11. Die Glocken zu Großen-Möhringen.

Mündlich.

Ueber die Altmark II. 167. 168.


Nordöstlich von Großen-Möhringen bei Stendal liegt in den Wiesen eine wüste Dorfstätte Namens Koblå, und kann man dort noch die Reste des alten Gemäuers der Kirche sehen. In dieser Gegend hütete einmal der Schweinehirt sein Vieh, und fand eine Sau seiner Heerde in einem tiefen Kessel liegend, in welchem sie Jungen geworfen hatte. Als er nun diese heraus nahm, erkannte er, daß es eine schöne Glocke war, in welcher sie lagen, und das Gerücht davon verbreitete sich schnell in der ganzen Gegend und kam auch nach Stendal. Da machte nun die dortige Domgemeine Ansprüche darauf, und [11] schickte einen eigen dazu verfertigten Wagen mit sechszehn Pferden bespannt, aber sie konnten sie nicht von der Stelle rücken. Ein Bauer aus Großen-Möhringen spannte nun seine acht Pferde davor, und jagte triumphirend damit zum Dorfe; aber es entstand darüber bald ein lebhafter Streit mit der Domgemeine, denn sie behauptete, der Schall dieser Glocke sei so stark, daß sie davon getäuscht würde, und vermeine, es läute in S. Nicolai; gleichwohl ist Großen-Möhringen eine starke Meile von der Stadt entfernt, aber die Galmlöcher nach Stendal zu mußten doch deshalb fast ganz zugemauert werden, und sind es auch jetzt noch geblieben. Als aber die Glocke einige Zeit dort gehangen hatte, zeigte sich, daß sie für den Thurm zu schwer sei, denn er bekam einen großen Riß, und da ist sie denn nach Magdeburg gekommen.

Andere erzählen auch, die Glocke sei nicht in der Koblå, wie jene wüste Feldmark nach dem Dorfe genannt wird, sondern auf dem Dollberge bei Burgstall gefunden worden, weshalb man, wenn sie geläutet wurde, auch deutlich hören können, daß sie gerufen:


Doll in, Doll uut,

Oll Säu wool (wühlte) uut.


Dicht vor Großen-Möhringen steht auch am Wege nach Stendal bei der Windmühle ein steinernes Kreuz, welches zum Andenken an den Mord, den ein Glockengießer dort beging, gesetzt ist. Dieser wollte nämlich an der genannten Stelle eine Glocke gießen, und da ihm der Guß nicht recht von Statten ging, meinte er, es [12] musse noch etwas an den Zuthaten fehlen, lief daher eiligst nach Stendal um noch solche zu holen, und ließ den Lehrburschen allein zurück. Der aber konnte dem Gelüst nicht widerstehen, und vollzog den Guß, ehe der Meister zurückgekehrt war, und es gelang ihm das Werk auch so gut, daß er voll Freude jenem entgegen lief, ihm die Nachricht zu bringen. Der ward aber gar zornig, und erschlug den Burschen in rasendem Neide. Da hat man denn zum Andenken das steinerne Kreuz aufgerichtet.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Märkische Sagen und Märchen. Sagen der Altmark. 11. Die Glocken zu Großen-Möhringen. 11. Die Glocken zu Großen-Möhringen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-C670-6