[11] [15]2. Clorinda erwachet aus dem schädlichen Sünden-Schlaff/ und befindet sich sehr übel getröst
Ego dormivi, & soporatus sum, & exsurrexi.
Psal. 3. v. 6.
Ich bin entschlaffen/ und hab einen sehr tieffen Schlaff gethan/ und bin aufgestanden.
1.
O Gott! wo bin ich doch?
Auff was für einer Erden?
O weh mir! leb ich noch?
Ach! ach! wie will mir werden!
Ich bin gantz müd/ und schwach/
Erfüllt mit Ungemach/
Und schmertzlichen Beschwerden.
2.
[15] 3.
4.
Wo ist das schöne Feld/
Da ich zuvor gelegen?
Und wo das Lust-Gewäld/
Bethaut mit göldnem Regen?
Wo ist der Freuden-Gart
Erfüllt mit mancher Art
Der Lustbarkeit zu pflegen?
5.
Wie hat nicht alles sich
So unverhofft verkehret?
Noch kurtz zuvor hab ich
Die Zeit in Freud verzehret/
Nun lig' ich von dem Leyd
Auff einer wilden Heyd
An gantzem Leib versehret!
6.
7.
Weh' mir daß ich gehorcht
Dem Morpheûs so vermessen/
Und also ohne Forcht
Der edlen Zeit vergessen!
Nun will der Reuer mir
Das Hertz abnagen schier/
Der Kummer will mich fressen!
8.
9.
Zu dem/ so find ich/ daß
Mich jedermann verlassen/
Bin forchtsam/ wie ein Haß/
Auff den die Hunde passen:
Kan auch/ weil in die Fehr
Kein Trost zu spühren mehr/
Kein Hertz zur Hoffnung fassen!
[17] 10.
Daphnis zwar könnte mich
Noch aus dem Würbel schwingen/
Wie wird Er aber sich
Zu solchem können zwingen?
Weil ich ihn nur verlacht/
Sein' edle Lieb veracht/
Wie kan Er mir beyspringen?
11.
12.
Ich (Edler Daphnis) auch
Hab deine Lieb verachtet/
Und nach verkehrtem Brauch
Nach fremmder Lieb getrachtet/
Da unterdessen du
In feuriger Unruh'
Nach mir schier gar verschmachtet.
13.
14.
Wo soll ich dann nun hin
Mich arme Tröpffin wenden/
Die ich verlassen bin
An allen Ort- und Enden?
Wer ist wohl/ der mir mag/
Auff daß ich nicht verzag'/
Genuge Hoffnung senden.
15.
16.
17.
Das Urtheil ist gefällt/
[19]Daphnis hat es gesprochen/
Weil ich das Böß erwöhlt/
Und meine Treu gebrochen/
Wird er mir diese Schmach
So bald nicht sehen nach/
Und lassen ungerochen.
18.
Wo ist nun jetzt die Welt/
Der ich so sehr bewogen/
Die mich umb Gut/ und Gelt/
Umb Leib/und Seel betrogen?
Sie hat eydbrüchig mich
Gelassen in dem Stich/
Treu-loß darvon gezogen.
19.
Weil sie mich dann verlaßt/
Soll ich sie nicht verfluchen?
Weil mich der Himmel haßt/
Wo soll ich Rettung suchen?
Habt doch Mitleyden/ ihr
Vernunfft-beraubte Thier/
Und Schatten-reiche Buchen.
Fußnoten
1 Der Schlaff-Gott. Poët.
2 Wilde Thier.
3 Promontorium malæ spei.
4 Adonis ein schöner Jüngling von einem wilden Schwein verletzt/ ist in eine schöne rothe Blum verwandelt worden. Poët.
5 Das Meer gegen dem Untergang der Sonnen.
6 Eine Nymph. Poët.
7 Ein Wald-Gott. Poët.
8 Esth. I.
9 Rachgierige.
10 Eine Nymph.
11 Ein Fürst in einen Widhopff verwandelt. Poët.
12 Des Narcissen Liebhaberin.