215.
Ein junger Bursche in Hagen erzählte:
Bei Kirch-Hundem liegt auf einem Berge ein kleiner Teich, den man den kreggenpaul oder kreggendîk nennt; da hat vor alten Zeiten ein Schloß gestanden, in welchem ein gottloser, wüster Cavalier wohnte, der oftmals seine Jäger ausschickte, die ihm Mädchen aus dem Heu rauben mußten, an denen er seinen Lüsten fröhnte. So geschah es auch einst, daß sie ihm wieder ein Mädchen geraubt hatten und aufs Schloß brachten; als er sie aber in der Nacht zu seinem Willen verführen wollte, leistete sie ihm beharrlichen Widerstand, und als er endlich gar zur Gewalt schreiten wollte, zog ein furchtbares Gewitter herauf, ein mächtiger Donnerschlag traf das Schloß und augenblicklich versank es mit Mann und Maus, und ein tiefer Pfuhl entstand an der Stelle, das ist der kreggenpaul. Am andern Morgen kam des Mädchens Mutter zur Stelle, wo das Schloß gestanden, und sah den Leichnam ihrer Tochter auf dem Waßer schwimmen; da erhob sie ein jammervolles Klagegeschrei, daß ihre Tochter so in Sünden dahingefahren und auf ewig verloren sei; in dem Augenblicke aber erhob sich der Leichnam noch einmal und rief: »Mutter, ich habe nicht gesündigt.«