145. Die Zerstörung des Schloßes zu Calbe.

Mündlich aus Calbe und Apenburg.


In Calbe an der Milde stehen noch die Ruinen des alten Schloßes, das soll, wie einige sagen, zur Schwedenzeit, wie andre zur Zeit, als man noch mit Flitzbogen schoß, verwüstet worden sein. – Noch jetzt zeigt man dort das Loch, wo es hinuntergehen soll nach dem sogenannten Jungfernkißen, einem Orte, in dem früher die, welche etwas verbrochen hatten, hinuntergestoßen wurden, wo dann von allen Seiten scharfe Meßer um den Hinabgestoßenen zusammenschlugen und ihn so jämmerlich zu Tode brachten. – Im Schloßgraben hat man es vor Alters und noch jetzt häufig brennen sehen; da soll nämlich, als alles zerstört wurde, der Herr von Alvensleben einen ganzen silbernen Sarg haben versenken laßen. Die Zerstörung des Schloßes wird aber so erzählt:

Der Feind hat bereits eine lange Zeit vor der Burg gelegen und hat sie nicht einnehmen können, da hat er [126] endlich seine Zuflucht zur List genommen und den belagerten Herrn von Alvensleben zu Gevatter gebeten und so in seine Gewalt bekommen. Da haben sie denn ihn und seine ganze Familie jämmerlich umgebracht, und nur ein Kind ist mit der Amme glücklich entkommen und von dem soll das jetzige Alvenslebensche Geschlecht abstammen. Noch heute ist in der Kirche ein in Stein gehauenes Bild zu sehen, welches die Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt Christi darstellt und vor demselben knieen eine männliche, eine weibliche Figur und ein Kind; die Hände des Mannes sind abgelöst und liegen in dem vor ihm stehenden Helm, und da erzählt man nun, das sei der Herr von Alvensleben, seine Frau und sein Kind, dem seien nämlich, als das Schloß nun eingenommen worden, die Hände abgehauen, seiner Frau habe man die Brüste abgelöst und dem Kinde die Zunge ausgeschnitten.

In Apenburg aber erzählt man, die Figuren in der Kirche zu Calbe seien Schulenburgs aus Apenburg, die hätten einmal mit den Alvenslebens im Streit gelegen, und als gerade des Alvenslebens Frau niedergekommen, habe er gethan, als wolle er allen Hader vergeßen, und habe an den Schulenburg geschrieben, er möge doch zu ihm kommen und bei dem Kinde Gevatter stehen. Der Schulenburg ist auch arglos mit seiner Frau nach Calbe gekommen, aber da hat man ihn gefangen genommen, ihm die Augen ausgestochen und seiner Frau die Brüste abgetrennt, und da sind sie denn später in der Kirche abgebildet worden, wie sie auf den Knieen liegen und um Gnade bitten.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche. A. Sagen. 145. Die Zerstörung des Schloßes zu Calbe. 145. Die Zerstörung des Schloßes zu Calbe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-C952-7