6. Der Sechstag oder Freitag
21. Sechstagsabendtheil

1. 121.
Andächtig sei in Gott entzündet!
Auf Gott durch Gott aus Gott gegründet!
Von gantzer Seelen, Geist und hertz!
[269]
Von aller krafft, ohn schein und schertz!
Alleine zu Jehovah ehren
Um seinen ausflus zuvermehren
Durch Jesum dir, wi er ausflos,
Eh er sich in geschöpffe gos,
Eh noch di Engel ausgeflossen:
Eh Gottes diser kreis genossen.
2. 122.
Behuttsam sei in deinen worten;
Verschleus wohl deines Mundes pforten:
Bedenke, eh noch aufgethan,
Ob deine rede nutzen kan;
Ob si zu Gotteslob erschallet,
Und deines Nechsten nutzen hallet.
Ach nihm di zunge wohl in acht,
Das si nichts rede unbedacht!
Di rede scheint zwar dir verschwunden:
Allein di lufft hält si gebunden.
3. 123.
Christmässig sei in allen dingen,
Di du auf Erden fort sollst bringen,
Nach Jesu Christi lebensart:
Di stets von dir vor dich bewahrt.
Las spüren Jesu Christi wandel
In deinem leben, reden, handel!
Ach folge Christo gäntzlich nach
Aus hertzensgrund ohn einig ach!
Christs irrdsches leben war vollkommen
Um unser beispil vorgenommen.
4. 124.
Demüttig sei in allen sitten,
Von hochmutt in dir unbestritten:
Rechtnidrig, in geberden rein,
In deinem aug hertzinnigklein.
Dein Jesus wil vor alles rathen
Di Demutt stets mit Demuttsthaten:
Er hat sehr nidrig hir verkehrt,
[270]
Das Gott di ehr allein gewährt.
Gott ist di höh, Alls aller gaben:
Drum nidrigt er, di sich erhaben.
5. 125.
Einfältig sei gleich wi di Tauben:
Ohn alle gall und einig schnauben.
Gott ist ein gantzeinfältig Geist,
Und libt di Einfalt allermeist.
Einfältig sei mit list der Schlangen,
Das Bosheit sich dadurch verfangen,
Di ni der Einfalt krafft erkennt,
Und sich an Einfalt strakks verrennt.
Das einfach Eins schleust alle tausend,
Und ist doch Eins mit Eins hersausend.
6. 126.
Furchthafftig sei mit stetem zittern,
Wo sich das Sündenheer wil wittern,
Als wärstdu schon von ihm umringt,
Weil seine nah dich halb schon zwingt.
Dein Seelenfeur ist kaum verborgen:
Drum trage furchterfüllte sorgen,
Weil es dir näher als dir kund,
Und leichtlich öffnet seinen grund.
Di Furcht der sünden wird dir nützen,
Und dich vor sünden best beschützen.

22. Sechstagsnachttheil

7. 127.
Gelassen sei auf Gottesgütte
In Seele, Geist und dem gemütte.
Was Gott mit dir in dir wil thun,
Das heisse nur dein eintzig ruhn.
Du bist von Gott aus Gott erzeuget:
Um Gott von Gott aus Gott geseuget.
Nicht dein, nur sein, Gott ist dein Alls:
Drum lasse Gott dich alles falls.
[271]
Sein will geschen im Pol und Erden.
Was Gott auch wil, dis freu zuwerden.
8. 128.
Hochhoffend sei auf Gottesgnaden,
Mit was dich Gott auch wil beladen,
Mit was dich Gott auch niderdrükk,
Beschwer, belaste, verunglükk.
Las nicht in dich den kleinsten zweifel:
Sein Vater ist dein Feind, der Teufel,
Der dadurch dich von Gott abführt,
Von Gott, der ihn und dich regirt.
Gott ist nur gutt, di Quell des guttes.
Gott wil dir gutt: sei gutten muttes.
9. 129.
Inbrünstig sei mit deinem beten
Stets tag und nacht vor Gott zutreten,
Weil du mit Gott so offtmahls sprichst,
So offt du dich zu Gott aufrichst.
So offtmahls du vor Gott erschinen,
So offt wil neue gnad dir grünen.
Gott gibt stets mehr, imehr er gibt.
Gott libt stets mehr, imehr er libt.
Gott ist nur gutt, und gutt unendlich,
Den wahren Betern nur erkändlich.
10. 130.
Kleinhaltend sei von dir in allen,
Wo du nicht wilst sehrleichtlich fallen.
Trau nimmer deiner selbstheit krafft:
Si nimmt im kleinstem dich in hafft.
Lehn ab, lehn ab stets Gott versuchen.
Es sei das kleinste, flih dein puchen.
Wann Gott mit dir, so schätz als dampf
Den allerschwersten Risenkampf.
I grösser Feind, i kleiner schrekken:
I kleiner Feind, i grösser schmekken.
11. 131.
Libseelig sei mit wahrer libe
Durch Gottes seine libestribe
Vor Gott und ides Menschenkind,
Sei gegen nimand feindgesinnt.
[272]
Im Libsgebot, uns anbefohlen,
Sind di gebote gleich verhohlen.
Gott ist di Lib. Aus Lib erschuf
Gott di Geschöpff zum Libesruf.
Gehorsam wächst im Libestamme,
Gott flammt als Gott in Gottesflamme.
12. 132.
Mashabend sei in allen sachen:
Vornemlich in dem freundschafftmachen.
Zuvil, zuwenig sind zwei gifft:
Recht seelig, der das mittel trifft.
Du wirst den freund und dich verderben,
Dein eigne rechnung dir verkergen,
Dir häuffen Unruh stat den frid,
Wo nicht das Mas mach unterschid,
Di Sonn ist gutt, bleibt si im gleichen:
Zuvil, zuwenig macht verstreichen.

23. Sechstagsmorgentheil

13. 133.
Natürlich sei im innerm lichte,
Wi Adam war vorm fallgerichte,
Als noch Natur his Paradeis:
Und trug des gutten Lichtes preis.
Beschau des Adams reines wesen:
Zu dem du warst von Gott erlesen,
Und das dein Christus dir erwarb,
Als er stat deiner sünde starb.
Erwekk in dir di hertzensglimmer
Der Lichteslichteslichtesschimmer.
14. 134.
Ohnmächtig sei als ein geschöpffe,
Nicht nach der falschen Geister köpffe:
Nur nach des Schöpffers eigenschlus
Und seinem holden Vaterkus.
Du bist aus Gott in Gotteshänden,
[273]
Kanst weder hin noch her dich wenden,
Noch endern leben, sinnen, läng:
Alls ist gelehntes Spilgepräng.
Gott ist allein in dir allmächtig,
Wann du mit Gott in Gott einträchtig.
15. 135.
Preisgebend sei mit loben, danken
Stets deinem Gott ohn einges wanken:
Nur Gott allein gebührt der ruhm;
Das Lob ist Gotteseigenthum.
Gott war, Gott ist, Gott wird es bleiben:
Ihm ist, was ist, nur zuzuschreiben.
Sein war, sein wird im Himmel, Erd,
Was war, was wird. Sein ist: Es werd!
Sein sind di Reich, kräfft, herrlikeiten
Durch alle zeitenzeitenzeiten.
16. 136.
Quellflüssend sei aus Gottesquelle
Der hellstenhellstenhellsten helle,
Wi du anfänglich rausgequellt,
Als Seelgeistleibewig gehellt.
Ruh hir als libes Schoskind stille,
Und geh nicht aus der Mutter wille,
Das du in Gott mit Gott sanfftruhst,
Das Gott dis thue, was du thust.
So wird recht Gott mit dir nur eines,
Wann du vor dich in dir bist keines.
17. 137.
Reindenkend sei in deinen sinnen!
Ach habe nimals dörner innen,
Wann du von aussen Rosenvol!
Gedanken sind nicht frank von zohl:
Gott höhret si, der alle wäget.
Gott prüfft, was man im hertzen träget.
Gedanken voller falschen Rath
Hasst Gott schon als di halbe that.
Gott ist dem reinem hertz genädig:
Er macht es völlig schuldenledig.
[274] 18. 138.
Sanfftmüttig sei in allen stükken!
O las dich nicht den Zorn verrükken,
Wann Ort und Wort und Feind dich presst,
Wi auch mit dir Gott handeln lässt!
Du wirst durch sanfftmutt zentnerplagen
Gleich den Pflaumfedern sanfft ertragen.
Du fesselst disen, der dich schlug,
Wo sanfftmutt solchen schlag vertrug.
Der gröste sig ist sich zubinden,
Und eignen zorn zuüberwinden.

24. Sechstagsmittagtheil

19. 139.
Treuredlich sei um Gotteswegen
Dem Nechsten stets in allen stegen,
In aller weise, di vorläufft,
Weil man selbst Gott in ihm angreifft,
I fremderer ein Mensch geachtet,
I schwerer noch wird er verachtet,
Vervortheilt und vor fremd erklährt,
Weil Christo selbst dis widerfährt,
Du bist dir selbst, und Gott zuwider,
Wann du nicht libest deine glider.
20. 140.
Vernünfftig sei aus Gottesschule,
Gelehrt vor seinem heilgen stuhle
Durch den, der stets von Gott ausgeht,
Und sibeneinig Uns erhöht.
Vernunfft, di überhimmlisch gläntzet,
Di aus Sophienslentz uns lentzet,
Di ist des Heilgen Geistes frucht;
Aus Gott in Gott von Gott besucht:
Si ist der Gottesweisheit Sigel,
Und sibeneinger Wunderspigel.
21. 141.
Warhafftig sei nach Gottesbilde,
Das dir, O mensch, geschenkt so milde,
[275]
Als Gott warhafftig dich erwählt,
Und warheit dir zur Braut vermählt.
Du bist aufrichtig nach dem Orden
Jehovens erst zum menschen worden:
Di warheit hat dich gantz erlabt,
Weil dich nach sich Gott höchstbegabt.
Imehr dich warheitslibe rüget,
I näher wirstdu Gott verfüget.
22. 142.
Xgleichend sei dem Fleischesreitzen,
Wo du mit Christo dich wilst kreutzen,
Das du mit Christo durch das grab
Erlangest seine Sigeshab.
Du must das X zum vorbild nehmen,
Dich nimahls Christi geissel schämen,
Und bändigen so lang den leib,
Bis dises Ross gezähmet bleib.
Verhöhle solches falschen Winden,
Und eitelthummen Wollustkinden.
23. 143.
Yähnlich sei, das ist, dreieine
Das Gottesbildnis, das hochreine,
Das Seelgeistleibewig begrüsst,
Und mit Sophienskus durchsüsst.
Gott Vater hat in dir gebohren
Den eingebohrnen, der erkohren:
Von beiden kommt in Majestät
Der heilge Geist, der vor dich fleht.
Nun wirstdu, mensch, di Gotteswohnung,
Und des dreieingen Gottes thronung.
24. 144.
Zeitledig sei an Jesu brüsten,
Und sauge da di Milch der Christen,
Di in der zeit von zeiten leer
Versänkten gantz im Jesusmeer;
So ruh zeitledig, dir versunken,
[276]
In Jesushimmellibe trunken;
Von allem zeitband unbewust:
In brechung erster Jesusblust.
Herr Jesu, las mich gleich versinken,
Und dir in dir aus dir ertrinken!

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TextGrid Repository (2012). Kuhlmann, Quirinus. Gedichte. Der Kühlpsalter, Band 1. Virdtes Buch. Der 8. (53.) Kühlpsalm. 6. Der Sechstag oder Freitag. 6. Der Sechstag oder Freitag. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B9F6-B