91.
Der Maurergesell auf Baumeister Kluge's Hofe erzählte: Schulte Dale ist schon in alter Zeit einer der reichsten Bauern der ganzen Gegend gewesen und sein Hof sieht einem Herrenhause ähnlicher als einem Bauerhause; auch zieht sich, wie bei den Sitzen des Adels, um das ganze Gehöft ein breiter Graben, der alle Gebäude in Kreisform umschließt. Den Besitzern des Hofs haben auch ehemals viele Dienste geleistet werden müßen, und namentlich haben die umliegenden Höfe, wenn es an die Ernte gegangen ist, einen Knecht zum Mähen schicken müßen. Schulte Dale hat nun aber zu einer Zeit einen gewaltig starken Baumeister gehabt, dem, sobald es ans Mähen gegangen ist, die übrigen nicht haben folgen können, weshalb sie ihm stets, ehe die Mahd begann, einen Sachtschilling gaben, damit er langsamer voranginge. Nun hatte gerade zu derselben Zeit Grînkenschmied, der auch Schulte Dalen dienstpflichtig war, einen Knecht, der gleichfalls sehr stark war; als der deshalb zur Mahd kam, und der Baumeister, wie gewöhnlich, seinen Hut vom Kopfe nahm, damit den Sachtschilling einzusammeln, und auch zu ihm kam, sagte er, er habe das nicht nöthig, er wolle schon gleichen Strich halten. Nun ging's an die Arbeit; der [92] Baumeister Schulte Dale's vorauf, dahinter Grînkenschmied's Knecht; wie gewaltig auch jener vorgeht, dieser ist immer dicht hinter ihm, und wenn sich der Baumeister hinstellt, seinen hâr (Wetzstein) vorholt, um die Sense zu schärfen, sieht sich Grînkenschmied's Knecht lustig um, als habe er das nicht von nöthen und flötet sich sein Stückchen. So geht's fort bis zur imbtît (Frühstück); nachdem sie vorüber ist, beginnt der Kampf von neuem und währt bis zum Mittag, der Knecht folgt dem Baumeister immer auf dem Fuße und haut ihm mit seiner Sense fast in die Beine. Endlich, als sie Mittag machen, geht der Baumeister seitab in einen Busch, um, wie alle meinen, ein wenig auszuschlafen, doch dauert's lange Zeit und er kommt nicht wieder; endlich gehen sie ihm nach und finden ihn todt unter dem Busche liegen.
Die Sage erinnert an den Mythus von Odhin, der, als er zu Suttung geht, um den Meth zu rauben, neun Mäher findet, die nach seinem Wetzstein (hein, ags. hân) Verlangen tragen, worauf er ihn in die Luft wirft und sie sich gegenseitig, da ihn jeder fangen will, dabei mit ihren Sicheln den Leib aufschlitzen; Dämi Saga, 57, 58; vgl. Grimm, Mythologie, S. 857. Ob ein wirklicher Zusammenhang zwischen dieser Sage und jenem Theile des eddischen Mythus, dessen Havamal nicht gedenkt, vorhanden sei, mag dahingestellt bleiben.