165.

Ein Bauer aus Börlinghausen ist auf eine Zeit allabendlich fortgegangen und oft die ganze Nacht über fortgeblieben. Das hat seiner Frau übel gefallen und[159] sie hat beschloßen, alles zu versuchen, um einmal hinter seine Gänge zu kommen. Da hat sie ihm denn auch eines Abends einen Faden an seinem Rock befestigt, hat aber das Knäuel, als er fortgegangen ist, abgewickelt und ist ihm dann in der Nacht nachgefolgt. So ist sie in das Hüll-Lock gekommen und tief, tief hineingegangen, bis sie endlich in eine Kammer gelangt ist, wo sie den Bauer mit einem Schahölleken in einem Bett liegend gefunden hat; die Zwergin hat aber so lange Haare gehabt, daß sie aus dem Bette herausgehangen und bis auf die Erde gereicht haben; als sie das gesehen, hat sie dieselben behutsam aufgenommen und in das Bett gelegt. Da hat die Zwergin gesagt: »Das war dein Glück, hättest du das nicht gethan, so hätte ich dir den Hals umgedreht.«


Vgl. unten Nr. 282; Panzer, Beiträge, I, 12 fg., und daraus Wolf, Deutsche Götterlehre, S. 61; Zingerle in Wolf, Zeitschrift für Mythologie, II, 59, hat den abweichenden Schluß, daß die Bäuerin das Salgfräulein verflucht; in den hier genannten Sagen wird offenbar überall auf die langen Haare der Zwergin Gewicht gelegt; bei Panzer sagt die Bäuerin: »O behüte Gott deine schönen Haare«, unten Nr. 282, Anm.: »Gott bewahre deine schönen Haare«, in unserer Sage legt die Bäuerin das lang zur Erde herabhangende Haar behutsam aufs Bett. Dieselbe Sage findet sich noch bei Grimm, Deutsche Sagen, Nr. 70, wo der Graf von Orgewiler, der vermählt ist, eine Liebschaft mit einer wunderschönen Frau hat, die wöchentlich alle Montage zu ihm in ein Sommerhaus kommt. Als die Verdacht schöpfende Gräfin ihm nachschleicht und sie in der Sommerlaube findet, nimmt sie der schönen Frau den Schleier vom Haupt und deckt ihn über der Schlafenden Füße. Die schöne Buhlerin, als sie erwacht, sagt, daß sie sich nun nimmermehr wiedersehen dürfen und daß sie hundert Meilen weit von ihm weg müße. Dieselbe Erzählung mit etwas abweichenden Umständen bei Stöber, Elsäßische Sagen, Nr. 230, von einer Fee; als die Gräfin den Ehebruch entdeckt, legt sie die auf einem Stuhle liegende Kopfbedeckung der Fremden an das Fußende des Bettes. Die [160] Sage erinnert an den vom Demodokos besungenen Mythos von Ares und Aphrodite, welche die häufigen Beiwörter χρυσείη, εὐστέφανος, φιλοστέφανος, hat; an die Stelle der Gemahlin des Feuergottes Hephästos trat vielleicht bei uns des Blitzgottes Thor Gemahlin Sif, deren goldenes Haar uns überliefert ist; Loki, welcher Alfr heißt, und noch Spuren alter Verbindung mit den Zwergen weist (Weinhold in Haupt's Zeitschrift, VII, 13), rühmt sich in der Oegisdrekka, den Thor zum Hahnrei gemacht zu haben.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Erster Theil. Sagen. Die Schanhollen. 165. [Ein Bauer aus Börlinghausen ist auf eine Zeit allabendlich fortgegangen]. 165. [Ein Bauer aus Börlinghausen ist auf eine Zeit allabendlich fortgegangen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-C2F7-7