Der Unbeständige

Daß ich dies und das beginne,
Heute grad und morgen quer,
Gegen das, was heut ich minne,
Morgen richte Spieß und Speer:
Sollte das so sehr dich wundern,
Du mein konsequenter Mann?
Keiner von den Erdenplundern
Lange mich behalten kann!
Heute bin ich zum Exempel
Ganz ein Metaphysikus;
Morgen schallt in Themis' Tempel
Mein unsteter Menschenfuß.
Heute steh ich nachts am Giebel,
Suche Jungfrau, Stier und Bär;
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Morgen les ich in der Bibel;
Übermorgen im Homer.
Blickt mein Geist im Wissensdrange
Durch ein Fenster in die Welt;
O dann paßt er auch nicht lange, –
Sieht er drinnen nichts erhellt;
Und er guckt zu einem andern
In die finstre Welt hinein!
Muß von hier auch weiter wandern,
Nirgends auch nur Lampenschein!
Freilich, wenn du unabwendig
Starrest in dasselbe Loch,
Wirds vor deinem Blick lebendig,
Dein Ausharren lohnt sich doch;
Denn die Augen dir erlahmen,
Und Gespenster malen sich
In des Fensters leeren Rahmen:
Und man nennt den Weisen dich!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Lenau, Nikolaus. Gedichte. Gedichte. Erstes Buch. Vermischte Gedichte. Der Unbeständige. Der Unbeständige. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DDB9-D