2.

Frühling, schönster Held auf Erden!
Wonniglich sind deine Kriege
Gegen starre Todesmächte,
Wie holdselig deine Siege!
Sieh, dort kommt ein Held, ein rauher,
Deinem Walde zugeritten,
Freudig tanzt der Staub zum Himmel
Über seines Rosses Tritten.
Heiße festlich ihn willkommen,
Lenz, in deinen grünen Hallen,
Laß ihm deine reinste Quelle
Huldigend zu Füßen fallen;
Sprenge Duft aus Blumenkelchen,
Rühre deine süßen Flöten
Und entzünde Freudenfackeln,
Pappeln an den Abendröten;
Bette Moos für seine Mannen,
Tränk und füttre seine Rosse;
Denn der Held, den du bewirtest,
Frühling, ist dein Stammgenosse. –
In die Buche holden Namen
Ritzte hier verliebtes Härmen,
Daß ihn Blütenhauche küssen
Und die Vöglein ihn umschwärmen;
Ziska will den Namen ›Freiheit‹,
Der sein Herz zu Taten schwellt,
[406]
Tief mit seinem Heldendegen
Schneiden in das Mark der Welt.
Seine Brautfahrt gilt der Freiheit,
Rache ist die starre Rüstung,
Die er trägt auf seinem Gange,
Seine Werbung heißt Verwüstung.
Ziska bringt als Morgengabe
Seinen Leichenschatz ihr dar,
Hussens Schatten sei der Priester,
Flammen bauen den Altar.
Frühling, sieh, von seinem Rappen
Hat der Wilde sich geschwungen,
Und er sucht ein kurzes Schlummern
In des Waldes Dämmerungen.
Seine Krieger rings am Boden
Haben sich um ihn gelagert,
Gierig weiden schon die Rosse,
Müd, vom Schlachtenritt gemagert.
Mahlzeit halten die Hussiten
Fröhlich in der Abendkühle,
Es versinken ihre Panzer
In des Mooses weiche Pfühle.
Vögel singen durch die Schatten,
Locken Schlummer auf die Wimpern,
Und melodisch säuselnd, rauschend,
Im Gezweig die Lüfte klimpern.
Ziskas Auge blicket schläfrig
Durchs Entspinnen eines Traumes
Nach dem abendroten Stamme
Dort des alten Eichenbaumes;
[407]
Zweifelnd mischen Aug und Seele
Ihren Blick in eins zusammen:
Ists die Sonne? ists ein Blutstrom?
Steht dort eine Burg in Flammen?
Und womit ihm Maienlüfte
Überstreuen Bart und Locken,
Weiß er nicht mehr im Entschlummern,
Ob es Blüten, Aschenflocken?
Mann und Roß hier, schlummernd, weidend,
Lenz, erquicke sie und stärke
Sie zur heißen Heldenarbeit,
Zu dem blutgen Frühlingswerke.
Lenz, wie dich und deine Wonnen
Stürme zur Nachtgleiche melden,
Hat dein Bruder Geistesfrühling
Sich vorausgesandt den Helden.
Ziska ist erwacht; es duften,
Klingen rings um ihn die Schatten,
Gleich als wollten sie des Helden
Zorn in weicher Lust bestatten;
Doch zum Aufbruch schon gerüstet,
Weckt er, stoßend in sein Horn,
Aus des holden Lenzes Armen
Seine Krieger, seinen Zorn.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Lenau, Nikolaus. Gedichte. Gedichte. Fünftes Buch. Vermischte Gedichte. Johannes Ziska. 2. [Frühling, schönster Held auf Erden!]. 2. [Frühling, schönster Held auf Erden!]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DDF7-0