[80] Der 12. (27.) Kühlpsalm

Als er aus der Africanischen Paulusinsul, Malta, da das Schif vom 26. Mai verharret, den 15. Jun. vor Sicilien, zwischen Africa und Europa glükk und unglükklich ausgeschiffet, und den 23. Jun. mit seinem in Malta völligst verfallenem Volke vor Smyrna in Asien ankommen, gesungen im hafen den 26. 27. Jun. 1678. zur Zeit, als di Pest sehr wüttete, di doch, wi er hirinn gebeten, sich plötzlich geleget.


1.
Dreieiniger, du Bronquell alles Lichts!
O GottGottGott! Gleicheinigst Allesnichts!
Ich werd erwekkt di Reimesharf zustimmen,
Weil gleich dein Geist wil meinen Geist entglimmen.
2.
Ich bin bereits bei Smyrnen angelangt,
Das mit der Kirch der zweiten vorgeprangt!
Ach, aber ach! wi wird es nun verwüstet!
Weil du di Pest darwider ausgerüstet!
3.
Ich trete nun auf Asien erstarrt!
Hat solcher schmertz auf mich bisher geharrt?
Wivil, wivil ist mir, mein Gott, begegnet!
Doch trau ich dir, weil du mich selbst gesegnet.
4.
Wi Paulus fuhr nach Rom von Maltens Land,
Als er von dir zum Kaiser ward gesand:
So bin ich auch von Malten ausgereiset,
Als du das Rom des Ostens mir geweiset.
5.
Der heilge Paul must eher Schifbruch sehn,
Eh ihn der Wind nach seinem Rom kont wehn:
So muste mich auch Malta hochbetrüben,
Weil geistlich fast im Schifbruch wir gebliben.
6.
War dis di well, di mich so plötzlich schlug,
Eh mich das Schif nach Maltens hafen trug?
Halsstarrikeit! wi hastdu uns geschwächet?
Ach leider ach, das ich so scharf gerächet!
7. 8. 9.
Ja Schifbruch war auch leiblich mir sehr nah,
Als ich im kahn durch fremden witz mich sah:
[81]
Dann mein Delphin war weit ins meer gewichen,
Wi wir ihm nach mit einem kahn gestrichen.
10.
Der Schiffer ward der Wellen Sturm zuschwach,
Es dräute mir des Schifbruchs ungemach,
Als sich Delphin im stärksten Wind gewendet,
Bald brach den kahn, wi wir dabei gelendet.
11.
Di schnellste Flucht durch schneller Rudergang
Entris uns noch, wiwohl schon idem bang.
Mein grosser Fisch war mir geschwind entflogen:
Doch schauet Gott mich endlich angewogen.
12.
So fil ich ein erschrokken, doch gelehrt,
Wi es ergeht, wann man mich nicht gehöhrt!
Allein ich must Gefahr und Last erfahren,
Wiwohl mich Gott höchstglükklich wolt bewahren.
13.
Wir pfeilten fort, das plötzlich wir entfernt,
Wo Christenheit im nahmen sich besternt!
Das Candien fil schnell in Aug und Sinnen,
Bei dem der Kreis noch vils wird werden innen.
14.
Wiwohl der Wind was sänffter täglich blis,
Als Hellas uns mit Morea vorstis,
Als sich Athen in seinen Gräntzen zeigte,
Doch war es schnell, das Smyrna sich uns neigte.
15.
Ach aber ach! welch Schifbruch wird erblikkt?
Was jener bildt, ist nun herbei gerükkt.
Ich bin gehemmt, weil alles ist gehemmet,
Weil Christen mich aus falscher Furcht geklemmet.
16.
Di schwere Pest frisst manches hundert weg,
Das gros und klein bewandeln disen steg!
Di Erde hat, eh ich ankam, geschüttert:
Und dise Nacht durchdonnernd blitzgewittert.
17.
Ich trat in dir, O Stadt, in Jesus Krafft,
Das beider Tod aus dir bald weggerafft!
»Wahr ist, man sagt: nun minder deine seuche;
Das weniger itz werden dir zur leiche.
[82] 18.
Allein ich bin, mein Jesus, sehr beschwert:
Der Vorrath ist durch Reisen aufgezehrt.
In diser Pest ist nichts vor mich verhanden,
Und ist di zeit, das ich bei Rom sol landen.«
19.
Darzu was ist mir hir schon aufgelegt,
Weil Argwohn stets der Nimrodshauffe trägt?
Was Greuel ist nicht worden ausgesprochen?
Si lästern dich; das sei von dir gerochen.
20.
Mein Gott, mein Gott, nun ich in Rom fast lif,
So wirfestdu von Rom mich wider tif!
Soll, Jesus, ich im Hafen Schifbruch leiden?
O Heilger Geist! dis Kreutze müsse scheiden!
21.
Wi ich ins Schif, fall ich in Romes Gräntz!
Ich traue dir, wi in dem Glükkes Lentz!
Ich traue dir, und lasse dich fortsorgen,
Dreieiniger! Du kennest meinen Morgen.
22.
Du bist der Herr, der du di Hertzen lenkst!
Du machst gesund, was du mit Schwachheit kränkst!
Du schlägst und heilst! du hast der Pest befohlen,
Du wirst si auch, wi ich begehr, weghohlen.
23.
Mein fester Fels, ob ich im Meere sitz!
Mein einger Trost, ob um mich lauter Blitz!
Mein starker Schutz, ob mich wil alles sterben!
Mein Süssesflus, ob mich wil gifft durchherben.
24.
Ich bin erfrischt zum neuen Rom zugehn,
Um vor das Heil der Christenheit zustehn;
Freu, Breslau, dich mit der, di mich gebohren!
Ihr findet erst, wann ihr meist mich verlohren.
25.
Du Myrrhenstadt! Ich sang dis Myrrhenlid,
Als ich in dir von dem Europe schid!
Ich geh und geh Europe neu zugrüssen,
Bis du und Rom wirst Gott Dreieinig wissen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kuhlmann, Quirinus. Gedichte. Der Kühlpsalter, Band 1. Zweites Buch. Der 12. (27.) Kühlpsalm. Der 12. (27.) Kühlpsalm. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B97C-E