Der 1. (16. 91.) Kühlpsalm

Als er auf dem Ölberg seinem Jesu im Elisensgeiste nachsahe, am geistlichem Jordansufer so grosser, so viler hauptgefahr bestürtzet; im göttlichem tribe gesprochen den 9 Sept. 1682. 5 tage vor seiner Genfferausreise, 10 tage vor des Reiszwölfjahres ende.


1.
Wo ist nun Gott der Herr, der Vater meines Jesu?
Wi schein ich nicht so gantz verlassen?
Gefahr wil mich zur baar umfassen.
Der muthwill ist gewachsen übergros:
Man wirfft um mich nun recht ein Sodomslos.
Zum höchsten ist ihr übermutt gestigen:
Si sind gewis, das ich werd unterligen.
2.
Wo ist verdreiung nun des Geistes meines Jesu?
Der Jesusgeist wird gantz geschändet:
Heist heuchelei, di nur geblendet.
Dein höchster Schatz der Weisheit wird geschertzt:
[170]
Dein Heiligstes von disem Vih geschwärtzt.
Man schreibt mir zu das böseste des Bösen:
Ich heiss unwerth schurimen aufzulösen.
3.
Wo ist Erscheinung nun zum wunder meines Jesu?
Ich seh dir nach an Ölbergs füssen:
Erwarte deines krafftausgüssen.
Fünff Hunde sind um Schrifft und Buch ergrimmt:
Si haben mir den endschlus schon bestimmt.
Der Vorwand ist durch Freunde trug gefunden,
Um den man mich solt halten stets gebunden.
4.
Wo ist weissagung nun in der Weissagung Jesu?
Mein nahmen ist ein Spottwerk worden
Bei allen dreien Babelsorden.
Weissage hin, weissage wider her,
Von Noth und Tod; es sind nur leere mähr.
Das Babel trutzt mit ihrem Fabelglauben:
Fängt stoltzer an Weissagung anzuschnauben.
5.
Wo ist mein Reisen nun im Wunder meines Jesu?
Di zwölfjahr sind vom Feind verspeiet:
Mit tausend schmach vermaledeiet.
Welch Bösewicht weist wohl vom schlechtern stand?
Ich bin geschwächt dein knecht in idem Land.
Di zehn L sind, mein Elohim, voll klagen:
So manches Land, so manchfalt ist ihr Sagen.
6.
Wo ist erhöhrung nun im krafftgeist meines Jesu?
Es wird auf einst vom Feind versehret
Was sovil Jahr dir war erhöhret.
Di zeichen sind geschehen nun umsunst:
Si heissen nur der Babelhuhre dunst.
Ihr schandmaul wil von allem schändlich sprechen:
Gerechter Gott! wann wirstdu dises rächen?
7.
Wo ist das Weisblau nun im Weisblau meines Jesu?
Wi wird nicht heut ums kleid gespilet?
Dein heilges werk mit mir verwühlet?
Wär ich ein stokk, so würd ich doch beredt,
Und schrihe weh in diser Teufelskett!
[171]
Kett an di Feind und falsche Freund zusammen!
Ich werd entflammt in deines eifers flammen.
8.
Hir ist nun Gott der Herr, der Vater deines Jesu!
Ich bins, der ich dich selbst geruffen!
Ich führe dich durch meine stuffen!
Ich hab ihr Zil der Bosheit längst gesätzt:
Si haben sich, nicht dich, mein Kind, verletzt.
Erfreue dich, i grimmiger si steigen!
Ihr gipffel wird si ewigst höllwarts beugen.
9.
Hir ist verdreiung nun des Geistes deines Jesu!
Ich habe ihn vertausendfachet,
Der ich den Erdenkreis gemachet.
Ihr schertzen wird si kosten leib und seel:
Si schwärtzen sich zu meines zornes höhl.
Di meinen Geist in deinem Geist verschmähen,
Di wirstdu zum fusschemmel ewigst sehen.
10.
Hir ist erscheinung nun zum wunder deines Jesu!
Ich bins, der ich längst aufgefahren:
Ich werde dich, wi mich bewahren.
Erfreue dich, i grössre Bosheit naht!
Ich habe längst verdrehet Babels Rad(th).
Si wollen mich, nicht dich, mein Sohn, aufreiben:
Es ist mein zorn, der si beginnt zutreiben.
11.
Hier ist weissagung nun in der weissagung Jesu!
Ich habe dich durch mich benahmet,
Eh ihr geschöpff in nahmen kahmet!
Mein ewig wort und ewig Ort erwächst:
In dem mein Feind vergebenst ewigst lächst.
I näher nun ihr klag-end angekommen;
I grössern schertz hat aller hertz vernommen.
12.
Hir ist dein Reisen nun im wunder deines Jesu!
Imehr dein weg war umgekehret,
Imehr hab ich dir schatzs gewähret.
Imehr du warst ein dorn in aller sinn;
Imehr war dann von meiner führung inn.
[172]
Was himmlisch war nach meinen zehngestalten,
Wi konte dis der schwache Rothstaub halten?
13.
Hir ist Erhöhrung nun im krafftgeist deines Jesu!
Was einmahl ist aus mir gedrungen,
Ist aus der ewikeit entsprungen.
Es schwächt mein Recht ja keine Creatur:
Di Welt behält auf ewig meine spur.
Der abgrund mus auch unterm fus mich loben,
Weil ihm sein mund macht kund nur grösser toben.
14.
Hir ist das Weisblau nun im Weisblau deines Jesu!
Ich weisblaut' dich mit Weis und Blauen,
Das ewigewigst bleibt zuschauen.
Mein Sechsgericht wird eher nicht entzündt,
Als bis der Feind ihm selbst di Rutte bindt.
Ich habe dir itz völligst krafft gegeben:
Wer dich anfällt, dem sei zerschellt sein leben.
15.
Wo ist des Feindes Pracht? Hir ist di macht von Jesu!
Empfangt das Mas, mit dem gemessen,
Als er im trauren dargesessen.
Er ward von mir sehrwunderlich geführt,
Und habt ihr mich in ihm, nicht ihn, entzirt.
War dis di Lib aus meinem Libeswesen?
Wi ihr gelibt, so seid ihr itz genesen.
16.
Wo ist des Feindes Lehr? Hir ist di Ehr von Jesu!
Mein weisheitgeist hat ihn geehret,
Der ewigst mir, nicht ihm, gehöhret.
Habt ihr so schön nun meinen Geist gebildt,
Mit welchem Geist war dann eur geist erfüllt?
Geht, falsche, geht zu euren Höllengeistern,
Da Torheit euch vollkommen sol bemeistern.
17.
Wo ist des Feindes trutz? Hir ist der Schutz von Jesu!
Ihr seht es nun, an wem verbrochen,
Und wen, ihr Nattern, habt gestochen!
Wi menschlich ists doch euer Hundsgemütt!
Was habet ihr von eures Jesu gütt?
Weicht, Hunde, weicht, im Judas längst verfluchet!
Schmekkt nun den trug, den ihr so klug gesuchet.
[173] 18.
Wo ist der Feinde Meer? Hir ist das Heer von Jesu!
Wer machte doch euch so vernünfftig
Von allen dingen, di zukünfftig?
Was stisst ihr drei di Dreigesandten weg?
Si rufften euch zu meinem Drei und Steg.
Verfluchte, weicht zur ewigdürren wüste!
Gebraucht, gebraucht nun ewigst eure lüste.
19.
Wo ist der Feind verspein? Hir ist das Rein von Jesu!
Er war zu meinem Werk gebohren,
Um Ost und Nord von mir erkohren,
Das Ost und Nord mich seinen Heiland kenn,
Und Babels Stadt mit ihrem saat verbrenn!
Fliht, Bösewicht! Ihr habt mein licht vernichtet!
Seid ewig, seid durch feur und schwerd gerichtet.
20.
Wo ist der Feinde dunst? Hir ist di gunst von Jesu!
Von mir sind wunder, kräffte, zeichen:
Durch mich sind thaten, straffen, seichen.
Was nimmt ein Mensch, wann ihm es nicht geschenkt?
Ist A.L.L.E.S. mein, was wird ein Mensch gekränkt?
Di stund ist da, Gottlose, zum erscheinen!
Ich steh selbst auf zustreiten vor di meinen.
21.
Wo ist der Feinde Spil? Hir ist di Kühl von Jesu!
Ich hab ihn selbst mit mir gestärket:
Ich bins, nicht er, der kräfftig werket.
Ich werds erhöhrn, was er vor mir spricht aus
Zur Abels freud, zum Babels leid und graus.
Steh, Kühlmann, auf im Jesusnahmen munter!
Das Babel ligt mit seiner Fabel unter.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kuhlmann, Quirinus. Gedichte. Der Kühlpsalter, Band 2. Sibendes Buch. Der 1. (16. 91.) Kühlpsalm. Der 1. (16. 91.) Kühlpsalm. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B8AF-4