21. Die geraubten fünf Prinzeßinnen.

Es war einmal ein König, der hatte fünf Töchter, die gingen einmal im Garten spazieren, da kamen fünf Drachen angeflogen, die raubten sie. Nun hatten die fünf Prinzinnen aber fünf Heirather, die um sie freiten, [259] und als diese zum Schloße kamen und hörten, daß die Prinzinnen geraubt seien, da wurden sie sehr betrübt und beschloßen sogleich, sich aufzumachen und sie aufzusuchen. So waren sie schon eine weite Strecke gewandert, ohne nur eine Spur von ihnen zu finden, als sie einst in einen Wald kamen, wo sie eine alte Frau vor ihrer Hütte sitzend fanden; die fragten sie, ob sie ihnen nicht sagen könne, wo die fünf Drachen mit den fünf Prinzinnen hingeflogen wären. Das könne sie wohl, sagte die Alte, wenn ihnen zwei Silberlinge darum zu geben nicht zu viel wäre. Sogleich zog der eine der Heirather die Silberlinge aus der Tasche und gab sie ihr, und nun sagte sie: »Wenn ihr hier aus dem Walde kommt, so werdet ihr zu einem Berge kommen, auf dem fünf Brunnen sind; auf dem Grunde eines jeden liegt ein Löwe und oben auf dem Waßer schwimmt ein goldener Apfel, die müßt ihr nehmen und damit über das schwarze Meer fahren.« Da bedankten sie sich schön bei der Alten und zogen zu dem Berge, wo sie alles fanden, wie es ihnen die Alte gesagt hatte; sie nahmen nun die Aepfel, zogen zum schwarzen Meer, setzten sich in ein Boot und fuhren hinüber. Als sie aber drüben ankamen, fanden sie am Ufer eine hohe Hecke, die war noch mit einer goldenen Kette rings umzogen, sodaß sie nicht hindurchkonnten; aber einer von ihnen zog sein Schwert und hieb die Kette mitten durch, wobei sie sahen, daß Blutstropfen aus derselben hervorquollen. Darauf machten sie sich mit ihren Schwertern Bahn durch die Hecke und sahen nun den Drachenstein vor sich; den stiegen sie hinan und fanden oben ein prächtiges Schloß, in dem die fünf Prinzinnen wohnten. Diese freuten sich über die maßen, als sie die fünf Heirather sahen, aber kaum hatten sie sich begrüßt, so hörten sie auch schon, wie die Drachen herbeigeflogen[260] kamen. Sogleich krochen sie unter die Betten und kaum war das geschehen, so wälzten sich die Drachen herein und riefen: »Ich riech', ich rieche Menschenfleisch.« Aber die Prinzinnen beruhigten sie bald und da legten sie sich nieder und schliefen ein; darauf kamen die Heirather schnell unter den Betten hervor, schlugen den Drachen die Köpfe ab und führten nun die Prinzinnen wieder heim zu ihrem Vater und da wurden fünf Hochzeiten auf einmal gefeiert.


Aus dem Siegenschen.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Zweiter Theil. Anhang. 21. Die geraubten fünf Prinzeßinnen. 21. Die geraubten fünf Prinzeßinnen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-D255-3