3. Die drei Burschen und der Riese.

Mündlich vom Hakel.


Es waren einmal drei Burschen, die wollten unter die Soldaten gehen, und als sie schon eine ganze Weile marschirt waren, kamen sie in einen großen Wald, darin stand ein gewaltiges Haus, in welchem ein Riese wohnte. Sie fürchteten sich aber gar nicht vor dem Riesen, sondern gingen ruhig vorüber, und grüßten ihn und als sie an das Ende des Waldes kamen, begegnete ihnen der Hauptmann der Soldaten; zu dem sagten sie: »Nimm uns an, wir wollen Soldaten werden! – Ja, sagte der Hauptmann, das will ich wohl; aber habt ihr auch Muth? – An Muth fehlt's uns nicht, sagte der erste. – Nun so gehe denn hin und hole mir den Spiegel des Riesen.« Da ging der erste Bursche fort und kam an das Riesenhaus und wie er davor stand, sah die Mutter des Riesen zum Fenster hinaus, da fragte er sie, ob sie keine Arbeit habe. »Nein, sagte sie, für dich keine;« und da machte [324] sie das Fenster zu. Der Bursche aber schlich sich sogleich in's Haus und versteckte sich im Ofen, und als es nun Nacht war, kroch er heraus, nahm dem Riesen seinen Spiegel weg und brachte ihn dem Hauptmann; der freute sich sehr und zog ihm sogleich den bunten Rock an und da ward er Soldat. Nun sagte der Hauptmann zum zweiten: »Hast du auch Muth, so kannst du auch Soldat werden.« Antwortete der zweite: »Muth habe ich schon, ich will dem Riesen das Laken unter dem Leibe fortnehmen. – Ja, sagte der Hauptmann, wenn du das kannst, sollst du sogleich Unteroffizier werden.« Da ging der zweite auch fort und als er an das Riesenhaus kam, lag wieder des Riesen Mutter im Fenster, die fragte er, ob sie keine Arbeit hätten. »Keine für dich,« sagte die Alte und machte das Fenster zu. Da schlich er sich sogleich ins Haus und versteckte sich im Ofen, und als es Nacht war, kroch er hervor, ging hin an das Bett des Riesen und zog ihm das Laken unter dem Leibe weg, bis auf den letzten Zipfel, den konnte er nicht hervorziehen, denn auf dem lagen die Beine des Riesen und auf denen lagen noch ein Paar große Bernsteine. Da nahm er die Bernsteine leise herunter, zog das Laken hervor und brachte es dem Hauptmann. Da ward er sogleich Unteroffizier, und sie zogen ihm einen noch schöneren bunten Rock an, als den ersten. Nun sagte der Hauptmann zum dritten: »Wenn du hingehst und mir den Riesen selber bringst, so sollst du gleich an meine Stelle kommen. – Ja, sagte der dritte, dann muß ich aber auch ein großes Haus haben mit acht Zimmern und acht Tischen. – Ja, sagte der Hauptmann, das sollte er haben, und da ging der dritte auch weg.« Als er nun zum Riesenhause kam, lag der Riese selber im Fenster und rief hinunter: »Erdwürmchen, ich werde dich bald freßen! – Nun, nun, sagte der dritte, mach [325] mir nur nicht bang,« ging hinein in's Haus, bot dem Riesen die Zeit und fragte ihn, ob er sich nicht wolle einen Sarg machen laßen. »Wozu doch? fragte der Riese, ich bin ja noch frisch und gesund? – I nun, sagte der Bursche, wenn du einmal stirbst, so hast du doch gleich einen Sarg und kannst dich darin ehrlich und anständig begraben laßen.« Das gefiel dem Riesen und er sagte zum Burschen, er sollt's nur machen; drauf hieben sie einen großen Lindenbaum um, der draußen vor'm Hause stand, und der Bursche machte sich sogleich an die Arbeit. Als er damit fertig war, sagte er zum Riesen: »leg dich doch einmal hinein, damit ich sehe, ob's auch die rechte Länge hat.« Da kam der Riese und legte sich hinein, aber kaum war er drin, so klappte der Bursch den Deckel zu, schlug ihn mit ein Paar gewaltigen Nägeln fest, nahm den Sarg auf den Rücken und ging davon. Wie er nun zum Hauptmann kam, wollte der's nicht recht glauben, daß er den Riesen habe, da machte er sogleich den Deckel auf und der Riese wollte herausspringen; aber der Bursche packte schnell zu und der Riese war jetzt so zahm geworden, daß er himmelhoch bat, sie möchten ihn doch nur laufen laßen, er wolle ja keinem etwas zu Leide thun. Da kam denn der dritte Bursche an des Hauptmanns Stelle und bekam ein Haus mit acht Zimmern und acht Tischen und lebte darin zufrieden und glücklich bis an sein Lebensende.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche. B. Märchen. 3. Die drei Burschen und der Riese. 3. Die drei Burschen und der Riese. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-D191-3