Der 4. Gesang

Als er in den Jehnischen Feldern der Jesuslibe nachhertzelte, über der Saalbrükke, wi sonst offtmahls bei Rotenstein, darauf ihn Gott über Eisleben, Magdeburg, auf der Elb nach Hamburg, Bremen, Oldenburg, Embden, Gröningen, Lewarden, Harlingen nach Amsterdam brachte den 9 Sept. 1673, drei tage vor der Nardeneroberung.


1.
Als nechst Seelewig spatziret
In dem buntbekleidtem Feld,
Ward si hochbeschmertzt verspühret,
Seufftzen stig zur Sonnenwelt,
[10]
Weil ihr Jesus si verlassen,
Ja stat Libe wolte hassen.
2.
Seelig (sang si) seind zuschätzen,
Welche Jesus feste übt!
Jesus kan allein ergetzen,
Jesus macht uns unbetrübt.
Wen der süsse Jesus ehret,
Bleibet ewig unversehret.
3.
Vormals lebt ich stets in Freuden,
Weil mir Jesus schin geneigt:
Itzo trifft mich schweres Leiden,
Welches tif ins Hertze steigt!
Ist mir Jesus unbewogen?
Hat sich Jesus mir entzogen?
4.
Libster Jesus, meine Wonne!
Was betrübstdu mich, mein Schatz?
Gläntze wider, Lebenssonne!
Du hast ja bei mir nur platz!
Sende, Schönster, güldne Strahlen,
Um den blassen Mund zumahlen.
5.
Wehmutt hat mich rings umschlossen,
Und in tausend ach versenkt:
Seit ich deiner ni genossen,
Hat mich Wermuttsafft getränkt.
Sol ich länger dis ausstehen,
Werd ich, ärmste, nur vergehen!
6.
Meine Lippen wollen brennen,
Seelenhirt, nach deinem Kus.
Willstdu ferner mich ni kennen?
Alles Leben wird verdrus.
Wann du kaum auf mich wilst blikken,
Wilstdu wider weg dich rükken.
[11] 7.
Libster Jesus, ich erbleiche
Von dem übergrausen Schmertz:
Sih auf di erstorbne Leiche,
Dir vermach ich Geist und Hertz.
Eh ich sonder dich sol leben,
Wil ich meine Seel aufgeben.
8.
So sang Seelewig mit thränen,
Als si fil zur Erden hin:
Solches ward ihr letztes sehnen,
Es erblich ihr Mundrubin.
Alle ziraht ihrer Wangen
War (ach leider!) gar vergangen.
9.
Wi nun Seelewig gestrekket
In der harten Ohnmacht lag:
Ward in Wolken schnell erwekket
Ein sehr schöner Wundertag.
Rosen lissen sich erschauen
In den bunten Wolkenauen.
10.
Jesus kam mit tausend Engeln:
Tausendtausend folgten nach.
Nichts erfreubars konte mängeln,
Als er rif vom Sonnendach:
Allerlibste! nun erscheinet,
Der dich mehr dann treulich meinet.
11.
Dise Stimm war kaum vernommen,
Als schon Seelewig dort schwebt:
Wi si ihm entgegen kommen,
Libster, sprach si, nunmehr lebt
Seelewig, di vor erstorben,
Weil si Jesus Lib erworben.
[12] 12.
Seid gegrüsset Sonnpalläste!
Libesvoller Jesussaal!
Himmel! welche wollustweste!
Hir ist Ruhe, dort nur Qual.
Sterblichen, das Erdenleiden
Gleichet ni den Himmelsfreuden.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kuhlmann, Quirinus. Gedichte. Der Kühlpsalter, Band 1. Erstes Buch. Der 4. Gesang. Der 4. Gesang. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B8D1-5