5.

Gerne sehn wir schöne Spiegel
Im Gemache schöner Frauen;
Möge froh ihr holdes Antlitz
Ihnen draus entgegenschauen!
Hat ja selbst Natur, die ernste,
Nichts so schön gemacht auf Erden,
Wie den Spiegel, drin sie anschaut
Ihre Züge und Gebärden.
Sie betrachtet durch des reinen
Menschenauges Zauberspiegel
[412]
Ihrer Züge schöne Rätsel,
Wie ein lächelnd Gottessiegel.
Rings hinaus in alle Weiten
Ist das Weltmeer hingegossen,
Doch ein Ozean der Tiefe
Ist das Auge, eng umschlossen.
Welten schwimmen auf den Fluten
Dieses Meers an uns heran,
In den ewgen Geist hinunter
Reicht der stille Ozean.
Lieben kann ich Ungeschautes,
Klang es hold mir; doch anbeten
Werd ich nur, was schön und göttlich
Vor das Auge mir getreten.
Schauen ist die höchste Wonne;
Wehe, wer das Licht verloren!
Jedes Glück ist seinem Dunkel
Wie ein Grüßen vor den Toren;
Jeder Schmerz wird doppelt heftig
In der Brust dem Blinden schlagen,
Weil die Mächte ihm des Lebens
Jeden stillen Trost versagen.
Weinen hört er die Entrückten,
Lachen hört er sie beklommen,
Doch der Wehmut stilles Lächeln
Und ihr Trost ist ihm genommen.
Tiefer stürzt der Schmerz beim Anruf
Gleich dem Hirsche, dem erschrocknen,
In die Wildnis; doch das stumme
Lächeln kann das Auge trocknen
[413]
Ziska hat gen Rabys Mauern
Seines Heeres Sturm gewendet,
Als ein Pfeil ihm auch das zweite
Auge trifft, er ist geblendet.
Tiefer wird er nun betrauern
Hussens Tod, des edlen Helden,
Heißer, wilder, schreckenvoller
Wird sein Zorn der Welt sich melden.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Lenau, Nikolaus. Gedichte. Gedichte. Fünftes Buch. Vermischte Gedichte. Johannes Ziska. 5. [Gerne sehn wir schöne Spiegel]. 5. [Gerne sehn wir schöne Spiegel]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DFD7-8