9.

Finster sitzt, abseit vom Heere,
Ein Hussit im Walde dort,
Einsam in des Baches Rauschen
Murmelt er sein Trauerwort.
Waschend in der Flut die Waffen,
Ruft er: »Heule, Bächlein, heule!
Ziska liegt im Zelte sterbend,
Schwingt nicht Lanze mehr, noch Keule!
[419]
Ziska liegt in seinem Zelte,
Sterbend liegt er auf dem Grunde;
Doch es ist kein Weibgeborner,
Der ihm schlug die Todeswunde.
Ha! wie kamen sie geritten,
Einen Kampf mit ihm zu wagen,
Hoch auf schwarzen, weißen Rossen;
Alle hat er sie erschlagen.
Ja, der Tod, der andre Männer
Niederschmettert und zerschellt,
Hat dem Ziska, dem Gewaltgen,
Feig und tückisch nachgestellt.
Heule, Bächlein, heult ihr Wälder,
Aller Welt den Schmerz zu melden,
Böhmen und der ganze Erdkreis
Sind verwaist des größten Helden.« –
Ziska tröstet die Betrübten,
Die an seinem Lager trauern:
»Brüder, heute werd ich sterben;
Doch die Taten werden dauern.
Denn es wird in späten Tagen
Unsern Leid- und Kampfgenossen
Stärkend aus Hussitengräbern
Trost und grüner Mut entsprossen.
Darum sollt ihr meinem Tode
Stark, nicht trüb und weich erscheinen;
Habt ihr nicht gelernt von Ziska,
Keinen Toten zu beweinen?
Seid gehorsam, wackre Brüder,
Meinem letzten Tagsbefehle:
[420]
Nehmt mein Sterben, nehmt mein Scheiden
Hin mit heitrer Kriegerseele.
Hochzeit ist in diesem Zelte,
Mit der Pest bin ich getraut;
Furchtbar war Johannes Ziska,
Furchtbar auch ist seine Braut.
Mit der Rache heißen Träumen
Hat kein Weib mein Bett geteilt,
Sie allein, von deren Kusse
Nimmer wird mein Herz geheilt.
Daß ein Teil von mir noch immer
In der Schlacht den Mut euch wecke,
Spannet lustig auf die Trommel
meines Leibes kalte Decke.
Ha! schon hör ich Schlachten brausen;
Fliehend geben sie die Sporen,
Da den Feinden mein Vermächtnis
Schrecken trommelt in die Ohren.«
Also sprach er, wieder sinkt er
In den Traum der Fieberhitze,
Tummelt mitten in der Feldschlacht
Seine Keul und Lanzenspitze.
Alle, die sein Arm getötet,
Tötet er im neuen Strauß,
Alle, die schon längst im Grabe,
Müssen noch einmal heraus.
Ja! heraus! heraus! Husaren!
Panzerdicke deutsche Reiter!
Ziska kolbt euch eure Tage
Kürzer und die Köpfe breiter.
[421]
Reichen Schnee zur Erde nieder
Ließ der Himmel Böhmens fallen,
Daß der Feinde Blut in grellem
Abstich möge drüber wallen.
Ziska bohrt die Lanzenspitze
Tief den Feinden ins Gedärme,
Daß vom Frost des harten Winters
Sich das Eisen gütlich wärme.
Der beglückte Wahn des Traumes
Gab ihm seine Augen wieder,
All die Pfaffen, Fürstenknechte
Schaut er klar und haut sie nieder.
Also träumt er, also kämpft er,
Bis die letzte Kraft geschwunden,
In der Schlacht ein Held verscheidend,
Unversehrt, unüberwunden.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Lenau, Nikolaus. Gedichte. Gedichte. Fünftes Buch. Vermischte Gedichte. Johannes Ziska. 9. [Finster sitzt, abseit vom Heere]. 9. [Finster sitzt, abseit vom Heere]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E213-7