[119] Unmögliches

Bevor mein Blick den Zauber noch getrunken,
Der, wie die Farbenpracht am Demant glüht,
Dich tausendfach, doch immer neu, umblüht,
Horcht ich dem Freund, in Ahnungen versunken.
Wir sehn des Berges Haupt in Purpur prangen,
Wenn schon die Sonne sank und Dämmerung
Den Hain umflort: so strahlt Erinnerung
An dich, Geliebte, von des Freundes Wangen.
Begeistert taucht' er in des Busens Tiefen
Den Pinsel, und er malte warm und mild
Dem selgen Horcher dein entzückend Bild,
Gefühle weckend, die seit lange schliefen.
Doch wie's dem Dichter nimmer will gelingen,
Des Busens Drang ins enge Wort zu zwingen.
Hinüber uns in seine Welt zu singen;
So hat der Freund vergebens dich gemalt,
Sie nicht erreicht, die göttliche Gestalt,
Und deiner Seele stille Allgewalt.

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TextGrid Repository (2012). Lenau, Nikolaus. Gedichte. Gedichte. Erstes Buch. Vermischte Gedichte. Unmögliches. Unmögliches. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E177-F