Wallder und Oda

[49]

Wallder und Oda

1788.


Oda, Oda, meine Früherwählte,
Meine Lang'verlobte, meine Neuvermählte,
Meine Eine, Eig'ne, Einzige!
Horch, sie schlägt, die heißersehnte Stunde.
Ew'ge Weihe winket unserm Bunde.
Wonne wird der Sehnsucht schmachtend Weh.

Oda.

Wallder, Wallder, welche süße Trauer
Ueberwölkt mich? Welche Wonneschauer
Ueberglühn dein Mädchen Guß auf Guß!
Ueberwunden, Wallder, überwunden
Sind der Treue schwüle Prüfungsstunden,
Und ich küsse dich mit Gattinnkuß!
[50] Wallder.

Also, Theure, bist du mein auf immer!
Mein für Zeit und Ewigkeit! und nimmer
Reißt mich Zeit und Ewigkeit von dir?
Oda.

Dein, Geliebte, bin ich, dein auf immer!
Dein vor Welt und Himmel. Nimmer, nimmer
Trennen Welt und Himmel mich von dir!
Wallder.

Aber Oda, meine Oda, sage:
Wirst du nach, wie vor dem Bundestage,
Mich auch lieben voll so lieb? so warm?
Oda.

Wallder, Wallder, du mein Früherwählter,
Du mein Lang'gewünschter, du mein Neuvermählter,
Deine Frage weckt mir leisen Harm.
Ahndet' ich nicht deines Geistes Tugend
Schon im Knospen meiner Rosenjugend,
[51]
Schloß mich fest an dich, Geliebter, an?
Wies zurück des Heuchlers süßlich Heucheln,
Blickte Hohn des Schmeichlers ekelm Schmeicheln,
Hing an dir, du deutscher g'rader Mann?
Weiht' ich dir nicht meine schönsten Kräfte?
Dachte dein in meinem Taggeschäfte,
Dein, wenn Schlummer meine Wimper schloß?
Dein, sobald des Morgens Rosenschimmer
Mich umstrahlten? dein, wenn seine Flimmer
Blaß der Vollmond in mein Fenster goß?
O, wie oft, an deine Brust gesunken,
Und vom Kelch der Liebe wonnetrunken,
Sehnt' ich mich, erst ewig dein zu seyn!
Heute, heute hab' ich dich erwunden!
Und vollendet sind der Prüfung Stunden,
Und mein Wallder ist nun ewig mein!
[52]
Wallder, Wallder, du mein Theu'rerrung'ner,
Mein Nunganzumfang'ner, mein nun Ganzumschlung'ner,
Und du fürchtest, deiner Gattinn Arm
Werde minder innig dich umschmiegen?
Minder traut ihr Herz sich zu dir fügen?
Ihre Brust dir klopfen minder warm?
Wallder, nein! Mit jedes Morgens Sprießen
Will ich inniger mich an dich schließen!
Will mich näher dir, mein Edler, nahn!
Wie die Rebe um den Ulmbaum ranket,
Mit ihm steigt und mit ihm niederschwanket,
Will ich dich in Freud' und Leid umfahn.
Fest mich lehnend, Freund, an deine Rechte,
Will ich mit dir durch des Lebens Nächte,
Und des Todes Grauenthale gehn;
Nimmer von dir wanken, nimmer von dir lassen,
Dir am Busen athmen, dir im Arm' erblassen,
Dir zur Seite schlummern, mit dir auferstehn.
[53] Wallder.

Halt, Geliebte! Deine Lieb' und Treue,
Warm, wie Frühlingsodem, rein, wie Tempelweihe,
Uebermannet meine Männlichkeit.
Deine Lieb' ist stark, wie Mark der Jugend,
Seelelabend, wie der Wein der Tugend,
Unverletzlich, wie ein Altareid.
Welcher Friede, meine Vielgetreue,
Welcher Freuden ungebroch'ne Reihe
Harret mein an deiner treuen Brust!
Mögen Menschen und Verhängniß schmollen!
Mögen Stürme stürmen! Mögen Donner grollen!
Dir am Busen blüht mir Trost und Lust.
Dir am Busen wär' die Welt voll Mängel
Mir Elisium, der Mensch mir Engel
Und das Leben mir ein Jubelreih'n;
Wenn mich nicht der Nachtgedanke trübte,
Meine Oda, daß auch die Geliebte,
Und die sel'ge Liebe sterblich sey'n!
[54] Der Dichter.

Sollte Liebe mit dem Staube modern?
Ihre Flamme kerzengleich verlodern?
Ihre Blüthe Blättern gleich verblüh'n? –
Liebe, die in Herzensreinheit flammet,
Liebe, die aus bessern Welten stammet,
Mag nicht gar verlodern, mag nicht gar verglüh!
Zwar das Auge, das Empfindung blicket,
Zwar die Hand, die simpathetisch drücket,
Zwar der Mund, der Liebe lispelte, wird Staub.
Und der Unschuld helle Morgenröthe,
Und die Jugend, die Verschonung flehte,
Wird des mitleidslosen Würgers Raub.
Aber – Lichtgedanke! Wonneglaube! –
Aus des Aschenkruges stillem Staube
Windet sich ein lichter Funke los,
Schwingt sich über Grab und Grabestrümmer,
Ueber Aldabarans Flammenschimmer
In der ew'gen Liebe sichern Schooß.
[55]
Liebe rauscht in Edens hellen Palmen.
Liebe jubelt in des Serafs Psalmen,
Ueberblendet der Verklärung Glanz.
Lieb' ist Puls und Herz der Welten alle,
Schürzet Siebensterne, ballet Sonnenballe,
Flicht die Schöpfungen in Einen Kranz.
In des Kranzes duftigem Gewinde
Thronet Gott der Liebe, mild und linde.
Seine Braut ist die Unendlichkeit.
Seinem Liebesblick entglimmen Sonnen.
Seinem Inbrunstkuss' entsäuseln Wonnen,
Und umfluten seine Schöpfung weit und breit.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kosegarten, Gotthard Ludwig. Gedichte. Gedichte. Wallder und Oda. Wallder und Oda. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B764-1