96.

Wie Freundinn fühlen Sie die Wunde
Die nicht dem Gatten blos, auch mir das Schicksal schlug!
Mir der nur Zeuge war von mancher frohen Stunde
Von jedem Wort aus ihrem Munde
Das das Gepräg der innern Grösse trug.
Ganz von der armen Welt vergessen,
Wie oft hat sie beglückt durch sich
Auf seinem Schooß mit Siegerstolz gesessen!
Ach und ihr Blick erwärmt' auch mich.
Auch ich auch ich im seeligsten Momente
Schlug eine zärtliche Tangente
Zur grossen Harmonie in ihrem Herzen an
Mit ihrem Bruder, ihrem Mann.
Wie hob mich das Gefühl auf Engelschwingen
Zu edlern Neigungen empor,
Wie warnt' es mich bey allzu feinen Schlingen,
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Daß ich nie meinen Werth verlohr.
Mein Schutzgeist ist dahin, die Gottheit die mich führte
Am Rande jeglicher Gefahr,
Und wenn mein Herz erstorben war
Die Gottheit die es wieder rührte.
Ihr zart Gefühl das jeden Mißlaut spührte
Litt auch kein Wort, auch keinen Blick
Der nicht der Wahrheit Stempel führte.
Ach diese Streng' allein erhält das reinste Glück
Und ohne sie sind Freundschaftliche Triebe,
Ist selbst der höchste Rausch der Liebe
Nur Mummerey die uns entehrt,
Nicht ihres schönen Namens werth.
Wie wenn ich itzt mein künftig Glück beschriebe?
Wie wenn mir das an Ihnen bliebe
Fürtrefliche! was ich an ihr verlor?
Wenn mir die Seelige in der Verklärten Chor
Sie selber dazu auserkohr?
O womit dankt' ich ihr und Ihnen?
Womit, womit könnt ich dies Glück verdienen,
Der Freundschaft unverdächtig Glück,
Die nur dem Werth den sie am andern kannte
Und seiner Dauer nur den liebevollen Blick
Und mit ihm Himmelsfreuden sandte.

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TextGrid Repository (2012). Lenz, Jakob Michael Reinhold. Gedichte. Gedichte. 96. [Wie Freundinn fühlen Sie die Wunde]. 96. [Wie Freundinn fühlen Sie die Wunde]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E242-E