[29] Der 9. Gesang

Als er von Lübek den 2. Mertz aufgebrochen, aus Lüneburg zurük kommen, und doch wegen Windesverwendung nicht mochte zu Segel treten, in Hamburg den 22. Mertz 1676. darauf er gleich Morgens, wi er hirinn Spätabends begehrt, erhöhret, und mit dem Schiff, Grünlandischem Kauffman, in London am grünem Donnerstage, den 2. Aprill ankommen.


1.
Allerlibster Vater höhre,
Was dein Kind nun für dich bringt!
Schaustdu nicht, das mich versehre,
Was mit meiner Reise ringt?
Auf dich hab ich blos mein Hoffen,
Meiner Seelen einge Rust!
Komme, Vater, meine Lust,
So ist alles wohl getroffen.
2.
Du verbleibest Herr der Winde,
Herr der Erden, Herr der Welt!
Durch dich segelt sanfftgelinde,
Dem du hast den Mast gestellt.
Drum auf dich ist mein Vertrauen:
Zu dir ruffet all mein Sinn.
Hilf mir, Vater, selber hinn,
Um dis Wunderland zuschauen.
3.
Ach gebite deinen Geistern,
Das si mit mir zihen aus!
Du wirst West und Norden meistern,
Und den Sudwind schlüssen draus,
Das der Ost zu segel streiche,
Voller Kräffte, voller Macht,
Voller Stärke, voller Pracht,
Das ich schnell dein Zil erreiche.
[30] 4.
Sihe, Vater! wenig Tage
Sind noch übrig diser Reis.
Ach du kennest meine Klage,
Mein Bemühen, meinen Schweis!
Du kanst mich ja nimmer lassen,
Libster Vater, meine Wonn,
Mein Erquikken, meine Sonn,
Weil du libest mich dermassen.
5.
Zeige wider deine Wunder,
Wi du vormals mir gezeigt!
Hir ist, Vater, Stahl und Zunder!
Bistdu mir nicht hochgeneigt?
Las mich reisen voller Glauben,
So geht Schif und Reise fort
Auserwünschet zu dem Port
Ungeachtet aller schnauben.
6.
Ich erwarte sonder sorgen,
Weil du vor mich sorge trägst,
Dass ich reise glükklich Morgen,
Mit dir, Vater, wi du pflegst!
Das manch Engeltausend flüge
Sichtbar um des Schiffes Mast!
Und der stoltzen Wellen last
Sich auf allen Seiten schmige.
7.
Libes Teutschland! Sei gesegnet.
Denn mein Vater nimt mich weg!
Was in dir ist mir begegnet,
Leitet mich von deinem Steg!
Du magst schwerlich mehr mich schlüssen,
Weil dich drükkt der Sündenhauff!
Sodomitisches Vollauf!
Das mir vor dir grauen müssen.
8.
Schwere Straffe werden eilen
Über dich, O Teutsches Reich!
[31]
Tausend Feinde auf dich pfeilen!
Und dich schleifen Erdengleich:
Deine Wolken stehn verschlossen,
Und dein Himmel rings im grimm!
Bis du merkest Zorn und Stimm,
Di von oben abgeschossen.
9.
Christlich Warnen stund verlachet!
Di gewarnten triben spot!
Drum ist deine Straff entwachet:
Wehe weh in deiner Noth!
Schauestdu den Monden scheinen!
Wo verbleibt des Adlers Raub?
Ist dein Kaiserthum nur Staub?
Ach zu späte ist dis weinen!
10.
Was du woltest gar austilgen,
Dis besitzet deinen Thron!
Liblich blühen heilge Lilgen,
Aus der Ros um deine Kron.
Jesus blitzt mit Majestäten
In geheiligthohem Glantz:
Christuswarheit hat den Krantz,
Den du woltest untertreten.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kuhlmann, Quirinus. Gedichte. Der Kühlpsalter, Band 1. Erstes Buch. Der 9. Gesang. Der 9. Gesang. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B8D8-8