. Die Wurtzel zerquetscht und mit Honig angestrichen / ist gut / wann man von einem Hund gebissen worden: es wird auch ein Safft daraus gepreßt / und zu einer Artzney für die Augen præparirt / dann er führet die böse Feuchtigkeiten von dem Hirn aus / von welchen die Augen verduncklet werden. Ferner treibt er die Wind / stärcket den Magen / und die Gedächtnuß /und macht Lust zum essen etc.

Der Aniß wird in dem Frühling bey dem wachsenden Mond gesäet / ist noch subtiler und lieblicher als der Fenchel / er will leichten / oder lucken Grund haben / und hasset den Sand. 41

Der Saamen wird mit Zucker candirt / auch das Brod / wann er darein gebachen / darmit wohlgeschmach / und gesund gemacht: er liebt schättige Ort /blühet erst im Julio, und tragt doch Saamen noch dasselbige Jahr. Er hat schier eben auch dergleichen Würckung / als wie der Fenchel. Das Haupt / und den Magen belangend: er macht auch guten Athem / und vertreibt die Wind / wann man den Kindern / die von einem Fall / oder Schlag ein Geschwulst bekommen /solche mit Aniß-Oel wohl bestreichet / so soll dieselbe alsobald / und gewiß vergehen.

Borago Buglossa, oder Ochsen-Zungen wird insgemein für eines genommen / gehört unter die Sallat-Kräuter / absonderlich dessen Himmelblaue auch weisse Blümlein. 42 Wann sie / einmahl in ein Garten kommen / da vermehren sie sich selbsten. Wann sie aber umgesetzt werden / blühen sie häuffiger und schöner: sie blühen von dem Brachmonat an biß in den Herbst. Sie erquicken die Lebens-Geister / stärcken das Hertz / und erfrischen das Gemüth / absonderlich / wann man die Blümlein in Wein thut / und darab trincket. Es ist auch dieses Kraut der Leber /Miltz / und dem Magen Gesund. Wann eine zu all den gemelten Würckungen sehr dienliche Conserven machen will / da nimmt man ein gleich weites hohes Glaß / besäet den Boden mit Zucker und legt die Borage-Blümlein darauf / etwan einen Fingers-dick: alsdann wiederum Zucker / und wiederum Blumen / die sich nach und nach setzen etc.

Ehrenpreiß / und Veronica haben einerley Würckung / der Ehrenpreiß wachst leichtlich überall / er ist einer constringirenden warmen und trucknen Eigenschafft: der meiste kriechet auf der Erden: einiger aber stehet auch gerad in die Höhe / und hat schöne und liecht-blaue Blümlein / doch wird der erstere mehrers gebraucht. 43

Der de Serres bey Herrn von Kirchberg p. 2. f. 696. schreibt / der Ehrenpreiß seye gut für den Aussatz / und es sey einstens ein König in Franckreich durch dieses Kraut darvon curiret worden. Er soll auch sonderlich gut seyn für die Wolffs-Biß / welches von [646] einem Frantzösischen Jäger ist beobachtet worden / indem er einen von dem Wolff sehr gebissenen Hirschen dieses Kraut hat essen / und darauf wieder gantz freudig hat springen sehen. Dieses Kraut von aussen überlegt vertheilt die Geschwulsteu / und heilet die Wunden / wie Matthiolus schreibt. Das darvon præparirte Wasser aber getruncken / vertreibt den Schwindel / stärckt die Gedächtnuß / reiniget das Geblüt / vertreibt den Husten / und zermahlet den Stein.

Geflecktes Lungen-Kraut / Sulmonaria maculosa, hat grosse härichte Blätter / mit vielen weissen Flecken / die Blumen seynd blau und Purpurfärbig / auf welche ein schwartzlichter Saamen folgt / ist einer heilenden trücknenden / und adstringirenden Krafft /und sonderlich für die Anligen der Brust / und Lungel. 44

Mit Rosen-Zucker in Wasser gesotten / dient es wider das Blut-ausspeyen / man kan es auch gepulveret einnehmen / oder das distillirte Wasser darvon trincken. Ausserhalb gebraucht / heilt es die Wunden und Geschwär / und stillet das Blüten.

Des Leber-Krauts gibt es zweyerley / das eine wirdHeppatica genennt / wachst an Steinen / und feuchten Felsen / mit viel schuppigen feisten / und zweyfärbigen Blätteren / wird auch Licheo Sanabilis genennt /ist kalter und truckener Eigenschafft. 45 Astringirt /und reiniget den Leib. Das gesottene Wasser darvon getruncken / curirt die Mängel der Leber / und mäßiget die inflammationes. Der Wein / darein das Kraut gelegt / getruncken / eröffnet die Verstopffnng der Leber / und stärcket sie: vertreibt das Zitteren / und stillet das Bluten.

Die andere Gattung des Leber-Krauts Trifolium aureum, oder guldenes Leber-Kraut / erfrischet und kühlet / reiniget die Blasen / und Nieren / dient auch der Leber sehr wohl.

Hirschzungen / Phillitis auf lateinisch / seynd hell-grüne / etwas dicke / lange / schmahle Blätter / über zwerch mit viel braunen strichlein gezeichnet / dieses Kraut ligt auf dem Boden / hat weder Stengel noch Blühe / noch Saamen / und wird allein durch die Beyschoß samt der Wurtzel fortgepflantzt. 46 Es erforderet ein sandiges / doch schattächtiges Erdreich / und will offt begossen werden. Die Blätter im Wein gesotten / und darab getruncken / heilen die Biß der gifftigen Thier / und stillen die Dissentery, die rothe Ruhr sagt Mathiolus f. 552. mit Eßig getruncken stärcket den Magen / und das Hertz. Daß aus den Blättern distilirte Wasser dienet / wann das Zäpflein im Halß gefallen ist / so man den Halß darmit gurglet. Daß Kraut aber zum distilliren muß vor Sonnen Aufgang gesammlet werden.

Salvey wird also genennt â Salvando vom Heilen /weil er vil Kranckheiten heilet: ist zweyerley / der eine mit grösseren / und breiteren Blättern / der andere mit kleinern runtzligen / er tragt auch weisse Blumen. 47

Der kleinere Salvey wird starck in der Artzney gebraucht: er blühet im Junio blaulecht / hat nicht gern Dung wohl aber Aschen / liebt die Sonn / und ein leimigen Boden: er hat nicht gern andere Kräuter um sich / und wil wenig begossen werden.

Wann er gestutzt wird / wachst er besser / man mag ihn mit Rauten vermischen / das Ungeziefer / so ihm sonst gern nachstelt zu vertreiben. Dieses Kraut in Wein gethan / und darab getruncken / wärmet und stärcket den Magen / ist gut wieder die kalte Phlegmata des Haupts / und anderer Gliedern.

Das gebrante Salvey-Wasser erquickt / und stärcket den gantzen Menschen. Das gebrante Wasser truncken / benimt die Seiten-Schmertzen / stärcket die zitterende Glieder / und öffnet die innerliche Apostemata, stärckt / und reiniget das Hirn etc.

Melissa hat den Nahmen von dem Immen / oder vilmehr von dem Honig à melle, weil die Immen oder Bienen dieses Kraut sonderlich / wann es in der Blühe ist / sehr lieben / es hat ein lieblichen / den Citronen ähnlichen Geruch. 48 Es ist gesund / in den [647] Wein gelegt / und darvon getruncken / wann es im Wein gesotten / widersteht es dem Gifft. Ist auch gut zu Reinigung der Brust / zu Stärckung / und Erfreuung des Hertzens / und Vertreibung der Melancholy / er beförderet die Dauung / und hilfft für das Hertz-Klopffen: desgleichen / das darvon gebrente Wasser dieses alles præstiret.

Die grosse Hauß-Wurtzen / so hin und wieder auf dem alten Gemäuer wachsen / wann man die Blätter von ihrem inwendigen dünnen Häutlein mit einem scharffen Messerlein abschelet / und daß abgeschelte Orth des Blats über Nacht auf die Hüner-Augen legt /und aufbindet / werden sie also erweichet / daß man es den folgenden Tag leichtlich ausschneiden kan: und wann man solches etliche mahl wiederholet bey abnehmenden Mond / wird das Hüner-Aug von dem Grund aus samt der Wurtzel vertrieben. 49 Wie Herr von Hochberg p. 1. f. 218. schreibt. Die Blätter allein / oder mit Gersten-Meel applicirt vertreiben das Rottlauff / heilen die böse / und um sich fressende Geschwär / seynd gut für die Entzündung der Augen /und wann man sich mit Feuer gebrent hat / darzu auch das Wasser darvon dienet / und bey hitzigen Fibern nutzlich kan getruncken werden / es kühlet auch die innerliche entzündte Glieder. Der Safft darvon mit Rosen in leine Tüchlein gefaßt / und auf die Stirn gelegt / vertreibt die Aber-Witz / und den Haupt-Schmertzen.

Betonica, oder Betonien ist ein so fürtrefliches Kraut von so grosser / und vilfältiger Krafft / und Würckung / daß es schier nicht gnugsam zu beschreiben ist: daher kommt es / daß wann die Welschen einen überaus loben wollen / da pflegen sie zu sagen:Tu hai piu virtu che non ha la betonica: das ist / du hast mehr Tugenden / als die Betonica. 50 Dieses heilsame Kraut wachst gern in Wiesen / und schattächtigen fühlen Orthen / und liebt ein feuchten Boden /und zu End des Meyens zum dörren / und zum distilliren gesammlet. Dieses Krauts decoctum, oder das Pulfer zermahlt den Blasen Stein / reiniget die Brust /Lungen / und Leber / es heilet die Wunden / und gifftige Tier-Biß. Das Kraut im Wein gesotten / und wohl warm gehalten / vertreibt das Zahn-Wehe. Die Blätter und Blühe im Wein gesotten / und getruncken beförderen die Dauung: ist wider die böse aufsteigende Dämpf / und allen inwendigen Gliedern ein bewehrtes Hülf-Mittel. Die Blätter zerknirscht / und auf die Stirn gelegt / seynd gut für das Augen-Wehe / mit Saltz vermischt aber / und in Naß-Löcher gesteckt /stillen sie das Blutten.

Des Pulvers ein Quintlein in Wein eingenommen /nimt dem Gifft seyn Krafft / vertreibt die Gelbsucht /auch die Tobsucht / und Hifften-Wehe. Mit Honig vermischt ist es gut den Lungsüchtigen / und den Febricitanten etc.

Das Thee Kraut kommt zwar von fernen Landen nemlich aus Indien / und China her / es ist aber doch zu jetziger Zeit bey uns Deutschen so wohl bekant /daß es nicht nur von vornehmen Herren / sondern auch vilen gemeineren / die es immer haben können /vast alltäglich gebraucht / und das Wasser / worin etwas von diesem Kraut mit Zucker vermengt gesotten worden / getruncken wird. 51 Das Thee ist ein Art einer Stauden / oder eines Boschens / dessen Blätter dunckel grün / langlecht / und vornen spitzig seynd /die unterste seynd die gröste / und die oberste die kleinste. Wo solches wachst / ist es auch / wie andere Früchten geartet / daß es nemlich zu Zeiten sein Farb / Geruch / und Geschmack veränderet / und folglich auch das Wasser / worinnen es gesotten wird / unterschidliche Farben und Geschmäcke an sich nimt / und bald hellgrün / bald gelb / oder braun aussiehet: doch ist das grüne für das beste zu halten. Das Thee-Kraut wird mühesam gesamlet und gedörret / den Saamen aber lassen die Indianer nicht aus ihrem Land kommen / ja wann sie selben an einem frembden Orth verkauffen / werffen sie selben zuvor in ein heisses [648] Wasser / zu verhinderen / das andere Nationes das Thee nicht säen / oder anbauen können.

Es wird aber solcher Saamen innerhalb der Blumen gefunden / welche auf dem Thee-Stengel wachset.

Die Krafft und Würckung dieses Krauts / oder des Wassers / worinnen es gesotten ist / betreffend / soll /wie die heutige Herren Medici raisoniren groß und vilfältig seyn / nemlich für die Haupt- und Brust-Kranckheiten / für den Schwindel / und Schwermuth /für das Grieß / für Engbrüstigkeit / und Hertzklopfen / den Magen zu stärcken / und Appetit zu machen etc. Mit einem Wort / man haltet darfür das Thee trincken solle den gantzen Menschen stärcken und gesund erhalten / und Zufäll abwenden / welche demselben aus bösem Lufft / oder sonsten entstehen kunten. Aber wie meines Erachtens (Salvo meliori Judicio:) Herr Johann Hybner in seinem Eruditen Natur- und Kunst-Lexico gar recht anmercket / so hetten wir in unseren wehrten Teutschland / eben so wohl auch solche Kräuter die so gut / wo nicht bessere Würckung thäten / als das Thee-Kraut / und Caffe, wann man nur auch den Glauben daran hätte etc. aber es heißt eben /quod rarum charum, was seltsam ist angenehm: gleichwie die fremde / oder ausländische Sitten fremde Sprachen und Kleider æstimirt / die Inheimische aber / oder Vatterländische gering geschätzt werden /also auch die Speisen / Getränck / und Kräuter etc. der Salvey wird häufig von den Nieder-Ländern in Ost-Indien geführt / und allda gar hochgeschätzt / und eben wie bey uns das Thee getruncken. Wir haben auch von der Erfahrnuß / daß das Wasser in welchem Ehrenpreiß gesotten worden / grosse Krafft / und Würckung habe / wie solches in einem besonderenTractätlein / Veronica Theizans intitulirt / bewiesen wird. Was für herrliche Effect für die kalte Flüß etc. hat man von dem so genanten Woll- oder Wulle-Kraut? wie vil vermögen die Wachholder-Beer. etc. neben dem schon gemeldten / und vil mehr andere Kräuter / und ihren Würckungen. Aber es bleibt wahr / was Phædreus sagt: Utiliora sæpe invenies, quæ contempseris: man verachtet offt was besser und nutzlicher wäre / alß daß man hoch æstimirt / und aus Neugierigkeit macht man vil unnöthige Kosten.

Ubrigens auf all die gemeldte Kräuter / insonderheit / ein Morall / oder sittliche Application zu ma chen / will mir zu schwer / und weitläufig fallen.

Sage als nur kürtzlich / und überhaupt / daß die göttliche heilige Schrifft / gleich seye einem wohl eingerichten / und heilsamen Kräuter-Garten / in welchem für alle Zuständ / und Anliegen kräfftige Hülfs-Mittel zu finden seynd. 52 Dann gleich wie die vast unzahlbare Kräuter gar vil unterschidliche / Eigenschafften / Kräfften / und medicinalische Würckungen haben / die für alle Kranckheiten / Zuständ / und Anliegen des Leibs applicirt / und mit Nutzen gebraucht werden: also gibt es in der heiligen Schrifft tausenderley Sprüch / oder Text / und stellen die für alle sittliche Kranckheiten / und Anliegen der Seel taugen / und dem Menschen ein Hülf oder Trost geben. Einerley Artzney-Kraut so gut und kräfftig es immer ist / taugt nicht für alle Kranckheiten des Leibs / sondern das eine Kräutlein für diese / das ander für ein andere / was dem einen nutz ist / daß wäre dem anderen schädlich / ein anderes erforderet der Haupt-Schmertzen / ein anderes das Magen-Wehe / ein anders das hitzige- und ein anders das kalte Fieber etc. Eben also taugt nicht ein jeder Spruch / oder Text aus der heiligen Schrifft für ein jedes Anliegen der Seel. Ein andere Lehr / oder Ermahnung hat der Angsthaffte / und Trostlose vonnöthen / und ein andere der Frech- und Ausgelassene. Ein anders taugt dem Gerechten in dem Guten ihne zu erhalten / und ein an ders dem Gottlosen ihne zu bekehren etc.

Ferners gleichwie man nicht einen jeden der Sachen unerfahrnen / in einen Kräuter-Garten laßt eingehen /und nach belieben die Kräuter abbrechen [649] / oder ausziehen / weil er leichtlich ihm selber / und anderen darmit schaden wurde: also wird es auch billich nicht einem jeden ungelehrten Layen zugelassen / die heilige Schrifft zu lesen / und diesen oder jenen Text auszuklauben / weilen er leichtlich seibe unrecht verstehen / und ihm darauf schaden möchte.

Ja es werden auch die Kräuter zum öffteren / nicht gleich / wie sie selber in dem Garten gewachsen seynd / denen Krancken applicirt / sondern zuvor durch die Kunst-Erfahrne Apothecker / und Chyrurgos auf unterschidliche Arten præparirt / es werden Pflaster /Spiritus, und Olea etc. daraus gemacht: also müssen auch zu Zeiten die Stellen / und Text der heiligen Schrifft denen Christ-Glaubigen Zuhörern nicht bloß /wie sie da liegen / dem Buchstaben nach vortragen /sondern in gesundem Verstand / mit Vernunfft / und Behutsamkeit / von den Gotts-Gelehrten Seel-Sorgern / Prediger und Beicht-Vätteren explicirt / oder aus gelegt werden / damit sie anständig / und zur Gesundheit der Seelen gedeulich / oder ersprießlich seyen.

Fußnoten

1 Von dem Unterschid der Kräuteren.

2 Des Roßmarins Beschaffenheit.

3 Krafft desselben.

4 Menge desselben.

5 Des Majorans zweyerley Gattungen.

6 Wie der Lavendel beschaffen seye.

7 Die Tugend mit wohlriechenden Kräuteren Ärgliechen.

8 Güte der Tugend.

9 lib. de amicis in princ. & lib. 1. de nat Deorum.

10 Stärcke der Tugend.

11 Des Wermuths Unterschid und Würckung.

12 Tom. 1. f. 710. & 794.

13 Gedult und Abtödtung ist ein bitteres aber gesundes Kraut.

14 Matth. c. 6. v. 20.

15 Die Sünd durch den Wermuth bedütten.

16 Jsa. c. 9. v. 20.

17 Prov. c. 5. v. 3.

18 Der Rauten Eigenschafften.

19 Cardobenedict und seine Würckungen.

20 Die Pœnitenz und Buß ist gleich einem bitteren Kraut.

21 Eccli. c. 7. v. 40.

22 Das Kraut Artemisia.

23 Die Lieb ist dem Kraut Artemisia gleich.

24 Der Coriander.

25 Ob er gut oder schädlich seye.

26 Wollüst soll man mäßig brauchen.

27 Lib. 7. Etla. c. 11.

28 Der Hysop.

29 Der Hysop bedeut die Reinigung.

30 Ps. 50. v. 8.

31 Boramcz oder Kraut-Lamm.

32 Das Lamm GOttes ist ein Wunder der Gnad.

33 Caaco, oder Jungfrauen Kraut.

34 Ein Sinnbild der Schamhafftigkeit.

35 Qualancapatli, oder Zorn-Cur.

36 Demuth ist ein Mittel wider den Zorn.

37 Tompelic, oder Nectar-Kraut.

38 Die Linbe ist süß und angenehm.

39 1. Cor. c. 13.

40 Der Fenchel.

41 Der Aniß.

42 Borago.

43 Ehrenpreiß.

44 Lungen-Kraut.

45 Das Leber-Kraut.

46 Die Hirsch-Zungen.

47 Salvey.

48 Milissen.

49 Hauß Wurtzen.

50 Betonica.

51 Das Thee.

52 Die heilige Schrifft ist gleich einem heilsamen Kräuter-Garten.

VI. Von den Blumen
Der 1. Absatz
Anhang
Anhang zu den Rosen.
Von dem Rosen-Crantz.

Es pflegen Ihro Päbstliche Heiligkeit zu Rom alle Jahr an dem vierdten Sontag in der Fasten / Dominica lætare genant / mit solennen Cæremonien ein kostbare gantze guldene Rosen zu weyhen / und selbe hernach gemeiniglich einer Catholischen Königin in Europa zu überschicken / und zu verehren / welchesPræsent alsdann von einer solchen Königin für ein sondere Gunst und Ehr gehalten wird: wir aber können und sollen der Himmels-Königin nicht nur jährlich / sondern täglich / ein noch köstlichere und angenehmere Rosen offeriren / und verehren / ich verstehe den heiligen Rosen-Krantz / welcher eines unbeschreiblichen Werths / und Schönheit ist / wann er zu Ehren der Mutter GOttes aufmercksam / und andächtig gebet wird / und gleichsam in so vil wohlriechenden Rosen / als Ave Maria besteht. 16

Es seynd zwar bereits gantze Bücher von der Krafft / dem Verdienst / und Fürtreflichkeit des Heil. Rosen-Krantzes geschrieben worden / doch hab ich bey Gelegenheit dieser Materie nicht wollen und sollen unterlassen / auch kürtzlich hiervon etwas zu melden. 17

Wie so angenehm diese Andacht / und Verehrung der Mutter GOttes seye / hat sie selbst mündlich / und persöhnlich erklärt / in dem sie dem Heil. Dominico erschienen / und dessen Ausbreitung bey allen Völckern anbefohlen hat / auch unterschidlichen anderen ihren Liebhaberen und getreuen Dienern dessen mehrmahligen Gebrauch bestens recommendirt und zwar mit beygesetztem folgendem Motivo, oder Beweg-Ursach: Weil er / sagte sie / ein absonderlich kräfftiges Mittel / wider die Sünd / und Laster ist.

Eben dergleichen hat sie dem seeligen Alano geoffenbahret / daß nehmlich vermittelst des Heil. Rosen-Krantzes die Gottlose Sünder / und Sünderinnen zu einem tugendlichen Leben seyen bekehrt worden / und reumüthig ihre Missethaten abgebüßt haben: der Eyfer und die Andacht gegen ihr / und ihrem Sohn seye bey ihnen also dardurch gewachsen / daß sie vast den Englen gleich worden / und der Glauben wurde also in ihnen gestärckt / daß vil gantz begierig waren für den Glauben zu sterben / und wider die Ketzer zu streiten.

O wohl ein verwunderliche Krafft des heiligen Rosen-Krantzes! gewiß ist es / daß schon vil 1000. an Leib und Seel auf ewig wären zu Grund gangen /wann sie nicht vermittelst des heiligen Rosen Krantzes wären erhalten / oder errettet worden. Die Welt ist ein lauterer Labyrinth einverwürter Irr-Garten / aber Maria ist ein mitleydige und warhaffte Ariadne, welche den Theseum, das ist / die menschliche Seel durch den heiligen Rosen-Krantz heraus führet / damit er nicht von dem höllischen Minotauro verzehrt werde. Die Höll erzittert / sagt der heilige Bernardus, und die Teufel fliehen / wann sie von einem Donner-Keil wären getroffen worden / wann man spricht Ava Maria: 18

Der heilige Bernhardus erzehlet daß ein gottloser Mensch der gleich wohl bey Lebs-Zeiten die Mutter GOttes vilfältig mit dem Englischen Gruß verehrt hat / gähling und in Sünden gestorben seye / und sein Seel den bösen Feinden zu Theil worden: aber die heiligen Engel widersetzen sich / und beschützen ihn /vorwendent / es seye nicht billich / daß dieser Mensch ewig zu Grund gehe / weil er im Leben offt und fleißig das Ave Maria gesprochen habe: worauf die böse Feind die Seel haben verlassen / und abweichen müssen / sie aber ist auf die Fürbitt Mariæ / und durch die Verdienst / wiederum in den Leib / und in die Welt zuruck / ihre Sünden zu bereuen / und abzubüssen gelassen worden. 19

So wohl in dem Leben / als in dem [656] Sterben haben allzeit die Diener Mariæ durch den Rosen-Krantz ungemeine Gaben / und Gnaden erhalten / benantlich der Heil. Bernhardus unter tausend anderen hat nicht nur die Gnad mit grosser Krafft / und Nachdruck zu predigen / sondern auch seine Lehr / und Predigen mit herrlichen Wunder-Zeichen zu bekräfftigen / erhalten.

Den Heil. Alanum aber hat sie erwehlet die in etwas erkaltete Andacht / und Bruderschafft des heiligen Rosen-Krantzes wiederum aufzurichten / und in neuen Flor zu bringen: und als er dieses mit grossem Fleiß und Eyfer vollzogen / hat sie ihm seine Mühe /und geleiste Dienst so reichlich vergolten / daß sie ihm in Gegenwart des Sohn GOttes / und vieler Heiligen sichbarlich erschienen / ihm einen Ring aus ihren heiligsten Haaren gar zierlich geflochten verehrt / und sich mit ihme dadurch vermählet hat: ja auch eigenhändig einen Rosen-Krantz ihm an den Hals gelegt /und entlich gar von ihrer Jungfräulichen Milch etwas in den Mund gegeben

Es ist schwerlich zu entscheiden / ob die Andacht zu der Mutter GOttes / insonderheit des heiligen Rosen-Crantzes den Gerechten mehr Nutzen schaffe /oder den Sündern: dann jene thut er in dem Guten stärcken und vermehren / diese aber von den Sünden bekehren / und von der Verdammnuß erretten. Dieses hat der höllische Feind in einer besessenen Persohn von dem Heil. Dominico ernstlich beschworen /selbst bekennen und bekräfftigen müssen: die Mutter GOttes / sagte er / diese ist uns gar zu mächtig ihre Diener von der Höllen zu erretten: gleich wie die Sonn die Wolcken vertreibt / also thut sie all unsere Macht / und Anschläg zernichten / und entkräfften. Ich muß es / obwohl ungern / von GOttes Gnaden gezwungen bekennen / daß niemand mit uns Teuflen verdamt werde / der in dem Dienst / und Verehrung Mariæ verharret: dann ein eintziger Seufzer von ihr /oder durch sie der heiligsten Dreyfalltigkeit aufgeopfferet / gilt mehr als das Gebett aller Heiligen. Ferners aus göttlichem Gewalt muß ich es sagen / sprach der höllische Feind / daß niemand / so den Rosen-Krantz fleißig / und beständig bettet / ewig verdamt werde; dann sie bringt ihren andächtigen Dieneren wahre Reu zuwegen / und macht daß sie ihre Sünden beichten /und von GOtt Verzeihung erlangen. Bezovius ad Annum Christi. 12. 13. n. 12. Es hat auch die Himmels-Königin selbst dem seel. Alano in einer Erscheinung geoffenbahret / daß die Andacht und der Eyfer zu dem Englischen Gruß / zu dem heiligen Rosen-Krantz ein glaubwürdiges / und starckes Anzeigen sey der ewigen Gnaden / wohl hingegen der Verdruß ob denselben / und die Veranlassung dessen / seye ein merckliches Vorzeichen der ewigen Verdamnuß.

Doch ist dieses alles nichts anders als von den jenigen Sündern zu verstehen / welche auch selbst begehren noch in Zeiten ihr Leben zu besseren / und von Sünden abzustehen: dann in der GOttlosigkeit verharren / und dannoch auf ein laues ausschweiffiges Gebett des täglichen Rosen-Krantzes bauen / oder sich verlassen wollen / wäre vilmehr eine Vermessenheit /und Mißbrauch der Göttlichen Barmhertzigkeit als ein vernünfftige Hoffnung.

Es ist auch wohl zu mercken / was eben diese Göttliche Mutter der seel. Jungfrauen Eulaliæ ord. Cisterci. von dem Englischen Gruß gesagt hat: wie man ihn nemlich recht / und nutzlich betten solle: wann du /sagte sie / mich mit dem Englischen Gruß verehren /mir gefallen / und dir selber nutzen wilst / so bette nicht eylends / oder geschwind / sondern wisse / daß ich ein grosse Freud habe / wann man das Dominus tecum, der HErr ist mit dir / langsam / und bedachtsam ausspricht. Die Freud ist unausprechlich / die ich alsdann empfinde: dann es ist mir /als wan ich meinen Sohn also gegenwärtig in mir hätte / als wie er sich gewürdiget hat von mir gebohren zu werden.

Der Heil. Bernhardus hat die göttliche [657] Mutter recht zu grüssen gewust: dann es hat sich zum zweyten mahl begeben / als er in Gegenwart vieler geistlichen und weltlichen Personen vor einem Mutter Gottes Bild knient / mit grossem Eyfer und Andacht gesprochen hat. Ave Maria sey gegrüst Maria / da hat dieses Mariæ Bild klar und deutlich / daß es alle gehört haben / ihne auch hingegen gegrüßt / und gesprochen: Salve Bernarde, seye gegrüßt Bernarde.

Wann wir nun die Himmels-Königin offt beständig / und andächtig grüssen mit dem Ave Maria, und mit dem Rosen-Krantz verehren / so wird sie uns hingegen von GOtt zuwegen bringen die Cron / oder den Krantz der ewigen Glori.

Der 2. Absatz
Der 2. Absatz.
Von den Lilien, oder Ilgen.

Schön ist es zu sehen / wie die Lilien / oder Ilgen als ein sondere Garten-Zierd in ihrem weissen Silber Gewand so prächtig / und aufrecht da stehen / und weit über die mehreste andere Blumen aussehen. 20 Sie wachsen wie bekant auf einem starcken und hohen Stengel / der rings um mit langen schmalen Blätteren besetzt ist / deren die untere grösser / als die obere seynd. Zu oberst des Stengels wachsen etliche schöne Schneeweisse Blümlein / welche nicht zugleich / sondern nach und nach aufgehen.

Jede Blum hat sechs Blätter: untenher ist sie eng /oben aber breitet sie sich aus / und hat in der Mitte einen gelben Saamen der sieben Körnlein in sich hat /die Blätter seynd fett / oder ölig / und wird ein heilsames Oel daraus gemacht / auch sonders von den Ilgen vilfältig Artzney-Weiß / doch mehrentheils äusserlich gebraucht: die Ilgen wachst von der Zwiebel / und und vermehret sich leicht / ihr Geruch aber ist sehr starck und lieblich.

Die Schönheit und Fürtreflichkeit der Lilien erhellet aus dem / daß uns Christus in dem Evangelio selber solche zu betrachten anweiset / und zwar nur die Lilien auf dem Feld. Considerate Lilia agri, 21 mit dem Zusatz / daß der König Salomon in aller seiner Herrlichkeit nicht also zierlich bekleidet seye / als wie diese. Ein grosse Freud und Hochschätzung zeiget GOTT zu den Lilien. In dem er seine geistliche Braut / seine Gerechte / und sich selber mit einer Ilgen vergleicht / wie in unterschidlichen Stellen der heiligen Schrifft zu sehen ist.

Sonsten seynd die Lilien jederzeit für ein Symbolum, und Wahr-Zeichen der Jungfräulichen Reinigkeit / oder Unschuld gehalten worden. 22 Massen der Poët singt.


Lilia Virginei sunt Symbola certa pudoris.
Und wiederum ein anderer.
Munditiæ candor per Lilia pura notatur.
Uns die Jungfräulich Reinigkeit /
Der weissen Ilgen Glantz anzeigt.

Deßgleichen der heilige Abrosius sagt: Lilien Christi seynd absoderlich die GOtt geweyhte Jungfrauen: dero Jungfrauschafft gläntzend und unbefleckt ist /diese seynd von welchen der himmlische Bräutigam sagt / sicut linium inter spinas, sic amica mea inter filias: 23 Wie ein Ilgen unter den Dörnern / also ist mein Freundin unter den Töchteren.

Ein jede volkommene Ilgen ist mit 6. schönen Blättern versehen / und ein jede Jungfrau solle mit 6. sonderheitlichen Tugenden zu ihrer Beschützung / und Verwahrung versehen seyn / nemlich mit der Samhafftigkeit in den Augen / in den Reden / und Gebärden: 2. Mit der Mäßigkeit in dem Essen / und Trincken / 3. Mit der Ehrbarkeit in den Kleideren: 4. Mit Innhaltung des Fürwitzes / und vilen Auslauflens / 5. Mit der Emsigkeit in einer nutzlichen Beschäfftigung /oder Arbeit. 24 6. Mit Behutsamkeit oder Meidung der Gefahren. So wenig die Lilien ohne Blätter bestehet /so wenig kan die Jungfrauschafft bestehen / oder dauren ohne Gesellschafft dieser Tugenden.

[658] Die Lilien auch der Saamen / so man darab trinckt /wie Plinius, und Dioscorides bezeugen: ist ein gutes Mittel wider das Gifft / und Schlangen-Biß: mit Eßig gebeitzt / heilen sie die Wunden etc.

Auf gleichen Schlag ist auch die Jungfräuliche Reinigkeit / ein kräfftiges Mittel wider das Gifft der fleischlichen Sünden / und wider die Biß / oder Versuchungen der höllischen Schlang etc.

Die Ilgen ist sehr fruchtbar / ihr Wurtzel oder Zwiebel bestehet aus vilen Knöpfen / deren ein jeder die Krafft hat neue Lilien vorzubringen. Auch die Jungfrauschafft hat ein grosse sittliche Fruchtbarkeit /sie bringt vil andere Tugenden / und gute Werck herfür.

Absonderlich ist die unvergleichliche / und allzeit unbefleckte Reinigkeit Mariæ einer Wunder-schönen Schneeweissen Ilgen gleich / welche durch den Glantz ihrer Reinigkeit / und durch die Lieblichkeit ihres Geruchs GOtt selbsten von Himmel an sich gezogen hat. 25 Sie ist vor allen andere Jungfrauen eine Lilien zu nennen und zwar eine Lilien unter den Dörneren /weil sie gebenedeyt ist unter den Weiberen: Sie ist allzeit gerad und aufrecht gestanden als wie die Lilien / allzeit Schnee-weiß / das ist / gantz rein und unbefleckt gewesen.

Die allzeit unversehrte Jungfrauschafft Mariæ / hat GOtt unter anderen mit folgendem Mirackel bekräfftiget: als der Heil. Ægidius einer aus den ersten Gesellen S. Franc. Seraph. florirte / und berühmt war / da begab es sich / daß ein GOtts-Gelehrter des heiligen Prediger-Ordens / mit zweyfelhafftigen Gedancken angefochten wurde / ob die Mutter GOttes allzeit ein unversehrte Jungfrau blieben sey: dieser entschlosse sich bey Ægidio Raths zu pflegen / und seinem wanckelmüthigen Sinn / und Hertzen die erwünschte Ruhe zu schaffen. 26

So bald ihn aber Ægidius nur von weiten ersehen hat / da hat er gleich seine Gedancken erkennt / ist ihm entgegen gangen / hat mit seinem Stecken 3. mahl auf die Erden geschlagen / und zugleich gesprochen: Frater Prediger / die Mutter GOttes Maria ist ein Jungfrau vor der Gebuth / sie ist ein Jungfrau in der Geburth; sie ist ein Jungfrau gewesen nach der Geburth: und zu jeden Streich / und Spruch ist allzeit Augenblicklich ein überaus schöne Ilgen aus der Erden entsprungen.

Aber es gibt auch in statu oder sensu politico gar schöne Lilien / welche in dem Garten einer Communität / oder eines gemeinen Wesens scheinbar / und ansehnlich da stehen. 27 Solche politische Lilien sollen alle regierende Herren und Obrigkeiten seyn: dann gleich wie die Ilgen zwar unter den anderen kleinen Blumen als wie ein Rieß da stehet / und weit über sie aussihet / so ist sie doch nicht hochmüthig / sie verachtet die kleinere und schlechtere Blumen nicht /sondern neigt gantz gnädig ihr florirendes / und gecröntes Haupt gegen ihnen: also solle auch ein regierender Herr / oder Obrigkeit / obwohlen er in Würde /in dem Gewalt und Ansehen / weit über seine Untergebene erhoben ist / dannoch sie nicht verachten /sondern sich gegen ihnen gnädig und geneigt erzeigen.

Die Lilien thun sich gegen dem Himmel auf / undpræsentiren sich demselben wie ein silbernes Geschirr / das Himmels-Thau / und heilsamen Regen zu empfangen: aber wann sie selben empfangen haben /behalten sie selben nicht für sich selbst allein / sondern lassen ihn abfliessen auf die kleinere niedere Gewächs / denen sie getreulich darvon mittheilen. Auf diesen Schlag sollen auch die Obere die von GOtt empfangene Talenten Kräfften / und Güter nicht für sich allein behalten / sondern auch die Unterthanen selbe geniessen lassen: sie sollen es nicht machen /als wie die Perlein-Muschel / welche auch das Himmels-Thau begierig empfangt / und einnimmet / aber sich also bald vest wiederum zuschließt / ihren Schlatz verbierget / und niemand etwas darvon freywillig [659] geniessen laßt. Ein jede Ilgen ist mit 6. Blätteren versehen / und ein jeder Oberer soll mit einer 6. fachen Wohlthätigkeit Sorgfalt / und Freygebigkeit gegen seine Untergebene versehen seyn / auf daß er mit Wahrheit sagen könne / vestio, poto, cibo, recolligo, visito, condo: das ist / ich kleide / ich speise /und träncke / ich nimme auf / besuche / und versorge die Meinige.

Ja wann man die Lilienrecht betrachtet / da wird man sehen / daß ihre Blätter gestaltet seyen / als wie die Zungen / die gantze Blum aber die Gestalt habe einer silbernen Glocken / in der Mitten stehen etliche Gold-gelbe Schwenckel oder Kengel / die schlagen immer zu an der Glocken an / als wolten sie über laut ruffen: kommt her ihr Blumen / und Kräuter / die unter uns stehen / auf daß ihr unseren Schutz geniessen / und unserer Güther möget theilhafftig werden /wir bieten euch / die nahe und weit entfernet seynd /unsere Gnad / und geneigten Willen an etc. Ja dieses ist ein recht Fürstlich- und Königliche Tugend: also sollen grosse und regierende Herren / die GOtt vor andern mit herlichen Qualitäten versehen / und mit grossen Gütteren so reichlich begabet hat / beschaffen / ihren Unterthanen mit Gnad gewogen seyn / und nicht nur ihre Favoriten / die nach / und beständig um sie und gemeiniglich ohnedem schon reich genug seynd / sich günstig und freygebig erweisen / sondern auch denjenigen / welche weit entfernet / sich nicht näheren / oder aus Respect ihr Noth / und Bedürfftigkeit nicht selbst vortragen / und etwas begehren dörffen. Zu solcher Mildthätigkeit sollen sie bewegt werden durch das preißwürdigste Exempel des höchsten Königs des Himmels / Christi des HErrn / welcher in dem Evangelio gesprochen / und ausgeruffen hat: Venite ad me omnes, qui laboratis, & onerati estis, & ego reficiam vos: Kommet her zu mir alle die ihr arbeitet / und beladen seyd / und ich will euch erqücken.

Der 3. Absatz
Der 3. Absatz.
Von der Sonnen-Blum, oder Sonne-Wend.

Die Sonnen-Blum / oder Sonnen-Wend / Flos Solis Heliotropium ist die gröste unter den Garten-Blumen / sie wachst auf einem dicken starcken Stengel eines Manns hoch / oder noch mehr. 28 Sie wird also genennt / theils weilen sie ihren schönen gelben langlechten / und in einem Circul herum stehenden Blätteren / einiger massen der Sonnen gleichet: theils weilen ein Art derselben also beschaffen ist / daß sie sich jederzeit / auch wann der Himmel trüb / und überzogen ist / nach der Sonnen sich wendet / und gleichsam /als wann sie in die Schönheit der Sonnen gäntzlich verliebt und von derselben eingenommen wäre / sie allzeit anschauet / am Morgen zwar gegen Aufgang /und am Abend gegen Niedergang sich kehret. Es giebt der Sonnen-Blumen dreyerley / grosse / kleine / und mittelmäßige: die grosse tragen nur ein Blum / die kleinere aber mehr / sie werden erzeigt von ihrem Saamen / der bey einen schwartz / bey andern auch grau ist. Solcher wird im Frühling in dem Vollen-Mond gepflantzt / und auch im Vollen-Mond wiederum versetzt. Sie Sonnen-Wend erforderen einen guten fetten Grund / fleißige Begiessung / alsdann aber wachsen sie schnell / und hoch auf: wann der Stengel von diesen Blumen von dem Wind / oder sonsten abgebrochen wird / darf man es nur zusammen binden /so wachsen sie von selbsten wiederum zu: dann es ist ein klebiges / oder pichiges gewächs / welches aus seinem gehauenem Stengel ein Safft / oder Gummi /wie Terpentin tropfet.

Dem Saamen der Sonnen-Blumen seynd die Vögel gefährlich weilen er süß / und mild / an gewissen Orthen pflegt man aus den Saamen-Körnern ein Mehl zu machen / und Brod zu backen. Die Blumen ziehen zusammen und trucknen / die Wunden [660] gehen zusammen / wann man Sonnen-Blumen darauf legt: sie stillen auch das Blut / und seynd gut für die Geschwär.

Durch die Sonnen-Blum / oder Sonnen-Wend wird füglich der Gehorsam des Menschens gegen GOtt /und die Resignation seines in den göttlichen Willen verstanden: dann gleichwie diese Blum aus Antrieb ihrer Natur von Morgen an / biß Abend / bey trübem so wohl als heiterem Wetter / beständig nach dem Lauff der Sonnen sich lencket / und wendet / sie allzeit anschauet / und begehret von ihr angeschauet zu werden / ja in diesem gleichsam all ihr Glück und Vergnügenheit bestehet. 29 Also thut ein gerechter /und gehorsamer Mensch sich allzeit so wohl bey trüb-als heiterem Wetter / das ist / in Freud und Leyd /Glück und Unglück nach der Göttlichen Gnaden- Sonn sich lencken / und wenden / jederzeit und in allem seinem Göttlichen Willen sich gäntzlich ergeben / und demselben gleichförmig machen / nichts mehrers verlangend / als mit GOtt sich zu vereinigen /und von ihme in Gnaden angesehen zu werden. In Erfüllung des Göttlichen Willens bestehet die gröste Glückseeligkeit der Engel und Menschen.

Die Sonnen-Blum ist gleichsam ein lauteres Aug /welches gantz und gar auf die liebe Sonn gerichtet ist / so bald die Sonn am Morgen frühe aufgehet / so wendet diese Blum alsobald ihr / obwohl schweres /Haupt gegen ihr / machet ihr ein Reverentz / und grüsset sie gantz ehrerbietig. 30 Steiget die Sonn an dem Himmel höher / so erhebt / und erhöhet auch die Blum ihr Haupt / und wann sie wiederum niedr gehet / da folget sie ihr nach (weil sie es leiblicher Weiß nicht kan) aufs wenigst mit der Begierd und Neigung / über Nacht endlichen klaubt sie ihre glantzende Strahlen / verstehe die langlechte Gold-gelbe Blättlein zusammen / biß den anderen Tag die Sonn wiederum aufgehet / und alsdann stehet die Blum abermahl in Bereitschafft / und wartet ihr auf den Dienst etc.

Ein lebhaffte Abbildung einer GOtt-ergebenen und Göttlichen Seel! dero einzige Sorg / und Begierd ist der Göttlichen Gnaden-Sonn / und ihrem Einfluß nachzufolgen / sich derselben zu accommodiren. und so vil es ihr möglich ist / gleichförmig zu machen. Sie ruffet ihr gleichsam immerdar zu mit den Worten der geistlichen Braut: Trahe me post te, curremus in odorem unguentorum tuorum: 31 Ziehe mich / so wollen wir hinter dir dem Geruch deiner Salben nachlauffen. Solche gehorsame sittliche Sonnen-Blumen /die Christo dem HErrn / als ihrer Sonnen / eilends und getreulich nachgefolget / seynd unter tausend anderen gewesen / Petrus und Andreas bey ihrem Fischer-Netz / Matthäus bey seinem Zoll-Banck / Zachäus auf dem Feigen-Baum / Magdalena in dem Hauß des Pharisäers etc. dann Christus ist die Sonn /von welcher längstens der Prophet Malachias weiß gesaget hat: Orietur vobis timentibus nomen meum Sol Justitiæ: 32 Euch / die ihr meinen Nahmen förchtet / wird die Sonn der Gerechtigkeit aufgehen.

Ein solche alleredliste Sonnen-Blum / oder Sonnen-Wend / und zugleich das vollkommneste Exemplar oder Muster des Gehorsams ist gewesen Christus der HERR / welcher von ihm selbsten bezeuget / daß er nicht kommen seye auf diese Welt / seinen Willen zu thun / sonder dessen / der ihn gesandt hat / das ist /seines himmlischen Vatters / als der Göttlichen Gnaden-Sonn / nach welcher sich diese edle Sonnen-Blum Christus unabläßig gewendet hat / und gehorsam geblieben ist biß in den Tod / und zwar den Tod des Creutzes: auch zu Anfang des würcklichen Leydens hat er gebetten / es soll nicht sein / sonder des himmlischen Vatters Will geschehen. 33

Auch ein fürtreffliche Sonnen-Wend ist die seeligste Jungfrau Maria gewesen / welche sich jederzeit vollkommen nach dem Willen GOttes / als wie diese Blum nach der Sonnen gewendet / und durch ein vollkommniste [661] Resignation gerichtet hat: absonderlich /da sie bey dem Englischen Gruß von gantzem Hertzen gesprochen hat: Ecce Ancilla Domini, fiat mihi secundum verbum tuum 34 Sihe / ich bin ein Dienerin des HErrn mir geschehe nach deinem Wort. Ja es hat auch Christus der HErr selbsten sein Mutter seelig gesprochen / mehrers der Ursachen / weil sie das Wort Gottes / den Göttlichen Willen angehört und vollzogen / als weil sie den Sohn GOttes zur Welt gebohren hat.

Ein schöne Sonnen-Blum / oder Sonnen-Wend ist gewesen der Heil. Apostel Paulus / damahlen noch Saulus / als ihn GOtt durch einen unsichtbarlichen Gewalt auf die Erden geworffen / dieser aber mit vollkommener Resignation seiner selbst in den göttlichen Willen gesprochen hat: Domine, quid me vis facere: 35 HErr was wilt du daß ich dir thun solle? Ja er hat sich nachmahls der sittlichen Sonnen also gleiförmig gemacht / und ist ihr also nachgefolgt / daß er hat sagen dörffen: Vivo autem, jam non ego, vivit vero in me Christus. 36 Ich lebe aber jetzt nicht ich / sondern CHristus lebet in mir.

Ja ein jeder Untergebener soll ein sittliche Sonnen-Blum seyn / und sich vermög des höchst verdienstlichen Gehorsams nach dem Willen seines Oberen wenden und lencken / so wohl in beliebigen / als unbeliebigen Dingen / als wie die Blum nach dem Lauf der Sonnen so wohl bey trüben / als heiterem Wetter.Mens justi meditabitur obedientiam, 37 sagt der weise Salomon. Das Hertz des Gerechten / denckt auf den Gehorsam.

Den Gehorsam lehren uns auch die unvernünfftige Thier / zu demselben ermahnen uns auch die unempfindliche Geschöpff / welche alle / und jederzeit ihrem Erschaffer volkommen gehorsamen / und das jenige thun / zu deme sie von GOtt verordnet seynd.

Eigentlich aber ist der Gehorsam ein freywillige Unterwerffung seines Willens / dem Willen des Oberen Omnis anima potestatibus subliminaribus subdita sit, itaque, qui resistit potestati, Dei ordinationi resistit etc. Ein jegliche Seel / sagt der Apostel /seye unterthan der Obrigkeit: Derohalben / wer sich wider die Gewalt setzt / der widerstrebt GOttes Ordnung: die aber widerstreben / die überkommen ihnen selbst die Verdammnuß. 38 Hingegen nach Zeugnuß des grossen heiligen Gregorii: Obedientia sola virtus est, quæ cæteras virtutes menti inserit, insertasquè custodit. 39 Der Gehorsam allein ist jeder Tugend / so die andere dem Hertzen einpflantzet / und die eingepflantzte erhaltet. Melior est obedientia, quàm victima. 40 Der Gehorsam ist besser als Schlacht-Opffer. Dann durch dieses wird nur fremdes Fleisch geschlacht / durch jenen aber der eigene Willen zernichtet.

Diese und dergleichen seynd die fürtrefliche Eigenschafften der sittlichen Sonnen-Blumen / das ist des Gehorsams / oder der Gehorsammen. Aber es gibt auch hin und wieder noch andere Sonnen-Blumen /oder Sonnen-Wend / welche nicht in den Gärten / als wie die natürliche Blumen / sondern an den Höfen der grossen Fürsten / und Herren wachsen. 41 Solche politische Sonnen-Blumen / das ist / die Augen-Diener /Schmeichler / und Hof-Katzen richten und wenden sich jederzeit nach dem Lauff ihrer Sonnen / ich will sagen / nach dem Willen / und Wohlgefallen ihres Herren / und Principals / nicht nur bey dem Tag / und schönen Wetter / das ist / nicht nur in billigen Sachen / und Begehren / wann sich ihr Principal / oder Patron inner den Schrancken / der Gebühr und Gerechtigkeit haltet / sondern auch bey der Nacht und trüben Wetter / das ist / wann er wider alle Recht / und Billigkeit handlet: da folgen sie ihme gleich wohl nach /und accommodiren sich durch Beyfall / und Gutheissung seines schlimmen Vorhabens etc. Diese politische Sonnen-Blumen erforderen einen guten fetten Grund / das ist / ein guten Dienst / oder einträgliche Beambtung / sie wollen auch offt als wie die Sonnen-Blumen begossen werden nicht mit Wasser / [662] sondern mit reichlichen Gaben / und Schanckungen sie schauen nur immerdar ihr Sonnen an / und wünschen nichts mehr / als hinwiederum von ihrer Sonnen / ihrem Fürsten und Herren in Gnaden angesehen zu werden: in diesem bestehet all ihr zeitliches Glück / und Zufriedenheit.

Wann sie dieses haben so wachsen sie geschwind /und hoch auf: ja also hoch / daß sie die andere niedere und kleinere Blumen / das ist / die geringere Beambte weit übersteigen / oder übersehen / und also überschatten / daß die Sonn / der Fürst / oder regierende Herr / dieselbe in Gnaden nicht mehr anscheinet. Aber wann die Sonn untergehet / oder ein starcke Finsternuß leidet: ich will sagen / wann ihr Herr / und Patron unglücklich ist / und in das Abnehmen gerathet /also daß er sie nichts mehr nutzen / und helffen kan /da werden sich diese interessirte / oder eigennutzige politische Sonnen-Blumen / verstehe / die Augen-Diener / Schmeichler / und Hof-Katzen / nicht mehr nach der Sonnen (das ist / ihrem gewesten Herren / und Patronen) sondern sie kehren ihm den Rucken / und suchen einen anderen Herren / der ihnen anständiger ist.

Est amicus secundùm, & non permanebit in die tribulationis suæ. 42 Sie seynd Freund / und Diener nur auf ein Zeit / so lang es ihnen taugt / und wohlerget. Zur Zeit der Trübsal aber gehen sie zuruck / sie kinden den Dienst / und die Freundschaft auf. etc.

Der 4. Absatz
Der 4. Absatz.
Von der Granadill, oder Passion-Blum.

Die Americanische Granadill / oder Paßion-Blum wird also genent / theils weilen dieses Gewächs ein Frucht bringt / welche an der Farb / und Grösse dem Granat-Apffel zimlich gleichet / ausser daß sie kein Crönlein auf hat: theils weil es ein schöne sehr wohlriechende Blum / die schöner und grösser / als ein Rosen ist / auf welcher die Instrumenten des Leydens Christi gantz deutlich von der Natur entworffen zu sehen seynd. 43 Wie Nirnbergius und andere bezeugen: die erste Granadill / oder Paßion-Blum solle Pabst Paulo dem V. aus Indien für ein Rarität zugeschickt worden seyn / welche dann fortgepflantzt worden / und sich also vermehret hat / daß sie in Italien vilfältig zu sehen ist. Der mitlere Stengel in dieser Blum præsentirt ein kleine Saul sambt ihrem Postoment, und Capitäl / 5. sich in einander flechtende Gertlein mit 72. Spitzlein versehen / stellen vor die dörnene Cron Cristi / welche 72. spitzige Dörner gehabt hat: Ferners ist in dieser Wunder-Blum auch ein Creutz zu sehen mit etwas / so 3. oder 4. Näglen gleichet / wie auch etwas / so die Strick und Band / die Lantzen / und das Moß-Rohr vorbildet: absonderlich aber erscheinen auf dieser Blum die heiligen 5. Wunden Christi / durch 5. Blut-rothe Dupffen vorgebildet etc. Ja wann man die Granadill / oder Paßion-Blum genau betrachtet / so wird man auch 7. langlechte Blättlein finden welche die 7. Schwerdt / oder Schmertzen Mariæ bedeuten.

Um ein sittliche Auslegung dieser so edlen / und wunrdersamen Blumen darf man sich nicht lange umfragen / es ist für sich selbsten klar / daß GOtt uns dardurch des bitteren Leydens / und Sterbens Christi erinneren will. 44

Die Indianer / und Americaner / wie ich liese / pflegen die Blum an dem Halß / oder auf der Brust zu tragen / damit sie dero Lust allzeit geniessen mögen: vil mehr aber sollen wir das Andencken des Leydens Christi in der Gedächtnuß / und in dem Hertzen tragen mit danckbarer Erkäntlichkeit / und schuldiger Gegen-Lieb. Die Frucht des mehr gemeldten Gewächses haltet ein gar lieblich- und wohl geschmackten Safft in sich / auch in der Betrachtung des Leydens Christi ist ein unbeschreibliche Süsse und Lieblichkeit (neben dem grossen Nutzen / und Verdienst) enthalten / wie es unzahlbar andächtig- und GOtt liebende Seelen mit ihrem grösten Trost / und Vergnügenheit erfahren haben. 45

[663] Diese Paßion-Blumen ist zwar kein Myrren-Büschlein in der Sach selbsten / wohl aber in der Bedeutung / in der Krafft und Würckung / weilen sie die mehriste Paßions-Instrumenten anzeugt / und lebhafft vor Augen stellet.

Die Effect der heilsamen Würckungen dieser Betrachtung des Leydens Christi seynd fürtreflich / und vilfältig.

Es wird in derselben / sagt Laur. Justin. der Abgrund der Göttlichen Erbarmnussen eröffnet / und die Porten des Himmels aufgethan etc. Das Gemüth wird von Sünd / und der Eitelkeit abgewendt / das Hertz zerknirscht / und zu GOtt bekehrt / die Gedult / und das Vertrauen wird dardurch gestärckt / und die Verdienst vermehret / der Verstand wird erleuchtet / der Willen entzündet / alle Bitterkeit der Trübsal versüsset / die Sicherheit in dem Tod verschaffet / auch die Pein des Feg-Feuers darduch verkürtzt und ausgelescht.

Ja vornehme Asceten und geistliche Lehrer / benanntlich der Heil. Albertus, halten darfür / daß der Mensch durch ein kurtze / und andächtige Betrachtung des Leydens Christi mehrer abbüsse und verdiene / als wann er sich mit langwürigem Betten / mit strengem Fasten und Leibs-Casteyen abmatten thäte. Diese Betrachtung ist Christo dem HErrn der angenehmste Dienst: zu dieser ermahnet er uns selbsten durch den Mund des Propheten / sprechend:O vos omnes, qui transitis per viam, attendite & videte, si est dolor sicut dolor meus: O ihr alle / die ihr den Weg fürüber gehet / mercket doch / und sehet / ob auch ein Schmertzen seye / wie mein Schmertz. 46

Die Betrachtung des Leydens Christi ist ein allgemeines kräfftiges Mittel wider alle Sünd und Laster /wider alle Trübsaal / Beschwerden und Verfolgungen. Der Hoffärtige solle betrachten und wohl erwegen die aliertieffeste Demuth und Erniedrigung Christi / der Zornige sein unüberwindliche Gedult / der Geitzige sein äusserste Armuth / der Neidig- und Häßige seine Lieb und Sanfftmuth / der Geile seine reineste Unschuld / der Gefräßige seine Mäßigkeit und strenge Fasten / der Träge seinen unermüdeten Fleiß / der Widerspennige seinen Gehorsam biß in den Tod des Creutzes / der Krancke soll betrachten seine Wunden und Schmertzen / der Gefangene oder Vertriebene seine Flucht / seine Strick und Band / der Verschimpffte und Verfolgte seine Schmach und Unbilden / seine Streich und Lästerungen.

Aus Göttlicher Krafft gezwungen / hat der höllische Feind dem heiligen Einsidler Antonio bekennt /daß sein Macht und Gewalt durch die Krafft des Leydens Christi seye entkräfftet und zernichtet worden: welches der Heil. Augustinus gar wohl erkennet hat /und nach selbst eigener Zeugnuß in all seinen Versuchungen bey dem leydenden Heyland sicheren Schutz gesucht / und gefunden hat in seinen Wunden / als wie eine Taub / die vor dem Raub-Vogel fliehet in die Löcher der Felsen / und Hölen der Mäuren. 47

Die sittliche Granadill- oder Passion-Blum / das ist / das Andencken des Leydens Christi / hat unter vil anderen getreuen Dieneren GOttes der heilige GraffElzearius so beständig in seinem Hertzen getragen /daß er einstens seiner Gemahlin Delphinæ abwesend geschrieben hat / wann sie ihn suchen / und finden wolle / soll sie ihn nirgends / als in der Seiten-Wunden Christi suchen. Ein andersmahl / als sie sich verwunderte / und fragte / wie er doch so grosse Trübsaal und Widerwärtigkeiten / die Schmach und Unbilden /die er von seinen rebellischen Unterthanen erlitten hat / so gedultig übertragen könne? da gab er zur Antwort / daß er dieses alles durch die Betrachtung des Leydens Christi überwinde / und daß der jenige / so die Schmach und Unbilden Christi zu Gemüth führet / die seinige gern erdulten thue.

Die seelige Clara de Montefalco hat das Leyden Christi durch vilfältige und lebhaffte Betrachtung ihrem Hertzen [664] also eingedruckt / daß / als man nach ihrem Tod sie eröffnet / mit leiblichen Augen alle Instrumenta des Passions / als Creutz / Lanzen / Nägel / Cron etc. deutlich darinn verzeichnet / oder abgebildet gesehen hat.

Der Heil. Paulus aber / tausend andere zu geschweigen / ware dermassen in das Leyden Christi verliebt / und vertiefft / daß er schier von nichts / als von JESU dem Gecreutzigten hat wissen und hören wollen / er ruffet auch allen Glaubigen eyfrig zu: Induimini Dominum JEsum: Leget an den HErrn JEsum Christum / bewaffnet euch mit seinem Creutz und Tod. Hingegen sagt der Heil. Bonaventura: der nicht angethan / oder bekleidet ist mit dem Leyden Christi / der soll nicht gedencken / daß er ein rechter Mensch seye / sonder vilmehr ein Besti.

Deßwegen dann ein jede Christliche und GOtt-liebende Seel die edle Granadill- oder Paßion-Blum /das ist / die anmüthige Betrachtung des bitteren Leydens und Sterbens Christi / als höchst-verdienstlich /billichster massen ihr lassen befohlen seyn.

Der 5. Absatz
Anhang
Zu den Bäumen, Kräuter und Blumen. Von dem Garten-Werck insgemein.

Wann man das gantze Reich der Natur durchgehet /und alle sichtbarliche Ding betrachtet / so wird man schwerlich eines finden / zu dessen Vollkommenheit die Natur / und Kunst zugleich / und so fleißig mitwürcket / als eben einen Garten / weder diese noch jene / insonderheit ist da genug [669] / und erklecklich. Die Kunst allein ist nicht fähig das geringste Blümlein / ja das mindiste Gräßlein herfür zu bringen: hingegen ist es auch niemahl erhört worden / daß die Natur für sich selbsten und ohne Zuthuung eines fleißigen / und Kunsterfahrnen Gärtners / einen förmlichen und ordentlichen Garten habe herfür gebracht / sondern beyde die Kunst und Natur müssen zusammen helffen / damit es einen rechten schönen Garten abgebe / der ein Zierd der Erden / ein Lust der Augen / und ein Freud des Hertzens seye / ja einem irrdischen Himmel gleiche. 64

Ich sage einem irrdischen Himmel gleiche / dann nicht ungereimt wurde thun / oder reden der jenige /der sagen solte / ein schöner grüner Garten seye schier eben das in der niedere / was das heitere blaue Firmament in der Höhe: und was an dem Himmel die annehmliche Morgen-Röthe ist / das seyn in dem Garten die Purpur-farbe Rosen / was daroben der silber-farbe Monn / das seyn herunten die schneeweißen Lilien: was an dem Firmament der Venus Stern ist / der Mercurius, Jupiter, Mars, und Saturnus das seyen in einem Garten die Narcissen / Hyacinthen / Violen /Negelein / und Tulipanen etc. die übrige vast unzahlbare Blümlein / und Kräuter präsentiren und stellen uns vor / die unendliche Menge der anderen kleineren Sternen. 65 Was aber an dem Firmament der Haupt-Planet die Sonn ist / das ist in einem Garten die so genannte Sonnen-Blum / oder Sonnen-Wend / die gar viel grösser ist / als die andere Blumen / und gleichsam mit so viel Sonnen-Strahlen / als mit schön gelben / lang und schmahlen Blätlein umgeben / und gezieret ist.

Sehr viel wird zu einem schönen vollkommenen Lust-Garten erfordert / absonderlich die fleißige Abwart eines Kunsterfahrnen Gärtners: dieser muß ein verständiger / anschlägiger / arbeitsamer und unverdrossener Mann seyn / starck von Leibs-Kräfften / der Hitz / und des Ungewitters wohlgewohnet. 66 Er muß begierig seyn den Garten von dem Ungezifer / und Unkraut sauber zu halten / und immerdar etwas Neues von Blumen / und Früchten herfür zu bringen / und selbe fleißig zu bewahren. Forderist muß er wohl in Obacht nemmen / die Gelegenheit des Orts / die Fruchtbarkeit des Erdreichs / und den Anschlag des Winds: er muß auch verstehen den Lauff des Monds /und andere Himmels-Zeichen / die Abänderung des Wetters / und der Jahrs-Zeiten etc. Neben dem was zum Pflantzen / zum Peltzen / zum Impfem / zum Oculiren / zum Absägen gehört. Ferners muß er sich befleissen / und sorgfältig seyn / daß ihme niemahl etwas ermangle an dem nothwendigen Werckzeug /Vorrath / und Instrumenten die zu einem vollkommenen Garten-Bau erfordert werden.

Aber noch mehr Mühewaltung / Sorg und Fleiß braucht es / daß man den sittlichen Garten des menschlichen Hertzens recht pflantze / wohl anbaue /und im guten Stand erhalte: daß man ihn von dem Unkraut / und Ungeziefer / der Sünd und Laster / der bösen Begierden / und Gewohnheiten / reinige und befreye / keine Mühe und Arbeit muß man da sparen /keine Zeit verlieren / frühe und spat daran seyn / und auf alles fleißig Achtung geben. 67 Man muß den Grund seines Hertzens fleißig durchforschen / seine Kräfften abmessen / sich selbsten / und die bevorstehende Gefahren wohl erkennen: auch die Hitz der Verfolgung / und Kälte der Trostlosigkeit williglich /und gedultig übertragen / und sich unermüdent befleissen schöne Blumen der Tugenden / und häuffige Früchten der Verdienst / und guten Wercken aufzubringen / und selbe vor den Dieben / der eitlen Ehr /und des zeitlichen Gewinns fleißig bewahren / zu diesem End aber allzeit den nothwendigen Vorrath der geistlichen Mittlen / die von denen Seelsorgeren vorgeschrieben werden / bey Handen haben.

Ein Gärtner / so ein guter / arbeitsamer / aber einfältiger Mann ware / beklagte sich einstens bey dem Weltbekanten / und gespäßigen fabulanten Æsopo /daß immerdar so viel Unkraut [670] in seinem Garten wachse / da er doch niemahl das mindiste darein gesäet oder gepflantzet habe / es nehme ihn doch wunder woher es komm: er könne es nicht genug ausreutten /und mache ihm unsägliche Mühe / hingegen die gutte / und nutzliche Kräuter könne er kaum mit vieler Mühe / und langer Weil recht aufbringen etc. 68 Æsopus hatte kaum die Klag des Gärtners angehöret / da war er schon mit der Antwort fertig: mich dauret zwar dein Unglück sagte er / du must aber wissen / daß die Erden die rechte Mutter des Unkrauts ist / darum traget sie es so gern und häufig: der guten nutzlichen Kräuter und Gewächsen aber ist sie nur ein Stieff-Mutter / und bringt sie nicht leicht auf die Welt /wann man sie nicht mit Fleiß darzu nöthiget / gleichwie die Stieff-Mütteren alzeit lieber ihre eigene / als fremde Kinder ernähren und aufziehen.

Eben also geth es auch in dem sittlichen Garten des Menschlichen Hertzens zu / das Unkraut der Untugend / und Sünden wachset für sich selber gar häufig /und schnell / man kan es kaum genugsam ausreutten /weil es nehmlich der verderbten Natur gleichsam angebohren / und eigenthumlich ist. Sensus & cogitatio humani cordis in malum prona sunt ab adolescentia sua. 69 Die Anschläg und Gedancken des Menschlichen Hertzen seynd geneigt zum bösen von Jugend auf. Hingegen die gute und / und nutzliche Kräuter der Tugend / und guten Wercken bringt die Erden des Menschlichen Hertzens mit harter Mühe / und gar langsam herfür / es kostet viel Mühe und Arbeit. Ja alle Mühe und Arbeit ist umsonst / wann nicht von oben herab das himmlische Gnaden-Thau / das ist /der Göttliche Seegen / darüber komt / wie es der H. Paulus in seiner Apostolischen Arbeit / da er den Glauben unter den Heyden gepflantzet hat / wohl erfahren / und außdrücklich bekent hat sprechend: Ego plantavi, Apollo rigavit, Deus autem incrementum dedit. 70 Ich hab gepflantzet / Apollo (sein Mithelfer) hat begossen / GOtt aber hat das Gewächs geben. So ist nun weder der da pflantzet / oder der begiest etwas / sonder GOOT der es wachsen macht.

Viel merckwürdige / ja wunderwürdige Ding werden hin und wieder von den Gärten gelesen / so wohl vor alten als bey jetzigen Zeiten / seynd sie beliebt /und berühmt gewesen: schon in dem Alten Testament hat der weisse König Salomon mit grossem Fleiß /und Kosten Königliche Lust / und Baum-Gärten gepflantzet. 71 Kunstreich / und verwunderlich ware jener Garten / welchen die Königin Semiramis in Babylonia in der Höhe / und gleichsam in dem Lufft hat bauen lassen.

Herrlich und kostbar ware jener Thebanische Garten / welcher mit hundert Portalen / oder ansehlichen Eingängen versehen war. Sehr berühmt ware jenerCambanische Lust-Garten / in welchem der KönigPorsenna inbrünstig verlangt hat zu leben / zu sterben / und begraben zu werden.

Zu Maroco solle der Königliche Lust-Garten wohl mit 15000. Pommerantzen-Bäumen / Lemonien- und Dattel-Bäumen besetzt seyn: Oel-Bäum aber und andere Gemeine / sollen sich noch mehr / und zwar in schönster Ordnung da befinden. Der Persianische König Pyrrhus hat / wie Volatesanus in Hist. Pers. bezeuget / mitten in seinem kostbaren Lust-Garten einen großmächtigen von purem Gold gegossenen Pelicanen verfertigen und aufrichten lassen / der von seinem gantzen Leib gleichsam an einen Platz-Regen der schönsten Wasser-Perlein außsprützte.

Es führen die reiche und mächtige Indianer / noch mehr aber die Sineser einen ungemeinen Pracht in denen rahristen und herrlichsten Lust-Gärten: unter vielen anderen wird einer / wie Erasmus Franciscus schreibet in einer vornemmen Stadt in Sina gesehen /in welchem neben den rahristen / schönsten / edlisten Früchten / Blumen und Gewächsen in grosser Menge / ein gantzer Berg von mancherley polirten Marmelstein so künstlich aufgeführt ist / daß es sich höchlich darüber zu verwundern. Es seyen darinn unterschidliche [671] Lust-Höhlen / oder annehmliche Grotten eingehauen / vor der Sonnen-Hitz sich darinn zu schirmen /neben andern bequemen Zimmern / und Stiegen etc. Die Annehmlichkeit des gantzen Lust-Gebäus wird dardurch vergrösseret / weilen es auf solche Art ist gericht / daß es einen Labyrint / oder Irrgarter repræsentiret.

Bey einem Pallast eines gewissen Potentaten Calaminchan genannt / befinde sich ein überaus köstlich /und künstlicher Garten / in welchem mancherley Raritäten / und Kostbarkeiten waren / welche weder die Augen genugsam beschauen / noch der Mund genugsam preisen kunte / er hatte viel Gäng / und Geländer mit silbernem Laubwerck zierlich umgeben: und viel ungemein wohlriechende Bäum waren da gepflantzet /von welchen man sagte / daß man alle vier Jahrs-Zeiten Blumen und Früchten daran finde. Uber dasflorirten allda viel tausend Rosen von unterschidlicher Art / neben andern so wunderschönen Blumen / daß es nicht genugsam zu beschreiben.

Ja auch in Europa seynd annoch hin und wider an Königlich / und Fürstlichen Höfen / in Franckreich /Italien / und Teutschland etc. so herrlich / und prächtige Gärten zu sehen / in welchen die Natur / Kunst und Kostbarkeit gleichsam mit einander in die Wett streiten / also daß es schwer ist / zu urtheilen / welche aus diesen mehr zu bewunderen seye / und ob das Aug mehr schönes zu beschauen / die Rosen mehr liebliches zu riechen / oder der Mund mehr annehmliches zu kosten habe: dann es befinden sich da nicht nur die schönste Blumen / die edliste Früchten / und rahriste Gewächs / sondern auch die Kunstreiche Statuen / die ansehnliche Pyramiden / bequeme Aleen /annehmlich und kunstreiche Wasser-Werck / und viel andere herrliche Lust-Gebäu etc.

Aber was solte dieses alles seyn gegen dem himmlischen Paradeyß / oder Lust-Garten? was sage ich /solt es anders seyn / als ein blosser Schatten / ja ein lauteres Nichts? dann die irrdische Lust-Gärten verwelcken / oder verdorren / samt aller ihrer Schönheit gehen sie mit der Zeit zu Grund / ein allzugrosse Hitz / oder Kälte / ein Sturm-Wind kan sie zu Grund richten / aber der himmlische Lust-Garten floriret und grünet ewiglich. 72

Die irrdische Lust-Gärten thun zwar die äusserliche Sinn in etwas ergötzen / aber das Hertz nicht ersättigen: hingegen das himmlische Paradeyß thut nicht nur alle Sinn des Menschen auf ein unvergleichlich / fürtreffliche Weiß erlustigen / sondern auch das Gemüth / und die innerliche Kräfften der Seelen auf das vollkommniste vergnügen.

Es ist allda ein immerwährender Frühling / oder Sommer ohne Winter / ein Tag ohne Nacht / ein Freud ohne Verdruß / ein Ruhe ohne Mühe / ein Fried ohne Verstöhrung / ein Sicherheit ohne Gefahr / ein Uberfluß ohne Mangel etc. zu geniessen. Ja wie der Apostel lehret / so hat es jemahl kein Aug gesehen / kein Ohr gehört / und in keines Menschen Hertzen ist es gestiegen / was GOtt vorbereitet hat /denen / die ihn lieben. 73

Die Garten-Freud ist zwar ein ehrbare / unschuldige Freud: auch heilige Männer haben ein Freud mit den Gärten gehabt: benanntlich der Heil. Franciscus hat mit eigenen Händen viel Bäum gepflantzet / deren einige noch biß auf unsere Zeiten sollen fortgeziegelt worden seyn / Frucht getragen / und Wunder darmit geschehen. 74 Deßgleichen der H. Gregor. Nacianz. hatte einen schönen Lust-Garten / und darin ein annemmliches Brunn-Quäll und schattächtiges Wäldlein / worin er zu Zeiten spazierte und einen frischen Lufft schöpffte. Viel GOttseelige und gescheide Männer thun sich annoch zu Zeiten mit dem Garten-Werck gantz löblich beschäfftigen.

Aber es gibt auch nicht wenig eitle Welt-Menschen / die sich gar zu starck / und also sehr in die Gärten /in das Blumen-Werck verlieben / und vernarren / daß sie die mehriste Zeit darmit zubringen / und fast all ihre Mittel darauf wenden / und verschwenden / welches sehr tadelhafft / und straffmäßig ist. Als welches viel andere gute Werck / und nothwendigere [672] Ding verhinderet / und hingegen zu so viel Ublen Anlaß gibt.

Ein solcher Garten-Narr ist gewesen der jenige /welcher / als er gesehen / daß ihm ein Mißgönner sein schönstes Blumen-Bett bey nächtlicher Weil / als wie ein Schwein umwulet / und gantz verderbt hatte / da hat er sich also darüber betrübt / und erzürnt / daß er verzweifflet ist / ein Strick genommen / und sich selbst an dem nechsten Baum erhencket hat; noch ärger hat es gemacht ein adelicher reicher Spanier /von welchem Pollenarius in suo Eccledilveidato c. 2. §. 3. schreibt: dieser als er tod-kranck lage / und sahe / daß er sterben müst / begehrte er man soll ihn zur letzt noch einmahl in seinen Lust-Garten tragen / und als er da mit grosser Begierd seine schöne Blumen /rahre Gewächs / und edle Früchten besichtiget /schrye er gantz verzweifflet auf / als wie ein höllische Furi / und lästerte GOtt / daß er ihn durch den Tod von diser Freud / von seinem Garten-Lust hinweg nemme. 75 Nunquam à te Cœlum petii cur terram mihi invides? Ich hab ja (sagte dieser Gotts-Lästerer) den Himmel niemahl von dir begehrt / warum gönnest dann mir die Erden nicht? warum lassest du mich mein Garten-Freud nicht länger geniessen? Mit welchen Gottslästerlichen Worten er sein unglückseeligen Geist aufgeben hat / und des irrdischen / und himmlischen Lust-Garten zugleich auf ewig ist beraubet worden.

Andere seynd zwar nicht gar so gottlos / aber doch närrisch und eitel genug / die so viel auf Blumen spendieren / daß sie all ihr Hauß-Gesind darmit ernähren / oder viel Arme darmit erhalten kunten: die mehr Sorg tragen für ein rahre Blumen / Zwibel / oder Pfläntzlein / als ein manche Mutter für ihre Kinder: die um ein verdorbene Blum oder abgestandenes Bäumlein mehr trauren / als wann ihm das Weib gestorben wäre etc.

Viel böses geschicht in den Gärten / wann man sie mißbraucht: In dem Garten / und zwar in dem irrdischen Paradeyß-Garten / haben unsere erste Elteren Adam und Eva die Unschuld / die Gnad GOttes samt dem Recht zu dem Himmel verlohren. Die keusche Susanna ist in dem Garten in die gröste Noth / und Gefahr gerathen. Der Garten ist dem König Davidfatal gewesen / in welchem er die schöne Betsabæam erblickt / und sich darein verliebt hat. Der Garten ist dem König Jerdboam höchst schädlich gewesen / in welchem er die Götzen-Bilder hat aufgericht.

In dem Garten thut man offtermahl unmäßig trincken / und spielen / und andere hieraus erfolgende Laster begehen. Mitten unter den annehmlichen Rosen gibt es offt gar unangenehme grobe Knöpff / die grobe Zotten und Possen reissen / auch mitten unter den schönen Ilgen thut offtermahl die schneeweisse Lilien der Reinigkeit verwelcken / und weil man unter den schönen Blumen sich befindet / verliehrt man das unschätzbare Kräntzlein der Jungfrauschafft / ja zwischen den grünen Garten-Spalieren / wird man nicht selten an Ehr / und gut spoliret.

Derowegen ist sehr rathsam / und nothwendig / daß man das Hertz und Gemüth von dem unmäßigen oder allzugrossen Garten-Lust abwende / der Zeit / und Kösten verschone: hingegen aber mit allem Fleiß und Ernst nach dem allzeit grünenden und florirenden himmlischen Paradeyß-Garten trachte / der vom Bach des Wollusts angefeuchtet wird. Dieses ist die getreue Ermahnung eines heiligen Vatters / indeme er sagt:Ibi nostra fixa sint corda, ubi vera sunt gaudia. Dorthin sollen wir abzihlen / und das Hertz anhefften / wo die wahre / reine / und daurhaffte Freuden zu finden seynd / das ist / in dem himmlischen Paradeyß.

[673]
Fußnoten

1 Menge und Schönheit der Blumen.

2 Abtheilung der Blumen.

3 Die Rosen ist ein Königin der Blumen / und sehr beliebt.

4 Mancherley Rosen.

5 Krafft und Würckung der Rosen.

6 Rosen mit und ohne Dörner.

7 Die Rosen ist ein Sinnbild der Wohlredenheit / und des Stillschweigens zugleich.

8 Wunderwürdige Rosen. Geschicht.

9 Die Seeligste Jungfrau wird vielfältig mit einer Rosen verglichen.

10 Ob sie auch Dörner habe.

11 Rosen von Jericho.

Lib. 4. Reg. c. 2.

Dalmata in Mundo Mari. Discur. 18. c. 12.

12 Ferners Lob der Marianischen Rosen.

13 Surius Tomi 2. 7. April.

14 Grosse und heilsame Krafft der geistlichen Rosen.

15 Epr. 122.

16 Guldene Rosen zu Rom.

17 Krafft und Nutzen des Heil. Roser-Krantzes.

18 Lib. Mira. c. 26.

19 Geschichten.

20 Der Ilgen Art und Beschaffenheit.

21 Matth. c. 6. v. 28.

22 Jungfräuliche Reinigkeit mit der Ilgen verglichen.

23 L. de Virg. c. 15.

Cant. c. 2. v. 2.

24 Jungfräuliche Tugend.

25 Die unbefleckte Jungfrauschafft Mariä ist gleich einer Ilgen.

26 Geschicht.

27 Regierende Herren und Obrigkeiten sollen politische Lilien seyn.

28 Wie die Sonnen-Blum beschaffen sey.

29 Die Sonnen-Blum bedeutet den Gehorsam und die Resignation.

30 Grosse Neigung dieser Blum zur Sonnen.

31 Cant. c. 1. v. 3.

32 Malac 5. c. 4. v. 2.

33 Der Gehorsam wird gepriesen.

34 Luc. c. 1. v. 38.

35 Oct. c. 9. v. 7.

36 Ad Gal. c. 2. v. 20.

37 Prov. c. 15. v. 28.

38 Rom. c. 13. v. 1.

39 Lib. 35. Moral.

40 1. Reg. c. 15.

41 Politische Sonnen-Blumen.

42 Eccli. c. 6. v. 8.

43 Beschreibung der Granadill oder Paßion-Blumen.

44 Des Leydens Christi soll man sich fleissig erinnern.

45 Grosse Krafft u. Nutzbarkeit der Betrachtung des Leidens Christi.

46 Tren. c. 1. v. 2.

47 Cant. c. 2. v. 14.

48 Der Beygelein Art / und Eigenschafft.

49 Die Demuth wird durch das Beygelein verstanden.

50 Die Demuth wird beschriehen / und gepriesen.

Reg. c. 7.

51 Lib. de similit.

52 Prov. c. 29. v. 23.

53 Mohn / oder Mag-Saamens Beschaffenheit.

54 Mag-Saamen verursachet den Schlaf.

55 Schlafen ist nothwendig / zu vil ist ungesund.

56 Lib. 7. de leg.

57 Die Nägelein Blum.

58 Die Tulipanen.

59 Die Narcissen.

60 Die Hyacinthen.

61 Die Catholische Kirch ist gleich einem Blumen-Garten.

62 Gen. It. c. 4.

63 1. Cor. c. 12.

64 Die Gärten seynd ein Werck der Natur und Kunst zugleich.

65 Ein Garten wird mit dem Firmament verglichen.

66 Wie ein Gärtner solle beschaffen seyn.

67 Das menschliche Hertz ist ein sittlicher Garten.

68 Geschicht.

69 Gen. c. 8. v. 21.

70 1. Cor. c. 3.

71 Herrliche Lust-Gärten seynd beliebt und berhümt.

Eccl. c. 2. v. 5.

72 Das himmlische Paradeyß wird gepriesen.

73 1. Cor. c. 2.

74 Unmäßiger Garten-Lust wird getadelt.

75 Exemplen dieser Untugend.

Beschluß des gantzen Wercks
[674] Beschluß des gantzen Wercks.

Nun hab ich dich bißhero / Christlicher Leser / unter dem Geleit GOttes / und der Wahrheit / vermittelst meiner einfältigen / doch aufrichtigen Feder / zimlicher massen in dem gantzen weitschichtigen Reich der Natur / das ist / in der grossen und kleinen Welt herum geführt / und viel merckwürdige Ding / die sich darinn befinden / gezeigt. Wir seynd erstlich durchgangen das obere Sternen-Hauß / oder die gestirnnte Himmels-Felder / und haben allda die grosse Welt-Liechter die Sonn / den Mond und die Sternen besichtiget: wie auch unterschidliche Metheora, oder Lufft-Gesichter / und Impressiones die in der Höhe gezeigt werden. 1

Wir haben betrachtet die vier grosse Haupt-TheilMundi sublunaris, das ist / die vier Elementen samt dero Situation und Beschaffenheit etc. Wir haben auch insonderheit durchsucht die inneriste Heimlichkeiten oder gleichsam das Ingeweid der Erden / und gesehen / was diese unser allgemeine Mutter Rahres /und Kostbares in ihren Schatz-Kämmeren verborgen habe / nemmlichen die glantzende Mineralia, der Metalla, und schimmerende Edelgestein etc.

Von dem Macrocosmo, oder aus der grossen Welt haben wir uns begeben ad Microcosmum, oder zu der kleinen Welt / das ist / dem Menschen / und wahrgenommen / was dieser für ein wunderliche Harmoni und Gleichheit / oder Ubereinstimmung mit dem grossen Welt-Gebäu habe / und folgends gar recht und wohl die kleine Welt benahmset werde: Dann das Haupt des Menschen ist einiger massen gestaltet als wie der Himmel / in welchem die siben Planeten uns vorgestellet werden / durch die siben Vertieffungen /oder Oeffnungen / die sich in dem Haupt befinden /nemlichen zwey der Augen / zwey der Ohren / zwey der Nasen / und eine des Munds. 2 Der Magen / so die Speiß verkochet / bedeutet die Erden / die Lungel /die Respiration, oder das Schnauffen beförderet den Lufft / und die Hitz des Hertzens das Feuer.

In der grossen Welt ist der Primus Motor, undRector universi, GOtt / als ein Urheber der Natur: in dem Menschlichen Leib aber ist der Regent, und das Ober-Haupt die Seel. Ferners die wachsende Krafft ist in dem Lebens-Geist / die sinnliche oder empfindliche in dem Leib selbsten / und die verständliche Krafft in der Seel.

Wiederum die Bilosische Feuchtigkeit gleichet dem Feuer / die Phlegmatische dem Wasser / die Blut-reiche dem Lufft / und die melancholische der Erden.

Die Blut-Aderen seynd gleichsam die Flüß / und Wasser-ström / in dieser kleinen Welt / die Blasen der Ocean, das Fleisch aber die Erden: die Gebein seynd die Berg und Felsen / das Haar ist das Graß / die Kranckheiten seynd die Meteora, die schnelle Gedancken seynd die Wind / und die hefftige Passiones, oder Gemüths-Regungen seynd die Ungewitter.

Weiters die sieben Irrstern / oder Planeten können also eingetheilt werden / daß durch das Hertz die Sonn / durch das Hirn der Mond / durch die Leber der Jupiter / durch das Miltz der Saturnus / durch die Gall der Mars / durch die Nieren die Venus / und durch die Lungel der Mercurius verstanden wird.

Gleichwie auch in der grossen Welt die Dünnst /und feuchte Dämpff aus der Erden / und aus dem Meer übersich steigen / sich in ein Gewölck zusammen ziehen / und dann widerum in einen Regensolviren / und Tropffen-weiß herab fallen / also steigen die Dämpff aus dem Magen des Menschen über sich in das Haupt / da werden Haupt-Flüß / und Catharren daraus / die endlich widerum abwerts sincken.

Das Hirn des Menschen hat ein Gleichheit mit dem Mond / weil es gleich dem Mond zu seiner Zeit zu-und abnimmt: das Wachen bey einem gesunden Menschen ist gleichsam der [674] Tag / das Schlaffen aber die Nacht / die Vergnügung und Zufriedenheit / ist das schöne heitere Wetter / die Traurigkeit aber die gewülckige finstere Zeit: endlichen gleichwie die Sonn die gantze grosse Welt erleuchtet / und überschauet /also erleuchtet / und beschauet das menschliche Aug die kleine Welt / oder den Leib des Menschen.

Diese kleine Welt / das ist den Menschlichen Cörper haben wir in dem anderten Theil dieses gegenwärtigen Buchs anatamirt / oder stuckweiß zergliederet /und dessen wunderbarliche Structur oder Beschaffenheit betrachtet / nicht nur die äusserliche fünff Sinn des Menschen / sonder auch fast alle andere innerliche und äusserliche Glieder durchforschet.

In dem dritten Theil seynd wir aus der kleinen Welt wiederum in die große zuruck gekehret / und von dem Menschen auf die Thier kommen (als welche sich in dem anderten Grad des empfindlichen Lebens befinden.) Da wir erstlich die Führnemmste Vier-Füßige so wohl wilde / als zahme Thier / und deroselben gar unterschiedliche Anmuth / und Eigenschafften betrachtet. Ferners seynd wir auch auf den Wässeren umgeschweifft einige Meer- und andere Fisch beobachtet. Von dannen aber uns in die Lufft erhoben / und vielerley Vögel samt dero wunderlichen Eigenschafften in consideration gezogen.

In dem vierten Theil endlich seynd wir auf den untersten Grad des wachsenden Lebens herab gestiegen /in dem selben die Pflantzen und Gewächs / die Bäum / Kräuter / und Blumen untersucht / mithin alle species, oder Gattungen der fürnemmsten Geschöpffen /und also gleichsam die gantze Welt durch gangen.

Aber wohin / oder zu was Ende soll dieses alles geschehen seyn? Antwort: zu keinem anderen / als daß wir aus der Menge / Unterschied / und Fürtrefflichkeit der Geschöpffen den Erschöpffer erkennen lernen /dessen Almacht / Güte und Freygebigkeit lieben preißen und ehren: die Geschöpff sollen uns dienen für eine Leiter / auf welcher wir mit dem Gemüth zu GOTT / und Himmlischen Dingen auf steigen. 3 Ut ex his, quæ animus novit, surgat ad incognita, quæ non novit: 4 sagt der grosse Heil. Gregorius: damit das Gemüth durch die Erkantnuß der jrdischen Dingen auf steige zur Erkantnuß der Himmlischen Dingen.

Auf dieser Leiter / das ist durch die Erkantnuß und Betrachtung der Creaturen / seynd unzahlbare Heilige zu GOtt / und zu einer grossen Vollkommenheit aufgestigen / indeme ihnen die gantze Welt für ein großes Buch / und alle Geschöpff für lauter Buch-Staben gedient haben / in welchem sie die Vollkommenheiten GOTT es ersehen / und gleichsam deutlich gelesen haben. Alle Creaturen waren ihnen so viel / als lauter Prediger / oder laut-ruffende Stimmen / die ihnen das Lob GOTTES / als ihres Schöpffers verkündigten: gleichwie ein kunstreiches Gemähl / oder Statuen die Geschicklichkeit des Meisters so es verfertiget hat /den Anschauenden verkündiget und anrühmet.

Viel aus den Heiligen benantlich der Heil. Bischoff Anselmus, der H. Fanciscus Seraphicus etc. und viel andere mehr hatten die höchst löbliche Gewonheit /daß sie aus einem jeden Ding / was sie gehört und gesehen / Gelegenheit genommen haben / das Hertz und Gemüth zu erheben / und von den zeitlichen zu den ewigen Dingen zu wenden. Als zum Exempel wann sie gesehen haben ein Lämmlein auf die Schlacht-Banck führen / da haben sie sich gleich des unbefleckten Lamm GOttes erinnert / welches für uns ist geschlachtet / und geopfferet worden: wann sie gesehen daß ein flüchtiges Häßlein / oder ein Wild-Stuck von dem Jäger / und Hunden verfolget wurde / haben sie betrachtet / wie daß die höllische Feind so begierig die Menschliche Seel verfolgen: wann sie ein Feuer /ein Baum-Frucht [675] / ein Blumen etc. gesehen haben / da seynd sie ingedenck gewesen / des Feeg-Feuers / oder höllischen Feuers / der verbottnen Frucht im Paradeis / und der Zergänglichkeit zeitlicher Dingen: wann sie hingegen eine schöne Music / oder die Vögelein singen gehört / da haben sie an das Himmlische Lobgesang der Heil. Englen gedencket etc. und also von vielen anderen zu reden.

Diesem zu Folg hab ich mich in gegenwärtigen Schrifften nach der Maaß meiner wenigen Kräfften bemühet / auch von den natürlichen Eigenschafften /so mancherley Geschöpffen Anlaß zu nemmen ein Geistliches morale, oder Sitten-Lehr zu machen / und durch mehr als tausend Gleichnussen dem Christlichen Leser zur Liebe / und Hochschätzung GOttes /der Tugend und Himmlischer Dingen / wie auch zur Flucht / und Abscheuhung der Laster etc. anzuweisen: auf daß also der Wunsch / und Begierd meines Heil. Vatters Benedicti erfüllet werde: die in dem bestehet.Ut in omnibus glorificetur DEus, das in allen Sachen GOtt gepriesen werde. Zu eben dem Ziel und End sollen wir alle Geschöpff / von welchen wir bißhero gehandlet haben zu dem Lob GOttes einladen / nachdem preiß-würdigen Exempel der drey Knaben in dem Babylonischen Feuer-Ofen / und mit eben dero Worten mit welchen wir es angefangen / auch endigen / sprechend: Benedicite omnia opera Domini Domino, laudate & superexaltate eum in sæcula. 5 Alle Werck des HERRN / lobet den HErrn / lobet und erhöhet ihn über alle Ding / zu allen Zeiten ohne


[676] ENDE!

Fußnoten

1 Abtheilung der groß- und kleinen Welt.

2 Vergleichung des Menschen mit der Welt.

3 Die Erkantnuß der Geschöpffrn soll uns zu dem Erschaffer verleiten.

4 Horn. 12. in Evang.

5 Dan. c. 3. v. 57.

Register. Uber alle Gleichnussen so in diesen 4. Theilen enthalten seynd

[677] Register
Uber alle Gleichnussen so in diesen 4. Theilen enthalten seynd.
NB. Die Erste Zahl deutet an den Theil des Buchs: die anderte das Capitel / und die dritte den Absatz:

Das a. aber den Anhang.

A.

Adlers Eigenschafften auf die Menschliche Sitten ausgelegt. 3. 6. 2
Affect oder Anmuthungen werden durch die Füß des Menschen beditten. 2. 5. 3
Ambsel ihre Eigenschafften werden auf die Sitten der Menschen ausgedeutet. 3. 7. 4.
Ambsel ist ein Sinnbild der Unbehutsamkeit. 3. 7. 4
Ameisen seynd ein Lehr-Meisterin des Fleißes und der Klugheit. 3. 9. 5
der Vorsichtigkeit. 3. 9. 5
des Friedens / und der Einigkeit. 3. 9. 5
Andacht ist gleich einem lieblichen Rauch-Werck.
1. 7. 3
Angesicht des Menschen mit einem Uhr Zeiger verglichen. 2. 3. 3
Ankunfft Christi auf diese Welt gleichet einem Donner Wetter. 1. 6. 3
Anmuthungen / wann sie hefftig / seynd gleich einem Erdböben. 1. 4. 1. a.
Apostolische Männer und Seelen-Hirten werden mit den Wolcken verglichen. 1. 5. 2
Arglistigkeit wird durch das Rebhun angedeutet.
3. 7. 5
Arglistige Betrüger seynd gleich den Füchsen. 3. 2. 3
sie seynd gleich dem Aal-Fisch. 3. 5. 2
Auferziehung eines Jungen Printzen wird mit der Milch verglichen. 3. 3. 4. a.
Augen seynd ein vortreffliches Kunst-Stuck der Natur. 2. 2. 1
ein Sinnbild der Weißheit und Allwissenheit GOttes. 2. 2. 1
Augen unbehutsame seynd Seelen-Räuber. 2. 2. 1
Augen des Leibs und der Seelen miteinander verglichen. 2. 2. 1

B.

Bart bedeutet Männliche Stärcke und Weißheit.
2. 4. 3
Baum-Früchten auf unterschiedliche Tugenden ausgelegt. 4. 3. 2
Bäumen vielfältiger Unterschied deutet den Unterschied der Menschen an. 4. 3. 4. a.
Bauren seynd gleichsam die Füß an dem Leib des gemeinen Weesens. 2. 5. 3
Beicht ist ein geistliche Aderläß. 2. 7. 1. a.
Bettler seynd die beste Jag-Hund den Himmel zu erjagen. 3. 3. 7
Betrohungen Gottes mit einem Comet Stern verglichen. 1. 1. 7
Beständige Treu wird durch das Epheu beditten.
4. 3. 6
Bischöff und Prælaten werden durch den Cypres Baum angedeutet. 4. 1. 3
HH. Blut Christi ist ein köstlicher Seelen Balsam.
2. 6. 4. a.
HH. Blut Christi ist ein Heylsames Seelen-Baad.
2. 6. 4. a.
Böse Mäuler werden unterschiedlich verglichen.
2. 4. 1
Böse Lehr und Exempel seynd schädlich als wie der Nordwind. 1. 5. 1 a.
Böse Menschen haben gleichsam viel Händ zu schaden. 2. 5. 2
Böß- und ungerechte Richter und Obere seynd zornig- und hungerigen Löwen gleich. 3. 1. 1.
Böse Weiber mit den Kühen verglichen. 3. 3. 4.
mit den Katzen verglichen. 3. 3. 8.
Brod Leiblich- und Geistliches mit einander verglichen. 4. 4. 2. a.
Buß wird durch den Salpeter angeditten. 1. 10. 4
Buß wird durch die Lungel angedeitet. 2. 7. 3
Buß und Abtödung wird durch die Myrren angezeigt. 4. 2. 5
Buß ist ein harte Nuß. 4. 3. 1
Buß und Abtödung mit dem Dorn-Busch verglichen. 4. 3. 5
mit dem Senff verglichen. 4. 4. 6
Buß ist ein bitteres aber heylsames Kraut. 4. 5. 2
Buß und Gnad mit dem Saltz verglichen. 1. 10. 7

C.

Camel-Thier bedeutet ein gehorsamen und arbeitsamen Menschen. 3. 3. 1
es lehret gleichsam uns die Fürsichtigkeit und das Mitleiden. 3. 3. 1
[677] Catholische Kirch ist der sittliche Leib Christi.
1. 1. a.
Catholische Kirch mit dem Erdboden verglichen.
1. 4. 1
Catholische Kirch ist ein sittlicher Himmel. 1. 1. 2
ein schöner Blumen-Garten. 4. 6. 5
ein Geistlicher Wein-Garten. 4. 4. 4
Christenheit wird mit dem Korn verglichen. 4. 4. 2
Christliche Lehr wird durch die Milch angedeutet.
3. 3. 4 a.
Christliche Prediger mit der Nachtigal verglichen.
3. 7. 1
Christliche Seel soll nach dem Hertzen trachten / als wie ein Falck oder Adler. 2. 7. 2
Christus der HErr ist ein Geistliche Sonn der Catholischen Kirch. 1. 1. 2
das Hertz der Catholischen Kirch. 2. 7. 2
Christus wird mit dem Tobaßer Stein verglichen.
1. 9. 5
durch den Magnet Stein beditten. 1. 10. 1
mit dem Delphin verglichen. 3. 4. 2
durch den Löwen angezeigt. 3. 1. 1
Christus ist ein sitttliches Liecht der Welt. 1. 7. 2
Christus und Maria werden mit der Noetischen Tauben verglichen. 3. 7. 6
Christus ist der fürnemste Seelen Fischer. 3. 4. 3
er ist ein sittlicher Adler. 3. 6. 2
Christus wird mit dem Pelicanen verglichen. 3. 8. 8
durch den Vogel Phönix angezeigt. 3. 8. 9
Christus ist ein Geistlicher Reb Stock. 4 4. 4
Christus wird mit dem Senff-Körnlein verglichen.
4. 4. 6
mit einer Hennen verglichen. 3. 7. 7
Christus der gecreutzigte und das H. Creutz ist ein sittlicher Regen-Bogen. 1. 1. 6
Communitæt solle gleich seyn dem Granat-Apffel.
4. 3. 1
Creutz Christi ist ein Geistlicher Palm-Baum. 4. 1. 2.
ein sittlicher Eschen-Baum 4. 3. 4

D.

Delphins Eigenschafften auf die Sitten der Menschen ausgelegt. 3. 4. 2
Demuth ist ein Artzney-Mittel wieder den Zorn.
4. 5. 3
Demuth wird durch das Veyelein beditten. 4. 6. 5
Dorn-Busches böse Eigenschafften / auf böse Sitten der Menschen ausgedeutet 4. 3. 5
Distel-Vogel bedeutet ein Ordens-Mann. 3. 7. 2

E.

Eh-Leut sollen gleich seyn den Tauben. 3. 7. 6
Ehstand / wann er glücklich / ist ein jrrdischer Himmel: 1. 1. 2
Eigensinnige seynd gleich dem Salm- oder Lachs- Fisch. 3. 5. 2
Eigne Lieb mit dem Nebel verglichen. 1. 6. 1
Eiß-Vogel bedeutet das beschauliche Leben. 3. 8. 3
Einbildung ist ein Commediantin so 1000erley Vorstellungen macht. 2. 7. 4. a.
Einigkeit mit Hartz und Pech verglichen. 1. 1. 4
Eitle Ehr ist gleich einem Reiffen. 1. 6. 1
Eitle Ehr und Ehrgeitzige mit den Wolcken verglichen. 1. 5. 2
Elephanten seynd Lehrmeister der Ehlichen Treu und Kinder Zucht. 3. 1. 2
Enten bedeuten unreine Liebhaber. 3. 8. 2
Epheu oder Winter-Grüen ist ein Sinnbild der Treu und Beständigkeit. 4. 3. 6
Evangelische Lehr mit dem Silber verglichen. 1. 8. 2
Ewige Belohnung wird durch den Lorber-Krantz angezeigt. 4. 1. 3

F.

Faul und träge Menschen mit dem Esel verglichen.
3. 3. 3
Falsche Pollitic und Freundschafft ist gleich einem angemachten Wein. 4. 4. 5
Falsche Freund seynd gleich dem Queck-Silber.
1. 8. 4
Firmament wird mit einem Blumen-Garten verglichen. 4. 6. 5 a.
Forchtsame werden mit den Haasen verglichen.
3. 2. 4
Fluchen und Lästeren ist gleich einem Donner-Wetter. 1. 6. 3
Freygebigkeit wird durch den Beryll angezeigt. 1. 9. 5
Friedsam und Sanfftmüthige mit den Zinslein verglichen. 3. 7. 2
Friedens-Gesandte der König und Fürsten / seynd Pollitische Tauben. 3. 7. 6
Freygebigkeit wird durch den Palm-Baum vorgestelt. 4. 1. 2
Fromm und häußliche Weiber mit dem Sperber verglichen. 3. 6. 3
Fraß und Vüllerey wird durch die Gurgel beditten.
2. 6. 1
Fromme Christen seynd sittliche Pferd GOttes. 3. 3. 2
Forcht und Liebe GOttes mit dem Miltz verglichen.
2. 7. 3
Fruchtbare und unfruchtbare Bäum bedeuten gute und böse Menschen. 4. 3. 4. a.
Fruchtbarkeit der Erden auf die Fruchtbarkeit des Hertzens ausgedeutet. 4. 4. 1
Füß des Menschen bedeuten die Liebe GOttes und des Nächsten. 2. 5. 3
Fünff Finger werden verglichen und ausgelegt. 2. 5. 2
Fünff Sinn seynd 5. verführerische Brüder der Seel.
2. 2. 4
Fünff Sinn zur Geistlichen Handelschafft angewendt. 2. 2. 4
Fürsten und Regenten seynd pollitische Löwen.
3. 1. 1
[678]

G.

Gall bedeutet Trübsal und Abtödung. 2. 7. 4
Geburt eines Erb-Printzen mit der Morgenröthe verglichen. 1. 1. 5
Gebett ist gleich dem Weyhrauch. 4. 2. 5
Gedächtnuß des Todts ist ein Geistlicher Schnupff- Taback. 2. 2. 3 a.
Gedult und Abtödung ist ein bitteres aber gesundes Kraut. 4. 5. 2
Heil. Geist wird mit dem Feuer verglichen. 1. 5. 1
Geistliche Obrigkeiten mit den Augen verglichen.
2. 2. 1
Geistlich und Weltliche Obrigkeiten seynd zwey sittliche Aerm 2. 5. 1
seynd den Immen gleich. 2. 5. 5
Geistliche Lehrer seynd dem Vogel Ibis gleich 3. 8. 5
Geilheit und Hoffart wird durch den Schwefel beditten. 1. 10. 4
Geitz ist unersättlich als wie das Feuer. 1. 8. 2
ist ein Gattung der Thorheit. 1. 8. 2
ist gleich einem stehenden Wasser. 1. 4. 2 a.
Geitzige seynd gleich den Blut-Eglen. 2. 6. 4.
Geitzige werden durch die Forellen angezeigt. 3. 5. 2
werden mit dem Seiden-Wurm verglichen. 3. 9. 3
Geitzhäls seynd gleich dem Agt-Stein. 10. 1
Geitzhäls machen es ärger als die Bären. 3. 1. 4
Gefahr soll man fliehen als wie die Reiger. 3. 8. 5
Gedultig- und Gehorsame werden durch den Esel angezeigt. 3. 3. 3
Gerechte und Sünder mit unterschiedlichen Fischen verglichen. 3. 4. 1
Gerechte und GOttsfürchtige seynd den Vöglen gleich. 3. 6. 1
Gerechte werden mit dem Palm-Baum. 4. 1. 2
mit dem Bux-Baum verglichen. 4. 3. 4
Geschämige Jungfrauen werden mit dem Kraut Coaco genant verglichen. 4. 5. 3
Gärten unmäßige Liebhaber seynd thöricht 4. 6. 5. a.
Geschmack bedeutet die discretion und Bedachtsamkeit. 2. 2. 4
Geld und Gut ist gleich dem Blut des Menschen.
2. 6. 4
Geschwätzige Plauderer mit den Schwalben verglichen. 3. 7. 3
Gewalt mit Gewalt vertrieben ist nicht allzeit gut / durch Gleichnußen erwiesen. 4. 3. 3
Glaub wird durch den Diamant beditten. 1. 9. 1
Glaub und Vernunfft seynd zwey Augen der Seel.
2. 2. 1
Geschöpff seynd ein Leiter zu dem Schöpffer aufzusteigen 4. 6. 5 a.
Glieder des Menschlichen Leibs mit den fürnemsten Theilen der Welt verglichen. 2. 7. 2. a.
Glieder des Menschen auf unterschiedliche Ständ und Aembter ausgedeutet. 2. 7. 2. a.
Glieder einer Communitæt mit den Gliederen des Menschlichen Leibs verglichen. 2. 1. 3
Gleichgiltigkeit nimmt alles an / als wie das Papier. 4. 4. 7. a.
Gleißnerey und Schmeichlerey wird mit dem Schnee verglichen. 1. 5. 3
Glück erhöcht und wirfft in die Tieffe / als wie der Adler die Schillkrott. 3. 9. 2
Gnad GOttes ist gleich einem Fruchtbaren Regen.
1. 5. 3
ist gleich dem Morgen-Thau. 1. 6. 1
dem Saphir Stein. 1. 9. 4
ist gleich dem Wachs. 1. 10. 5
dem Balsam gleich. 4. 2. 6
Gnad des H. Geistes wird durch das Oel angedeutet. 4. 2. 1. a.
GOttseelige Seelen seynd sittliche Nachtigallen.
3. 7. 1
GOttseelige und Geistreiche Männer mit den Schwalben verglichen. 3. 7. 3
Goldmacheren geth es als wie des Æsopi Hund.
1. 8. 1. a.
GOtt ist die sittliche Sonn der Welt. 1. 1. 2
Gute Haußhaltung ist von den Immen zu erlernen.
3. 9. 4
Gutes Regiment und Pollicey-Ordnung wird von den Immen gehalten. 3. 9. 4
Gute Meinung ist ein sittliche Goldmacher-Kunst.
1. 8. 1 a.
Gutes Gewissen mit einer weissen Leinwat verglichen. 4. 4. 7
Gleißner und Ehrgeitzige seynd gleich den Affen.
3. 2. 6
Gute Auferziehung der Adelichen Jugend wird gleichnuß-weiß vorgestelt. 4. 2. 3
Gutes aus dem bösen ziehen ist ein sehr nutzliche Kunst. 3. 9. 1
Gewissen ist ein unverfälschter Spiegel. 2. 2. 1. a.
wird mit dem Angesicht verglichen. 2. 2. 3
Granadill oder Paßion-Blum ist ein Anzeigen des Leidens Christi. 4. 6. 4

H.

Hand GOttes ist gleichsam vierfach. 2. 5. 2
Händ bedeuten die Werck des Menschen. 2. 5. 2
Hanen ihr Hertzhafftigkeit und Wachtbarkeit stellet ein tapfferen Soldaten vor. 3. 7. 8
Hanen ihr Fleiß und Wachtbarkeit ist ein Unterweißung der Hauß-Vätter. 3. 7. 8
Hartneckige seynd gleich dem Salm- oder Lachs- Fisch. 3. 5. 2
Hartneckigkeit mit dem Eich-Baum verglichen.
4. 3. 3
[679] Häußliche Weiber mit dem Sperber verglichen.
3. 6. 3.
Haupt des Menschen bedeutet die Vorsteher und Obrigkeiten. 2. 3. 1
zeiget an die Beschaffenheit einer guten Obrigkeit.
2. 3. 2
Haut sie deutet an den äußerlichen Wandel des Menschen. 2. 5. 4
Hasen seynd gleichsam Lehrmeister der Vorsichtig- und Behutsamkeit. 3. 2. 4
Habbich bedeutet einen Wucherer und Geitzhals.
3. 6. 3
Hertz des Menschen mit der Erden verglichen. 1. 4. 1
mit einem Acker verglichen. 2. 7. 2
mit einem gewissen Birn-Baum 4. 3. 1
mit einem Garten verglichen. 4. 6. 5. a.
Hennen ihre gute Eigenschafften auf Christum gezogen. 3. 7. 6
Himmlischer Freuden Süßigkeit durch den Zucker angezeigt. 1. 10. 6
Hirschen ihre Eigenschafften auf die Menschliche Sitten ausgelegt. 3. 2. 1
Hoffart wird mit dem Wachs verglichen. 1. 10. 5
Hoffart und Kleider-Pracht durch den Pfauen vorgestelt. 3. 7. 9
Hoffärtige mit dem Queck-Silber verglichen. 3. 8. 4
mit den Gämbsen verglichen. 3. 2. 2
Hof-Herrn und Beamte seynd Pollitische Sonnen Blumen. 4. 6. 3
Pollitische Engel. 1. 1. 1
Hoffnung der Belohnung macht Mühe und Arbeit ring / durch Gleichnußen erwiesen. 4. 4. 2
Höllische Feind wird mit dem wilden Schwein verglichen. 3. 1. 4
mit dem Wallfisch. 3. 4. 3
mit einem Habbich. 3. 6. 3
mit einer Nacht-Eulen. 3. 6. 6
mit einer Spinnen verglichen. 3. 9. 3
Höllischen Feinds Nachstellungen durch den Wachtel-Fang angezeigt. 3. 7. 5
Höllisches Crocodill wie es zu überwinden seye.
3. 9. 2
Höllischer Raub-Fisch ist der böse Feind. 3. 5. 1

I.

Immen oder Bienen bedeuten die Ordens Geistliche. 3. 9. 4
sie lehren gutes Regiment und Pollicey Ordnung.
3. 9. 4
Immen König ist ein Fürbild eines guten Regenten.
3. 9. 4
Jungfräuliche Reinigkeit mit der Ilgen verglichen.
4. 6. 2
Junge Raaben bedeuten die noch unschuldige Seelen. 3. 6. 7.
Jugend wird mit dem Mandel-Baum. 4. 2. 3.
mit dem Linden-Baum verglichen. 4. 3. 3

K.

Karpffen lehren gleichsam die Arglistigkeit. 3. 5. 1
Kinbacken bedeuten das beschauliche und würckende Leben. 2. 3. 4
Kinder-Zucht und Fürsichtigkeit ist von den Geyeren zu erlernen. 3. 6. 4
Kleider-Pracht unmäßiger ist ein Gattung der Thorheit. 3. 7. 9
Kleider-Pracht durch Gleichnußen vorgestelt. 3. 9. 3
Kleine Ding haben große Krafft / wird durch Gleichnußen erwiesen. 4. 4. 6
Klugheit und discretion mit dem Zinn verglichen.
1. 8. 3
Kirch die triumphirende und streitende wird mit der obern und untern Region des Luffts verglichen.
1. 4. 3
König und Regenten seynd politische Adler. 3. 6. 2
Kranich halten gleichsam das beste Regiment und Policey-Ordnung. 3. 8. 4

L.

Lamm bedeutet einen Ordens-Geistlichen. 3. 3. 5
Lamm GOttes ist ein Wunder der Gnad / als wie das Lamm-Kraut ein Wunder der Natur. 4. 5. 3
Laster unterschidliche werden durch die Schlangen beditten. 3. 9. 1
Leib des Menschen ist ein herrliche Wohnung der Seel. 2. 1. 3
Ist ein Kleyd der Seel. 2. 1. 3
Leib oder das Fleisch soll wie ein Pfert auf der Reit- Schul gezämt und gebändiget werden. 2. 6. 3
Leyden Chtisti ist ein Myrrhen-Büschelein. 4. 2. 5
Lerchen seynd Vorsänger in dem Lob GOttes. 3. 7. 4
Lieb wird mit dem Gold verglichen. 1. 8. 1
Lieb GOttes und des Nächsten wird durch die 2. Füß des Menschen beditten. 2. 5. 3
Lieb GOttes mit dem Rubin verglichen. 1. 9. 3
Mit dem Therebint-Baum 4. 2. 4
Mit dem Nectar-Kraut verglichen. 4. 5. 3
Liebe ist gleich dem Kraut Artemisia. 4. 5. 3
Wird durch das Feuer angeditten. 1. 4. 4
Liebe mit dem Wein verglichen. 4. 4. 5
Leinwath bedeutet ein reines Gewissen. 4. 4. 7
Ist ein Sinnbild der Gedult. 4. 4. 7. a.
Leib ist ein Beth des Schmertzens. 2. 1. 3.
Leib ist ein zerbrechliches Geschirr. 2. 7. 4. a.
Liederliche Leut seynd gleich dem Stock-Fisch.
3. 4. 4
Luffts ober und untere Theil bedeutet ein politisches Regiment. 1. 4. 3
[680]

M.

Macht und Zorn GOttes wird mit dem Hoch-Gewitter verglichen. 1. 6. 3
Magen ist gleichsam die Cassa oder Rend-Kammer in dem Leib. 2. 6. 2
Mann und Weib mit Hund und Katz verglichen.
3. 3. 8
Maulber-Baum ist ein Sinnbild der Klugheit und Behutsamkeit. 4. 2. 3
Mensch in Trübsal und Wohlfarth ist gleich den Corallen. 1. 10. 2
Mensch wird mit dem Lufft verglichen. 1. 4. 3
Mensch ist ein gantze kleine Welt. 2. 7. 4. a.
ist ein König oder Regent über sich selbsten.
2. 7. 4. a.
Menschen so den Thieren gleich. 2. 7. 4. a.
Menschen sind alle sittliche Jäger. 3. 2. a.
Menschen mit dem Feigen-Baum verglichen. 4. 2. 2
mit dem Reb-Stock verglichen. 4. 4. 4
Menschliche Hertz mit dem Erdboden verglichen.
1. 4. 1
Menschliche Leben wird durch den Schatten angedeutet. 1. 7. 2 a.
wird mit dem Gras verglichen. 4. 4. 8
Menschen mit den Vöglen / 3. 6. 1
mit dem Oel-Baum. 4. 2. 2
mit den Fischen verglichen. 3. 4. 1
Menschheit Christi wird mit dem Platano oder Ahorn verglichen. 4. 1. 4
Menschliche Leib mit einem herrlichen Pallast verglichen. 2. 1. 3
Menschlichen Leibs Structur oder Beschaffenheit stellet vor ein Pollitische Regierung. 2. 1. 3
Menschliche Leib wird von Tod und Kranckheiten belägert als wie ein Vestung von dem Feind. 2. 1. 3
Menschliche Leben mit dem Seiden-Wurm verglichen. 3. 9. 3
mit dem Kürbiß Jonæ verglichen. 2. 1. 3
Menschliche Seel wird mit einer Durtel-Taub verglichen. 2. 1. 2
Menschliche Sitten durch den Adler vorgestellt.
3. 6. 2
Meer-Fisch unterschiedliche auf die Menschen ausgedeutet. 3. 4. 5
Müßigänger mit den Felcken verglichen. 3. 5. 2
Milch deutet an die Christliche Lehr. 3. 3. 4. a.
zeiget an zeitliches Glück und Wollust. 3. 3. 4. a.
sittlich und Pollitische Milch eines jungen Printzen ist dessen gute Auferziehung. 3. 3. 4. a.
Mond stellet vor die Unbeständigkeit des Menschen / und zeitlichen Glücks. 1. 1. 3
Mutter GOttes wird mit dem Meer verglichen. 1. 7. 1
sie ist ein köstliches Perlein. 1. 9. 7
Mutter GOttes ist ein himmlische Nachtigall. 3. 7. 1
wird mit einer Hennen. 3. 7. 7
mit dem Ceder-Baum verglichen. 4. 1. 1
Mutter GOttes ist ein Wunder schöner Oel-Baum.
4. 2. 1. a.
ein guldenes Geschier mit Edelgesteinen versetzt.
1. 1. 1
Mutter GOttes wird mit dem Mond / 1. 1. 3
mit der Morgenröth. 1. 1. 5
mit einer Rosen verglichen. 4. 6. 1

N.

Nachstellungen des bösen Feinds durch den Wachtel- Fang vorgestellt. 3. 7. 5
Nacht-Eul ist ein Sinnbild der Weißheit
Nachtigall gibt ein Lehr-Meisterin der Kinder und Elteren ab. 3. 7. 1
Nasen wird auf die Andacht ausgedeutet. 2. 2. 3
auf die Klugheit und Fürsichtigkeit ausgelegt. 2. 2. 3
Neidig und häßige seynd gleich den Hunden. 3. 3. 7
Neigungen und Gedancken werden mit dem Haar verglichen 2. 4. 3
Nüchterkeit ist ein Artzney des Leibs und der Seelen. 4. 4. 5 a.
Nuß ist ein Sinnbild der Buß. 4. 3. 1

O.

Obrigkeiten geistliche mit den Augen verglichen.
2. 2. 1
Obrigkeiten werden mit den Puls-Aderen verglichen. 2. 7. 1
Obrigkeiten geistliche seynd gleich den Nerffen.
2. 7. 1
sie sollen gleich seyn dem Ost-Wind. 1. 5. 1. a.
untugenbliche mit dem Nord-Wind verglichen.
Ochs der gibt dem Menschen ein Lehr-Meister ab.
3. 3. 4
Ohren blasen das ist ein sehr schädlicher Wind.
1. 5. 1
Ohr das wird auf die Prediger ausgedeutet. 2. 2. 2
Ordens Geistliche sollen gleich seyn den Lämmeren. 3. 3. 5
Ordens Geistliche werden mit den Zähnen verglichen. 2. 3. 5
mit dem Distel-Vogel / 3. 7. 2
mit den Immen 3. 9. 4
mit dem Häring verglichen. 3. 4. 4
Ordens-Stand ist ein sittlicher Himmel. 1. 1. 2

P.

Palm-Baum ist ein Sinnbild der Freygebigkeit. 4. 1. 2
Papagey seynd unbedachtsame Schwätzer. 3. 8. 10
bedeuten die falsche Schmeichler. 3. 8. 10
Papier und Leinwat ist ein Sinnbild der Gedult.
4. 4. 7 a.
[681] Paradeys-Vogel ist ein Sinnbild des beschaulichen Lebens. 3. 8. 9
Pelican bedeutet Christum den HErrn. 3. 8. 8.
Pfau stellet vor die Hoffart und den Kleider-Pracht.
3. 7. 9
Phönix-Vögel bedeutet die Auferstehung. 3. 8. 9
Politisches Regiment wird durch die Region des Luffts vorgestellt. 1. 4. 3
Politicus soll sich in die Zeit und Gelegenheit schicken als wie die Gänß. 3. 8. 2
Politicus wird mit dem Geyer verglichen. 3. 6. 4
Prediger und Seel-Sorger werden mit den wachtbaren Hunden verglichen. 3. 3. 7
sie werden durch den Halß beditten. 2. 6. 1
Prediger und Geistliche Lehrer werden durch die Leber angezeigt. 2. 7. 3
sie sollen gleich seyn dem Ulmen-Baum. 4. 3. 4
sie werden mit dem Mund verglichen. 2. 4. 1

R.

Raaben wann sie noch gantz jung / bedeuten die unschuldige Seelen. 3. 6. 7
Rebstock auf Christum / auf den Menschen ausgedeutet. 4. 4. 4
Regierende Herren seynd politische Ceder-Bäum
4. 1. 1
Regenten die den Gewalt mißbrauchen / seynd gleich dem Dorn-Busch. 4. 3. 5
Regierenden Herren sollen politische Lilien seyn.
4. 2. 6
sie seynd politische Sonnen. 1. 1. 2
Recht und lincke Hand bedeuten den Geist- und Weltlichen Stand. 2. 5. 2
Reines gewissen mit dem Wasser verglichen. 1. 4. 2
mit dem Crystall verglichen. 1. 10. 2
Reinigkeit wird mit dem Schnee verglichen. 1. 5. 3
Reinigung wird durch den Hysop angedeutet. 4. 5. 3
Reu und Buß gleichet einem Donner-Wetter. 1. 6. 3
Ring seynd ein Sinnbild der Ewigkeit. 2. 5. 2. a
bedeuten ein stetes Angedencken. 2. 5. 2. a.
Rosen ist ein Andeutung der Wohlredenheit / und des Stillschweigens zugleich. 4. 6. 1
Rosen-Krantz ist aus sittlichen Rosen geflochten.
4. 6. 5. a.

S.

Schatz-Graber seynd gleichsam Anverwandte der Goldmacher. 1. 8. 2. a.
Schein-Heilige seynd gleich einem leeren feurigen Dunst. 1. 4. 3
Schmaragdt bedeutet die Hoffnung. 1. 9. 2
Schlangen unterschiedliche werden auf unterschidliche Laster ausgedeutet. 3. 9. 1
Schlang ist ein Lehr-Meisterin der Klugheit. 3. 9. 1
Schlimme Menschen mit den Bären verglichen.
3. 1. 4
Schmeichler seynd politische Hof-Katzen. 3. 3. 8
Schmeichler und Augen-Diener seynd gleich dem Epheu. 4. 3. 6
Schmeichlerey und Gleißnerey mit dem Schnee verglichen. 1. 5. 3
mit dem Kupffer verglichen. 1. 8. 3
H. Schrifft wird mit dem Korn. 4. 4. 2
mit dem Brod verglichen. 4. 4. 3
H. Schrifft ist gleich einem heylsamen Kräuter Garten. 4. 5. 4
Spatzen seynd gleichsam Lehrer der Fürsichtigkeit und Brüderlichen-Lieb. 3. 7. 3
Schwalben üben gleichsam die austheilende Gerechtigkeit. 3. 7. 3
Schwan stellet ein Schiflein vor. 3. 8. 3
ist ein Sinnbild der Reinigkeit und Unschuld. 3. 8. 1
Seel die solle GOtt anhangen / als wie das Epheu einer Maur oder Baum. 4. 3. 6
Seelen-Gewinn ist ein geistlicher Fisch-Fang. 3. 5. a.
Seel-Sorger seynd geistliche Fischer. 3. 5. a.
Sünd und Laster seynd schlimme Füß die ins Verderben führen. 2. 5. 3
Sündige Menschen hassen das Liecht als wie der Bär. 3. 1. 4
Sündige Seel wird mit einer Löwin verglichen. 3. 1. 1
Sünder und Gerechte seynd unterschidlichen Fischen gleich. 3. 4. 1
Sünder seynd gleich dem Asper- oder Pappel- Baum. 4. 3. 4
Sünd wird mit dem Wermuth. 4. 5. 2
mit dem Unkraut. 4. 6. 5
mit dem Bley verglichen. 1. 8. 4
Seiden-Würm seyn ein Entwurff des Menschlichen Lebens. 3. 9. 3
ein Sinnbild der Auferstehung. 3. 9. 3
Sünden Stand ist ein Finsternus der Seelen. 1. 7. 4
Sinnlich- und fleischliche Menschen seynd gleich dem Geyer. 3. 6. 4
Sitten der Menschen mit den Eingeschafften der Hirschen verglichen. 3. 2. 1
Durch den Adler vorgestellt. 3. 6. 2
Sohn GOttes ist der Arm des himmlischen Vatters.
2. 5. 1
Sonnen-Blum bedeutet den Gehorsam / und dieResignation. 4. 6. 3
Spinnen-Geweb ist ein Entwurff der zeitlichen Eitelkeit. 3. 9. 3
Siben Todt-Sünden mit dem Wind verglichen. 1. 5. 1
Sorgloß- und liederliche Menschen mit dem Straussen verglichen. 3. 8. 7.
Schwache und Fromme werden verfolgt als wie die Haasen. 3. 2. 4
Stärcke wird durch das Eisen beditten. 1. 8. 3
Storcken ihre gute Eigenschafften auf die Tugenden ausgelegt. 3. 8. 6
Straussen seynd ein Sinnbild der Unbedachtsamkeit und des Unverstands. 3. 8. 7
[682] Strenge Obrigkeiten seynd gleich einem Comet- Stern. 1. 1. 7
Sternen bedeuten tugendlich- und gelehrte Männer
1. 1. 4

T.

Tauben bedeuten unschuldige reine Seelen. 3. 7. 6
Tapffere Soldaten durch den Haanen vorgestellt.
3. 7. 8
Tachs ist ein Lehrmeister der Fürsichtigkeit. 3. 2. 5
Träge und widerspennige Leut mit dem Nußbaum verglichen. 4. 3. 1
Tugend wird mit dem Hyacinth verglichen. 1. 9. 4
Trübsaal ist ein reinigendes Feuer. 1. 4. 4
Trunckenheit ist ein schädliche Pest des Leibs und der Seelen. 4. 4. 5. a.
Tugend und Gnad GOttes wird durch den Osten- oder Sud-Wind beditten. 1. 5. 1. a.
Tugend-Gebäu aus sittlichem Porphier / Alabaster und Marmorstein. 1. 10. 3.
Tugend durch die Eigenschafften des Storcken vorgestellt. 3. 8. 6
Tugenden mit unterschidlichen Baum-Früchten verglichen. 4. 3. 2
Tugenden erfordern fleißige Obsicht als wie die Bäum. 4. 3. 7
Tugenden seynd sittliche Edelgestein der Seelen.
1. 9. 6
Tugend wird mit wohlriechenden Kräuteren verglichen. 4. 5. 2
Tugendhaffte Menschen gleichen theils dem Zimmet- theils dem Muscaten-Baum. 4. 2. 4
Tugendlich- und gelehrte Männer mit den Sternen verglichen. 1. 1. 4
Tyrannen und Wucherer mit dem Tyger-Thier verglichen. 3. 1. 3

V.

Verdienst Christi seynd ein unendlicher Schatz.
1. 8. 2. a.
Unbeständigkeit wird durch den Mond vorgestellt.
1. 1. 3
Unfriedliche Ehleut seynd gleich dem Einhorn. 3. 1. 3
Ungerechte Herrschafften und Beambte seynd schlimme und politische Tauben. 3. 7. 6.
Unmäßigkeit und Unlauterkeit wird durch den Bauch beditten. 2. 6. 2
Ungerechte Richter und Geitzhäls werden mit dem Wolff verglichen. 3. 1. 3
Ungerechte mit einem Hecht verglichen. 3. 5. 1
Geitzhäls mit dem Habbich 3. 6. 3
Geitzhäls mit der Nacht-Eul 3. 6. 6
Geitzhäls mit dem Rebhun verglichen. 3. 7. 5
Ungerechte Reichthumen mit dem Dornbusch verglichen. 4. 3. 5.
Unreine Liebhaber seynd gleich denn Enten. 3. 8. 2
Unmäßige Kinder-Lieb ist ein Affen-Lieb. 3. 2. 6
Unschuldige Seelen seynd denen noch jungen Raben gleich. 3. 6. 7
seyn denen Tauben gleich. 3. 7. 6
Unterschidliche Werck des Menschen mit unterschidlichen Früchten verglichen. 4. 4. 3
Unwissenheit ist ein Finsternuß des Verstands. 1. 7. 4
Vollkommne Menschen seynd gleichsam irrdische Engel. 1. 1. 1
Vernunfft und Glaub seynd 2. Augen der Seel. 2. 2. 1
Vorsichtigkeit mit einem Perspectiv verglichen.
2. 2. 1. a.

W.

Wachtbar und behutsam soll man seyn als wie die Gäns 3. 8. 2
Wein bedeutet die Liebe. 4. 4. 5
Weißheit ist gleich einem klaren Wasserbronnen.
1. 4. 2
Weißheit und Vernunfft wird durch das Liecht angeditten. 1. 7. 2
Weißheit wird mit dem Saltz verglichen. 1. 10. 7
Welt ist gleich einem ungestümmen Meer. 1. 7. 1
Welt-Betrug wird durch den Eiben-Baum angezeigt. 4. 3. 4
Wind natürliche und sittliche mit einander verglichen. 2. 7. 4. a.
Wind werden auf die 8. Seeligkeiten ausgelegt.
1. 5. 1.
Wissenschafft wird durch den Jaspis angezeigt.
1. 9. 5.
Wollüstige oder sinnliche Menschen mit dem Pferd verglichen. 2. 6. 2
Wort GOttes ist ein Speiß der Seeligkeiten wird mit dem Hennen-Ey verglichen 3. 7. 7

Z.

Zanck und Hader mit dem Hagel vergrlichen 1. 6. 2
Zeitliche Eitelkeit und Wohlfahrt ist ein leerer Rauch. 1. 7. 3
Zeitliche Freuden und Wollüst mit dem Honig verglichen. 1. 10. 5
Zeitliche Macht und Herrlichkeit ist gleich einem Schiff auf dem Meer. 2. 1. 1
Zeitlicher Güter Mißbrauch ist ein übel nährendes Brod.
Zeitliches Glück ist gleich dem Heu und Graß. 4. 4. 8
Zeitliche Freuden und Wollüst mit dem Coriander verglichen. 4. 5. 3
Zeitliche Güter und Wollüst gleichen einem See.
1. 7. 1. a.
Zorn GOttes mit dem Hochgewitter verglichen. 1. 6. 3
Zorn mit dem höllischen Feur vergl. 2. 7. 4
Zorn ist ein Gattung der Thorheit. 2. 7. 4
Zorn mit einem guten Hauß-Hund verglichen. 2. 7. 4
Zung des Menschen wird unterschidlich verglichen
2. 4. 2
Zwieblen / Knoblauch und Rettich bedeuten die Reu und Buß. 4. 4. 3.

Register. Aller Geschichten und Gedichten so in diesem Buch zu finden seynd

[683] Register
Aller Geschichten und Gedichten so in diesem Buch zu finden seynd.
A.

Abgang des Brods wird wunderbarlich ersetzt. Geschichten. 4. 4. 2
Adlers Danckbarkeit gegen dem Menschen Geschichten. 3. 6. 2
Adler raubt viel andere Thier. Gesch. 3. 6. 2
Affen spielen seltzame Possen. Gesch. 3. 2. 6
Aff verkleidet und bewaffnet / bildet ihm selbst nicht wenig ein. Gedicht. 3. 2. 6
Apffel verursacht viel Ubel in der Welt. Geschichten. 4. 3. 1
Augen mit gröster Behutsamkeit inngehalten. Geschichten. 2. 1. 1
Æolus ist ein GOtt der Winden. Gedicht. 1. 5. 1

B.

Balg den soll man nicht verkauffen ehe man den Fuchsen hat. 3. 1. 4
Bart allein macht keinen Mann. Geschicht. 2. 4. 3
Bär geht dem Hertzogen Richard von Lothringen trefflich wohl an die Hand. Geschicht. 3. 1. 4
Bären ihr Auffenthalt in der Löbl. Stadt Bern / woher sie ihren Ursprung habe. Geschicht. 4. 3. 1
Bären dienen Gottseeligen Männern. Geschichten.
3. 1. 4
Bettler feynd die beste Jagd-Hund den Himmel mit zu erjagen. Geschicht. 3. 3. 7
Bescheidenheit des Elephanten. Gesch. 3. 1. 2
Betrug thut kein Gut. Gedicht. 3. 7. 5
Blut-Bäder grausame von den Tyrannen angestellt. Geschichten. 2. 6. 4
Blut / so mörderischer Weiß vergossen / schreyet um Rach. Geschichten. 2. 4. 6
HH. Seiten-Bluts Christi Erfindung und Zertheilung ausführliche Geschicht. 2. 6. 4. a.
Brods Abgang wird wunderbarlich ersetzt. Geschichten. 4. 4. 2
Bronnen miraculose. Geschichten. 1. 4. 2
Bogen-Schützen sehr kunstreich und glückliche. Geschichten. 1. 1. 6
Böse Gesellen soll man fliehen. Geschicht. 3. 7. 4

C.

Cameel wolte durchaus gern Hörner haben und hat dardurch die Ohren verlohren. Gedicht. 3. 3. 1
Crocodill wird durch die blosse Wort eines Gottseeligen Abbts getödtet. Geschicht. 3. 9. 2.
Crystall an Schönheit und Gestalt unterschidlich. Geschichten. 1. 10. 2

D.

Danckbarkeit des Storchens Geschicht. 3. 8. 6
Delphin leistet dem Menschen gute Dienst. Geschichten. 3. 4. 2
Delphin lieben und helffen einander. Geschichten.
3. 4. 2
Demüthige entrinnen dem Garn oder den Nachstellungen des höllischen Feinds. Geschicht. 3. 9. 3
Diamant eines unschätzbaren Werths um ein Spott verkaufft. Geschicht. 1. 9. 1
Donner-Wetter auch von heiligen Leuthen geforchten. Geschichten. 1. 6. 3

E.

Ehlicher Lieb und Treu ein ungemeines Exempel. Geschicht. 4. 4. 5
Einbildungen seynd seltzsam und hefftig. Geschichten. 2. 7. 2. a.
Einhorn weist die Stärcke mit der Vernunfft nicht zu regieren. Gedicht. 3. 1. 3
Eitles Vorhaben und Concept schlagt fehl. Geschicht. 3. 7. 7. a.
Elephantens sein Danckbarkeit und Klugheit. Geschichten. 3. 1. 2
Epheu war vor alten Zeiten hochgeschätzt. Geschichten. 4. 3. 6
Erdboden von der alten Heydenschafft sinnreich abgebildet. Geschicht. 1. 4. 1
Eyer auß zubrüten ein seltzsame Art. Geschicht.
3. 7. 7
[684]

F.

Falcken und Raben ihr hefftiger Streit im Lufft. Geschicht. 3. 6. 5

Falscher Anstrich und Schönheit wird lächerlich entdecket und zu schanden gemacht. Geschicht. 2. 5. 4

Falschen Freunden ist nicht zu trauen. Gedicht. 3. 3. 5

Feigen essen bringt dem Kayser Octaviano den Tod. Geschicht. 4. 2. 2

Feind der verachtet wird / kan vil schaden. Gedicht.

3. 6. 2

Feur ist vor altem hoch geschätzt worden. Geschicht. 1. 4. 4

Feur reiniget den Lufft von der Pest. Geschicht.

1. 4. 4

Feur verletzet nicht. Geschicht. 1. 4. 4

Finger von gewissen Heiligen seynd wunderthätig. Geschichten. 2. 5. 2

Finger Ring so kostbar und künstlich. Geschichten.

2. 5. 2. a.

Finger-Ring übersendet Innocentius der III. Richardo dem König in Engelland sambt sittlicher Außlegung. Geschicht. 2. 5. 2. a.

Flug und Geschrey der Vöglen ob was darauf zu halten? Geschicht. 3. 6. 6.

Forchtsame herzen werden durch gelassen. Geschichten. 3. 2. 4

Fluch so angangen. Geschichten. 1. 6. 3

Fraßes und Vüllerey ungemeine Exempel oder Geschichten. 2. 6. 1

Freygebigkeit ware bey einigen sehr groß. Geschichten. 4. 1. 2

Fuchs leget dem Esel ein Fall-Strick / bleibt aber selbst darinnen behangen. Gedicht. 3. 3. 2

G.

Gärten so künstlich als kostbar. Geschichten. 4. 6. a.
Gärten seynd auch von H.H. Männer geliebt und ästimirt. Geschichten. 4. 6. a.
Garten-Lust wann er unmäßig / ist schädlich. Geschichten 4. 6. a.
Gebratner Han wird widerum lebendig. Geschichten. 3. 7. 8
Geheimnuß der H.H. Dreyfaltigkeit zu ergründen soll man sich nicht unterstehen. Geschichten. 1. 1. 1
Geitzhäls welche unersättlich waren. Geschichten.
1. 8. 2
Gehe nicht hinein wo du nicht weist widerum heraus zukommen. Gedicht. 3. 2. 3
Geschwätzigkeit wird getadlet. Geschichten. 3. 7. 3
Geld-Geitz einer Frauen wird erschrecklich von GOtt gestrafft. Geschicht. 1. 8. 1
Gewissen-Loser Finands-Rath verzweifflet in dem Tod-Beth. Geschichten. 3. 3. 8
Gewild wann es schaden thut soll mans laßen hinweg schießen. Geschicht. 3. 2. 1
Glatz-Köpff seynd vor zeiten hoch in Ehren gehalten worden hernach aber verachtet Geschicht. 2. 4. 6
Glider des Menschlichen Leibs beklagen sich wider den Magen. Gedicht. 2. 6. 2
Gold verblendet die Augen und das Gemüth. Geschicht. 1. 8. 1
Götter streiten welches die nutzlichiste Creatur seye. Gedicht. 2. 1. 3. a.
GOttseelige Jäger hat es vor zeiten abgeben. Geschichten. 3. 2. a.
Griechische Kayser wurden vor zeiten bey ihrer Krönung des Tods erinnert. Geschicht. 2. 1. 1

H.

Haaß gibt in der Feld-Schlacht ein Curier ab. Gedicht. 3. 2. 4.
Harpffenist von wundersammen Kunst und Krafft zu bewegen. Geschicht. 2. 1. 2
Hagel wundergrosse. Geschichten. 1. 6. 2
Haar Pracht wird wunderlich von GOtt gestrafft. Geschichten. 2. 4. 3
Häring-Fang wie häuffig und einträchtiglich er seye. Geschicht. 3. 4. 4
Hirschen durch welche GOtt hat Wunder gewürckt. Geschichten. 3. 2. 1
Hennen mit welcher sich ein wunderbarliche Begebenheit hat zugetragen. Geschicht. 3. 3. 7
Hoch aufsteigen macht öffters tieff fallen. Gedicht.
3. 6. 2
Hochmuth eines Frantzosen wird durch einen Raaben zu schanden gemacht. Geschicht. 3. 6. 7
Hoffart kommt vor dem Fall. Gedicht. 3. 3. 2
Höllischen Feinds Abscheulichkeit ist unerträglich. Geschicht.
1. 3. 6
Höllische Feind dienet einem GOttlosen Edel-Mann in Gestalt eines Affen vil Jahr lang. Geschicht.
3. 2. 6
deßgleichen einem schlimmen Juristen. Geschicht.
3. 2. 6
Hof-Danck und Belohnung ist schlecht. Geschicht.
1. 7. 2. a.
Hunden ihre Treu und Danckbarkeit. Geschichten.
3. 3. 7
Hund thun gute Kriegs-Dienst wider den Feind. Geschichten. 3. 3. 7
Hunden ihr Wachtbarkeit. Geschichten. 3. 3. 7.
Hunds-Lieb gar zu groß und närrische: Geschichten. 3. 3. 7
Hund der nicht schmeichlen kan kommt übel an.
3. 3. 8

I.

Jäger Thörichte und Unglückseelige. Geschichten.
3. 2. a.
Igel ist ein schlimm und unruhiger Haußgenoß. Gedicht. 3. 2. 5.
Jag-Lust / wann er unmäßig / ist schädlich. Geschichten. 3. 2. a.
Im trüben Wasser ist nicht allzeit gut fischen. Gedicht. 3. 1. 5
[685]

K.

Katz die wacker schmeichlen kan ist wohl daran. Gedicht. 3. 3. 8
Kleider-Pracht bringt ein adeliche Dam in Verzweiflung. Geschicht 3. 7. 9
Klugheit bringt mehr zuwegen als Gewalt. 3. 7. 3
Klugheit und List des Elephanten. Geschichten.
3. 1. 2
Kunstuck große in kleinen Dingen. Geschichten.
2. 7. 2. a.

L.

Lasterhaffte geben vor GOtt ein sehr üblen Geruch. Geschicht. 4. 2. 5
Leben oder sterben welches besser seye / wird von den Weißen gezweiflet. Geschicht. 2. 1. 1
Leichtfertige Tantzer werden auf der Stell von GOtt gestrafft. Geschicht. 2. 5. 3. a.
Löw rächet sich an seinem Beleidiger. Geschicht
3. 1. 1
Lieb die unordentliche macht blind. Geschicht. 1. 8. 1
Lieb ziehet das Hertz nach sich. Gesch. 2. 7. 2
Liebhaber ein ungeschickter charisirt ungereimt. Geschicht. 2. 1. 1
Leicht-Glaubige werden leicht betrogen. Gedicht.
3. 7. 4
List vermag mehr als Gewalt. 3. 6. 2
Lilien die miraculoser weiß entsprungen. Geschicht. 4. 6. 2
Lugen seynd vor zeiten hart gestrafft worden. Geschichten. 4. 3. 1
Leben des Menschen ist von dem H. Chrisostomo mit einer Comedi verglichen worden. Geschichten.
2. 1. 1

M.

Maximilianus ein Hertzog von Oestrereich hat sich auf dem hoch Gebürg verstigen / und ist wunderbarlich salviert worden. Geschicht. 3. 2. 2

Mehr mit Wercken als mit Worten soll man zeigen was man kan. Gedicht. 3. 1. 1

Menschen seynd in Thier verstaltet worden. Geschichten. 2. 7. 2. a.

Midas ware der fürnemmste Goldmacher Gedicht.

1. 8. 1. a.

Music vor altenzeiten hoch geschätzt. Geschichten.

2. 1. 2. a.

Mißbrauch der Music wird getadlet. Geschichten.

2. 1. 3. a.

Mißbrauch des Bisem und Balsams. Geschicht.

4. 2. 6

wird wunderlich gestrafft.

N.

Nacht-Eul wird von den Tartarn geliebt und hoch geschätzt. Geschicht. 3. 6. 6
Nacht-Eul gibt anderen Vöglen ein guten Rath. Gedicht. 3. 6. 6
Neyd Kaysers Hadriani wider Trajanum wunder groß. Geschicht. 3. 3. 7
Neyd stürtzet Bellisarium von dem Gipffel der Ehrn in das gröste Elend. Geschicht. 3. 3. 7
Nüchterkeit von dem Diogene / geliebt. Geschicht.
4. 4. 5. a.
Nicht einem jeden ist zutrauen. Geschicht. 3. 1. 4

O.

Oel hat Wunder gewürckt. Geschicht. 4. 2. 1
Orpheus und Arion zwey fürtrefliche Musicanten. Gedicht. 2. 1. 2. a.

P.

Pandoræ guldene Büchs hatte alles gutes in sich verschlossen. Gedicht. 1. 1. 2
Papagey ist sehr gelirnig. Geschicht 3. 8. 10
Perlein fischerey wie sie angestelt werde wird erzehlt. 1. 9. 7
Pferden unmäßige Liebhaber. Geschichten. 3. 3. 2
Podagran mit grosser Gedult übertragen. Geschichten. 2. 5. 3. a.

R.

Raaben und Falcken streiten hefftig mit einander in dem Lufft. Geschicht. 3. 6. 5
Raaben ihr Witz und Geschicklichkeit. Geschichten. 3. 6. 7
Raab hat zu seinem Schaden ein Wohlgefallen ab seiner Stimm. Gedicht. 3. 6. 7.
Raaben mit denen sich Wunder und seltzsame Zufäll begeben haben. Geschichten. 3. 6. 7
Rauch der überaus wohl geschmecket hat. Geschicht. 4. 2. 5
Regen seltzsame von Blut / Milch etc. Geschichten.
1. 5. 3
Reuter die zu frech oder unbehutsam / werden verunglücket. Geschichten. 2. 6. 3
Rosen die miraculoser weiß entsprungen Geschichten. 4. 6. 1
H. Rosen-Krantzes Krafft und Würckung. Geschichten. 4. 6 1. a.

S.

Sanfftmuth des H. Remigii ware wundergroß. Geschicht. 4. 4. 2
Schatten wird ums Geld verkaufft. Geschicht.
1. 7. 2. a.
Schmaragdt-Stein von wundersamen Grösse. Geschicht. 1. 9. 2
Schatz-graben ist sehr mißlich und gefährlich. Geschichten. 1. 8. 2
Schön ist nicht allzeit nutzlich. Gedicht. 3. 2. 1
Schlangen einer wundersamen Grösse. Geschicht.
3. 9. 1
Schneider mit einer gantz neuen Kleider-Tracht. Geschicht. 3. 7. 9
Schwein-Dieb laufen übel an. Gesch. 3. 3. 6
Schwimmer in dem Meer gleich einem Fisch. Geschicht. 1. 7. 2
Schwalben und Spatzen listiger Krieg wegen eines Nests. Geschicht. 3. 7. 3
Spiegel stellen alles unparteyisch vor. Gesch.
2. 1. 1. a.
Spiegel wird von Demostene für ein Rath-Geber gebraucht. 2. 1. 1. a.
[686] Spinnen Geweb erhaltet den H. Felix beym Leben. Geschicht. 3. 9. 3
Seidene Kleider waren vor zeiten verbotten. Geschicht. 3. 9. 3
Sicherheit gar zu grosse ist gefährlich. Gedicht.
3. 3. 5
Stehlen ist denen Raaben angebohren. Gesch. 3. 6. 7
Stärcke soll von der Vernunfft regieret werden. Gedicht. 3. 1. 3

T.

Tantalus muß sein Geschwätzigkeit ewig büssen. Gedicht. 2. 4. 1
Tauben geben Brieff-Trager ab. Geschicht. 3. 7. 5.
Trunckenheit wird getadlet. Geschicht. 4. 4. 5. a.
Trunckenheit ist gleich der Thorheit. 4. 4. 5. a.
Treu und Danckbarkeit der Hunden. Gesch. 3. 3. 7

V.

Ubel sehen macht übel singen. Gesch. 4. 4. 6
Unfruchtbare Bäum werden fruchtbar gemacht. Gedicht. 4. 3. a.
Ungeschickter Buhler wirfft die Augen auff die Weibs-Bilder. Geschicht. 2. 1. 1
Ungerechter Reichthum ist mit dem Blut der Armen vermischt. Gesch. 2. 6. 4
Unmäßige Liebhaber der Tauben leiden Schaden darbey. Gesch. 3. 7. 6
Unterjrrdisches Feur bricht mit Gewalt aus. Geschicht. 1. 4. 4
Unverständiger Richter fället ein gar ungeschicktes Urtheil. Gedicht. 3. 7. 1
Ungerechtes Gut muß widerum heraus geben werden. Gedicht. 3. 6. 4

W.

Wachen schaffts Brod / vil schlaffen bringt Noth. Geschicht. 3. 3. 3

Wachtbarkeit der Gänsen erhaltet das Capitolium zu Rom vor dem Feind. Gesch. 3. 8. 2

Wachtlen seyn streitbare Vögel und kämpffen mit einander hitzig. Gesch. 3. 7. 5

Warnung vor den Gefahren soll man nicht verachten. Gesch. 3 6. 7

Wahrheit reden macht verhast. Gedicht. 3. 3. 8

Wahrsagerey so Herodi Aggrippæ wegen einer Nacht-Eul geschehen ist. Geschicht. 3. 6. 6

Weißheit wird von einem Philosopho feil gebotten und einem König verkaufft. Gesch. 1. 10. 5

Wissenschafften die haben in einer gehaltenen Conferenz den Menschen unterschidlich beschrieben / und betitult. Gedicht. 2. 7. a.

Wall-Fisch von wundersamen grösse. Gesch. 3. 4. 3.

Wall-Fisch stellet ein gantzes grosses Schiff. Geschicht. 3. 4. 3

Wall-Fisch-Fang wird außführlich beschrieben.

3. 4. 3

Wollff grabt dem Fuchsen ein Grub / fallt aber selbst darein. Gedicht. 3. 1. 5

Wel-Weißer kan je länger je weniger faßen was GOtt seye. Gesch. 1. 1. 1

Wunder die in dem Wasser seynd gewürckt worden. Gesch. 1. 4. 2

Wunder-Werck hat GOtt durch die Adler gewürckt.

3. 6. 2

Wunderliche Begebenheit mit einer Endten. Geschicht. 3. 8. 3

Z.

Zahn eines Gotzen-Bilds wird von den Heyden überaus hoch geschätzt. Gesch. 2. 3. 5.
Zahn der einem General ausgefallen zeigt ihm den bäldigen Tod klärlich an. Geschicht. 2. 3. 5.
Zech ohne den Wirth machen geth nicht an. Gedicht. 3. 1. 5
Zornmuth von Gottseeligen hertzhafft gedämt und unterdruckt. Gesch. 2. 7. 4
Zornige begehen grosse Thorheiten. Geschichten.
2. 7. 4
Zung des Menschen ist das beste und das schlimste. Gesch. 2. 4. 2
Zu frieden soll ein jeder sein mit seinem Stand. Gedicht. 3. 3. 3
Zwungne Demuth thut kein Gut. Gedicht. 3. 2. 5
[687]

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