6.

Schriftlich durch Herrn Cantor Görnemann in Camern.


Frau Harke hielt sich ehmals auf den Camernschen Bergen auf und einer der höchsten Punkte derselben war ihr Wohnsitz; ihre Wohnung war jedoch mehr in, als über der Erde, daher führt der Berg noch heute den Namen Frau Harkenberg. Nach einigen soll sie hier allein, nach andern mit ihrem Manne, nach noch andern ohne Mann, aber mit zwei Töchtern gewohnt haben. Sie gehörte zum Geschlechte der Riesen und ihre Existenz fällt in die Zeit der Heidenbekehrung. Sie lebte meistens zurückgezogen und verließ ihren Berg nur selten. Ihren Waßerbedarf holte sie aus dem unweit Camern gelegenen See, zu dem sie immer ein und denselben Weg nahm, der auch so ausgetreten ist, daß er noch jetzt unter dem Namen Frau Harkengrund oder -stieg gezeigt wird. Auf diesem Wege traf sie auf der Schönfeldschen Seite einmal einen mit vier Ochsen bespannten Pflug, den sie, verwundert über diese Erscheinung, mit Pflüger und Thieren in die Schürze raffte und mit nach ihrer Wohnung nahm. Nach andern waren es ihre Töchter, die dies Gespann Ochsen ihrer Mutter mit der Aeußerung brachten: »sieh! was für kleine Thierchen wir gefunden haben.« Diese ihre Töchter sollen auch Theile der Berge spielend zusammengetragen haben. – Wollte Frau Harke zur Abkehr von Thieren und namentlich der Schweine einen Stock in der Hand haben, so erfaßte sie eine der Eichen und hob sie mit Wurzeln und Aesten auf. Zum Gesäß oder Stuhl bediente sie sich eines großen Steines, der in der Nähe ihrer Wohnung lag. Den Bau der Dome zu Stendal und Havelberg, die von ihrem Berge [112] aus gesehen werden, suchte sie dadurch zu verhindern, daß sie große Steine dahin schleuderte; doch gelang ihr keiner dieser Würfe, denn ein Stein, der nach Stendal gezielt war, fiel auf den Arneburger Galgenberg; zur Vernichtung des Havelberger Doms nahm sie den großen Stein, der ihr bisher zum Sitze diente, wobei nach Sage einiger auch ihr Mann behülflich war; allein derselbe zerbrach in drei Stücke, wovon sie das eine in der Hand behielt und sodann zu ihren Füßen niederfallen ließ, ein zweites flog nach Rehberg und das dritte auf die Stöllenschen Berge. – Schaden fügte Frau Harke niemand zu, und sie soll sogar wohlthätig dadurch geworden sein, daß sie die kleinen märkischen Rüben in die Umgegend verpflanzte. Endlich soll sie durch die Elbe gewatet und so verschwunden sein.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche. A. Sagen. 126. Frau Harke. 6. [Frau Harke hielt sich ehmals auf den Camernschen Bergen auf und]. 6. [Frau Harke hielt sich ehmals auf den Camernschen Bergen auf und]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-BA51-8