180. Von Kobolden in Straußberg.

Mündlich.


In Straußberg giebt es noch jetzt so manchen, der einen Kobold hat, und durch ihn ein reicher Mann wird aber in früheren Zeiten ist die Anzahl solcher Leute noch viel größer gewesen. Da war auch einmal ein Weber, der immer vollauf zu thun hatte, und wenn er nun die Arbeit des Abends noch ganz unvollendet verließ, so war sie gleichwohl frühmorgens immer fertig, aber kein Mensch im Hause wußte, wie das kam, bis daß endlich einmal ein Mädchen, das bei ihm diente, durch eine Ritze der Stubenthür schaute; da sah sie denn zwei Ziegenböcke am Webestuhl sitzen, die waren in der besten Arbeit begriffen, und am andern Morgen war dann auch alles wie gewöhnlich vollendet.

Einem anderen Mädchen war von seiner Frau verboten worden, auf den Boden zu gehen, wohin diese sich gewöhnlich selbst zu begeben pflegte; als das nun auch eines Tages geschah, konnte es seine Neugierde nicht länger zügeln, versteckte sich auf dem Boden und sah dort, wie die Herrin mit einem Teller voll Milch in [191] die Bodenkammer trat. Gleich kam ihr ein kleines rothes Männchen entgegen, machte sich über die Milch her und trank sie bis auf den letzten Tropfen aus. Da sah denn das Mädchen ein, warum die Frau ihr verboten auf den Boden zu gehen, denn das rothe Männchen war ein Kobold.

Da war auch mal ein Mann in Straußberg, der hieß Prinzlow, und weil ihrer viele des Namens dort waren, und dieser einen Kobold hatte, nannte man ihn zum Unterschiede den Koboldprinzlow. Er war aber so reich, daß er sagte, er könne den Weg von seinem Hause bis zur Kirche mit lauter harten Thalern pflastern, und das war ein tüchtiges Stück. All diesen Reichthum hatte ihm aber sein Kobold gebracht, den man oft genug in seinen Schornstein hineinfliegen sah, und zwar war er roth, wenn er Geld, aber blau, wenn er Korn brachte. Wie er nun Geld genug hatte, ward er des Kobolds überdrüssig, setzte ihn in eine Küpe, trug ihn über einen Kreuzweg fort, wo er ihn ausschüttete und ging dann ruhig seiner Wege. Tags darauf kam ein Straußberger Schuhmacher des Wegs, der wenig Arbeit und kein Geld hatte, und wie der an den Kreuzweg kommt, sieht er da einen Vogel sitzen, etwa so groß wie eine Elster und mit rothen und schwarzen Federn, der ruft immer »ich bin herrenlos, ich bin herrenlos«. Da fragte ihn denn der Schuhmacher, »wer bist du denn, daß du herrenlos bist«, aber der Vogel schrie immer nur »ich bin herrenlos, ich bin herrenlos«. Da dachte denn der Schuhmacher, er könne ihn ja wohl [192] mit sich nehmen, fing ihn und trug ihn nach Hause. Das hat denn auch nur kurze Zeit gedauert, da ist der Schuhmacher ein reicher Mann geworden, und hatte bald drauf vier Gesellen zu sitzen, die immer vollauf zu thun hatten.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Märkische Sagen und Märchen. Sagen der Mittelmark. 3. Der Barnim- und der Lebuser Kreis. 180. Von Kobolden in Straußberg. 180. Von Kobolden in Straußberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-C9BC-C