40.

Der Wirth in Epe erzählte:


Colon Beckhake hat einmal abends seine Angeln am Darmssen aufgestellt, und wie er sie morgens in die Höhe zieht, so geht's mit der einen so schwer, daß er sie kaum herauskriegen kann; er zieht aber und zieht und bringt endlich einen ungeheuern Fisch mit einem großen Horn an die Oberfläche; da hat er seine Angel eilig hingeworfen und ist über Hals und Kopf davongelaufen.


Nr. 35-40 wurden bereits abgedruckt in Wolf, Zeitschrift, I, 10-35; zu Nr. 40 vgl. unten 362-364 mit der Anm. – Der Vollständigkeit halber mögen hier noch einige Nachrichten folgen, die Hr. J. Sudendorf über den Darnssee in den Mittheilungen des Histor. Vereins zu Osnabrück, Jahrgang 1848, S. 239-57, gegeben hat. Was die Namensform betrifft, so ist zu bemerken, daß er bei Hrn. Sudendorf hier stets mit n geschrieben, auch die aus[45] dem 14. und 15. Jahrhundert urkundlich nachweisbare Form Darnsmare beigebracht wird. Sie führt nun deutlich auf das altsächsische derni, Adj. occultus, tenebrosus, dolosus, malignus: de daemoniis; darno, Adv. clam; vgl. Schmeller, Glossar zu Heliand, S. 22.Darnsmare ist deshalb der See des Bösen, Teufelssee, dessen Bezeichnung aber in hohes Alter hinaufreichen muß, und in alter Zeit mehr den See des Verborgenen, des Unsichtbaren bedeutete, wie wir aus dem mittelhoch deutschen tarn in tarnhût, tarnkappe, und aus dem verbalen altsächsischen dernian schließen dürfen. Jener danach vorauszusetzende Darni, Derni, schließt sich also im Begriff eng an den griechischen Ἅιδης = ἀ-ιδης, wie die tarnkappe an die Ἄϊδος κυνέη. – Die Uebertragung auf den Teufel war darum natürlich und auch in einer althochdeutschen Stelle bei Graff, V, 458, heißt es, daz der tiuual dar pi kitarnit stentit. – Uebrigens bemerke ich, daß ich bei einer zweimaligen Anwesenheit den See nur Darmssen nennen hörte. – Hr. Sudendorf erzählt nun, der Landmann behaupte, daß ein Bach unter der Erde den See mit der Hase verbinde, und daß er unergründlich sei. Die Entstehung des Sees wird einem Erdfalle zugeschrieben; es soll nämlich hier ein ruchloses Kloster, von einem Graben umgeben, gestanden haben. Eine liebliche Jungfrau, von den Nonnen zur Annahme des Gelübdes verleitet, sei über die Brücke gegangen, und als vor dem Altar ihr goldenes Haar unter der Schere gefallen, da sei das Kloster versunken, und Wasser habe den leeren Raum erfüllt. Bei klarem Wetter, wenn eine Eisdecke den See überwölbe, werde an den Sonn- und Festtagen noch zu Zeiten das Gebrüll des fetten Klosterochsen oder das Krachen der berstenden Eisrinde, wenn der Klosterochse mit seinen gewaltigen Hörnern darunter hinfahre, von den frommen Kirchgängern vernommen. – Weiter werden dann aus dem Munde alter Leute folgende Sagen mitgetheilt:


In dem Waßer, welches der Darnssee heißt und zwischen Bramsche und Malgarten liegt, lebte vor Zeiten ein kleines Volk, welches »die rauhen Leute« genannt wurde, weil es von oben bis unten mit Haaren bewachsen war. Einzelne von dem Volke kamen mitunter aus dem See und verkehrten mit den Menschen. Seitdem [46] aber die Menschen in der Gegend häufiger geworden sind, und der See nicht mehr ganz so einsam ist, lassen sie sich nicht mehr sehen.

In jener frühern Zeit, als noch die rauhen Leute in dem See ihr Wesen trieben, hörten einst die Nachbarn in jeder Nacht ein gewaltiges Hämmern und Pinkern aus der Gegend des Sees, als wenn ein Schmied fleißig auf dem Amboß arbeite. Einige Bauern wollten auch um Mitternacht im Mondenschein etwas auf dem Darnssee schwimmen gesehen haben. Diese schifften darauf zu. Da war es ein Schmied, der bis am Gürtel im Waßer saß, und soweit man ihn sah, wie ein Ziegenbock behaart war. Mit dem Hammer in der Faust zeigte er auf seinen Amboß und deutete ihnen an, daß er Arbeit haben wolle. Die Bauern verstanden ihn, und sie und die ganze Bauerschaft vertrauten ihm von da an alle Schmiedearbeit. Niemand aber hat ihn gesehen, außer denjenigen, denen er sich zuerst auf dem See gezeigt hatte. Denn wer ein Geschirr hatte, das verbessert werden sollte, der legte es am Abend auf einen flachen Stein, welcher am nördlichen Ufer des Sees zwischen zwei alten Eichen stand; und wer eine neue Arbeit bestellte, der schrieb sie auf einen offenen Brief oder rief sie laut aus über dem See. Dann kam der Schmied in der Nacht, holte die Arbeit, verbesserte und schmiedete, was verlangt war. Hatte man ungewöhnlich viele Arbeit bestellt, dann wurde wol die Nacht über ein heftiges Hämmern und Lärmen im See vernommen. Man weiß aber keinen Fall, daß sie nicht schon in der ersten Nacht fertig geworden wäre. Schon vor Tagesgrauen lag sie auf dem Steine, und auf einem daran gebundenen Streifen war der Preis geschrieben. Das Eisen und die Arbeit des Schmieds waren stets von ausgezeichneter Güte, und der Preis verhältnißmäßig [47] nicht hoch. Deshalb bezahlten ihn auch seine Kundmänner bis auf den letzten Helling. Sie legten den Preis nieder auf den Stein unter den alten Eichen, und dieser wurde seitdem die Tafel des Schmieds genannt. Viele Jahre dauerte dieser redliche Handel und die Eper standen sich gut dabei. Sie hatten damals die besten Pflugeisen im Lande. Es war aber in der Eper Bauerschaft ein rachgieriger Mann, der überredete sich aus Geiz, der Schmied könne um Gottes Lohn arbeiten, es mache ihm ja gar keine Mühe, und er sei schon Narr genug, allzu billig zu arbeiten, so einem Narren müße man thun, wie ihm recht sei. Dieser legte statt des Geldes schmuzigen Lohn auf des Schmieds Tafel. Da zischte das Waßer, und ein Speer mit einem scharfen Eisen, aus dem See geschleudert, durchbohrte den Ruchlosen. Die Erde unter dem Steine borst und verschlang ihn. Das Hämmern des Schmieds wurde seitdem nicht mehr gehört. Er hat sich in die Tiefe des unergründlichen Sees zurückgezogen u.s.w.

Lange nach dieser Zeit kam einst Hackmann, der Wehrfester von Hackmann's Erbe an den Darnssee, um Schilf am Ufer zu schneiden. Da fand er ein behaartes nacktes Weib, welches sich mit ihrem Kinde im warmen Ufersande sonnte. Als dieses den Bauer kommen hörte, da lief es weg und sprang in den Darnssee. Der Bauer aber nahm das Kind mit in sein Haus. Hier lag es gewöhnlich hinter dem Herde unter der Bank, welche Unnerherdsbank genannt wird. Es gedieh aber gut und wuchs rasch heran. Denn wenn der Bauer mit seinem Volke auf dem Acker war, dann kam die rauhe Mutter und säugte ihr Kind heimlich. Sie überschritt aber nie die Schwelle des Hauses, sondern blieb unten vor der Niendören oder Einfahrtsthür stehen und lockte das Kind. Dieses lief dann vor das Heck, durch [48] welches die Mutter ihm die Brust reichte. Als der Bauer das Kind einige Jahre gehabt hatte, da nahm er es und schor es, damit es ein Ansehen bekomme, wie ein anderes Kind. Als aber die Mutter wieder kam, um ihr Kind zu säugen und sah, daß es geschoren war, da wurde sie zornig und rief:


»Mien kind geschoren,
Hackmanns stie verloren,
bis int drüdde un veerde lid.«

Darauf kehrte sie wieder zurück in den Darnssee und das Kind mit ihr. Von dieser Zeit an war Unglück auf Hackmann's Erbe. Während die vier Wehrfester regierten, über welche der Fluch ausgesprochen, war Hagelschlag, Miswachs und Sterbgang an Vieh und Menschen auf der Stelle, und alles, was sie anfingen, das hatte weder Gedeihen noch Gelingen.

Einst traf ein Bauer, der Fischens halber an den Darmssen ging, einen fremden Knecht am Ufer. Der Bauer hieß Fischer und wohnte nicht fern vom See, auf der Stelle, welche jetzt noch Fischer's Erbe genannt wird. Der Knecht war gekleidet wie ein anderer, aber rauh an Gesicht und Händen. Derselbe bot dem Bauern seine Dienste an und sagte, als dieser nach dem Lohne fragte, darum wollten sie wohl friedig werden. Der Bauer nahm ihn an und er war sein treuester und fleißigster Knecht. Als er sieben Jahre gedient hatte, da sagte er zum Bauern: »Meine Zeit ist um, ich muß jetzt fort von dir, verlange aber keinen andern Lohn, als ein zweischneidiges, untadelhaftes Schwert, welches aber ohne Dingen ehrlich gekauft ist.« Der Bauer ging nach Bramsche und erstand ein solches Schwert, handelte aber vier Pfennige davon ab. Da der Knecht das Schwert sah, fing er an zu jammern und sagte: »Warum hast du mir das gethan, das ist mein Unglück. [49] Gehe schleunigst wieder hin und bringe die abgezogenen Pfennige zurück. Sonst fürchte ich, möchte es zu spät werden.« Als der Bauer die Pfennige nachgezahlt hatte, führte der Knecht ihn an den Darmssen und sagte: »Ich muß zu meinem Vater zurück, aber ich fürchte, daß ich mich zu lange aufgehalten habe und daß die Zeit, die mir mein Vater gesetzt hat, schon abgelaufen ist. Mein Weg geht durch ein Thor tief unten im Darnssee, welches von zwei Hunden bewacht wird. Ist das Schwert untadelhaft, wie es sein muß, dann kann ich sie abwehren, komme ich zu spät, dann werden sie mich zerreißen. Du sollst selbst sehen, welches mein Schicksal ist; im letztern Falle erscheint Blut, im erstern aber Milch auf dem Waßer, sodaß es davon ganz weiß wird.« Darauf schlug er kreuzweis ins Waßer, sodaß sich dasselbe bis unten hin theilte, und stürzte hinein mit seinem Schwerte. Als aber die Wellen sich über ihm schloßen, da wurde der See roth von seinem Blute.

Eine andere Aufzeichnung der Sage lautet: Der Mann, welcher vor Zeiten Ellhorn's Kotten bewohnte, pflegte seiner Geschäfte wegen oft an den See zu kommen. Da traf er einmal am Ufer einen Mann, welcher nackt und vom Kopf bis zu den Füßen behaart war. Dieser erbot sich ihm für ein gewisses Geld Schmiedearbeit zu machen. Die Arbeit, sagte er, werde er am andern Morgen am Ufer finden, wohin er denn auch das Geld zu legen habe. Der Bauer nahm das Anerbieten an und benutzte es zu verschiedenen Malen. Eines Morgens aber, als er wieder ans Ufer ging, fand er einen haarigen Klumpen am Ufer liegen. Aus Neugier nahm er ihn auf und eilte damit nach seinem Hause. Hinter ihm her der Schmied, welcher ihn einzuholen suchte und mehrfach rief: »Mein Kind, mein Kind!« An der Wehr des Kottens kehrte der Schmied [50] wieder um. Fortan brachte der Bauer keine Arbeit an den See und der Schmied ließ sich ferner nicht mehr sehen. In seinem Hause angelangt, bemerkte der Bauer, daß der Klumpen ein mit Haaren besetztes Kind sei, welches sich wie ein Igel zusammengerollt hatte. Er fütterte dasselbe auf. Als es groß geworden war, sagte es eines Morgens: »Ich muß zu meinem Vater zurück in den See. Wenn du auf dem See Blutstropfen aufsteigen siehst, dann gehe heim, ich komme nie wieder. Siehst du sie nicht, dann gehe ich mit dir zurück.« Der Rauhe stürzte sich darauf in den See, die Blutstropfen tauchten auf und er kam nie wieder.


Der Untergang eines ruchlosen Klosters im Waßer kehrt öfter wieder, z.B. Meier, Schwäbische Sagen, Nr. 80, 3., 81, 334; Baader, Nr. 30. Den Grund für die Angabe, daß an einem solchen Orte ein Kloster untergegangen sei, findet Wolf (Heßische Sagen, Nr. 8, Anm.), wie ich glaube, mit Recht darin, daß sich meist Sagen der Zwerge, die wegen ihrer Kappen den Mönchen verglichen wurden, an diese Oertlichkeiten anknüpfen; auch bei uns Nr. 336 wohnen die Zwerge im Mönchenberge und ziehen nach der Mönchenkuhle. Der schmiedende Waßermann unserer Sage kann eben seine Natur als Zwerg auch nicht verleugnen. Darum tritt denn auch neben dem versunkenen Kloster in einer pommerschen Sage bei Temme, Nr. 266, eine versunkene Schmiede auf; eine andere versunkene Schmiede unten Nr. 68 b, vgl. auch Nr. 92. Wie hier in unserer Sage tritt ferner der Zug häufig auf, daß zwei solcher Seen oder Teiche als miteinander in Verbindung stehend dargestellt werden. Vgl. Nr. 35, 368, 389 dieser Sammlung; Schambach u. Müller, Nr. 4, 3. mit der Anm.; Pröhle, Oberharzsagen, S. 175, auch das Grundelos und Fischloch ebendaselbst, S. 201, stehen wol in solcher Verbindung, so auch das Seeloch und Hutloch unserer Nr. 348, sowie die Wolkenborste, Lyncker, Heß. Sagen, Nr. 56, der große und kleine Krugpful, in denen der Alkenkrug untergegangen ist, Norddeutsche Sagen, Nr. 357, oben Nr. 33 b; Baader, Bad. Sagen, Nr. 30, 379; Temme, Preußische Sagen, Nr. 252; Pommersche Sagen, Nr. 266. Auch bei Hopsten liegt ein Waßer, das Heilige Meer, da soll vor [51] Jahren ein Kloster untergegangen sein; wenige Schritte davon liegt das kleine Heilige Meer, da sollen die mituntergegangenen Kuhställe gelegen haben. Vgl. oben Nr. 31 b, c. Wie die mituntergegangene Schmiede auf die Zwerge, weisen die mituntergegangenen Kuhställe auf den mit den Zwergen im See weilenden Stier, der auch in den hier mitgetheilten Sagen vom Darmssen auftritt und noch weiter in Nr. 333-335 erscheint. Andere in angeblicher Verbindung stehende Teiche sind noch unten zu Nr. 378 nachgewiesen, wo die Beweisführung für die Verbindung gewöhnlich durch Enten geliefert wird; durch einen Fisch, wie hier, geschieht es auch bei Temme, Preußische Sagen, Nr. 252. Auch das Rinnsal, welches aus dem Egelisee abfließt, soll mit der Reuß in Verbindung stehen; der dortige Müller fing einst einen Hecht von ungewöhnlicher Größe, band ihm einen rothen Faden um den Hals und ließ ihn wieder schwimmen, da kam er in der Reuß wieder zum Vorschein; Rochholz, Aargauer Sagen, I, 8. Der in unserer Sage Nr. 35 auftretende gekrampte Fisch und der gehörnte in Nr. 40 stehen wol mit dem einäugigen von Nr. 362, 363 in Verbindung, wo die weitern Nachweise zu vergleichen sind. Daß in der einen der hier gegebenen Aufzeichnungen der Untergang des Klosters an den einer Jungfrau angethanen Zwang geknüpft wird, dürfte ein alter Zug sein, der sich an die mit dem Schloße untergehende weiße Frau, sowie an die zur Ehe gezwungene Braut, Nr. 32 c, anreiht. – Ueber die Sage von dem Knecht verweise ich noch auf die Mittheilung von Seitz in Grimm's Mythologie, S. 463, welche die zweite Version der Mittheilungen des Historischen Vereins zu Osnabrück bestätigt; danach ergeben sich denn zwei Versionen der Sage, von denen die eine den Knecht geradezu als den rauhen Leuten entstammend bezeichnet, die andere ihn als einen aus der Fremde gekommenen Knecht bezeichnet; diese letztere stimmt, wie oben schon angegeben ist, im wesentlichen mit der pommerschen Sage bei Temme, Nr. 252, doch kommen in ihr der Eingang durch ein schmales Thor und die dasselbe bewachenden Hunde hinzu, wodurch die Sage dem gewöhnlichen Kreise der Sagen von blutdürstigen Waßergeistern, denen sie Grimm angereiht hat, entrückt wird. In dieser Form wird man an den Kampf Beowulf's mit Grendel erinnert, nur muß man dabei wohl in Betracht ziehen, daß in dem Kreise schlichter Landleute, welchem unsere Sage entstammt, sich von[52] selbst manche Züge der Heldensage anders gestalten mußten, als in dem Beowulfliede, in dem übrigens auch nicht mehr die Sage ungetrübt erhalten zu sein scheint. So ist denn natürlich der schwertkundige Held zu einem erfahrenen Ackersmann geworden, und nur in seinem Tode bricht noch die Heldennatur hervor, obwol in dem Grundgedanken der Heldengestalt, in der sich ein segensreicher Frühlingsgott bergen mag, der Keim dazu schon gelegen haben wird. Die hauptsächlichsten Anklänge sind die Abstammung aus dem Waßer, die im Liede nur dem Vater des ältern Beowulf, Scyld, zugeschrieben wird, der Kampf im Waßer mit einem wunderbaren Schwert und der endliche Tod des Helden, der in unserer Sage schon beim ersten Kampfe eintritt, während ihn die pommersche Sage, wo der Kampf mit einem Erbdegen geführt wird, aber glücklich abläuft, ganz verschweigt. Als Ergänzung scheinen sich noch zu diesem Kreise die Sagen von einem Taucher zu stellen, der Kunde von einem im See stehenden Schloß mit einer darin befindlichen Jungfrau oder in denselben versunkenen Glocken zu bringen unternimmt und dort unten gewöhnlich einen Hund findet, der nach ausdrücklichem, mehrmals sich findendem Zeugniß sein Tod wird, gerade wie in unserer Sage die zwei vor dem schmalen Eingang liegenden Hunde den Tod des Kämpfers herbeiführen; vgl. die zu Nr. 14, 15 angeführten Sagen. Dieser Sagenkreis stimmt mit dem Beowulfliede darin, daß der Taucher dreimal in den See hinabsteigt, gerade wie Beowulf erst mit Grendel, dann mit seiner Mutter, endlich mit dem Drachen kämpft; Aehnlichkeit zeigt er ferner mit dem letzten Kampfe Beowulf's darin, daß der Drache im Liede durch die Beraubung des Schatzes durch den Knecht gereizt wird, wie der Taucher oben Nr. 14 nach dem zweiten Hinabsteigen ein Schnupftuch mit Geld heraufbringt, beim dritten male aber seinen Tod findet. Endlich ist noch auf einen Umstand aufmerksam zu machen; in mehreren der Erzählungen von dem Knecht wird er als der Sohn des Schmieds oder wenigstens aus dem Waßer stammend dargestellt, und es liegt die Vermuthung nahe, daß die Erzählung von dem geschorenen Kinde des Seeweibchens ursprünglich den Eingang zur Sage von dem Schwertkämpfer bildete; war das, wie ich kaum zweifle, der Fall, so wird das Meerweib eine Schwanjungfrau gewesen sein, und die Erzählung gewinnt dann weitern Zusammenhang mit der Sage vom Schwanritter, [53] die schon Grimm mit der vom Sceaf und Scyld verglichen hat; Mythologie, S. 343. Wie in dieser der Held aus einer fernen Welt auf dem Waßer naht und auf demselben Wege in dieselbe zurückkehrt, so auch der Schwertkämpfer in der unsrigen. Wilhelm Müller hat in der Germania (I, 429, 430) auf die nahe Verwandtschaft der Form in der Schwanenrittersage und der Mahrtensage aufmerksam gemacht, und so stimmt auch in der unsrigen der Zug, daß der Knecht sagt, sein Vater habe ihn gerufen zu den in den Mahrtensagen mehrfältig wiederkehrenden Worten, in welche die Mahrte beim Abschiede ausbricht: »Wie läuten die Glocken in Engelland!« oder: »Wie weinen meine Kinder in Engelland«, oder sie höre ihre Mutter in England die Schweine locken; vgl. Norddeutsche Sagen, Nr. 338, 293, 16; unten Nr. 332; oder: »Mîn sevenrand, mîn sevenrand, wo röpt mîne môder in Engelland«; Wolf, Zeitschrift, II, 141. England und die untergegangene Welt im Waßer sind aber nur verschiedene Benennungen der einen Unterwelt, und die dort unten die Schweine lockende oder ihre Tochter rufende Mutter wird mit dem sein Kind rufenden Vater, dem Schmiede, in Beziehung stehen. Die Bedeutung, welche sowol in der pommerschen als westfä lischen Erzählung auf die Waffe gelegt wird (Erbdegen oder neuer, ohne Feilschen erhandelter), läßt vielleicht auf Freyr schließen (Grimm, Mythologie, S. 196), aber auch Heimdall, der sverdás, verdient Berücksichtigung.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Erster Theil. Sagen. Sagen vom Darmssen. 40. [Colon Beckhake hat einmal abends seine Angeln am Darmssen aufgestellt]. 40. [Colon Beckhake hat einmal abends seine Angeln am Darmssen aufgestellt]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-CAE1-C