425.

Auf der Haar nahe bei Iserlohn stand noch im vorigen Jahrhundert eine alte Eiche, um welche her in einer gewissen Entfernung sieben Löcher waren; am [149] ersten Ostertage zog das Volk dorthin, faßte den Baum an und machte die siewen sprünge. Wer alle sieben Löcher traf, glaubte, daß er wenigstens noch sieben Jahre zu leben habe oder beziehungsweise in dieser Zeit eine Frau bekommen werde. Nach andern ging man zu diesem Baum am Ostertage, um den griewel (Dachs) zu sehen. Auf Fastnacht pflegte man denkaerl an diesen Baum zu hängen; vgl. die Erntegebräuche, Nr. 513. Um das Andenken an den alten, selbst auf Specialkarten verzeichneten Baum zu erhalten, ist eine junge Eiche an die Stelle gepflanzt, und der Besuch dieser Stätte, wenn auch ohne Gebräuche, dauert fort. Die genannten siewen sprünge sind nicht zu verwechseln mit einem gleichnamigen Hochzeitstanz unserer Gegend. Dieser wunderliche, nun schon selten gewordene Tanz besteht darin, daß sich der Tänzer bald auf das rechte, bald auf das linke Knie, bald auf den rechten Ellenbogen, bald auf den linken, jetzt auf die rechte und dann auf die linke Hand wirft und endlich mit der Nase die Erde berührt. Nach bestimmter Weise singt man dazu:


»Kennstu nit de siewen sprünge
kennstu nit de sässe?
jå, min haer, ik kenn se wuål
ik dansse as'n iädelmann.
Juchhäi! Juchhäi! Juchhäi!«

Ob der von Auerbach erwähnte und auf dem Schwarzwalde vorkommende »Siebensprung« derselbe ist, kann ich nicht sagen. Mittheilung Woeste's. Bei jedem Sprunge ward die Zahl angegeben und dabei die mitgetheilte Weise gespielt und gesungen. Man tanzte die Siebensprünge nicht nur bei Hochzeiten, sondern auch bei andern Gelegenheiten, wo junges Volk zusammenkam, um sich zu belustigen. Derselbe.


Vgl. die sieben Schritte bei der indischen Hochzeit und die [150] bei der indischen Feuerprobe; Stenzler, Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft, IX, 669; auch zum letztern die sieben Trappen, Norddeutsche Sagen, Nr. 284; Harrys, I, 31, und Grimm, Deutsche Sagen, Nr. 100; Lyncker, Heßische Sagen, Nr. 178. Bei Thale liegt eine Stelle, die Siebensprünge genannt, wo sieben Prinzen, die von sieben Riesen getödtet wurden, begraben liegen sollen; Pröhle, Unterharzs., Nr. 11, 12. In der Anmerkung bemerkt der Herausgeber, daß »Siebenspringe« zu lesen sei, aber gibt keinen Grund an; befinden sich etwa sieben Quellen dort? Vielleicht läßt sich noch ermitteln, ob hier etwa in alter Zeit ein ähnlicher Gebrauch wie an der Eiche auf der Haar stattgefunden habe. – Vgl. auch noch Woeste's Mittheilung in Wolf, Zeitschrift, I, 392. Der Tanz ist doch wol ursprünglich derselbe wie der bei der Hochzeit Nr. 121 besprochene, genau aber stimmt er zu dem von Meier (Gebräuche, Nr. 161) geschilderten »Siebensprung« oder »den sieben Sprüngen«. Auch bei der Kirmeß tanzte man die »Siebensprüng«, Montanus, S. 60. Ueber den Hochzeitstanz vgl. noch Pröhle, Harzbilder, S. 8: Auch der »Siebenspringer« wurde auf alten Hochzeiten aufgeführt. Dabei tanzten Paare siebenmal in einem Kreise sehr geschwind. Jauchzend rief man: »Der Siebenspringer is hier!« Zwei Männer klopften mit dem Finger auf den Fußboden und jauchzten immerfort: »Use Siebenspringer, use Hochtiet.« Danach klopften sie, die Musik nachahmend, mit den Ellenbogen, dann mit den Knien, dann mit den Hacken, und endlich mit den Fußspitzen auf den Boden. Danach fielen sie zurück, wälzten sich und schlugen mit dem Kopf dreimal den Takt auf dem Boden. Nun war der Siebenspringer vollbracht und alles rief: »Use Siebenspringer is noch an Leben!« – Noch eine neuere Mittheilung über die zu Ostern gehaltenen Siebensprünge liefert Woeste in Wolf, Zeitschrift, III, 304. Der Ort war nach dem Berichterstatter etwas vom Haarbaum entfernt; man hatte da ein rundes Loch in der Erde und ringsum sieben kleinere Löcher in gleicher Entfernung. Wer sein Glück versuchen wollte, setzte den linken Fuß ins Mittelloch und schwenkte das rechte Bein rechtsum hinterwärts, um das erste Loch zu treffen. Wer in dieser Weise sonnenläufig sich drehend, alle sieben Löcher traf, ohne den linken Fuß aus dem Mittelloche zu ziehen, galt für den Glücklichen. – Wenn nach dieser Mittheilung der Tanz jetzt auch nicht unmittelbar um die [151] Eiche stattfindet, so wird es doch früher so gewesen sein, wie die um Eichen geführten Reigen am Ostertage in andern westfälischen Gegenden beweisen; vgl. Grimm, Mythologie, S. 64. Vgl. auch den Tanz um die Eiche bei Hochzeiten, oben Nr. 120. Das Tanzlied findet sich auch in den Bremer Kinder- und Ammenreimen, S. 27, wo es lautet:


»Danss mi mal de seven sprünge, danss mi mal de seven. – meenst' dat ik nig danzen kann? kann danzen as en edelmann – spring hoog up! spring hoog up!«

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Zweiter Theil. Gebräuche und Aberglauben. Ostern. 425. [Auf der Haar nahe bei Iserlohn stand noch im vorigen Jahrhundert]. 425. [Auf der Haar nahe bei Iserlohn stand noch im vorigen Jahrhundert]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-D597-E