[143] [147]5. Clorinda bewäinet ihre Sünde/ und fühlet allgemach die Süßigkeit des himmlischen Trosts
Caput meum plenum est rore, & cincinni mei guttis noctium.
Cant. 5. v. 3.
Nein Haupt ist voll des Taus/ und meine Haarlocken der Tropffen.
1.
Meine Augen/
Die voll weicher Perlen stehn/
Mir nun taugen
Nach des Daphnis Gnad zu gehn:
O ihr Thränen
Fliesset häuffig früh/ und spaht/
Zu versöhnen
Meiner Sünden Missethat.
2.
Agar wäinte
Daß sie scheinte
Auffzugeben ihre Seel/
Sie verzagte
Schier um ihr tod-schwaches Kind/
[147]Aber klagte
Ihre Plag dem lähren Wind.
3.
Von dem Brunnen
Vieler heisser Zähern war'
2Uberrunnen
Jacobs Leib fast immerdar/
Ihn bekränckte
Sein verlohrner Joseph hart/
Schier vertränckte
In den Thränen seinen Bart.
4.
Das verbeinte
Gottloß
Israëliter-Volck
3Dorten wäinte/
Wie ein ausgebrochne Wolck/
Ihre Thränen
Flossen nach Aegypten-Land
Nach dem schönen
Knoblauch-reichen Ubelstand.
5.
Wie ein dürres Holtz-Gehäg/
Dort zusammen
Eingefallen Siceleg,
Wäinte kläglich
David sammt dem gantzen Heer
5 [148]So unsäglich/
Daß kein Zäher übrig mehr.
6.
Heisse Zäher
Hat mit grossem Läid beschwärt/
Als vor Zeiten
Er der Stadt Jerusalem
Müßt andeuten
Ihre Blut- und Thränen-Schwemm.
7.
Gantze Bäche
Wäinte
David auch so gar
8Als der freche
Absolon erstochen war'/
Weil er wüßte/
Daß sein Gott-vergeßner Sohn
Büssen müßte
8.
Ohn' auffhören
Wäinte
Petrus immerfort/
10Zu verstöhren
War' er auch an keinem Ort/
Endlich haben
[149]Ihm die Thränen eine Furch
Auffgegraben
Durch die Wangen durch und durch.
9.
Der gezierte
Wunden-Träger von
Assis 11Offt verliehrte
Sein Gesicht durch Thränen-Güß!
Er bewäinte
Daphnis Tod so schmertzlich sehr/
Daß er scheinte
Zu zerrinnen in ein Meer.
10.
Diese Thränen
Möcht ich ihnen allzumal
Abentlehnen
Zu versencken meine Qual:
Gantz zerfliessen
Müßte auch so gar mein Hirn/
Wasser giessen
Wie des Wassermanns Gestirn.
1211.
Ich will wäinen/
Wie ein Mutter-loses Kind;
Mit der reinen
Fara werden endlich blind/
13 [150]Die erblinden
Lieber wolt' aus grosser Scham/
Als verbinden
Sich mit einem Bräutigam.
12.
Meine Glieder
Sollen trieffen immerdar/
Dem Geschlüder
Gleich von angefangnem Jahr;
Meine Wangen
Sollen von der Sünd beschämmt
Wegen langen
Wäinens werden überschwemmt.
13.
Ich will machen
Mir ein eignes Thränen-Teich/
Und verlachen
Den
Neptun in seinem Reich/
14Will im tieffen
Augen-Wasser watten her/
Also trieffen/
Als wann ich die
Thetys wär.
1514.
Satte Thränen
Wird mir geben meine Reu/
Zu versöhnen
Mich mit Daphnis auff das Neu:
Wann ich meine
[151]Sünd'/ und
Daphnis Lieb bedenck/
16Ich umb keine
Thränen-Armuth mich bekränck'.
15.
O ihr Sünde/
Billich muß ich hassen euch/
Dann ich finde/
Daß ihr seyt ein' böse Seuch:
Ach wie schmertzet
Ihr das Hertz/ so euer frey/
Recht behertzet/
Was da Gott erzörnen sey.
16.
Auff die Freuden/
Bald verschlucktes Linsen-Muß/
Folgt das Leyden
Einer lang- und harten Buß:
17Esau büßte
Seine kurtze Wollust lang;
Apffel macht uns allen bang.
17.
Doch ihr Büsser
Allen Schrecken von euch leint/
Dann viel süsser
Ist die Buß/ als man vermeint:
[152]Schelffen ist ein süsser Kern:
Trost erwerben/
Die mit Daphnis leyden gern.
18.
Was man liebet/
Ob es schon sehr hart/ und schwär/
Nicht betrübet
Wann es selbst der Tod auch wär':
Edle Ritter
Haben in dem Streit nur Lust/
Alles bitter
Ist Liebhabern unbewußt.
19.
Ey so fliesset
Stäts ihr meine Augen beyd'/
Dann versüsset
Wird dardurch mein Hertzen-Läid:
Herbe Thränen
Werden durch die Hoffnung süß/
Helffen denen/
Die gefallen/ auff die Füß.
20.
Von dem Wäinen
Will ich nimmer lassen ab/
Biß ich meinen
Daphnis gantz versöhnet hab:
Will erträncken
In den Thränen meine Sünd'/
So versencken/
Daß auch Gott sie nicht mehr find'.
Fußnoten
5 Planxerunt, donec deficerent in eis Lachryma. 1. Reg. 30. v. 4.
8 2. Reg. 19. Mein Sohn Absolon, Absolon mein Sohn. v. 4.
9 Ein Fluß in der Höllen. Poët.
10 S. Clemens lib. 1. Recog.
11 Der H. Vatter Franciscus.
12 Der Wassermann gießt zwar kein Wasser/ ist doch ein Ursach grosser Wassergussen.
13 S. Fara Hagarii Tochter wäinte sich blind/ als sie sich verheyrathen solte. Ravisius, & Valent. Leucthius in vita SS. 7. Ian.
14 Neptunus der Meer-Gott.
16 Die Seel/ die da sündiget/ wird sterben. Ezech. 18. v. 4. Die Engel wurden lieber in die Verdammnuß gehn/ als Gott mit der geringsten Sünd beläidigen. in vit. Cathar. Genuen.
19 Nach der Viele meiner Schmertzen haben mich deiner Tröstungen erfreuet. Psal. 93. v. 19.