359.

Ein alter Mann aus Bokeln (Bockenem) erzählte: Da wo jetzt der Tilsgraben ist, hat ehedem ein Schloß gestanden, in welchem der Herr von Tils gewohnt, dem auch die jetzt verschwundenen Dörfer Groß- und Kleinhachen sowie ein großer Theil der Umgegend gehört haben. Er ist aber ein wilder und wüster Mensch gewesen, der eines Christtags zu seinem Jägerburschen gesagt hat, heute müße er noch ein Wildpret haben und solle sein Schloß darüber untergehen. Der Jägerbursche hat sich seinem Willen gefügt und ist in den Wald gegangen; hier hat er aber einen Hirsch angetroffen, der das Leiden Christi zwischen dem Geweih gehabt; da ist es ihm eiskalt übergelaufen, er hat die schon angelegte Flinte herabgenommen und ist wieder heimgegangen. Als er seinem Herrn erzählt hat, was er gesehen, hat ihn der in grimmigem Zorne angefahren, warum er den Hirsch nicht geschoßen und er solle sogleich wieder hinaus und ihn suchen. Da hat er dem Befehl gehorcht, ist zum zweiten male hinausgegangen und hat den Hirsch geschoßen. Als nun der Hirsch gebraten war und der Herr von Tils mit wüstem Zechen bei Tafel sitzt, eilt plötzlich der Jägerbursch herein und sagt ihm, wie sich eine Stimme hören laßen, die da verkündet, daß das Schloß untergehen solle. Herr von Tils hat sich aber das nichts kümmern laßen, sondern gar gerufen, »so mag es ins Teufels Namen untergehen«. Da ist der Jägerbursch aus dem Saal und Schloß hinweggeeilt und wie er eine kleine Strecke fort gewesen ist, sieht er sich um, da ist das Schloß in [317] die Tiefe gesunken und an seiner Stelle ist der Tilsgraben.


Vgl. oben Nr. 357 mit der Anm. und Nr. 372 mit d. Anm. Harrys, I, Nr. 2; Grimm, Mythologie, S. 880 fg. Noch directer als hier wird Tils dem wilden Jäger in der Faßung bei Harrys gleichgesetzt, und wenn die übrigen an dem Lokale haftenden Sagen es klar machen, daß der Dilsgraben der Eingang zur Unterwelt sei, so haben wir in dem in seinem Schloße wegen gottloser Jagd versunkenen Tils einen neuen Beweis dafür, daß der wilde Jäger auch in der Unterwelt weilt.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Erster Theil. Sagen. Das untergegangene Schloß im Dilsgraben. 359. [Da wo jetzt der Tilsgraben ist, hat ehedem ein Schloß gestanden]. 359. [Da wo jetzt der Tilsgraben ist, hat ehedem ein Schloß gestanden]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-C360-4