49. Die letzten Grafen von Hohenstein.

An der Nordseite von Vierraden liegen an der Welse die Trümmer der ehemaligen Burg der Grafen von Hohenstein, von der noch ein hoher Thurm bis auf den [46] heutigen Tag wohl erhalten dasteht; von den übrigen Gebäuden sind indeß nur noch die Grundmauern zu sehen. In dieser Burg lebten (wie das der Krüger von Blumenhagen erzählte, der es wieder vom Schmidt hatte, welcher alles in der alten Beschreibung gelesen haben soll) vor Zeiten die Grafen von Hohenstein, zuletzt ein Vater und ein Sohn. Da geschah's, daß der Vater einst nach Chorin ritt, denn dort wurden immer große Turniere gehalten, und seinem Kaplan befahl, seinen Sohn während seiner Abwesenheit gut zu bewachen, denn der suche Händel und könne sonst leicht Gefahr leiden; außerdem prägte er es aber auch dem Wächter an der Zugbrücke noch ganz besonders ein, seinen Sohn unter keiner Bedingung aus der Burg zu laßen. – Zu derselben Zeit nun lebten in Pencun und Garz zwei Ritter, die schon seit lange befeindet waren und der Garzsche hatte dem Pencunschen, der Brautmann war, seine Braut geraubt und auf sein Schloß gebracht. Das hatte der junge Hohenstein gehört und sann auf eine List, wie er seinem Freunde, dem Pencunschen Ritter, zu Hülfe ziehen könne. Zu dem Ende machte er den Kaplan betrunken, zog ihm dann, als er sich in seinem Taumel an der Erde wälzte, seine Kutte aus, zog sich dieselbe an und kam auf diese Art glücklich über die Zugbrücke. Einige Knechte, die er vorher schon gewonnen, versammelten sich danach um ihn und nun zog er nach Garz, wo er die Braut des Pencunschen Ritters aus der Burg und zu ihrem Brautmanne zurückführte. Während deß war aber der Kaplan nüchtern geworden, hatte schnell eine große Anzahl Knappen ausgeschickt und denen befohlen, wo sie den jungen Hohenstein fingen, sollten sie ihm auf der Stelle dreißig Hiebe ertheilen. Sie brauchten nicht lange zu spähen, denn er kam bald selbst, um heimzukehren, und da ward denn trotz aller Gegenwehr die verhängte Strafe [47] an ihm vollzogen; allein er fühlte seine Ehre dadurch so gekränkt, daß er nicht hat in die Burg zurückkehren mögen, und seitdem hat man ihn nicht wieder gesehen; sein Vater aber starb bald danach auf einem großen Turnier in Chorin und mit ihm ist der letzte der Grafen von Hohenstein in die Grube gefahren.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche. A. Sagen. 49. Die letzten Grafen von Hohenstein. 49. Die letzten Grafen von Hohenstein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-C91C-1