[247] 3. Der Dreitag oder Dinsttag
9. Dreitagsabendtheil

1. 49.
Ach sämann, gehstdu fort im säen?
Wil sich dein samen virfach drehen!
Der erste fället nach dem steg:
Di Vogel hohlen ihn hinweg.
Der zweite, der am fels bekliben,
Wird von der Sonnen aufgeriben.
Der dritte, der in dörnern blikkt,
Wird von den dörnern gar erstikkt.
Der virdte, der auf gutter Erden,
Wil mit drei zahlen fruchtbar werden.
2. 50.
Befälscht der Feind den gutten akker,
Als alle sind im schlaffen wakker?
Das unkraut wächst bei reiner saat
Zur erndte nach des Hausherrns rath.
Er lis mit nichten dis ausjäten,
Das nicht vil weitzen würd vertreten:
Als beides ward geschnitten ab,
Gab er dem feur di Feindesgab;
Der scheunen aber das getreide
Zum Feindesschmertz, und seiner freude.
3. 51.
Christsprosst im innerm Seelenreiche
Das Gottesreich dem Senffkorn gleiche?
Es ist der allerkleinste Sam,
Der imals in di Erde kam:
Wann aber solcher fortgepflantzet,
So hat er sich so hoch umschantzet,
Das ihm nur mus ein ider Kuhl
Einräumen seinen Königsstuhl:
Er wird so weit und breit sich schatten,
Das drunter Vögel sich begatten.
4. 52.
Durchsäurt das Königreich der himmel
Der Menschen hertz im Weltgewimmel,
[248]
Gleichwi der Sauerteig sich zeugt,
Mit dem ein Weib drei scheffel teigt?
Sind so durchsäurt di dreianfänge?
Der dreien zeiten dreihauptgänge?
Wann alles teiget voller krafft
Zur allerersten Engelschafft,
Zur Heilikeit, di gantz vollkommen,
Dann ist der Anfang neu vernommen.
5. 53.
Ein schatz, der in dem feld vergraben,
Wolt seinen Finder strakks erlaben,
Das er das gantze feld erkaufft
Nur um den Schatz, dem er nachlaufft.
Er hat sein alles hingegeben,
Das er den Schatz nur könte heben,
Der ihn mit solcher freud erquikkt,
Das er sein libstes ihm entrükkt.
Der Schatz der ist das Reich von oben:
Er wird um Alls und nichts erhoben.
6. 54.
Fürtrefflich ist, mehr als gesaget,
Di einge Perl, an di gewaget
Der Perlenkaufmann allen schatz
Mit allen Perlen auf dem platz.
Ihr weisser schnee mit ihrem winken
Macht ihm gleich allen mutt versinken;
Er rif: Fahrt, Perlen, fahrt dahin!
Di einge Perl ist mein gewinn.
Di Perle, di ihn hält gebunden,
Ist Gottesreich, in uns empfunden.

10. Dreitagsnachttheil

7. 55.
Gemengtes zeucht das netz im meere,
Und manche Fisch aus idem heere:
Wann es gezogen auf den rand,
[249]
Dann scheidet gutts und bös das land.
So auch das netz des Himmelreiches
Zeucht aus dem Weltmeer hochungleiches:
Doch am Weltende scheidt sich raus,
Das nicht gehöhrt in Gotteshaus.
Di Engel werden beides stellen:
Das gutte Gott, das bös der Höllen.
8. 56.
Hab acht auf jenes Schalkknechts sinnen,
Der seines truges bald ward innen.
Zehntausend pfund war seine schuld:
Sein König schenkt si ihm aus huld.
Ein mitknecht must ihm hundert groschen:
Nachdenken war in ihm erloschen.
Er kerkert ihn. Drauf brach der grimm
Im König seine gnadenstimm:
Er fodert alls ohn all erbarmen,
Wi er gethan zuvor dem armen.
9. 57.
Jerichum wolt ein Mensch bereisen,
Als ihn durchstach der Mörder eisen.
Er lag am wege nakkt, halb tod:
Ein Prister sah erst seine noth.
Drauf ging vorüber ein Levite:
Und endlich stund ein Samarite.
Der gos zur wunden öl und wein,
Nahm ihn selbst mit, versorgt ihn fein,
Bezahlt den Wirth, lis ihn genesen:
Wer ist der nechste doch gewesen?
10. 58.
Klein, überklein sind meine speicher;
Mein Korn ist gros. (So schlos ein Reicher.)
Ich wil stat diser bauen neu,
Drein sammeln alls: dann leben frei.
Du meine Seel! Du kanst nun essen,
Und deiner sorg vil Jahr vergessen.
Gott sprach: Du Narr, in diser nacht
[250]
Ist deine lebenszeit vollbracht.
Wem bleiben doch nun deine gütter?
Der Geitz der stürtzet di gemütter.
11. 59.
Las länger nicht im Weinbergsgarten
Den Feigenbaum di Erd entarten:
(So sprach sein Herr) der sonder frucht
Nun bei drei Jahr von mir besucht.
Der Gärtner bat noch eins zudüngen,
Ob er dann früchte möchte bringen,
Und ob villeicht auf eins ersätzt,
So vil er vor di Erd verletzt.
Tragt, menschen, tragt nun endlich früchte:
Sonst ist eur zil bald zum Gerichte.
12. 60.
Mensch, merk auf den, der vil lis ruffen
Zum Abendmahl nach dreien stuffen.
Der erste zeucht den akker vor,
Der zweite hub fünff joch empor,
Der dritte hat ein Weib genommen:
Drauf hohlt er Betler, Blinde, krommen.
Er zwingt, weil übrig mancher Ort
Von strass und zäunen alle fort:
Doch keiner, di zuerst geladen,
Erlangen um des spotts genaden.

11. Dreitagsmorgentheil

13. 61.
Neunneuntzig schaffe hat gezählet
Der gutte Hirt, dem eins nur fehlet:
Er lis si all und sucht es klug,
Bis er an seinem hals es trug.
Ein groschen fehlt dem Weib von neunen:
Si kehrt den platz, sucht ihn mit weinen.
Als grosch und Schaf ward hergestellt,
Ward freud im hause und im feld.
So jauchtzen meist di Engelkohren,
Wann widerkommt, der meists verlohren.
[251] 14. 62.
O beide Söhn ungleicher Erbschafft!
Der Vater that des jüngsten werbschafft;
Er theilt ihr gutt. Der jüngste Sohn
Nahm alles mit und zog davon.
Als in der fremd er alls verschwendet,
Und auch mit ihm di Säukost endet,
Ging er zurükk und fil zu fus:
Der Vater gab ihm mahl und kus,
Zur antwort, dem sein Zorn aufsteiget:
Dein Bruder ist heut neugezeuget.
15. 63.
Preis überkam noch der Haushalter,
Der ungerechte guttverwalter:
Als er verlihren solt sein amt,
Ruft er di schuldner allesamt:
Er mindert idem seine schulden,
Das si ihn möchten wider dulden,
Weil er auch ihnen freundschafft that.
Sein Herr must loben seinen rath,
Das er im ende handelt klüglich
Mit seinem Mammon, der betrüglich.
16. 64.
Qual nicht di Qual sehrungleich beiden,
Da jener dort, der hir mus leiden?
Der Reiche lebte voller pracht:
Auf Lazarn nahm er keine acht
Vor seiner thür um ihn zulaben,
Bis ungleich beide warn begraben.
Der Arme sas in Abrams schos:
Der Reiche höhrt sich gnadenlos.
Er bat um Wunder vor fünff Brüder,
Als wüste Mosen nicht ein ider.
17. 65.
Recht ward dem Richter ausgezwungen,
Auf den di Witwe stets gedrungen;
Dem si ins hertze mächtig grif,
Als si ihm ohne Ruh nachlif.
[252]
Er sprach: Ob ich gleich Gott nicht ehre,
Auch nimand auf dem Erdkreis höhre:
Doch weil di Witwe stets mich quält,
So sei ihr Recht nu zugezählt,
So ist ein ende ja ihr flehen,
Das ich vor ihr mag ruhe sehen.
18. 66.
Scheint nicht sehrungleich beider beten,
Di in den Tempel einhertreten?
Der Pharisäer brachte dank,
Das er nicht zölnerisch ersank:
Der zölner blib vom weiten stehen,
Aus scham um näher hinzugehen;
Er sprach: Ach Gott, gib gnad und huld
Mir armen Sünder voller schuld!
Der Pharisäer ward weit schlechter,
Als den er hilt vor ungerechter.

12. Dreitagsmittagtheil

19. 67.
Taglöhner dingt ein Herr beim Morgen,
Um sold, der ihnen unverborgen.
Um drei Uhr sah er andre stehn,
Di er zum Weinberg auch his gehn.
Um sechs, um neun, um eilf desgleichen:
Er lis den sold am Abend reichen.
Di ersten murrten, als vorm dinst
Den letzten ward ihr gleich gewinst.
Der Hausherr sprach: Welch Zornaufblähen?
Mein guttes thun macht scheles sehen.
20. 68.
Verreist eur Herr in ferne länder?
Zehn Knechte merkt auf eure pfänder!
Ihr Bürger, thut, was er euch his!
Sein neues Reich ist sein gewis.
So ists? Er kommt! Seht, wi er ehret,
Di treulich ihm sein gutt vermehret.
Der Knecht, der ihm erhandelt nichts,
Verleuhrt zugleich sein eignes Ichts.
[253]
Di Bürger, welche sein gespottet,
Di werden vor ihm ausgerottet.
21. 69.
Wi widrig reden beide kinder?
Das eine sprach: Ich wil nichts minder,
Als in den Weinberg, zu der zeit:
Doch es ging hin, weil es bereut.
Das zweite zeigte sich höchstwilligst
Vor seinem Vater, wi es billichst:
Allein es blib an seinem Ort,
Volthate weder pflicht noch wort.
Welch Christ volbringet Gotteswillen,
Wann Turk und Juden ihn erfüllen?
22. 70.
Xsirt man so den Sohn, Verräther?
Sind dis di frücht, ihr Übelthäter?
Hat darum euch der Herr belehnt?
Di ersten Boten sind verhöhnt;
Di zweiten mehr: noch mehr di dritten,
Di vilerhand den Tod erlitten.
Dann folgt der rechte Weinbergserb.
Ein ider rufft: Er sterb! Er sterb!
Wi wird des Hausherrn Zorn aufwachen?
Er wird mit euch streng garaus machen.
23. 71.
Y dreier art der dreien Gäste!
Was? wolt ihr nicht zum Hochzeitfeste,
Das seinem Sohn der König hält?
Wi? habt di Boten ihr gefällt?
Weh, weh! Di Falschheit ist gerochen,
Nun Stand und leben euch verbrochen.
Wi? kommen gutt und bös herbei,
Das ider tisch nur völlig sei?
Doch der kein Hochzeitkleid wolt tragen
Wird in di ketten recht geschlagen.
24. 72.
Zehn Jungfraun sind entgegen gangen
Den Breutigam wohl zuempfangen.
[254]
Fünff hatten lampen, öl und alls:
Fünff dachten keines wunderfalls.
Als nun der Breutigam verweilet,
So hat der Schlaf si all ereilet.
Man rufft: Er kommt! Si wachen auf!
Nun weil di fünff um öl im kauf,
Wil er nur fünff allein erkennen:
Es war umsonst nach öl erst rennen.

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TextGrid Repository (2012). Kuhlmann, Quirinus. Gedichte. Der Kühlpsalter, Band 1. Virdtes Buch. Der 8. (53.) Kühlpsalm. 3. Der Dreitag oder Dinsttag. 3. Der Dreitag oder Dinsttag. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B9A2-7