71.
Mündlich.
Ein Mann aus Glandorf bei Iburg erzählte: Wenn man im Schlafe keine Luft bekommen kann, sagt man hier: »Die Hexen haben ihn unter.« War nun auch einmal einer, der oft damit geplagt war, da rieth man ihm, er solle einen Eimer nehmen, ein Licht hineinstellen und dann ein Brett darüber decken; käme dann die Hexe wieder, so solle er nur das Brett fortziehen, dann könne sie nicht mehr zurück, und wenn er dann schnell das Loch, durch welches sie gekommen sei, verstopfe, so sei sie gefangen. So machte er es denn auch, und siehe da, es war ein schönes Frauenzimmer, weit her aus den Niederlanden. Die hat er darauf geheirathet und lange nachher glücklich mit ihr gelebt, bis er einmal ihren Bitten nachgegeben und ihr das Loch gezeigt, zu dem sie hereingekommen. Da ist sie augenblicklich wieder verschwunden und hat sich nie wieder [80] sehen laßen; nur jeden Satertag haben drei reine Hemden für ihn und ihre beiden Kinder dagelegen.
In ähnlicher Weise wird sonst in vielen Sagen die Mahr gefangen, wofür es keiner weitern Belege bedarf; bedeutsam ist der Umstand, daß die Hexe durch Licht in die Gewalt des Sterblichen geräth. Die Waßerliße, welche in ihrer vollen Gestalt nackt gesehen wird, kann nie mehr erlöst werden. (Weinhold, Deutsche Frauen, S. 46, Anm.) Auch die Sage von der schönen Melusine vergleicht sich, welche schon Gervasius Tilber. (ed. Liebrecht, S. 4 fg.) mittheilt: Ein Ritter begegnet einem schönen Weibe, nach der er Begehren trägt; sie will seinem Verlangen genügen, wenn er sie zur Ehe nimmt; dann werde er Glück in Fülle haben, solange er sie nicht nackt gesehen; ihre Verheißungen erfüllen sich und in von Kindern gesegneter Ehe lebt er lange mit ihr, bis er endlich dem Verlangen nicht widerstehen kann, sie nackt zu sehen. Er überrascht sie im Bade, und sogleich verwandelt sie sich in eine Schlange und verschwindet; nur zuweilen kehrt sie noch ungesehen in der Nacht wieder, um die Kinder zu besuchen. Aehnlich, nur daß sich das Verhältniß umkehrt, ist die Sage von der Urvaçî und dem Purûravas,Çatapatha brâhmanam, XI, 5, 1, 1 fg. Die schöne Apsarase verliebt sich in den Sterblichen und verweilt lange Zeit bei ihm, nachdem sie ihm mitgetheilt, daß sie ihn nicht nackt sehen dürfe. Da sie den Gandharven zu lange auf der Erde weilt, stehlen sie ihr nachts zwei Böcklein, und Purûravas springt auf und achtet es in der Eile zu lange, erst ein Gewand umzuthun; sogleich laßen es die Gandharven blitzen, und Urvaçî, die ihn nackt gesehen, muß nun den Geliebten verlaßen.