Der 11. (56.) Kühlpsalm

Als er in den siben allgemeinen Proben wahrer Christen, insonderheit des Königs Friderichs beim Propheten Kregel, eigentlich seine siben Figurliche Grosläuterungen, plötzlich zuerst erblikkte zwischen seiner fünfften und sechsten Probe, doch noch in der Virprobe des grossen Kühlpsalterscentrum jauchzend Kregelisirt zu Paris den 19 Jenner 1680.


1.
Auf Geist, du solst nun singen
Von Silberbergwerksdingen,
Vom wahrem Christenthum:
Von seinen siben Proben,
Dadurch allein erhoben
Mit stetem Gottesruhm
Di höchste silberblum.
[291] 2.
Schwer wil ein Berg sich zeigen;
Er ist hart zubesteigen,
Sehr rauh sind seine grüfft:
So ist des Menschen leben
Mit schwerheit rings umgeben:
Sehr hart sind dessen trifft;
Gantz rauhe seine lüfft.
3.
Ein Berg, reich von Metallen,
Ist unansehnlich allen;
Unfruchtbar seine Erd:
Ein Christ, der reich am glauben,
Erduldet aller rauben,
Dem tausend widerfährt
Von trübsal, Angst, beschwerd.
4.
Im Bergwerk sind di sorgen
Den Bauern unverborgen,
Weil vil gefahr es hegt:
Ein Christ siht gantze Reien,
Di ihm verfallung dräuen,
Wohin er sich auch regt,
Und was vor werk er pflegt.
5.
Ein Ertz, das erst gegraben,
Mus siben schmeltzung haben,
Eh dessen Quellgeist sigt:
Ein Christ ist ungeläutert,
Eh ihn sein siben heitert,
Das er den Quellgeist krigt,
Der ihn auf ewigst rügt.
6.
Das Ertz wird klein zerriben,
Zerklopfft, zermalmt, zertriben,
Bis es zur schmeltzung recht:
Ein Christ mus zucht erfahren,
Nechst Angst von ersten Jahren,
Bis durch so manch gefecht
Sein Sinn wird mürb und schlecht.
[292] 7.
Das Ertz, das satt gesifftet,
Wird in dem feur entgifftet,
Ein silber reiner flutt!
Ein Christ in Bus durchflammet,
Entwolft und wird belammet,
Sein giftigs bleibt der glutt,
Und er wird rein und gutt.
8.
Di erste Prob entherbet,
Weil si dem ertz absterbet
Den groben aberaum:
Anfächtung schmeltzt von Christen
Hoffartigs eigenlüsten,
Den groben Lebensschaum,
Des Fleisches Sinnentraum.
9.
Di zweite Prob wird Hasser
Dem bitterm Todeswasser,
Dem Todestod im plitz:
Verfolgung bricht das geitzen,
Lehrt unsern willen kreutzen
Vertrauen blos ohn witz;
Gott wird dan unsre stütz.
10.
Di dritte Prob scheidt bitter,
Den Tober, Brecher, Wütter,
Der alles bröde macht.
Das kreutz tilgt neidisch tilgen,
Lernt seinen Nechsten lilgen,
Nimmt ihn wi sich in acht,
Gibt Christus Lebenspracht.
11.
Di virdte Prob di steuret
Dem Feurgeist, der entfeuret,
Das Ertz weist silberglantz:
Das Leiden schenkt uns gütte,
Schmeltzt weg das zorngemütte:
Demüttigt gar und gantz,
Zeigt uns den Sigeskrantz.
[293] 12.
Di fünffte Prob belebet,
Das nun das Ertz anhebet
In seiner silberkrafft:
Angst lässt uns höchstgelassen
In gleichheit alles fassen:
Wir sind halb hingerafft
Zur heilgen Engelschafft.
13.
Di sechste Prob bethönet,
Weil si ihr Ertz nun krönet
Mit hellem silberklang:
Noth gibt uns reine Libe,
Um Christusehr nur tribe,
Schallt aus den Sigsgesang,
Der würklich von uns drang.
14.
Di sibne Prob begradet,
Das Ertz wird höchst vergnadet,
Des silbers Leib ist da:
Gefahr in Gotteswunder
Um Gott aus Gott ist zunder,
Di Sanfftmutt ist uns nah.
Triumf! Hallelujah!
15.
Das silber, das bestehet,
Das wird vilfach erhöhet;
Gebraucht imehr und mehr:
Ein Christ der durchgegangen
Durchs Trübsalsfeur zum prangen,
Ist ewigst dort zur ehr,
Und zeitlich aller lehr.
16.
Das silber wird geschmükket,
Sein disel weggerükket
Als gantzverlohrner staub:
Di Christen blühn im friden,
Von Bösen dort geschiden,
Belaubt mit Lilgenlaub:
Ihr Feind ist Höllenraub.
[294] 17.
Ihr Heilge, di ihr wandelt
Den Berg, der abgehandelt,
Frohlokkt mit mir in lust!
Lasst hurtigst uns forttreten
Mit zittern, furcht und beten!
Klopfft eure händ und brust!
Das End ist strakks bewust.
18.
Auf Friderich, du König!
Geh auf, geh auf ein wenig!
Eil fort! Eil fort! Eil fort!
Höhr, Friderich, mein rathen!
Du zir der Potentaten,
Jehovah ist der Hort:
Im Ost und Nord der Port.
19.
Im sibnem Prüfungsfeuer
Durchkühlt uns Gottesweiher,
Undfrischt uns wider frisch!
Gefahr ist zwar gewachsen
Bis zu der sibnen achsen!
Allein di vir vorm tisch,
Di ruffen gleich! verlisch.
20.
Anfechtung ist entwichen!
Verfolgung selbst erblichen!
Kreutz fand am Kreutz sein zil!
Das Leiden mus nun stärken!
Di Angst bringt freudig werken!
Willkommen, Noth! Komm, Kühl!
Gefahr, An, An! Komm, Spil!
21.
Gott Vater, komm und läuter!
Gott Sohn, sei mein Bereiter!
Gott Heilger Geist, mein Reis!
Las nach dem sibnem glühen
Im silberkelche blühen
Das Lilgenrosen weis
Zu deinem Lob und preis.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kuhlmann, Quirinus. Gedichte. Der Kühlpsalter, Band 1. Virdtes Buch. Der 11. (56.) Kühlpsalm. Der 11. (56.) Kühlpsalm. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B8BA-C