Die Sgönaunken.

51.

Mündlich.


Im Hüggel, einem Berge, zwei Stunden von Osnabrück, zwischen den Orten Ohrbeck und Hagen haben vor alters Zwerge gewohnt, die man die Sgönaunken oder Sgönunken genannt; andere nennen sie auch Sgönhaunken, Hünnerskes und wilde Gesellen. Sie haben sich in den im Berge befindlichen Höhlen aufgehalten, welche man die wünnerkesgätter, wüllekeslöcker oder wulwekerslöcker geheißen, und man sagt, daß diese sich noch weit unter dem Berge fort bis jenseit Osnabrück erstrecken, wo sie bei St.-Gertruden wieder ans [63] Tageslicht führen. Der hier befindliche Ausgang soll aber durch eine große Thür verschloßen sein, vor welcher jetzt sogar noch gewaltige Eisenstangen im Kreuz angebracht sind; andere sagen auch, bis nach Teklenburg führten diese unterirdischen Gänge.


Zu Nr. 51-65 vgl. Nr. 36, 76-91, 152. Gedruckt erschienen diese Sagen bereits im neuen Jahrbuch der berliner Gesellschaft für deutsche Sprache, IX, 93-96. Vgl. ferner Norddeutsche Sagen, Nr. 361, 362, und die Nachricht aus Kircheri mundus subterraneus, VIII, 4, 2.; bei Wolf, Deutsche Sagen und Märchen, Nr. 73. – Rochholz, Aarg. Sagen, I, 343, bringt den Namen der Schönaunken mit den Naarunken = Kröten der aachener Mundart zusammen, da die Zwerge häufig als Kröten erscheinen. Eine Zusammensetzung mit unke bezweifle ich wegen des danebenstehenden au; ich halte aunken für aulken, aus dem es durch Dissimilation wegen des n in Sgön– entstand. Ueber den ersten Theil bin ich zweifelhaft, ob er = schön sei und dann sich dem schin in schinonten, oben Nr. 27 sich zur Seite stelle, oder sich etwa aus demschon–, schån–, schan– in schonhollen = schaden erkläre, vgl. zu Nr. 166. Der Umstand, daß sie sich im ganzen dienstfertig erweisen, würde nichts dagegen thun, da man auch sagt »einem die guten Hollen beibringen«, wo sie doch keineswegs gut sind. Hünnerskes ist davon zu trennen und mit unorganischem h = unnerêrskes, doch mag auch die Vorstellung von den Hunden in den Höhlen bei diesem Namen mit eingewirkt haben. Vgl. Nr. 62 und zu 33 a. – Zu den Eisenstangen vor dem Eingang vgl. die eiserne Thür des Unterbergs bei Panzer, I, 15, und S. 300-302, wo gezeigt ist, daß der Wohnsitz der Hel in einem gewaltigen Hügel lag und mit hohem Gitterwerk umfriedet war, und daß auch um den Tartaros sich ein χάλκεον ἕρκος zog, dessen Zugang durch eherne Thüren verschloßen war. Hesiodi theogonia, 726. Auch Beda spricht von claustris inferni, Kemble, Sachsen i.E., I, 325. Eiserne Thore oder kurzweg nur Thüren, welche in unterirdische Hallen zu den Schätzen der weißen Frauen führen, finden sich in den Sagen bei Baader, Nr. 90, 142, 151, 186, 215, 246; Herrlein, S. 80; Lyncker, Nr. 9, 129, 130; Schambach u. Müller, Nr. 107, 3. 109, 2. 4. 110, 114, 117, 2. 119, 1.; Schöppner, Nr. 1196; Temme, Pommersche Sagen, Nr. [64] 231; Pröhle, Oberharzsagen, S. 5, 14, 211 (hier liegen hinter der eisernen Thür zwei Hunde mit glühenden Zungen, was an die beiden Hunde unserer Nr. 37 erinnert); Unterharzsagen, Nr. 391; Rochholz I, S. 251, Nr. 170 c. d; S. 254, Nr. 172; S. 257, Nr. 176; S. 238, Nr. 167; ein Gitter ebendas. Nr. 192, 194. An diese Thüren, die hinter dem ohne den Schlüßel oder die seine Stelle vertretende Blume Heraustretenden zuschlagen und ihm die Ferse abklemmen, schließt sich der drehende Stein an, der den, welcher in das Kuxloch getreten ist, nicht wieder herausläßt, Pröhle, Unterharzsagen, Nr. 449; er wird jenem Dillestein, den Grimm (Mythologie, S. 766) bespricht, und dem römischen lapis manalis gleich sein, welcher den Eingang zur Unterwelt schloß; Hartung, Religion der Römer, S. II, 91. Ueber den bis nach Teklenburg führenden Gang spricht schon Rumpius. Die uhralte hochlöbliche Grafschaft Tekelenburg (Bremen 1672), S. 82: »Daselbst ist auch zu beobachten der unterirdische Gang mit einer starken eisernen Thür verwahrt an beiden Seiten, aber aufgemawret und oben gewelbet, wo keine Steinfelsen sein, da sonsten durchgehawen ist, so tieff, raum und weit, daß ein Reuter gemächlich hindurch reiten kann. Die Thür und der Eingang desselben ist zwar bekannt und besehens wehrt, der Außgang aber ist niemand bewust, nur daß auff einem bei den zwo Meilen von Tekelenburg abgelegenen Berg, der Hügel genannt, eben ein solcher Gang ist, welcher mit diesem wie davor gehalten wird übereinkommen soll.« – Ueber den Namen wulwekerslöcker vgl. Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, IV, 98. Auch in einer Erzählung des Guilelmus Neubrigensis bei Liebrecht zu Gervasius Tilber. S. 118, heißt es von einer Wohnung der Zwerge iuxta quem vicum quaedam antiquissimae fossae visuntur, quae sermone anglico Vulfputes id est luporum fossae dicuntur. Die Vorstellung von Hunden und Wölfen, die in der Unterwelt weilen, ist uralt und findet sich schon bei den Indern; vgl. Weber, Indische Studien, I, 412 fg. Wenn Weber a.a.O. vermuthet, daß die Werwölfe mit diesen unterweltlichen identisch und zur Strafe verwandelte Menschen sind, so gewinnt dies noch einige Bestätigung durch die dreibeinigen Feuerhunde der folgenden Nummer und den Glauben, daß der Werwolf sich bei Nacht in einen dreibeinigen Hund wandle; vgl. Panzer, I, 330.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Erster Theil. Sagen. Die Sgönaunken. 51. [Im Hüggel, einem Berge, zwei Stunden von Osnabrück, zwischen den]. 51. [Im Hüggel, einem Berge, zwei Stunden von Osnabrück, zwischen den]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-C60A-0