139.

Ein Knecht von Thiem's Hof hat einmal auf dem Acker an der wittewîwerskûle gepflügt und da es gerade um die îmtît (Frühstückszeit) gewesen, hat er gerufen: »wîwer herût, ick sin smächtich!« Sogleich hat ein Tisch mit den herrlichsten Speisen gedeckt vor ihm gestanden, und er hat sich nicht lange besonnen, sondern tüchtig zugelangt und es sich wacker schmecken laßen. Nun ist aber zugleich ein Pferdejunge bei ihm gewesen, der hat, als der Knecht gerufen, gleichfalls geschrien »wîwer herût«; als aber die Tafel erschienen ist, hat er vor Furcht nichts eßen mögen, darum ist er nach wenigen Wochen gestorben.

Ein Kuhhirt aus Hillen erzählte, daß in derwittewîwerskûle ein Schloß untergegangen sein solle.


Vgl. unten Nr. 414; Norddeutsche Sagen, Nr. 189, 3., 7. mit den Anm., wo Stellen über die Brot und Kuchen schenkenden Zwerge gesammelt sind; mehreres noch bei Rochholz, I, Nr. 335, 336. Die Erzählungen von kochenden und backenden Zwergen sind sehr häufig, Schambach u. Müller, Niedersächs. Sagen, Nr. 140, 8., 143; Müllenhoff, Nr. 382, 405, 406; Hocker, S. 53; Rochholz, I, Nr. 198; Wolf, Heßische Sagen, Nr. 55, 81 mit der Anm.; weiße Frauen, welche backen, bei Lyncker, Heßische Sagen, Nr. 139; wenn die Salinger Frauen mittags kochen, sieht man den Rauch aus dem Gemäuer aufsteigen; Zingerle, I, 54; auch die Herrmännlein brachten Brot und Kuchen zur Erquickung, noch jetzt sieht man manchmal den Rauch aus ihren Höhlen aufsteigen; Rochholz, I, Nr. 195. Dieser aufsteigende Rauch und Dampf zeigt die Zwerge in ihrer elementaren Thätigkeit, sie schaffen Wolken und [131] Regen, woher ihnen die Nebelkappen gekommen sind; vgl. Pröhle, Oberharzsagen, S. 298; wenn Nebel um die Berge hängen, sagt man, die Geister kochen ihren Kaffee; Wolf, Heßische Sagen, Anm. zu 81; wenn einzelne Wolken am Weißner ziehen oder es dort nebelt, so hat Frau Holle ihre Feuer im Berge; Lyncker, Heßische Sagen, S. 18; vgl. weitere Beläge zu Gebräuche, Nr. 275. Die weitere Entwickelung dieser Vorstellung führte natürlich zum Backen von Brot und Kuchen, und in der Anm. zu Nr. 414 sind verschiedene Gründe beigebracht, weshalb die Unterirdischen dieselben verschenken; da es meist Pflüger sind, denen dies Geschenk zu Theil wird, so wird wol der treffendste der sein, welcher dort aus Lyncker's Heßischen Sagen, Nr. 139, angeführt ist, daß sie ihre Wohnung u.s.w. vor dem Sande des tiefgehenden Pfluges bewahrt wißen wollen. Zuweilen stirbt der Beschenkte nach dem Genuße des Kuchens, so bei Herrlein, S. 35, ein anderer verschwindet, doch hatte er ihn am Charfreitag genoßen, Wolf, Niederländische Sagen, Nr. 181, doch im allgemeinen ist der Genuß des Kuchens erquickend und nicht tödlich, und Simrock, Mythologie, S. 464 (vgl. auch Schambach u. Müller, Niedersächs. Sagen, S. 373-88), wird deshalb im ganzen recht behalten. Das zeigt auch, daß in unserer Sage der Knabe, welcher von dem Kuchen nicht ißt, stirbt, was als Strafe für den Anruf zu halten ist, dem er nicht Folge gibt; ebenso stirbt der Knecht, der von dem Waldweibchen Kuchen erbittet und ihn nachher verschmäht; Börner, Sagen des Orlagaues, S. 209. So verfol gen auch die Unterirdischen den Jungen, der sie um ein Butterbrot bittet und nachher fortläuft; einem solchen werfen sie es an die Ferse, die seitdem welk blieb; Müllenhoff, Nr. 392, 393. Einen eigenthümlichen Zug hat Baader, Badische Sagen, Nr. 249, wo der Bauer den geschenkten Kuchen mit den Händen zerbricht und das Erdmännlein darauf sagt: »Hättest du den Kuchen zerschnitten, wollte ich dich auch zerschnitten haben.« Uebrigens findet sich auch die Umkehr des Verhältnisses, daß nämlich die Menschen den Zwergen Gebäck schenken; den Erdmännlein an der Ramsfluhe mußte, wer im Dorfe buk, einen Wähen vors Fenster legen; Rochholz, I, Nr. 182; vgl. oben Nr. 57, 58. Den Zwergen, die beim Ackern helfen, werden Wecken hingelegt, statt deren man nachher Geldstücke findet; ebendaselbst, Nr. 184b; oder sie erhalten eingeschlagene Eier oder [132] Eierkuchen; ebendaselbst, Nr. 190; wie man die Unterirdischen um ein Butterbrot bittet, Müllenhoff, Nr. 393, so erhalten sie auch ein solches für ihren Dienst; unten Nr. 161, 164, und an andern Stellen.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Erster Theil. Sagen. Die Wittewîwerskûle. 139. [Ein Knecht von Thiem's Hof hat einmal auf dem Acker an der wittewîwerskûle]. 139. [Ein Knecht von Thiem's Hof hat einmal auf dem Acker an der wittewîwerskûle]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-CC3D-1